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Dörfliches Leben um 1870

Alphons Berkmüller (1802 – 1879). Schäfliplatz Wängi mit Gasthaus Schäfli. Bleistift. 7.5 x 11.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. Zur zeitlichen Einordnung dient die Telegraphenleitung. Sie existierte ab 1866. BmKat. Nr. 20. Ortsmuseum Wängi. 15

Soweit Wylers Ausführungen. Wovon er nicht spricht, sind die Auswirkungen dieser industriellen Entwicklungen auf das Leben der Menschen. Gerne würden wir wissen, was diese Änderungen im Alltag der Wängemer Dorfbevölkerung3 und damit auch der Familie Berkmüller im Einzelnen bedeuteten. Wir beenden hier den kurzen wirtschaftshistorischen Exkurs und werfen einen Blick auf den damaligen Dorfplatz von Wängi. Da herrscht nämlich emsiges Treiben.

Dörfliches Leben um 1870

Im Mittelpunkt des Geschehens steht der Gasthof Schäfli mit seinem kunstvoll geschmiedeten Wirtshausschild. Anbindestangen für Pferde und eine Futterkrippe zeugen vom regen Verkehr vor allem auf der Hauptstrasse Frauenfeld – Wil. Zwei abgeschirrte Chaisen (einspännige Kutschen) stehen vor dem Gasthaus, jederzeit bereit, weiterzufahren. Die Kutschpferde sind nicht zu sehen. Sie befinden sich am Brunnen bei der Tränke oder sie sind für eine kurze Ruhepause im Stall eingestellt. Auch zum Hufschmied an der Dorfstrasse (heute Dorfstrasse 17) ist es ja nicht weit. Wer nicht mit der Kutsche reisen wollte, nahm das Pferd. Allerdings war die Haltung eines Reitpferdes nur wenigen

16 vorbehalten. Aus dem Kamin des Gasthofes steigt Rauch. Auf der Treppe drängen sich Leute. Sichere Zeichen, dass in der Gaststube reger Betrieb herrscht.

Auf dem Platz gehen die Dorfbewohner ihren täglichen Geschäften nach. Wo sich die Gelegenheit für einen Schwatz ergibt, hält man gerne einen Moment inne. Berkmüller hat als Buchhalter in der Weberei auf seinem Weg an die Arbeit den Schäfliplatz täglich überquert und war daher mit dem dortigen Treiben wohlvertraut.

Das alte Spinnereigebäude, welches später abbrannte, ist rechts im Hintergrund zu erkennen. Auf dem Dach sitzt ein Glockentürmchen. Das Glöcklein, welches ursprünglich auf der Burgkapelle des Schlosses Spiegelberg hing, rief die Arbeiterschaft zur Arbeit. Bereits 1832 bei der Eröffnung arbeiteten 160 Personen in der Spinnerei. Um 1870 – zum Zeitpunkt der Zeichnung – mögen es zwischen 200 und 300 gewesen sein. An ihren blauen Überkleidern und den Baumwollfusseln im Haar erkannte man sie sofort als Fabrikarbeiterinnen und -arbeiter, wenn sie nach ihrer Schicht über den Schäfliplatz nach Hause eilten; dies noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts.