Ernst Trachsler «Auf Spurensuche im 19. Jahrhundert · Gedichte von Katharina Berkmüller-Stutz

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Ernst Trachsler Auf Spurensuche im 19. Jahrhundert

Gedichte von Katharina Berkmüller-Stutz 1809 – 1876

Wängener Heft 7



Ernst Trachsler Auf Spurensuche im 19. Jahrhundert

Gedichte von Katharina Berkmüller-Stutz 1809 – 1876 Wängener Heft 7


Impressum Herausgeber Stiftung Ortsmuseum Wängi Fotos, Scans Ruedi Götz, Wängi Layout, Satz, Bildbearbeitung

VMA Media AG · Ueli Mattenberger, Affeltrangen Lektorat

Hanna Wittenwiller, Seuzach Korrektorat Walter Berger, Sulgen Hinweis zu den Aquarellen und Zeichnungen Die Farbtreue der Werke Berkmüllers orientiert sich am heutigen Zustand der Aquarelle und Zeichnungen. Im Laufe der rund 150 Jahre haben sich möglicherweise Verfärbungen oder sonstige Alterspuren ergeben. Diese wurden belassen. Die Bilder wurden nicht auf einen unbekannten Originalzustand zurück retouchiert. Dazu kommt, dass manche heute nicht mehr auffindbaren Zeichnungen und Aquarelle in früheren Jahren fotografiert oder digitalisiert wurden, zum Teil sogar unter Glas und alt gerahmt. All dies tut der Qualität der reproduzierten Aquarelle und Zeichnungen keinerlei Abbruch. Sie vermögen gerade auch durch ihr sichtbares Alter durchaus zu überzeugen. Frühjahr 2022


Inhaltsverzeichnis Grusswort des Gemeindepräsidenten

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Vorwort des Autors

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Katharina Berkmüller-Stutz im Ortsmuseum Wängi

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Ihre Zeit Das Murgtal im 19. Jahrhundert

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Textilindustrie

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Dörfliches Leben um 1870

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Ihr Leben Kindheit und Jugend im Zürcher Oberland

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Heimweh

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Trost in der Musik

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Die Beziehung zu ihrem Bruder Jakob Stutz

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Heirat mit Johann Alphons Berkmüller

32

Glaube und Konfession

37

Alltag und Lebensstil bei Berkmüllers

41

Schuhwerk und Kleidung

44

Bücher und Zeitungen

51

Engagement im Dorf

55

Gesundheit

56

Die Tochter Louise

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Inhaltsverzeichnis

Das Berkmüller Haus Erste Wohnung im katholischen Schulhaus

64

Erwerb des evangelischen Schulhauses

67

Verkauf an den Dorfarzt Hermann Walder

70

Das Berkmüller Haus heute

70

Ihr literarisches Werk – eine Einordnung Erste Kontakte mit Literatur

75

Vom Lesen zum Schreiben

81

Erste Veröffentlichung

82

Fortsetzung in Wängi

83

Ihre hauptsächlichen Themen

84

Beziehungspflege

85

Selbstvergewisserung

89

Naturerlebnis und Jahreszeiten

93

Verarbeitung von Leid

98

Umgang mit Übergängen

100

Sprache

101

Abschliessende Würdigung

104

Einblicke in das Gedichtbändchen für ihre Tochter Louise

108

Literatur und Quellen

138

Endnoten

145

Finanzielle Unterstützung

153

Autoren

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Wängener Hefte

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Grusswort des Gemeindepräsidenten Mit den Wängener-Heften 6 und 7 wird die erfolgreiche und für unsere Gemeinde wertvolle Schriftenreihe fortgesetzt. Unter dem Titel «Auf Spurensuche im 19. Jahrhundert» werden die Werke von Johann Alphons Berkmüller und Katharina Berkmüller-Stutz beleuchtet. Wiederum ist es Ernst Trachsler gelungen, ein äusserst interessantes und lesenswertes Stück Wängener Geschichte vorzulegen. Die beiden Bände sind nicht nur eine Darstellung des Oeuvre Berkmüllers und des literarischen Werkes von Katharina Berkmüller, sondern geben faszinierende Einblicke in die Lebenswelt von Wängi im 19. Jahrhundert. Ein Bericht aus einer bewegenden Epoche, meisterhaft geschildert. Ich bedanke mich herzlich beim Autor für die Realisation dieser Hefte, welche eigentliche Zeitdokumente für unser Dorf Wängi darstellen. Den geschätzten Leserinnen und Lesern wünsche ich anregende Unterhaltung und Erkenntnisgewinn bei der Lektüre. Lassen Sie sich auf das Abenteuer Wängi im 19. Jahrhundert ein. Thomas Goldinger Frühjahr 2022

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Vorwort des Autors

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Katharina Berkmüller-Stutz stand in der historischen Rückschau lange Zeit im Schatten ihres Mannes. Wir bestaunten seine Zeichnungen und Aquarelle und erfreuten uns an der biedermeierlich heilen Welt des 19. Jahrhunderts. Ihre Gedichte fanden hingegen nie ein vergleichbares öffentliches Interesse, zumal die meisten Leserinnen und Leser Katharinas handgeschriebene Deutsche Kurrentschrift kaum zu entziffern vermochten. Nunmehr sind sämtliche Texte transkribiert und es ist an der Zeit, die Schriften von Katharina Berkmüller näher zu betrachten und ihr literarisches Lebenswerk zu würdigen. Zwei Leitfragen stehen auch hier wie-

der im Vordergrund: Was sagen uns heutigen Leserinnen und Lesern die Gedichte aus dem 19. Jahrhundert? Darüber hinaus interessiert uns die Person der Katharina Berkmüller. Wer war sie und wie hat sie gelebt? So einfach die Fragen, so anspruchsvoll die Suche nach Antworten. Das beschauliche Lesen der Gedichte wird unvermittelt zur intensiven Recherche. Zeile um Zeile, Schicht um Schicht müssen die Inhalte aus den verknappten Formulierungen der Poesie aufgespürt und allfällige Hinweise auf Katharina als Person und auf ihr Leben herausgefiltert werden. Auch wenn manche Fragen offen bleiben, vermögen die im Ortsmuseum Wängi überlieferten Dokumente durchaus Aufschluss über die Zeit des 19. Jahrhunderts, die damaligen Gepflogenheiten und die spezielle Situation von Katharina an der Seite ihres Gatten Alphons zu geben. Wir erkennen ganz allmählich, wie sie ihr Leben mit all seinen Freuden und Rückschlägen gemeistert hat. Und wir stehen schliesslich mit grossem Respekt vor ihrem literarischen Lebenswerk. Die Spurensuche hat sich trotz aller offen gebliebenen Fragen gelohnt. Entstanden ist ein eindrückliches Lebens- und Zeitbild, irgendwo zwischen Biographie und Chronik. Überzeugen Sie sich selbst! Ernst Trachsler Frühjahr 2022


Katharina Berkmüller-Stutz im Ortsmuseum Wängi

7 Katharina Stutz. (1809 – 1876). Dichtungen. Herausgegeben vom Verfasser der Gemälde aus dem Volksleben. 1835. Zweite Ausgabe. 9.2 x 14.8 cm. Inv.Nr. B 80. Ortsmuseum Wängi.

Katharina Berkmüller-Stutz. (1809 – 1867). Gedichtbändchen. Einband aus schwarzem Leder mit Goldprägung. Goldschnitt. Mit Signatur. Ohne Datierung. 11.5 x 15.0 x 1.5 cm. Inv.Nr. B 172. Ortsmuseum Wängi.

Wir beginnen unsere Erkundungen nach dem Werk und nach der Person der Katharina Berkmüller-Stutz mit einem Überblick über alle relevanten Objekte aus dem Ortsmuseum Wängi. Da ist zunächst ein gedrucktes Gedichtbändchen. Es erschien 1835 bereits in zweiter Auflage bei der «Schulthess’schen Buchhandlung» in Zürich. Über seine interessante Geschichte wird noch zu berichten sein. Der Wängemer Dorfarzt Hermann Walder (1855 – 1931) hat das Büchlein erworben und über seine Nachkommen fand es um 1980 den Weg ins Ortsmuseum. Auf der Titelseite ist als Bleistiftvermerk noch der Name des Besitzers «Dr. Walder» zu lesen. Auf der Rückseite des Einbandes findet


Katharina Berkmüller-Stutz im Ortsmuseum Wängi

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sich der vermutliche Kaufpreis aus dem Jahre 1835: «1 Btz» (1 Batzen). Ein zweites – und für unsere Spurensuche das herausragendste – Objekt ist ein Gedichtbändchen mit gut 140 handgeschriebenen Gedichten. Die Mutter Katharina schenkte es einst ihrer Tochter Louise. In der Widmung auf der ersten Seite schreibt die Mutter den Namen ihrer Tochter französisch als «Louise». Später dann, in den Gedichten selber, erscheint er eingedeutscht als «Luise» oder «Luischen». Im ersten Gedicht mit dem Titel «Meinem lieben Kinde Luise Berkmüller bei Überweisung einiger Gedichte» heisst es: Was ich oft in den stillen Stunden In meiner Einsamkeit empfunden, Das sagen diese Lieder hier, auch wenn ich nicht mehr lebe, dir. Sie zeugen dir von manchen Freuden, Und zeugen aber auch von Leiden, Von mancher Stunde schwer und bang, Im wechselvollen Lebensgang. (…) Wo ich in trüben schweren Stunden Beruhigung und Trost gefunden, Und was mir durch mein Leben hin Geschenkt den still zufriednen Sinn. Das wird dies Büchlein dir erzählen, Drum will ich’s zum Geschenk dir wählen, Ist dies Geschenk auch noch so klein, Kann es dir doch recht nützlich sein. 1

Ins Ortsmuseum Wängi fand das Bändchen seinen Weg ebenfalls über die Familie des Dorfarztes Hermann Walder. Berkmüllers und Walders waren während einiger Jahre Nachbarn an der Dorfstrasse in Wängi. Neben diesen beiden gebundenen Werken finden sich im Ortsmuseum Wängi einige handgeschriebene Gedichte auf einzelnen Faltblättern oder aufgezogen als Gratulations­ schrift. Leider ist nur letztere datiert. Die Gedichte auf den losen Blättern, deren Weg ins Ortsmuseum sich nicht mehr zuverlässig rekonstruieren lässt, sind teilweise auch im bereits erwähnten Gedichtbändchen für Louise enthalten. Vermutlich stammen sie aus der Sammlung von Ernst Wiesmann, dem Gründer des Orts­museums. Das blau gerahmte Gratulationsblatt «Zum Andenken gewidmet dem verehrten Brautpaar Adam Ammann & Susanna Graber an ihrem Trauungstage, den 22. Juli 1858. Von der Familie Berkmüller.» ist 1986 über eine späteres Mitglied der Familie Ammann ins Ortsmuseum Wängi gekommen. Aus einem Zufallsfund im Estrichboden des Berkmüller Hauses an der Dorfstrasse 19 konnten 1980 zahlreiche Schriftstücke gesichert werden. Sie dienten dort der Isolation gegen den ungeheizten Estrich. Die Papiere tragen zwar Spuren von Feuchtigkeit und von gemahlener Schlacke. Auch Mäuse und verschiedenes Ungeziefer haben ihnen zum Teil arg zugesetzt. Dennoch konnten sie sorgfältig entstaubt, vorsichtig gereinigt und anschliessend geglättet werden. In ihrem jetzigen Zustand sind die meisten Texte wieder lesbar. Darunter befinden sich einzelne Rechnungen, ein paar Drucksachen und wenige Briefe. Der grösste Teil sind aller-


Katharina Berkmüller-Stutz im Ortsmuseum Wängi

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Katharina Berkmüller-Stutz. (1809 – 1867). Vorne verschiedene Gedichte auf losen Blättern. Zum Teil gefaltet. 11.2 x 17.6 cm. Im Hintergrund Abschrift eines Gedichtes «Kirchturm Wängi». 21.8 x 34.8 cm Mit Signatur: «Kath. Berkmüller». Ohne Datierung. Inv.Nr. G 1804/1 – 3 und G 4162. Ortsmuseum Wängi.

Katharina Berkmüller-Stutz. (1809 – 1867) Gratulationsgedicht «Zum Andenken gewidmet dem verehrten Brautpaar Adam Ammann & Susanna Graber an ihrem Trauungstage, den 22. Juli 1858.» Rundum seriell hergestellte und aufgeklebte Papierdekoration. 18.0 x 24.0 cm. Mit Signatur: «Familie Berkmüller». Inv.Nr. G 337. Ortsmuseum Wängi.

dings Notenblätter; handgeschriebene und gedruckte. Diese sind vor allem im Zusammenhang mit der Chortätigkeit von Johann Alphons Berkmüller von Interesse. Darauf wurde bereits in Heft 6 näher eingegangen. Insgesamt konnten mehr als 470 Dokumente gesichert werden.

(Bücher, Papeterieartikel usw.) 10 Zeitungen und Zeitschriften 11 Drucksachen (Medizinische Schriften) 13 Drucksachen (Politische Schriften) 1 Drucksachen (Diverses) 20 Rechnungen (Schneider, Schuster, Chornoten usw.) 50 Briefe 25 Aquarell 1 Skizzenblatt mit Zeichnung und Farbversuchen 1 Lithographie von Kaspar Hauser 1 Total 474

Chornoten und Liedtexte handgeschrieben (teilweise in Bruchstücken) 161 Chornoten und Liedtexte gedruckt (gut erhalten) 180 Warenverzeichnisse und Preislisten


Katharina Berkmüller-Stutz im Ortsmuseum Wängi

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Katharina Berkmüller-Stutz im Ortsmuseum Wängi

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Briefe, Drucksachen, Rechnungen und Notenschriften aus dem Estrich­ boden des Berkmüller Hauses. Gefunden beim Umbau in den Jahren 1980 – 1982. Das Papier diente dort der Isolation gegen den ungeheizten Estrich. Inv.Nr. B 510. Ortsmuseum Wängi.


Katharina Berkmüller-Stutz im Ortsmuseum Wängi

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Zu den wenigen Dokumenten, welche einen Bezug zu Katharina haben, gehören ein Brief von 1842, worin ein Friedrich Neumann der Frau Berkmüller die Niederkunft eines Sohnes ankündigt und erwähnt, dass «alles Geschwind vorbey und alles wohl ist bis anhin». Zum Schluss ist noch eine letzte Textquelle zu erwähnen: Auf einigen Zeichnungen ihres Gatten Johann Alphons befinden sich unter dem Bild zwei- oder vierzeilige Reimsprüche oder ganze Gedichtstrophen. Sprache und Reime erinnern stark an Katharina. Gut möglich, dass sie die Verfasserin dieser Texte ist. In einem späteren Kapitel wollen wir uns auch diese genauer ansehen. Zwei Gedichte auf kleinen Papieren erwiesen sich nach genauerer Prüfung als Werke der Tochter Louise. Doch auch davon später mehr. An diesem Zufallsfund zwischen den Deckenbalken zeigt sich wieder einmal, welche Ironie manchmal in der Geschichte liegt. Die Berkmüllers haben beim Isolieren ihrer Decke alle jene Papiere und Doku­ mente hervorgekramt, welche sie wahrscheinlich schon längst einmal hätten entsorgen wollen. Hingegen wurden amtliche Dokumente wie Heimatschein, Ausweise, Anstellungsverträge, Steuerrechnungen und Zeugnisse weiterhin sorgfältig aufbewahrt. Leider sind all diese für die Rekonstruktion eines Lebenslaufes wichtigen Papiere bei der Wohnungsräumung nach dem Tode der Tochter restlos verloren gegangen. Überdauert hat lediglich das nichtige Isolationsmaterial. Soweit also der Überblick über die im Ortsmuseum Wängi vorhandenen Objekte im Zusammenhang mit Katharina Berk-

Brief von Friedrich Neumann an Frau Berkmüller in Wengi. 24. Februar 1842. 17.0 x 14.7 cm. Inv.Nr. B510.B10. Ortsmuseum Wängi.

müller. In der Chronikstube Pfäffikon ist von der noch ledigen Katharina Stutz ein schmales Heft von 65 handgeschriebenen Seiten «Gedichte von Katharina Stutz von Pfäffikon. Seit 1822 – 1827» erhalten. Das Heft enthält insgesamt 34 Gedichte. Auch darauf kommen wir noch zurück. Damit ist der Nachlass von und rund um Katharina Berkmüller zwar nicht überwältigend gross. Dennoch lassen sich daraus die Konturen eines eindrücklichen Lebensbildes einer herausragenden Wängemer Bewohnerin des 19. Jahrhunderts nachzeichnen.


Ihre Zeit

Alphons Berkmüller (1802 – 1879). Wengi Oberdorf vom Dammbühl aus gesehen. Aquarell über Bleistift. 22.5 x 16.6 cm. Mit Signatur: «AB» und Datierung: «1863». BmKat. Nr. 152. Ortsmuseum Wängi. Ungefähr hinter der Pappelgruppe am linken Rand stand das ehemalige evangelische Schulhäuschen, welches die Berkmüllers ab 1870 bewohnten.

Das Murgtal im 19. Jahrhundert Bei der vorliegenden Spurensuche nach Katharina Berkmüller werfen wir nur einen kurzen Blick auf die Zustände und Entwicklungen ihrer Zeit. Ausführlicher finden Sie die Geschichte des 19. Jahrhunderts in Heft 6 über Johann Alphons Berkmüller. Erst jüngst konnte das Ortsmuseum Wängi den Eingang dieses Aquarells von Alphons Berkmüller verdanken. Ein beschaulicher Blick auf Wängi Oberdorf vom Dammbühl aus gesehen. Das Bild wurde 1863 gemalt. Wahrlich eine intakte Welt. Aber: Die Idylle täuscht! Das 19. Jahrhundert war eine sehr bewegte Epoche, in Wängi, im Murgtal, in der Schweiz und in ganz Europa. Rasante Veränderungen in Gesellschaft und Politik, in Technik und Kultur prägten

die Zeit. Einer beispiellosen Aufbruchstimmung auf der einen Seite standen die Sorgen und der Kampf ums tägliche Überleben gegenüber. Besonders tiefgreifend gestaltete sich dieser Aufbruch in der Textilindustrie auch oder gerade im Kanton Thurgau. Georg Y. Wyler spricht 1971 in einem Aufsatz 2 denn auch nicht nur von einem Auf- sondern von einem eigentlichen Umbruch und er streicht dabei besonders die Bedeutung des Murg­ tales hervor. Die Herstellung von Leinwand aus Hanf oder Flachs stand schon im 17. Jahrhundert im Vordergrund der Thurgauer Textilproduktion. Zahlreiche lokale Leinwandweber lieferten ihre Stoffe in die Zentren des Leinwandhandels. Zum Beispiel nach Konstanz. Am Ende des 18. Jahrhunderts begann sich

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Ihre Zeit

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Alphons Berkmüller (1802 – 1879). Weberei und Spinnerei Wängi. Vom Schlossberg her gesehen. Bleistift. 7.5 x 11.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. Vermutlich um 1845. BmKat. Nr. 21. Ortsmuseum Wängi.

dies zu ändern und die Bauwollindustrie breitete sich aus. Im Unterschied zu Flachs und Hanf liess sich Baumwolle mechanisch zu Stoff verarbeiten.

Textilindustrie Gemäss Wyler entstanden die ersten grossen mechanischen Spinnereien in Frauenfeld (1814), in Lommis (1817) und dann vor allem in Wängi. Dort gründete der Schaffhauser Regierungsrat Georg Michael Stierlin-Joos zusammen mit dem Thurgauer J.C. Bachmann im Jahre 1823 die «Gesellschaft der Mechanischen Spinnerey in Wengi». In Jakobstal fasste die Baumwollspinnerei zu jener Zeit ebenfalls Fuss und 1860 auch in Matzingen.

Die erste mechanische Weberei im Thurgau entstand 1837 in Wängi, nämlich als Nebenbetrieb der erwähnten Spinnerei. Dieser Betrieb nahm in der Folge einen solchen Aufschwung, dass der Personalbestand bald auf mehrere Hundert anstieg. Alphons Berkmüller erhielt bereits bei der Eröffnung der Weberei im Jahre 1832 eine Stelle als Buchhalter. Er war damals 29 Jahr alt. Wann genau er aus dem Berufsleben ausschied, wissen wir nicht. In der sogenannten Erdbebennacht vom 16. November 1911 brannte das Spinnereigebäude nieder. Die Spinnerei wurde aufgegeben und dafür die Weberei modernisiert. Bereits 1868 hatte auch der Betrieb in Jakobstal auf Baumwollweberei umgestellt.


Ihre Zeit

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Alphons Berkmüller (1802 – 1879). Schäfliplatz Wängi mit Gasthaus Schäfli. Bleistift. 7.5 x 11.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. Zur zeitlichen Einordnung dient die Telegraphenleitung. Sie existierte ab 1866. BmKat. Nr. 20. Ortsmuseum Wängi.

Soweit Wylers Ausführungen. Wovon er nicht spricht, sind die Auswirkungen dieser industriellen Entwicklungen auf das Leben der Menschen. Gerne würden wir wissen, was diese Änderungen im Alltag der Wängemer Dorfbevölkerung 3 und damit auch der Familie Berkmüller im Einzelnen bedeuteten. Wir beenden hier den kurzen wirtschaftshistorischen Exkurs und werfen einen Blick auf den damaligen Dorfplatz von Wängi. Da herrscht nämlich emsiges Treiben.

Dörfliches Leben um 1870 Im Mittelpunkt des Geschehens steht der Gasthof Schäfli mit seinem kunstvoll geschmiedeten Wirtshausschild. Anbindestangen für Pferde und eine Futterkrippe zeugen vom regen Verkehr vor allem auf der Hauptstrasse Frauenfeld – Wil. Zwei abgeschirrte Chaisen (einspännige Kutschen) stehen vor dem Gasthaus, jederzeit bereit, weiterzufahren. Die Kutschpferde sind nicht zu sehen. Sie befinden sich am Brunnen bei der Tränke oder sie sind für eine kurze Ruhepause im Stall eingestellt. Auch zum Hufschmied an der Dorfstrasse (heute Dorfstrasse 17) ist es ja nicht weit. Wer nicht mit der Kutsche reisen wollte, nahm das Pferd. Allerdings war die Haltung eines Reitpferdes nur wenigen


Ihre Zeit

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vorbehalten. Aus dem Kamin des Gasthofes steigt Rauch. Auf der Treppe drängen sich Leute. Sichere Zeichen, dass in der Gast­ stube reger Betrieb herrscht. Auf dem Platz gehen die Dorfbewohner ihren täglichen Geschäften nach. Wo sich die Gelegenheit für einen Schwatz ergibt, hält man gerne einen Moment inne. Berkmüller hat als Buchhalter in der Weberei auf seinem Weg an die Arbeit den Schäfliplatz täglich überquert und war daher mit dem dortigen Treiben wohlvertraut. Das alte Spinnereigebäude, welches später abbrannte, ist rechts im Hintergrund

zu erkennen. Auf dem Dach sitzt ein Glockentürmchen. Das Glöcklein, welches ursprünglich auf der Burgkapelle des Schlosses Spiegelberg hing, rief die Arbeiterschaft zur Arbeit. Bereits 1832 bei der Eröffnung arbeiteten 160 Personen in der Spinnerei. Um 1870 – zum Zeitpunkt der Zeichnung – mögen es zwischen 200 und 300 gewesen sein. An ihren blauen Überkleidern und den Baumwollfusseln im Haar erkannte man sie sofort als Fabrikarbeiterinnen und -arbeiter, wenn sie nach ihrer Schicht über den Schäfliplatz nach Hause eilten; dies noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts.


Ihr Leben Kindheit und Jugend im Zürcher Oberland Katharina Stutz wurde am 9. April 1809 4 in Isikon (Hittnau) als 14. Kind eines wohlhabenden Bauern und Textilunternehmers geboren. Von ihren Geschwistern starben sieben bereits während oder kurz nach der Geburt. Weitere zwei wurden keine fünf Jahre alt. Der Bruder Hans Joggel starb mit 21 Jahren. Geheiratet haben neben Katharina auch vier ihrer Schwestern. Von all ihren Brüdern hat Jakob als einziger ein höheres

Katharina Berkmüller in ihrer Wohnstube im Berkmüller Haus in Wängi. Fotografie. 7.8 x 10.4 cm. Vermutlich um 1870. BmKat. Nr. 01b. Ortsmuseum Wängi.

Alter erreicht. Die Mutter starb 1813 im Alter von 47 Jahren bei ihrer 16. Geburt zusammen mit ihrem Kind. Der Vater folgte ihr bereits wenige Monate später im Alter von 51 Jahren. Dem frühen Tod der Eltern – Katharina war knapp vier Jahre alt – folgte der soziale Abstieg. 5 Katharina wurde zusammen mit zwei weiteren Schwestern von ihrer frisch verheirateten, älteren Schwester Barbara aufgenommen und mit Handweben beschäftigt. Ihr sechs Jahre älterer Bruder Jakob und eine weitere kleine Schwester wurden bei den jeweiligen Patinnen untergebracht. 6 In einem Brief fragte Schwester Barbara ihren Bruder Jakob, ob er nicht auch zu ihr kommen wolle: «Du darfst mit Freuden wieder nach Hause kommen, wenn du Lust hast. (…) Willst du weben, kannst du dich wieder an dein voriges Plätzchen setzen, der Stuhl ist leer, Kätherli wibt allein, es und Anna Barbara verlangen sehr nach ihrem Bruder. Jetzt geht die Fabrikation gut, du könntest viel verdienen.» 7 Eine von zwei im Ortsmuseum Wängi erhalten gebliebenen Fotos zeigt Katharina Berkmüller in ihrer Stube in Wängi. Sie trägt ein dunkles hochgeschlossenes Kleid mit weiten Oberärmeln und darüber ein gestricktes Halstuch. Die Haare hat sie streng nach hinten gekämmt und dort zu einem Zopf geflochten und hochgesteckt. Zum Lesen benutzt sie eine Brille. Bei genauem Hinsehen sind auch kleine Ohrringe zu entdecken.

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Ihr Leben

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Häkelanleitungen aus der Zeit kurz vor 1900. Katharina Berkmüller dürfte solche Anleitungen gekannt und ver­mutlich auch verwendet haben. Dazu Häkelnadeln. Inv.Nr. B 2387 und G 2684. Ortsmuseum Wängi.

Zum Vergleich ein gehäkeltes Umhangtuch mit einem nahezu identischen Carré-Muster. Häkelarbeiten gehörten damals zu den üblichen Handarbeiten der Hausfrauen. Hier ein Beispiel aus dem Ortsmuseum Wängi aus der Zeit um 1900, also etwas später. Inv.Nr. G 685. Ortsmuseum Wängi.

Katharina Berkmüller sitzt längs auf einem Plüschsofa vor einer getäferten Wand. Die Sofalehnen sind mit gehäkelten Decken bezogen. Ihren Rücken stützt ein Kissen und auch auf ihren Knien hat sie ein Kissen liegen; beide ebenfalls mit gehäkelten Überzügen. Auf dem Tisch davor sind eine schwere Tischdecke mit grossformatigen Blumenmustern sowie eine aufgeschlagene Zeitung zu sehen. In den Händen hält Katharina Berkmüller wohl einen grossformatigen Atlas mit Landkarten. Der Spiegel an der Wand reflektiert verschiedene Gegenstände von der gegenüberliegenden Seite des Tisches: die Lehne eines Stuhls, eine kleine Schatulle,


Ihr Leben

ein Tellerchen, eine Dose sowie verschiedene Papiere. Vielleicht sind Schreibutensilien dabei. Es würde zu Katharina Berkmüller passen. Hinter den Spiegel ist zudem ein Abreisskalender geklemmt. Die darauf sichtbaren Figuren nehmen mit ihren dekorativ geschwungenen Linien figürliche Elemente des Jugendstils vorweg. Es handelt sich wohl um ein Werbegeschenk einer Firma. Mit etwas Fantasie lässt sich sogar der Firmenname entziffern: Schoop & Cie. Zürich. Das Bild darunter zeigt eine vornehm gekleidete Dame in Rückenansicht beim Tanz. Ein Werbekalender einer Modefirma oder eines Textilunternehmens würde sich in der Stube der Familie Berkmüller ausgesprochen passend ausnehmen. Aufgenommen wurde das Foto an einem Einundzwanzigsten. Monat und Jahr sind leider nicht lesbar. Wir datieren die Aufnahme in die Zeit um 1870, wenige Jahre vor Katharinas Tod.

Heimweh Wer über Katharina Berkmüller-Stutz mehr erfahren will, muss sich mit ihren Gedichten befassen. Dies zunächst aus dem einfachen Grund, weil sonstige Quellen ausgesprochen rar sind. Katharina ging auch während ihrer Zeit in Wängi – wie schon zuvor in ihrer Zürcher Jugendzeit – fleissig ihrer literarischen Beschäftigung nach. Erhalten sind zahlreiche Gedichte. Hingegen sind Briefe und Prosatexte in der Sammlung des Ortsmuseums Wängi nicht zu finden. Katharina goss ihre Empfindungen in Verse; seien es nun Leid und Schmerzen oder seien es Fröhlichkeit und Freude. Beim Dichten fand sie zu sich.

Im Ortsmuseum Wängi umfasst der Bestand um die 140 Gedichte. Diese erlauben uns einen sehr persönlichen Einblick in Katharinas Leben und Fühlen. Eine Auswahl davon ist samt Transkription im letzten Kapitel zu finden. Ihr Heimweh nach dem Zürcher Oberland durchzieht als Grundthema ihr ganzes literarisches Werk: Dort hat sie Kindheit und Jugend verbracht. Dort hat sie ihre Freunde, ihre Bekannten, ihre gesamte Familie zurückgelassen. Den Thurgau, wo sie immerhin 40 Jahre bis zu ihrem Tode gelebt hat, erwähnt sie während all den Jahren lediglich an einer einzigen Stelle. Doch was mag ich sehnsuchtsvoll Noch so oft hinüber schauen? Hier in Thurgaus schönen Auen Ist mir ja auch innig wohl. 8 Und selbst in diesen Zeilen wirkt der Hinweis auf die Thurgauer Auen eher wie eine Art Selbsttrost. Es fiel Katharina offensichtlich schwer, nach dem Verlassen ihres Zürcher Oberlandes im Thurgau eine neue Heimat zu finden. Ein anderes Gedicht trägt den Titel «Kirchturm Wängi». Aber bei genauerem Hinsehen wird rasch klar: das Gedicht ist nicht ortsbezogen gedacht. Katharina Berkmüller versteht den Kirchturm als Symbol für Standhaftigkeit und Gottvertrauen. Die Ortsbezeichnung Wängi könnte ausgetauscht werden, ohne dass man eine einzige Zeile ändern müsste. Mit bewegenden Worten schildert sie den Verlust der «unvergesslichen» Heimat im Gedicht «Abschied vom Dörfchen B…». Sie verspricht ihrer alten Heimat – und wohl

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Ihr Leben

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auch sich selbst! – , dass sie «dorten» in der neuen Thurgauer Heimat das «Dörfchen B...», ihr «trautes Stübchen» und die «Meinen» niemals vergessen werde.

Nehmt den Dank für alle Treue, Ihr, die mich geliebet hier; Dorten lieb’ ich euch aufs Neue, Unvergesslich bleibt ihr mir. 9

Abschied vom Dörfchen B … * Nun so muss ich einmal scheiden, Kleines Dörfchen, lebe wohl! Felsen, Berge, grüne Waiden, Hört mein letztes Lebewohl!

* Mit «B…» könnte Bettswil oder Bäretswil gemeint sein. Auch an andern Stellen stösst man auf diese Heimweh-Melancholie. Katharina muss unter dem Wegzug aus ihrem Zürcher Oberland in den fremdem Kanton Thurgau wirklich gelitten haben. Im folgenden Gedicht zeigt sich auf ergreifende Weise ihr Hinund-hergerissen-Sein zwischen ihrem Heimweh und der ungewissen Zukunft in Wängi. Momente des Glücks und Trost findet sie einzig in ihrem Glauben. Allein auch hier: erst im Tode wird sie endgültig von ihrem Heimweh-Schmerz erlöst.

Mir war oft so wohl im Herzen! Doch der meinen Missgeschick Machte mir so viele Schmerzen, Trübte öfters meinen Blick. Was ich hier auch innig liebte, Bist, mein trautes Stübchen, du! Oft, wenn mich ein Leiden trübte, Schenktest du mir Fried’ und Ruh’. Jetzo muss ich von dir scheiden, Kann mich nimmer hier erfreun, Kann dir nur für diese Freuden Eine stille Träne weihn.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kirche Wängi vor dem Umbau von 1865. Bleistift. 9.7 x 6.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 81. Ortsmuseum Wängi.


Ihr Leben

An den Mond. 10 Du schaust so treulich auf mich nieder, O Mond mit deinem sanften Strahl; Bescheinst mich hier so freundlich wieder, Wie dort im heimatlichen Thal. Oft sass ich dort in trauter Stille In meinem Stübchen ganz allein, Tief denkend wie des Vaters Wille Für mich in Zukunft möchte sein. Dann schaut ich mit gerührter Seele, Mit Tränen oft zu dir hinan, Und ob du wüsstest was mir fehle, Du blicktest mich so tröstend an. Dann konnt ich beten, Gott vertraun, Wie ward mir dann so innig wohl! Und hoffend in die Zukunft schaun, Nicht fürchtend was da kommen soll. Dann floss mit deinem sanften Flimmer Mir Trost herab und Lebensmut; Ich sah der Hoffnung goldnen Schimmer, Gott macht’s mit seinem Kinde gut. Und jetzt, nach so viel hundert Tagen, Die schwanden in der Zeiten Flut, Kann ich dir, Lieber, freudig sagen, Gott führte mich stets treu und gut. Du siehst mich nicht allein wie drüben, In stiller Wehmut tief versenkt; Du siehst mich ja bei meinen Lieben, Die mir der gute Gott geschenkt.

Du scheinst mich aber still zu fragen, Ob ich jetzt denn auch glücklich sei? – Ja, lieber Mond, doch ganz von Klagen Wird nur das Herz im Tode frei. 11 Eines ihrer Gedichte aus dem Jahre 1836 trägt den Titel «Abschied von Pfeffikon. Oct: 1836». Nochmals nimmt sie kurz vor ihrem Wegzug in berührender Weise Abschied von ihrer Zürcher Heimat; von der «geliebten theuren Hütte», von der «geliebten Wiesenquelle», vom «schönen Rebenhügel» und vom «geliebten Seenspiegel». Das Gedicht beginnt mit den Zeilen: Lebt wohl ihr meine Lieben alle! Aus eurem trauten, schönen Tale Ruft mich nun jetzt mein Schicksal ab. Nehmt meinen Dank für alle Freuden Für euer Mitgefühl im Leiden, Und was mir eure Liebe gab. 12 Den poesievertrauten Leserinnen und Lesern fällt an dieser Stelle das eher ungewohnte Reimschema auf. Wir wollen diese Zeilen später unter diesem Aspekt nochmals unter die Lupe nehmen. Das Gedicht endet mit den beiden schon schwermütig anmutenden Strophen: Lebt nochmals wohl, ihr Lieben alle, Am stillen See, im trauten Thale, Ich trenne mich mit nassem Blick. Doch weiss ich, dass zu allen Zeiten Ein treuer Vater mich wird leiten Und folge ruhig dem Geschick.

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Ihr Leben

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Sollt es des Herren Rath gefallen, Dass dort vielleicht nach kurzem Wallen 13 Ein dunkles Grab mich hüllte ein; Dann wird uns, habt auch ihrs gefunden Und froh im Glauben überwunden Ein seliges Beisammensein! 14

Trost in der Musik In einer ergreifenden Liedstrophe gibt Katharina gleichzeitig ihrem Heimweh als auch ihrem Trost in der Musik Ausdruck. Ihre «immerdar treuste Freundin» ist niemand anderer als ihre Gitarre.

Wir nehmen an, dass Alphons Berkmüller seine Frau beim Umgang mit ihrem Heimweh unterstützt und sie aufgemuntert hat. Allerdings war auch er als ein eingewanderter Bayer hier mindestens in den ersten Jahren heimatlos. Auch ihm fehlten die familiären Bezüge. Seine gesellschaftlichen Beziehungen im Thurgau musste er sich erst mit der Zeit aufbauen. Allerdings ist ihm dies erfolgreich geglückt. Eine Heimat aber konnte er seiner Katharina kaum bieten. Ihre seelische Verankerung blieb dem Zürcher Oberland und ihrer Herkunftsfamilie verhaftet. Wir schliessen hier das Thema der Vergangenheitssehnsucht ab. Aus dem Heimweh nach dem Zürcher Oberland mit den dort zurückgebliebenen Verwandten und Bekannten wird mit der Zeit ein Fernweh nach einem treuen Vater, der einen nie verlässt und zu allen Zeiten begleitet. Oder anders gesagt: Das Heimweh nach der Heimat in der Vergangenheit wird mit den Jahren zu einer Sehnsucht nach einer Heimat in der Zukunft.

Zog mit mir als ich einst musste scheiden Hier in meine neue Heimat ein, Blieb auch hier wie dort in Schmerz und Freuden Immerdar die treuste Freundin mir. 15 Im Gitarrenspiel und im Gesang fand Katharina wieder zu sich, wenn das Heimweh sie allzu sehr plagte. Solche Gitarren waren im 19. Jahrhundert verbreitet und in der Volksmusik sehr beliebt. Katharina hatte sie um 1820 von ihrem Bruder Jakob geschenkt erhalten, damit sie ihre Gedichte auch singen konnte. Die Melodien sind entweder verloren gegangen oder wurden gar nie aufgeschrieben. In seinen Erinnerungen «Sieben mal sieben Jahre aus meinem Leben» schreibt Jakob Stutz: «Auf Kathrinetag [um 1820] beschenkte ich die Schwester mit einer schönen Gitarre, was ihr und allen grosse Freude gewährte. Nun spielten wir in den freien Stunden zusammen, und das verschönte und erheiterte unser Stilleben ungemein, und die Schwester gewann dadurch sehr viel für Geist und Gemüt. Liebe für häusliche Freuden, Sinn für das Schöne in der Natur wurden dadurch geweckt, so dass ihr alles dies in einem weit schönern Gewande erschien als früher.» 16


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Etwas später ergänzt er dann: «Wir webten [gemeinsames Arbeiten im Webkeller] und dichteten in die Wette, sangen, spielten Gitarre, besuchten unsere Freunde, sie uns und lasen [Christoph von] Schmids liebliche Schriften, waren bei unserem einfachen Leben vergnügt. O, wir hatten’s so schön!» 17 Zu dieser Gitarre entwickelte Katharina im Laufe der Zeit eine tiefe, fast schon persönliche Beziehung. An meine Guitarre Du gewährst mir viele Freuden, Traute Freundin, du! Lispelst mir in manchem Leiden Trost und Labsal zu! Du erheiterst meine Tage, Weckst mir frohen Sinn, Stimmst so sanft in meine Klage, Wenn ich traurig bin.

Ja du schenkst die reinsten Freuden, Traute Freundin ! mir; Scheuchest von mir jedes Leiden; Gott, wie dank’ ich dir! 18 Wir können diese Zeilen auch als Hinweis auf eine trotz widriger Umstände glückliche Zeit in der Zürcher Heimat lesen. Umso mehr verstehen wir Katharinas lebenslange Geschwisterbindungen und ihr Heimweh. Jahrzehnte später reichte Katharina ihre Gitarre ihrer Tochter Louise weiter. Auch diesen Moment hält sie in Gedichtform fest: «Meinem lieben Kinde bei Überreichung meiner Guitarre». Im Text ist dann allerdings – wohl dem Reime geschuldet – von einer Laute die Rede.

Führst den Geist in jene Höhen. Wo man nicht mehr weint; Wo ein liebes Wiedersehen Freunde neu vereint.

Meinem lieben Kinde, bei Überreichung meiner Guitarre Nimm, Luise diese liebe Laute, Die so lange meine Freundin war, Der ich ach wie manches anvertraute, Und es blieb verschwiegen immerdar.

Einsam und im Freundschaftskreise Tönt dein Saitenklang; Dir weih’ ich in mancher Weise Meinen Dankgesang!

Lass auch dir sie eine Freundin werden, Der du mehr als Menschen anvertraust. Diese wird dir niemals untreu werden Wie wenn du auf Menschensorgen baust.

Du bist’s wert! dich zu besingen Bringt mir Freud’ und Lust; Denn du stimmst zu höhern Dingen Hier schon meine Brust.

War ich oft von Wonne sanft durchdrungen, Hebten Freuden höher meine Brust, Hab in ihre Saiten ich gesungen Und sie stimmte froh in meine Lust.

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Und wenn mir ein Leid am Herzen nagte Rührt ich ihre Saiten wehmuthsvoll; Dann war mir als ob sie mit mir klagte, Und es tat der Seele innig wohl. Wenn sich oft durch Dank und Lobgesänge Auf zum Himmel meine Seele sich erhob, Dann erfüllten ihre frommen Klänge noch des schwachen Herzens Dank und Lob.

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Auch im Kreise still vertrauter Seelen Teilte sie mit mir der Freundschaft Glück, Wo ich war, sie durfte mir nicht fehlen, Blieb mir auch in trübem Missgeschick. Zog mit mir als ich einst musste scheiden Hier in meine neue Heimat ein, Blieb auch hier wie dort in Schmerz und Freuden Immerdar die treuste Freundin mir. Wie so manchmal mussten ihre Saiten Dich als Kindlein trösten und erfreun! Tausendmal dein Wiegenlied begleiten. Lass sie dir nur lieb und teuer sein. Greife nur recht oft in ihre Saiten, Singe herzlich manches Lied dazu, Tausend Freuden wird sie dir bereiten, Wählest sie zur trauten Freundin du. Deine Liedchen werd ich gerne hören Und in der Erinnrung selig sein. Nimm sie hin und wirst du fromm sie ehren, Wird es deine Mutter herzlich freun. 19

In einem andern Gedicht mit dem Titel «Mutterfreuden» schreibt sie: Hat es nun all sein Thun vollbracht, (mit «es» ist das Kind gemeint) Wie heiter dann sein Auge lacht. Es holt sein Saitenspiel hervor, Und spillt manch Lied der Mutter vor. 20 Ein weiteres eindrucksvolles Beispiel ihrer musikalischen Seite liefert die noch ledige Katharina Stutz mit der Schilderung ihrer Stimmung beim Hören von Musik. Die vier Strophen sind von hoher dichterischer Qualität. Überzeugend fängt sie darin ihre tief empfundenen Gefühle ein. 21 Herr *** am Klavier Was hört mein Ohr für süsse Zaubertöne, Mein Auge füllet sich mit einer Träne! Ich fühl es kaum, dass ich noch sterblich bin! Wie diese sanften Töne aufwärts schweben, Wie sie des edlen Sängers Geist erheben, Der anmuthsvolle Wohlklang tut es kund. O Hamonie! Wie froh machst du das Leben. Du Göttliche, vom Himmel uns gegeben, Bei dir wohnt Seelenruh’ und Seligkeit! Du machst die trüb umwölkte Seele heiter, Und führest uns im Glück und Frieden weiter Hinauf, hinauf zum hohen sel’gen Ziel! 22 Das Gedicht stammt aus der ersten Publikation «Dichtungen» im Jahre 1835. Zum Zeitpunkt der Erstausgabe im Jahre 1830 war Katharina 21 Jahre alt.


Ihr Leben

Die Beziehung zu ihrem Bruder Jakob Stutz Noch ein Thema zieht sich durch ihr ganzes Leben und somit auch durch ihre Gedichte: die enge und dennoch leidvolle Beziehung zu ihrem Bruder Jakob Stutz. Ein kurzer Blick auf das Leben ihres Bruders ergänzt in verschiedener Hinsicht unser Verständnis für kulturelle, soziale und politische Aspekte im Leben der Familie Berkmüller-Stutz in Wängi.

Jakob Stutz wurde am 27. November 1801 in Isikon (Hittnau) als neuntes von sechzehn Kindern geboren. Dem frühen Tod der Eltern im Jahre 1813 folgte der soziale Abstieg; Jakob Stutz musste fortan sein Brot als Hirt, Knecht und Heimweber selbst verdienen. Seine magere Dorfschulbildung erweiterte er mit autodidaktischen Studien, die später durch Privatunterricht bei wohlwollenden Förderern ergänzt wurden, so dass er 1827 eine erste Stelle als Unterlehrer antreten konnte. 23 25

Irmiger, Karl Friedrich. 1848. Jakob Stutz. Zeichnung. Reproduktion aus Müller, Walter. (2001). Jakob Stutz 1801 – 1877. Stationen eines Lebens. Original in der Zentralbibliothek Zürich Graphische Sammlung und Fotoarchiv. «Lasset uns das häusliche Leben verbessern und verschönen; denn hier muss das Glück der Bürger, des Staates und des ganzen Vaterlandes Wurzeln schlagen, wenn es dauerhaft sein soll.» J. Stutz.


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Erwähnenswert ist eine Stelle in seinem Werk «Siebenmal sieben Jahre aus meinem Leben», wo er seine – kritische – pädagogische Überzeugung in Bezug auf die damalige Schulreform darlegt: «Doch was kam bei dieser Schulverbesserung heraus? – Wir lernten Buchstaben schöner schreiben und die Wörter deutlicher aussprechen, aber keines wusste, was es las, und keines, was es schrieb, und doch wurde sehr viel Mühe auf beides verwendet. Das Ganze der Verbesserung galt demnach nur der Schale, an den Kern dachte niemand. Von Erklären und Erzählen war bei uns keine Rede. Bisweilen wurde aus dem Testament abgefragt, aber nur so, dass wir die Antwort im Buch selbst lesen konnten und also nichts weiter zu denken hatten. ... Aber sonderbar – wo tüchtige Schulmeister waren, lernten fähige Schüler trotz den mangelhaften Lehrmitteln doch etwas Rechtes.» 24

1841 musste Jakob Stutz seine Lehrtätigkeit wegen pädophiler Verfehlungen aufgeben, worauf er sich 1842 auf den Sternenberg zurückzog. In den rund 15 Jahren, die Jakob Stutz dort als Klausner in seiner Einsiedelei «Jakobszelle» verbrachte, entfaltete er eine rege schriftstellerische Tätigkeit und wirkte gleichzeitig als Dichtervater, Erwachsenenbildner und Sozialreformer. Wie sehr er selber unter seiner Veranlagung litt, beschreibt Jakob Stutz am 4. September 1841 in seinem Tagebuch: «Warum gibt es Menschen, denen man Vernunft und Verstand nicht absprechen kann, die einen verkehrten widernatürlichen Geschlechtstrieb gleichsam mit auf die Welt bringen? Die sich auch unter günstigsten Umständen nie und nimmer entschliessen können, zu heirathen? Sag mir doch ein Mensch, woher das kommen möge? Schreiber dies gehört leider auch unter diese

Manz. Jakobszelle in Sternenberg. Lithographie. Zentralbibliothek Zürich Graphische Sammlung und Fotoarchiv. Inv.Nr. Manz, Lithographie, Jakobszelle in Sternenberg (Sys 011126193). Reproduktion mit Genehmigung. Hierher zog sich Jakob Stutz 1842 zurück.


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unglückliche Klasse von Menschen, die gewiss die unglücklichsten auf Erden sind.» 25 Wegen erneuter homosexueller Handlungen musste er Sternenberg im Jahre 1856 endgültig verlassen. Als Vorbestrafter, Vertriebener und Heimatloser führte er dann während mehr als zehn Jahren ein unstetes, rastloses Wanderleben. Erst 1867 fand er eine letzte Heimstätte bei seiner Nichte in Bettswil (bei Bäretswil), wo er am 14. Mai 1877 starb. Ein Jahr nach seiner Schwester Katharina Berkmüller. Vor allem sein Buch «Siebenmal sieben Jahre aus meinem Leben» ist heute noch lesenswert und erlaubt einen sozial- und kulturhistorischen Blick auf das damalige Zürcher Oberland. Von der erwähnten «Jakobszelle» existiert eine kolorierte Zeichnung von einem Lithographen namens Manz. Wie schon sein Schwager Johann Alphons und seine Schwester Katharina Berkmüller hatte auch Jakob Stutz eine musikalische Seite. In seinen Erinnerungen «Sieben mal sieben Jahre aus meinem Leben» berichtet er an verschiedenen Stellen vom damals durchaus üblichen gemeinsamen Singen von Volksliedern; – auch innerhalb der Familien wurde viel und oft gesungen. Eine besonders schöne Episode erwähnt Christian Schmid in seinem Aufsatz «Jakob Stutz und das Volkslied»: «Wenn beim gemütlichen Zusammensitzen gesungen wurde, wurde dies meist nicht gemeinsam gemacht, sondern die einzelnen begabten Sängerinnen und Sänger sangen ihre Lieder vor – und liessen sich auch etwa dafür bezahlen. So mussten Jakob und seine Schwestern dem Grossvater ein «Gütterli

Bränz» versprechen, damit er ihnen das Lied von der «Müllerin unter den Räubern» beibringe. 26 Von Jakob Stutz ist wie schon von seiner Schwester ebenfalls ein Gedicht mit dem Titel «An die Gitarre» überliefert. Er war es auch, der seiner Schwester Katharina um 1820 herum eine Gitarre schenkte nachdem er selbst im Alter von 22 Jahren im Pfarrhaus Sternenberg Pfarrer Tobler bei einem Liedervortrag mit Gitarrenbegleitung gehört hatte. «Im Pfarrhaus [Sternenberg] sah ich die erste Gitarre. Schon das Äussere derselben, sie hatte die Form einer Laute oder Zither [gemeint ist hier die Halszither], entzückte mich ungemein. Den Augenblick, sie zu spielen oder zu hören, vermochte ich kaum zu erwarten. Eines Abends, ich werde ihn nie vergessen, griff Herr Pfarrer auf meine Bitte in die Saiten und sang mit voller, gemütlicher Stimme. ( … ) Nach einigen Tagen gab ich meine letzte Barschaft für diejenige Gitarre hin, welche mich [seither] schon mehr als dreissig Jahre als treueste Freundin durchs Leben begleitet hat.» 27 Ein paar Seiten weiter hinten schreibt Jakob Stutz, wie er seiner Schwester Katharina eine Gitarre schenkte. Im Besitz der Antiquarischen Gesellschaft Pfäffikon sind Gedichte von Katharina zum Namenstag ihres Bruders Jakob sowie eine kleine Korrespondenz zwischen den beiden Geschwistern erhalten. Auch schickte Jakob seiner Schwester eine Sammlung ihr gewidmeter Gedichte, welche diese wiederum in Gedichtform beantwortete. Aus Gedichten und Briefwechsel geht hervor, wie zu jener Zeit innerhalb der Familie Stutz die Verbundenheit gepflegt wur-

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de. 28 Katharina hat die Trennung von ihrem Bruder in einem tief empfundenen Gedicht «Heimweh nach meinen lieben Geschwistern» festgehalten. Die folgenden Strophen sind ein Ausschnitt: Wenn ich so alleine bin, Denk ich oft an meine Lieben, Die in ferner Heimath drüben, Alle kommen mir zu Sinn.

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Und mit stiller Sehnsucht Weh Fliegt mein Geist zur Klausner Hütte, 29 Wo ich dann in ihrer Mitte Meinen lieben Bruder seh. 30 In einem weiteren Gedicht «Als ich meinen Bruder erwartete» wird die enge Geschwisterbindung Katharinas zu ihrem Bruder Jakob nochmals deutlich: Ach, schon lange wart’ ich hier, Auf des Hügels steiler Höhe, – Dass ich ihn doch kommen sähe! Ach, er kommt so lange nicht! Warten macht die Zeit so lang! Hat er, dass er nicht willkommen, einen andern Weg genommen? Oder bleibt er gänzlich aus? Nein er kommet nicht mehr heut, Denn die Sonne will schon sinken. Wie im Osten Sternlein blinken, Und der Halbmond silbern glänzt! Ach, so muss ich denn allein Meinen Weg zur Hütte nehmen. Mich erfüllt ein stilles Grämen. – Gott! wenn er nur glücklich ist! 31

Jakob und Heinrich Senn schreiben in ihrem Buch über einige Zürcher Oberländer Zeitgenossen, dass Jakob Stutz im Oktober 1836 an der Hochzeit seiner Schwester Katharina «mit Alfons Berkmüller aus dem thurgauischen Wängi» teilgenommen hat. 32 Auch sonst hat er seine Schwester Katharina in Wängi ab und zu besucht. Zwar sind sich nicht alle Quellen einig, wie oft dies geschah. Walter Müller schreibt: «Bei seiner jüngeren Schwester Katharina, die seit 1836 mit Alfons Berkmüller verheiratet war, fand der heimatlose Dichter vorerst eine Unterkunft. Schon in den Jahren zuvor hatte er von Zürich aus einen regen Briefwechsel mit der poetisch ebenfalls begabten Katharina geführt.» 33 Der Wängemer Chronist Hermann Walder schreibt hingegen: «Die Berkmüllers pflegten (...) keine Beziehungen zu ihren Verwandten.» 34 Entweder meint Walder hier Beziehungen zur Berkmüllerschen Verwandtschaft nach Kaufbeuren, oder er bezieht sich im Zusammenhang mit der Familie Stutz auf die späte Zeit nach 1856. Belegt ist, dass Jakob Stutz jeweils zu Fuss aus dem Zürcher Oberland über den Sternenberg nach Wängi wanderte. Jakob Stutz schreibt in seiner Biografie «Sieben mal sieben Jahre»: «Ich gedachte bald zu Schwester Kathrine ins Thurgau zurückzukehren, welche sich am 4. Oktober 1836 mit ihrem jetzigen Gatten Alfons Berkmüller in Wängi, verheiratet hatte.» 35 Warum zurückkehren? War er schon einmal dort? Eine weitere Begebenheit mit einem Bezug zu seiner Schwester Katharina schildert Jakob Stutz von seinem fünfzigsten Geburtstag am 27. November 1851. Vor dem Ga-


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bentisch hielt Ulrich Furrer (ein enger Vertrauter) eine Gratulationsrede, von welcher Jakob Stutz mit eigenen Worten «tief ergriffen» war. Furrer sagte: «Das weisse Tuch [auf welchem sich die zahlreichen Gaben befanden] ist dasselbe, welches Euere selige Mutter über das Kissen legte, in welchem ihr vor fünfzig Jahren zur heiligen Taufe getragen wurdet; Schwester Kathrine, die es der Familie aufbewahrte, hat es Euch auf diesen Tag gesendet, – da musste ich meinen Tränen freien Lauf lassen». 36 Ein ausgesprochen persönliches Geschenk. Der weite Weg von Wängi nach Sternenberg Ende November war für Katharina offenbar nicht möglich. Es ist indessen kaum denkbar, dass sie dem Geschenk nicht noch ein persönlich gewidmetes Gedicht beigelegt hat. Ob es noch irgendwo existiert, wissen wir nicht. Wenn wir nochmals dem Tagebuch von Jakob und Heinrich Senn folgen, finden wir über die Jahre allerdings doch noch einige Hinweise. Am 12. April 1852 reiste Jakob Senn nach Sternenberg, um dort seinen Freund Jakob Stutz zu besuchen. Er traf ihn indessen nicht zu Hause an. Er erfuhr, dass Stutz seit längerer Zeit bei seiner Schwester Katharina in Wängi weilte. 37 Es ist das Jahr, als sich Gerüchte um die pädophile Veranlagung von Jakob Stutz verdichten. Heinrich Senn schreibt: «Es sind diese sehr teuflisch gesponnenen Verläumdungen, die von verschiedenen Individuen über ihn ausgestreut wurden (...) Allerdings ist Stutz wirklich als überwiesener Täter auf besagtem Gebiet mehr als einmal schon gebüsst worden.» 38 Gut denkbar, dass Stutz sich gewissermassen nach Wängi absetzte, um dem Gerede zu entgehen. Bei seiner Schwester findet er

offenbar wenigstens vorerst Verständnis und Zuflucht. In einem Gedicht setzt sie sich mit den «Verleumdungen» auseinander. Trost in Verleumdung. Trifft dich der Verleumdung Zahn, Fange sacht zu forschen an; Findst dich frei von aller Schuld, O dann trag es mit Geduld! Dein Gewissen gut und rein Muss dir ja viel teurer sein Als ein Lob der Schmeichelei, Wär es nicht so gut und treu. Denk, die böse Zunge sticht selten einen Bösewicht. Nur wer lebt wie sichs gebührt, Stets von ihr verleumdet wird. 39 Weder verteidigt, noch verurteilt Katharina ihren Bruder. Sie betrachtet die Geschichte aus Distanz. Etwa im Sinne von «Wer unschuldig ist und ein gutes Gewissen hat, der hat auch nichts zu befürchten». Mit den Verleumdern allerdings geht sie unmissverständlich ins Gericht. Ganz im Sinne des Bibelwortes «Wer unter euch unschuldig ist, der werfe den ersten Stein». Als Jakob Senn im selben Jahre am 5. Dezember 1852 Stutz wiederum in seiner Klause im Sternenberg besuchen will, erfährt er, dass dieser abermals bei seiner Schwester in Wängi weilt. Jakob Stutz macht leidvolle Zeiten durch. Seine zahlreichen Freunde verlassen ihn, einer um den andern. In seinem Tagebuch klagt er wohl im Frühjahr 1856 (dem Jahr seiner Verurteilung): «Wie innig beteten ich und meine Schwestern (Anna, Barbara und Katharina), dass Gott mich be-

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hüten möchte. Ich lebte in süssem Seelenfrieden gar manches Jahr, aber da trat eines Tages der Versucher zu mir.» 40 Am 2. September 1856 schreibt Stutz aus dem Gefängnis seinem Freund Jakob Senn: «Den meisten Kummer habe ich, indem ich immer noch (nach der bevorstehenden Entlassung) nicht weiss, wo ich ein Obdach finden kann.» Und in einem nächsten Brief: «O dass ich irgendwo ausser dem Kanton so ein einsames Haus und solche eine Familie wüsste wie bei euch im Leimacker.» 41 Seine Entlassung aus dem Gefängnis erfolgt am 28. Oktober 1856. Senn schreibt: «Da ihn seine Schwester in Wängi nicht aufnehmen will, und er aufgrund des über ihn verhängten Urteils nicht im Kanton Zürich bleiben darf, ist er gezwungen, in die Fremde zu ziehen.» 42 Stutz führt in der Folge ein unstetes Leben. Er fasst nirgends mehr richtig Fuss und verstirbt 1877. Andere Spuren im Zusammenhang mit der Beziehung Katharinas zu ihrem Bruder Jakob liessen sich nicht finden. Insbesondere fehlen Hinweise auf weitere Aufenthalte in Wängi bei seiner Schwester. Damit wissen wir auch nichts über die Beziehung zwischen Jakob und seinem Schwager Alphons Berkmüller. So bleibt etwa die Frage offen, welchen Einfluss Berkmüller bei der Weigerung hatte, den aus der Haft entlassenen Schwager für einige Zeit in Wängi aufzunehmen. Doch nun zurück zu den Beständen des Ortsmuseums Wängi. Da existiert noch ein zweites – einige Jahre früheres – Foto von Katharina Berkmüller. Es handelt sich um eine Atelieraufnahme eines unbekannten Fotografen. Auf den ersten Blick fällt auf, wie ganz anders sie uns hier entgegenblickt. Ihr

Blick zeugt gleichzeitig von Bescheidenheit als auch von Selbstbewusstsein. Vielleicht ist sie da um die 50 Jahre alt. Auch von der Tochter Louise existiert eine entsprechende Aufnahme. Beide wurden offensichtlich zur selben Zeit aufgenommen. Wir werden ihr später noch begegnen. Die Aufnahme gehört – wie bereits das Foto ihres Gatten Alphons Berkmüller – fotohistorisch in die Kategorie der sogenannten «Cartes de Visites». Diese lösten etwa ab den 1860er Jahren die Miniaturmalerei der späten Biedermeierzeit ab. Dieser Umstand verdient hier besondere Erwähnung, da Katharina Berkmüller an einem schwarzen Sammetband um den Hals und auch am Kragen ihres hochgeschlossenen Kleides sehr wahrscheinlich je ein Medaillon mit Bild trägt. Ob ihr Mann Alphons Berkmüller diese gemalt hat, ist auf der Foto nicht zu erkennen. Denkbar wäre es immerhin. Wenn wir nämlich die beiden Medaillons extrem vergrössern, sind sowohl auf dem oberen um den Hals als auch auf demjenigen am Kragen eher Landschaften mit Häusern als eines der damals üblichen Portraits zu erkennen. Damit wird die Möglichkeit, dass tatsächlich ihr Mann als Maler in Frage kommen könnte nochmals etwas wahrscheinlicher. Auch die eher untypische breitovale Form des Medaillons könnte diese Vermutung unterstützen.


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Katharina Berkmüller-Stutz. Atelieraufnahme eines professionellen Fotografen. Vermutlich um 1870. 6.6 x 11.5 cm. BmKat. Nr. 01c. Ortsmuseum Wängi.

Vergrösserung der beiden Schmuck-Medaillons aus der Portraitfoto von Katharina Berkmüller. Mit etwas Fantasie lassen sich Darstellungen von Landschaften mit Gebäuden erkennen. Normalerweise trugen die Frauen damals aber Portraits von nahestehenden Personen auf ihren Schmuck-Medaillons. Katharina Berkmüller wäre somit eine Ausnahme. Auch eignet sich die hier getragene breitovale Form gut für landschaftliche Dar­stellungen. Abbildungen von Personen wurden in aller Regel auf hochovale Formate gemalt.

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Heirat mit Johann Alphons Berkmüller Am 4. November 1836 heiratete Katharina Stutz den sieben Jahre älteren Johann Alphons Berkmüller. Kurz darauf zog das junge Ehepaar nach Wängi.

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Was wahres Glück dir fördern kann, Erblüh’ auf deiner Lebensbahn! Doch wiss’, aus Leid und Missgeschick Erblüht uns oft das wahre Glück. Wer sieht dann wohl die Dornenbahn Als Weg zum wahren Glücke an? Wie selig, wer in jeder Lag’ Das wahre Glück erkennen mag, Und willig und gehorsam nimmt, Was ihm die Vorsicht hat bestimmt. Wie geht er nicht mit heiterm Sinn In Stürmen auch durchs Leben hin! Drum wünsch’ ich, dass im Missgeschick Auch seh’ dein Aug’ das wahre Glück. (1) (1) Stutz,

Katharina. (1835). Dichtungen.

1835, also ein Jahr vor ihrer Hochzeit, veröffentlichte die «Schulthess’sche Buchhandlung» in Zürich bereits in zweiter Auflage (!) ein Bändchen mit Gedichten von Katharina Stutz. Es war ihr Bruder Jakob, der die Veröffentlichung veranlasste. In diesem Bändchen findet sich ein kurzes Gedicht an ihren künftigen Ehemann mit dem Titel «In Alphons Stammbuch». Das Gedicht ist ein Hinweis, dass sich die beiden schon einige Zeit vor ihrer Heirat gekannt haben müssen. Und tatsächlich findet sich in der Chronikstube in Pfäffikon ZH eines der erwähnten Gedichtbändchen aus dem Jahre 1835 mit einer Widmung: «Meinem liebsten Freunde Alphons Berkmüller zum treuen Andenken gewidmet von der Verfasserin.» 43 Die beiden haben sich gekannt. Die näheren Umstände sind indessen unklar. Es war aber damals bereits üblich, dass eine Heirat auf Grund von vorehelicher Zuneigung und Liebe zustande kam und nicht mehr nur die Interessen der Familien im Vordergrund standen, wie die bürgerliche Heiratspolitik dies noch verfolgte. 44 Unklar ist, weshalb das persönlich gewidmete Gedichtbändchen bei Katharina in Pfäffikon erhalten geblieben ist und nicht bei Alphons in Wängi, wo dieser bereits seit 1823, also seit der dortigen Fabrikeröffnung, arbeitete und lebte. Sozialhistorisch ist die Phase der sogenannten Eheeinleitung im Zürcher Oberland der damaligen Zeit stark von weltlichen und kirchlichen Konventionen geprägt. Diese umfassen gleichermassen die ökonomischen Verhältnisse als auch die vorehelichen Sexualbeziehungen. 45 Die Tatsache, dass Alphons Berkmüller aus dem Bayri-


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schen stammte, und damals noch nicht eingebürgert war, mag ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Die Umstände der vorehelichen Zeit bei Katharina Stutz und Alphons Berkmüller liegen im Dunkeln. Übrigens attestiert Katharina in einem späteren Gedicht ihrem Gatten einen untadeligen Lebenswandel: Muss nicht sorgen für den Gatten, Dass er sei bei Spiel und Wein; Kann getrost mein Lichtlein löschen, Unbekümmert schlafen ein. 46 Im Haushaltsregister der Evangelischen Kirchgemeinde Wängi, beginnend mit dem Jahre 1753, finden sich in Band 4 (ab 1835) betreffend der Familie Berkmüller folgende Einträge:

Auszug aus dem Haushaltregister der Evangelischen Kirchgemeinde Wängi ab 1753. S. 47. Reproduktion mit Genehmigung.

1808. V. 6.

Joh. Alphons Berkmüller Eltern Christoph Berkmüller v. Kaufbeuren Julia Saxer 1809. IV. 9. Katharina Stuz Eltern Johanes Stuz sel. von Isikon Hittnau Ana Weber sel. Kt. Zürich 1836. X. 4. copuliert in Pfÿn 1837. XII. 8. Anna Louise 47 1839. 6. April Conrad. Bald wieder auf den 7ten gest. [gestorben] 1840. 5. Feb. ein Kindt nach der Geburt wieder gest. [gestorben] Knäblein eingetragen Warum die beiden in Pfyn geheiratet haben, ist unklar. Alphons Berkmüller hatte kaum Beziehungen zu Pfyn. Er versah seit 1823 seine Stelle als Buchhalter in Wängi. Hat sich Katharina Stutz in Pfyn aufgehalten? Zwar existierte um diese Zeit in Pfyn die Spinnerei Bertschinger 48 und Katharina als von klein auf geübte Handweberin hätte in der Textilindustrie bestimmt eine Stelle gefunden. 1821 erwähnt Jakob Stutz, dass «seine Schwester Kathrine in dieser Zeit das Weben auch erlernt hatte». 49 Damals wohnte Katharina noch bei ihrer älteren Schwester Anna Barbara. 1830 zog deren Mann, Katharinas Schwager, nach Anna Barbaras frühem Tode nach Pfäffikon. Katharina folgte ihm. 50 Neben ihrer Arbeit am Webstuhl führte sie wohl den Haushalt. Sie war nun 21 Jahre alt. Ihr Bruder Jakob besuchte sie 1830 und fand sie «ausserordentlich fröhlich und heiter im Angesicht».

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In der Chronikstube Pfäffikon finden sich ein paar wenige Bücher mit Spuren zu Katharina. Da ist zunächst ihre gut erhaltene Konfirmationsbibel aus dem Jahre 1827. Die Zueignung auf der ersten Seite lautet:

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lichen Widmung von Jakob an seine «liebe Schwester Kathrine» sind ebenfalls in Pfäffikon erhalten geblieben.

«Gehört Katharina Stuz von Isikon, Pfarre Hittnau. Als eine frühe Wajse seit ihrem 8ten Lebensjahr in der Gemeinde Bauma sich aufhaltend. Zum Zeichen vollester Zufriedenheit, so wie zum Andenken an ihre Confirmations- und erste Abendmahls-feÿer am Heil. Pfingstfeste des J. 1827 – von der verehrlichen Bibelgesellschaft in Zürich. Gott! Wie ist mir Christen dein Wort über alls erhaben! «Quelle des Heiles, sey du mein Führer, mein Licht! «Kräftiger bist du – nüzlicher, als alles menschliche Wissen, «Christen! der grösste Schaz ist doch die heil. Schrift! 51

Für die Jahre zwischen 1830 und 1836 verlieren sich ihre Spuren. Sie hätte auch in die Dienste einer vermögenden Pfyner Familie treten können. Entsprechende Nachforschungen im Archiv der Evangelischen Kirchgemeinde Pfyn haben aber keine Ergebnisse gebracht. Ihr Name taucht in den Protokollen des Stillstands- und Sittengerichts nicht auf. Sie führte unzweifelhaft einen untadeligen Lebenswandel. Auch Recherchen im Archiv der politischen Gemeinde Pfyn und dort in den Protokollen des Gemeinderates aus den Jahren 1831 bis 1879 erbrachten keinen Hinweis. Die Protokolleinträge erlauben aber einen Blick in eine dörfliche Lebenswelt um 1830. Sie zeichnen eine Art Sittenbild. Vor allem erheiternd sind die Einträge im Bussenrodel zu lesen. Dies natürlich unter der Annahme, dass Katharina tatsächlich ein paar Jahre in Pfyn gelebt hat und in der Gewissheit, dass das Leben in Pfyn sich vom Leben in Wängi vermutlich nicht so sehr unterschieden hat.

Warum Katharina ihre persönlich gewidmete Bibel in Pfäffikon zurückgelassen und nicht nach Pfyn oder schliesslich nach Wängi mitgenommen hat, wissen wir nicht. Und wir wundern uns gleich nochmals. Eine Erstausgabe des Buches «Sieben mal sieben Jahre» von Jakob Stutz mit seiner Widmung: «Meiner lieben Schwester Kathrine vom Verfasser» 52 und eine Ausgabe der «Briefe und Lieder aus dem Volksleben» aus dem Jahre 1839 53, ebenfalls mit einer persön-

15. Junÿ 1832 (Protokolle der Gemeinde Pfyn 1831 bis 1879 S. 11) «Auf gemachte Anzeige des Hl. Bezirksstatthalter Labhart von Steckborn, durch Rapport des Landjäger Dinkel Stationiert in hier, das am 31ten leztverflossenen Monats in der Behausung des Hl. Kronenwirth Spengler dahir ein Starker Lärm gewesen, wo er da hin gekommen Nachts Ca. 10 Uhr, seyen daselbst mehrere unverheurathete Mannspersonen gewesen, welche wegen Gesellschafts Geldter,


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Streit, und hernach Schlägerey entstanden, und Namentlich sey ihme von einem Willhelm Gonzenbach Schuster & Jakob Altenburger Zimmermann, angegeben worden das obiger Gonzenbach von einem Kaspar Wepf, mit Beihülfe Melchior Klemens Konrads, Heinrich Klemenz Schuster, Ulrich Scheuch & Willhelm Keller Zeinenmacher misshandelt, dieselben seyen zu gebührender Straffe, und Ahndung, vom Gemeindrath zu beurtheilen.» Der betroffene Schuster wurde dann «vor die Schranken des Gemeindraths» zitiert und es wurde ihm «zugesprochen». Er ging letztlich straflos aus. 6. Jenner 1834 (Protokolle der Gemeinde Pfyn 1831 bis 1879 S. 25) «Fehrner wurde der Schreiner Clemens laut Raport: wegen dem Wirthen. Da er von Landjäger Baur betroffen wurde, erstens weil er keine Bewilligung hat der Wirthschaft,

2tens Noch über die erlaubte Zeit gewirthet hat. So wurde solches Vergehen in eine Busse verfellt. Für beyde artikel mit 4 Kreuzer, worauf dem Landjäger Baur 2 Kreuzer zutheil wurde.» 7. Juni 1836 (Protokolle der Gemeinde Pfyn 1831 bis 1879 S. 47) 2 Am 21ten Abrill hat der Friedrich Hofmann in der Kloster Waldung der Kardus (Kartause Ittingen) 1 Tändli abgehauen von … Busse 24 Kreuzer. 3 Am 8ten HerbstMonat: Hat der Josepf Schlegel auf der Burg dem Hl. Koch Kaspers von Detikofen mit 3 Haubt Vieh geweidet auf seinem Wisboden in der Riethwis. Ist Busse 1 Gulden. 4 Am 26 Juny hat der Brülisauer u. Jak. Weber... von Winingen, in der Kloster Waldung ein Forli abgehauen u. wurden in eine Busse verfellt jedem mit 24 Kreuzer zusammen 48 Kreuzer.»

Am 8. July 1833 (Protokolle der Gemeinde Pfyn. 1831 bis 1879. S. 21) «wurde durch den Landjäger Stahl Mit Raport der Heinrich Clemens Schuster angezeigt, dass Clemens Nachts zur Unzeit d. 2ten Julj auf der Gassen vor den Häusern getroffen wurde, zum dritten Mahl Mit einer Leiteren, u. darauf wurde durch den Landjäger Stahl Nachause geschickt.»

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Unsere Spurensuche nach Belegen, warum die beiden in Pfyn und nicht in Wängi oder in Pfäffikon geheiratet haben, bleibt erfolglos. Es ist eine historische Tatsache, dass Familienbande zur damaligen Zeit ausgesprochen stark waren. 54 Sie schützten und verpflichteten gleichermassen. Ein allfälliger Aufenthalt Katharinas in Pfyn ist aus dieser Sicht nur denkbar, wenn dort bereits Verwandte oder wenigstens eine gute Freundin lebten. Allfällige Verstösse gegen solche ungeschriebenen Familiengesetze wurden nicht selten mit dem Ausschluss aus dem familiären Netz geahndet. Auch die Irritation darüber, dass die Heirat ohne die sonst übliche Promulgation (Aushang im Kästchen) erfolgte, bleibt ungeklärt. Die näheren Umstände der Heirat in Pfyn liegen im Unklaren. Vermutungen sind spekulativ. Nach der Heirat bezog das junge Ehepaar in Wängi im katholischen Schulhaus die dortige Dachwohnung über dem Schulzimmer.

1837 kam als erstes Kind die Tochter Anna Louise zur Welt. 1839 und 1840 folgten zwei Knaben. Beide verstarben während oder kurz nach ihrer Geburt. Der Tod der beiden Knaben hat die Familie schwer getroffen. Die Mutter verarbeitet ihren Schmerz in einem rührenden Gedicht: Zum Andenken an meine 2 lieben Knäblein, welche bald nach der Geburt wieder dahin starben Wie sie dort so ruhig schlafen, Meine Kindlein frei von Schmerz! Von der ganzen Welt vergessen, Nur nicht von dem Mutterherz. Nicht dass ich euch mehr beweine In der schönen Grabesruh, Muttererde, still und friedlich, Deckt euch ja so sicher zu.

Einer der ersten Briefe an das Ehepaar Berkmüller-Stutz in Wengi Kt. Thurgau. Vermutlich hand­geschöpftes Papier mit Resten des aufgebrochenen Siegels. 13.7 x 8.6 cm. Ohne Datierung. Inv.Nr. B510.B29. Ortsmuseum Wängi.


Ihr Leben

In des Grabes tiefe Stille Dringt der Menschen Bosheit nicht, Welche sonst im Erdenleben Manchen Frieden unterbricht. Nein jetzt schäm ich mich der Thränen, Die ich einst um euch geweint, Da ich es nun klar erkenne, Wie es Gott so wohl gemeint. Aber euer noch gedenken Darf die Mutterliebe doch, Die euch einst so nah verbunden, Bleibt es auch im Tode noch. Eure Seelen, rein und selig Schweben nun im Himmelslicht, Und dahin auch einst zu kommen Hofft mein Herz voll Zuversicht. Und dann will ich euch umarmen, Hier ward es mir nicht vergönnt, Wenn von eurer Engelsstimme Mir der Muttername tönt. 55 Noch um 1870 starben hierzulande etwa 20 Prozent der Säuglinge bereits in ihrem ersten Lebensjahr. Auch erreichte die Hälfte aller Kinder das Erwachsenenalter nicht. 56 Schuld waren vor allem die mangelhaften hygienischen Bedingungen.

Glaube und Konfession Wir drehen das Rad der Zeit nochmals um einige Jahrzehnte zurück. Katharina aus dem Zürcher Oberland gehörte, wie bereits erwähnt, der reformierten Kirche an. Ihre enge Beziehung zu ihrem Bruder Jakob festigte sie zudem in der Überzeugung, hier dem richtigen Glauben zu folgen. Jakob sagte sich allerdings von der reformierten Kirche los und machte bei den Herrnhutern mit, einer Abtrennung von den Pietisten. Aber er überwarf sich dann auch mit dieser Gruppe und schloss sich den Sezessionisten an. Er war lebenslang ein Sucher. Katharina hat all dies selbstverständlich mitbekommen und mitverfolgt, ohne allerdings wie ihr Bruder aus der reformierten Kirche auszutreten. Unter all den Gedichten existiert ein einziges, welches «katholisch» anmutet. Es geht dabei um Marias Leben von der Geburt über die Verkündigungsszene bis zu ihrer späteren Verehrung. Allerdings zeichnet Katharina die Mutter Maria eher als Vorbild für allgemein mütterliche Tugenden: Demut, Bescheidenheit, Hingabe, Fleiss und Pflichtbewusstsein. Wir erkennen darin unschwer das Frauen- und Mutterbild des 19. Jahrhunderts mit seinem Kanon der Rechtschaffenheit. Und mit der Widmung an ihr liebes Kind im Titel bringt die Mutter zweierlei zum Ausdruck: Dass nämlich nicht nur die tugendgetreue Lebensgestaltung, sondern auch deren Tradierung an die nächste Generation Elternpflicht ist. Louise ist dann allerdings ledig und kinderlos geblieben.

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An Maria Geburt 1846. Meinem lieben Kinde gewidmet. Heut wurde die Frömmste der Mütter geboren, Vom Schöpfer zu Grossem bestimmt und erkoren, Zur Freude dem alternden Elternpaar, Dies Kindlein vom Himmel gegeben war. Sie gaben dem Kindlein die sorglichste Pflege, Erzogen es nur in des Göttlichen Wege, Und wie wohl gar wenige Kinder es sind, War Maria stets ihr gehorsames Kind.

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Sie labte sich nicht an dem irdischen Tande, Ging schuldlos daher im bescheidnen Gewande, So wuchs sie zur herrlichsten Jungfrau heran, Und wandelte immer auf richtiger Bahn. Sie wusste gar nützlich die Zeit zu verwenden, Sie sass bei der Arbeit mit fleissigen Händen; Gern blieb sie zu Hause, auch manchmal allein, Und siehe, einst schwebte ein Engel herein. Er grüsste gar freundlich die Gute, die Fromme, Sagt, dass er vom himmlischen Vaterland komme; Der Vater, dort oben; er hab sie so gern, Er hab’ sie erkoren zur Mutter des Herrn. Wie ward da der glücklichen Jungfrau zu Mute, Froh glaubte dem Göttlichen Boten die Gute; Der Wille des Höchsten er möge geschehn! Dies war der Beglückten demütiges Flehn. Still tat sie der himmlischen Worte erwägen, Und harrte getrost der Erfüllung entgegen; Und herrlich ward die Verheissung erfüllt, Ihr gläubiges Hoffen und Sehnen gestillt. Sie wurde nun Mutter dem göttlichen Sohne, Und sieht ihn jetzt herrschen auf himmlischem Throne,


Ihr Leben

Wie hatte ihr Wandel vor Gott einen Wert, Darum wird sie noch jetzt von den Menschen verehrt. Sei schuldlos, mein Kind, sei bescheiden und stille, Und folg wie Maria dem Göttlichen Wille; Ihr Leben so heilig, so schuldlos und rein, O lass es zum täglichen Vorbild dir sein! 57 Gerade im Zusammenhang mit der Frage der Übereinstimmung zwischen den persönlichen Überzeugungen und dem kirchlichen Normen- und Tugendkatalog fällt noch ein Gedicht besonders auf: Das Grab der Selbstmörder ausserhalb dem Kirchhof in Wengi Alle, die da drinnen schlafen, Doch ich will euch nicht verdammen, Trug man feierlich zur Ruh, Kenn hier Gottes Walten nicht; Und bei hellem Grabgeläute Weiss nur euer traurig Ende, Deckte man sie friedlich zu. Nicht was dort der Richter spricht. Auf die stillen Grabeshügel Floss so manche Trän herab, Und zum treuen Angedenken Schmücken Blumen manches Grab.

Möchte aber jeden fragen, Der hier kalt vorüber geht: Weißt du schon dein selig Ende, Wie’s einst um dein Grabe steht.

Aber euch trug keine Bahre An dies schauerliche Ziel, Und kein Tränlein ist geflossen, Auch die Glocken schwiegen still.

Willst du gut und selig sterben, Dies, o Mensch erfordert viel! Fromm [u]nd christlich hier zu leben Fromm zu bleiben bis ans Ziel. 58

Und zu keinem Angedenken Sieht man da ein Blümchen blühn, Ach man muss mit stillem Grauen Nur an euch vorüber ziehn. Mancher spricht mit kaltem Herzen Über euch das Urteil her, Sieht in alle Ewigkeiten Für euch keine Gnade mehr.

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Es ist unmissverständlich: Katharina Berkmüller zweifelt die damalige kirchliche Gepflogenheit des Verscharrens ausserhalb des Friedhofes an. Sie bricht nicht den Stab über die Unglücklichen. Sie masst sich kein moralisches Urteil an; sie verdammt nicht. Auf sanfte Art opponiert sie aber klar und deutlich gegen die harten Urteile und unmenschlichen Rituale der Kirche. Wir erinnern uns: Katharina war reformiert. Und wir erinnern uns zweitens, dass ihre beiden Knaben kurz nach der Geburt verstarben. Der jüngere starb ohne Taufe. Die Frage, wie sich die Kirche in solchen Situationen verhält, hat die aufgeklärte Katharina mit Bestimmtheit beschäftigt. Die beiden Konfessionen hielten ihre Gottesdienste in Wängi ja auch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts in derselben paritätisch genutzten Kirche ab. Gemäss traditioneller katholischer Theologie war das ungetauft verstorbene Kind noch mit der Erbsünde behaftet und konnte deshalb nicht an der Auferstehung teilhaben. Die Kirche stand vor der Frage, wie ein solches Kind begraben werden konnte. So entwickelte sich im Laufe der Zeit die Lehre des sogenannten Limbus Puerorum. Umgangssprachlich kamen die Seelen, welche «ohne eigenes Verschulden vom Himmel und der ewigen Anschauung Gottes ausgeschlossen waren», in die Vorhölle für Kinder. 59 Laut Meinung der Kirche konnten sie nicht in der geweihten Erde des Friedhofs bestattet werden. Sie wurden ausserhalb der Kirchhofmauern und in aller Regel ohne Zeremonie beigesetzt. Diese Vorhölle wird beschrieben als ein Ort der Finsternis unter der Erde, aus der

es für alle Zeiten keine Rückkehr mehr gibt. Auch nach der Reformation blieb dieser Glaube im Volk tief verwurzelt, Nicht nur dass man glaubte, ein solches Kind würde nicht selig und geistere als unerlöste Seele umher; ein ungetauftes war auch bedrohlich. Es hätte sich rächen und zum Auslöser von Seuchen, wie zum Beispiel der Pest, werden können. Solche Vorstellungen lassen die Not der Eltern nachvollziehen und erklären, warum man alle Mittel ergriff, um ein solches «ungfreuts Chindli» 60 nicht ungetauft zu bestatten. Vermutlich wurde der erste Knabe der Familie Berkmüller, welcher gemäss Angaben im Haushaltregister nur einen einzigen Tag überlebte, ebenfalls per Nottaufe auf den Namen Conrad getauft. Dass sich die Kirche über Jahrhunderte hinweg in Bezug auf diese Fragen selbst nicht einigen konnte, zeigen etwa die teilweise üblichen Bestattungen längs der Kirchengebäude, die sogenannten «Traufkinder». Sie sind wohl als Zeichen dieser Ambivalenz zu deuten. Durch das niederrieselnde Dachwasser des Kirchengebäudes wurden die Kinder sozusagen postmortal getauft. Auch im protestantischen Volksglauben war diese Auffassung noch lange vertreten. 61 Am 20. April 2007(!) bewertete Papst Benedikt XVI die Lehre des Limbus puerorum «als eine nicht vom Lehramt unterstützte, ältere theologische Meinung. (...) Es bleibe jedoch eine Theorie, die die Kirche nicht verurteile und den Gläubigen zubillige». 62 Im Jahr 1713 wurden in der Landgrafschaft Thurgau die paritätischen Friedhöfe vermessen und zwischen den beiden Konfessionen aufgeteilt. Das hatte zur Folge, dass die evangelischen ungetauften Kinder ohne


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Probleme auf dem Friedhof bestattet werden konnten, weil die Katholiken ihr eigenes, gesegnetes Grabfeld hatten. Auch stellte für die evangelischen Pfarrer die Beisetzung von ungetauft verstorbenen Kindern kein Problem dar. Der 1840 verstorbene und noch ungetaufte Knabe der Familie Berkmüller wurde demnach auf dem Friedhof in Wängi begraben. Selbstmördern hingegen wurde erst 1827 per Dekret des Grossen Rats die Bestattung innerhalb der Friedhofmauern zugesichert. 63 Katharina Berkmüller muss entweder ihr Gedicht über die Selbstmördergräber ausserhalb der Friedhofmauern bereits sehr früh verfasst haben. Oder diese kirchenrechtliche Diskussion tauchte in der Familie Berkmüller oder im Dorf Wängi aus irgendeinem Grund – zum Beispiel aus Anlass eines Kindstodes – plötzlich wieder auf. Nach diesem doch eher gruseligen Abstecher in die Kirchengeschichte nun aber zurück zur Familie Berkmüller-Stutz in Wängi.

Alltag und Lebensstil bei Berkmüllers Darüber, wie die Familie ihren Alltag bewältigte und was für einen Lebensstil sie pflegte, ist – einmal mehr – kaum etwas bekannt. Wir haben als Quellen zum einen die Gedichte und zum andern einige zufällig erhalten gebliebene Rechnungen und Quittungen aus dem Haushalt Berkmüller. Es scheint, dass die Familie eher einen bescheidenen Lebensstil gepflegt hat. In den Gedichten sind denn auch an verschiedenen Stellen Hinweise auf einen eher schlichten Haushalt zu finden. So beginnt etwa das Gedicht «Zufriedener Sinn» mit der Strophe: Mit meinem Los bin ich zufrieden Und danke meinem Gott dafür; Ob er auch wenig mir beschieden, Dünkts doch ein grosser Reichtum mir. 64 Auch anderorts wird Bezug genommen auf die bescheidene Lebenssituation. Etwa im Gedicht «Des Armen Trost» tröstet sich Katharina Berkmüller mit der Gewissheit, dass auch der Reiche einmal sterben müsse und ihm dann all sein Reichtum nichts nütze.

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Des Armen Trost am Ende. Oft wünscht ich mir ein eigen Haus Auf dieser weiten Erden, Und ach mein Wunsch wird bald erfüllt, Ein Häuschen wird mir werden; Ein Häuschen, aber eng und klein, Erwartet bald mein müd Gebein.

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Dem Reichen, dem oft ein Palast Zu eng auf dieser Erden, Auch ihm wir doch zu guter Letzt Nur so ein Häuschen werden, Und drin zerfällt auch er zu Staub, Und wird gleich mir der Würmer Raub.

Wie glücklich ist, wer hier mit Ernst Nach bessren Gütern trachtet, Der nicht zu hoch, was nicht besteht, Der Erde Reichtum achtet. Was bleibt von allem Reichtum dein? Ein Sterbekleid ein dunkler Schrein! 65 Beinahe neckisch nimmt sich in diesem Zusammenhang ein unbeschnittener Druckbogen 66 aus, welcher in der Isolation im Zwischenboden des Berkmüller Hauses zum Vorschein kam.

Unbeschnittener Druckbogen S. 33 – 40. vor 1800. Siegel: Buchhandlung Scheitlin St. Gallen. 19.3 x 24.7 cm. Inv.Nr. B510.D10. Ortsmuseum Wängi.


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Das erbrochene Siegel oben links lässt sich noch teilweise entziffern. Es trägt den Namenszug der Buchhandlung «SCHEITLIN & VOLLE... [?] aus St. Gallen. Auf Seite 37 erscheinen folgende drei Artikel: «Nöthige Winke für diejenigen, die gerne reich werden möchten», «Mittel, aller Leute Taschen mit Geld zu füllen» und «Neue Art, Geld auszuleihen». Tönt nicht schlecht. So hat es auch der Aufsatz über die neue Art, Geld auszuleihen mit Datum «Paris, den 22. April 1784» in sich: «Ich übersende Ihnen hiermit einen Wechsel im Betrage von zehn Louisd’ors. Ich beabsichtige aber nicht, Ihnen mit dieser Summe ein Geschenk zu machen. Ich leihe sie Ihnen blos. Sollten Sie in Ihr Vaterland zurückkehren, so wird es Ihnen nicht fehlen, ein Geschäft zu unternehmen, das Sie in den Stand setzen wird, alle Ihre Schulden zu bezahlen. In diesem Falle müssen Sie, wenn Ihnen ein anderer ehrlicher Mann in ähnlicher Noth aufstösst, mich dadurch bezahlen, dass Sie ihm diese Summe leihen, und ihm zu Pflicht machen, die Schuld auf dieselbe Weise zu bezahlen, sobald er es im Stande ist, und sobald sich ihm eine ähnliche Gelegenheit dazu bietet. Ich hoffe, dass sie auf diese Art durch viele Hände gehen wird, bis sie in die eines Schurken fällt, der ihre weiteren Fortschritte hemmt. Es ist dies eine Grille von mir, mit wenig Geld möglichst viel Gutes zu stiften. Ich bin leider nicht reich genug, um viel thun zu können, und so muss ich mich damit begnügen, mit Wenigem so viel als möglich zu wirken zu suchen.» 67 Der Ratschlag zu fortgesetzter gegenseitiger Hilfe mag zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung im Jahre 1784 gut gemeint ge-

wesen sein. Allerdings zeigt die Geschichte, dass solche Schneeballsysteme ausnahmslos im Verlust sämtlicher Gelder enden. Dass der Artikel fast 100 Jahre später in eine neue Publikation aufgenommen wurde, verfolgte wohl eher eine moralische denn eine ökonomische Absicht und geschah mit mahnendem Unterton und warnendem Zeigefinger. Der Buchhalter Berkmüller wird zu unterscheiden gewusst haben zwischen dem moralischen Aufruf zu gegenseitiger Hilfe und der finanziellen Naivität des Artikels. Wir wissen nicht, in welches Buch der vorliegende Bogen hätte Eingang finden sollen. Denkbar ist ein Werk zur Lebenshilfe in allerhand Geldfragen. Ziel dabei sind allerdings eher das gute Gewissen und ein al­truistisches Verhalten und weniger der eigene Reichtum. Das Buch könnte in einem kirchlichen Verlag aufgelegt worden sein. Dies würde durchaus zu Katharina Stutz und zur Familie Berkmüller passen. In einem der folgenden Kapitel werden wir noch der Frage nachgehen, auf welche Weise Katharina zur Literatur gefunden hat und dort sehen, dass religiöse und kirchliche Schriften eine dominante Rolle gespielt haben. Da würde dann der obige Artikel nahtlos passen.

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Schuhwerk und Kleidung Erhalten geblieben sind im Weiteren insgesamt 46 Rechnungen vorwiegend aus den Jahren 1842 bis 1852. Auch sie vermitteln einige Hinweise auf Alltag und Lebensstil. Eine auffallende Häufung ergibt sich für die Jahre von 1845 bis 1848 mit jeweils bis zu zehn und mehr Rechnungen pro Jahr. Die Gründe für diese Streuung sind unklar, dürften jedoch Zufall sein. Der Wängemer Schuster Heinrich Kocherhans stellte am 31. Dezember 1847 dem Herrn (!) Berkmüller einen Betrag von 3 Gulden und 4 Kreuzern 68 für Schuhe von Frau (!) Berkmüller in Rechnung: Julyus 10ten der Frau Berkmüller ein bar Schuh gemacht dido ein bar Schuh geflickt Nofember 18ten Ein bar Finken gesohlt

Die Rechnung zeigt den sorgsamen Umgang mit Schuhen. Waren sie schadhaft, so wurden sie geflickt. Sogar die Finken wurden neu gesohlt. Bei Bedarf wohl auch mehrmals. 69 Aus den wenigen Jahren (1842 – 1850), über welche sich die aufgefundenen Rechnungen erstrecken, betreffen sechs Rechnungen Kleiderstoffe und sieben Kleider. Wir wählen hier einige davon aus. Die ausgesprochen vergnügliche Lektüre wollen wir uns keinesfalls ersparen. Schnell wird nämlich klar, dass die Tuchhändler und Schneider hierzulande mit den fremdländischen Stoff- und Kleidungsbezeichnungen ihre liebe Mühe hatten. Trotz allem hat man sich verstanden und wir gehen davon aus, dass die Ware tadellos gewoben und ebenso verarbeitet war. Reklamationen oder gar Rücksendungen sind auf alle Fälle keine aufgetaucht. 70

Rechnung (Nota) des Schusters Heinrich Kocherhans. 1847. 23.1 x 12.0 cm. Inv.Nr. B510.R25. Ortsmuseum Wängi.


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Sie hatten es aber auch nicht einfach, die Schneider jener Zeit. Während in den Webkellern im Dorf noch Leinenstoffe aus Hanffasern gewoben wurden, stellte man in der Weberei bereits die ersten Baumwollstoffe her. Die Kleiderstoffe trugen nicht selten

englische Bezeichnungen wie Waterproof, Lasting, Tweed usw. und die Kleidungsstücke französische: Foulard, Gilet oder Veston. Dazu kamen Bordüren, Knopfgarnituren und Fournituren.

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Verschiedene Rechnungen für Stoffe. Alle adressiert an die Familie Berkmüller. 1845 – 1846. Inv.Nr. B510.R09 / R10 / R13 / R17. Ortsmuseum Wängi.


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Frauenfeld, den 6ten März 1845 Rechnung für Herrn Bergmüller in Wengi von Gebrüder Menabrea & Cie. Nachfolger der Gebrüder Litschgi & Cie. über 2 ¼ Ellen grau Watterpropf

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Rechnung St. Gallen, d. 31. December 1845 für Herrn Berkmüller in Wengi von Franz Joseph Geser 1844 März 12. 1 1/8 Ell. V für Gilets December 14. 1 Stck. schwarz & weiss fular Halstuch » 14. 1 Stck. schwarz fular Halstuch 1845 April 28. 4 Ell. schwarz Lastings* * Lasting ist ein Schuhoberstoff aus Baumwolle. 71 Wyl, den 1. April 1846 Nota für Herrn Berkmüller z. Spinnerei Wengi von G.S. Lumpert Ellen 8 fein Grepp * Laisting d.grau

* Crêpes ist ein Gewebe mit krauser Oberfläche. Crêpe de Chine ist die Bezeichnung für einen hauchdünnen und feingewobenen Stoff, oft auch aus Naturseide.


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Frauenfeld den 9ten Mai 1846 Rechnung für Herrn Berkmüller von Rudolf von Jakob Hasenfraz Schneider einen grünen grepp Lasting Korkpordé* Futter, Wattierung 1 garnitur seiden Knöpf Pordur u. Furnitür die schön ächt mit gutem Mohär ** gefüttert per acquit Rudolf Hasenfraz recommandiere mich bestens Ihres werten Zutrauens * Laut dem Textilmuseum St. Gallen lässt sich der Begriff «Korkpordé» nicht erklären. ** Mohair ist Wolle von sog. Angora-Tieren, die sich durch ein besonders langhaariges Fell auszeichnen.

Angesichts der vielen Stoffbestellungen fragen wir uns natürlich, ob Katharina Berkmüller das Material selbst verarbeitet hat. Unmöglich ist das zwar nicht, gehörte doch Nähen und Stricken durchaus zu den damaligen Frauenpflichten. 72 Auch schwierigere Kleidungsstücke wurden nicht selten selbst angefertigt. Die hier vorliegenden Schneiderrechnungen lassen allerdings eher das Gegenteil vermuten. Sogar einfache Flickarbeiten wurden Schneidern überlassen.

Neben den Schneiderateliers mit festem Sitz gab es damals die sogenannten Störschneiderinnen und –schneider. Diese boten ihre Dienste von Haus zu Haus oder auf Abruf an und arbeiteten dann für ein paar Stunden oder mehrere Tage im Haus des Kunden. Manchmal sogar mit Kost und Logis. Die beiden letzten Wängemer Störschneiderinnen Agnes Bommer und Julia Studer gingen noch bis in die späten 1970er-Jahre ihren Beschäftigungen nach.

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Rechnung für Herrn Berkmüller in Wengi von Johan Gamper Schneider von da. 1845 Tag Heumonat 16 Zweÿ Par Hosen geflickt – Zweÿ Schile geflickt und eingefasst Knöpf geben darzu und Schnürli in ein Schile ein Rugen gemacht – ein Rock ausgebögelt – Watten geben für August 17 dreÿ Par Hosen gemacht nebst Zugehör ein grünen Rock eingefasst Band geben darzu ein Kragen auf ein Rock gemacht – 1846 Jänner 17 ein Frack gemacht – für Futter – für Wattierung … und Faden für Schnürli und Knopf –

Verschiedene Schneider­rechnungen für die Familie Berkmüller. 1845 – 1848. Inv.Nr. B510.R07.R24.R41.R40. Ortsmuseum Wängi.


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Frauenfeld, den 5ten Septembr 1847 Rechnung für Herrn Berkmüller zur … in Wengi von J. Keller Schneidermeister dahier 1847 Julj 1 Eine Seiden weste gemacht für macher lohn u. Wyl, den 28 Octobr 1845 Nota für Herrn Berkmüler zur Spinnerei Wengi von G.S. Lumpert Saldo Vortrag 1 Paar Unterhosen Frauenfeld, den 28 Decemb. 1848. Rechnung für Herrn Berkmüller in Wengi von J.G. Wassermann Knopfmacher & Posamentier 1848 Octobr. 30 1 Pr. Strümpfe

Bereits im Wängener Heft 5 zum Thema Ortsmuseum Wängi ist auf eine Rechnung des Tailleurs Wegmann aus Paris aus der «Rue de Grétry Nr. 1, près la place des Italiens» für «Monsieur Bergmüller» hingewiesen worden. Es handelt sich dabei um die Rechnung vom 12. Oktober 1842 für ein «Gilet casimir noir». War Berkmüller selber in Paris und liess er dieses Gilet (Gilets wurden in der Regel unter einem Frack getragen!) massschneidern? Konnte er sich das leisten? Wir wissen es auch heute noch nicht.

Die Stoff- und Kleiderrechnungen belegen: Bei Berkmüllers wurden edle Stoffe verwendet und vornehme Kleider getragen. So sind unter anderem zahlreiche Gilets und ein Frack belegt. Auch liess man beileibe nicht nur bei ansässigen Schneidern aus Wängi arbeiten. Die Rechnungen stammen aus dem Raum zwischen Frauenfeld und St. Gallen. Dazu kommt das erwähnte Gilet aus Paris. Diese Tatsache relativiert die einfachen Wohnverhältnisse und den bescheidenen Lebensstil etwas, wovon wir weiter oben den Eindruck gewannen und von dem

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vor allem Katharina Berkmüller in ihren Gedichten verschiedentlich berichtet. Auffallend ist, dass neben den zahl­ reichen Rechnungen für Schuhe, Finken, Stoffe, Kleider und Wäsche, keine einzige für Hüte erhalten geblieben ist. Am 10. März 1848 stellte Conrad Wegelin im Freihof aus Diessenhofen dem «Herrn J. Berkmuller in Wengi» folgende Rechnung über einen Betrag von 2 Gulden und 41 Kreuzern aus. Geliefert wurde die Seife durch einen Hans Wegmann. 50

Ihrem Geehrten [Schreiben] v. gestern zu Folge sende Ihnen durch Wegmann Hans B Nr. 1 Paquet mit / 2 Tafeln à 10 Stk Kernseife 25 [?] [?]2.41. wofür sie mich gefl. erkennen wollen. Dankend empfangen C. Wegelin So präsentierte sich eine gepflegte Dame Ende des 19. Jahrhunderts in Wängi an Festtagen. Schwarzes Seidenkleid, kunstvoll gestalteter Hut mit Straussenfeder, diverse Hut- und Haarnadeln zur Auswahl, hoch geschnürte Schuhe, eleganter Schirm und geflochtenes Körbchen. Aus Wängi, aber nicht aus dem Hause Berkmüller. Ortsmuseum Wängi.

Rechnung von Conrad Wegelin aus Diessenhofen für Kernseife. 1848. 21.5 x 13.6 cm. Inv.Nr. B510.R37. Ortsmuseum Wängi.


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Bücher und Zeitungen Für das Portraitfoto zu Beginn dieses Kapitels posierte Katharina Berkmüller vor dem Fotografen mit einem Buch in der Hand; genauer mit einem Atlas. Zusätzlich liegt auf dem Tisch eine aufgeschlagene Zeitung. Auch wenn diese Aufnahme bei Berkmüllers zu Hause aufgenommen wurde und Katharina in ihrer Stube zeigt; Buch und Zeitung sind bewusst gesetzte Hinweise. Heute würden wir von Inszenierung sprechen. Dies selbst dann, wenn wir bedenken, dass man sich beim sitzenden Lesen nicht bewegt und dies den Belichtungszeiten der damaligen Kameras durchaus entgegenkam. Weiter vorn sind wir bereits unbeschnittenen Druckbögen begegnet. Es gibt davon im Nachlass Berkmüller mehrere Beispiele. So schildert auf einem weiteren Druckbogen ohne Buchtitel und Verlagsdatum (erhalten sind lediglich die Seiten 17 bis 32) ein gewis-

ser Heinrich Bosshard die Erlebnisse seiner Reise via Liverpool nach Amerika. Akribisch zählt er die geladenen Waren und die zugestiegenen Passagiere auf, welche alle im fernen Amerika auf ein besseres Leben hoffen. «Es sind Familien hier, welche mit gutem Vorsatz in die Welt ziehen, Mittel und Wege suchen ihre Lage zu verbessern.» 73 Ein kurzer Blick auf diesen Heinrich Bosshard lohnt sich. Sein Leben steht exemplarisch für die grosse Gruppe von Auswanderern, welche hierzulande im Zuge der Industrialisierung kein Auskommen mehr fand. Heinrich Bosshard (geb. 8. April 1811 in Bolstern bei Kollbrunn; gest. 3. April 1877 in Highland, Illinois, USA) war ein Schweizer Lehrer, Musiker, Dichter, Naturforscher und Landwirt. Sein Weg – meist zu Fuss – führte ihn durch die jungen Staaten New York, Pennsylvania, Ohio, Indiana, Illinois, Iowa, Minnesota und später in den

Druckbogen aus einem Buch von Heinrich Bosshard über seine Erlebnisse als Auswanderer nach Amerika. Seiten 17 – 32. 20.4 x 13.3 cm. Inv.Nr. B510.D11. Ortsmuseum Wängi. Auf Seite 28 beschreibt Bosshard seine Seekrankheit nach einem schweren Sturm.

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Süden nach Florida. Er suchte bewusst den Kontakt zu den Menschen und wurde konfrontiert mit den damals aktuellen Fragen rund um Sklaverei und Rassenausgrenzung. Zudem setzte er sich mit den Problemen der Ureinwohner auseinander und lernte deren politischen und sozialen Nöte kennen. Bosshard berichtete seine Erfahrungen regelmässig in monatlichen Briefen in die Schweiz. Diese wurden zunächst in einer Monatszeitschrift abgedruckt, später gesammelt und unter dem Titel «Anschauungen und Erfahrungen in Nordamerika» als dreibändiges Buchwerk von einem Zürcher Verlag publiziert. Die Berichte von Bosshard – notabene einem Zürcher Oberländer wie Katharina Berkmüller auch – müssen die Berkmüllers so sehr fasziniert haben, dass sie sich irgendwie Buchauszüge beschafften. Auch in den Arbeiterbüchern der Spinnerei und Weberei Wängi aus jener Zeit findet sich hinter zahl-

Rechnungen der Buchhandlung Ch. Beyel von Frauenfeld für das «Thurgauer Wochenblatt». 1846 und 1847. Inv.Nr. B510.R20.R30. Ortsmuseum Wängi.

reichen Namen der Eintrag «durchgebrannt» oder «verschwunden ohne Nachricht zu hinterlassen». Nach Amerika? Wer weiss! Schon im Wängener Heft 6 wurde bereits darauf hingewiesen, dass im Haushalt der Familie Berkmüller Bücher gelesen wurden. Konkret geht es dort um ein Buch «Die Erde und ihre Bewohner», woraus Alphons Berkmüller auch einen Stich «Stierfang in Süd Amerika» kopierte. Auf welchem Wege Berkmüllers an diese Druckbögen gelangten, ist nicht bekannt. Auf Grund der erhalten gebliebenen Exemplare lässt sich auch kein vollständiges Buch zusammenstellen. Aber es sind konkrete Belege für das breite Interesse der Familie an Lesestoff. Die beiden Rechnungen der Buchhandlung Ch. Beyel aus Frauenfeld 74 belegen, dass die Berkmüllers nicht nur an Literatur, sondern auch an einer wöchentlich erscheinenden Zeitung interessiert waren. Der Umstand, dass die Rechnungen für das «Thurgauer Wochenblatt» 75 jeweils auf Ende Dezember ausgestellt wurden, legt sogar nahe, dass während des Jahres die einzelnen Ausgaben gesammelt und Ende Jahr dann in Buchform gebunden wurden. Dies war eine damals übliche Gewohnheit, die es erlaubte, bei Gelegenheit wieder auf einzelne Berichte zurückgreifen zu können. Wir nehmen an, dass die eine Ausgabe von «Der Wächter» 76 wegen des vom Thurgauer Geistlichen Johann Kaspar Mörikofer verfassten Nachrufs auf Landammann Anderwert aufbewahrt wurde. Josef Fridolin Anderwert war Mitglied des Thurgauer Verfassungsrates 1830. Verbürgt ist auch seine Teilnahme an der Tagsatzung zu Schwyz.


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Auf Bundesebene war er im Nationalrat und im Bundesgericht tätig. 1876 wurde er in den Bundesrat gewählt und war dort Justizminister. Der Text zeugt von den politischen Auseinandersetzungen zur Zeit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, an deren Ende dann auf eidgenössischer Ebene die Gründung des Bundesstaates und auf kantonaler Ebene eine neue Thurgauer Verfassung resultierten. «Diese Demokraten (gemeint sind u.a. die Glarner und Appenzeller) nehmen alle die Worte Freiheit, Selbstständigkeit, Republik noch in der alten Bedeutung,

und sie haben die Kunst nicht erlernt, weiss als schwarz und schwarz als weiss anzusehen, so sehr man sie auch durch Erbauungen des Gegentheils überzeugen möchte.» 77 An diesen Prozessen war Alphons Berkmüller interessiert. Da passt sein Engagement in der thurgauischen Männerchorbewegung ganz gut. Doch davon später. Ebenfalls ganz gut passt da ein weiterer Text, nämlich ein Sonderdruck der Neuen Zürcher Zeitung aus dem Jahre 1849 mit einem Nekrolog für Ludwig Herkules Daverio, einem freisinnigen Reformer aus Zürich. 53

Zeitung «Der Wächter» vom 18. August 1842 mit einem Nachruf auf Landammann Anderwert. Inv.Nr. B510.D02. Ortsmuseum Wängi.


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Die folgende Passage im abschliessenden Abschnitt vermittelt einen Eindruck über die politische Stimmung der damaligen Zeit: «Es genügt, diese Worte anzuführen, um das edle, fühlende Herz und das pflichtreue schweizerische Gemüth würdig zu bezeichnen, das in Daverio zu dem Chor der ausgezeichneten Männer Zürichs aus den dreissiger Jahren heimgegangen ist. Auch dieser Sohn einer grossen Zeit hat nicht thatlos gelebt, noch die kostbaren Jahre der Kraft, auf die das Vaterland ein Anrecht hat, müssig geträumt.» 78 54

erhalten geblieben. Dort finden sich eine ganz Reihe von Stellengesuchen oder Ausbildungsangeboten. Ein Thema im Zusammenhang mit der Tochter Louise? Sie ist nun immerhin 39 Jahre alt und wohnt offensichtlich noch zu Hause. Die Mutter stirbt kein halbes Jahr später im Herbst 1876. 79

Alphonse Berkmüller fühlte sich offensichtlich in dieser Bewegung aufgehoben. Inwieweit dies auch für seine Frau Katharina zutrifft, bleibt offen. Vielleicht war sie eher am Anzeigeblatt zum christlichen Volksboten aus dem Jahre 1876 interessiert. Auch davon ist ein Stück

Ausschnitt aus dem Anzeigeblatt zum Christlichen Volksboten. März 1876. 27.3 x 22.5 cm. Inv.Nr. B510.D04. Ortsmuseum Wängi.

Beispiel einer gebundenen Jahresausgabe der Wochenzeitschrift Gartenlaube. Jahrgang 1877. Inv.Nr. B 71. Ortsmuseum Wängi. Nicht aus dem Nachlass Berkmüller.


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Engagement im Dorf Darüber, wie Katharina Berkmüller im Dorf Wängi gesellschaftlich integriert war, wissen wir auf Grund der greifbaren Unterlagen praktisch nichts. Ihre Gedichte – unsere Hauptquelle – geben in diesem Zusammenhang wenig her. Eine einzige Rechnung könnte möglicherweise ein Fingerzeig in diese Richtung sein. Es handelt sich dabei um die quittierte Rechnung des Malers Johann Spiller aus Elgg vom 8. Maÿ 1846 für «Herrn Bergmüller in Wengi». Darin werden «4 Liter steinblaue Farbe (...) zu einem Wagen fürs Kinderfest» in Rechnung gestellt. Die Rechnung wurde am 18. Brachmonat 1844 ausgestellt (Brachmonat = Juni) und am 8. Maÿ 1846 quittiert, respektive der Betrag «dankbar empfangen». Dazwischen liegen fast genau zwei Jahre. Über die Gründe für diese Zeitspanne wissen wir nichts. Wir wissen nicht einmal, wo dieses Kinderfest stattfand. Auch der Anlass für

Rechnung des Malers Johann Spiller aus Elgg für vier Liter steinblaue Farbe für ein Kinderfest. 8. Mai 1846. 17.4 x 11.0 cm. Inv.Nr. B510.R16. Ortsmuseum Wängi. Die Unterteilung in Zeilen und Spalten wurde vom Rechnungssteller mit Bleistift und Lineal selbst gezogen.

ein solches Fest mit Umzug (mit einem blau gestrichenen Wagen) und weiterem Drum und Dran ist unklar. Ein Fest der Gemeinde, der Schule, der Kirche, der Spinnerei? Die Vorstellung allerdings, dass die Familie Berkmüller sich an einem öffentlichen Kinder- oder Dorffest beteiligt und dabei einen Umzugswagen blau anmalt, ist gleichermassen denkbar wie sympathisch. Die Tochter Louise war 1844 sieben Jahre alt. Adressiert ist die Rechnung auf der Rückseite an «Herrn / Herrn Bergmüller in / der Mechanischen Spinnerey / in / Wengi». Unten links ist eine Bemerkung schräg angebracht: «durch Gelegenheit». Damit ist wohl eher die Überbringung der Rechnung als der begehrte Zahlungstermin gemeint. Auf alle Fälle wurde der Brief nicht per Post überbracht. Ein Poststempel fehlt. Bedauerlicherweise ist zu Katharinas Integration im Dorf Wängi nichts bekannt. Wir wollen die hier erwähnte Rechnung für

Dieselbe Rechnung zum Versand gefaltet. Man erkennt Spuren des aufgebrochenen Siegels. Links unten schräg die Anmerkung: «durch Gelegenheit». Daher wohl auch die auffallend lange Frist zwischen Rechnungstellung (1) und Quittierung. (2) 8.8 x 5.3 cm. Inv.Nr. B510.R16. Ortsmuseum Wängi. (1) 18. (2) 8.

Brachmonat oder Juni 1844

Mai 1846

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die blaue Farbe auch gar nicht überinterpretieren. Vielmehr ergreifen wir die Gelegenheit zu einigen allgemeinen Gedanken zum Thema Integration. Die Geschichte lehrt, dass Katharina als Frau des Buchhalters der dominanten Weberei sich einem gewissen Assimilationsdruck kaum entziehen konnte. Hätte sie sich diesen Erwartungen konsequent entzogen, wäre sie in Wängi in der sozialen Bedeutungslosigkeit versunken. Denkbar ist die Einbettung in einer lokalen Gruppierung oder in einem Verein. Nach Heidi Witzig dehnte sich im späten 19. Jahrhundert die Vereinslandschaft rasant aus. In der Regel standen gemeinnützige und fürsorgerische Anliegen im Vordergrund. Die Vereinsstrukturen erlaubten den Frauen sich zu organisieren und sowohl ideell als auch konkret Einfluss auf das öffentliche Leben zu nehmen. 80 Bruno Giger nennt in seiner Geschichte des Wängemer «Müttervereins streng katholischer Prägung» als Grün-

dungsdatum den 8. Dezember 1875. 81 Ein evangelischer Frauenverein folgte erst 1914. Mit Katharina Berkmüller hatte das aber nichts mehr zu tun. Sie starb bereits 1862.

Gesundheit Katharina schrieb ihre Gedichte grossenteils auf kleinformatiges Papier. So misst eine Seite des Gedichtbändchens für Louise gerade einmal 15.0 x 11.5 cm. Ihr Gatte Alphons bevorzugte beim Zeichnen ebenfalls kleine Formate. Eine ganze Reihe seiner Werke misst gerade einmal 6.0 x 9.5 cm oder 7.7 x 11.5 cm. Das strengt die Augen an. Kommt dazu, dass die beiden vermutlich erst nach ihrem Arbeitsalltag im Haushalt oder im Büro ihren Freizeitbeschäftigungen nachgingen; also am Abend bei Kerzen-, Öloder Petrolbeleuchtung. Das forderte die Augen zusätzlich. So erstaunt es nicht, dass sich im Nachlass auch einige Dokumente zum Thema «Rath und Hülfe für den, wel-

Werbeschriften für Dr. Romershausen’s Augenessenz. 1842 und 1845. Inv.Nr. B510.D12a-c. Ortsmuseum Wängi


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cher an Gesichtsschwäche leidet und namentlich durch angestrengtes Studiren und andere angreifende Arbeiten den Augen geschadet hat» zu finden sind. Während Dr. Romershausen vor allem die «heilsamen und augenstärkenden Kräfte des Fenchelkrautes» empfiehlt, preist ein gewisser J.S. im Jahre 1831 «die Wunderkräfte des kalten Wassers in vielen Krankheiten und Uebeln und als Universalmittel zur Begründung einer dauerhaften Gesundheit.» Auf alle Fälle nennt der Autor einschlägige Beispiele von erfolgreicher Anwendung. «Benvenuto Cellini 82 heilte sich in einer schweren, fieberhaften Krankheit dadurch vom Fieber, dass er eine Menge kalten Wassers verschluckte. Er kroch aus dem Bett, trank einen Kessel voll kaltes Wasser aus, verfiel in heftigen Schweiss und genas von da an.» 83

«Der Kaiser Maximilian I. (vor mehr als 300 Jahren) bekam ein hitziges Fieber. Da ihm aber die Aerzte alles kalte Trinken verboten und ihn mit hitzigen Arzneien noch kranker machten, so liess er sich durch einen Bediensteten heimlich einen Krug frisches Wasser vom Brunnen holen und trank es mit Lust nach und nach aus; worauf er ‹den Leibärzten zur Verspottung› wieder gesund wurde.» 84 Nur bei der Behandlung von Augenleiden mit kaltem Wasser ist offenbar Vorsicht geboten: «Das zu häufige Waschen ist aber schädlich. Denn dadurch werden die Augen zu viel gereizt und der Zufluss der Säfte nach denselben vermehrt.» 85 Wir nehmen gerne an, dass alle diese Ratschläge den Berkmüllers geholfen haben und sie mehrheitlich gesund lebten. Ganz konnten sie allerdings

Ungebundene Druckbogen eines Gesundheitsratgebers. 1831. 12.0 x 18.0 cm. Inv.Nr. B510.D07. Ortsmuseum Wängi.

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nicht auf den Arzt verzichten, wie folgende Jahresrechnung von Dr. Ammann in Wängi über einen Betrag von 14 Gulden und 49 Kreuzern belegt. Weswegen die Arztbesuche erfolgten, geht aus der Rechnung nicht hervor. Es heisst hier lediglich «für ärztl. Behandlung». Allerdings erstreckten sich die Konsultationen über das ganze Jahr 1846: «Jen Jan, Hornung, März, April, Mai, Juli, August, Sept., Nov. & Dec.»

Aus derselben Zeit – und damit schliessen wir unsere Analyse der gefundenen Schriftdokumente endgültig – stammen noch zwei gerade im Zusammenhang mit den Themen Lebensstil und Gesundheit aufschlussreiche Schriftstücke: Kiloweiser Kaffeenachschub im Jahresturnus? Ein Indiz auf den Lebensstil in der Familie Berkmüller? Ein Fehlschluss aufRechnung des Dorfarztes J.C. Ammann (damals wohnhaft im Weierhaus) für Herrn Berkmüller für verschiedene Behandlungen. 1847. 17.2 x 10.9 cm. Inv.Nr. B510.R27. Ortsmuseum Wängi.

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Rechnung von Conrad Wegelin in Diessenhofen für Herrn Berkmüller in Wengi für 1 Ballot (1) mit 4 Paquet Rio Café. 30. April 1846. 21.8 x 27.5 cm. Inv.Nr. B510.R22. Ortsmuseum Wängi. (1) Ein

«Ballot» ist ein kleiner Warenballen

Rechnung der Spezerei-, Glas-, Steingut- und Branntweinhandlung Balthasar Siebler & Huber in Wyl für Herrn Bergmüller in Waengy für 16 Pfund Kafe. 22. April 1845. 17.2 x 21.4 cm. Inv.Nr. B510. R06. Ortsmuseum Wängi.


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grund der zufälligen Fundumstände? Was sollen wir daraus schliessen? Wir wissen es nicht. Allerdings, dass die Kaffeebohnen in der Küche selbst geröstet wurden, war damals keine Seltenheit. Die Flammen im Holzherd wurden etwas reduziert, die Röstpfanne im Feuerloch versenkt und die Kaffeebohnen durch die verschliessbare Öffnung eingestreut. Mit dem Rührwerk wurde eine gleichmässige Röstung erzielt. Auch bei der Rechnung über 1 Gulden und 25 Kreuzer für 100 Cigarren sind wir auf Mutmassungen angewiesen. Der Brief ist adressiert als Nachnahme für Herrn Berkmüller in Wengi.

Leinensack für Kaffeebohnen aus dem Kolonialwarengeschäft. Kaffeemühle und Blechdose für den gemahlenen Kaffee. Um 1900. Nicht aus dem Haushalt Berkmüller. InvNr. G5079, G4264 und G3722. Ortsmuseum Wängi.

War Berkmüller ein Zigarrenraucher, der seine Raucherwaren gleich in grossen Mengen einkaufte? Betrachten wir die Nachnahme etwas genauer! Ein J. Trachsler (vermutlich der Wirt) vom Ochsen in Elgg fordert von Berkmüller 1 Gulden und 25 Kreuzer für 100 Cigarren. Berkmüller zahlt den Betrag. Der Ochsenwirt bestätigt den Empfang. Nun folgt aber der Vermerk «für Herrn Bosshard, Maler in Neubrunn». Demnach liefert Berkmüller die Cigarren weiter nach Neubrunn. Berkmüller wäre der Zwischenhändler für die Zigarren. Er hätte die Raucherwaren in Elgg gekauft und nach Neubrunn weiterverkauft. Zu welchem Preis wissen

Nachnahme für 100 Stck. Cigarren. 21.9 x 17.4 cm. Inv.Nr. B510.R45. Ortsmuseum Wängi

Von Herrn Berkmüller für Herrn Bosshard Maler in Neubrunn, pr. 100 Stck. Cigarren f.1.25x J. Trachsler z. Ochsen Elgg, 5. Januar 1850.

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wir nicht. Die entsprechenden Dokumente sind verloren. Immerhin: Vergessen wir nicht, Berkmüller war Buchhalter. Ganz abwegig wäre die Vermutung nicht, dass er sein Gehalt auf die eine oder andere Weise etwas aufgebessert hat. Und wie ist das nun mit dem Kaffee? Hat Berkmüller den auch nicht selbst getrunken, sondern auch damit gehandelt? Wir kommen auf Grund des im Ortsmuseum Wängi vorhandenen Materials einstweilen nicht weiter. Der Lebensstil der Familie Berkmüller liegt trotz beharrlicher Spurensuche weitgehend im Dunkeln. 60

Die Tochter Louise Auch über die Tochter Louise ist kaum etwas bekannt. Es gibt den Eintrag im Haushaltregister mit ihrem Geburtsdatum und es

gibt das Gedichtbändchen der Mutter. Dieses stammt mit Sicherheit aus Louisens Hinterlassenschaft. Dazu existiert ein Portrait­ foto. Die Aufnahme zeigt eine freundliche, leicht distanziert in die Welt blickende Dame. Sie legt – wie bereits ihre Mutter – Wert auf eine gepflegte Erscheinung. Sie ist sorgfältig frisiert mit strengem Mittelscheitel und ondulierten Schläfenlocken. Sie trägt – wiederum wie ihre Mutter – ein enges, hochgeschlossenes Kleid mit Rüschenkragen und zwei aufgenähten Satin- oder Sammetstreifen sowie eine Halsbrosche und eine Kette. Aber Hinweise auf ihr Leben? Wie hat Louise nach dem Tode ihrer Eltern gelebt und womit hat sie sich beschäftigt? Aus den Aufzeichnungen eines Gesprächs, welches Ernst Trachsler mit Frau Anna Walder (1894 – 1986) am 20. April 1979 zum Thema «Erinnerungen an meine Kindheit anhand einiger Berkmüller Zeichnungen» geführt hat, ergeben sich ein paar wenige Anhaltspunkte. Das Gespräch wurde auf Tonband aufgenommen. Datenträger und Abschrift werden im Ortsmuseum Wängi aufbewahrt. Anna Walder wuchs als Kind des Dorfarztes im Doktorhaus gleich neben dem

Tochter Louise Berkmüller. Atelieraufnahme eines professionellen Fotografen. Vermutlich um 1870. 6.6 x 11.5 cm. BmKat. Nr. 01d. Ortsmuseum Wängi.


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Berkmüller Haus an der Dorfstrasse auf. Sie kannte Louise Berkmüller als Nachbarin noch persönlich. «Ich ging als Kind einfach durch den Garten zu ‹Fräulein Berkmüller› hinüber. Sie hatte eine Pensionärin, eine Fräulein Bosshard. Das war ein feines Fräulein aus Zürich. Ich weiss nicht, wieso die nach Wängi zu Fräulein Berkmüller in Pension gekommen ist. Aber als Kind war ich immer wieder dort. Mir hat es dort gefallen. Meine Eltern hatten ja auch keine Zeit für ihre Kinder. Immer wenn man zu Hause keine Zeit für mich hatte, ging ich ein wenig zu Leuten. Zu Fräulein Berkmüller. Auch meine Freundin hat mir letzthin noch erzählt, sie sei häufig bei Fräulein Berkmüller zu Besuch gewesen. Louise Berkmüller wohnte in ihrem Häuschen bis sie 1912 starb.» Bei zwei erhalten gebliebenen Gedichten handelt es sich nachweislich um solche,

die von der Tochter Louise verfasst worden sind. Beide sind signiert. Louise hat also, wie schon ihre Mutter Katharina, Gedichte geschrieben und diese auch im Freundesund Bekanntenkreis verschenkt. Sie verfügte über eine besonders feine und präzise, dennoch aber zügige Handschrift. In der Signatur finden wir nun wieder die französische Schreibweise «Louise». An seinem 50. Geburtstag 1851 fand Jakob Stutz unter all den Gaben auch ein Geschenk von Louise Berkmüller, seiner Nichte aus Wängi. Allerdings nennt er in seinen Erinnerungen keine weiteren Einzelheiten. Ein handgeschriebenes Gratulationsgedicht? Möglich wäre es. Louise war damals 14 Jahre alt. 86 Ein loses Blatt mit einem Gedicht ohne Überschrift ist familiengeschichtlich besonders interessant. Louise befasst sich darin

Gratulationskarte «Zum Trauungstage den 24. November 1868. Zum Andenken an deine Jugendfreundin Louise Berkmüller». 14.0 x 9.4 cm. Inv.Nr. G 1805. Ortsmuseum Wängi.

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mit ihrem Onkel Jakob Stutz. Sie verfasste die insgesamt sechs Strophen vermutlich 1877 oder kurz danach aus Anlass des Todes ihres Onkels und setzt sich darin mit dessen Lebenstragödie auseinander. Sie ist hin- und hergerissen zwischen Verständnis und Vergebung einerseits und Abgrenzung und Groll andererseits. Wir greifen hier die ersten vier Strophen heraus.

Was geschlagen blutige Wunden, Hüll’ in tiefe Nacht sich ein Selbst der dunkle Grabesstein Sei mit Blumen dicht umwunden.

Süsses heiliges Vergessen, Dir ertönt des Klausners Lied, [Klausner = Onkel Jakob Stutz] Wenn die Abendsonne flieht. Unter flüsternden Zieprressen. [gemeint sind Thuja-Pflanzen]

Und was sich von uns geschieden Und getrübt des Pilgers Lauf [Pilger = Onkel Jakob Stutz] Das wache nicht mehr auf Lasst o lasst, es ruh’n in Frieden.

Setzet dem begränzten Wesen Nicht zu hoch Verlornes an Was von uns sich trennen kann Ist es unser ja gewesen.

Louise Berkmüller. Gedicht in Erinnerung an ihren Onkel Jakob Stutz. 11.0 x 14.5 cm. Ohne Datierung. Inv.Nr. G 5253. Ortsmuseum Wängi.


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Anna Louisa Berkmüller starb am 7. September 1912 im Alter von 75 Jahren an «Alterschwäche, Blasenblutung, Arterienverkalkung und Hirnschlag». So der etwas pauschale Eintrag von Dr. Walder. Ein Beruf ist auf dem Totenschein nicht eingetragen. Bestätigt wurden die Angaben stellvertretend von Pfarrer Heim. Angehörige existierten keine mehr. Am 9. September erschien in der Thurgauer Zeitung die amtliche Todesanzeige. Die Beerdigung war bereits auf den folgenden Tag, den 10. September, angesetzt

und eine Danksagung der «Trauernden Hinterlassenen» erschien am Tage nach der Beisetzung. Mit dem Hinschied von Louise fand die physische Geschichte der Familie Berkmüller in Wängi ihr Ende. Unsere Spurensuche wäre aber nicht vollständig, würden wir nicht noch einen Blick auf die Wohnverhältnisse der Familie werfen. Das Berkmüller Haus in Wängi steht heute noch und dessen Geschichte wirft nochmals einige erhellende Lichter auf Leben und Wirken von Alphons und Katharina Berkmüller. 63

Eintrag im Wängemer Todten-Register vom 7. September 1912. Staatsarchiv Thurgau Todtenregister A Wängi, 1912, S.23, Nr.19. Reproduktion mit Genehmigung des Staatsarchivs. Amtliche Todesanzeige der Kirchgemeinde vom 9. September 1912 in der Thurgauer Zeitung. Reproduktion mit Genehmigung der Kantonsbibliothek.


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Erste Wohnung im katholischen Schulhaus Auch wenn Katharina Berkmüller in verschiedenen Versen betont, mit ihrem bescheidenen Lebensstil zufrieden zu sein, so taucht doch da und dort die Sehnsucht nach einem eigenen Haus auf. Folgt man den Erinnerungen von Hermann Walder, wohnte die Familie Berkmüller zuerst längere Zeit im oberen Stock des «katholischen Schulhäuschens am Kirchweg» (heute Wiesengrundstrasse 3). 87 Der Wunsch nach einem eigenen Haus oder wenigstens nach einem «Häuschen» muss in der Zeit entstanden sein, als die Familie noch zur Miete wohnte. Im Gedicht «Des Armen Trost am Ende» taucht dieser Wunsch auf. Zwar nimmt das Gedicht nach den ersten Zeilen eine unverhoffte Wendung. Aus dem «eigen Haus» wird der Sarg. Und der unerfüllbar scheinende Traum von den eigenen vier Wänden endet im Selbsttrost, dass auch der Reiche mit seinem Palast letztlich sterben müsse. Trotzdem; der Traum bleibt lebendig. Und man kann es ihr nicht verdenken. Die kleine Dachwohnung oberhalb der Schule mit ihren Dutzenden von Kindern, das entsprach nicht den Zürcher Oberländer Bauernhöfen, wo Katharina aufgewachsen war.

Oft wünscht ich mir ein eigen Haus Auf dieser weiten Erden, Und ach mein Wunsch wird bald erfüllt, Ein Häuschen wird mir werden; Ein Häuschen, aber eng und klein, Erwartet bald mein müd Gebein. Dem Reichen, dem oft ein Palast Zu eng auf dieser Erden, Auch ihm wird doch zur guten Letzt Nur so ein Häuschen werden, Und drin zerfällt auch er zu Staub, Und wird gleich mir der Würmer Raub. 88 Auch an einer andern Stelle in einem Gedicht mit dem Titel «Zufriedner Sinn» taucht wieder der Wunsch nach einem eigenen Dach über dem Kopfe auf. Zwar ist es nicht so, dass Katharina Berkmüller mit ihrer Wohnung über der katholischen Schule hadern würde. Dennoch ist in den Worten «nur ein fremdes Dach» der deutliche Wunsch nach einem eigenen Haus nicht zu verkennen. Hab ich gleich weder Feld noch Auen, Und schützt mich nur ein fremdes Dach, So kann ich doch auf Gott vertrauen, Und häng nicht eitlen Wünschen nach. 89 1980 schreibt Otto Gubler als damaliger Besitzer des im Folgenden abgebildeten Hauses an der Wiesengrundstrasse 3: «An der Wiesengrundstrasse besteht eine alte Liegenschaft vom Jahre 1837 als erstes Kath. Schulhaus heute im Besitz und bewohnt von Fam. Otto Gubler, Maler.» 90


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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Katholisches Schulhäuschen. Von Norden gesehen. Bleistift. 9.7 x 6.0 cm. Unter Glas. Alt gerahmt. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 06. Ortsmuseum Wängi. Gut erkennbar die Laube, von der in Katharina Berkmüllers Gedicht die Rede ist.

In seinen Erinnerungen erwähnt Hermann Walder, dass die Arztfamilie, welche damals noch im Weierhaus wohnte, die Familie Berkmüller im katholischen Schulhaus täglich mit frischem Wasser versorgte: «Im oberen Stock wohnten früher Berkmüllers. Ihnen brachte unsere langjährige treue Magd, Karolina Baumberger, jeden Abend eine Gelte voll Wasser vom Weierhausbrunnen.» 91 Wir folgern daraus, dass sowohl die Schulräumlichkeiten selber als auch die darüber liegende Wohnung kein fliessendes Wasser hatten und dass dieses täglich an einem Brunnen beschafft werden musste. Wo wir schon dabei sind, schauen wir uns doch das Schulhäuschen nochmals genauer an.

Dabei entdecken wir das kleine Fensterchen des «Hüslis» der Lehrerwohnung im oberen Stock. Auch zum Plumpsklo im Parterre für die grosse Schülerschar erfolgte der Zugang von der Veranda aus. Auf der Zeichnung sieht man die Türe. Das Fensterchen weist vermutlich gegen Westen. Hermann Walder berichtet, dass seine Tochter Friedli «einmal voller Freude über eine kleine Schulpause in einem Satz vom Podest der steinernen Stiege in das offene, volle Abtrittsgüllenloch hinunter gesprungen sei, das Frau Lenzlinger (die Frau des Lehrers) zu decken vergessen hatte – zum Glück auf die Füsse, ohne Schaden zu nehmen.» 92


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Man führte ein einfaches Leben damals. Auch das Warmhalten der Wohnung im Winter erforderte beträchtlichen Aufwand. Vermutlich stand in der Schulstube im unteren Stock ein Kachelofen, welcher mit Holzbüscheli beheizt wurde. Und in der Wohnung im oberen Stock bei Berkmüllers wird ein Eisenofen gestanden haben. Diese Öfen wurden zwar beim Beheizen rasch sehr heiss, die Hitze hielt jedoch nie lange an. In diesem Zusammenhang ist eine Rechnung von Interesse, welche erhalten geblieben ist. Ein gewisser G. Früh stellt am 31. Juli 1848 der Familie Berkmüller «140 Zaine Treber» in Rechnung zum Preis von 6 Gulden und 14 Kreuzern. «Treber» oder Trester nannte man die Rückstände beim Pressen von Trauben oder Äpfeln und Birnen. Diese wurden mit Sägemehl vermischt und zu Würsten oder Stöckli verarbeitet. Gut getrocknet ergaben sie eine Art Briketts, welche im Ofen

Quittung für Hauszins. «Von Berkmüller empfing ich heute den / Hauszins per Mt April 1845 fünf & / vierzig mit Fl. [Florin] 36.– was ich hiermit / bescheinige Wengi den 29. April 1845. / Peregrin Wissmann Schulpfleger». Inv.Nr. B 510.R8. Ortsmuseum Wängi.

langsam verglühten und über Stunden Wärme abgaben. Das Datum der Rechnung legt nahe, dass es sich hier um Obsttrester gehandelt hat. Traubentrester gibt’s erst im Herbst. Die Obsttresterstöckli aber konnten auf der Laube den ganzen Sommer über schön trocknen. 93 In einem ihrer Gedichte spricht Katharina Berkmüller von dieser Laube. Sie sass gerne dort und blickte gegen Norden auf den Friedhof. Hier die erste Strophe des Gedichtes: Gedanken auf der Laube. Auf meiner Laube sitz ich hier, Vom hellen Mond bestrahlt Den stillen Friedhof dort vor mir, Von seinem Licht bemalt. 94 In den 1980 im Estrichboden gefundenen Papieren fand sich unter anderen eine Quittung des katholischen Schulpflegers Peregrin Wissmann. Er bescheinigt den Berkmüllers den Erhalt des Hauszinses von 36 Fl. (Florin = Gulden) für den Monat April 1845. Später verkaufte die katholische Kirchgemeinde gemäss Brandassekuranz-Kataster ihr ehemaliges Schulhaus als «freistehendes Wohnhaus» seinem neuen Besitzer Jakob Gubler. Der Versicherungswert betrug 6500 Franken. Das Haus steht noch (heute Wiesen­grundstrasse 3) und ist trotz einiger Umbauten in seiner Grundstruktur noch als ehemaliges Schulhaus zu erkennen.


Das Berkmüller Haus

Erwerb des evangelischen Schulhauses Die evangelische Kirchgemeinde hatte ihr Schulhaus 1833 an der Verbindungsstrasse zwischen dem Oberdorf rund um Kirche und Weierhaus sowie dem Unterdorf rund um die Schäflikreuzung gebaut. Die Brüelwiese war damals zwischen der heutigen Dorfstrasse und der Frauenfelderstrasse noch leer. Gemäss Walder schenkte ein früherer Besitzer der Kirche den Bauplatz. 95 Die zentrale Lage zwischen Ober- und Unterdorf (heute Dorfstrasse 19) war für ein Schulhaus ideal. Im Jahre 1870 wurden in Wängi die bisher konfessionell getrennt geführten Schulen vereinigt. Für die neue Oberschule wurde bereits 1869 «an der Landstrasse»

das Murgschulhaus erbaut. Dieses diente noch bis in die späten 1960er Jahre als Kindergarten und Kochschule, bis es an die STUAG verkauft wurde und schliesslich 2009 einem Neubau weichen musste (heute Frauenfelder­strasse 5). Die Unterschule kam ins ehemals katholische Schulhaus. Die Familie Berkmüller musste ausziehen und konnte das frei gewordene ehemalige evangelische Schulhaus erwerben. Etwas später kaufte sie dazu noch ein Stück Wiesland von den Gebrüdern Konrad und Friedrich Thalmann, welche im Nachbargebäude eine Schmiedewerkstatt betrieben. Damit ging der lang ersehnte Wunsch von Katharina Berkmüller nach einem eigenen Häuschen in Erfüllung. Sie lebte bis zu ihrem Tode noch sieben Jahre darin.

Amtliches Kauf­protokoll. Alphons Berkmüller ersteht am 30. November 1869 von der evangelischen Schulgemeinde das ehemalige Schulhaus. Der Kaufpreis beträgt Fr. 1400.–. Damit hat Berkmüller das Haus günstig erworben, betrug doch der Brandassekuranz­wert Fr. 1800.–. Staatsarchiv Thurgau Kauf­ protokoll Kreis Lommis 1869. S. 162-163. Nr. 4259. Reproduktion mit Genehmigung. Transkription siehe nächste Seite.

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Die evangl. Schulgemeinde Wengi verkauft an Alphons Berkmüller in Wengi lt. Vertrag v. 30. Novb. 1869. Das alte Schulhaus in Wengi assec. sub Nr. 150a fr Fr. 1800 samt Hofreite, Mg an Strass, Mtg. & Abd. an Gebr. Thalmann, Mittern. an Dr. Walder. für Fr. 1400.– Bedingungen 1/. Das Objekt wird abgetreten mit den bisherigen Rechten, Beschwerden, jedoch hat die Gemeinde die Gebrüder Thalmann in Wengi für den Hausplatz od. sogenannte Güllenrecht lt. Vertrag zu kündigen. 2/. Der Kaufantritt findet sofort statt. 3/. Die ganze Kaufsumme wird bis zur Fertigung bezahlt, samt dem betreffenden Zins v. Marti 1869 an gerechnet, à 4½ % Verpfändung Keine

Amtliches Kauf­ protokoll. Alphons Berkmüller kauft am 2. Februar 1871 von den Gebrüdern Thalmann ein Stück Wiesland. Der Kaufpreis beträgt Fr. 159.90. Staatsarchiv Thurgau Kaufprotokoll Kreis Lommis 1871. Nr. 4514. Reproduktion mit Genehmigung.


Das Berkmüller Haus

Gebrüder Konrad u Friedrich Thalmann Schmid in Wängi fertigen dem A. Berkmüller in Wengi lt. Vertrag v. 2. Febr. 1871 1599 m2 Wiesland in Brühl, Morgen Strass, Mttg. u Abd Verkäufer, Mtcht Käufer. Für Fr. 159.90 cts Bedingungen: 1/. Das Objekt wird abgetreten mit den bisherigen Rechten & Beschwerden. 2/. Der Kaufsantritt findet sofort statt. 3/. Die Kaufssumme ist sofort an die Briefkreditorschaft bezahlt worden, gegen Pfandledigung. Verpfändung. Keine Thalmanns und Berkmüllers kannten sich bereits seit Jahren. Schon 1846 hatten sie miteinander zu tun. Auf alle Fälle ist eine Rechnung erhalten geblieben, worauf

der Schmied Thalmann den Berkmüllers in Rechnung stellt, «ein neuer Schlüssel zur Haustür und ein neus Bögli an das Schlittli & die Stützen sterker gemacht» zu haben. 96

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Haus Berkmüller, ehemaliges evangelisches Schulhaus. Von Nordosten gesehen. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 38. Ortsmuseum Wängi. Hinter dem Berkmüller Haus ist der Blick noch frei bis zur Frauenfelderstrasse. Unbearbeitete Wiedergabe siehe Wängener Heft 6.

Arzthaus

Bauernhof heute COOP

Murgschulhaus Frauenfelderstrasse Schmiede Thalmann Haus Berkmüller Dorfstrasse

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Verkauf an den Dorfarzt Hermann Walder Im bereits erwähnten Gespräch, welches Ernst Trachsler mit Frau Anna Walder führte, erinnert diese sich in Bezug auf das Berkmüller Haus: «Mein Papa hat irgendwo etwas von Kaufen geschrieben. Er habe es selbst kaufen wollen. Aber der Herr Berkmüller sei ihm zuvor gekommen. Später kaufte er es dann aber doch.» In seinen «Memorabilia Wengensia» schreibt Hermann Walder, wie die Sache sich seiner Erinnerung nach zugetragen hat: «Mein Vater hoffte, an der Steigerung das alte Häuschen billig zum Abbruch zu erwerben, wozu er als Besitzer der Brühlwiese ein gewisses Anrecht hatte. Allein es kam anders. Herr Berkmüller wünschte, dass man ihm das Kaufobjekt überlasse, um es zu einem billigen Alterssitz auszubauen. Er kaufte das Häuschen samt Boden und einem kleinen Garten, den man ihm zugestand, um 1000 Franken. Das hatte dann freilich die Folge, dass ich später dafür an der Gant der Hinterlassenschaft des Fräulein Berkmüller 5000 Fr. dafür bezahlen musste.» 97 Hier stapelt Hermann Walder etwas gar tief. Laut Eintrag im Grundbuchamt vom 11. November 1912 erwarb er das Haus für genau Fr. 6200.–. 98 Die Familie Berkmüller wohnte noch gut acht Jahre in ihrem umgebauten Alterssitz. 1876 starb die Mutter Katharina und am 24. November 1879 der Vater Alphons. Danach ging das Haus an die Tochter Louise über. Von ihr erwarb es schliesslich Hermann Walder nach ihrem Tode 1912. Es diente in der Folge als Wohnung für Walders Kutscher.

Im Wängemer Grundbuch ist die weitere Besitzerfolge bis heute nachzuverfolgen: Bis 11.11.1912 im Eigentum der Luisa Berkmüller Erben, erworben am 11.11.1912 von Dr. Hermann Walder für Fr. 6200.00, erworben am 04.09.1916 von Dr. med. Theophil Montigel, erworben am 16.10.1922 von Dr. med. Paul Zwicky, erworben am 19.09.1949 von Dr. med. Walter Vontobel, erworben am 03.02.1978 von Walter Vontobel Erben, seit 29.08.1989 Stefan und Brigitte Vontobel.

Das Berkmüller Haus heute Die Liste der Besitzer zeigt, dass das Haus bis 1978 – also rund 100 Jahre – ununterbrochen im Besitz der jeweiligen Dorfärzte blieb. Die heutigen Besitzer Stefan und Brigitte Vontobel haben es aus dem Nachlass ihrer Eltern übernommen. Ein Gespräch mit ihnen hat ein paar interessante Erkenntnisse ergeben. Die gegen Süden liegende Schulstube mass ungefähr 9 x 5 Meter. Das erscheint zwar zunächst recht komfortabel. Zieht man allerdings die von Bischof erwähnten «zeitweise gegen oder sogar über 100 Kinder, welche gleichzeitig in dem Haus unterrichtet wurden» 99 in Betracht, wird es eng; sehr eng. Die Schulstube wurde von der Küche aus mit einem Kachelofen beheizt. Vielleicht war es auch in Wängi so wie in andern Schulen, dass das Schulgeld der Kinder in Form


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von Brennholz abgegolten wurde. Bis zum Umbau 1982 war die ehemalige Schulstube mit dünnen Holzwänden in drei Kammern unterteilt. Vermutlich handelt es sich dabei um den von Berkmüller vorgenommenen Umbau zum Alterssitz. Der frühere evangelische Schulmeister wohnte auf dem Dachboden in einer abgeschrägten Kammer. So erklärt sich auch das Fenster im ersten Stock auf der Strassenseite. Zum grossen Erstaunen kam beim Umbau von 1982 unter dem Verputz ein Riegelbau mit Fachwerk zum Vorschein. Allerdings war das Holz in derart schlechtem Zustand dass sich eine Freilegung als nicht machbar erwies. Zudem musste wegen des Anbaus die Nordfassade ohnehin entfernt und ein

Eisenträger eingelegt werden. So wurden zum Schluss alle Fassaden wieder verputzt. Ganz so, wie zu Berkmüllers Zeiten. Noch etwas irritierte die Fachleute. Vergleicht man die beiden Grundrisse, so stellt man schnell fest, dass sie nicht recht aufeinander passen. Das Schulzimmer im Erdgeschoss ist erstaunlicherweise kleiner als der darunterliegende Kellerraum. Aus diesem Grund musste die Wand zwischen Schulzimmer und Eingangsbereich auf Stützen und Trägern im Kellergeschoss abgestützt werden. Der mit dem Umbau betraute Architekt Urs Krähenmann mutmasste, der Riegelbau des Erdgeschosses könnte ursprünglich an einem andern Ort gestanden haben und dann

Erdgeschoss des Berkmüller Hauses. Planaufnahme des Architekten Urs Krähenmann anlässlich des Umbaus von 1982.

Kellergeschoss des Berkmüller Hauses. Planaufnahme des Architekten Urs Krähenmann anlässlich des Umbaus von 1982.

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einfach auf das bestehende Kellergeschoss an der Dorfstrasse aufgesetzt worden sein. Bei dieser Gelegenheit wäre das Kellergeschoss gegen Norden erweitert worden, um die nördliche Aussenwand der Riegelkonstruktion zu unterfangen. Gleichzeitig hätte man im Kellergeschoss drei Stützen gestellt, um die Schulzimmerwand, welche den Grundriss der Länge nach unterteilt, zu stützen. Inwieweit diese Vermutung zutrifft, liess sich bis anhin nicht klären. Sie leuchtet aber ein. Auf einer Berkmüller Zeichnung sind in der südlichen Hausfassade oberhalb der Fenster Öffnungen zu erkennen. Urs Krähenmann konnte sich deren Funktion nicht erklären. Als Lüftungsöffnungen für den Dachbereich erwiesen sie sich als unwirksam. Dennoch beliess man sie aus denkmalpflegerischen Gründen. Sie sind heute noch zu sehen.

Öffnungen oberhalb der Fenster

Bei Vorabklärungen im Zusammenhang mit dem geplanten Umbau kamen 1980 zahlreiche schriftliche Dokumente zum Vorschein, welche zur Isolation der Decke der Dachzimmer gegen den Estrich eingelegt wurden. Einige der Dokumente sind datiert. Das früheste auf 1833 und das späteste auf 1876. Vor allem letztere Angabe ist interessant. Wenn also Berkmüllers das Haus nach der Vereinigung der beiden bis anhin konfessionell geführten Schulen 1870 erworben und zum Alterssitz umgebaut haben, so blieb die Decke der Kammern im ersten Stock offenbar noch einige Jahre ohne Isolation. Die Papiere fanden ihre letzte Verwendung als Schutz gegen die Kälte entweder erst kurz vor dem Tode Alphons Berkmüllers oder es war die Tochter Louise, welche nach dem Tode ihres Vaters 1879 dessen Nachlass nicht entsorgen mochte und ihn auf dem

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Dorfstrasse mit Schmiede Thalmann, Berkmüller Haus, Haus Krone und Haus Adler. Ausschnitt. Aquarell über Bleistift. Ganze Zeichnung 18.5 x 13.5 cm. BmKat. Nr. 83. Privatbesitz. Die Lüftungsöffnungen am Berkmüller Haus sind gut zu erkennen. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980. Unbearbeitete Wiedergabe siehe Wängener Heft 6.


Das Berkmüller Haus

Dachboden auslegte, wo er seinen Dienst als Kälteschutz und Insektenfutter bis zu seiner Entdeckung nach ziemlich genau 100 Jahren zur Zufriedenheit versah. 1982 wurde das Haus von der Familie Vontobel zur heutigen Form umgebaut und gegen Norden erweitert. Die für das Haus typische Eingangstreppe wurde beibehalten und weiter nach aussen versetzt. So ist die Form des Hauses erhalten geblieben und aus dem ehemaligen «Berkmüller Hüsli» 100 ist das heutige Wohnhaus an der Dorfstrasse 19 geworden. Auf der Aufnahme der Denkmalpflege sind der Anbau auf Grund des gegen Norden weit heruntergezogenen Daches und des zusätzlichen Fensters gut zu erkennen. Die kantonale Denkmalpflege reiht das Berkmüller Haus in ihrem Hinweisinventar alter Bauten und Ortsbilder aktuell in die

Kategorie «Bemerkenswert» ein. Im Kurzkommentar heisst es: «1833 als evangelisches Schulhaus erbaut. Kleinformatiger, eingeschossiger Verputzbau, giebelständig und leicht übereck zur Dorfstrasse gestellt. Kniestock mit kleinen, quadratischen Fensterchen. Das heute asymmetrische Dach ist auf der Zeichnung von Berkmüller symmetrisch dargestellt.» Letztere Bemerkung überrascht uns nicht, wir wissen um den 1982 erfolgten Anbau gegen Norden. 101 In den «Kunstdenkmälern der Schweiz Bezirk Münchwilen» von Albert Knöpfli erfahren wir noch: «Die Evangelischen besassen seit 1730 eine eigene Schule. 1833 bauten sie ein neues Haus mit einer Schulstube. Das Haus, später von A. Berkmüller bewohnt, entspricht dem damals bevorzugten Einheitsraum für kleine Schulen.» 102

Aufnahme der kantonalen Denkmalpflege. Berkmüller Haus im Hinweisinventar Wängi Dorf. 1983. Inv.Nr. B 529. Ortsmuseum Wängi.

Aufnahme der kantonalen Denkmalpflege. Berkmüller Haus im Hinweisinventar Wängi Dorf. Aufnahme 2008. Ortsmuseum Wängi.

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Das Berkmüller Haus

Das Land für das Schulhaus muss schon längere Zeit im Besitz der evangelischen Kirchgemeinde gewesen sein. Eine Kaufurkunde lässt sich für die frühen 1830er Jahre nicht finden.

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Es ist also allein seine Geschichte, welche dem Haus seine herausragende Bedeutung für das Dorf Wängi verleiht.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Haus Berkmüller an der Dorfstrasse. Aquarell über Bleistift. 14.3 x 9.8 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. Eingrenzbar auf die Zeit zwischen 1869 und 1879. Rückseite mit Vermerk «Jakob Stutz». Zentralbibliothek Zürich Graphische Sammlung und Fotoarchiv. Inv.Nr. Stutz, Jakob I, 3 (2) Pp A4: Berkmüller, Haus in Wängi (Sys 010178810). Reproduktion mit Genehmigung. BmKat. Nr. 157. Das Haus ist hier aus Richtung Nordosten zu sehen. Die damals noch unverbaute Brüelwiese gibt den Blick frei auf das Murgschulhaus an der Frauenfelderstrasse, Baujahr 1869. Links des Berkmüllerhauses die Schmiede der Gebrüder Thalmann und anschliessend der Bauernhof Bommer, welcher 1990 dem Neubau mit dem COOP weichen musste. Vor der Kulisse der verschiedenen Häuser die bekannten Berkmüllerschen Figurengruppen. Links vorne zieht eine Mutter einen Kinderwagen mit zwei Kleinkindern hinter sich her.


Ihr literarisches Werk – eine Einordnung Erste Kontakte mit Literatur Nachdem wir nun schon mit einigen Beispielen den Gedichten von Katharina Berkmüller-Stutz begegnet sind, lohnt es sich, ihr dichterisches Werk etwas genauer anzusehen. Dies aus mehreren Gründen. Die Gedichte stellen eine literarische Leistung auf einem durchaus beachtlichen schriftstellerischen Niveau dar. Auch wenn die Texte für heutige Ohren teilweise romantisch verklärt oder religiös nicht selten etwas schwer wirken, so zeugen sie doch von einer gedanklichen und weltanschaulichen Eigenständigkeit und von Selbstbewusstsein. Die Gedichte erlauben aufschlussreiche Einblicke sowohl in das Denken als auch in das Leben der Familie Berkmüller. Fügt man die schriftstellerischen, zeichnerischen und musikalischen Leistungen zu einem Ganzen zusammen, so wird rasch klar, dass das Haus Berkmüller in der Mitte des 19. Jahrhunderts seine thurgauische Umgebung in kultureller Hinsicht überragte. Bei der Antiquarischen Gesellschaft Pfäffikon ist ein schmales Heft erhalten geblieben. Es trägt den Titel «Gedichte von Katharina Stutz von Pfäffikon. Seit 1822 – 1827» und umfasst 65 Seiten mit insgesamt 34 handgeschriebenen Gedichten. Katharina verfasste diese zwischen ihrem 13. und 18. Lebensjahr. 103 Wir fragen uns, wie denn Katharina im frühen Jugendalter überhaupt mit Literatur im Allgemeinen und Poesie im Besondern in Berührung gekommen ist. Sie selbst liefert dazu nirgends einen Anhaltspunkt. In sei-

ner Lebensbeschreibung «Sieben mal sieben Jahre aus meinem Leben» erfahren wir bei ihrem Bruder Jakob Stutz einiges über den Verlauf von Katharinas literarischer und religiöser Sozialisation und wie sich die beiden Geschwister zu unterschiedlichen weltanschaulichen Haltungen ihre eigenen Gedanken machten. Lesen gehörte in der Familie Stutz zum Alltag. Jakob Zollinger 104 spricht treffend von einem ausgeprägten «Lesehunger» der beiden Geschwister Jakob und Katharina. Es waren vor allem religiöse Traktate und Gedichte, welche gemeinsam gelesen wurden. Vor allem Jakob war schon früh an Fragen zum Sinn des Lebens interessiert. So erstaunt nicht, dass er später ein überzeugter Anhänger der Herrnhuter, einer Gemeinschaft innerhalb der Bewegung der Pietisten, wurde. Diese wiederum bildeten eine Reformbewegung innerhalb der reformierten Kirche. Allerdings zweifelte er bald auch an deren Überzeugungen und Lebensformen und wandte sich schliesslich den sogenannten Separatisten zu. Auch wenn Jakobs weltanschauliche Überzeugungen in seinen Jugendjahren noch nicht ausgeprägt waren, hat er sich doch schon früh intensiv damit auseinandergesetzt. Wir wollen hier die Anliegen und Überzeugungen der verschiedenen pietistischen Reformbewegungen nicht in aller Breite darlegen. Zwei Charakteristika des Pietismus gilt es indessen hervorzuheben. Sie prägten Katharinas Grundhaltung und kommen in ihren Gedichten immer wieder

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zum Ausdruck. Der Pietist hat Erfahrung in der persönlichen Hinwendung zu Gott und er gestaltet sein Leben nach Gottes Wort und in der Verbindung zu ihm. Gerade mit Letzterem ging eine gewisse Moralisierung einher. Die Pietisten strebten nach einem Leben in frommem Wandel und nach Bescheidenheit bis hin zur Askese. Weltliches Treiben wie etwa Spiel, Tanz, Kartenspiel, Theater sowie jeglicher Luxus in Kleidung und Nahrung war ihnen fremd. Wir erinnern uns an Katharinas Mahnungen noch vor der Heirat an ihren künftigen Gatten und daran, wie sie dies in ihrem Gedicht «In Alphons Stammbuch» festgehalten hat. 105 Später dann bescheinigt sie ihm seinen untadeligen Charakter. Muss nicht sorgen für den Gatten, Dass er sei bei Spiel und Wein; Kann getrost mein Lichtlein löschen, Unbekümmert schlafen ein. 106 Dieses Moralisieren im Sinne von «So etwas ziemt sich nicht!» führte gerade bei Katharina mitunter zu einer gewissen Starrheit. Auf alle Fälle versuchte Jakob einmal nach der Lektüre von Johann Peter Hebels 1803 erschienen Alemannischen Gedichten 107 ebenfalls «Versuche in mundartlicher Dichtung zu machen. Ich verfasste ein paar Verse (...) und zeigte sie Katharine. Sie musste darüber lachen, sagte aber hintennach in gar bedenklichem Ton: sie meine so zu dichten sei gewiss Sünde, ich soll’s doch nicht mehr tun». 108 So lasen also Jakob und Katharina neben pietistischen Texten, religiösen Gedichten, Basler Missionsschriften und anderem mehr gemeinsam in einem Buch eines deutschen

Autors Namens Förster, an dessen Titel sich Jakob aber nicht mehr erinnerte. «Die meisten dieser Gedichte gefielen mir sehr wohl, am besten die Fabeln. Aber Schwester Katharine und ich mussten oft herzlich lachen, wenn wir bei den Gedichten lasen: Langbein, Streckfuss, Kuh, Kalb, Schiller, Göthe (wir lasen Götte), Wagenseil, Wackernagel, Schlegel und so weiter, wussten gar nicht, was das um alle Welt ausweisen sollt.» 109 Mit den Jahren verloren indessen diese Geschichten ihre Faszination und die beiden distanzierten sich zunehmend von den ewig gleichen Erzählungen, welche die Welt als finsteres Jammertal voller Elend, Sünde, Tod und Verderben malten und das Leben als beständigen Kampf schilderten. «Ich mochte allmählich die Traktätchen (...) nicht mehr lesen. Gleichermassen erging es auch Schwester Katharine.» 110 Schliesslich entdeckten die beiden Geschichten von einem gewissen Christoph von Schmid und stürzten sich förmlich darauf. «Die Begebenheiten, welche hier erzählt wurden, wollten uns viel wahrscheinlicher vorkommen als diejenigen in den Traktätchen.» 111 Jakob Stutz schreibt: «Die Begebenheiten waren für ungebildete Leute so äusserst anziehend und wunderbar, die Sprache so lieblich gemütlich, einfach so schön und verständlich auch den Unbegabtesten. Alle die Bilder und Szenen stellten sich in meinem Geiste so lebhaft dar wie einst die Figuren in jenem Guckkasten». (...) «Bei Heinrich von Eichenfels zog mich vor allem die Einsiedelei des alten Vaters Meinrad an. (...) Ich redete während der Arbeit mit Schwester Kathrine fast immer nur von Meinrads lieblicher Hütte, dem schö-


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nen Gärtchen, der kleinen Quelle aus dem braunen Felsen und so weiter. O der seligen Stunden, die wir so zusammen verbrachten und wonnetrunken in eine heitere Zukunft hinausschauten, von der wir nur ein bescheidenes Glück verlangten, wie gerne denke ich an sie zurück!» 112 Es lohnt sich, einen kurzen Augenblick bei diesem Autor Christoph von Schmid zu verweilen. Er lebte vom 15. August 1768 bis zum 3. September 1854. Geboren wurde er in Dinkelsbühl und gestorben ist er in Augsburg. Schmid war katholischer Priester

von Schmid, Christoph. (ca. 1910. Erstausgabe um 1830). Die Ostereier. Die Waldkapelle. Das Vogelnestchen. 15.0 x 21.7 x 0.5 cm. Inv.Nr. B 738. Ortsmuseum Wängi.

und als solcher Domcapitular im Königreich Bayern. Daneben betätigte er sich als Jugendbuchautor. Er war ein ausgesprochen produktiver Schreiber. Seine Geschichten fanden über Jahrzehnte eine treue Leserschaft und erreichten hohe Auflagezahlen. Wir werfen kurz einen Blick auf eine seiner unzähligen Geschichten mit dem Titel «Wie Heinrich von Eichenfels zur Erkenntnis Gottes kam». Rasch lassen sich Muster und Botschaft der Erzählung erkennen. Offensichtlich haben Jakob und Katharina beides auch verinnerlicht. Der junge Knabe Heinrich wird von Räubern geraubt und in ihre Höhle verschleppt. Die Mutter ist verzweifelt. Sie tröstet sich im Gebet: «Gib mir die Gnade, diesen Verlust zu ertragen! Obwohl Bosheit der Menschen uns den kleinen Engel geraubt hat, so liessest du es doch zu. Du fügtest es so; Dir will ich mein Kind mit vertrauendem, wiewohl blutendem Herzen von Schmid, Christoph. (ca. 1830). Wie Heinrich von Eichenfels zur Erkenntnis Gottes kam. 10.8 x 15.7 x 2.3 cm. Inv.Nr. B 737. Ortsmuseum Wängi. Eines der prägendsten Bücher im Laufe der literarischen Sozialisation von Katharina Stutz (spätere Berkmüller).

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zum Opfer bringen. Ich weiss es gewiss, auch dieser Schmerz wird mir unter deiner Leitung ein Mahl zum Heile sein (...) Mein Kind ist zwar meinen Armen entrissen, aber deiner Hand kann es nicht entzogen werden.» 113 Das Kind wächst in der Höhle der Räuber auf und hat keine Ahnung von der Welt draussen. Es hält die Höhle für die Welt. Es bleibt in seiner Entwicklung zurück. Bevor wir mit der Geschichte weiterfahren, drängt sich ein kleiner Einschub auf. Katharina Berkmüller ist vom Schicksal des kleinen Heinrich offensichtlich be-

Lithographie «Kaspar Hauser mit einem Brief» nach einer Federzeichnung von Johann Georg Laminit (1775 – 1848). 19.1 x 28.5 cm. Ohne Signatur und Datierung. Inv.Nr. B 510.D09. Ortsmuseum Wängi.

rührt. Der Knabe, der nichts von der Welt ahnt und diese nach seiner Flucht aus der Höhle staunend entdeckt, hat es ihr angetan. Im schon mehrfach erwähnten Schutt im Estrichboden ihres späteren Hauses in Wängi ist nämlich eine Lithographie zum Vorschein gekommen, welche sich bislang in keinen Zusammenhang bringen liess. Darauf abgebildet ist Kaspar Hauser. Dieser lebte 1812 bis 1833; also genau zur Zeit, da die Geschwister Stutz die Geschichte von Heinrich von Eichenfeld gelesen haben mochten. Das Schicksal dieses jungen Mannes aus Ansbach, über dessen Herkunft bis heute gerätselt wird, hat damals breite Schichten der Bevölkerung tief berührt und weitherum Aufsehen erregt. Kaspar Hauser war als Kind jahrelang in einem Schweinekoben eingesperrt und wuchs ohne Bezug zur Aussenwelt auf. Er konnte kaum sprechen und fand sich in der neuen Welt nie zurecht. Wenige Jahre später starb er an Stichwunden. Die Parallelen zwischen Heinrich von Eichenfels und Kaspar Hauser sind offensichtlich. Auf alle Fälle hat Katharina Berkmüller diese Lithographie ein Leben lang aufbewahrt. Sie wird sie an ihre Lektüre erinnert haben. Vielleicht hat Kaspar Hausers Schicksal die Geschichte des Heinrich von Eichenfels wahrer erscheinen lassen. Anders als bei Kaspar Hauser wendet sich Schmids Geschichte von Heinrich von Eichenfels allerdings zum Guten. Dem Knaben gelingt die Flucht aus der geschlossenen Räuberwelt. Ehrfürchtig staunend steht er in der Sonne vor Gottes Schöpfung. Ein Geisshirte bringt ihn zu einem Eremiten in eine einfache Klausnerhütte. Dieser nimmt den «weltfremden» Knaben auf und erklärt


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ihm die Welt ausserhalb der Höhle. Letztlich findet er auch die Eltern des Knaben. Die Familie ist wieder vereint. Die Geschichte folgt demselben Muster, welches wir nun schon zu wiederholten Malen angetroffen haben und das für Katharinas Literaturverständnis und ihre Weltsicht prägend geworden ist: Der frühe Verlust der Eltern. Der Selbsttrost und der unerschütterliche Glaube an Gottes Geschicke. Die Ehrfurcht vor der Schöpfung. Die Einsiedelei oder die Klausnerhütte. 114 Die Wende zum Guten. Und am Schluss die Moral von der Geschicht: «Sich auf die bessre Welt vorbereiten, ist das Beste, was wir in dieser Welt thun können». 115 Christoph von Schmid war als katholischer Theologe selbstverständlich auch vertraut mit Heiligenlegenden. Die Protagonisten dieser Legenden galten als sittliche Vorbilder für eine makellose christliche Lebensweise. Sie hielten an zur Verehrung der Schöpfung und sollten bewusst machen, dass über jedem Schicksal ein jederzeit gnadenvoller Gott wacht.

Auch Legenden folgen einem festgelegten Erzählschema, dem sogenannten hagiographischen Topos. An Christoph von Schmids Geschichte «Die Waldkapelle» 116 lässt sich sehr schön zeigen, wie dieses Schema verläuft. Zunächst werden Kindheit und Jugend geschildert. Beide Kinder führen ein frommes Leben. Eine tiefe Geschwisterliebe verbindet sie. Dann folgen Irrungen und Verwerfungen des Lebens. Hier in unserem Fall der frühe Verlust der Eltern und die Trennung von der Schwester, beziehungsweise vom Bruder. Beide irren als heimatlose Waisen durch die Fremde. Sie meistern die irdischen Prüfungen mit ihrem tugendhaften und gottesfürchtigen Lebenswandel. Nie verlieren sie ihren kindlichen Glauben und ihre Dankbarkeit ihren vermissten Eltern gegenüber. Sie beherzigen, was diese ihnen einst geraten haben. Die Geschichte nimmt eine Wende zum Guten. Schwester und Bruder finden sich. In einer Waldkapelle. Das Schicksal hat sie wieder zusammengeführt. «So aber geht es immer; durch Leiden führt Gott zu Freuden.» Am Schluss folgt gemäss

Verzierung des Anfangsbuchstabens «K» der Geschichte «Die Waldkapelle». Schon bevor man die erste Zeile gelesen hat, macht einem die kleine Zeichnung die Botschaft der Geschichte klar. Etwa im Sinne von «Sei fromm und demütig».

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dem Legendenschema in aller Regel ein Epilog oder ein Gebet. An der Stelle, wo es im Märchen heisst: «Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch» lautet der Schluss in unserer Geschichte von der Waldkapelle: «Bei Eintracht, Fleiss und Frömmigkeit / Wohnt himmlische Zufriedenheit.» Dieses Legendenschema, von welchem bei Christoph von Schmid zahlreiche weitere Beispiele zu finden wären, finden wir – wenn auch oft in leicht abgewandelter Form – ebenfalls in Katharinas Gedichten. 117 Zu Beginn treffen irgendwelche Sorgen, Nöte oder Schicksalsschläge ein, welche dann in der Folge mit Tugend und Bescheidenheit, Gottesfurcht und Vertrauen gemeistert werden. Am Schluss folgen die Verheissungen eines besseren Lebens im Himmel als Lohn für den demütigen und gottesfürchtigen Lebenswandel. Katharina hat sich dieses Erzählmuster und die moralische Botschaft dieser Art Volksliteratur – vermutlich unbewusst – zu eigen gemacht und bis an ihr Ende in ihrem literarischen Werk gepflegt. Lesen war also Katharina seit ihren Kinder- und Jugendjahren ein leidenschaftliches Bedürfnis. Nicht nur, dass sie einfach las, was an Literatur eben erreichbar war. Sie setzte sich zusammen mit ihrem Bruder auch mit dem Inhalt auseinander. Man kann ohne Übertreibung von einer Phase der literarischen und weltanschaulichen Prägung sprechen. Ihr Bruder Jakob hält denn auch fest, dass er und seine Schwester in ihren Jugendjahren von den Geschichten des Christoph von Schmid tief ergriffen waren. «Christof Schmid lehrte uns so einfach und heiter in die schöne Gotteswelt hineinschauen, lehrte durch so anmutige Beispiele,

Gott und Christentum und alle Menschen lieb haben, die Sünde scheuen, zeigte, wie man auch bei wenigem unterm niedrigen Strohdach zufrieden und vergnüglich leben könne. (...) O das alles gefiel mir überaus wohl.» 118 Zwei Dinge sind zum Schluss noch einer Erwähnung wert: In der Geschichte «Die Waldkapelle» mit den beiden Geschwistern trägt der Bruder den Namen Konrad und seine jüngere Schwester heisst Luise. Wir erinnern uns: Die Tochter von Katharina und Alphons Berkmüller hiess Louise und der erstgeborene Knabe, welcher gleich nach der Geburt wieder verstarb, trug den Namen Conrad. Zufall? Fügung? Absicht? In der erwähnten Ausgabe des Kinderbüchleins von ca. 1910 ist die Waldkapelle in einem Stich abgebildet: Es ist die Tellskapelle am Vierwaldstättersee. Wie der Illustrator E. Klein aus Stuttgart 1889 ausgerechnet auf dieses Vorbild kam, entzieht sich unserer Kenntnis. Allerdings wissen wir, dass die Tellskapelle zur Zeit des aufkommenden Tourismus in der Mitte des 19. Jahrhunderts und der gleichzeitigen vaterländischen Mythologisierung (vermeintlich) historischer Orte ein weit verbreitetes Sujet war. Wenigstens nach der historischen Erzählung hat sich schliesslich genau hier Wilhelm Tell mit einem gewaltigen Sprung auf einen Felsvorsprung aus den Klauen seiner habsburgischen Häscher befreit! In dieser Zeit müssen Jakob und Katharina begonnen haben, selbst eigene Gedichte zu verfassen. Vor allem Katharinas erste Versuche sind unverkennbar geprägt von ihrer Lektüre und den Gesprächen mit ihrem älteren Bruder. Es entstand in kurzer Zeit jene


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bereits erwähnte ansehnliche Sammlung von Gedichten, welche im Ortsmuseum Pfäffikon erhalten geblieben ist.

Vom Lesen zum Schreiben Katharinas erster und grosser Förderer war ihr Bruder Jakob. Ohne ihn hätte sie – wie viele andere ihrer Zeit, welche als Waisenkinder ein hartes Leben zu meistern hatten – den Zugang zur Literatur kaum gefunden. Sie hingegen schaffte den Schritt vom Lesen zum Schreiben, immer beobachtet und begleitet von ihrem Bruder.

von Schmid, Christoph. (1919. Erstausgabe ca. 1830). Stich der Waldkapelle aus dem Büchlein «Die Ostereier». 5.5 x 7.0 cm. Inv.Nr. B 738. Ortsmuseum Wängi.

«Und als sie einmal den Friedhof in Hittnau besuchte, sinnend am Grab der lieben Mutter stand, da Massliebchen und Schlüsselblumen pflückte, wurde alsbald ein poetisches Gefühl in ihr wach, so dass sie an demselben Tage noch mehrere Verse auf diesen Anlass niederschrieb. Sie genoss in der Zeit den nämlichen, mangelhaften Schulunterricht, wie einst ich, aber da sie Anlass hatte, bessere Schriften zu lesen, wie ganz anders waren ihre ersten Verse als die Meinigen. ( … ) Hierüber hatte ich noch grössere Freude als sie, meinte Wunder, so etwas sei von einem Mädchen noch nie gehört worHendrik Johannes Knip. (1819 – 1899). Die Tellskapelle am Vierwaldstätter See bei Luzern. Ausschnitt aus einem möglichen Vorbild für den Stich in Christoph von Schmids Büchlein «Die Ostereier». Das Kopieren fremder Vorlagen war damals weit verbreitet.

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den und hätte das Lied gleich dem Druck übergeben mögen.» 119 Das folgende Gedicht verfasste Katharina Stutz nach ihrem Besuch am Grab ihrer Eltern in Hittnau. Ihr Bruder beobachtete sie dabei und vermerkte die Szene in seinen Memoiren. Er war sehr angetan vom Gedicht seiner damals kaum 14jährigen Schwester.

Erste Veröffentlichung Die beiden Geschwister lasen oder sangen sich gewiss ihre Gedichte gegenseitig vor. Auf alle Fälle kannte Jakob das entstehende Werk seiner jüngeren Schwester bestens. Er berichtet später in seinem Buch «Sieben mal sieben Jahre» eine rührende Begebenheit. Es geht dabei um die erste Publikation aus dem Jahre 1830 von Gedichten aus der Feder der jungen Katharina. Ihr Bruder schreibt:

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Stutz, Katharina. (1835). Dichtungen. S. 4 – 5. Inv.Nr. B 80. Ortsmuseum Wängi.


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«Ich besorgte ganz im stillen eine kleine Sammlung Lieder von Katharine zum Drucke, welche Herr Bürkli verlegte. An meinem Namenstag besuchte ich Schwester Katharine, welche damals in Pfäffikon wohnte. ( … ) Ich hatte ein Exemplar ihrer Lieder nebst dem Honorar in der Tasche. ( … ) Ich langte in die Tasche und reichte ihr (nämlich von dem Honorar) zwei Vierbätzner. Aber sie wollte sie durchaus nicht annehmen. Ich sagte, sie müsse es nehmen, oder ich gebe ihr noch zwei, und gleich schob ich ihr wieder zwei Böcke hin. ‹Um Gottes willen hör auf,› rief sie, ‹du musst mir mein Geschenk nicht bezahlen.» ‹Für den grüsligen Lärm,› sagte ich, ‹hast Du da noch einen Franken, da einen Zürigulde, da en halbe Taler und noch einen Taler, hier en Chronetaler, da wieder ein Bock, da vier Schilling und hier wieder en Taler und noch einen Taler und dies Büchlein ‹därzue, kannst’s lesen›. Nein, ich könnte den Jubel, den Lärm von allen Seiten, die Überraschung nicht beschreiben. Und als Katharine in dem Büchlein ihre Lieder fand, ( … ) geriet sie vor Freude und wieder vor Angst, dass ich ihre Verse der Öffentlichkeit übergeben habe, fast ausser sich. O, das war ein glückseliger Abend! Und wie viele glückliche Tage brachte er der Schwester; denn sie hatte die edlern Freuden dieses Lebens kennen und lieben gelernt.» 120 In dieser ersten Auflage war übrigens der Name der Verfasserin nicht vermerkt. Die Gedichte erschienen anonym. 1835 erfolgte dann eine «zweite vermehrte Ausgabe». Diesmal mit dem Namen und gedruckt von der «Schulthess’schen Buchhandlung» in Zürich. Darin enthalten sind gut 60 Gedichte auf 94 Seiten. Wir erinnern uns an die weiter oben abgebildete Titelseite: «Dichtungen

von Katharina Stutz. Herausgegeben vom Verfasser der Gemälde aus dem Volksleben.» Dieser «Herausgeber der Gemälde aus dem Volksleben» aber war niemand anderer als ihr Bruder Jakob! Im Vorwort heisst es: «Schon seit geraumer Zeit sind die erste und zweite Sammlung dieser Dichtungen gänzlich vergriffen. Vielseitiges Verlangen nach denselben veranlassen den Herausgeber zu einer zweiten vermehrten Auflage. Dass die kunstlosen Töne des einfachen Landmädchens in gleichgesinnten Gemüthern Anklang finden, beweist vorstehendes Gedicht der Verfasserin. Möge auch diese Sammlung freundliche Aufnahme finden und nachsichtig berurtheilt werden.» 121 Im erwähnten Gedicht der Verfasserin «Esp.» preist diese dann den edlen und zum Herzen dringenden Sinn der Dichterin. Sie schliesst mit den Zeilen «Drum sollst du, Säng’rin, noch ins Leben / Manch freundlich schönes Bild uns weben.» 122 Es blieb in der Folge bei dieser ersten Veröffentlichung. Alle späteren Gedichte haben als Handschriften überlebt.

Fortsetzung in Wängi Aus Katharinas Zeit in Wängi sind verschiedene Texte erhalten. Das bereits erwähnte ledergebundene Gedichtbändchen mit dem Titel «Zum Andenken der lieben Tochter Louise von ihrer lieben Mutter» enthält auf 130 Seiten insgesamt 71 handgeschriebene Gedichte. Eine zuverlässige Datierung dieses Büchleins ist nicht ganz einfach. Katharina Berkmüller starb 1879. Die Gedichte sind eine ausgewählte Samm-

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lung und offenbar über Jahrzehnte hinweg entstanden. Hat sie nun diese Gedichte angesichts des nahenden Todes aufgeschrieben und sie gewissermassen als ihr literarisches Vermächtnis ihrer Tochter Louise übergeben? Dann müsste das Bändchen auf etwa 1875 angesetzt werden. Aber war Katharina Berkmüller im hohen Alter noch in der Lage, ein solch umfangreiches Bändchen niederzuschreiben? Ihre Handschrift wirkt auf alle Fälle bis zur letzten Seite sicher und gepflegt. Einige wenige der Gedichte sind datiert, das älteste auf 1836 und das jüngste auf 1847. Demnach könnte das Bändchen bereits um 1850 geschrieben worden sein. Keines der Gedichte nimmt abgesehen von ein paar persönlich gewidmeten Versen auf ein historisch datierbares Ereignis Bezug, was ebenfalls eine genauere Datierung erschwert. Wir legen daher den Zeitrahmen der Niederschrift auf «zwischen 1850 bis 1870» fest. Dann haben einige lose Falt- und andere Blätter mit einer ganzen Reihe von Gedichten zu Bibel- oder Predigtzitaten die Jahre ebenfalls überdauert. Im Weiteren liegt noch eine mit der Schreibmaschine abgetippte Abschrift eines Gedichtes «Kirchturm Wängi» vor. Das Gedicht stammt ursprünglich von Katharina Berkmüller, die Abschrift erfolgte mit Sicherheit erst später. Die Schreibmaschine könnte auf die Familie Walder hinweisen. Aus dem Jahre 1858 stammt eine leicht beschädigte Gratulationsschrift. Mit diesen Werken lassen sich Katharina Berkmüllers Jahre in Wängi einigermassen abdecken. Sie hat Zeit ihres Lebens Gedichte verfasst.

Wir werden in der Folge auf manche dieser Werke einzeln noch näher eingehen. Dabei interessiert uns nicht nur das literarische Werk als solches, sondern immer auch die Frage, was für ein Mensch Katharina Berkmüller war und was für ein Leben sie mit oder neben ihrem wohl bekannteren Gatten Alphons führte. Sehr aufschlussreich waren dabei bereits die Briefe und Rechnungen, welche 1980 zum Vorschein kamen. Sie liefern vor allem Hinweise auf den Berkmüllerschen Alltag. Zum literarischen Wirken Katharinas haben sie keinen Bezug.

Ihre hauptsächlichen Themen In einem Aufsatz über die in Pfäffikon erhalten gebliebenen Gedichte unterscheidet die Winterthurer Historikerin Heidi WitzigSchäppi insgesamt drei Themenkreise. Da sind zunächst jene Texte, welche der «Beziehungspflege mit Verwandten und Bekannten» dienen. Auch das Verfassen von Sonntagsbriefen, Gratulationsversen zu Taufen, Namenstagen, Hochzeiten oder Todestagen gehörte traditionellerweise zur Rolle und zu den Aufgabe der Frauen des 19. Jahrhunderts. 123 In der Chronikstube in Pfäffikon ist ein Büchlein mit Gedichten von Katharina aus den Jahren 1822 – 1827 erhalten. Manche dieser Gedichte sind Beispiele für diese Beziehungspflege in Gedichtform: «Einer Freundin auf ihren Nahmenstag», «Auf den Nahmenstag meines l. Bruders», «Einer kranken Freundin», «An meine kranke Schwester», «Einer armen Freundin» usw. 124 Ab und zu schreibt Katharina ein erhaltenes Gedicht ab und setzt dann ihre


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Antwort daneben. Das erlaubt uns einen kleinen Einblick in einen Dialog zwischen zwei Freundinnen. 125 Von der blinden A:S: Freundin hör dir will ich sagen Wie sich meine Seele quällt Ach bereits muss ich verzagen Dass mir die Gesundheit fehlt. O wie gerne würd ich sterben Denn ich wünsche mich ins Grab. Könnte ich den Himmel erben Wer ich alle Plagen ab. (…) Erwiderung Freundin ach verzage nicht. Höre was dies Liedchen spricht Leide doch gelassen. Denk was Gottes Hand dir thut Komme deiner Selle gut Sie wird dich nicht verlassen. Scheint dir alles trüb und leer Siehst du keine Hoffnung mehr Für der Erdenfreuden Denk an den der droben wohnt Der dich einstens herrlich lohnt Für dieses schwere Leiden. (…) Einen zweiten Themenkreis nennt Heidi Witzig-Schäppi die «Selbstver­­gewisserung der Frauen als Persönlichkeit». Aspekte wie (Selbst-)Beruhigung und Zufriedenheit boten die Möglichkeit, das eigene Schicksal als gottgewollt zu verstehen und mit Geduld und Freude durchs Leben zu gehen. 126

Das «Erlebnis der Natur, insbesondere der Jahreszeiten» bildet einen dritten Kreis im literarischen Schaffen von Katharina. 127 Auch die meisten der im Ortsmuseum Wängi erhaltenen Gedichte lassen sich diesen drei Themenkreisen zuordnen. Wir wählen hier für unseren Überblick einen etwas anderen Ansatz und fragen nicht nur, wie sich die Gedichte ordnen lassen. In unserem Zusammenhang ebenso wichtig ist eine zweite Frage «Wer war Katharina Berkmüller?» Unter Einbezug der im Jahre 2001 Witzig-Schäppi noch unbekannten Gedichte im Ortsmuseum Wängi drängen sich daher zwei weitere Kategorien auf: «Umgang und Verarbeitung von Leid» und «Gestaltung von Übergängen». Auch wenn sich dann bei einzelnen Gedichten die Zuweisungen als nicht ganz eindeutig erweisen und sich Überlagerungen mit andern Kategorien ergeben, so dienen die beiden zusätzlichen Kategorien doch dem besseren Verständnis von Katharinas Gesamtwerk.

Beziehungspflege Zwar existieren im Ortsmuseum Wängi keine Briefe von Katharina Berkmüller. Doch es ist anzunehmen, dass sie auch während ihrer Wängemer Zeit den brieflichen Kontakt zu Verwandten und Bekannten eifrig gepflegt hat. Eine Beziehung steht gegenüber allen anderen im Vordergrund: jene zu ihrem Bruder Jakob. Wir erinnern uns: Hermann Walder hält in seinen Erinnerungen fest, dass «die Berkmüllers wegen gewisser bekannter Vorkommnisse» kaum mehr Beziehungen zu ihren Verwandten, insbesondere zum Volksdichter Jakob Stutz pflegten. Her-

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mann Walder nimmt Bezug auf pädophile Verfehlungen des Lehrers Jakob Stutz. 128 Wie Katharina damit umgegangen ist, können wir nur erahnen. Es muss für sie eine ständige Spannung gewesen sein zwischen der Liebe zu ihrem Bruder und ihren eigenen moralischen Überzeugungen. Dazu kommen Reaktionen aus dem Umfeld, welche eher ungnädig gewesen sein dürften. In ihrem Gedichtband für ihre Tochter Louise findet sich denn auch an mehreren Stellen das Thema der Verleumdung. So spricht sie etwa vom «Zahn der Verleumdung» und vom «Schmerz», welchen ihr das diesbezügliche Gerede bereiteten. Zwar wird sie nie konkret und niemals

nennt sie Namen. Die Gedichte zeigen indessen, wie sie mit dieser Situation zu ringen hatte. Trost in Verläumdung. Trifft dich der Verläumdung Zahn, Fange sacht zu forschen an; Findst dich frei von aller Schuld, O dann trag es mit Geduld! Dein Gewissen gut und rein Muss dir ja viel teurer sein Als ein Lob der Schmeichelei, Wär es nicht so gut und treu. Denk, die böse Zunge sticht selten einen Bösewicht. Nur wer lebt wie sich’s gebührt, Stets von ihr verleumdet wird. 129

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. Trost in Verläumdung. Ausschnitt. S. 70.


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Noch etwas zum Thema der Verleumdungen: Im Jahre 1856 weilte Jakob Stutz in der Zeit vom 1. bis 14. März sowie vom 30. April bis zum 27. Mai bei seiner Schwester in Wängi zu Besuch. An eben diesem 27. Mai sprach das Bezirksgericht Pfäffikon gegen Jakob Stutz eine bedingte Gefängnisstrafe aus, welche hernach in drei Jahre Kantonsverweis umgewandelt wurde. Auch wenn konkrete Anhaltspunkte fehlen, ist ein Zusammenhang zwischen Jakobs Besuchen in Wängi und dem Gedicht über die Verleumdungen denkbar. Seine wohl auch hierzulande bekannt gewordene Straffälligkeit führte zu bösen Kommentaren und üblen Nachreden. Diese hat dann Katharina in ihren Gedichten verarbeitet. Unter all den erhalten gebliebenen Gedichten finden sich zahlreiche mit persönlichen Widmungen. Im gedruckt erschienenen Bändchen aus dem Jahre 1835 sind dies unter anderen folgende Titel: «Bei der Wiege des jüngsten Kindes meiner seligen Schwester», «An Karl», «Meiner ältesten Schwester», «An meine Schwestern in St...» (vermutlich Sternenberg) oder «Am Grabe meiner Schwester». Nicht selten nennt sie lediglich Initialen. Wir wissen daher oft nicht, an wen sich nun die Widmung richtet. «Antwort auf die Klage meiner blinden Freundin A.H … », oder «Ein Sträusschen auf den Namenstag der Jungfrau N.M.» Besonders eindrücklich ist eine Folge von namentlich adressierten Gedichten an einen früh verstorbenen Knaben namens Karl. Wer dieser Karl war, ist unklar. Das Gedicht wurde 1835, also vor ihrer Ehe mit Alphons Berkmüller, veröffentlicht. Unter Katharinas Brüdern hiess keiner Karl. Viel-

leicht hat sie nach dem frühen Tode ihrer Eltern als Pflegekind bei ihrer Schwester einen Buben (Neffen) betreut. Aus Platzgründen werden die Gedichte hier lediglich auszugsweise aufgeführt. An Karl Sei still, mein Karl, und weine nicht, Bleib du ein gutes Kind! Hab’ ich die Arbeit hier verricht, So komme ich geschwind, Und trage dich dann her und hin, Zeig manches Schöne dir; Das Gärtchen und die Blumen drin; Zum Bächlein gehen wir. Sei still, füll’ deine Äuglein nicht Sobald mit Tränen an, Da noch so wenig dir gebricht, Auf deiner Lebensbahn. Sei still, die Tränen warten schon In spätern Zeiten dir, Wann du, dem Jugendtraum entfloh’n Erkennst das Leben hier. Bei Karls erstem Gehen Lieber Gott! Wie stärktest du Dieses Kleinen Glieder! Erst so schwach noch, und jetzt geht Er dort auf und nieder. Erst am Krankenbettchen noch Musst’ ich seiner pflegen, Wo er schwach und schmerzensvoll Jahre lang gelegen.

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Guter Gott! und doch zuletzt Sendest du auf Leiden, Wenn es oft schon lange währt, Uns auch wieder Freuden. Welche Wonne mich durchzückt, Seh’ ich jetzt den Kleinen Seiner neuen Kunst sich freun! O, ich möchte weinen.

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An Karls Grabe Wie süss schläft nun mein Kindlein hier! Mein lieber Karl, wie wohl ist dir! Denn dornenvoll war deine Bahn, Von deinem ersten Tage an. Nur wenig Jahre warst du hier, Und tausend Leiden folgten dir. Nun immer frei von Pein, Hüllt dich ein kühles Bettlein ein; Geschmückt mit einem sanften Grün, Mit Blümchen, die so freundlich blühn. Doch manche Träne weinen wir, Geliebtes Kind! noch oft nach dir, Bis wir ob jenen lichten Höh’n Dich froh und selig wieder sehn. 130 Wie gross der Bekanntenkreis von Katharina Berkmüller vor allem im thurgauischen Wängi war, wissen wir nicht. Zwar sind durchaus einige gewidmete Gedichte und eine Gratulationsschrift erhalten geblieben. Aufschluss über die Grösse des Bekannten- oder Freundeskreises vermögen sie indessen nicht zu geben. Auf alle Fälle kommt Katharina in verschiedenen Gedichten auf ihre Einsamkeit zu sprechen:

Kann ich auch wenig Freunde zählen, So kann ich doch zufrieden sein. 131 Die Mutter muss so oft allein Mit ihrem Kind zu Hause sein. 132 Was ich oft in den stillen Stunden In meiner Einsamkeit empfunden. 133 Eine Widmung der ganz besonderen Art stellt das Gedicht an eine gewisse Barbara Höpli dar. Die ersten Buchstaben aller Zeilen ergeben den Namen der Empfängerin. Höpli ist ein Wängemer Geschlecht. Zum Abschied B. H. Bleibe fromm auf allen deinen Wegen, All dein Tun sieht ja der Vater dort; Reicht dir seine Vaterhand entgegen, Bietet Rat und Trost dir fort und fort. Aber ernstlich musst du dich bestreben, Recht zu handeln ihm getreu zu sein, Als sein Kind getrost dich ihm ergeben, Herz und Seele ihm allein nur weihn. Öffne nie dein Herz den eitlen Trieben, Pracht und Hoffahrt bleibe fern von dir, Lebst du wie ich dir hier vorgeschrieben, Ia dann lebst du glücklich für und für. 134 Zum Schluss dieses Themenkreises der Beziehungspflege noch ein Gedicht, in welchem Katharina Berkmüller ihre bislang vorherrschende Ausgewogenheit und Zurückhaltung ablegt und sich in Zorn redet – oder besser schreibt. Schon die erste Zeile mit der direkten Anrede «Dörfchen!» vermittelt einen Eindruck über ihre innere Entschlossenheit und ihre Wut. Welches Dörfchen sie konkret meint, schreibt sie nicht. Allfällige Vermutungen sind spekulativ. Das Gedicht


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entstammt dem Bändchen «Dichtungen» von 1835. Es muss sich demnach um ein Zürcher Dorf handeln. Sie heiratete ja erst 1836 nach Wängi.

Leute, so ist’s! Könnt ihr’s leugnen? Ach ihr könnt nicht sagen Nein! Sollen euch die Tiere lehren Friedlich und vertragsam sein? 135

An ein Dörfchen Dörfchen! Dort am Wiesenhügel, Mit den Häuschen still und klein, Freundlich blickst du in die Ferne Durch der Bäume Fensterlein.

Selbstvergewisserung Katharina vergewissert sich in ihren Gedichten immer wieder ihrer eigenen Empfindungen und Stimmungen. Sie spricht gewissermassen zu sich und erinnert sich daran, dass trotz aller dunklen Wolken immer Hoffnung auf Glück und Frieden, auf Ruhe und Seligkeit besteht. Gerade in ihren Gedichten über die Bedeutung der Musik in ihrem Leben legt sie davon Zeugnis ab. Es ist aber ein anderes Thema, welches im Zusammenhang mit der Selbstvergewisserung ganz klar im Vordergrund steht: der Umgang mit der eigenen Mutterrolle. Wir

Alles lächelt Lust und Wonne Um dich her dem Wandrer zu;, Wer von ferne dich erblicket Glaubt, hier ist der Sitz der Ruh’. Aber, Dörfchen! ach von Aussen Glänzest du mit falschem Licht! Denn es ist dein heller Schimmer Flitter nur – nein Gold ist’s nicht. Ja dir fehlt, ich kann nicht schweigen, Dörfchen, wirst du zürnen mir? – Ach, das schönste Glück! Es fehlen – Friedliche Bewohner dir. Ob auch Vöglein lieblich singen, Fröhlich sind bei Lust und Scherz; Euch, ihr Dorfbewohner, plagen Neid und Bitterkeit das Herz. Wenn das Vieh so still und friedlich Geht auf frischer, grüner Weid, Quälen Nachbarn sich bei Hause, Wild erbost in Zank und Streit.

Berkmüller, Katharina. 1835. Gedicht «Muttertreue» aus dem Bändchen «Dichtungen». S. 22 – 23. Inv.Nr. B 80. Ortsmuseum Wängi.

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kennen bereits die Gedichte rund um ihre beiden verstorbenen Knaben. Im Gedicht «Muttertreue» spricht sie von der engen Bindung der Mutter zu ihrem heranwachsenden Kind; vom Weinen des Säuglings über die ersten Willensäusserungen bis zum «Kind voller Kraft». Auch das folgende Wiegenliedchen nimmt diese enge Bindung zwischen Mutter und Kleinkind auf. Neben den Mutterfreuden stehen die Mutterpflichten und zuletzt die Hoffnungen auf eine glückliche und gedeihliche Zukunft. Wiegenliedchen. Schlafe holder Knabe, Schlafe ruhig ein Welche Himmelsgabe Könnt mir teurer sein! Weich gebettet liege Hier mein Engelein, Und an deiner Wiege Wird die Mutter sein. Bin dir niemals ferne, Lieber Knabe du, Schaue ja so gerne Deinem Schlafen zu. Denke mir die Freuden, die du brachtest mir, Bete dass kein Leiden Nahe sich zu dir. Dass du wohl gedeihest, Werdest brav und gross, Dich der Tugend weisest Bis zum Grabes Schoss.

Deine Eltern liebest, wie ein gutes Kind, Sie ja nie betrübest, Die so gut dir sind. Dann, mein lieber Knabe wirst du glücklich sein, Und dich bis zum Grabe Deines Daseins freun. 136 Ein Umstand fällt bei all diesen Gedichten rund um die Mutterrolle besonders auf. Sie drehen sich ausnahmslos um das Kleinkindesalter. Es existiert kein einziges Gedicht mit einem Titel wie beispielsweise «Wünsche zum ersten Schultag» (Berkmüllers wohnten bekanntlich in einem Schulhaus), «Meiner Tochter zum 20. Geburtstag» oder «Ermunterungen an meine Tochter in ihrem Berufsalltag». Katharina bleibt in der Darstellung ihrer Mutterrolle innerhalb des traditionellen Topos «Mutter und Kind». Zu stark wirken die eingeprägten Bilder aus Literatur, Kunst und Religion, als dass sie diese Konvention zu sprengen vermöchte. Gerne hätten wir ihre Gedanken zu ihrer Rolle als Hausmutter oder Ehefrau erfahren. Oder wir hätten uns gewünscht, dass in ihren Gedichten auch einmal ihr Gatte als Vater auftaucht. Oder dass einmal von der ganzen Familie die Rede wäre. Zwar taucht der Begriff «Vater» in ihrem Gedichtbändchen 26 Mal auf. Aber es handelt sich immer um den Vater im Himmel. Wir rechnen das literarische Vermächtnis in Form eines Gedichtbändchens an ihre Tochter Louise ebenfalls zum Thema der Mutterrolle: Katharina übergibt ihr Erbe ihrer Tochter und tradiert damit ihre eige-


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nen weltanschaulichen Überzeugungen; immer verbunden mit der Erwartung, dass die Tochter einst so leben möge, wie die Mutter es sich erhofft. Die folgenden Strophen sagen dies deutlich: Auch deine Eltern zu erfreun Sollst immer du gehorsam sein; Für ihre Mühen und Beschwerden Des Alters Trost und Freude werden. Sollst für sie beten oft und gern, Zum guten Gott, zum lieben Herrn, Dass sie ein hohes Ziel erreichen, Im späten Alter erst erbleichen. 137 Insgesamt begegnet uns hier ein ausgesprochen familienbezogenes Selbstverständnis. 138 Allerdings finden sich neben dem dominanten Thema der Mutterrolle noch weitere eindrückliche Aspekte der Selbstvergewisserung. Und dies bereits in der ersten Ausgabe von 1835. Die Gedichte tragen etwa Titel wie: «Die Einsamkeit», «Wann ist’s mir wohl», «Sehnsucht», «Das zufriedene arme Landmädchen» oder «Abschied vom Dörfchen B...». Wobei gerade im letzten Titel wieder dieser Hauch von Heimweh spürbar wird, der ihr Leben in Wängi ständig begleitete. Ein Beispiel soll uns hier genügen. Es macht klar, wie stark Katharina Berkmüller Zeit ihres Lebens in ihrem Glauben zu Gott Trost fand und manchen Rückschlag mit Geduld und Gottvertrauen meisterte. Es galt, in Kummer und Leid auszuharren, immer in der unerschütterlichen Überzeugung, dass die Tugendhaften dereinst im Jenseits belohnt würden. 139

Ermunterung im Leiden Schon manche stille, sanfte Freude Ward mir aus Gottes Hand zu Teil! Sollt’ ich denn unzufrieden murren, Schickt er auch Leid zu meinem Heil? O nein! Ich will geduldig tragen, Nie ist die Hülfe Gottes fern. Ist’s dunkel auch in meiner Seele, Bald glänzt mir neu der Hoffnungsstern. Doch ach, wie wonnig und wie schmeichelnd stehn noch vor meinem trüben Blick Verlornes Glück, verlorne Freuden – Sie kehren nie zu mir zurück! Ihr finstern Wolken! Gram und Klagen, Die mein zerschlagnes Herz gebiert! O weichet doch aus meiner Seele, Mein Glaube ist: dass Gott mich führt. Er sendet wieder heitre Stunden Dem, der vertrauend auf ihn schaut; Drum blick, mein Geist! nach jenen Höhen; Du hast auf keinen Sand gebaut. Es wechselt Alles unterm Monde; Kein Glück hat bleibenden Bestand. Geduld, mein Herz! den Trost im Leiden Zeigt dir ein bessres Vaterland. 140 Manchmal lastet auf den Texten eine düstere Schwere. Nämlich immer dort, wo Katharina vom Tode spricht, welcher auch sie dereinst ereilen werde. Da schreibt sie dann etwa: «Bald werd’ auch ich von dieser Erde gehen, und dort die lieben Meinen wieder sehen». 141 Oder an anderer Stelle:

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Ich möchte auch von dieser Erde fort, Und wohnen in der bessern Heimat dort. Wie freu ich mich! Schnell eilt die Zeit dahin. Bald seh ich eine schöne Welt erblüh’n; Ich weiss, dass mich mein Heiland selig macht, Und sage bald mit Freuden gute Nacht. Wie könnte mir der Tod noch furchtbar sein? Er bringt ja Ruhe nur dem müd Gebein. Und meine Seele führt er himmelan, Wo ich mich dann auf ewig freuen kann. 142 92

Solche «Memento mori-Elemente» tauchen in manchen Gedichten auf und man fragt sich, wo wohl die Wurzeln dieser Gedanken liegen mögen. Ein Aspekt ihrer tiefen Gläubigkeit? Ein subjektives Versenken in philosophische Fragen? Eine Suche nach Trost in einem Leben nach dem Tode? Ein gewisser Hang zu Schwermut? Romantik? Todessehnsucht? Litt Katharina an ihrem Leben? Oder wusste sie einfach aus eigener Erfahrung, wie schnell und unerwartet ein Leben enden kann? Der allzu frühe Tod ihrer Eltern oder das Sterben ihrer beiden Knaben? Wir werden es kaum je erfahren. Auch die Frage, inwiefern Katharina Berkmüller mit dem Gedankengut des Pietismus vertraut war, bleibt offen. Die Betonung des individuellen, subjektiven Gotteserlebnisses, die erwähnten Memento mori-Gedanken erinnern durchaus an diese Reformbewegung innerhalb der reformierten Kirche. Ein weiteres Beispiel noch zu diesem Thema. Titel und erste Zeile preisen die schöne Natur. Doch dann dreht die Stim-

mung in ihr Gegenteil. Tränen, Qualen, Schmerzen und Pein wohin man blickt. Bis sie in der letzten Strophe einen Ausweg findet und die Anerkennung der eigenen Endlichkeit ihr schliesslich zum hoffnungsvollen Ausweg wird. Beim Anblick der schönen Natur. O Gott wie schön ist deine Welt! Und doch so Vieles das den Menschen quält, Die schöne herrliche Natur Erblickt das Auge oft durch Tränen nur. Wer kennt die Leiden ohne Zahl? Die mannigfachen Fragen überall? Wo wird auf Erden nicht geweint? Ach Tränen sind wohin die Sonne scheint. Da frägt ein Pilger laut warum? Ein Andrer denkt’s vor Schmerz und Wehmut stumm. Die schöne Welt so voller Pein? Doch, lieber Pilger, es kann nicht anders sein. Die Erde ohne Schmerz und Weh’n, Sie wäre für uns Menschen nur zu schön; Wir wünschten ewig hier zu sein, Und gingen schwerlich einst zum Himmel ein. 143 Während im obigen Beispiel noch ein bestimmtes Ereignis, nämlich der Anblick der schönen Natur, die Gedanken an ein dereinstiges Vergehen auslösen, ist es im folgenden Gedicht anders. Hier gründen die Todesgedanken in einer alltäglichen Routine. Man denkt beim Lesen unwillkürlich an einen klösterlichen Tagesplan, wo das Bewusstsein um die Endlichkeit des eigenen Lebens mit entsprechenden Exerzitien rituell gepflegt wird.


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Wenn ich mein Bett zurechte mache, Gedenk ich einer ernsten Sache, Wie einst der Totengräber mir Mein letztes Bett bereite hier. 144 Ein anderer Weg, mit den Gedanken an den Tod fertig zu werden, ist seine Verklärung als Tor zu einer Welt ohne jegliches Leiden und ohne Schmerzen. Aus Anerkennung der eigenen Endlichkeit wird Todessehnsucht: «Ach, ich möchte auch so ruhn!» Ist das nun tiefe Empfindsamkeit? Ist es der Versuch, sich selbst – schon fast autosuggestiv – zu trösten? Ist es Gottesglaube? Ist es Romantik, wo in der Literatur, in der Kunst und in der Musik mit dem Gedanken der Endlichkeit oder mit dem Tode gespielt wird? Oder ist das bereits depressiv? Hat das Schicksal Katharina Berkmüller zu hart zugesetzt? Wir stehen vor Rätseln. Uns bleibt, die Gedichte so zu respektieren, wie sie uns nach bald einmal zwei Jahrhunderten überliefert sind. Meinem lieben Nanni[?], auf den Tod seines teuren Bruders Wenn Geliebte von uns scheiden, Wenn nach langen schweren Leiden Sich ihr müdes Auge schliesst, Stehn wir da mit tiefen Schmerzen, Doch auf die verwundten Herzen Stiller Frieden niederfliesst. Sehn wir auf das stille bleiche Antlitz der geliebten Leiche Welche Ruhe schauen wir! Jeder Seufzer ist verklungen, Jeder Kampf ist ausgerungen, Friede nur schwebt über ihr.

Und wir können nicht mehr klagen, Jedes muss voll Sehnsucht sagen: Ach, ich möchte auch so ruhn! Hätt auch ich so überwunden, Und im Tode Ruh gefunden, O wie wohl, wie wohl wird’s tun! Nein, von ihrem reinsten Glücke Wünschen wir sie nicht zurück, Auf die trübe Erdenwelt. Nein wir alle wünschen lieber Uns zu ihnen dort hinüber, In die Heimat jener Welt. 145

Naturerlebnis und Jahreszeiten Auch zum dritten Themenkreis sind zahlreiche eindrückliche Beispiele erhalten. Gedichte zu Naturerlebnissen tragen unter anderem Titel wie: «Die Abendsonne», «Das Gewitter», «Der Bach», «Der lang ersehnte Regen», «Der Pfäffikersee am Abend», «An die Sonne nach langem Regen», «Das Veilchen», «Das Vergissmeinnicht» oder «Die Zeitlosen»; gemeint sind Herbstzeitlosen. Besonders zu erwähnen ist noch das Gedicht «Der Gukguk». Jahre später hat jemand die ersten Zeilen dieses Gedichtes vertont. Die Sopranstimme trägt Melodie und Text und wird untermalt von einer dreistimmigen, instrumentalen, Begleitung. In Frage kommen Klavier oder Gitarre. Wenn wir die Partitur etwas genauer betrachten, können wir uns lebhaft vorstellen, wie Katharina ihr selbst gedichtetes Lied singt und sich dabei auf der Gitarre begleitet. Dass ihr Gatte Alphons selbst der Komponist war, ist auf Grund von Handschriftvergleichen aber eher unwahrscheinlich.

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Handgeschriebenes Liedblatt «Der Gukguk». 24.8 x 20.4 cm. Ohne Datierung. Inv.Nr. B510.MH69. Ortsmuseum Wängi. Der Text ist dem Büchlein «Dichtungen» von Katharina Stutz entnommen. Der Komponist ist unbekannt.

Aus dem Kreis der Jahreszeitgedichte sind etwa «Herbstgedanken» oder «Der Frühlingsmorgen» zu erwähnen. Von den

ungefähr 30 Werken zu diesem Themenkreis folgt hier lediglich ein kleines Müsterchen:


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Der Frühlingsmorgen. Die Sonn bemalet wieder Die lächelnde Natur; Sie blickt so schön hernieder Auf Hügel, Berg und Flur.

Die Amsel lässt sich hören Mit ihrem Flötenklang; Dem lieben Gott zu Ehren Ertönet ihr Gesang. (…)

Es lächelt jede Blume In ihrer Farbenpracht, Zu ihres Schöpfers Ruhme, Zum Preise ihrer Macht.

Sei immer mir willkommen, Du freudenreicher Hain! Fühlt sich mein Herz beklommen Wünsch’ ich bei dir zu sein. 146

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kirche von Wängi von Süden her gesehen. Bleistift. 9.5 x 6.0 cm. Mit Signatur: «AB». Mit Datierung: «1869». BmKat. Nr. 50. Ortsmuseum Wängi. Darunter Sinnspruch vermutlich von Katharina Berkmüller: «Im Haus des Herrn – / da weil ich gern und lege betend Sorg’ und Schmerz / Getrost in Gottes Vaterherz.»


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Bereits weiter oben war kurz die Rede von Texten am Rande von Zeichnungen oder Aquarellen ihres Gatten Alphons. Es handelt sich um zwei- oder vierzeilige Reimsprüche oder Gedichtstrophen. Mit grosser

Wahrscheinlichkeit stammen die Texte von Katharina. Das können Reimsprüche mit wenigen Zeilen, wie etwa unter der Zeichnung «Kirche von Wängi» oder ganze Gedichte sein wie beim Aquarell «Kloster Tänikon». Historisch von Interesse ist vor allem Letzteres mit seinem neunstrophigen Gedicht. Darin nimmt vermutlich Katharina Berkmüller zum einen Bezug auf politische Vorgänge der Zeit und greift zum anderen persönliche Fragen betreffend unterschiedlicher Betroffenheiten auf.

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kloster Tänikon bei Aadorf TG. Fotografische Reproduktion. Aquarell über Bleistift. 38.7 x 30.0 cm. Mit Signatur: «AB». Mit Datierung: «1853». BmKat. Nr. 144. Privatbesitz. Darunter neunstrophiges Gedicht vermutlich von Katharina Berkmüller:


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Andenken bei dem Kloster Dänikon im December 1853 1. Hier in diesen stillen Räumen Manches Herz den Frieden fand, Der ihm unter eitlem Träumen Draussen in der Welt entschwand. 2. Manche Jungfrau ward geborgen Vor manch sündlicher Begier, Wie vor schweren Erdensorgen in der kleinen Zelle hier.

8. Und für dieses Klosters Mauern Gibt’s nun Prachtgebäude hier, Doch – wie lang auch diese dauern Sagt wohl keine Seele mir. 9. Denn so geht es fort hienieden, Stetes Wechseln jederzeit, Nur der reine Seelenfrieden dauert fort in Ewigkeit.

3. Einzig Christo nur verbunden Ihm als Braut hier eingeweiht, – Leben sie nur ihm die Stunden In der frommen Einsamkeit. 4. Welche innigen Gebete, Welch erhebender Gesang Tönte oft von dieser Stätte Und der Orgel Feierklang! 5. Doch – aus diesen lieben Mauern Musste fort die fromme Schaar, Ja, sie zog mit stillem Trauern Fort von hier auf immerdar! 6. Und verstummt sind die Gesänge Ihre Zellen öd und leer; Auch der Orgel Feierklänge Hört man wohl nur selten mehr. 7. Ja, die betenden Gesänge, Ihrer Stimmen Harmonie, Diese seelenvollen Klänge – Anderswo ertönen sie.

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Grenzstein mit Malteserkreuz. Fundort: Wängi. 37 x 24 x 19 cm. Inv.Nr. G 301. Ortsmuseum Wängi.


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Katharina Berkmüller nimmt Bezug auf die damalige Situation der Klöster. Diese wurden auf Grund der neuen Verfassung aufgehoben und säkularisiert. Gebäude und Ländereien wurden vom Staat in Beschlag genommen. Nicht nur in Tänikon, auch in der Kartause Ittingen, in Frauenfeld, in Kreuzlingen und in Münsterlingen. Unter die letzte Strophe setzt Katharina Berkmüller ein Malteserkreuz mit Flügeln. Die Malteser waren ein Kreuzritterorden. In der Komturei Tobel wohnte eine Malteser-Gemeinschaft. Der Orden besass Ländereien auch in Wängi. So sind in dessen Umgebung mehrere Marksteine mit dem Malteserkreuz gefunden worden. Sie befinden sich im Ortsmuseum. Was nun dieses Malteser-Kreuz unter der Zeichnung des Zisterzienserinnenklosters Tänikon zu tun hat, bleibt Katharinas Geheimnis. Im Zusammenhang mit diesem KlosterGedicht ist ein kleiner Einschub von Interesse: Wie bereits im Wängener Heft 6 zum Leben des Gatten Alphons Berkmüller erwähnt, war dieser mit Thomas Bornhauser, dem evangelischen Pfarrer und vehementen Kämpfer gegen den aristokratischen und für einen freiheitlich demokratischen Staat, wenn nicht befreundet so doch mindestens gut bekannt. Immerhin war er dessen Nachfolger als Leiter des Matzinger «Gesangsvereins am Immenberg». Im Ortsmuseum Wängi befinden sich auch einige Briefe oder Rundschreiben aus den 1830er Jahren von Bornhauser an Berkmüller. Es geht darin um organisatorische Fragen rund um kantonale Gesangsfeste. Dieser Thomas Bornhauser war 1831 Präsident des Thurgauer Verfassungsrates und zwei Jahre danach –

nach kurzem Unterbruch – erneut Mitglied des Grossen Rats des Kantons Thurgau. Dort bewirkte er 1835 die Aufhebung der thurgauischen Klöster; darunter auch Tänikon. 147 Wir erinnern uns an Katharinas Zeilen: «Und verstummt sind die Gesänge, ihre Zellen öd und leer». Haben Katharina mit ihrer Wehmut betreffend des Verlustes der Klöster und Alphons Berkmüller mit seinem befreundeten Klosterstürmer Thomas Bornhauser 148 am Familientisch darüber gestritten? Sind die poetischen Formulierungen ein Zeichen solidarischen Mitgefühls? Oder steht hinter den Zeilen eine politische Überzeugung, dass nämlich mit der Aufhebung der Klöster den Nonnen Unrecht geschehen sei?

Verarbeitung von Leid In ihren Leidgedichten verarbeitet Katharina Berkmüller ihre quälenden Gefühle wie Kummer, Sorgen, Schmerz, Krankheit, Heimatverlust, Kindstod, Hinschied von nahestehenden Menschen, Armut, Ungewissheit betreffend der eigenen Zukunft und Ungerechtigkeit. Die Leidgedichte folgen einem immer gleichen Topos: Zunächst beklagt Katharina, was sie im Moment bedrückt und weshalb sie gerade jetzt zur Feder greift. Doch schon nach den ersten paar Zeilen oder Strophen macht sie sich bewusst, dass nach durchlittenem Leid wieder bessere Zeiten kommen werden. In ihrer unbeirrbaren Gewissheit und in ihrem unerschütterlichem Vertrauen auf einen gütigen und verzeihenden Gott findet sie schliesslich Trost und innere Kraft. Zwar wirken die Gedichte in ihrer Gesamtheit ausgesprochen autosuggestiv. Bei Katharina Berkmüller ist


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dieser Selbsttrost indessen jederzeit echt und glaubwürdig. Das folgende Beispiel beginnt zunächst mit der Schilderung einer tief depressiven Stimmung, bis dann Zuversicht und Trost einkehren. Empfindungen in trüben Stunden Alles ist so dunkel um mich her, Und der Himmel wölkt sich immer mehr; Winde wehen schauerlich und kalt, Und es heult der Sturm im Tannenwald. Blumen welken, Blätter fallen ab, Sieh dort eines Jünglings frühes Grab; Unter jenem kalten Leichenstein Liegt nur Asche, moderndes Gebein. Was die Zeit gebar, das wird zerstört, Und kein Todter zu uns wiederkehrt; Alles Schöne seh’ ich schnell vergehn, Jede Erdenmacht, wie Staub, verwehn. Warum eilt denn Alles so zum Ziel? Ist des Guten, Schönen doch so viel! Auch der Freund, der’s redlich mit uns meint, Bleibt nur kurze Zeit mit uns vereint. Ach mir tönt wie Klage jeder Laut, Macht mich mit dem Leben so vertraut. Gib zufrieden dich, mein armes Herz, droben wird dir Ruh’ für jeden Schmerz. 149 Weitere Leid-Themen – neben den bereits genannten – sind der bescheidene Lebensstil, das Altern oder Krankheit. Dabei kommt es nicht einmal so sehr darauf an, ob eine eigene oder die Krankheit der Kinder oder des Gatten Sorgen bereiten. Auch die

Beschwerden von Freunden und Bekannten drücken auf die Stimmung. Oft machen wohl der Krankheit Schmerzen Das Leben mir ein wenig schwer. 150 Oder an anderer Stelle: Gottlob ich kann die Betten machen, Kann ordnen alle meine Sachen, Und aus der Kammer gehn! Kann froh den neuen Morgen sehen, Muss nicht am Krankenbette stehen, Wie es so oft geschehn. So will ich mich am guten Tage, den du mir schenkst, befreit von Plage, Mich deiner Huld erfreun. Und kommt, was mir jetzt noch verborgen, Ein dunkler Tag voll banger Sorgen, Lass mich nicht mutlos sein! 151 Der Begriff der Armut taucht zwar nirgends auf. Aber es gibt verschiedene Stellen, wo Katharina den bescheidenen Lebensstil anspricht. Dem Mangel an weltlichen Gütern (kein Reichtum, keine Güter, kein eigenes Haus) stellt sie geistige Werte (Zufriedenheit trotz allem, Zuversicht, Gottvertrauen) entgegen. Aufschlussreich ist die letzte Zeile «Ist’s doch kein selbst geschaffnes Leid». Die Bescheidenheit des eigenen Leben wird als Gottes Entschluss verstanden und mit Demut hingenommen. Mit meinem Los bin ich zufrieden Und danke meinem Gott dafür; Ob er auch wenig mir beschieden, Dünkt’s doch ein grosser Reichtum mir.

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Hab ich gleich weder Feld noch Auen, Und schützt mich nur ein fremdes Dach, So kann ich doch auf Gott vertrauen, Und häng nicht eiteln Wünschen nach. Und wo ich wohne mit den Meinen, Wohnt Liebe und Zufriedenheit, Und muss mein Aug auch manchmal weinen, Ist’s doch kein selbst geschaffnes Leid. 152

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Ein letztes Beispiel im Rahmen dieser Leid-Gedichte stellt den Versuch dar, mit dem eigenen Älterwerden und seinen unvermeidlichen Schicksalsschlägen klarzukommen. Der Grossmutter Heimweh Die Welt sie dünkt mich nimmermehr so schön Wie ich sie einst als kleines Kind gesehn, Der Felder Schmuck, die schönen Blumenaun Sie sind nicht mehr so lieblich anzuschaun. Wie herrlich sah ich diese Bäume blühn, Wie lieblich da des Rebenhügels Grün Als mir der Gatte noch zu Seite stand, Und mir das Leben ach so schön entschwand. 153 Es ist ein doppeltes Heimweh, welches die Grossmutter hier verspürt: Dasjenige nach der verlorenen Jugend und dasjenige nach dem verstorbenen Gatten. 154 Damit schliessen wir hier den Themenkreis der Leid-Gedichte.

Umgang mit Übergängen Einer weiteren Kategorie lassen sich jene Gedichte zuordnen, in welchen sich Katharina Berkmüller mit der Sicherung von Übergängen befasst. Damit sind Situationen gemeint, wo der bisherige Zustand allmählich verschwindet, der neue aber noch nicht richtig greifbar ist. Bange Fragen und Unsicherheit kennzeichnen solche Übergänge. Als empfindsame Person spürt dies Katharina Berkmüller besonders deutlich. Die Gegenwart entschwindet in die Vergangenheit; die Zukunft aber ist noch nicht da. Mittels ihrer Gedichte spricht sie einerseits den Verlust des Bisherigen und anderseits die Ungewissheit in Bezug auf das Künftige an und bewältigt so ihre innere Unruhe. Konkret geht es in den Gedichten um Übergänge wie Morgen – Abend, Tag – Nacht, Alt – Neu, Jahreswechsel, Wochenende, Geburtstage, Konfirmation, Eheschliessung, Sonnenschein – Gewitter, Sommer – Herbst, Zürcher Oberland – Thurgau und schliesslich Leben – Tod. In einem weiteren Sinne zählen wir auch Antagonismen wie Lust – Leid, Armut – Reichtum noch zu dieser Kategorie des Umgangs mit Übergängen. Ein besonders typisches Beispiel zur Verdeutlichung soll uns genügen. Es zeigt sehr schön, wie sich Katharina an die vergangene Woche erinnert und dafür dankt. Gleichzeitig bittet sie um Verzeihung für begangene Fehler. Eine Art Bilanz. Dann aber beschäftigt sie sich mit der nächsten Woche. Sie nimmt sich vor, geduldig und gottesfürchtig zu leben. Am Schluss schickt sie sich ins Unvermeidliche.


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Am Sonnabend Die Woche ist verflossen, Und mit ihr Freud’ und Leid; Des Guten viel genossen Hab’ ich in dieser Zeit. Zur Arbeit reichen Segen Gabst du mir, guter Gott! Auf deiner Güte Wegen Fand ich mein täglich Brod. Vor jedem Unfall schützte Mich deine Vaterhand; Und was mir immer nützte, Hast du mir zugewandt. Wie füllt sich mein Gemüte Mit neuer Lebenslust. Nimm hin, du Gott der Güte, Den Dank aus treuer Brust! Hab ich gefehlt, verzeihe Mir, Vater, meine Schuld! Und schenke mir aufs Neue, Herr, deine Gnad’ und Huld. Gern möchte’ ich dir nur leben, Dir weihen jeden Tag, Geduldig mich ergeben, Wie’s auch noch kommen mag, Die Kirchenglocken schallen Am Morgen nah und fern, Und leb’ ich, will ich wallen Gern in das Haus des Herrn.

Doch wenn der Herr es wollte, Der Alles wohl bedacht, Dass ich schon sterben sollte, Noch eh der Morgen lacht: So will ich mich ergeben, Mit wahrem Christenmut, Zum Sterben oder Leben; Gott meint es ewig gut. 155

Sprache Dass im Gedicht über die «Guitarre» diese dem Reim geschuldet als «Laute» bezeichnet wird, haben wir schon gehört. Auch dass im Gedicht «Der Sonntag Morgen» die erste Zeile heisst: «Die Sabat Glocken schallen» statt «Sonntagsglocken» 156. Zwar hätte «Sonntag» auch nur zwei Silben mit einer Hebung auf der ersten und würde so weder Rhythmus noch Versmass stören. Es gibt auch andere ungebräuchliche Begriffe, über die man als Leserin oder Leser zunächst stolpert. Etwa wenn es heisst: «Und lass auch sie auf deinen Wegen wallen;» Die Erklärung ist aber einfach: Früher wurde «wallen» auch im Sinne von «gehen» oder «pilgern» verwendet. Im Wort Wallfahrt ist diese Bedeutung noch enthalten. Solche Irritationen sind sprachgeschichtlichen Ursprungs. In diese Kategorie gehören auch «würdiglich» im heutigen Sinne von «würdevoll», «treulich» im Sinne von «getreu» oder etwa «tröstvoll» im Sinne von «voll des Trostes». Auch die Aufforderung, miteinander «vertragsam» zu sein, tönt in unsern Ohren reichlich veraltet. All diese Begriffe sind in der Zwischenzeit aus der Mode gekommen oder ganz verschwunden.

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Hingegen scheinen die Begriffe wie «Schmerz­ gedränge», «Vaterhuld», «Himmels­lichter» oder der «erblasste Mund» und der Himmel, der «sich wölkt» eher poetische Wortschöpfungen im Sinne dichterischer Freiheit zu sein. In der Berkmüller’schen Hinterlassenschaft befindet sich eine Rechnung der Buchhandlung Beyel von Frauenfeld für ein Schweizerisches Fremdwörterbuch. Zwar ist die Rechnung auf einen Kreisgerichtssuppleanten Wiesmann in Wängi ausgestellt. Ob die Berkmüllers das Buch von ihm übernommen haben? Denkbar wäre es.

Rechnung der Frauenfelder Buchhandlung Beyel für ein Schweizerisch Fremdwörterbuch zum Preis von f. 2.–. Inv.Nr. B510.R30. Ortsmuseum Wängi.

Insgesamt finden wir bei Katharina Berkmüller einen relativ begrenzten Wortschatz. Das mag mit ihrer – weiter oben ausgeführten – literarischen Sozialisation in ihren frühen Jugendjahren zu tun haben. Die Fokussierung auf allerhand Unbill des Lebens und deren Bewältigung mittels eines tugendhaften und gottesfürchtigen Lebenswandels führt konsequenterweise zu einer gewissen Verengung des Vokabulars. Auch die Beschränkung auf Poesie mit Versmass und Reimen mag bestimmten Wiederholungen förderlich sein. Wir haben uns die Mühe genommen, das Vokabular aller 72 Gedichte im Bändchen «Zum Andenken der lieben Luise» mit einer speziellen Software zu analysieren und die 100 am häufigsten vorkommenden Wörter auszuzählen. Um hier nicht allzu sehr in die Details zu gehen, wurden ähnlich verwendete Wörter zu Clustern zusammengefasst.


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Anzahl Nennungen still 18 / Stille 15 / stillen 13 / stiller 9 / ruhig15 / Ruh 11 Liebe 28 / lieben 36 / liebes 8 Herz 48 / Herzen 21 Schmerz 26 / Leiden 14 / Sorgen 7 / Not 12 / klagen 10 Erde 15 / Erden 10 / Welt 25 / hienieden 10 Freude 13 / Freuden 18 / Lust 12 / erfreun 7 / freundlich 8 Grab 13 / Grabe 11 / Tode 7 / Himmel 16 / Ziel 11 Gott(es) 12 / Vater 22 / Herr 12 / (Heiland 8) Glück 16 / glücklich 14 / froh 13 / zufrieden 7 stets 25 / ewig 13 / immerdar 7 Leben 26 / Lebens 9 / lebt 8 Seele 18 / selig 13 / Geist 11 seh 13 / sehn 15 / sieht 9 einst 36 Kind 20 / Kindlein 14 Nacht 15 / Sturm 8 schlafe 10 / schlafen 11 treu 21 schöne 11 / schönen 9 Tränen 11 / traurig 8 Mutter 16 Trost 14 fromm 14

81 72 69 69 60 58 58 46 (8) 50 45 43 42 37 36 34 23 21 21 20 19 16 14 14

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Das Ergebnis der Analyse ist wenig überraschend. Die Autorin beschäftigt sich mit philosophischen Fragen. Sie denkt über das Leben auf dieser irdischen Welt nach. Freuden und Schmerzen halten sich die Waage. Der Sinn der menschlichen Existenz liegt aus ihrer Sicht im gläubigen Vertrauen auf einen Himmel nach dem Tod. Bei unseren Betrachtungen zur Sprache von Katharina Berkmüller gehört schliesslich auch ein Blick auf das Gedicht «Froher Muth». 157 Die zweite von insgesamt sechs Strophen lautet: Bin gesund vom Schlaf erwacht, Und von meinen Lieben lacht Liebe mir entgegen! Fühl zur Arbeit mich gestärkt, Und die Zeit flieht unbemerkt Unter Gottes Segen. Was fällt uns auf? Hier weicht Katharina Berkmüller von ihrem üblichen Versschema mit vierzeiligen Strophen ab und schreibt sechszeilige Strophen. Auch das Reimschema variiert. Anstelle des hauptsächlich verwendeten aabb oder allenfalls abab verwendet sie in diesem Gedicht ein anspruchsvolles aabccb-Schema. Man nennt diesen «umarmenden Reim» in der Literaturwissenschaft «Schweifreim». Interessant ist dies nun insofern, als eines der berühmtesten Gedichte der Romantik, nämlich das «Abendlied» von Matthias Claudius, ebenfalls diesem Schweifreim folgt:

Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen, am Himmel hell und klar. Der Wald steht schwarz und schweiget und aus den Wiesen steiget der weisse Nebel wunderbar. Dieses Beispiel lässt sich durchaus als Beleg für Katharina Berkmüllers Interesse an der Literatur ihrer Zeit verstehen.

Abschliessende Würdigung Wenn wir die Texte von Katharina Berkmüller von ihren heute als etwas gar schwer empfundenen Formulierungen entschlacken und wenn wir ihr zugutehalten, dass die grossen Romantiker Joseph von Eichendorff (1788 – 1857), Novalis (1772 – 1801) und Matthias Claudius (1740 – 1815) und vor allem dann die Komponisten Franz Schubert (1797 – 1828), Robert Schumann (1810 – 1856) oder Felix Mendelsohn (1809 – 1856) ihre Zeitgenossen waren und wir deren geschriebene und vertonte Texte heute nicht selten ebenfalls eher als befremdlich empfinden, so wird eines doch überdeutlich: Katharina Berkmüller beschäftigte sich neben der Bewältigung ihres Wängemer Alltags mit den geistigen Entwicklungen ihrer Zeit. Sie schulte ihr sprachliches Empfinden an der Sprache der damaligen Jugendund Volksliteratur. Sie beschäftigte sich mit den philosophischen Grundfragen des Lebens: Wer bin ich? Was ist meine Aufgabe? Wohin gehe ich? Sie war belesen. Sie befreite sich von religiösen Zwängen und pflegte ein bewusst kritisches Verhältnis zur offiziellen Kirche. Die emotional bewegte Sprache in


Ihr literarisches Werk – eine Einordnung

ihren Gedichten wurzelt in ihren Empfindungen und weltanschaulichen Überzeugungen. Ihre Gedanken und ihre Sorgen, ihre Stimmungen und Empfindungen, ihre Botschaften und Glückwünsche; alles goss sie in Verse. So verstanden ist sie eine klassische Vertreterin der Volkspoesie des 19. Jahrhunderts. Katharina Berkmüller reiht sich mit ihren Gedichten ein in eine Vielzahl von Gedichten anderer Frauen der damaligen Zeit. Die Gedichte dienten in erster Linie dem Zweck, Stärkung und Haltung in schwierigen Lebenslagen zu bewahren oder zu vermitteln. Sie sind bewegende Zeugnisse eines oft einsamen Ringens um Sinngebung und Trost. Aus dem weit geschlagenen Bogen vom irdischen Leben in den dereinstigen Himmel und der dortigen Wiedervereinigung mit Familie und Bekannten schöpfen die Verfasserinnen Lebensmut und Kraft. 158 Der bei der Lektüre der Gedichte manchmal entstandene Eindruck, Katharina Berkmüller sei zwischen Sorgen und Sehnsucht, Romantik und Melancholie gefangen gewesen und habe permanent um Freude, Trost, Zuversicht und Vertrauen gerungen, erscheint vor dem Horizont ihrer Zeit gerechtfertigt. Ihre literarische Prägung aus den Jugendjahren zusammen mit ihrem Bruder Jakob ist in ihren Gedichten zeitlebens spürbar und unterscheidet sich thematisch und formal von den unbeschwerten Darstellungen des Dorflebens ihres Gatten Alphons. Noch in der späten Romantik waren Sehnsucht, Trauer und Schmerz Leitthemen. Franz Schubert (1797 – 1828) hat als Repräsentant seiner Zeit in seinen letzten Liedern mit Gedichten von Ludwig Rellstab

(1799 – 1860) genau diese Sprache vertont. «Liebesbotschaft», »Frühlingssehnsucht», «In der Ferne» und «Abschied» lauten einige der Gedichte. Dabei ist klar, die Menschen jener Zeit waren nicht einfach depressiv und geplagt von unerfüllbarer Sehnsucht. Etwas melancholischer als wir heutzutage wohl schon. Aber immer gelang ihnen der Ausgleich oder die Balance. Neben Tränen und Trauer war da immer auch Trost. Neben dem Donner das Vogelgezwitscher. Neben dem Schmerz die Sehnsucht. Es ist letztlich diese Ausgeglichenheit, welche Zeitgeist und Sprache bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts charakterisierten. Katharina Berkmüller steht weitgehend mittendrin. Aber eben nur weitgehend. Nicht vollständig. In einigen Gedichten blitzt eine andere Katharina auf. Eine, welche kritisch und engagiert Stellung bezieht gegenüber Zuständen und Entwicklungen, welche ihr missfallen. Eine, welche das Mittelmass des damals üblichen Gedichteschreibens überragt. Eindrucksvoll ihre Kritik am kirchlichen Brauch, Selbstmörder ausserhalb der Friedhofmauern zu vergraben. Unüberhörbar ihre Missbilligung der Aufhebung der Klöster und die damit verbundene Vertreibung der Nonnen. Eindringlich ihre Kritik an den Dorfbewohnern von B., denen sie mit ungewohnt scharfen Worten vorwirft, untereinander von Zank und Unfrieden, Neid und Bitterkeit zerfressen zu sein. In diesen wenigen exemplarischen Gedichten vertritt Katharina unmissverständlich ihre eigene Meinung und legt den Finger unbeirrt auf Missstände. Sie übertritt damit bewusst ungeschriebene Grenzen. Sie äussert eine politische Meinung. Die «brave Frau»

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wird zum «aufmüpfigen Weib». 159 Die Reaktionen ihres im Kanton Thurgau gesellschaftlich gut integrierten Mannes sind uns nicht bekannt. Die vorhandenen Quellen verraten wenig über Katharinas Leben. War sie glücklich? Oder haben ihre Sorgen überwogen? Wir wissen wenig Verlässliches. Eines aber ist sicher: Sie hat angesichts all ihrer lebensgeschichtlichen Unsicherheiten im Glauben ihren Trost gefunden. Sie lebte in der Gewissheit, dass nach jedem Tiefschlag Aussicht auf bessere Zeiten und letztlich auf ein Leben nach dem Tode besteht. Daraus gewann sie ihre bewundernswerte Zuversicht und ihre eindrückliche Gelassenheit. So hielt sie ihr Leben in der Balance. Das Niederschreiben der Gedichte war ihr wohl zweierlei, sowohl Mittel, sich mit dem Leben auseinanderzusetzen als auch Bestätigung ihrer Überzeugungen. In verschiedenen Zusammenhängen sind wir bereits auf Katharinas Religiosität gestossen. Sie empfindet ihr Leben in erster Linie als Folge von Prüfungen, welche zu bestehen sind. Denken wir nur an den Tod ihrer zwei Büblein oder an den Verlust ihrer Zürcher Heimat. Mit Hilfe ihres tief verwurzelten Glaubens gelingt es ihr, immer wieder Rückschläge zu verkraften und sich erneut aufzuraffen. In ihren Gedichten ist diese permanente Stimmungslabilität bis hin zu depressiven Zuständen jederzeit spürbar. Sie hat sich ihr Leben nicht leicht gemacht. Eine Religiosität im Sinne von «Fröhlich zieh ich meiner Wege» voll heiterer Ruhe und innerer Gelassenheit kannte Katharina nicht. Die Lebensläufe der beiden Berkmüller weisen eine Reihe von Gemeinsamkeiten

auf. Beide schufen ihr Lebenswerk autodidaktisch. Wir finden bei Katharina weder Hinweise auf eine entsprechende Ausbildung noch auf irgendeine theoretische Auseinandersetzung mit Literatur. Auch bei Alphons fehlt jeglicher Beleg, dass er einmal an einer Kunstakademie eingeschrieben gewesen wäre. Beide haben sie von Beginn weg auf ihr Talent vertraut und unbeirrt über Jahrzehnte ihre Gedichte oder ihre Zeichnung geschaffen. Auf Experimente haben sie verzichtet. Beharrlich haben sie an ihren Themen und an ihren Ausdrucksweisen festgehalten. Inmitten der beträchtlichen politischen und künstlerischen Umwälzungen während ihres Jahrhunderts sind sie sich – und einander – treu geblieben. Schwere Schicksalsschläge wurden hingenommen und getragen. Beide haben in frühen Jahren die Entwurzelung aus ihrer Heimat erlebt. Zwei von drei Kindern sind ihnen bei der Geburt weggestorben. Vom eingeschlagenen Weg abbringen liessen sie sich dadurch nicht. Katharina trug ihr Schicksal dank eines unbeirrbaren Glaubens. Wie Alphons mit den familiären Schicksalsschlägen umgegangen ist, wissen wir nicht. Er war tagsüber als Buchhalter in der Weberei und als Chordirigent oft ausserhalb der Familie engagiert. Gerade in der Art und Weise, wie die beiden ihr Bedürfnis nach Musik gepflegt haben, erkennen wir exemplarisch, wie sie bei all ihren Gemeinsamkeiten dennoch lebenslang in ihren traditionellen Geschlechterrollen des 19. Jahrhunderts verhaftet blieben. Beide liebten die Musik. Katharina spielte Gitarre und sang gerne selbstverfasste Lieder. Alphons spielte Geige und leite-


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te Chöre. Sie sang ihre Lieder zu Hause in der Stube, allein oder zusammen mit ihrer Tochter, zum eigenen Vergnügen oder aus Wehmut. Er stand auf dem Podium in der regionalen und kantonalen Öffentlichkeit als Dirigent im Rahmen grosser Auftritte auf Sängertreffen und Gesangsfesten. Auf unserer Spurensuche haben wir Katharinas Gedichte schätzen gelernt. Wir sind uns bewusst geworden, dass viele davon nie für die Öffentlichkeit gedacht waren. Indem Katharina ihren innersten Gefühlen sprachlich Ausdruck verleiht, ermöglicht sie uns einen Einblick in ihr Leben. Der Umgang mit ihrem literarischen Lebenswerk heischt Respekt. Neben dem bildnerischen OEuvre ihres Mannes hat sie ein ebenbürtiges Werk geschaffen. Manche von uns heutigen aufgeklärten Leserinnen und Lesern des 21. Jahrhunderts mögen selbst nach der Lektüre dieses Lebensbildes mit den Texten von Katharina Berkmüller ihre liebe Mühe haben. Die

Gedichte wirken in ihrer Romantik übersteigert, in ihrem Gut-Böse- oder FreudeLeid-Schema manchmal etwas kindlich und in ihrer bedingungslosen Anbetung Gottes überhöht. Wie ganz anders empfinden viele die Zeichnungen ihres Mannes Alphons! Deren Romantik, deren Übersteigerungen zur Idylle, deren naiver Charme vermögen auch heute noch zu verfangen und wecken nach wie vor Bewunderung. Eine Ironie der Geschichte. Unsere Auseinandersetzung mit den wenigen Spuren, welche die beiden hinterlassen haben, hat uns einen eindrücklichen und berührenden Blick auf den Mikrokosmos ihrer Leben im 19. Jahrhundert erlaubt. Die Lebensbilder von Katharina Berkmüller-Stutz und Johann Alphons Berkmüller haben sich zu einem Ganzen verwoben und sind unvermittelt zu einem Stück Kultur- und Sozialgeschichte geworden. Für das Ortsmuseum Wängi sind die beiden ein ausgesprochener Glücksfall.

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Verfasst zwischen 1850 und 1870 Schwarzes Leder mit Goldprägung. 11.5 x 15.0 x 1.5 cm Ortsmuseum Wängi Inv.Nr. B 172


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Zum Andenken der lieben Louise Berkmüller von ihrer lieben Mutter.

Die erste Seite mit der Widmung ist eingeklebt. Man konnte damals solche Vorlagen kaufen und selber ausmalen und dann beschriften. Sie waren in den Poesiealben noch bis ins frühe 20. Jahrhundert sehr beliebt. Hier handelt es sich um Vorlage Nr. 35 aus einem entsprechenden Auswahlkatalog.


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Auf Berkmüllers Geburtstag 1844 samt einem Christusbild Lieber, wenn auf deinem Lebensgange Dir der Freude holde Rosen blühn, Oder, wenn es deinem Herzen bange, Ach so blick auf den Erlöser hin!

Blick auf ihn, entbehrst du hier auf Erden Ihrer Güter, ihrer eitlen Pracht, Uns zum Vorbild trug auch er Beschwerden, Und entzog sich aller Erdenmacht.

Immerdar, in Freuden wie in Schmerzen, Ist dir heilsam dieses theure Bild, Trägst du glaubend es in deinem Herzen, Hast du der Versuchung stärksten Schild.

Blick auf ihn, naht dir mit leisen Tritten, Unvermuthet einst der Krankheit Schmerz, Denk, was hat der Göttliche gelitten? Unter Qualen brach am Kreuz sein Herz!

Blick auf ihn, wirst du gekränkt hienieden, Ist Verkennung deiner Thaten Lohn, Denk, was hat einst ihm die Welt beschieden? Eine schmerzenvolle Dornenkron!

Blick auf ihn, einst in der Todesstunde, Und es flieht das Graun der Todesnacht, Blick auf ihn u[n]d mit erblasstem Munde sprichst auch du: Gottlob es ist vollbracht!

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Der Sonntag Morgen in meiner Krankheit 1844 Die Sabat Glocken schallen Und rufen zum Gebet, Und meine Thränen fallen aufs stille Krankenbett.

Doch meines Herzens Klagen, Der Seele heisses Fleh’n, Wird auch hinauf getragen Zum Vater in den Höhn.

Mir ist so weh, so enge, Weiss nicht wo ein u[n]d aus, Kann nicht mit jener Menge Zum nahen Gotteshaus.

Er sieht ja wie ich leide, Sieht meinen bangen Schmerz, Und senkt der Hoffnung Freude Auch wieder in mein Herz.

In Ihre Lobgesänge Stimmt nur mein Seufzer ein, Im tiefen Schmerzgedränge Muss ich ja traurig sein.

Ihm will ich stille halten, Ich weiss er macht es wohl; Gut ist ja stets sein Walten Sein Helfen wundervoll.

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Mein Waldbesuch am 7ten Juni 1846. Ich sass in des Waldes sanft kühlender Ruh, Und hörte dem Flöten der Amseln zu; Sie sangen so tief ihren Abendgesang Durchs heilige Dunkel des Waldes entlang. Sie sangen mir Wehmuth und Freude ins Herz; Erweckten mir Wonne, erweckten mir Schmerz; Erweckten mir fern von des Lebens Gewühl Im Herzen ein sinnlich, ein selig Gefühl.

Ein göttlicher Friede erfüllte mit Lust Nun meine unruhig beklommene [–] Brust. Mit ruhigem Herzen, mit heiterem Blick, Gieng ich von dem kühlenden Walde zurück; Der Amsel Gesang u[n]d der freundliche Hain, Sie mussten ein köstlicher Segen mir sein.

Luischens Tischgebet. Dein ist das Brodt, dein ist der Trank, Ich blickte voll Inbrunst zum liebenden Gott, Für beides, mein Herr, Lob u[n]d Dank! Und dankte ihm herzlich für Freuden u[n]d Noth; Du bist so mild, du bist so gut, Ich bat um ein kindlich ergebenes Herz, Schenkst uns durch Nahrung Kraft u[n]d Muth; Um Treue u[n]d Glauben, in Wonne u[n]d Schmerz. Giebst uns, was wir bedürfen hier, O lass uns stets vertrauen dir! Und tief in der Seele empfand ich ein Glück, Amen. Es kam wohl vom Vater der Liebe zurück.

Später mit Bleistift eingefügte oder korrigierte Satzzeichen. Durch Louise?

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Ich bin allein. Ich bin so oft alleine, Und o wie gern allein Im freundlichsten Vereine, Wie könnt mir wohler sein!

Er wird mich nie verlassen, Und wenn auch nichts mir blieb, Würd’ alle Welt mich hassen, Hätt’ er mich dennoch lieb.

Wem könnt ich besser sagen, Was mir das Herz bewegt, In gut u[n]d bösen Tagen Die Seele hofft u[n]d trägt;

Wie sollt ich dann nicht gerne Mit ihm alleine sein? Denn oft bin ich ihm ferne Im freundlichsten Verein.

Als ihm, dem Gott der Liebe, Der mir beständig nah, Ob’s heiter oder trübe Vor meiner Seele da.

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Wiegenliedchen. Schlafe holder Knabe, Schlafe ruhig ein Welche Himmelsgabe Könnt mir theurer sein! Weich gebettet liege Hier mein Engelein, Und an deiner Wiege Wird die Mutter sein. Bin dir niemals ferne, Lieber Knabe du, Schaue ja so gerne Deinem Schlafen zu. Denke mir die Freuden, die du brachtest mir,

Bete dass kein Leiden Nahe sich zu dir. Dass du wohl gedeihest, Werdest braf u[n]d gross, Dich der Tugend weisest Bis zum Grabes Schooss. Deine Eltern liebest, wie ein gutes Kind, Sie ja nie betrübest, Die so gut dir sind. Dann, mein lieber Knabe wirst du glücklich sein, Und dich bis zum Grabe Deines Daseins freun.

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Die Blümchen auf dem Grabe meiner lieben Kinder. Einer l.[lieben] Freundin geweiht. Ein Gärtchen seh ich blühen, Vor meinen Fenstern dort, Ach seine Blümchen ziehen Oft meine Seele fort.

Im dunkeln Grabesschoosse, Da wo sie ja vergeh’n Sei nicht das Ziel das Grosse, Der Ort zum Wiedersehn.

Sie winken mir herüber Zum Gärtchen ernst u[n]d still, Und deuten dann hinüber, Und sagen mir so viel.

Es weiche Schmerz u[n]d Grauen, Obgleich der Staub zerfällt, Soll nur hinüber schauen Zum blauen Himmelszelt.

Ich soll mein Heimweh stillen, Nach meinen Kinderlein, Soll in des Vaters Willen doch stets ergeben sein.

Sie dort im Geist erblicken, Umarmt vom Kinderfreund, Mit ihm, o welch Entzücken! Auf ewig seh’n vereint. Einst wird ein Stündlein schlagen, Und von den Engelein, Werd ich auch hingetragen Zum ewigen Seligsein.

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Heimweh nach meinen lieben Geschwistern Wenn ich so alleine bin, Denk ich oft an meine Lieben, Die in ferner Heimath drüben, Alle kommen mir zu Sinn.

Könnt ich nur ein leises Wort, Diesen meinen Lieben sagen! Hören ihre Freud u[n]d Klagen, Doch die Seele ist nur dort.

Und mit stillem Sehnsucht Weh Fliegt mein Geist zur Klausner Hütte, Wo ich dann in ihrer Mitte Meinen lieben Bruder seh.

Doch was mag ich sehnsuchtsvoll Noch so oft hinüber schauen? Hier in Thurgaus schönen Auen Ist mir ja auch innig wohl.

Und zu allen drängts mich hin, Hier beim Webstul, dort auf Auen Kann ich meine Schwestern schauen, Wie sie tragen Sorg und Müh’n.

Sollt ich nicht zufrieden sein? Hab ja zwei der liebsten Seelen, Die mir ja nur wenig fehlen, Bin nicht immer so allein. Und in stiller Einsamkeit, Bet ich gern für meine Lieben, Die mir hier u[n]d dort geblieben, Und mein Herz wird still erfreut.

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Am Morgen des 5ten Novb 1846 Gottlob ich kann die Betten machen, Kann ordnen alle meine Sachen, Und aus der Kammer gehn! Kann froh den neuen Morgen sehen, Muss nicht am Krankenbette stehen, Wie es so oft geschehn.

Ich will mein Herz an dich ergeben Nicht dieser Welt, nein dir zu leben Soll mein Bestreben sein. O stärke meine guten Triebe, Dass ich dich über Alles liebe, Und nie vergesse dein!

O Gott wie dankt dir mein Gemüthe, Für deine grosse Vatergüte, Dass ich gesund erwacht! Dass ich mit allen meinen Lieben, Vor jedem Leid verschont geblieben, Beschützt durch deine Macht.

So will ich mich am guten Tage, den du mir schenkst, befreit von Plage, Mich deiner Huld erfreun. Und kommt, was mir jetzt noch verborgen, Ein dunkler Tag voll banger Sorgen, Lass mich nicht muthlos sein!

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Gebet am Donnerstag Abend. Diesen Abend will ich dich begleiten, Liebster Heiland, an den Ölberg hin, Will dich sehn für meine Sünden streiten, Sehn wie ich so theur erlöset bin.

Doch du wolltest eine Welt erlösen, Eine Welt, die dir so theuer war, Sie erretten von der Macht des Bösen, Und so gabst du dich als Opfer dar.

Ach, mit welchem kummervollen Herzen Giengst du in des Mondes sanftem Schein, Auszuweinen deine heissen Schmerzen, In den stillen Garten dort hinein.

Tausend Dank für deine heissen Schmerzen, Deinen Kampf in deiner letzten Nacht; Dieser Kampf, er hat dem Sünderherzen Ruh u[n]d Trost u[n]d Seligkeit gebracht.

Schmerzlich fühltest du dein nahes Leiden, Todesgraun empfand dein gutes Herz; Liebend fühltest du im nahen Scheiden Deiner Tränen bittern Trennungsschmerz.

Gründonnerstag vor Karfreitag

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Die Allgegenwart Jesu. In deiner Gegenwart zu leben, Lass Jesu meine Freude sein! Nichts kann mir süss’re Ruhe geben Als wenn ich oft gedenke dein.

Wie wohl ist mir in deiner Nähe, Wenn ich so recht gedenke dein, Wenn im Gebet ich vor dir stehe, Vor meinem Blick nur dich allein.

Denk ich der Welt voll Lust und Leiden, Was hat sie Bleibendes für mich? Ach nichts! von Allem muss ich scheiden, Und alles ist veränderlich.

Dann weicht die Welt mit allen Freuden, Mit allen Leiden weit zurück, Und Niemand[en] könnt ich dann beneiden, Auch um das grösste Erdenglück.

Denk ich der Meinen in der Ferne, So machts mich oft nur kummervoll; Ich leichterte ihr Loos so gerne, Und weiss nicht wie ich helfen soll.

An, dich mein Heiland, mich zu halten, Soll stets mir Lust u[n]d Freude sein; Der Freundschaft Liebe kann erkalten, Doch deine wird sich stets erneu[er]n.

Doch unter diesen Kümmernissen Wird oft das Herz mir süss erquickt, Denk ich der wird zu helfen wissen, Der jedes Schicksal überblickt.

Du bleibst mir, wenn auch Alles schwindet, Wenn auch mein Herz im Tode bricht, Und von der Welt nichts mehr empfindet, Auch dann verlässest du mich nicht.

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Drum lass, o Herr, mein Herz mich treu bewahren, Denn ach, wie leicht durch Lust u[n]d Schmerz, Wankt oft das arme, schwache Herz.

Zum Abschied B. H.

Bleibe fromm auf allen deinen Wegen, All dein Thun sieht ja der Vater dort; Reicht dir seine Vaterhand entgegen, Biethet Rath u[n]d Trost dir fort u[n]d fort. Eduard Rüegg am Confirmationstag Aber ernstlich musst du dich bestreben, Recht zu handeln ihm getreu zu sein, Ein neues Leben ist dir aufgegangen, Als sein Kind getrost dich ihm ergeben, Du bist nun eingeweiht der Christenschaar Und hast geschworen nur dem Herrn zu leben, Herz und Seele ihm allein nur weihn. Am Taufstein dort am heiligen Altar. Öffne nie dein Herz den eitlen Trieben, Reich Herz u[n]d Hand nun deinem Heiland hin, Pracht und Hoffahrt bleibe fern von dir, Der führt dich gut u[n]d stärkt dir Herz u[n]d Sinn. Lebst du wie ich dir hier vorgeschrieben, Reich ist dein Herz an Wissen u[n]d Verstand, Ia dann lebst du glücklich für u[n]d für. Üb treu die Gaben die dir Gott gesandt, Ein weiser Mensch erfüllt mit frommem Sinn, Geht glücklich durch dies Erdenleben hin. Gross ist gewiss auch dorten sein Gewinn.

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Gebet beim Abendläuten. Schon wieder ist hienieden Ein Tag dahin geschieden, Und s Glöcklein ruft so laut es mag: O schliesse betend diesen Tag!

Wie du in jener Ferne Den sichern Lauf der Sterne Mit wundervoller Hand regierst, Auch meine Bahn mich sicher führst.

Ja, Herr, für deine Güte Dankt dir mein ganz Gemüthe, Auch heut hast du mir wohl gethan, Ich blicke ruhig himmelan.

Dir will ich fest vertrauen, Will froh zum Himmel schauen, Ich weiss, dass mich in dunkler Nacht, Dein Vaterauge treu bewacht.

Der Erde Pracht verschwindet, Doch in der Höhe findet Das Auge dich im Sternenlicht, Wo Stern an Sternlein von dir spricht.

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Gebet bei einem Gewitter.

Gebet auf dem Kirchengang.

Herr, ich falte meine Hände, Bete dich mit Ehrfurcht an. Weiss, wenn ich mich zu dir wende, Dass dein Arm mich schützen kann.

Ich ging in deinen Tempel hin, Erweck, o Gott, mir Herz u[n]d Sinn, Dass ich dich würdiglich verehre, Und auf dein Wort voll Andacht höre.

Fast will mir das Herz erbeben, Da so laut der Donner kracht; Doch von deinem Schutz umgeben, Fürcht ich nicht des Wetters Macht.

Lass mir durch nichts den Geist zerstreun, Mir deine Nähe fühlbar sein! Eröffne meines Herzens Pforte, Dass ich versteh des Lehrers Worte!

Schone, Vater, schon uns Allen, Lass es bald vorüber ziehn! Höre auf mein kindlich Lallen, Lass die schwarzen Wolken fliehn!

Hör mein Gebet, hör den Gesang, Und segne meinen Kirchengang. Den Lehrer auch u[n]d seine Lehren, Und alle die ihn ernstlich hören!

Alles ist ja deinem Willen, Guter Vater, unterthan; Du kannst Sturm u[n]d Wetter stillen, Alles bete fromm dich an.

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Meinem lieben Nanni*, auf den Tod seines theuren Bruders. Wenn Geliebte von uns scheiden, Wenn nach langen schweren Leiden Sich ihr müdes Auge schliesst, Stehn wir da mit tiefen Schmerzen, Doch auf die verwundten Herzen Stiller Frieden niederfliesst. Sehn wir auf das stille bleiche Antlitz der geliebten Leiche, Welche Ruhe schauen wir! Jeder Seufzer ist verklungen, Jeder Kampf ist ausgerungen, Friede nur schwebt über ihr. Und wir können nicht mehr klagen, Jedes muss voll Sehnsucht sagen: Ach, ich möchte auch so ruhn!

* Näni, Nani, Nanni für Grossmutter

Hätt auch ich so überwunden, Und im Tode Ruh gefunden, O wie wohl, wie wohl wird’s thun! Ja es zeigt ein gläubig Hoffen Uns die ew’ge Heimath offen, Den entbundnen Geist verklärt; Wie er frei von jedem Leide, Nun geniesst des Himmels Freude, Eine Lust die ewig währt. Nein, von ihrem reinsten Glücke Wünschen wir sie nicht zurück [e], Auf die trübe Erdenwelt. Nein wir alle wünschen lieber Uns zu ihnen dort hinüber, In die Heimath jener Welt. Doch der Herr giebt Kraft zu tragen, Was auch in den Erdentagen Seine Weisheit uns bestimmt; Darum lasst uns muthig wandeln, Christlich leben, christlich handeln, Bis er uns hinüber nimmt.

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Literatur und Quellen Wängener Hefte 6 und 7

Ammann, Johann. (1933). Die Ammann von Wittenwil, Matzingen, Wängi und Thundorf. Inv.Nr. B139. Ortsmuseum Wängi. Amt für Denkmalpflege Kanton Thurgau. (1983/2008). Hinweisinventar alter Bauten und Ortsbilder im Kanton Thurgau. Wängi IV: Gemeindeteil Wängi. Frauenfeld: Denkmalpflege. map.geo.tg.ch

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Antiquarische Gesellschaft Pfäffikon. (2001). Jakob Stutz, 1801 – 1877. 200. Geburtstag am 27. November 2001. Volksdichter und Zeitzeuge. Pfäffikon: Antiquarische Gesellschaft. Bärtschi, Hans-Peter. (2002). Industriekultur in Winterthur. Zürich: Chronos-Verlag. Berkmüller, Katharina. (1850 – 1870). Zum Andenken der lieben Luise von ihrer lieben Mutter. Im Besitz des Ortsmuseums Wängi. Berkmüller, Katharina. (o.J.). Gedichte auf losen Blättern. Im Besitz des Ortsmuseums Wängi. Bieri, Susanne. Helvetica-Ansichten – Bilder und Projektionen nationaler Identität. In: Christian Féraud und Michael Matile. (2019). (Hrsg.). Souvenir Suisse. Die Graphiksammlung der Stiftung Familie Fehlmann. Petersberg: Michael Imhof. Bischof, Otto. (1941). Johann Alfons Berkmüller. Geboren 6. Mai 1802, gestorben 24. November 1879. In: Thurgauer Jahrblätter 1941. Bischof, Otto. (1941). Johann Alfons Berkmüller. Geboren 6. Mai 1802, gestorben 24. November 1879. In: Anzeiger von Wängi, Beilage: Gang lueg d’Heimat a! Bistum Augsburg. Archiv. Hauptabteilung VIII / Archiv des Bistums / Pfarrmatrikeln. Bornhauser, Thomas. 1836. Rede des Herrn Kantonsrath Pfarrer Thomas Bornhauser, gehalten in der Versammlung des thurgauischen grossen Rathes am 10. März 1836. Separatdruck. Bosshard, Heinrich. (1853). Anschauungen und Erfahrungen in Nordamerika. Zürich: Zürcher und Furrer. Bourbaki Panorama. (2021). Europäisches Kulturdenkmal. Mediendienst. Luzern. Brugger, J.J. (1862). Adressbuch des Kantons Thurgau. Mit Beifügung der Gewerbs- und Berufstreibenden der Stadt Konstanz. Weinfelden: Selbstverlag des Verfassers. Staatsarchiv des Kantons Thurgau.


Literatur und Quellen

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Endnoten 1

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 1 – 2.

2

Georg Y. Wyler. (1971). Industrie und Handwerk. S. 121 – 176.

3

Sind die Bewohner von Wängi eigentlich «Wänger*innen», «Wängener*innen» oder «Wängemer*innen»? Der Sprachatlas der deutschen Schweiz, das sogenannte Idiotikon, hält auf Grund seiner Erhebungen Mitte des 20. Jahrhunderts fest, dass die Einwohner von Wängi eigentlich «Wänger» seien. Anscheinend sei aber auch die Ableitung «Wängener» gebräuchlich. Die m-Ableitung hält das Idiotikon für eher jung. Allerdings werden Analogien aufgezählt: Uster > Ustermer oder Meilen > Meilemer. Im vorliegenden Text wird in der Folge die Version «Wängemerin» und «Wängemer» verwendet. Lediglich im Zusammenhang mit der Heftreihe wird aus Gründen der Kontinuität von «Wängener Heft» gesprochen.

4

Zollinger, Jakob. (2001). Stammbaum Jakob Stutz. S. 100.

5

Die Quellen liefern widersprüchliche Angaben. Während gemäss Stammbaum Katharina beim Tode ihrer Eltern vier Jahre alt war, nennt Witzig-Schäppi ein Alter von knapp 14 Jahren und der Eintrag des Pfarrers in Katharinas Konfirmandenbibel sagt, sie sei seit ihrem achten Lebensjahr Waise gewesen.

6

Witzig-Schäppi, Heidi. (2001). Die Gedichte der Katharina Stutz. S. 86.

7

Stutz, Jakob. (2001, Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre. S. 377 – 378.

8

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 55 – 57.

9

Stutz, Katharina. (1835). Dichtungen von Katharina Stutz. S. 82 – 83.

10

Wichtiger Lesehinweis: Im Textteil dieses Heftes sind die Gedichte orthographisch etwas aktualisiert. Im letzten Kapitel sind die Transkripte in Originalfassung wiedergegeben.

11

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 55 – 57.

12

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 5.

13

wandern, umherziehen. Heute nur noch in «Wallfahrt» gebräuchlich. Schweizerisches Idiotikon

14

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 5 – 8.

15

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 112.

16

Stutz, Jakob. (2001. Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre aus meinem Leben. S. 401.

17

Stutz, Jakob. (2001. Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre aus meinem Leben. S. 401.

18

Stutz, Katharina. (1835). Dichtungen von Katharina Stutz. S. 46.

19

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 111.

20

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 62.

145


Endnoten

146

21

Witzig-Schäppi, Heidi. (2001). Die Gedichte der Katharina Stutz. S. 88. So die Einschätzung von Witzig-Schäppi. Sie bezieht sich dabei auf ein Gedicht mit dem Titel «Herr Pfr. Sch. am Klavier» welches in Pfäffikon erhalten geblieben ist. Im Ortsmuseum Wängi findet sich ein Gedicht mit den Titel «Herr *** am Klavier». Wir beziehen uns hier auf die Fassung im Ortsmuseum Wängi. Dichtungen von Stutz, Katharina. (1835. Erstausgabe 1830). S. 54.

22

Stutz, Katharina. (1835. Erstausgabe 1830). Dichtungen von Katharina Stutz S. 55.

23

Müller, Walter. (2001). Jakob Stutz, 1801 – 1877. Broschüre. S. 1 – 4.

24

Stutz, Jakob. (2001. Erstausgabe 1853). Siebenmal sieben Jahre aus meinem Leben. S. 127

25

Stutz, Jakob. (1841). Allerlei oder Tagebuch eines Einsamen. Zentralbibliothek Zürich Graphische Sammlung und Fotoarchiv

26

Schmid, Christian, (2001). Jakob Stutz und das Volkslied. S. 61.

27

Stutz, Jakob. (2001. Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre. S. 398.

28

Witzig-Schäppi, Heidi. (2001). Die Gedichte der Katharina Stutz. S. 86 – 90.

29

Die erwähnte Klausner Hütte – die sogenannte Jakobszelle – «16 Fuss lang, 13 Fuss breit, 12 Fuss hoch, ein Fuss = 20 cm, alles aus Holz und eingerichtet zum Abbrechen und Transportieren» ist die von Jakob um 1840 selbst erbaute Heimstatt im Sternenberg, wohin er sich zurückgezogen hatte. Nach Stutz, Jakob (2001. Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre. S. 427.

30

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 38.

31

Stutz, Katharina. (1835). Dichtungen von Katharina Stutz. S. 70.

32

Peter, Mathias. (2004). Jakob und Heinrich Senn. Zeitbilder aus der Schweiz. S. 316.

33

Müller, Walter. (2001). Jakob Stutz 1801 – 1877. S. 22.

34

Walder, Hermann. (1931a). Memorabilia Wengensia. S. 13.

35

Stutz, Jakob. (2001. Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre. S. 420

36

Stutz, Jakob. (2001. Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre. S. 442.

37

Peter, Mathias. (2004). Jakob und Heinrich Senn. Zeitbilder aus der Schweiz. S. 352.

38

Peter, Mathias. (2004). Jakob und Heinrich Senn. Zeitbilder aus der Schweiz. S. 352.

39

Stutz, Katharina. (1835). Dichtungen von Katharina Stutz. S. 71.

40

Peter, Mathias. (2004). Jakob und Heinrich Senn. Zeitbilder aus der Schweiz. S. 392.

41

Peter, Mathias. (2004). Jakob und Heinrich Senn. Zeitbilder aus der Schweiz. S. 393.

42

Peter, Mathias. (2004). Jakob und Heinrich Senn. Zeitbilder aus der Schweiz. S. 394.

43

Stutz, Katharina. (1835). Dichtungen von Katharina Stutz. Einlegeblatt im Pfäffikoner Exemplar.

44

Joris, Elisabeth & Witzig, Heidi. (1992). Brave Frauen, aufmüpfige Weiber. S. 74.

45

Joris, Elisabeth & Witzig, Heidi. (1992). Brave Frauen, aufmüpfige Weiber. S. 49 – 50.


Endnoten

46

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 70.

47

Im Register von 1765 ist der Name «Louise» in französicher Schreibweise eingetragen. Die Mutter jedoch schreibt in der Regel «Luise»; und in der Verkleinerung Luischen.

48

Walder, Hermann. (1869). Bericht über das thurgauische Fabrikwesen. S. 126.

49

Stutz, Jakob. (2001, Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre. S. 364.

50

Stutz, Jakob. (2001, Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre. S. 410.

51

Konfirmationsbibel von Katharina Stutz. (1827). Chronikstube Pfäffikon ZH. Die Bibelgesellschaft förderte die Übersetzung und Herstellung von Bibeln in verständlicher Sprache.

52

Stutz, Jakob. (2001. Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre.

53

Stutz, Jakob. (1839). Briefe und Lieder aus dem Volksleben.

54

Joris, Elisabeth & Witzig, Heidi. (1992). Brave Frauen, aufmüpfige Weiber.

55

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870) Zum Andenken der lieben Louise. S. 31 – 32.

56

Schwyzer, Pius. (2013). Heimatkunde Wiggertal. S. 103.

57

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 73 – 75.

58

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 44 – 46.

59

Wikipedia. (2019). Limbus puerorum.

60

Wicki, Hans. (1990). Staat. Kirche. Religiosität. S. 207.

61

Herzberger, Patricia. (2006). Verstorbene Kinder. www.rowane.de.

62

Wikipedia. (2019). Limbus puerorum.

63

Gemäss Auskunft des Staatsarchivs des Kantons Thurgau.

64

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 65.

65

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 67.

66

Als «unbeschnittene Druckbogen» werden die aus der Druckpresse kommenden vor- und rückseitig fertig bedruckten und zu Stapeln gefalteten Papierbogen von jeweils 8 oder 16 Seiten bezeichnet. In der Buchbinderei werden die Stapel gebunden und beschnitten.

67

Unbekannter Verfasser. (um 1800). Neue Art, Geld auszuleihen. Artikel auf Druckbogen. S. 37 – 38.

68

»f» ist die Abkürzung für Gulden und leitet sich her von Florin (Florentiner). «x» wird als Kürzel für Kreuzer verwendet. 1 Gulden = 60 Kreuzer.

69

Im Adressbuch des Kantons Thurgau aus dem Jahre 1862 sind in Wängi 11 (elf!) Schuhmacher oder Schuster aufgeführt. S. 264 – 266.

70

Im Adressbuch der Gewerbs- und Berufstreibenden des Kantons Thurgau sind für Wängi im Jahre 1862 7 (sieben!) Kleidermacher und Stoffhändler aufgeführt. S. 81 – 82.

147


Endnoten

71

Hofer, Alfons. (1997, siebente Auflage). Textil- und Modelexikon. Bd. 2. Frankfurt: Deutscher Fachverlag.

72

Joris, Elisabeth & Witzig, Heidi. (1992). Brave Frauen, aufmüpfige Weiber. S. 220.

73

Bosshard, Heinrich. (1853). Anschauungen und Erfahrungen in Nordamerika. S. 23 – 28.

74

Christian Beyel war Verleger in Frauenfeld und lebte von 1807 bis 1885. Schoop, Albert. (1971) Wirtschaftsgeschichte des Kantons Thurgau. S. 35.

75

Das «Thurgauer Wochenblatt» war die 1798 als «Wochenblatt für den Kanton Thurgau» gegründete, in Frauenfeld erscheinende Thurgauer Zeitung. Sie war 1831, nach dem Wegfall der staatlichen Zensur, das Blatt der gemässigt-liberalen Reformer, unter Christian Beyel und anderen noch eher konservativ, dann von 1858 an unter Jacques Huber die führende liberale Zeitung im Kanton. Nach Schoop, Albert. (1971). Der Thurgau als Wirtschaftsraum. S. 35.

76

«Der Wächter» war eine der führenden konservativen Zeitungen aus der Zeit der Regeneration. Nach 1865 hiess sie «Neue Thurgauer Zeitung» und ab 1885 als dannzumal demokratische Zeitung «Thurgauer Tagblatt». Angaben aus Schoop, Albert. (1971). Der Thurgau als Wirtschaftsraum. S. 35 – 36.

77

Mörikofer, Johann Kaspar. (18. August 1842). Landammann Anderwert. In «Der Wächter». S. 265.

78

Beilage zur Neuen Zürcher Zeitung. (1849). Nekrolog L. Herkules Daverio. S. 8.

79

Staatsarchiv Thurgau. Todtenregister A Wängi, 1876, S. 17, Nr. 33.

80

Witzig, Heidi. (2020). Armenfürsorge zwischen Glauben und Rechtsanspruch. S. 123ff.

81

Giger, Bruno. (2018). Geschichte des Frauenvereins (Müttervereins) Wängi. S. 1.

82

Benvenuto Cellini lebte von 1500 bis 1571 und war einer der grossen Bildhauer der italienischen Renaissance. Nachdem er längere Zeit in Vergessenheit geraten war, wurde er im 19. Jahrhundert wieder entdeckt.

83

J.S. (1831). Die Wunderkräfte des kalten Wassers. S. 37.

84

J.S. (1831). Die Wunderkräfte des kalten Wassers. S. 24.

85

J.S. (1831). Die Wunderkräfte des kalten Wassers. S. 14.

86

Stutz, Jakob. (2001. Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre. S. 443.

87

Walder, Hermann. (1931a). Memorabilia Wengensia. S. 13.

88

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 67

89

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 65

90

Gubler, Otto. (1980). Verzeichnis der alten noch bestehenden Gebäudeobjekte. S. 1.

91

Walder, Hermann. (1931a). Memorabilia Wengensia. S. 17.

92

Walder, Hermann. (1931a). Memorabilia Wengensia. S. 17.

93

Früh, G. (1848). Rechnung an A. Berkmüller. Inv.Nr. B510.R33. Ortsmuseum Wängi.

148


Endnoten

94

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 26.

95

Walder, Hermann. (1931a). Memorabilia Wengensia. S. 11.

96

Rechnung von Schmied Thalmann an Herrn Schulpfleger Berkmüller. Inv.Nr. B510.B17.

97

Walder, Hermann. (1931a). Memorabilia Wengensia. S. 11-12.

98

Grundbuchamt Münchwilen. (2020). Eigentumsverlauf Berkmüller. Aadorf: Grundbuchamt.

99

Bischoff, Otto. (1941). Johann Alphons Berkmüller. Thurgauer Jahrbuch. S. 32.

100 Im Volksmund wurde das Haus noch bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts „Berkmüller Hüsli» genannt. 101 Kantonale Denkmalpflege Thurgau. Datenblatt Wängi Berkmüller Haus Dorfstrasse 19. 102 Knöpfli, Albert. (1955). Kunstdenkmäler der Schweiz. Bezirk Münchwilen. S. 372. 103 Witzig, Heidi. (2001). Die Gedichte der Katharina Stutz. S. 86. 104 Zollinger, Jakob. (1977). Auf den Spuren von Jakob Stutz. S. 7 105 Berkmüller, Katharina. (um 1850 – 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 81. 106 Stutz, Katharina. (1830). Dichtungen. S. 70 107 Hebel, Johann Peter. (1803). Alemannische Gedichte. 108 Stutz, Jakob. (2001. Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre. S. 402. 109 Stutz, Jakob. (2001. Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre aus meinem Leben. S. 396. Stutz berichtet hier von einem Gedichtband eines deutschen Schriftstellers namens Förster. Dies erklärt die hierzulande belustigenden Namen und Begriffe. 110 Stutz, Jakob. (2001. Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre. S. 387. Jakob Stutz schreibt hier von «Traktätchen». Aus dieser frühen Zeit existiert aber im Archiv der Basler Mission nur das sogenannte Missionsmagazin, das seit 1816 regelmässig gedruckt herausgegeben wurde. Das waren handgeschriebene und lithographierte «Circulare» und «Correspondenzen», welche innerhalb der evangelischen Kirche gestreut wurden. Ab 1828 erschien «Der evangelische Heidenbote», herausgegeben von der Direktion der evangelischen Missionsgesellschaft in Basel. Der Heidenbote enthält Berichte der Missionare aus aller Welt. Die Texte atmen eine gewisse Exotik und mögen die Geschwister Stutz wohl fasziniert haben. Der Aufbau der Texte folgt wiederum einem Stereotyp: Ein Orkan wütet und richtet grosse Verwüstungen an; ein gnädiger Gott aber wendet letztlich alles zum Guten. (S.18). Oder: Eine Hungersnot plagt die Bevölkerung in Megapatam; Gott lenkt ein Schiff mit Nahrungsmitteln in die Nähe. «So sorgt Gott für seine Kinder.» (S. 22). Die als «Traktate» bezeichneten Drucksachen erschienen erst in den Jahren 1855 bzw. 1875. Stutz scheint dies in seinen Erinnerungen, welche 1856 erschienen, etwas durcheinandergebracht zu haben. 111 Stutz, Jakob. (2001. Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre. S. 389. 112 Stutz, Jakob. (2001. Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre. S. 386 – 387. Wiedergabe leicht gekürzt.

149


Endnoten

113 von Schmid, Christoph. (ca. 1830). Heinrich von Eichenfels. S. 7 – 8. 114 Der Einsiedler oder Eremit gehört zu den beliebten Motiven der Zeit des Biedermeier in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er symbolisiert das genügsame Leben am Rande der Gesellschaft. Der Rückzug ins Private ist bezeichnend für die damalige kleinbürgerliche Beschaulichkeit. Auf den Eremiten als symbolische Figur liessen sich Sehnsüchte projizieren: Unabhängigkeit, Privatheit, Naturnähe und Selbstbestimmung. Die kargen Wohnverhältnisse, die unsichere Ernährung, Krankheiten und Kälte wurden ausgeblendet. Man fühlt sich erinnert an die Zeichnungen von Katharinas späterem Gatten Alphons Berkmüller, der auf dem Wängemer Dorfplatz vor dem Gasthof Schäfli das unbeschwerte Treiben der Leute schildert. Die Textilarbeiter, welche nach ihrer Schicht wortlos und ermüdet über denselben Dorfplatz nach Hause trotten, kommen ihm nicht in den Sinn. 115 von Schmid, Christoph. (ca. 1830). Heinrich von Eichenfels. S. 47. 116 von Schmid, Christoph. (ca. 1910. Erstausgabe vermutlich um 1830). Die Ostereier. S. 36 – 44. 150

117 von Schmid, Christoph. (ca. 1910. Erstausgabe vermutlich um 1830). Das Marienbild. S. 126 – 149. 118 Stutz, Jakob. (2001. Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre. S. 387. Wiedergabe leicht gekürzt. 119 Stutz, Jakob. (2001. Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre. S. 401. 120 Stutz, Jakob. (2001. Erstausgabe 1853. Erstausgabe 1853). Sieben mal sieben Jahre. S.410. Wiedergabe leicht gekürzt. 121 Stutz, Katharina. (1835). Dichtungen. Vorwort. 122 Stutz, Katharina. (1835). Dichtungen. S. 2. 123 Witzig-Schäppi, Heidi. (2001). Die Gedichte der Katharina Stutz. S. 86. 124 Stutz, Katharina. (1827). Gedichte von Katharina Stutz von Pfeffikon seit 1822 – 1827. Handschrift, gebunden. 125 Stutz, Katharina. (1827). Gedichte von Katharina Stutz von Pfeffikon seit 1822 – 1827. o.S. 126 Witzig-Schäppi, Heidi. (2001). Die Gedichte der Katharina Stutz. S. 88. 127 Witzig-Schäppi, Heidi. (2001). Die Gedichte der Katharina Stutz. S. 88. 128 Walder, Hermann. (1931a). Memorabilia Wengensia. S. 13. 129 Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 70. 130 Stutz, Katharina. (1835). Dichtungen von Katharina Stutz. S. 23 – 26. 131 Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 66. 132 Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 62. 133 Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 1. 134 Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 109.


Endnoten

135 Stutz, Katharina. (1835). Dichtungen. S. 51-53. Wiedergabe stark gekürzt. 136 Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 34 – 35. 137 Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 47. 138 Joris, Elisabeth & Witzig, Heidi. (1992). Brave Frauen, aufmüpfige Weiber. S. 291. 139 Witzig-Schäppi, Heidi. (2001). Die Gedichte der Katharina Stutz. S. 88. 140 Berkmüller, Katharina. (1835). Dichtungen. S. 50. 141 Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 76. 142 Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 76 – 77. 143 Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 54 – 55. 144 Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 89. 145 Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 126 – 127. Wiedergabe verkürzt. 146 Stutz, Katharina. (1835. Erstausgabe 1830). Dichtungen. S. 30 – 32. 147 Möckli, Werner. (o.J.). Thomas Bornhauser, immer auf Extreme ausgerichtet. 148 Auszug aus Thomas Bornhausers Rede vor der Versammlung des thurgauischen grossen Rathes am 10. März 1836: « … Dass in unsern Tagen die Klöster den Ackerbau nicht mehr befördern, dass sie den Fleiss und die Thätigkeit nicht mehr belehen, den Wohlstand des Landes nicht mehren – das weiss jeder denkende Bürger. Und wenn wir es nicht wüssten, so würden es mit stummer Sprache die halbangebauten Aecker, die Armuth würde es uns verkünden, die oft auf mehrere Stunden das Kloster wie ein böser Zauberkreis umgibt. Nicht besser steht es um den Anbau der Wissenschaft. Im Mittelalter waren die Klöster Lichtpunkte, von denen ein regeres, geistiges Leben nach allen Seiten sich verbreitete. Jetzt hat sich die Lage der Dinge geändert: jedes Dorf besitzt seine Schule, die Wissenschaft ist zum Gemeingut der Menschheit geworden, und eine höhere Bildung durchdringt mit jedem Tage mehr alle Klassen des Volkes. Nur die Klöster sind zurückgeblieben, Unwissenheit und Aberglauben, Trägheit und roher Genuss herrscht in ihren Mauern. Starre Mumien der Vergangenheit – halten sie zürnend ihr kraftlosen Hände dem fortschreitenden Rade der Zeit entgegen. Sie erfüllen ihre Bestimmung nicht mehr, sie nützen nicht, sie schaden nur. … » 149 Stutz, Katharina. (1835). Dichtungen. S. 90. 150 Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 65. 151 Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 91 – 92. 152 Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 65. 153 Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 65. 154 Sie selbst starb allerdings drei Jahre vor ihrem Mann. 155 Stutz, Katharina. (1835). Dichtungen. S. 27 – 28.

151


Endnoten

156 Unsere Irritation ist eine doppelte: Zunächst die Verwendung des jüdischen Begriffes «Sabat» anstelle des christlichen Feiertags «Sonntag». Und dann die Verlegung des samstäglichen Sabat auf den christlichen Sonntag. 157 Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 83. 158 Joris, Elisabeth & Witzig-Schäppi, Heidi. (1992). Brave Frauen, aufmüpfige Weiber. S. 314. 159 Joris, Elisabeth & Witzig-Schäppi, Heidi. (1992). Brave Frauen, aufmüpfige Weiber.

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Finanzielle Unterstützung

Gedruckt mit Unterstützung der Ulrico Höpli-Stiftung, Zürich Mit Unterstützung von

Sponsoren Politische Gemeinde Wängi Ortsmuseum Wängi Raiffeisenbank Wängi-Matzingen Thurgauer Kantonalbank, Jubiläumsstiftung Kulturamt des Kantons Thurgau Evangelische Kirchgemeinde Wängi Katholische Kirchgemeinde Wängi VMA Media AG, Affeltrangen Volksschulgemeinde Wängi Thurgauische Kulturstiftung Ottoberg Theatergruppe Wängi Tony Brändle AG, Wängi Landi, Matzingen Isenring Holzbau AG, Wängi Optive AG, Wängi Marcel Bosshard Plattenbeläge, Wängi büchel gubler kuster, Wängi Schadegg AG, Wängi Werder Schreinerei AG, Wängi Garage Wäfler AG, Wängi Coiffure Marco, Wängi Murg-Garage GmbH, Wängi Hug Lüftungsmontagen GmbH, Tuttwil Diego di Roma, Wängi Karin Bauer, Frauenfeld

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Autoren

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Ernst Trachsler wurde 1941 geboren und wuchs in Frauenfeld auf. Nach einer Ausbildung zum Primarlehrer war er 1963 bis 1982 an der Primarschule in Wängi tätig. Anschliessend studierte er an der Universität Zürich Erziehungswissenschaft, Soziologie und Volkskunde. In der Folge konzentrierte er sich auf Forschung und Entwicklung in den Bereichen Schulsystem sowie Profession der Lehrberufe. Das Ortsmuseum Wängi betreute er nebenberuflich von 1964 bis 2011. In dieser Funktion war er verantwortlich für die Betreuung der Objekte im Zusammenhang mit der Familie Berkmüller. Ernst Trachsler wohnt heute in Winterthur.

Ruedi Götz wurde 1936 geboren und wuchs in Oberneunforn auf. In der Zeit nach seiner Ausbildung zum Primar- und später zum Sekundarlehrer war er an verschiedenen Lehrstellen tätig. 1966 kam er nach Wängi, wo er bis zu seiner Pensionierung als Sekundarlehrer unterrichtete. Von 1983 bis 2002 wirkte er als nebenamtlicher Sekundarschulinspektor des Kantons Thurgau. Von 1999 bis 2008 amtete er als Präsident des Stiftungsrates für das Orts­museum Wängi. In seiner Freizeit erstellte er eine einmalige Wängemer Foto­sammlung, welche er 2015 dem Ortsmuseum übergab. Für die vorliegende Publikation lieferte er die Fotos.


Wängener Hefte In der Reihe der Wängener Hefte sind bislang erschienen: Andreas Raas. (2008). Wängi – Der Weg von der Gerichtsherrschaft zur politischen Gemeinde. Wängener Heft 1. Ruedi Götz. (2011). 75 Jahre Naturschutzvereinigung Grütried. Geschichtlicher Rückblick und aktuelle Bilder. Wängener Heft 2. Andreas Raas. (2012). Von ländlicher Geborgenheit in die Neuzeit. Interpretationen von Bildern aus Wängener Fotoalben. Wängener Heft 3. Andreas Raas. (2014). 1864 – 2014. 150 Jahre Neuhaus Wängi. Wohn- und Pflegezentrum. Wängener Heft 4. Ernst Trachsler. (2018). Das Ortsmuseum Wängi – Geschichte und Geschichten. Wängener Heft 5. Ernst Trachsler. (2022). Auf Spurensuche im 19. Jahrhundert – Zeichnungen und Aquarelle von Johann Alphons Berkmüller. 1802 – 1879. Wängener Heft 6. Ernst Trachsler. (2022). Auf Spurensuche im 19. Jahrhundert – Gedichte von Katharina Berkmüller-Stutz 1809 – 1876. Wängener Heft 7. Die Wängener Hefte können, solange vorrätig, beim Ortsmuseum Wängi bezogen werden. Hermann Stamm: 052 378 19 76. Die Reihe soll fortgesetzt werden.

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Articles inside

Autoren

1min
page 155

Endnoten

14min
pages 146-153

Literatur und Quellen

9min
pages 139-145

Einblicke in das Gedichtbändchen für ihre Tochter Louise

11min
pages 109-138

Abschliessende Würdigung

7min
pages 105-108

Selbstvergewisserung

7min
pages 90-93

Verarbeitung von Leid

4min
pages 99-100

Sprache

3min
pages 102-104

Umgang mit Übergängen

1min
page 101

Beziehungspflege

6min
pages 86-89

Ihre hauptsächlichen Themen

2min
page 85

Fortsetzung in Wängi

2min
page 84

Erwerb des evangelischen Schulhauses

2min
pages 68-70

Vom Lesen zum Schreiben

1min
page 82

Erste Kontakte mit Literatur

11min
pages 76-81

Erste Veröffentlichung

1min
page 83

Erste Wohnung im katholischen Schulhaus

4min
pages 65-67

Die Tochter Louise

4min
pages 61-64

Gesundheit

5min
pages 57-60

Engagement im Dorf

1min
page 56

Schuhwerk und Kleidung

5min
pages 45-51

Bücher und Zeitungen

5min
pages 52-55

Alltag und Lebensstil bei Berkmüllers

4min
pages 42-44

Heirat mit Johann Alphons Berkmüller

8min
pages 33-37

Glaube und Konfession

6min
pages 38-41

Die Beziehung zu ihrem Bruder Jakob Stutz

11min
pages 26-32

Trost in der Musik

5min
pages 23-25

Katharina Berkmüller-Stutz im Ortsmuseum Wängi

5min
pages 8-13

Vorwort des Autors

1min
page 7

Dörfliches Leben um 1870

1min
pages 16-17

Das Murgtal im 19. Jahrhundert

1min
page 14

Heimweh

5min
pages 20-22

Grusswort des Gemeindepräsidenten

1min
page 6

Kindheit und Jugend im Zürcher Oberland

2min
pages 18-19

Textilindustrie

1min
page 15
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