Andreas Raas: 1864 - 2014 · 150 Jahre Neuhaus Wängi · Wängener Heft 4

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Andreas Raas

1864 – 2014 150 Jahre Neuhaus Wängi Wohn- und Pflegezentrum Wängener Heft 4


Auf der Suche

Beim Einrichten Im Mittelpunkt

In der Verantwortung

Für Ordnung und Disziplin

Im Wachsen und Entwickeln

Im neuen Neuhaus

Zum Schluss

Vorwort des Stiftungsratspräsidenten

1

Vorwort des Verfassers

2

Pfarrherren mit Ideen

3

Die drei Kirchgemeinden

8

Der Kauf des Neuhaus am 5. November 1864

11

Der Vertrag von 1864

12

Leben in der Anstalt

17

Die Insassen der Armenanstalt im Jahre 1866

23

Die Belegung der Anstalt

31

Die Präsidenten

32

Die Heimverwalter und Heimleiter

36

Die Hausmütter und Ordensschwestern

39

Armenhäuser in Buhwil, Frauenfeld, Tobel und Paris

43

Aus der Hausordnung von 1864

45

Besuchsberichte und Protokollauszüge

46

Von den mageren frühen Jahren zum Erfolg

52

Der wechselnde Grundbesitz

61

Entwicklung und Verschwinden der Landwirtschaft

64

Stete, aber zähflüssige Modernisierung

68

Bauen, bauen, bauen . . .

76

Die Armen im Geiste

94

Die Säulen des Neuhaus

100

Bewohnende und Mitarbeitende

103

Pflegegruppen, Dienste und Verwaltung

104

Stiftungsrat

109

Kommissionsmitglieder 1864 – 2014

110

Bildnachweis

113

Anmerkungen

114

Quellen

116

Anhänge

118

Ausblick und Visionen

128


150 Jahre im Dienste hilfsbedürftiger Menschen

Man schrieb das Jahr 1864, als die Katholischen Kirchgemeinden Aadorf, Tänikon und Wängi den Gasthof mit Herberge «Neuhaus» in Wängi erwarben und darin ein Heim für ihre armengenössigen Bürger einrichteten. Seither steht das Neuhaus im Dienste hilfsbedürftiger Menschen. Nur wenige Wohn- und Pflege­ institutionen im Kanton Thurgau können auf eine solch lange, ungebrochene Tradition zurückblicken! Der Stiftungsrat hat deshalb früh entschieden, zum 150-Jahr-Jubiläum die bewegte Geschichte des Neuhaus aufzuarbeiten und als Festschrift herauszugeben. In der Zwischen­ zeit ist es nicht bei einer einfachen Chronik geblieben, sondern Sie halten nun das umfassende Wängener Heft Nr. 4 in den Händen! Es freut uns sehr, dass sich der Werdegang des Neuhaus in die Tradition dieser Heftreihe einfügt. Es war ein Glücksfall, dass wir Andreas Raas als Autor der Festschrift gewinnen konnten. Er kennt unser Haus seit langer Zeit und hat aus verschiedenen Gründen einen engen Bezug dazu. Bei der Durchsicht des kistenweise vorhandenen Archivmaterials hat er in den letzten

zwei Jahren manche spannende Stunde im eigens für ihn eingerichteten Büro im Neuhaus erlebt. Es ist dem Verfasser sehr gut gelungen, den langsamen, fast unmerklichen Übergang des Neuhaus von der Armenanstalt im Jahr 1864, zum Bürgerheim 1945, zum Altersheim 1961, zum Alters- und Pflegeheim 1995 und schliesslich zum heutigen Wohn- und Pflege­ zentrum zu beschreiben. Dieser Übergang hatte seine eigene Dynamik und widerspiegelt in manchem Detail die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der letzten 150 Jahre. Wir danken Andreas Raas herzlich für seine wertvolle Arbeit. Ebenso geht ein Dank an Ruedi Götz für seine Mitwirkung in der Bild­ gestaltung. Wir danken aber auch den verschiedenen Gönnern, die einen finanziellen Beitrag zur Herausgabe dieser Schrift geleistet haben. Wir freuen uns, wenn das vorliegende Werk bei Jung und Alt sowie bei Menschen aus Nah und Fern Anklang findet. Für den Stiftungsrat der Stiftung Neuhaus: Linus Schwager, Präsident


Die dunkle Seite der Geborgenheit

Den Werdegang einer Wohn- und PflegeInstitution zu beschreiben, scheint wenig reizvoll. Wenn nicht ganz besondere Ereignisse oder Persönlichkeiten auftreten, bleibt der Unterhaltungswert bescheiden. Fatal für eine Festschrift, die etwas lockerer daherkommen sollte als ein historisches Traktat! Der Reiz des Neuhaus hingegen liegt in seiner langen, bewegten und teilweise wilden Vergangenheit als Sammelbecken vom Schicksal geschlagener und verkrachter Existenzen und im oft hilflosen Bemühen der Verantwortlichen, die Ungerechtigkeit des Lebens zu mildern und wenigstens den Anschein gesellschaftlicher Ordnung zu wahren. Neuhaus-Jubiläum ja – warum aber Wängener Heft 4? Das 2012 erschienene Wängener Heft 3 zeigt unter dem Titel «ländliche Geborgenheit» fast ausschliesslich Bilder, die man als Zeugen einer heilen Welt bezeichnen könnte. Andere Aufnahmen, welche die düstere Seite der Zeit um 1900 illustrieren könnten, sind schlicht nicht vorhanden.

Diese Lücke schliesst nun der Bericht über das Armenhaus, da er eine Ahnung von den Leiden der Menschen vermittelt, die keine Geborgenheit kennen. Materielle Zwänge machen das Dasein zum erbarmungslosen Überlebenskampf, und es ist kein Wunder, dass Franken und Rappen stets das Bild beherrschen. Davor werden auch die Leserinnen und Leser dieser Schrift nicht bewahrt werden.

Andreas Raas, von 1858 an während 2 Jahrzehnten Pfarrer in Wängi, genoss in unserer Familie eine gewisse Verehrung. Sein Selbstporträt und seine Darstellung der Wängener Kirche sind erhalten geblieben und mir seit meiner Jugend ebenso vertraut wie die überlieferte Schilderung seines geselligen Wesens. Ich wage es, ihn für eine kurze Zeitspanne ins Leben zurückzurufen. Andreas Raas


Auf der Suche Pfarrherren mit Ideen

Es war kein fröhlicher Pfarrer Raas, der an einem Sommermorgen des Jahres 1864 sein Pfarrhaus verliess und sich auf den Weg in östlicher Richtung begab, um nach einem kurzen Marsch das ehemalige Wirtshaus «Schürli» – auch «Neuhaus» genannt – zu erreichen. Was den seit sechs Jahren in Wängi lebenden Geistlichen bewegte, war die Frage, was mit den besitzlosen Almosengenössigen der Pfarrei geschehen sollte. Abgeschafft war der bisherige Brauch, wonach mittellose Personen und Familien an den günstigsten Anbieter «verkostgeldet» wurden oder als «Umesser» der Reihe nach in den Häusern der Wohlhabenden ihr Leben fristeten.1

Selbstporträt auf Öl

Praktisch jede Ortsgemeinde hatte mit ihrem Armenfonds eine Unterkunft für die Armen eingerichtet, auch die Ortsgemeinde Wängi.2 Diese Lösung konnte aber auf die Dauer nicht befriedigen, da mehr als die Hälfte der Ortsgemeinden weniger als 400 Einwohner aufwiesen und ausserstande waren, das Armen­ wesen zweckmässig zu organisieren.3

Pfarrhaus und Kirche nach der Renovation von 1864, gezeichnet von Pfarrer Andreas Raas

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Pfarrherren mit Ideen

Neben den Bestrebungen, die Eheschliessung von Armen zu verhindern, erwogen die geplagten Gemeinden nicht selten, deren Zahl durch Auswanderung zu vermindern, indem sie ihnen die Reisekosten vorstreckten. Paul Pfaffhauser vermutet eine solche Abschiebung in der Evangelischen Kirchgemeinde Wängi, da ein Briefwechsel der Behörde mit armen Bürgern in Amerika vorhanden ist. Ein früher Versuch der Evangelischen, ein Armenhaus zu schaffen, war ohne Erfolg geblieben.4 Hartnäckig hielt sich in Wängi ein Gerücht, wonach etwa 1934 die mittellose Frau B., die zwei Kinder geboren hatte und 1931 wahrscheinlich während 44 Tagen im Neuhaus weilte, sterilisiert worden sei. Wenn man Menschen auf dem Weg zum Jakobsbad sah, konnte man nicht ohne weiteres erkennen, ob sie Befreiung vom Rheumatismus oder von der Armut suchten. Im Jahr 1879 wanderten 56 Thurgauer nach Nordamerika aus, drei Jahre später, auf dem Höhepunkt, waren es 259.5

Inserate des Jakobsbad-Wirts in der Thurgauer Zeitung vom April und Mai 1864

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Es überrascht, dass die Armut auch verdiente Staatsmänner erfasste, die der gesellschaftliche Abstieg nach ihrem Rücktritt nicht selten in den Selbstmord trieb.6 Alt und arm waren überall nahe beisammen.


Pfarrherren mit Ideen

Das Armengesetz von 1861 hatte die Situation der schlecht geführten Armenhäuser verbessert, indem es die Leitung des Armenwesens von den 212 Ortsgemeinden auf die 122 Kirchgemeinden übertrug. Die 74 Munizipalgemeinden wären dafür noch geeigneter gewesen, doch fehlten hier die nötigen Armenfonds.7 So sollte es ein volles Jahrhundert lang bleiben. Nur die Betreuung der Waisen war Sache der Munizipalgemeinde, die für dieses Amt einen eigenen Kurator oder Waisenvogt bestimmte. Die katholische Kirchenvorsteherschaft Wängi hatte auf das neue Gesetz rasch reagiert und am 6. Oktober 1861 für 7050 Franken ein Heimwesen erworben, das Weyerhölzli.8 Die Ortsgemeinde übernahm, wie allgemein üblich, die Hälfte des Armenhaus-Defizits. Keine dauerhafte Lösung! Harte Klagen gegen die Haushälterin beschäftigten die Behörde, dann folgte die Aberkennung der Anstalt durch den Regierungsrat wegen schlechter innerer Einrichtung und üblem baulichem Zustand und darauf die scharfe Aufforderung des Bezirks­ amtes Tobel, samt Bussandrohung, das Heim bis Februar 1864 aufzuheben und die Armen anderswo unterzubringen.9 Diese Überraschung war umso unangenehmer, als die gerade angelaufene Kirchenrenovation fast die ganze Ablösungssumme von 34 660 Franken aus der aufgehobenen Komturei Tobel verschlingen würde.10

Erste Erwähnung Die 1780-86 gebaute Landstrasse Frauenfeld-Wil auf der Planskizze Joh. Ulrich Müllers von 1779. Ausschnitt des Wenge-Gerichts mit «Scheürli» und Ebenholz.

Die volle Verantwortung trug Pfarrer Raas, als Seelsorger und als Präsident der Kirch­ gemeinde. Mit schweren Gedanken belastet, hatte er nach den letzten Häusern des Dorfes den beidseits von Wiesen und Äckern gesäumten Weg zurückgelegt und befand sich nun auf der Landstrasse vor dem Neuhaus. Eine Armenanstalt im Schürli? Der Bauer und Wirt Wilhelm Meier stand vor seiner Liegenschaft, nicht mehr so selbstbewusst, aber immer noch redselig wie in früheren Zeiten. «Ja, wissen Sie, Herr Pfarrer, seitdem im Murgtal die Strasse gebaut wurde – ich durfte ja anno 42 mitsamt den fluchenden Tuttwilern Fronarbeit leisten und mir mein eigenes Grab schaufeln – und dann das Katastrophenjahr 1847, wo sogar der Staat uns Wängenern mit Korn aushelfen musste – da geht hier auf der alten Landstrasse gar nichts mehr. Keine Poststation, kein Pferdewechsel, zwei grosse leere Wirtsstuben, hier gerade in der Mitte zwischen Wil und Frauenfeld. 5


Pfarrherren mit Ideen

Das Schürli auf der Ansichtskarte von 1904. (Wie der Name Schürli etwa 1880 vom Neuhaus auf den 250 Meter nordwestlich liegenden Bauernhof überging, ist nicht bekannt.)

Wenn ich denke, dass mein Vater anno 1799 als Junge noch erlebte, wie der österreichische Feldmarschall Petrasch mit seinen Bataillonen, Reiterschwadronen und 11 Kanonen im Eilmarsch von Wil nach Frauenfeld durchzog, um sich dort bei den Franzosen und Helvetiern eine blutige Nase zu holen, und wie die geschlagene Truppe auf dem Rückzug alle Vorräte wegfrass und wegsoff, versteht sich: ohne zu zahlen – ein Glück, dass sie dem Wirt nicht die Hütte über dem Kopf anzündeten! – und jetzt – wie auf einem Friedhof! Und die Landwirtschaft – hol’s der Teu-! Verzeihung, Herr Pfarrer!»11 «Also wären Sie immer noch bereit, Haus und Hof zu verkaufen?» – «Je schneller, desto besser. Für Geld und gute Worte, vor allem für das erstere. Aber wie soll das gehen? Wenn Sie hier eine Armenanstalt einrichten wollen: Wieviel Arme gibt es überhaupt in der Pfarrei?» – «Vielleicht zwanzig.» – «Das wird nicht rentieren. Ins Haus können Sie mindestens doppelt so viele hineinmosten, mit der Scheune das Dreifache.» – «Genau! Euer Pfarrer wird sich da etwas einfallen lassen. Sie hören noch von mir. Grüss Gott!»

Als 1830 die Sulzbergerkarte entstand, war die Welt für den Schürli-Wirt noch in Ordnung: Im wilden Murgtal gab es bis 1842 keine richtige Strasse und der ganze Verkehr zog auf der alten Landstrasse am «Scheuerli» vorbei. Die geplante Murgtalstrasse ist mit einer braunen Linie angedeutet.

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Pfarrherren mit Ideen

Die verheerende Wirkung des Alkoholismus hatte der in Frauenfeld aufgewachsene Raas schon bei einem seiner zahlreichen Vettern miterlebt, der als ehemals geachteter Amtsmann ins Elend geriet. Thurgauer Amtsblatt vom 30. April 1853

«Ja,» dachte sich der Pfarrer auf dem Heimweg. «Das Gütchen liegt ideal für eine Armenanstalt, entfernt vom Dorf und von den Wirtshäusern. Eigentlich paradox, dass gerade ein ehemaliges Wirtshaus dazu dienen soll, die Armen von ihrem grössten Feind und einzigen Trost fernzuhalten: vom Alkohol.» Geistliche Kollegialität Einen fröhlichen Pfarrer Raas hätte man gesehen, wenn man durch die Fenster des Gasthauses geblickt hätte, wo er sich mit seinen lieben Kollegen traf, nämlich mit den Pfarr­herren Ignaz Josef Kurz von Aadorf und Konrad Kuhn von Tänikon. Alle drei waren ehemalige Theologiestudenten der Universität Tübingen12 und in gleicher beruflicher Stellung. Gern entflohen die geistlichen Herren ihrer isolierten und exponierten Situation in den Dörfern und schwelgten bei ihren regel­mässigen Treffen – fern von Pfarreisorgen und Haushälterinnen – in Erinnerungen an ihre Studentenzeit, machten sich über ihre gemeinsamen alten Professoren lustig und entwarfen ganz beiläufig noch nützliche Projekte.

Aus Tänikon kam Pfr. Konrad Kuhn (1829 – 1901), der später durch seine historischen Arbeiten bekannt wurde. Er wechselte 1866 von Tänikon nach Frauenfeld. Von Ignaz Josef Kurz (1837 – 1890) ist kein Bild vor­ handen. Er war seit 1863 Pfarrer in Aadorf und zog 1865 nach Herdern.

Das grösste Projekt der Geistlichen war die Gründung der Armen­anstalt Wängi, bestimmt für die Katholiken der ganzen Region.

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Die drei Kirchgemeinden Die Zusammenstellung vermittelt einen ungefähren Eindruck von den Zahlenverhältnissen in der Gründungszeit der Armenanstalt. Die Zuordnung der einzelnen Orte zu den Pfarreien basiert auf Pupikofers «Gemälde der Schweiz» von 1837. Allfällige Veränderungen bis 1870,

als erstmals die Einwohnerzahlen der Ortsgemeinden statistisch erfasst wurden, sind nicht berücksichtigt. Die Bleistiftzeichnungen stammen von Joh. Alfons Berkmüller (1801 – 1879), Wängi.

Aadorf

katholisch

evangelisch

Total

379 +

365 +

Die bis in die Neuzeit vereinzelten katholischen Einwohner von Aawangen (9 Katholiken, 243 Protestanten), Häuslenen und Weiern gehören seit jeher zu Aadorf. Bis 1961 wurden die wenigen Katholiken der zürcherischen Grenz­ orte Elgg, Hagenbuch u.a. von Aadorf betreut. Über die Zuordnung von evangelisch Aawangen, Häuslenen und den Orten im Gebiet des zürcherischen Schneitbergs fehlen zuverlässige Angaben.13

8


Tänikon

katholisch

evangelisch

Ettenhausen

296

7

Guntershausen 376

24

Total

31

672

Die Äbtissinnen des (1848 aufgehobenen) Klosters Tänikon hatten dafür gesorgt, dass in ihrer Gerichtsherrschaft die Katholiken zahlreich blieben.

Wängi

katholisch

evangelisch

Wängi

464

1049

Matzingen

46

645

Stettfurt

57

403

Wittenwil

124

297

Total

691

Die protestantische Pfarrei Wängi bildete seit dem Tagsatzungsbeschluss von 1602 bis 1858 eine Filiale der Pfarrei Aadorf.14 Die Ortsgemeinde Wittenwil gehörte kirchlich zu Wängi, lediglich der Ortsteil Weiern zu Aadorf. Evangelisch Matzingen hatte sich 1518 von Wängi gelöst, Stettfurt 1751.15 9


Die drei Kirchgemeinden

Armenfürsorge als Dauerbelastung Es ist kaum zu ermessen, welchen Aufwand die Pfarrherren für das Armenwesen er­ bringen mussten. Die Protokolle zeugen von mindestens allmonatlichen Sitzungen, in denen zeit- und kräfteraubende Massnahmen beschlossen wurden. Neben den örtlichen Armen­genössigen waren Pfarrei-Angehörige zu berücksichtigen, die irgendwo in der Schweiz oder im Ausland in Armut lebten. Für ihren Unterhalt trafen Rechnungen ein. Diese mussten gründlich begutachtet werden: Was war billiger, die geltend gemachten Unterhaltskosten zu bezahlen oder die Abschiebung der Leute hieher in die Heimatpfarrei zu riskieren? Es war ein hartes Geschäft, in dem um jeden Franken gerungen wurde. Nachdem Wängi Anfang 1887 dem Pfarramt Glarus für Marie Leutenegger die verlangten 10 Franken pro Monat bewilligt hatte, wurde der gleiche Ansatz später auch für Josepha Leutenegger verlangt. Wängi offerierte 5 Franken. Glarus war einverstanden, wollte aber die 5 Franken auch für die 3 abgelaufenen Monate. Wängi lehnte ab. Damit war die Geduld der Glarner erschöpft und Josephas Name erschien wieder im Rodel des Neuhaus. Ob sie selber damit einverstanden war, spielte keine Rolle. Wer armengenössig war, hatte kein Recht auf Selbstbestimmung.16 Hinter den nackten Zahlen verbargen sich Schicksale: So musste 1890 über das Gesuch von Dr. Henggeler in Glarus entschieden werden, der für die ärztliche Behandlung der 10

verstorbenen Pflegekinder aus einer Aadorfer Familie 41 Franken verlangte. Das Gesuch wurde abgewiesen, da der Arzt vorgängig keine Anzeige an die Kirchenvorsteherschaft gemacht hatte. Im Vorjahr war die Rechnung einer Aadorfer Familie für ihre «Mühewaltung» bei der Krankheit und Beerdigung des «verkostgeldeten» Mädchens Albertina Dek von 15 ½ auf 10 Fr. reduziert worden.17 Es waren vor allem die kirchlichen Behörden, welche sich bemühten, die Ursachen der Armut zu beheben; und da stand der Gedanke an arbeitsintensive und lohnende Tätigkeiten im Vordergrund – d.h. die ersten bescheidenen Formen der Industrialisierung. Schon 1817 hatte die evangelische Kirchenvorsteherschaft der kantonalen Armen­ kommission mitgeteilt, dass sie die benötigte Baumwolle angekauft habe und diese den Armen zum Verarbeiten austeilen werde. Der tägliche Verdienst wurde von der Orts­gemeinde durch eine Zulage praktisch verdoppelt.18 Das Bild der Industrie-Pioniere schwankt zwischen den idealistischen Rettern einer verarmenden Gesellschaft und den hemmungslosen Ausbeutern einer wehrlosen Arbeiterschaft. Typisch ist das neue Wort «Industrie­barone».


Der Kauf des Neuhaus am 5. November 1864

Grundbuchauszug Wilhelm Meier im Neuhaus bey Wengi, fertigt den löbl. katholischen Kirchgemeinden Wengi, Aadorf und Dänikon, laut Kaufvertrag vom 17. Octobr 1864.

Der Kauf ist ergangen für die Summe von F. 33,500. Franken Dreiundreissigtausend u fünfhundert, unter folgenden näheren Bedingungen: 1. Sämtliche Kaufobjekte werden abgetretten mit den bisherigen Rechten und Beschwerden, jedoch Grundzins und Zehntfrey. 2. Kaufsantritt bei Ratifikation des Vertrags. 3. Die Kaufsumme ist nachstehenderweise zu bezahlen: a) F. 22,000 durch Überweisung an die Pfandkreditschaft nebst Zins von Jakobi 1864 an à 4¾ %. b) F. 6000 mit der Ratifikation an den Verkäufer. c) F. 5500 bei der Fertigung an den Verkäufer.19

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Beim Einrichten Der Vertrag von 1864 Da haben sich die drei Pfarrherren mit ihren Kirchgemeinden in eine Sache eingelassen, die ihre Finanzkraft und ihre organisatorischen Fähigkeiten während mehr als zwei Jahrzehnten aufs Äusserste beanspruchen wird. Die Statuten des auf 10 Jahre geschlossenen Vertrags legen fest, dass eine Armen­ kommission von 6 Mitgliedern die Anstalt leitet. Jede Gemeinde hat 3 833 Franken an das Kapital und 2000 Franken an die Betriebskosten zu leisten. Die Leitung wird im 3-Jahres-Turnus durch die Pfarrherren von Aadorf, Tänikon und Wängi ausgeübt.

Die Annahme und Genehmigung dieser Statuten durch die betheiligten kath. Kirchgemeinden bezeugt: Namens der Kirchgemeinde Aadorf: J. Kurz, Pfr. Tänikon: Kuhn, Pfr. Wängi: And Raas, Pfr. Actum 29 December 1864

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Der Vertrag von 1864

Man trifft sich jährlich 2 – 3 mal zu Sitzungen, abwechslungsweise in einer Wirtschaft der drei Kirchgemeinden. Wenn man Distanzen, Verbindungswege und das einzige Verkehrsmittel Pferd (sofern verfügbar) berücksichtigt, wundert man sich nicht über Abwesenheiten «wegen ungünstiger Witterung». Der Stolz von Pfarrer Raas auf sein Werk zeigt sich in seinen 59 Besuchen während der ersten zwei Jahre und auch darin, dass er seinen geistlichen Vater, den Dekan Caspar Rogg von Frauenfeld, zu einem Besuch einlädt. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Raas die Anstalt mit einem Marsch von gut 5 Minuten erreichen kann, während seine Kollegen dafür mindestens eine halbe Tagesreise einsetzen müssen. Umso mehr ist anzuerkennen, dass auch sie als Präsidenten ihre Besuchspflicht erfüllen.

Die erste Sitzung der Kommission am 4. Dezember 1864 Opus Ad Maiorem Dei Gloriam Abgesehen davon, dass es ein «Werk zur höheren Ehre Gottes» sein soll, ist von einer Strategie der Anstaltsführung oder gar von einem Leitbild nicht die Rede; man begnügt sich mit der pragmatischen Festlegung von Verhaltensweisen und Erwartungen.

Das spätere Nachlassen der Besuchsdisziplin wird von Pfr. Ott 1875 ironisch kommentiert. Als Pfleger Höpli wünscht, das Turnusbüchlein in Umlauf zu setzen, schreibt er, noch besser wäre es, die Kommissionsmitglieder selbst würden sich in der Anstalt in Umlauf setzen. Sonst sind ironische Kommentare in den Protokollen selten. Historisch bedeutsam, dass Pfarrer Sprecher 1933 scherzhaft bemerkt, die Wahlen in den Vorstand seien ruhiger verlaufen als im nördlichen Nachbarland: Dort wurde gerade Hitler zum Reichskanzler gewählt. Noch ahnte man nicht, was daraus entstehen sollte.

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Der Vertrag von 1864

Ein zentrales Thema in den Statuten und in den Verhandlungen der Kommission bilden die Finanzen, die nach den folgenden Grundsätzen geregelt werden: • es wird eine Oekonomie- oder Güterrechnung geführt, deren Defizit gleichmässig auf die Vertragsgemeinden verteilt wird. • daneben gibt es die Haushaltrechnung, welche die Belange der Insassen umfasst, also Kost und Logis, Kleider und weitere Bedürfnisse. Das entstehende Defizit wird den Gemeinden nach Anzahl ihrer Insassen belastet. • für beide Rechnungen sind gesonderte Tagebücher zu führen. In der Jahresschlussrechnung werden die Ergebnisse zusammengeführt.

Die Rechnung von 1866 im Ortsmuseum Wängi. Vom ersten Betriebsjahr 1865 ist keine Rechnung aufzufinden.

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Das Hauptproblem besteht wohl darin, dass die meisten Produkte der Oekonomie (Milch, Kartoffeln, Eier, Brot, Fleisch, etc) vom Haushalt «angekauft» werden und dort als Ausgaben erscheinen. Die Preise dieser Nahrungs­ mittel werden immer wieder beanstandet. Die Oekonomie-Rechnung erzielt somit Einnahmen. Andrerseits schuldet sie der Haushaltrechnung die Arbeitslöhne der Insassen, die in der Landwirtschaft beschäftigt werden. Auch über die Höhe dieser Löhne verständigt man sich nur mühsam.


Der Vertrag von 1864

Daneben generieren sowohl der Haushalt als auch die Ökonomie durch Ankauf und Verkauf von Produkten und durch Dienstleistungen ausserhalb der Anstalt weitere Ausgaben und Einnahmen, die schwierig zu verbuchen sind. Die verlangte Unterscheidung von betrieblichen und wertvermehrenden Aufwendungen ist unklar, ebenso die finanzielle Bewertung von Gebäuden, Grundstücken, Viehbestand und Inventar. Erst ab 1946 wird ein Fachmann das Rechnungswesen betreuen. Es überrascht nicht, dass die durch den Pfarrer und den Verwalter gemeinsam erstellte Gesamtrechnung ein Gemisch von Zahlen bildet, das schwer zu durchschauen ist. Das Studium der Theologie erweist sich im Finanzbereich als wenig nützlich. Die Genehmigung durch die Kirchenvorsteher und die Gemeinden ist problematisch. In den Anfängen wird die Rechnung schlicht verlesen – was wohl über eine Stunde dauert – und dann verabschiedet. Originell ist die in diesem Zusammenhang auftauchende Formel, dass die Rechnung «arithmetisch genehmigt» wird, d.h. man hat offenbar keine Additionsfehler gefunden. Die Bemerkungen der Revisionsinstanzen, nämlich der Vorsteherschaften und des Bezirksrates, führen eher zu Verwirrung als zu Klarheit. Tiefschürfende Bemerkung 1874: «Die Milch, welche im Stalle zum Säugen verwendet wird, braucht nicht speziell auf­ geschrieben zu werden, weil der Wert derselben in den Saugkälbern erscheint.»

Die Rechnungsbelege bestehen aus sparsamen, mit Schnur zusammengehefteten Zetteln. Beispiel: «Von der Verwaltung des Armenhauses Neuhaus den pro Martini 1876 verfallenden Zins von 700 Franken Capital à 4 ½% mit 31 Fr. 50 Rp. zu Handen des kath. Pfrundfonds empfangen zu haben, bescheint And Raas Pf.» Damit ist er gleichzeitig Gläubiger und Schuldner.

Rechnung von 1866: «Dieses Vermögen ist aber vermindert respektive vermehrt worden durch den Mehrwert des Gutes laut Commissions­beschluss und durch Vermehrung des Inventars, das nicht in den Einnahmen aufgeführt wurde.» Die Hilflosigkeit der Beurteilung äussert sich in Details: «In Zukunft sollen die Ausgaben fürs Rasieren reduziert werden.»

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Der Vertrag von 1864

Revisionsbemerkungen vom 12. Dezember 1871 zur Rechnung 1869 Die obige Inventarsumme von Fr. 391.70 aus der Rechnung 1869, welche nebst der Barzahlung von Fr. 945.23 der Ökonomie abzutreten war, wurde nun unrichtig in die Einnahmen der Haushaltsrechnung aufgenommen; es sind somit Fr. 391.70 zuviel vereinnahmt und demnach hätte die Haushaltsrechnung 1870 diese Summe noch zu vergüten nach den Verpflegungstagen. Da aber am Schlusse pro 1869 durch un­richtige Bilanz nur Fr. 263.07 als vermeintliches Deficit von der Ökonomie unrichtig eingezogen wurden, so wird diese Summe aquirirt. So sind demnach nur diese Fr. 263.07 auf Kosten der Haushaltsrechnung pro 1870, also nach den Verpflegungstagen, zu vergüten. • Deren sind im Ganzen 4555; trifft per Tag 5,777 Rappen=Fr. 263.07. • Aadorf mit 79 Verpfl.tagen hat daran zu leisten 79 x 5,777 Rp = Fr. 4.56 • Tänikon mit 3074 Verpfl.tagen hat daran zu leisten 3074 x 5,777 Rp = 177.57 • Wängi mit 1402 Verpfl.tagen hat daran zu leisten 1402 x 5,777Rp = 80.94 Total 263.07 Der Ausdruck «aquirirt» tönt nicht schlecht. Mit etwas Fantasie kann man sich darunter Verschiedenes vorstellen.

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Roman Krucker, Stiftungsratsmitglied und Fachmann in Finanz- und Rechnungswesen, der sich ebenfalls in die Rechnung 1866 vertiefte, kann aufgrund historischer Quellen bestens nachvollziehen, dass Fr. 45.77 an Brand-, Mobiliar- und Flursteuer sowie Hagengeld und Försterlohn zu entrichten waren. Hingegen hat er bei der Begründung der Kirchensteuer von Fr. 16.– seine Zweifel, da die Kirchgemeinde ja Mitbesitzerin der Anstalt ist und im Prinzip sich selbst besteuert. Da muss man die Schlauheit der Wängener Kirchenvorsteherschaft bewundern, der es auf diese Weise gelingt, für ihre kirchlichen Aufwendungen auch die beiden Partnergemeinden Aadorf und Tänikon mit je einem Drittel zur Kasse zu bitten. Die Rechnung 1866 mit Inventar umfasst 12 grossformatige Seiten. Das Vermögen, bestehend aus Liegenschaft, Mobiliar, Naturalien und Kassensaldo beträgt 45 105 Franken. Die Passiven, bestehend aus Bankhypothek, Guthaben der Gemeinden und Obligationen, betragen 45 600 Franken.


Leben in der Anstalt

Reglement und Hausordnung Eine der ersten Aufgaben der Kommission ist die Schaffung eines Reglements samt Hausordnung. Von den 38 Paragraphen eine kleine Auslese: Hausvater und Hausmutter werden die Armen human, aber doch mit Ernst und gegenseitigem Takt behandeln. Der Hausvater schaltet und waltet ausser Hause, die Hausmutter aber im Haus. Darum steht die Aufsichtspflicht dem Hausvater vorzüglich auf dem Feld und im Stall, überhaupt ausser dem Hause zu, der Hausmutter im Hause. Die Hausmutter wird vorzüglich für die häusliche Erziehung der Kinder besorgt sein, mit dem Grundsatz Bete und arbeite. Die befähigten Kinder sollen zu arbeits­fähigen Menschen herangebildet werden, die nach Möglichkeit zu Haus-, Stall- und Feldgeschäften angehalten werden. Jüngeren Kindern und schmächtigen alten Leuten muss aber leichte Beschäftigung wie Spulen, Spinnen, Baumwollenverlesen etc gegeben werden, wofür die Hausmutter ein Arbeitsverzeichnis zu führen hat. Zur Sommerzeit stehen die Gesunden in der Regel um 5 Uhr, zur Winterszeit um ½ 7 Uhr, nach Bedürfnis und spezieller Anordnung auch früher auf. Zur Nachtruhe begeben sie sich in der Regel im Sommer von ½ 9 bis 9 Uhr und im Winter um 7 bis ½ 8 Uhr. 17


Die Armengenössigen haben an Sonn- und Feiertagen unter Aufsicht der Schwestern am Vor- und Nachmittag die Kirche zu besuchen und wieder zurückzukehren und dürfen sich nur mit besonderer Bewilligung der Vorsteherin von der Anstalt entfernen. Zusatz 1928: An Sonn- und Feiertagen wird nachmittags ein Rosenkranz gebetet, an dem die Insassen teilnehmen müssen. Ein Anlauf, diesen Brauch einzuschränken, wird am 17. Februar 1938 von der Kommission abgelehnt.

Die Kinder sollen eine gute Schulbildung geniessen. Sie haben die kath. Schule in Wängi und den Religionsunterricht fleissig nach gesetzlicher Vorschrift zu besuchen. Die Armenkommission entscheidet, ob die Kinder länger als die gesetzliche Frist die Schule zu besuchen haben. Die Zeichnung zeigt das katholische Schulhaus an der Verzweigung Dorfstrasse-Wiesengrundstrasse. Wie noch etwa 100 Jahre lang üblich, springen die Kinder dem Geistlichen zur Begrüssung entgegen. 1893 beschliesst die Kirchenbehörde Wängi, die männlichen Anstalts-Insassen hätten auf der Empore Platz zu nehmen.20 Schon 10 Jahre vorher hat der thurgauische Regierungsrat verfügt, dass die Insassen der Zwangsarbeitserziehungsanstalt Kalchrain beim Gottesdienstbesuch in Hüttwilen von den übrigen Gläubigen räumlich getrennt würden, was durch eine eigene «Nonnenempore» links oberhalb des Chors erreicht wird.21 Kirche Hüttwilen, 1964 durch Neubau ersetzt. 18


Leben in der Anstalt

Die Nahrung der Armenanstalt besteht in der Regel Morgens in Suppe, Hafermus oder Kaffee, Mittags in Suppe und Gemüse und Abends wie Morgens. Mass und Gewicht in Zuteilung der Nahrung bestimmt nach Bedürfnis im Allgemeinen die Commission. Je nach Bedürfnis und Umständen bestimmt noch Mehr oder Weniger in einzelnen Fällen die Hausmutter und für die Feldarbeiter der Hausvater.

Actum, 29. Dez. 1864 (Sitzung der engeren Commission) Tischzeddel für das Armenhaus per Tag auf eine Person:

Die Kommission beschliesst den «Tischzeddel», der in der Folge immer wieder verändert wird.

Zwar ist 1834 das Dezimalsystem in Massen und Gewichten von einer Mehrheit der Kantone, auch vom Thurgau, eingeführt worden. Doch bleiben alte Gewohnheitsmasse erhalten: • das Konstanzer Pfund, das 40 oder 32 Loth zählt, etwa 480 – 600g • das Loth etwa 15 Gramm. • der Schoppen etwa 4 Deziliter

Kaffee Brod Erdäpfel Mehl Hafermus Schmalz Salz Milch Aufsichtspersonal

/7 Loth 18 Loth 2 Pfund 28 Loth 5 Loth 5 1 1 3 Pfund, 26 4 /7 Loth 1 1 / 5 Schoppen Fleisch 1 Pfund 4

1 ½ Rappen 8 ½ ” 11 ½ ” 2 ½ ” 3 ” 3 ½ ” 1 ½ ” 32 Rappen 6 ” 50 ” Kuhn, Aktuar

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Leben in der Anstalt

Der im Altbau neben der Küche ausgebaute Ess-Saal ist für 65 Personen berechnet. Er ist hier bereits mit Steingut-Geschirr versehen: die Aluminiumteller sind verschwunden.

Neuer verbindlicher Speisezeddel von 1870 1. Es soll den Armen Fleisch verabreicht werden an Ostern, Pfingsten, Weihnachten und allen Feiertagen des Jahres, ¼ Pfund pro Person. 2. An Sonn- und Feiertagen und an einem Werktag unter der Woche Morgens Caffee, Samstagmorgens Hafermus, an den andern 4 Morgen eine Suppe. 3. Vom 1. April bis 30. Sept. um 9 und um 4 Uhr für die nicht Arbeitenden ¼ Pfund Brot; für die Arbeitenden 1 ½ Vierling Brot mit Most. 4. Sonntag Mittag Knöpfle mit Gemüse, wie es die Jahreszeit mit sich bringt. 5. Am Mittag der Werktage Kartoffeln, nach Belieben verschiedenartig zubereitet mit der Jahreszeit ent­sprechenden Gemüsen. 6. Nachtessen: Suppe, Hafermus, Kartoffeln. 1884 rügt der Verwalter, dass 6 Wochen lang die gleiche Suppe serviert worden ist. In der Euphorie des Rechnungsabschlusses von 1898 wird beschlossen, es solle den Armen an den Hauptfesttagen zum Mittagessen Kalbfleisch verabreicht werden, und die Butter solle nicht allzu sehr gespart werden.

Der renovierte Speisesaal im Altbau wird bis 2007 benützt.

20

Die Kassabücher zeigen, dass nach Möglichkeit das billige Assekuranzfleisch eingekauft wird, d.h. von Notschlachtungen verletzter oder kranker Tiere.


Leben in der Anstalt

Ab 1930 wird auch die Abgabe von Tabak – etwa 50 Gramm für 14 Tage – erwähnt, ebenso: «Ein weiterer Wunsch der Insassen, neben dem Sonntag noch an einem Wochentag Fleisch zu verabreichen, findet angesichts der gutgenährten Insassen keine Mehrheit.» Nach der Inspektion der Anstalt im Jahr 1931 empfiehlt der Bezirksrat Münchwilen, «eine gelegentlich etwas abwechslungsreichere Kost in Aussicht zu stellen». 1929 vermacht Frau Anna Eugster-Frei, St. Gallen, dem Heim Fr. 500.– Der Zinsertrag soll so verwendet werden, dass in der Woche von Weihnachten oder Neujahr jedem Insassen eine Wurst mit Brot und eventuell mit einem Glas Most oder Wein verabreicht wird. Unterkunft Im Inventar von 1879 werden die Schlafzimmer für Männer, für Knaben und für Frauen aufgeführt. Sie sind ausgerüstet mit • 29 Bettstatten à Fr. 11.50 • 8 Bettstatten à Fr. 8.– • 12 Laubsäcken à Fr. 4.50 • 4 Laubsäcken à Fr. 1.– • 15 Hauptsäcken à Fr. 2.– • Pfulmen, Decken, Kissen, Überzügen Weihwassergefässen

Der von Zimmermeister Jakob Zehnder im Jänner 1867 skizzierte Plan für die Dachzimmer (1 Kinderzimmer im 1. Stock) 2 Krankenzimmer im Dachboden 3 und 4 männliche Schlafzimmer 5 für abgesonderte Personen 6 Knechtezimmer 7 Arrest 8 Fruchtkammer Im November 1873 lobt der inspizierende Bezirksrat Meienberger die Reinlichkeit in den Zimmern und Schlafsälen.

Als Vorläufer von Pyjama und Babydoll treten Schlafröcke und «Nachtschlutten» in Erscheinung.

21


Leben in der Anstalt

Für häusliche Arbeiten wie Spinnen und Wolle­ zupfen sowie als Aufenthalts- und Essräume sind eine Frauen- und eine Männerstube bestimmt. Letztere ist ausgerüstet mit einer Stubenuhr, einer Essigflasche und einer Rasierschüssel, die der «Haarschneider, Chirurg und Zahnzieher» Colombo jeweils verwendet, um die zweiwöchigen Stoppelbärte zu bearbeiten. In einer pauschalen Rechnung von 1910 verlangt er 10 Rappen für die Rasur und 20 Rappen für einen Haarschnitt. Wie die Frauen ihr Frisurproblem lösen, ist nicht überliefert. Die hygienischen Vorstellungenen ent­ sprechen etwa den damaligen Vorstellungen. Dass der Kampf gegen Wanzen und anderes Ungeziefer ein Dauerthema ist, dass im Inventar auch die Spucknäpfe aufgeführt werden und dass lediglich zwei Abortanlagen zur Verfügung stehen – ausserdem je ein Nachtstuhl im Frauenschlafzimmer und im Schwesternschlafzimmer – ist normal.

Planskizze des Zimmermanns mit Abortanlagen, etwa um 1890 Die Aborte sind bis in die neuere Zeit hinein von den Wohnräumen abgesondert. Häufig befinden sie sich in einem Vorbau. Ursprünglich waren sie überhaupt in einem eigenen «Hüsli» untergebracht, was sich lustigerweise immer noch im heutigen Sprachgebrauch findet.

22


Im Mittelpunkt Die Insassen der Armenanstalt im Jahre 1866

Der heute als verächtlich empfundene Begriff «Insassen» ist bis etwa 1950 gebräuchlich. Aadorf Name Baltis Alois

Tage

Kostgeld

Kostgeld und Kleider

Tarif in Rappen Bemerkungen pro Tag

365

175.20

200.74

48

Künzle Katharina

90

43.20

55.40

48

Künzle Mathilde

44

21.12

21.12

48

Künzle Paulina

55

26.40

30.30

48

Nadler Maria Idda

345

207.96

232.63

60

Aadorf Total

899

Hochtarif

540.19

Tänikon Name

Tage

Kostgeld

Kostgeld und Kleider

Tarif in Rappen Bemerkungen pro Tag

Büche Mr Anna

92

44.16

53.61

48

Büche Mr Anna

63

16.24

18.94

25

Niedertarif

Engeler Joseph

365

124.10

156.23

34

Niedertarif

16

7.68

7.82

48

365

175.20

183.04

48

Fink Johann Isenegger Johann

23


Die Insassen der Armenanstalt

Tänikon (Fortsetzung) Müller Jakob

173

83.04

102.28

48

gestorben

Nadler Friedrich

128

43.52

59.37

34

Niedertarif

Nadler Joseph

365

124.10

144.88

34

Niedertarif

Nadler Wilhelm

365

124.10

175.03

34

Niedertarif

Ramsperger Thomas

40

19.20

29.41

48

Ramsperger Johana

365

175.20

190.65

48

Ramsperger Joseph

259

88.06

102.76

34

21

94.56

131.28

48

Räss Katharina

365

175.20

186.60

48

Zehnder Barbara

365

175.20

183.23

48

Ramsperger Leonhard

Tänikon Total

3523

Niedertarif

1725.13

Wängi Name Bauer Joseph

Tage

Kostgeld

Kostgeld und Kleider

Tarif in Rappen Bemerkungen pro Tag

16

7.88

7.88

48

Fuchs Elisabeth

293

140.64

143.84

48

Gamper Elisabeth

365

175.20

187.35

48

Hafner Maria

103

35.02

33.02

34

Hafner Mathias

365

175.20

184.89

48

Hafner Theresia

365

175.20

183.80

48

Höple Elisabeth

8

3.84

20.54

48

Höple Jakob

292

140.16

152.05

48

Huber Joseph

160

54.40

55.45

34

Huber Johan

341

163.68

182.23

48

24

gestorben Niedertarif

gestorben Niedertarif


Die Insassen der Armenanstalt

Wängi (Fortsetzung) Huber Josepha

17

8.16

8.16

48

160

54.40

55.55

34

Niedertarif

4

1.36

1.36

34

Niedertarif

Kaufmann Ma Idda

365

175.20

177.65

48

Müller Luise

365

124.10

128.–

34

Niedertarif

30

18.–

18.–

60

Hochtarif

Stutz Alois

308

147.84

164.70

48

Stutz Nepomuk

365

175.20

183.80

48

Huber Katharina Huber Schlossers 4 Kinder

Müller Ma Anna

Wängi Total

3922

Kleiner

1888.27

Additionsfehler

Bemerkungen Niedertarif bedeutet, dass es Kinder sind, was auch durch Schullohn und weitere Anschaffungen belegt ist. Hochtarif kann bedeuten, dass die Person eine Pfründnerin oder eine Auswärtige ist. Alphabetische Reihenfolge durch den Verfasser erstellt.

Auswärtige Name

Tage

Kappeler Mr Ann

365

Brunschwiler Mr Idda

144

Frei Katharina Duttli Felix Total

Kostgeld

Tarif in Rappen Bemerkungen pro Tag

231.10

60

aus Sirnach

86.40

91.70

60

aus Sirnach

10

6.60

25.30

60

aus Pfyn gestorben

77

46.20

47.60

60

aus Lommis

596

219.–

Kostgeld und Kleider

395.70

25


Die Insassen der Armenanstalt

Geldbeutel aus dem frühen 20. Jahrhundert

Zu den verschiedenen Gegenständen im Ortsmuseum, die aus dem Neuhaus stammen, könnten auch die Schutzbrief-Amulette gehören. Sie enthalten Papierschnitzel mit religiösen Texten. Wer solche auf sich trug, war gegen böse Mächte gefeit. Neben dem persönlichen Inventar wird für jede Person ein Konto geführt, wie das von Maria Anna Müller, um 1880. Für 366 Tage sind Kostgelder von Fr. 256.20 geschuldet. Dazu kommen die Aufwendungen von Fr. 20.90, wovon 9 Franken für ein Paar neue Schuhe und Fr. 4.40 für einen Rock, Fr. 1.70 für ein Paar Endfinken, Fr. 1 für eine Kappe sowie kleinere Beträge für das Flicken von Kleidern und Strümpfen. Auf der Haben-Seite sind die «Baarzahlungen» (der Gemeinden) vermerkt, von denen die Arbeitslöhne der Frau in Ökonomie und Haushaltung abgezogen werden.

26


Die Insassen der Armenanstalt

Die Habseligkeiten der Insassen werden in ein detailliertes Inventar aufgenommen, dessen Vollständigkeit mit Unterschrift bestätigt wird. Die Anzahl der Kleider und Art der Gegenstände ist sehr verschieden, mitgebracht werden z.B. Bettlade samt Strohsack, Sacktücher, Kamm, Waschbecken, Schirm, Rosenkranz, Wachskerzen und Gebetbücher.

Kinder Am 1. Jänner 1867 tritt Frau Esther mit 4 Kindern ein und bringt mit: 7 Kittelchen, einige Häubchen, 1 Tagrock und 1 Anzug auf den Sonntag für jedes Kind. Im 2. Betriebsjahr (1866) erwägt die Kommission, für etwa 15 Kinder eine gesonderte Stube und ein Schlafgemach einzurichten. Ein Sachverständiger soll das Haus in Augenschein nehmen und einen Plan erstellen, den Dachboden anschauen und die Kostenberechnung für die Schlafstelle eingeben. Acht Monate später ist die Kinderstube kein dringendes Bedürfnis mehr, da die Umstellung weitere Bauten bedingen würde. Kinder sollten ohnehin in vertrauenswürdigen Familien untergebracht werden und könnten eigentlich nur mit bezirksrätlicher Bewilligung zusammen mit den Eltern in einer Armenanstalt leben. Immer wieder ermahnt die Kirchenvorsteherschaft die Väter, welche ihre Unterhaltszahlungen für Frau und Kinder in den Armenfonds nicht leisten, und droht ihnen bei Gelegenheit sogar mit der «Detention» in die Zwangs­ arbeitsanstalt Kalchrain.

1882 beschliesst die Kommission, almosengenössige Kinder nach Fischingen zu bringen, wo der katholische Männerverein St. Iddazell vor 3 Jahren im aufgehobenen Kloster eine Waisenanstalt eingerichtet hat. Trotzdem leben immer wieder einzelne Kinder im Neuhaus. Wie froh wäre man, wenn man die Festschrift durch ein Bild des Innern der Anstalt ergänzen könnte! Leider hat Alfons Berkmüller das Neuhaus nur von aussen gezeichnet, und kaum ein Fotograf hat sich je mit dem Ablichten der Anstaltsrealität befasst. Einer der wenigen Zeitzeugen ist Albert Anker, der als realistischer Maler gilt. In seiner «Kinderkrippe 1890» (im Museum Oskar Reinhard) hat er die Wirklichkeit künstlerisch verklärt. So harmonisch war es weder in Fischingen noch im Neuhaus.

27


Kantonsspital Münsterlingen, 1855

Bevor 1897 die Ortsgemeinde Frauenfeld ein Spital eröffnet – die Munizipalgemeinde Wängi beteiligt sich daran mit 2000 Franken – existiert im Thurgau nur das schwer erreichbare Kantonsspital Münsterlingen. Im Jahr 1900 kostet der Tag im Spital Fr. 3.70; daran zahlt der Patient etwa Fr. 1.50.22 Die Rolle des Neuhaus als Notspital bestätigt 1887 auch die Kirchenvorsteherschaft. Auf die Anfrage von Dr. Hösig, St. Gallen, ob die Gemeinde die ärztliche Behandlung von Paul Lattmann übernehme, lautet die Antwort: «Nein. Dem Lattmann steht unser Armenhaus offen.»23 – Drei Jahre später muss er ins Spital Münsterlingen eingewiesen werden. Es ist auch ein Haus für die «Armen im Geiste», d.h. es dient bis weit ins 20. Jahrhundert nicht nur als Behelfsspital für körperlich Kranke und Behinderte, sondern auch für Menschen mit geistigen und seelischen Behinderungen, sofern sie den Heimbetrieb nicht allzusehr belasten.

Regionalspital Frauenfeld, 1900

Krankheit und Tod Obwohl über das Alter der Insassen keine Unterlagen vorhanden sind, deuten Krankentransporte und Todesfälle darauf hin, dass viele ältere und pflegebedürftige Personen in der Anstalt weilen, die auch als eine Art Spital dient. In der Rechnung erscheinen häufige Arztbesuche und Bezüge von Pulvern, Salben, Tabletten und «Mixturen». 28

Im Krankenzimmer steht ein Gebetsstuhl, nebenan in der «Lingerie» befindet sich eine Schachtel mit Versehzeug und mit Krankensalbungsöl zum Erteilen der «Letzten Ölung» durch den Priester.


Die Insassen der Armenanstalt

Beerdigungen 1866 · Höple Maria Elisabeth, war 8 Tage in der Anstalt, gest. 23. Juni 1866, ledig, von Krillberg, Hirnschlag, 62 Jahre alt. Kosten: Sarg und Kranz 11.50, Begräbniskosten 3.50, Auslagen –.50

1894 will Wängi für die Beerdigung auswärtiger Armer eine Entschädigung von 10 Franken. Da ein Grabplatz gesetzlich nicht verkauft werden kann, soll das Geld als Entschädigung für besondere Umtriebe deklariert werden.24

· Fuchs-Nadler Elisabetha, war 293 Tage in der Anstalt, gest. 25.10.1866, allg. Abschwächung, 82 Jahre alt, Totenkosten 2.20

Der Mesmer ist zugleich Totengräber. 1860 erhält er für ein Erwachsenengrab Fr. 1.50, für ein Kindergrab – damals häufig – 40 Rappen. Die Leichenträger tragen den Sarg auf einer Bahre zum Friedhof.

Laut Totenbuch von Wängi: · Hagenbüchle Maria Josepha, gest. 1. August 1866, Lungenschwindsucht, 40 Jahre alt

Im März 1885 beschliesst die evangelische Kirchgemeinde die Anschaffung eines pferde­bespannten Leichenwagens; die Katholiken zahlen daran die Hälfte. Sobald der Mesmer vom Kirchturm aus den Trauerzug sieht, lässt er die Läuterbuben mit allen Glocken läuten.

Auswärts begraben: · Müller Jakob, Tänikon, war 173 Tage in der Anstalt, Arztkosten 5.40, Sarg und Kranz 9.–, Endläuten –.80 · Frei Katharina, von Pfyn, war 10 Tage in der Anstalt, Arztkosten 3.20, Endläuten –.80

Der letzte Leichenzug durch Wängi erfolgt 1972. Später werden die Verstorbenen in einem unauffälligen Fahrzeug in die ehemalige Beinhauskapelle überführt, die beiden Konfessionen als Leichenhalle dient, und bleiben dort bis zur Beisetzung oder Kremation.25

29


Die Insassen der Armenanstalt

Was heutige Schulbücher nicht kennen, ist im Lehrmittel von etwa 1900 noch Realität: die Allgegenwart von Krankheit und Tod.

Besorgte Heim-Eltern Am 17. Juli 1940 schreibt Marie L. aus Altstetten ZH «an meine lieben guten unvergesslichen Verwaltersleut. Das Heimweh nach Wängi drückt mich so sehr, dass es gar niemand nur glauben kann. Ich mag nicht essen, ich kann nicht schlafen und den ganzen Tag liegt so etwas Schweres auf meinem Herz, dass ich immer nur weinen möchte. Ihr beide seid einfach in meinem Herzen eingeschlossen. Wenn ich auch nicht so schmeicheln kann, aber innerlich sitzt es doch tief. Ihr werdet mir unvergesslich bleiben bis in den Tod.»

30

Die Verwaltersleute haben sich des Mädchens sehr angenommen und unter anderem dafür gesorgt, dass ihm der Zahnarzt Josef Frei in Frauenfeld ein gutes Gebiss verpasste. Auch warnen sie eindringlich vor der Heirat mit einem «Gauner». Über den Erfolg ihrer Bemühungen wird nicht berichtet, doch ist leider aus allgemeiner Erfahrung bekannt, dass derartige Einblasungen die Glut der Liebe eher anfachen als löschen.


Die Belegung der Anstalt

Die Zahlen erfassen sämtliche Insassen, die während einer gewissen Zeit in der Anstalt weilen, egal, ob der Aufenthalt nur wenige Tänikon

Wängi

Auswärtige

Tage oder das volle Jahr hindurch dauert. Die vorhandenen Angaben sind lückenhaft und wenig detailliert.

Jahr

Aadorf

Total

Bemerkungen

1866

5

15

17

4

41

1870

1

13

11

4

29

1875

2

12

8

1880

1

12

13

1

27

4 Kinder

1885

0

4

16

8

28

1 Kind

1892

3

3

16

14

36

3 Evangelische von Wängi

1895

1

6

10

11

29

1 Ev. von Wängi

1900

1

5

8

13

27

5 aus Bischofszell 65-70 J. alt

1904

1

9

5

19

34

1910

0

9

12

21

42

1920

4

3

8

21

36

1930

5

8

10

27

50

1935

7

5

11

39

62

zum Teil kurzer Aufenthalt

1939

3

5

7

17

32

2. Weltkrieg

1940

2

4

4

12

22

1 Italiener und vermutlich 1 Deutscher

11 Kinder

22

nach dem 1. Weltkrieg

1953

31

1959

45

10 zuviel!

1964

62

41 über 65 Jahre alt

1967

62

Alter zwischen 24 und 91 Jahren

1972

60

1981

0

6

2

54

62

Auswärtige aus 52 Ortschaften, wovon 1 Italien und 1 Österreich

31


In der Verantwortung Die Präsidenten Als Präsidenten amten bis 1952 im ungefähren 3-Jahres-Turnus die Pfarrer der drei Gemeinden.

Neben der intensiven Beanspruchung beklagen sie vor allem, dass sie immer wieder in Konflikt geraten mit ihrer Aufgabe als Seelsorger.

Jahr

Präsidenten

Lebensdaten

Jahr

Präsidenten

1864

Raas Andreas, Wängi

1827 – 1897

1921

Kling Franz Josef, Aadorf

Lebensdaten

1869

Ott Franz Xaver, Aadorf

1840 – 1876

1923

Fräfel Josef, Wängi

1870

Kaufmann Pankraz, Tänikon

1841 – 1877

1925

Müller Gebhard, Tänikon

1878 Wegzug nach Güttingen

1928

Kling Franz Josef, Aadorf

1931

Keller Alfons, Wängi

1891 – 1943 1894 – 1963

1875

Raas Andreas

1933

Sprecher Bernhard, Tänikon

1878

Hausheer Meinrad, Aadorf

1835 – 1905

1936

Kling Franz Josef, Aadorf

1881

Herzog Emil, Wängi

1851 – 1908

1940

Keller Alfons, Wängi

1884

Krucker Theodor, Tänikon

1849 – 1909

1942

Sprecher Bernhard, Tänikon

1887

Hausheer Meinrad, Aadorf

1946

Isenegger Josef, Wängi

1890

Herzog Emil, Wängi

1948

Sprecher Bernhard, Tänikon

1893

Krucker Theodor, Tänikon

1896

Hausheer Meinrad, Aadorf

1952

Bartholdi Johann, erster Laie, Wängi

1900

Herzog Emil, Wängi

1903

Krucker Theodor, Tänikon

1971

Schöb Guido, Guntershausen

*1933

1907

Herzog Emil, Wängi

1909

Kling Franz Josef, Aadorf

1876 – 1946

1987

Zehnder Herbert, Ettenhausen

*1939

1913

Fräfel Josef, Wängi

1872 – 1950

2002

Raas Andreas, Wängi

*1934

1917

Müller Gebhard, Tänikon

1883 – 1955

2007

Schwager Linus, Wängi

*1967

32

1910 – 1991

1891 – 1976


Die Präsidenten

Aadorf

Hausheer Meinrad

Kling Franz Josef

Krucker Theodor

Müller Gebhard

Tänikon

Sprecher Bernhard

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Die Präsidenten

Wängi

Raas Andreas

Herzog Emil

Keller Alfons (als Präses inmitten des katholischen Arbeiterinnen­ vereins 1929)

Isenegger Josef

34

Fraefel Josef


Die Präsidenten

Johann Bartholdi

Guido Schöb

Verwaltungskommission 1989 sitzend v.l.: Alois Nadler. Herbert Zehnder (Präsident), Brigitt Brühlmann, Benno Storchenegger, (später Gemeindeammann); stehend: Umberto DeMartin (Kirchenpräsident und Präsident der Musikgesellschaft, Musikant, Zauberkünstler, verfasste über 200 ausgezeichnete Protokolle), Wendelin Inauen (Heimleiter), Albert Schwager

Andreas Raas

Caroline und Linus Schwager

35


Die Heimverwalter und Heimleiter

1865

Placid. Meier von Wohlen AG, bisher Schaffner im Schloss Herdern, für 200 Fr. pro Jahr (daneben Ordensschwestern von 1865 – 70) 1871 Meisterknecht Fischer, dann J. Fuchs für 300 Fr. 1876 Benedikt Hüppe von Hagenbuch. 1877 Dudli (Duttli) von Oberbüren 1879 Brunner, Knecht in der Fabrik Sirnach, für 450 Fr. 1882 Lustenberger von Hasle 1883 Alois Wirth von Häusle-Krillberg Jahreslohn Fr. 500, mit Abzug von Fr. 50 bei Nichtbefriedigung 1885 Alois Bommer, Wängi, als Meisterknecht gewählt. Er ersetzt Alois Wirth, dem gekündigt wurde. 1885 – 1927 Ordensschwestern übernehmen die Heimleitung und die Rechnungsführung 1927 Das Kloster Ingenbohl ruft die 4 Schwestern zurück. Es werden Heimleiter-Ehepaare gesucht 1927 – 1945 F. Stücheli und Frau Jahres-Besoldung Fr. 1800. Zwar wird im Anstellungsvertrag verlangt, dass er bei den geringsten Verstössen gegen die Hausordnung «von Anfang an unnachsichtlich mit

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aller Schärfe» vorzugehen hat, doch belegt die umfangreiche Korrespondenz, dass sich die Verwaltersleute intensiv um die Insassen und deren weiteres Schicksal kümmern. Im Alter von 70 Jahren entdeckt Stücheli endlich die ideale Rasier­ klinge, die seinem starken Bart gewachsen ist. 194 5– 1949 (aus 59 Anmeldg) A.B., im März 1949 in Untersuchungshaft wegen Sittlichkeitsvergehen und finanziellen Unregelmässigkeiten in der Verwaltung, letzteres allerdings eher aus Überforderung als aus Absicht. Demission rückwirkend auf 15.2.1949.Die Frau bleibt als Dienstmädchen im Heim. 1949 1. April bis 6. August (aus 26 Anmeldungen) Johann Wild aus Wittenbach, Besoldung 350.– pro Monat; Arbeit gut, Kompetenzüberschreitungen, er verlangt mehr Mitspracherecht; er will durch die Insassen als einträgliche Heimarbeit Gummiteppiche herstellen lassen, was durch ein Missverständnis zwischen ihm und dem Präsidenten Pfr. Sprecher verhindert wird. 1950 – 1952 B.M. von Kalchrain, für 400 Franken pro Monat inkl. Frau; Rücktritt nach Gewaltanwendung.


Die Heimverwalter und Heimleiter

Familie Senn 1964

1952 – 1985 Gebhart u. Cecile Senn-Manser, von Degersheim, mit (anfänglich) 2 Kindern, zusammen für 400 Franken pro Monat; das Essen für die Kinder wird vom Lohn abgezogen. Der Lohn steigt zwar an, aber ein eigentlicher Anstellungsvertrag mit nachträglicher Pensionsregelung wird erst 1967/68 beschlossen. Die Familie Senn fördert das Neuhaus menschlich, betrieblich und finanziell.

Etwa 1962 Das Ehepaar Senn mit 8 der 9 Töchter, die alle im Heim mithelfen und bei Bedarf auch Pflege­ aufgaben übernehmen. Cécile Senn, deren Einsatz für das Heim nicht hoch genug einzuschätzen ist, konnte ihre letzten zwei Lebensjahre – immer noch geistig munter und gesprächig – im Neuhaus verbringen. Sie starb 2013 im Alter von 92 Jahren.

Bei seinem Rücktritt erhält Gebhart Senn das Bild, auf dem er die Bauphasen von 1960, 1975 und 1985 nachvollziehen kann. Als er sein Amt antrat, stand da nur der würdige Altbau mit einigen später abgebrochenen Ökonomiegebäuden. Dann wurde rechts davon der Anbau-60 errichtet, 15 Jahre später der hinter dem Altbau querstehende, nur in Umrissen sichtbare Bau-75 und schliesslich links der braunrote Bau-85. Gebhart Senn starb 2004.

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Die Heimverwalter und Heimleiter

Martha und Wendelin Inauen 1985

Hans-Peter Sauter

1985 – 1995 Wendelin und Martha Inauen-Koch. Nach 10 Jahren guter Betriebsführung kehrt Wendelin im Juni 1995 von einem Ausflug in das Säntisgebiet nicht zurück. Seine Frau und Rita Bommer-Trittenbass übernehmen die Leitung bis zum Jahresende. Nach ausgedehnten Suchaktionen wird Wendelin 1997 als verschollen erklärt. Die Unfallstelle wird etwa ein Jahrzehnt später gefunden. 1996 – 1997 Reinhard Horn 1997 – 1999 Alfred Blaser 1999 – 2007 Hans-Peter Sauter von Aadorf, ein einsatzfreudiger, sympathischer Heimleiter. In einer schwierigen Situation hat er das Neuhaus stabilisiert. Er schreibt: «Rückblickend meine ich, diese 7 ½ Jahre waren die glücklichsten meiner vielfältigen Karriere.» 2007

Stefan Wohnlich, 2007

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seit 19. Februar: (aus 40 Anmeldungen) Stefan Wohnlich von Kreuzlingen


Die Hausmütter und Ordensschwestern

An der Gründungssitzung im Dezember 1864 wird als Hausmutter gewählt: Crescentia Müller, bisherige Haushälterin im Armenhaus der kath. Kirchgemeinde Wängi. Ein Antrag, «theodosianische» Schwestern aus Ingenbohl an die Anstalt zu berufen, wird mit Rücksicht auf die konfessionellen Verhältnisse abgelehnt. Der Sonderbundskrieg von 1847, nicht zuletzt ausgelöst durch den Einzug der Jesuiten in Luzern, ist eben noch in deutlicher Erinnerung. Schon 1865 verlangt Crescentia Müller die Entlassung, die ihr unter Verdankung der geleisteten Dienste erteilt wird.

Die Generaloberin Maria-Theresia Scherer bestätigt den Besuch in der Anstalt vom 25. Juli 1865 mit ihrer Unterschrift. Diese Unterschrift ist deswegen interessant, weil sie im Thurgau wohl den einzigen Beleg für das persönliche Auftreten einer kirchengeschichtlich bemerkenswerten Person der Neuzeit darstellt. Die Gründerin der Barmherzigen Schwestern von Ingenbohl wurde 1995 von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. Bei ihrem Tod im Jahr 1888 zählte der Orden 1640 Schwestern in 400 Niederlassungen.

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Die Hausmütter und Ordensschwestern

Nachdem auf die Ausschreibung keine entsprechenden Anmeldungen eingegangen sind, wird doch beschlossen, eine Schwester und eine Candidatin aus dem Mutterhause der Theodosianischen Schwestern in Ingenbohl zu berufen. Das Präsidium wird beauftragt, drei neue Betten samt Mobiliar für das Zimmer der Schwestern anzuschaffen. Schon im Januar 1870 werden die Neuhaus-Schwestern zurückgezogen. Vermutlich haben die Auseinandersetzungen zwischen Oberschwester Octavia und Verwalter Meier zu diesem Schritt beigetragen. • Als neue Hausmutter wird Jungfer Martina Zehnder gewählt. In Anerkennung ihrer tüchtigen Leistung wird ihr im Juli 1870 das Gehalt auf 250 Franken erhöht. Aber schon im November tritt sie aus familiären Gründen zurück. • Die am 18. Dezember gewählte Hausmutter Jungfer Paulina Strehler, Guntershausen, verlässt ihre Stelle im Mai 1872 aus gesundheitlichen Gründen. • Ihr folgt die Witwe Magdalena Bommer von Kalthäusern für einen Lohn von 250 Franken. Sie bleibt bis 1876.

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• Am 15. Okt. 1876 erfolgt die Wahl von Jungfer An. Mr. Kressibucher von Berg. Jahreslohn 250 Franken, im Falle der Zufriedenheit 275. Sie bleibt bis 20. März 1881. • Am 20. April 1881 wird die Wwe Frei von St. Katharinental gewählt. • Am 16. April 1883 wird beschlossen: Die Haushälterin soll entlassen werden und an ihre Stelle soll Jungfrau Krähenmann in Wängi treten. Sie wird wegen ihrer Sparsamkeit gelobt, doch gehen auch Klagen ein, eben z.B. sie habe 6 Wochen lang die gleiche Suppe angeboten. Ihr Lohn wird auf 175 Franken reduziert. • Am 14. September 1884, hat die Kommission offenbar genug von den wechselnden Hausmüttern und beschliesst:Wenn möglich soll die Leitung der Haushaltung den barmherzigen Schwestern übertragen werden. Diese sind erst ab kommendem Frühling «erhältlich» und sie werden nur zu zweit in solchen Anstalten eingesetzt. Ausnahmsweise ist das Mutterhaus Ingenbohl bereit, sofort eine Schwester zu senden, im Frühjahr dann die zweite. 1911 wird wegen starker Belegung und vieler Kranker eine 3. Schwester angestellt.


Die Hausmütter und Ordensschwestern

Die Schwestern werden nicht namentlich aufgeführt, obwohl sie allmählich die gesamte Leitung übernehmen. Nur die Namen der Oberin und der regelmässigen Visitatorinnen aus dem Kloster tauchen gelegentlich auf. Als Jahreslohn der ersten Schwester sind in der Rechnung 1866 240 Franken vermerkt. Eine Jahres-Gratifikation an die Schwestern von 10 Franken wird erstmals im Jahr 1888 gewährt, mit dem Hinweis, dass das nicht zur Regel werden sollte. Dieser Betrag steigt langsam an und beträgt ab 1901 mindestens 40 Franken. Im Protokoll vom 6. März 1921 lesen wir: Das Gehalt jeder Schwester wird auf 350 Fr. erhöht, dazu eine pauschale Gratifikation von Fr. 150. Später wird auch die Kranken­ versicherung der Schwestern übernommen. Dass 1888 für die Schwestern 80 Liter Wein angeschafft werden, hat der das Protokoll führende Pfarrer wohl extra zweideutig formuliert. Im Jahr 1927 ruft das Kloster Ingenbohl die 4 Schwestern zurück. Anfragen bei Baldegg, bei den Vinzenzschwestern Zürich und beim Bürgerspital Solothurn sind erfolglos, Menzingen gilt ohnehin als aussichtslos. Es wird eine Laienperson mit den religiös-­ sittlichen Voraussetzungen und praktischen Fähigkeiten gesucht.

In seiner Zeichnung hat Johann Alfons Berkmüller die Zahl der Schwestern schon im Voraus grosszügig auf 4 erhöht, wie er auch den Sonnenberg wacker nach rechts verschoben hat.

Die Leitung geht an einen Verwalter, resp. ein Verwalter-Ehepaar über. Je nach Bedarf kann der Verwalter auch eine Hausmutter oder Leiterin des Hausdienstes anstellen. In neuerer Zeit werden weitere Kaderstellen geschaffen; von besonderer Bedeutung die Leitung der Pflegedienste.

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Die Hausmütter und Ordensschwestern

Damit sind die beiden Perioden des Einsatzes der barmherzigen Schwestern (1865 – 1870 und 1885 – 1927) endgültig vorbei.

Ordensregel und die rituellen Gebete zu beachten. Die Ingenbohler Schwestern vom heiligen Kreuz richten sich nach der Regel der Franziskaner.

Über das Leben der Ordensschwestern ist wenig bekannt. Ihr Tagewerk beginnt am frühen Morgen mit dem Besuch der Messe im Dorf, eine zeitliche Belastung, aber auch eine seelische Stärkung. Daneben haben sie ihre

Die wenigen Zeugen, die bis in die neuere Zeit lebten, erinnerten sich daran, dass die Schwestern ungeheuer fleissig, aber auch sehr streng und im Umgang herb gewesen seien.

Das ernste und unerbittliche Auftreten der Schwestern ist angesichts der rigorosen Klosterdisziplin, der sie in ihrer Ausbildung unterworfen waren, nicht überraschend. Und doch gibt es jenes anrührende Geschehen im Jahr 1896, wo sich die Schwestern gegen die wichtigste Ordensregel, nämlich den Gehorsam, versündigen. Sie haben ein einjähriges Kind aufgenommen – ein eigenmächtiger klarer Verstoss gegen die Vorschriften – und sie geben es nicht mehr her! Die Kommission ist machtlos. Es erinnert an die Stelle in Bertolt Brechts «Kaukasischem Kreidekreis», wo die Magd Grusche unter Lebensgefahr das Kind ihrer Herrschaft rettet: Lange sass sie bei dem Kinde Bis der Abend kam, bis die Nacht kam Bis die Frühdämmerung kam. Zu lange sass sie. Zu lange sah sie Das stille Atmen, die kleinen Fäuste Bis die Verführung zu stark wurde gegen Morgen zu Und sie aufstand, sich bückte und seufzend das Kind nahm Und es wegtrug.

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Armenhäuser in Buhwil, Frauenfeld, Tobel und Paris

Zur selben Zeit, da das Neuhaus zur Armenanstalt wird, bauen die kath. Kirchgemeinden Au, Fischingen, Dussnang und Bichelsee ein Armenhaus in Buhwil, das von der schweizerischen Armen­ statistik von 1870 als «grossartige Armenanstalt» bezeichnet wird. Obwohl – oder weil - das Haus extrem abgelegen ist, sollen sich die etwa 40, teilweise behinderten Bewohnenden dort wohl gefühlt haben. Die 3-4 Ingenbohler Schwestern werden 1977 zurückgezogen. Begründung: fehlender Brandschutz. Das Armenhaus wird etwa 1980 von einer Armee-Einheit als Übungsobjekt dem Erdboden gleichgemacht.26

In der Geschichte der katholischen Pfarrei Frauenfeld berichtet Angelus Hux von einer 1847 eröffneten «Suppenanstalt», in der 11 katholische Bürger und 7 Nichtbürger ihre tägliche Portion beziehen; ausserdem wird die Einrichtung eines städtischen Armenhauses an der Promenade mitgetragen – die Gäste des heutigen Cafés «Promenade» haben beim Genuss von Sonne und Patisserie natürlich keine Ahnung von ihren Vorgängern!

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Armenhäuser in Buhwil, Frauenfeld, Tobel und Paris

Die katholische Kirchgemeinde Tobel errichtet 1862 für die Ortschaften Buch, Märwil, Zezikon und Affeltrangen ein Armenhaus mit 2 Ingenbohler Schwestern in Braunau. Im Jahr 1909 erfolgt der Übergang in das Altersheim «Sunnewies». Die 6 Schwestern bleiben bis 1993. Das Bild vom 24. September 1989 zeigt stehend von links: Sr. Valesia, Pfr. Alois Weizenegger, Oberin Sr. Angela-Maria; sitzend von links: Kaplan Alois Keiser, Sr. Adelgisa.27

Verantwortung eines Ministers Nicht nur in der Heimat, auch in Frankreich gibt es Schweizer, die auf öffentliche Hilfe angewiesen sind, vor allem während der langen Belagerung von Paris im deutsch-französischen Krieg (1870-71). Für sie entsteht im Vorort St. Mandé durch die Initiative des Ministers Johann Konrad Kern (1808-88), eines Thurgauers, das Asile Suisse. Hätte nicht Albert Anker dieses Armenhaus gemalt, wüsste man heute wohl nichts mehr von Kerns edler Tat.

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Für Ordnung und Disziplin Aus der Hausordnung von 1864 Die Handhabung der inneren Ordnung der Anstalt ist ein ständiges Problem. Das Gesetz verlangt die Trennung der Kinder von den Erwachsenen und bei den Erwachsenen die Trennung der Geschlechter. Die drei Kirchgemeinden sind verpflichtet, ihre Armen in das Neuhaus zu schicken. So kommen hier sehr unterschiedliche Menschen zusammen, und das erzwungene Zusammenleben in der Anstalt ist nicht einfach. Irgendwelche Vorstellungen über die psychologische Situation der Anstaltsinsassen fehlen. Neben dumpfer Unterwürfigkeit kommt es immer wieder zu jähen Ausbrüchen verzweifelter Auflehnung. Die einzige stabilisierende Kraft läge in sinnvoller Beschäftigung, die jedoch nicht immer organisiert werden kann. §26. Ungehorsam, Rauflustigkeit, Trägheit, Trotz, Ausreissen, falsches Verklagen und Verklagungssucht, Unsittlichkeit im Reden, überhaupt alles, was böswillige Absicht verrät und Ärgernis und Störung im Haushalt verursacht, wird bestraft. §27. Als Strafen gegen Fehlende werden angewendet: 1. Öffentliche Beschämung 2. Einsperrung in Arrest oder Absonderung in anderes Zimmer

3. Übertragung lästiger Arbeit oder Entzug von Speisen 4. Bürgerlich gesetzmässige Züchtigung. Das Armengesetz vom 15. April 1861 erwähnt für verschiedene Verstösse entsprechende Strafen: Verwarnung, Gefängnis, Frondienst, Anlegen eines Klotzes bis 14 Tage, 2 – 6 Stock- oder Rutenstreiche und Einweisung in die Zwangsarbeitsanstalt. In der Praxis ist erwartungsgemäss die Differenzierung des Gesetzes­ textes unwirksam und die Strafen werden generell als anwendbar betrachtet. Allerdings ist die Lust am erlaubten Prügeln von kurzer Dauer, da die Bundes­ verfassung von 1874 im Artikel 65 die Körperstrafen verbietet. Nur in der Zwangsarbeitsanstalt Kalchrain untersagt der Regierungsrat erst 1894 die körperliche Züchtigung als Disziplinarmittel. Das Anlegen des «Klotzes» zur – nicht immer erfolgreichen – Verhinderung der Flucht wird noch länger toleriert.28 Die anschliessenden Bemerkungen der Kommission und der inspizierenden Präsidenten und Polizei­ beamten vermitteln uns eine Ahnung von den Wirrungen des Anstaltslebens.

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Besuchsberichte und Protokollauszüge

1865, 24.4. Prot. Kommissionsbeschluss: Die Verwaltung soll an geeigneter Stelle ein Arrestlokal erstellen. (Es ist zuerst im Keller, später auf dem Dachboden.)

1867, 23.10. Besuch Pfr. Raas Den Knaben und dem Al. Stutz Verweise gegeben wegen ungebührlichem Betragen. Stutz und J. Fink gestraft mit Abzug im Essen.

1865, 25.10. Besuch Pfr. Raas, Habe der Katharina Kurz wegen unerlaubter Entfernung 1 Verweis gegeben und diktierte 2 Tag Wasser und Brod.

1868, 21.6. Prot. Hubmann berichtet, dass die Pfründnerin Jost von Pfyn ein unordentliches Leben führe, Störungen verursache und der Anstalt zum Schaden gereiche. Beschluss, die Person zu entlassen.

1866, 5.3. Besuch von Regierungsrat Dr. Scherb vom Departement des Armenwesens: «Vollständige Zufriedenheit sowohl über die innere Organisation als auch die daselbst herrschende Disziplin.» 1866, 23.7. Prot. Dem Albert Stutz werden wegen wiederholter Verletzungen der Hausordnung 24 Stunden Arrest, und der Elisabeth Gamper wegen ihres störrischen Betragens und ihrer Streitsucht 24 Stunden Arrest und 6 Rutenstreiche diktiert. 1866, 26.9. Besuch Pfr. Raas Elisabetha Gamper wird wegen unbefugter Entfernung und Bettel zu 24 Stunden Arrest verurteilt. (Im gleichen Jahr werden für sie 3 Franken für Medizin und Schröpfen aufgewendet. Sie ist erwachsen, doch ist ihr Alter nicht bekannt.)

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1867, 27.10. Besuch Pfr. Raas Habe den Othmar Fink des Heims verwiesen. 1869, 28.9. Besuch Pfr. Ott Wegen unerlaubter Entfernung dem Alois 24 Stunden Arrest bei Wasser und Brot diktiert. 1869, 5.10. Besuch Pfr. Ott Warnung an die Fehlbaren betr. mangelhafte Beachtung der Hausordnung. 1872, 23.2. Prot. Die beiden Pfründner Joh. Hasler von Lommis und J. Bruggmann von evangelisch Wängi verstiessen oft gegen die statutengemässe Ordnung der Anstalt, gefährliche Charakterseiten hatten sie durchblicken lassen, so dass deren schnelle Entlassung nötig geworden. Die entspr. Kirchenvorsteher­ schaften haben sie innert 8 Tagen abzuholen.


Besuchsberichte und Protokollauszüge

1884, 14.12. Prot. Dem Armengenössigen Bochsler werden wegen Drohungen und Arbeitsverweigerung 5 Tage Arrest zudiktiert, die nach 2 – 3-tägigen Zwischenpausen abzusitzen sind. 1885, 27.9. Prot. August Stutz, welcher die Schwestern beschimpfte und sich unerlaubt aus der Anstalt entfernte, wird der Armenbehörde Wängi, Pfleger Baumberger, zur Bestrafung übergeben. Armengenössige, welche betrunken in die Anstalt kommen, sind in einem besonderen Zimmer unterzubringen und nachher zu bestrafen. Unreinliche sind zuerst zu reinigen. 1886, 26.4. Prot. Armenbuch Der im Neuhaus untergebrachte Schwager von Lommis, der durch seine mit Drohungen verbundenen Betteleien die Leute belästigt, soll durch die Pflegschaft Lommis eine andere Unterbringung bekommen. 1887, 5.7. Prot. Das Bezirksamt Münchwilen soll ersucht werden, den Landjäger anzuweisen, bei seiner Tour die Anstalt zu besuchen. 1888, 19.1. Landjäger Dütsch: Die Anstalt besucht und den Baumgartner, Iseli und Ramsperger verwarnt, dass fernere Vergehen streng geahndet würden.

1888, 12.3. Landjäger Dütsch: Die Anstalt besucht und den H. wegen unsittlichen Handlungen, vorbehalten strafrechtliche Verfolgung, für 6 Tage in den Arrest versetzt. 1888, 26.3. Landjäger Dütsch: Die Anstalt besucht und der Franziska Ramsperger wegen grobem Benehmen verdeutet, dass bei erster Klage 6 Tage Arrest verfügt werden. 1890, 7.4. Besuch Pfr. Herzog Mit den Herren Kirchenvorstehern Baumberger und Bommer den Insassen Weisung erteilt, resp. die Hausordnung eingeschärft mit dem Bemerken, dass Widersetzlichkeit, Trotz, etc gestraft werde, wenn nötig durch das Bezirksamt Münchwilen. 1890, 24.4. Besuch Pfr. Herzog Dem Hugentobler den Brief des Pfarramtes Wuppenau vorgelesen, wonach er nach Kalchrain spediert werde, falls er wiederum zu Klagen Anlass gebe. (Katholisch Wuppenau hält vermutlich einen traurigen Rekord mit 63 Einweisungen nach Kalchrain zwischen 1851 und 1918.) 29 1890, 25.7. Besuch Pfr. Herzog Dem Iseli Vorstellungen gemacht über sein hitziges, widerspenstiges Benehmen mit dem Beifügen, dass im Wiederholungsfalle der tit. Kirchenvorsteherschaft Bischofszell Anzeige gemacht werde behufs Unterbringung in Kalchrain.

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Besuchsberichte und Protokollauszüge

Im 1848 aufgehobenen Zisterzienserinnenkloster Mariazell zu Kalchrain bei Hüttwilen befindet sich seit 1851 die kant. Zwangsarbeitsanstalt für «gefährliche, liederliche und arbeitsscheue Arme». Sie ist wegen strenger und gelegentlich brutaler Behandlung der «Detinierten» berüchtigt. Die Einweisung kann streng rechtlich nur nach einem genau begründeten Antrag an den Regierungsrat erfolgen. Zeichnung von Joh. Conrad Vögeli, Geschichte der Veränderungen in unserem Vaterland, Manuskript 1819.

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Besuchsberichte und Protokollauszüge

Frauen können wegen illegitimer Kinder als «Correctionelle» nach Kalchrain eingewiesen werden, wenn sie nicht in der Lage sind, für deren Unterhalt aufzukommen. Der Umstand, dass sie uneheliche Kinder geboren haben, kann von den Armenbehörden als Ausdruck ihrer «Liederlichkeit» gedeutet werden.30 Das Bezirksgericht Frauenfeld verurteilt am 14. Dezember 1852 die ledige Maria Zündel nach ausserehelicher Geburt zu einer «Unzuchtsbusse» von 20 Franken. Ferner muss sie eine Bürgerrechtsentschädigung von 80 Franken leisten. Die Gerichts-, Einleimungs-, Kanzlei- und Weibel­ gebühren betragen Fr 15.32. Wie könnte sie da noch die Mittel für den Unterhalt ihres Knäbleins aufbringen? 31

1890, 12.9. Landjäger Seiterle: Die Anstalt besucht und dem Joh. Bapt. Iseli von Bischofszell einen Verweis gegeben, dass er Wirthschaften besuche, dem Schnapstrunk nachgehe, etc. bei Androhung von schärfern Massregeln. 1890, 27.11. Besuch Pfr. Herzog Dem Iseli einen Verweis gegeben über die groben, unverschämten Ausdrücke, welche er sich gegen die Schwester Vorsteherin erlaubte.

Die Selbstverständlichkeit, mit der die Schuld stets der Frau aufgebürdet wird, hat der Zeitgenosse Wilhelm Busch (1832 – 1908) in seiner Knopp-Trilogie auf den Punkt gebracht. Der Anlass: Während Liese, die Magd des Ehepaars Knopp, das Fenster putzt, sucht Tobias Knopp zufällig seine Pfeife auf dem Fenster­brett, dabei berührt er – ebenfalls rein zufällig! – die Beine der Liese. Die Fortsetzung: Obgleich dies nur ganz unten geschehen, Frau Doris hat es nicht gern gesehen. Sie ruft: «Das bitt’ ich mir aus! Abscheuliches Mädchen, verlasse das Haus!»

1891, 26.5. Landjäger Seiterle Die Anstalt besucht, Verhaftung der Adeline Dek von Stettfurt, Transport nach Kalchrain.

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Besuchsberichte und Protokollauszüge

1891, 31.8. Landjäger Seiterle Verhaftung und Abführung des Sylvester Bommer nach Kalchrain. 1899, 29.9. Besuch Pfr. Herzog In Gegenwart des Herrn Wachtmeister Schmid wurden Iseli , Keller, Meierhans verweisigt in betreff Wirthshausbesuch und Strafe mit Arrest im Bezirksgefängnis in Aussicht gestellt, falls sie ähnliche Ausschreitungen sich erlauben. 1900, 28.1. Prot. Die Anstaltsdisziplin muss verbessert werden, vor allem bezüglich des Neujahrsbettels. Es gibt Insassen, die beim Jahreswechsel ihre Bekannten und Verwandten glauben mit einem Besuch belästigen zu müssen, dabei über Gebühr trinken und die Hausordnung stören. Im nächsten Dezember soll der Neujahrsbettel verboten werden. 1901, 20.1. Prot. Die Disziplin in der Anstalt ist besser geworden, da die Ungehorsamen dem Statthalteramt angezeigt und «an den Schatten» gesetzt wurden. Die Insassen merkten das bald und verhielten sich ruhiger. 1913 Einer der zahlreichen vorgedruckten «TransportScheine», mit denen aufgegriffene Vaganten auf Kosten der Heimatgemeinde an ihren Herkunftsort zurückspediert wurden. Landjäger Erni verwendet bereits die lateinische Schrift und darf vielleicht als Erfinder des Wortes «Vagantität» gelten.

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1902, 5.5. Besuch Pfr. Herzog: Louis S. wird gewarnt, weil angeklagt wegen Trotz und Widersetzlichkeit gegen die Schwestern.


Besuchsberichte und Protokollauszüge

1902, 2.10. Besuch Pfr. Hausheer In Gegenwart der Aufsichtskommission werden Franziska R. von Guntershausen und Karolina D. von Wängi gewarnt, weil angeklagt der Widersetzlichkeit gegen die Schwestern.

Strafmildernd wirkt die an den Tag gelegte Reue, straferschwerend der durch viele Vorstrafen getrübte Leumund. Das Gericht empfiehlt eine mindestens 2-jährige Einweisung in eine Trinker­heilanstalt.

1927, 10.2. Prot. Klagen der Vorsteherschaft Wängi wegen Wirtshausbesuch und Trunkenheit. Der Landjäger soll ersucht werden, die Anstalt öfters zu besuchen. Warnung an die Wirte.

1939, 7.3. Prot. Der Insasse Oswald von Aadorf soll die Drohung ausgestossen haben, die Armenhausbude anzuzünden. Er soll durch die Aadorfer Behörde verwarnt werden.

1938, 17.2. Prot. Die auswärts Arbeitenden verweigern die Arbeit, resp. Abgabe des Lohns. Zudem reklamieren die örtlichen Handwerker gegen die «Schwarzgänger aus dem Armenhaus». Beim Departement soll abgeklärt werden, ob gegen Verweigerer die Detention nach Kalchrain angedroht werden kann. – Abschluss einer Haftpflichtversicherung «für den Fall, dass ein Insasse durch verbrecherische Tätlichkeiten Personen- oder Sachschäden (Hausanzünden) verursacht».

1951, 10.5. Prot. Der Insasse Gabriel hat die ihm befohlene Arbeit nicht ausgeführt und ist weggelaufen. Auf die Zurechtweisung durch den Verwalter reagierte er mit Drohungen. Dieser gab ihm einen Schlag auf die Hände mit einem Gummiknüttel und warf ihn in den Arrest. Dort zündete der Insasse ein Feuer an, worauf der Verwalter das Bezirksamt anrief, das die Versetzung von Gabriel nach Münsterlingen verfügte. Letzten Herbst soll der Verwalter dem Insassen Fuchs durch einen Schlag mit einem Stecken den Arm gebrochen haben.

1938, 3.1. Protokoll und «Urteilsrezess» des Bezirksgerichts Münchwilen vom 22.12.1938 Dem Verwalter sind am 7. Nov. aus dem Sekretär 270 Franken gestohlen worden. Der Dieb, ein Neffe des Verwalters, kam zur Nachtzeit in das Heim, als der Onkel in der Männerstube bei der Abendandacht war. Das Bezirksgericht Münchwilen stellt fest, er habe das ganze Geld «in leichter Gesellschaft» innert wenigen Tagen verjubelt, und verurteilt ihn zu 2 Monaten Gefängnis.

Es wird gerügt, dass die Kommission das erst jetzt erfährt, obwohl in Wängi schon längst darüber geredet wurde. Etwa 1956, nach einer Erinnerung von Frau Cécile Senn Fuchs und Meier von Quarten wollten ihren Mann Gebhart verprügeln und stürmten ins Büro, aber dort war der Polizist.

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Im Wachsen und Entwickeln Von den mageren frühen Jahren (1865 – 1890) zum Erfolg Seit der Eröffnung der Anstalt im Jahr 1965 bestehen die Einnahmen aus den Kostgeldern der Gemeinden, aus den externen Arbeitslöhnen der Insassen, aus den Verkäufen von landwirtschaftlichen Produkten und aus spontanen Beiträgen der Gemeinden bei Engpässen und Defiziten.

Der grösste Stickereibetrieb in der Gemeinde ist seit 1903 die Aktienstickerei an der Frauenfelderstrasse mit 45 Arbeitskräften. Nach 1920 sind noch ganze 4 Arbeiter beschäftigt. 32

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Die Kostgelder entsprechen den üblichen Ansätzen: Pro Tag betragen sie am Anfang 48 Rappen für Erwachsene, 34 Rappen für Kinder und 60 Rappen für Auswärtige und Selbstzahlende, so genannte Pfründner. Schon 1890 werden für Erwachsene 65 – 70 Rappen berechnet. Bis 1930 steigen sie auf Fr. 1.–, resp. 1.50 für Auswärtige. 1960 werden von Selbstzahlern 6 Franken verlangt, 1972 12–20 Franken, je nach Zimmer. Die Arbeitslöhne der Insassen, die durch Heimarbeit und Taglöhnern bei Privaten und in Betrieben erzielt werden, sind starken Schwankungen unterworfen. Im Jahr 1866 werden durch Spulen, Spinnen und Wolle­ zupfen für die Baumwollfabriken 433 Franken eingenommen. Von 1890 an erfolgt ein rascher Anstieg durch industrielle Tätigkeiten. Die höchsten Einnahmen werden mit 3563 Franken im Jahr 1900 erzielt. Die Hälfte davon stammt aus der Beschäftigung in den Stickereibetrieben. Dieser Erwerb steigert sich 1910 auf über 2000 Franken – und verschwindet völlig nach dem totalen Zusammenbruch der Industrie im Gefolge des Welt­krieges.


Von den mageren frühen Jahren zum Erfolg

Korbflechten und Besenbinden bilden den traurigen Abschluss. Den einzigen Lichtblick bildet die Schusterei, die von 1896 bis etwa 1920 floriert. 1898 erhält der Almosengenössige Iselin für seine gute Arbeit in der Schusterei eine Gratifikation von 30 Fr. Im Jahr 1920 bringt diese Heim­ arbeit die Rekordsumme von 1148 Franken. Untergangs-Szenarien Mit der Genehmigung der Rechnung 1882 beschliesst die Kommission, dass, nachdem der Gewinn 1881 auf der Ökonomie den Gemeinden nicht ausbezahlt wurde, nun auch der Verlust pro 1882 von den Gemeinden nicht einbezahlt werde. Ein Jahrzehnt nach der Gründung der Anstalt zeigen sich erste Ermüdungserscheinungen, indem 1875 die Liquidation diskutiert wird. «Vorläufig wird aber nicht liquidiert.»

Der Betrieb, der dem Neuhaus am nächsten liegt, ist das seit 1898 mit rund 20 Arbeitskräften bestehende «Etablissement K. Krähenmann» an der Lommiserstrasse.

In einfacher Art gefertigte Schuhe aus Leder und aus Stoff im Ortsmuseum. Schuhe sind sehr teuer. 1877 verlangt der Schuster Müller in Wängi für ein Paar bis 14 Franken.

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Von den mageren frühen Jahren zum Erfolg

Diese Kommission ist ermächtigt, den Verkauf für 34 – 35 000 Fr. unter Ratifikationsvorbehalt der Gemeinden abzuschliessen. Das Echo auf die Inseraten-Kampagne ist mager: Anfragen, aber keine Angebote! Angesichts des zu erwartenden Verlustes wird auf die Liquidation verzichtet.

Inserat vom 15. August 1884. Die Formulierung soll keine Rückschlüsse auf das Neuhaus ermöglichen. Es ist daher ein glücklicher Zufall, dass der Verfasser das Inserat gefunden hat. (Der Wald ist mit 0,72 Hektaren zu klein eingesetzt; es sind etwa 3 Hektaren.)

Der Präsident erwähnt den durchschnittlichen Jahresverlust von Fr. 450 und stellt fest, dass eine Verzinsung von Fr. 10 000 à 4½% nicht möglich ist und das Gut zu teuer gekauft wurde. Er erwägt, nachdem am 28. März infolge Brandstiftung die Scheune niedergebrannt ist, die Güter zu veräussern und nur das Haus zu behalten. Am 4. August 1884 wird Liquidation beschlossen. Haus und Hof sollen ohne Inventur ausgeschrieben werden. Ausschreibung durch den Präsidenten, Insertion durch die Firma Hauenstein u. Vogler in der Thurgauer Zeitung, Thurgauer Wochenzeitung und im Vaterland, nebst je einem verbreiteten Solothurner und Aargauer Blatt. In die Liquidationskommission entsendet jede Gemeinde ein Mitglied. 54

Das lebhafte Jahr 1886 Am 12. September wird die Kirchgemeinde Wängi angefragt, um welche Summe sie die Anstalt käuflich übernehmen wolle, nachdem Tänikon 25 000 Franken geboten hat. Wängi beschliesst, den Vertrag zu kündigen, und verlangt öffentliche Versteigerung. Der Präsident, Pfarrer Krucker von Tänikon, sieht die Lösung darin, dass die Scheune und sämtliche Güter verkauft, das Haus aber mit den beiden Gärten und 1,5 Juchart Pflanzland zurückbehalten werde; dadurch könnte nach seiner Schätzung ein jährlicher Ertrag von 800 Franken erzielt werden.Bereits einen Monat später, am 10. Oktober, findet die Gant statt. Nach 2 Wochen werden die ersten Verkäufe genehmigt. Die versteigerten Grundstücke bringen 25 488 Franken, wozu noch der Verkauf des Viehs und des landwirtschaftlichen Inventars kommt. Die beim Neuhaus verbleibende Fläche von 1,7 ha (Gebäude und Pflanzland) wird auf 12 000 Franken geschätzt. Bis 1948 verändert sich der Grundbesitz nicht mehr wesentlich.


Von den mageren frühen Jahren zum Erfolg

Am 7. November wäre plötzlich jede der drei Kirchgemeinden bereit, die Anstalt für 40 000 Franken zu übernehmen. Finanzielle Besserstellung und Schuldentilgung durch Verkäufe Im März 1887 wird der Vertrag auf 10 Jahre erneuert. Keine Gemeinde soll in den nächsten 5 Jahren davon zurücktreten können. Es geht aufwärts Die letzte Einzahlung der Gemeinden erfolgt 1890. Trotz den Auszahlungen an die Gemeinden ist das Vermögen um 4 – 5000 Franken gewachsen. Schon 1892 werden mit der Vertragsverlängerung die Guthaben der Gemeinden auf je 6 500 Franken reduziert. 1900 erhält jede Gemeinde 300 Franken. 1907 sind es schon 600 Franken. Im Hinblick auf die erwartete Verstaatlichung der Anstalten soll nicht «für den Staat» gespart werden!

Insassen verschlimmert, will man die Anstalt unbedingt erhalten. Es wird darauf geachtet, das Kostgeld stets mindestens 20 Rappen unter dem Ansatz von Katharinental zu halten, derzeit also auf 2 Franken. Die seit 1925 in der Bundesverfassung verlangte und im zweiten Anlauf 1947 verwirklichte AHV bringt für die Heimbewohner eine spürbare Entlastung. Die Belegung steigt auf 34 – 37 Personen. Kühne Spekulation 1948 lässt sich das Neuhaus sogar auf eine Spekulation ein, indem es die wegen Hausbrand aufgegebene Liegenschaft Greuter für 52 833 Franken erwirbt, nämlich:

Trotz Verlust von etwa 9000 Franken durch die Insolvenz der Spar- und Leihkasse Aadorf (wie Steckborn und Eschlikon) im Jahre 1912 steigt das Vermögen etwas an und beträgt 39 098 Franken. Der Haus-Umbau von 1915 bringt eine leichte Erhöhung der Betten auf 50 bei extremer Ausnützung. Er kann zu 4/5 aus eigenen Mitteln bezahlt werden. Obwohl sich 1943 die finanzielle Lage – möglicherweise im Gefolge des 2. Weltkrieges – wegen der schwachen Belegung mit 26 55


Von den mageren frühen Jahren zum Erfolg

3 Juchart Wiesland, Scheune, Stall, 30 Obstbäume, weitere 3 Juchart im Riet ¼ Std. entfernt, lebendes und totes Inventar für 12 000 Franken.

Mit dem Bezug des Baus-60 steigt die Zahl der Pensionäre auf rund 60. Im Jahre 1961 erreichen die Kostgelder erstmals über 100 000 Franken (vorher ca. 70 000).

Der von den Vertragsgemeinden genehmigte Ankauf der Liegenschaft wird auf Fr. 31 400 gesenkt durch den Verkauf von Gebäuden samt einer knappen Juchart an Baumeister Zehnder für Fr. 10 700, die Brandassekuranz von Fr. 7 733 und den Beitrag des Bürgerheims von Fr. 3 000. Von den 4 Kühen errechnet man einen jährlichen Ertrag von 12 000 Litern Milch zu 30 Rappen.

Finanzierung und Ausbau gesichert 1963 werden vermutlich erstmals 10 – 15 a Bauland (an Karl Rieser) verkauft.

Investitionen ins Neuhaus lohnen sich Als verzinsliche Darlehen legen die Kirchgemeinden Aadorf und Tänikon sowie die Schulgemeinde Guntershausen je 10 000 Franken an, Wängi 15 000 Franken, dazu eine Option auf weitere 15 000 aus dem Kirchenbaufonds. Damit ist der Kauf der Greuter’schen Liegenschaft gesichert. 1948 Besitzstand Anstaltsgebäude mit Scheune Kulturland 363a Inventar Total Passiven

137 600 20 000 63 000 220 600 52 400

Zwischen 1948 und 1959 erfolgen jährliche Abzahlungen an Hypotheken von 2 – 10 000 Franken. 1956 werden 18 000 Franken in bauliche Verbesserungen investiert. 56

Ab 1967 ist die Armenfürsorge den konfessionell neutralen Munizipalgemeinden übertragen.33 Das Neuhaus bleibt jedoch im Besitz der 3 katholischen Pfarreien. Das Eigenartige an diesem Zustand ist, dass die Kirchgemeinden bei einem Notfall das Heim in keiner Weise finanziell unterstützen dürften, dass sie aber auch keinen Anspruch auf irgend­welche Beiträge aus dem Heimbetrieb haben. Ihre Kompetenz beschränkt sich auf die Wahl des Heimleiters, die Abnahme der Jahresrechnungen und die Genehmigung von Budgets und Bauvorhaben. Jährlich werden nun 40 – 52 000 Franken für Bauten reserviert. Bereits 1969 ist der Bau-60 mit etwa 337 000 Franken abbezahlt. Der als Bau–75 bezeichnete Gebäudeteil entsteht unter schwierigen Umständen in den Jahren 1972 – 1977. Immerhin stellt die Finanzierung keine besonderen Probleme, da durch die Landwirtschaftseinnahmen und die auf rund 20 Franken erhöhten Pensionstaxen jährlich etwa 75 000 Franken für künftige Investitionen reserviert werden können, dies neben


Von den mageren frühen Jahren zum Erfolg

gleichzeitig durchgeführten Ausbauschritten. Ausserdem ist eine Bundes-Subvention von 748 579 Franken zu erwarten. Den Rekord bringt das Jahr 1975 mit Rückstellungen von 248 000 Franken, dazu trägt wegen der Aufhebung der Landwirtschaft der Verkauf der Tiere mit 32 000 Franken bei. In den neuen Zimmern des Bau-75 wird die Pensionstaxe auf 25 – 35 Franken angehoben. Der Bau-75 wird am 1.1.1978 mit Fr. 2 268 893 abgerechnet. 1979 meldet die Gemeinde, dass sich mindestens 35 Personen für eine Bauparzelle interessieren. Beim Bau–85 ist Eile geboten, denn das ist das letzte Jahr, in dem noch Bundessubventionen der «Konjunkturspritze» fliessen. Die Direktion der Eidg. Bauten stellt Fr. 589 250 in Aussicht. Die Pensionstaxen werden auf 34 – 44 Franken angehoben, gleichzeitig auch die Löhne des Personals. Abgerechnet wird der Bau schliesslich mit 2 608 782 Franken.

1980 ist das Gelände zwischen Neuhaus und Lommiser­ strasse grösstenteils noch unverbaut.

Im Hinblick auf die Abrundung des Gebäudekomplexes durch einen letzten Bau werden die massiven Abschreibungen in der Grössenordnung von 60 000 – 200 000 Franken fortgeführt.

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Von den mageren frühen Jahren zum Erfolg

Das Dorf rückt näher zum Neuhaus heran

In diese Zeit hinein fällt auch der Versuch der Kommission, die Strasse beim Heim verkehrsfrei zu machen und durch eine selbst finanzierte Umfahrung zu ersetzen, was vom Kanton unter Hinweis auf die historische Bedeutung der alten Landstrasse abgelehnt wird. Ganz allgemein kann mühelos belegt werden, dass die kantonalen Instanzen einen eher dämpfenden als fördernden Einfluss auf die Entwicklung des Neuhaus ausüben. Der gekrümmte Grenzverlauf im Nordosten ist heute noch vorhanden.

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Nicht ohne Stolz stellt der Kommissionspräsident 1995 fest: «Die Gebäude des Neuhaus sind alle auf 1 Franken abgeschrieben. Der nächste Ausbau wird 6 Millionen kosten, wovon 3 aus Bauland finanziert werden müssen.» Die fundamentale Richtigkeit dieser Prognose wird sich ein Jahrzehnt später bestätigen, indem von den Kosten des Bau-05 in der Höhe von 4 484 477 Franken knapp die Hälfte (2 010 385) aus Landverkäufen stammt. Zwischen 1993 und 1997 entstehen komplizierte Verträge zwischen dem Neuhaus und der Munizipalgemeinde, eine Abfolge von Umzonungen, Tausch und Baulandverkäufen. Die Abtretung von Parzellen an die Gemeinde wird vereinbart, aber auch in umgekehrter Richtung. Dazu kommen Landverkäufe an Private. Die Kommission ist stark gefordert. Je nach Art der Geschäfte müssen neben den 3 Kirchgemeinden auch der Kantonale Kirchenrat und


Von den mageren frühen Jahren zum Erfolg

zuständige Staatsstellen begrüsst werden. Dass gerade in diese Periode die Änderung des bäuerlichen Bodenrechts fällt, führt ebenfalls zu Verzögerungen. Ca. 1995 entwirft Zehnder auch den Vertrag einer von den drei Kirchgemeinden praktisch unabhängigen «Stiftung Neuhaus». Doch ist die Zeit dafür noch nicht reif. Schwere Bedenken werden laut gegen das «Verschenken» des Heims. So wird diese Angelegenheit bis 2011 aufgeschoben. Immerhin erfolgt 2001 ein erster Schritt, indem die Kirchgemeinden Aadorf und Tänikon das Neuhaus ohne Gegenleistung der Partnergemeinde Wängi überlassen.34 Die Kirchenvorsteherschaft Wängi löst die nach diversen Austritten nicht mehr handlungsfähige Betriebskommission auf und ersetzt sie 2002 durch eine völlig neue Equipe. Sie besteht aus 5 frei gewählten Mitgliedern und je einer Vertretung der Kirchenvorsteherschaft und des Gemeinderates. 2005 Zertifizierung nach ISO 9001:2000 2006 Jahresbericht: Die finanzielle Situation des Zentrums ist stabil. Neben einem Baufonds in der Höhe von Fr. 3 100 000.– besteht eine Betriebsreserve von Fr. 300 000.–. 2011 Übergang an die Stiftung Neuhaus Im Jahr 2010 unternimmt die katholische Kirchenvorsteherschaft einen neuen Anlauf zur Stiftungsgründung.

Am 26. April 2011 ist es dann soweit: Präsident Kurt Schwander und Aktuarin Gabriela Kollegger unterzeichnen in einem feierlichen Akt die Stiftungsurkunde der «Stiftung Neuhaus».

Die selbständige gemeinnützige Stiftung bezweckt den Betrieb des Wohn- und Pflege­ zentrums für betagte, betreuungs- und pflegebedürftige Personen aus der Region. Die Katholische Kirchgemeinde Wängi widmet der Stiftung als Stiftungsvermögen das Wohnund Pflegezentrum Neuhaus, bestehend aus den Parzellen Nr. 599, 1400, 1499, 3101 und 3600 mit den darauf befindlichen Gebäulichkeiten und Anlagen sowie sämtlichen zu­gehörigen Einrichtungen und Inventaren. 59


Von den mageren frühen Jahren zum Erfolg

Ebenfalls in die Stiftung eingebracht werden alle Aktiven und Passiven des Wohn- und Pflegezentrums Neuhaus gemäss Jahresrechnung per 31.12.2010. Aus der bisherigen Verwaltungskommission wird der erste Stiftungsrat gebildet. Dieser wird vom Gemeinderat Wängi auf eine vierjährige Amtsdauer gewählt. Der Katholischen Kirch­ gemeinde steht weiterhin ein Sitz im Stiftungsrat zu. Am 3. Mai 2011 wird die Stiftung Neuhaus im Handelsregister eingetragen.

In den anschliessenden Zusammen­fassungen finden sich Angaben . . .

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über die innere Modernisierung . . .

über den wechselnden Grundbesitz . . .

über die Bautätigkeit . . .

über die Landwirtschaft . . .

. . . und Betrachtungen zu einzelnen Personen.


Der wechselnde Grundbesitz

Zweimal – in den Jahren 1886 und vor allem 1998 – erzielt das Neuhaus Gewinne durch gestiegene Landpreise. Karte 1 (schematische Darstellung) Grundstücke beim Erwerb des «Neuhaus» am 17. Oktober 1864 (Siegfriedkarte 1885) Von der Gesamtfläche von etwa 15 Hektaren befinden sich vermutlich 7 beim Neuhaus, weitere 5 in der Grütwiese (Torfland), Schauelen und Guggenbühl; dazu kommen 3 Hektaren Wald, die nicht klar zugeordnet werden können. Die Reben mit 46 Aren befinden sich im Raum Stettfurt-Immenberg.

Karte 2 Restbestand von höchstens 1,7 Hektaren beim Neuhaus nach der Gant vom 10. Oktober 1886, an der die übrigen Grundstücke für 25 488 Franken verkauft werden.

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Der wechselnde Grundbesitz

Plan 3 Nachdem das Bauernhaus «Zur frohen Aussicht» von Alfred Greuter, vermutlich wegen eines defekten Heizkissens, abgebrannt ist, kauft das Neuhaus 1948 das angrenzende Grundstück von 1,24 ha, ebenso 1,3 ha im Grüt für effektiv 31 400 Franken, da die Hausparzelle von 32 a gleich an Baumeister Zehnder weiterverkauft wird. Dazu kommen 10 Jahre später noch 69 a Wiesland von Binkert. Andrerseits werden 1963 10 – 15 a Bauland an Rieser verkauft. Weitere Verkäufe entlang der Lommiserstrasse erfolgen in den 1980er Jahren. (Grundstücke gemäss Plan der Güterzusammenlegung von 1935 beim Verfasser und Protokollen 71 und 101 beim Grundbuchamt Münchwilen)

Skizze 4 Parzellierung, laut Darstellung im Jahresbericht 1998.

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Der wechselnde Grundbesitz

Durch Tausch übernimmt 1994 die Politische Gemeinde 1 ha im Grüt und übergibt dem Neuhaus die gleiche Fläche von Kulturland nordöstlich des Gebäudes. Am 1.1.1998 erwirbt die Politische Gemeinde vom Neuhaus 14 Bauparzellen samt Verkehrsflächen für Fr. 3 165 420.

Aktueller Stand 2013 (Planunterlage durch Bauamt Wängi)

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Entwicklung und Verschwinden der Landwirtschaft

Aus dem Inventar von 1879 • Vieh (Gesamtwert 2’958 Fr. • 1 – 2 Ochsen à 400 – 600 Fr. • 3 – 4 Kühe à 200 – 400 Fr. • 1 – 2 Rinder à 110 – 210 Fr. • 1 – 2 Kälber à 30 – 100 Fr. • 2 Schweine à 110 Fr. • 12 Hühner à 2 Fr. Die Produkte der Landwirtschaft tragen nicht nur zur Finanzierung der Anstalt bei, sondern ermöglichen auch den zahlreichen Insassen aus dem bäuerlichen Milieu eine sinnvolle Arbeit. Erst mit dem steigenden Anteil von nicht mehr arbeitsfähigen Personen reduziert sich die Bedeutung von Ackerbau und Viehzucht.

Die Verkäufe von landwirtschaftlichen Produkten sind natürlich von der Ernte und dem Eigenverbrauch abhängig. Verkauft werden vor allem Gemüse und Eier. Vorsichtige Interpretation der verschlungenen Rechnung von 1866 ergibt einen Ökonomie-Ertrag von 3 300 Franken, vermindert um den Eigen­ verbrauch von etwa 1800 Franken. Der Erlös von Vieh – 3 Ochsen, 1 Kuh, 1 Rind, 2 Schweine – führt zu 1500 Franken Einnahmen, die damit verbundenen Auslagen sind nicht zu beziffern. 1885 bringt der Verkauf von 4 Ochsen 2070 Franken.

Inserat vom 26. Juli 1893: Trotz der Teil-Liquidation von 1886 floriert die Landwirtschaft.

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Entwicklung und Verschwinden der Landwirtschaft

· 1928 Erbspflanzung in Verbindung mit der Conservenfabrik Frauenfeld · 1930 Ökonomie-Einnahmen Fr. 3078, Eier, Gemüse Fr. 1034, Schweine Fr. 959 · 1940 Wohl wegen Überlastung von Verwalter Stücheli, dessen Frau häufig krank ist, wird die Landwirtschaft auf Hühner- und Schweinezucht reduziert. · Durch den Erwerb der Greuter’schen Liegenschaft erhöht sich 1948 die Anbaufläche von 170 a auf gegen 400 a, von denen aber bereits etliche als Bauland für 70 Franken pro Are verkauft werden. Der Verwalter glaubt den Mehraufwand zu bewältigen.

Hero-Erbsenfeld (Ort unbekannt)

· 1955 Anschaffung eines Einachs­ traktors, vor allem für den Gemüsebau · Kauf von 4 – 5 a von Rieser, für 6 Fr/m2 · Kauf von 69a von Binkert für Fr. 7000 · Einrichtung eines Heugebläses mit Aufbaumotor für 2 600 Franken · Bau eines Schweinestalls südöstl. des Viehstalls für 8 – 10 000 Franken · 1960 Anschaffung eines «Bührer Spezial» Traktors für 12 800 Franken Conservenfabrik Hero (Henckell & Roth) 1940

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Entwicklung und Verschwinden der Landwirtschaft

· 1965 Melkmaschine für 2000 Franken erworben · Landwirtschaft und Gemüsebau bringen neben dem Eigenverbrauch einen Überschuss von 21 000 Franken. · 1967 muss der Viehbestand reduziert werden, da immer mehr Pachtland überbaut wird.

Verwalter Gebhart Senn beim Stall

· 1968 Kreiselheuer für 2 241 Fr., Lade­ wagen für 7 250 Fr. angeschafft · 1971 stellt Verwalter Senn fest, dass er vor 19 Jahren mit 4 Kühen begonnen hat, jetzt sind es 13. Das entspricht ungefähr dem Durchschnitt in Wängi. · Gemüse- und Eierverkauf bringen jährlich 4 – 5000 Franken. · 1973 Ende der Landwirtschaft

Cécile Senn etwa 1960 im Gemüsefeld

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Entwicklung und Verschwinden der Landwirtschaft

Das grosse Vorhaben des Bau-75 und die Platzierung der beiden 70 000 Liter-Oeltanks erfordern den Abbruch von Scheune und Stall. Verwalter Senn ist damit nur einverstanden, wenn durch die Errichtung eines Treibhauses und die Erweiterung des Gartens weiterhin Arbeitsplätze für die Bewohner geschaffen werden. Auch die Kommission will nicht ganz auf die bisherigen Einnahmen aus der Landwirtschaft in der Höhe von 30 – 40 000 Franken ver­ zichten. Der Verwalter und seine Familie erwirtschaften später durch den intensiven Gemüseanbau (Erbsen, Kartoffeln, Karotten, Bohnen, Spinat, Cornichons, Beeren) neben dem Bedarf des Haushalts jährlich rund 25 000 Franken. Der Viehbestand wird 1975 «unter der Hand» verkauft. Als Landwirtschaft im Miniformat und Erholungszone wird später der Tierpark mit Ziegen, Hühnern und anderem Kleingetier gepflegt.

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Stete, aber zähflüssige Modernisierung

1900 Die Wasserversorgung hat sich sehr bewährt, auch die nächsten Nachbarn können ihr Wasser in der Anstalt beziehen. 1903 Waschmaschine, 1921 ebenfalls,1938 neue Waschzentrifuge für 1950 Franken 1908 Blitzableiter

1893 Pfarrer Krucker abonniert die Thurg. Wochenzeitung für die Armenanstalt. 1897 Die Dorfkommission Wängi gibt das Wasser aus der Hauptleitung Kalkbühl ab und berechnet für 2 Hahnen je 10 – 15 Fr.

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1915

Zentralheizung mit warmem Wasser vom Kochherd

1917

Badeofen «zur öfteren Waschung der Insassen» für 400 Franken bewilligt, Verbesserung im Jahr 1932.

1919

Anschluss an den elektrischen Strom (in Wängi seit 1908)

1919

Feuerlöscher (2 Minimax Feuer­ löscher), 1923 Schlauch von 24 m Länge, 1937 von 70 m)

1922 Seit dem 13. April kann im Neuhaus telefoniert werden. Nachdem Pfarrer Fräfel am 12. März die Wahl als Präsident abgelehnt hat, da wegen «wider­ setzlichen Pfleglingen» oft


polizeiliche Massnahmen nötig seien, wird ihm Pfleger Müller von Wängi als Helfer beigegeben. Dieser wünscht die Installation des Telefons. Diese erfolgt innert eines Monats. – Wängi erhielt 1896 eine Zentrale für 25 Anschlüsse: viel zu gross, meinte damals der Posthalter Ammann. 1929 Anschluss an die Wasserversorgung Wängi mit einem Hydranten, 1937 ein zweiter mit zusätzlicher Leitung 1923 – 1926 Die Warmwasser- und Zentralheizungsversorgung vom Kochherd aus funktioniert nicht gut. Damit beginnt die eigenartige Heizungsgeschichte des Neuhaus. Es wird eine Kohleheizung im Keller errichtet. Eine bescheidene Oel­ heizung entsteht Anfang der 1960er Jahre, braucht aber zu viel Oel. Im Jahr 1971 werden zwei 70 000- Liter-Tanks in sicherer Entfernung vom Altersheim aufgestellt und ebenerdig zusammen mit den Garagen in einem Flachbau untergebracht. Dadurch wird die Lage des späteren Bau-85 bereits vorbestimmt, der dann eigentlich um die Tanks herum gebaut wird. Das wird den grossen Vorteil bringen, dass der Bau-85 ziemlich weit von der Durchgangsstrasse entfernt liegt und so die Bildung eines Vorplatzes ermöglicht. Mit beträchtlichem Aufwand werden die Tanks 2010 zerlegt, entfernt und durch einen 40 000 Liter-Tank im Bau-2010 ersetzt.

Die 1907 erbaute Post Wängi ist mit dem Dachaufsatz für die Telefondrähte versehen.

Strom- (links) und Telefondrähte an der Dorfstrasse, 1911.

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Stete, aber zähflüssige Modernisierung

1931 Nachttischchen anstelle der bis­herigen Kisten, 1960 erneuert 1932 Eröffnung eines Postcheck-Kontos 1932 Badegelegenheit wird beschlossen. 1933 Lange Diskussion über die Installation eines Radios. Erwägung,dass ein Posten Radio in der Rechnung beim Steuerzahler Unwillen erregen würde. «Hingegen soll es dem Verwalter frei stehen, auf eigene Kosten einen solchen Drahtkräher anzuschaffen.»

1940 Die komplizierte Fahrradgeschichte: Verwalter Stücheli kauft bei Jak. Ruckstuhl, Hofen bei Sirnach, ein Herrenvelo «Luna» mit elektr. Licht und Packträger für 150 Fr. Nachdem er bei seiner Haftpflichtversicherung den Versicherungsausweis hat kommen lassen, schickt er seine bisherige Velonummer an Landjäger Rüesch in Münchwilen und bittet im Begleitschreiben um Zuteilung einer neuen Nummer. Diese muss dann montiert und noch im Velo­ büchlein, das ständig mitzuführen ist, eingetragen werden. Und schon kann Stücheli losfahren!

1934 Abtrittheizung 1935 Abwasserleitung von 90 m Länge 1936 8 neue Metallbetten werden angeschafft «in Anbetracht der Wanzenplage». Die dadurch nicht mehr verwendbaren, ziemlich guten Matratzen sollen den Gemeinden zur Verteilung an kinderreiche Familien zur Verfügung stehen. 1947 werden weitere 16 Eisenbetten beschafft. 1938 Eine neue Waschzentrifuge soll bei Schmied Gnehm für 340 Fr. gekauft werden.

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Ärgerlich: Drogerie Isenschmid, Aadorf, hat die falschen Spucknäpfe geliefert, nämlich Einzelmodelle statt Kollektivanlagen.35 (Noch während Jahren konnte man die Anschrift «Man bittet, nicht auf den Boden zu spucken» in öffentlichen Gebäuden und sogar in Kirchen finden.) Uhrmacher Künzli, Aadorf, muss die Wanduhr reparieren: «Beim Stundenschlag kommt öfters ein Surren voraus, es ist das ein unheimliches Zuhören.»


Stete, aber zähflüssige Modernisierung

1943 Stücheli möchte einen Staubsauger anschaffen. Abgelehnt, «da ja Frauen in der Anstalt sind, die das Teppichklopfen besorgen können.»

Kriegszeit: das Radiohören ist wichtig, auch wegen zusätzlichen Lebensmittel-Angeboten auf den Rationierungs­ karten. Ein Radio wie in der Reklame von 1945 mit 3 Wellen­ bereichen kostet jedoch etwa 400 Franken36, so dass es sich wohl um ein billigeres Gerät handelt, z.B. einen «Volksempfänger».

1945 Für die Anschaffung eines Radios werden 150 Fr. bewilligt. 1945 Holzgasherd und kleiner Elektroherd für etwa 3000 Franken 1954 Statt des ursprünglichen langen Waschtrogs im Gang werden 4 – 5 Waschbecken installiert, wenn möglich Occasionen.

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1955 Küchenrevision nach Beanstandung durch den Bezirksrat: Herd mit 4 grossen Kochplatten, 2 Backöfen, 3 «Rischo» (Réchauds), Kühlschrank, Plattenboden, für 14 000 Franken 1950 Schreibmaschine von Verwalter Bechtiger gekauft, wird von der Kommission aber nicht übernommen 1951

Nähmaschine von Verwalter Bechtiger gekauft, 1953 Ankauf durch Heim verschoben, 1955 für 1200 Franken übernommen

1953 Klosettspülungen notwendig: es sollen Occasionen gekauft werden! Hier wird bis zum Küchenausbau 1967 für rund 80 Personen gekocht. 34 Jahre später Küchenchef Manfred Kühni mit seiner Mannschaft (eigentlich eine Frauschaft) Nicht umsonst geben wir der Küche so viel Raum: Die Qualität der Verpflegung ist ein Markenzeichen des Heims.

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Stete, aber zähflüssige Modernisierung

1955 Kühlschrank 1956 Boiler 1957 Rauchzimmer wird in den Keller verlegt. 1959 Fernseher: «welcher nicht mehr wegzudenken ist», bezahlt von Bewohnern und Verwalter 1961 Trennung von WC für Frauen und Männer.

Anschaffung von zwei Schaum­löschern

1962 Waschmaschine-Vollautomat, Fassungs­ vermögen 5 – 7 kg, für 3 700 Franken

1967 Küchenausbau für 26 300 Franken: Kippkessel, Elektro­ dampfheizung, Wärmeschrank, Dampfabzug, Auszug­ schubladen. Endlich blitzt der hygienische Chromstahl.

1963 Wasserkasten für die Spülung der 7 Closets (gleichzeitig muss das Güllenrührwerk verstärkt werden, da die Closets in die Stalljauche entleert werden) 1964 Gefrierraum wird von Therma, Schwanden, für 14 800 Franken ausgebaut. 1966 Kläranlage wird von Baumeister Heinz Zehnder für 16 238 Franken erstellt 1968 Badelift für 2 860 Franken

Mit der Bewilligung für den Bau-75 ist die Erstellung einer Zivilschutzanlage für 60 Personen verbunden.

1972 Geschirrwaschmaschine, mit 90-SekundenWaschgang, für 10 000 Franken

Die neue Kapelle im Untergeschoss wird, entgegen dem Antrag des Verwalters, mit Bänken statt Stühlen ausgerüstet, was sich in der Folge als höchst unpraktisch erweist.

1975 Lift und Notstromgruppe 1979 Ein Kleinbus der Marke Mercedes mit 11 Sitzplätzen und spezieller Einstiegsmöglichkeit wird angeschafft. 73


Stete, aber zähflüssige Modernisierung

1993 Der Pflegedienst unter der Leitung von Martha Inauen wird vom Kanton anerkannt. Heimärzte sind Dr. Rasi und Dr. Frehner.37 Das heisst, dass Pensionäre auch bei erhöhter Pflege­ bedürftigkeit im Neuhaus bleiben können.

Die Pflege: ein weiteres Markenzeichen des Heims. Die Pflegegruppe mit Slavica Stolevska (rechts), etwa 2000.

1989 verbingen 17 Pensionäre eine Woche in Gwatt, für verschiedene die ersten Ferien im Leben. Alle sind schon um 7 Uhr bereit, obwohl die Abfahrt erst auf 10 Uhr angesetzt ist.

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Anlässe Zur inneren Modernisierung gehören zunehmend bestimmte Anlässe, die das Einerlei des Heimbetriebs auflockern. In gewisser Weise bilden sie die Fortsetzung des Lebens vor dem Eintritt: Geburtstage, Weihnachten, Ostern, Pfingsten werden gefeiert, dazu kommen Veranstaltungen wie Trachtenfest, Fasnacht, Nikolausbesuch, Herbstmarkt und eine ganze Palette von heiteren Ereignissen, wobei die Musik eine wichtige Rolle spielt. Beliebt sind auch die Ausflüge, von denen der erste 1951 erwähnt wird: die Fahrt nach Stein a.Rh. mit dem Car der einheimischen Firma Wick, welche dafür 95 Franken berechnet. 1957 fährt man an den Walensee, 1959 über den Klausen, 1973 nach Einsiedeln. Mit den Fotos fröhlicher Reisender füllen sich die Alben. Das Neuhaus öffnet sich und sucht die Nähe zum Dorf. Allmählich bildet sich ein Kreis von treuen besuchenden und helfenden Personen, die mit individuellen Kontakten und durch die Mitgestaltung von Anlässen viel Freude und gute Stimmung bringen.


Stete, aber zähflüssige Modernisierung

Fasnachtszeit Sympathisches Empfangskomitee am Eingang

Einen friedlichen Armee-Einsatz erlebt man 1991, als eine Einheit im Rahmen der 700-Jahrfeier der Schweiz den Besuch des Rheinfalls organisiert.

Spielrunde in der Cafeteria Jassen als Generationen übergreifender Sport und «Eile mit Weile» bereits mit einen Hauch von Nostalgie. Ob wohl Jassteppich und Spielbrett in wenigen Jahrzehnten durch Laptops und Tablets abgelöst werden?

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Bauen, bauen, bauen . . .

Bauverlauf 1864 – 2013 Scheune Schopf

Altbau ca. 50 Plätze

Scheune Schopf

Altbau ca. 50 Plätze Ess-Saal Küche

Bau-60 Wohnung ca. 12 Plätze Wäscherei

Altbau ca. 44 Plätze Ess-Saal Küchenteil Wannenbad

Bau-60 Wohnung ca. 12 Plätze Wäscherei

Altbau 13 Zimmer Ess-Saal Küchenteil

Bau-60 Wohnung 8 Zimmer Wäscherei

Altbau 5 Zimmer Spezial-Räume Pflegebad 2001

Bau-60 8 Zimmer Lift Wäscherei

1864 – 1960

ab 1960

Öltanks

ab 1975

Bau-85 23 Zimmer Cafeteria Öltanks

ab 1985

Carport

ab 2005

Bau-05 Küche Speisesaal Lift

Bau-85 23 Zimmer Cafeteria neu Öltanks

Personalräume Carport

ab 2012

Bau-05

8 Zimmer Küche Speisesaal Lift

Bau-85 24 Zimmer Cafeteria

Bau-75 14 Zimmer Saal Küchenteil Lift

Bau-75 14 Zimmer Saal Küchenteil Lift

Bau-75 14 Zimmer Saal Lift Entrée neu

Bau-10 8 Zimmer Lagerräume Bau-75 12 Zimmer Lift Verwaltung Entrée

Haus-12 14 Zimmer Spezialräume Saal

Bau-60 8 Zimmer Lift Wäscherei


Das Neuhaus von Osten, gezeichnet von Berkmüller Links hinter dem Wohnhaus teilweise sichtbar die Scheune, die am 28. März 1883 durch Brand­ stiftung niederbrennt und dann auf der Rückseite des Wohnhauses mit Hilfe der Brandversicherung neu errichtet wird. Am 7. August 1923 brennt auch diese Scheune, wird wieder aufgebaut und hält samt eingebautem Stall bis zum Abbruch in den Jahren 1973 – 75.

Kaufprotokoll vom 5. Nov. 1864 • Ein doppeltes Wohnhaus samt Krautgarten und Hofreite assekuriert sub Nr. 265a per Fr. 8000.– • Eine doppelte Scheune samt Hofreite, assekuriert sub Nr. 265b per Fr. 2400.–  • Ein Schopf assekuriert sub Nr. 265c per Fr. 500.– Ungefähre Flächen 10 Juchart Wiesland, 24 Juchart Ackerland, 1,5 Juchart Reben am Immenberg, 9 Juchart Wald

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Der Anbau von 1915 1915 Haus-Umbau für 14 928 Fr., Anbau ist billiger als Neubau. Treppenhaus- und Küchentrakt Die Küche ist im untern Stock und teilweise im Altbau untergebracht. Das Essen wird mittels einer Durchreiche in den SpeiseSaal gegeben, der sich hinter den Fensterstöcken rechts vom Eingang zum Altbau befindet.

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Später wird der Estrich mit den beiden Mansarden aufgestockt, um weiteren Wohnraum zu gewinnen. Foto von etwa 1973: Bereits stehen die Visierstangen für den Bau-75. Grosse Errungenschaft: ein Stewi-Wäscheständer Rätselhafte Überraschung bei der Demontage im Jahr 2011 Zwischen Alt- und Anbau ist eine Krücke eingemauert. Ob das aus abergläubischen Vorstellungen geschah, als Votivgabe für eine Heilung, wie man sie an Wallfahrtsorten findet, oder als Zeuge eines schweren Daseins, ist unbekannt und hat auch keine Erwähnung im Protokoll von Pfarrer Müller gefunden. Wie auch immer – eine Krücke gerät wohl kaum aus reinem Zufall in ein Mauerwerk.

Ulrich Stutz, dem ein Bahnwagen das Bein raubte, als Stationsvorstand in Rosental, etwa 1940. Dass er der Besitzer der Krücke war, ist wenig wahrscheinlich.


Haus im Mai 1955 mit intensivem GemĂźsebau und Landwirtschaft

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Der erste grosse Ausbau 1960 Anbau Süd mit 4-Zimmerwohnung für die Verwaltersfamilie und weiteren Pensionärs­zimmern, 2 Aufenthaltsräumen im Verbindungstrakt und Kapelle. Kostenvoranschlag Fr. 318 000. Gleichzeitig wird der Altbau umgestaltet. Die Kommission errechnet eine Steigerung von bisher 38 Betten (zur Zeit mit 44 Personen überbelegt) auf 59 Betten, was einen jährlichen Mehrertrag von 11 000 Franken ergeben soll.

Cécile Senn sagt, sie seien unter Druck gesetzt worden: «Wenn ihr eine eigene Wohnung wollt, müsst ihr für das Kapital sorgen.» Das taten sie auch! Am 11. Juni 1961 wird der Bau mit einer öffentlichen Besichtigung eingeweiht. Der zweite Ausbau Schon ein Jahrzehnt später taucht die Idee einer weiteren Vergrösserung auf, verbunden mit Verbesserungen der Infrastruktur, vor allem durch den Küchenausbau und den Lift. Da der alte Oeltank der bescheidenen Heizung aus den 1940er Jahren abgeschätzt wird,

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müssen 2 neue 70 000-Liter-Tanks frei stehend neben der Scheune aufgestellt werden; gleichzeitig entstehen 3 Garagen. In einer späteren Phase (Bau–85) werden die Tanks in den Gebäudekörper integriert, 2011 wieder ausgebaut. Zwischen 1972 und 1975 ergeben sich unerfreuliche Auseinandersetzungen über die Wahl des Architekten, die Präsident Guido Schöb durch einen Befreiungsschlag beendet, indem ein Fremder den Auftrag erhält, nämlich der Architekt B. Ochsner von Oberiberg, dessen Pläne – mit Flachdächern und Balkonen – ausgeführt werden. Die angestellten Erwägungen, den Altbau und sogar den Bau-60 abzubrechen, werden nicht weiter verfolgt: eine Belastung für die folgenden Bauvorhaben. Neben den Mängeln des Altbaus bilden der schlechte Baugrund und das Süd-Nordgefälle die Hauptprobleme. Der Altbau mit dem grossen Gewölbekeller darf nicht abgerissen werden. Eine volle Unterkellerung der neuen Bauten wird als riskant verworfen; daher wird nur ein Leitungskanal erstellt. Der Bau-75 mit seinen 14 Einzelzimmern ermöglicht erstmals eine angemessene Krankenpflege. Besonders wichtig und schon jahrlang gewünscht ist der Lift: Gehbehinderte Bewohner müssen nicht mehr mühsam auf schmalen Treppen hinauf- und hinunter­ getragen werden. Die Betriebssicherheit wird durch eine Notstromgruppe gewährleistet.


Bauen, bauen, bauen . . .

Die dritte grosse Etappe Nach den guten Erfahrungen mit dem Architekten Ochsner liegt es nahe, ihm auch den Bau-85 zu übertragen, der schon seit 10 Jahren in einem genehmigten Gesamt­ projekt vorgesehen ist. Es wird eine Fortsetzung des modernen Baustils erwartet. Doch nun schalten sich Denkmalpflege und Gemeinde­behörde ein. Den modernen Bau-75 – von vorne kaum sichtbar – haben sie zähne­ knirschend toleriert, nun aber wird verlangt, dass der Stil des Altbaus weitgehend übernommen wird. An Flachdach und Balkone, wie sie auf Ochsners Vorstudien zu finden sind, ist nicht mehr zu denken. Schliesslich wird die von Ochsner angepasste Variante ausgeführt, die sogar in den Winkelmassen der Dachlinie mit dem Altbau übereinstimmt. Der Innenausbau ist modern, unten die Cafeteria, die allerdings von der im ersten Stock des Altbaus situierten Küche zu weit entfernt ist; ferner 23 Einzelzimmer sowie ein Raum für die Pflegeleitung und weitere Infrastrukturräume.

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Bauen, bauen, bauen . . .

Nicht gerade einladend wirkt die Eingangspartie. Der Besucher läuft am Schalter auf. Die Cafeteria kann er nur auf dem Umweg um die Lift- und Treppenzone und über eine recht steile Rampe erreichen. Im Sommer wird jeweils ein hölzerner Steg aufgebaut, der direkt in das vorderste Fenster der Cafeteria führt, natürlich nicht rollstuhlgängig.

Das Schönste an der ganzen Anlage ist der Entenund Fischteich, umgeben von einem alten Baum­ bestand. Dieser wird ab 2005 der Neugestaltung der Eingangspartie und der Aussenanlage der Cafeteria zum Opfer fallen.

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Mit Fantasie lässt sich die Cafeteria zur Festhalle umbauen. Das Cheminée in der rechten Ecke wird sehr selten benützt, da es offenbar raucht.

Die politische Gemeinde stiftet für die Cafeteria die Franziskus-Keramik von Christof Zünd, Ettenhausen. Obwohl künstlerisch ansprechend, betont sie den ernsten, beinahe sakralen Charakter des Raums mit den schweren Deckenbalken und wuchtigen Möbeln.

Während gewisse Altersheime ihre Bewohnenden in Mehrbettzimmern unterbringen – z.B. mit der Begründung der gegenseitigen Hilfe –, setzt das Neuhaus klugerweise auf Einzelzimmer. Auch in der Frage, ob Balkone nötig seien, gehen die Meinungen aus­ einander. Es wird jedoch in den 1980er Jahren kaum ein Privathaus gebaut ohne diesen Komfort. Schade!

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Ein origineller Beitrag Es kann nicht ausbleiben, dass ein findiger Architekt für einen weiteren Ausbau die Reise in die Vergangenheit nachvollzieht und einen Vorschlag kreiert, von dem er annimmt, er sei ganz im Sinne von Kommission und Denkmalpflege. Die an prominenter Stelle platzierte Kapelle ist grösser als der Speisesaal und sollte wohl die geistlichen Herren besonders ansprechen, während die altertümelnde Dachlandschaft die Denkmalpflege in Entzücken versetzen sollte. Damit wäre das Neuhaus würdig geworden, als Zeuge historischer Baukunst ins BallenbergFreilichtmuseum aufgenommen zu werden. Planung der vierten grossen Etappe – auf einem wissenschaftlich begründeten Irrweg Die 2002 völlig erneuerte Kommission stellt fest, dass die Gebäudekette des Neuhaus sehr an ein Labyrinth erinnert und dass insbesondere die beiden Hauptmängel beseitigt werden müssen, nämlich die Lage der Küche im ersten Stock – während Saal und Cafeteria im Erdgeschoss liegen – und der schlechte Zustand des Altbaus. Hilfe sucht die Kommission bei zwei Persönlichkeiten, die als Kapazitäten auf dem Gebiet

der Alters- und Pflegeheime gelten: bei einem ausgewiesenen thurgauischen Planer und und einem Architekten von Luzern. Ausgehend von den «neuen Szenarien des Bundesamtes für Statistik für die Jahre 2000 – 2060», die sich im Gegensatz zu früheren Methoden durch die «Vorausschätzung der Fruchtbarkeit, der Sterblichkeit und der Erwerbsquoten sowie durch die Wahl der Hypothesen über die Migrationsbewegungen» auszeichnen, stellt der Planer fest, das Neuhaus würde nie die staatlich bewilligten 74 Bewohner aufnehmen können, sondern höchstens 48, im allergünstigsten Falle 60. Ähnlich agiert der Kanton:

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Bauen, bauen, bauen . . .

Originell ist die runde Cafeteria, weniger erfreulich sind interne Verschiebungen von Mauern und Liften, die vor allem einer verbesserten Organisation und Transparenz dienen und ziemlich ins Geld gehen. Alles in allem: eine teure «Pflästerli-Lösung». Auf dieser Basis schlägt die NeuhausKommission der Kirchgemeinde Wängi 2004 den weiteren Ausbau vor. Richtig zufrieden mit dem Zustand ist niemand, ganz deutlich auch nicht der Architekt: «Es ist sehr schwierig!»

Die vierte grosse Etappe «Das Neuhaus ist kein Denkmal!» Auf der vom Regierungsrat erlassenen, wenig transparenten Bettenliste bewilligt er ganze 54 Plätze (nach heftigem Protest 57) und erlaubt nur kurzfristig eine beantragte Überschreitung. Hätte der wissenschaftliche Planer statt seiner Fruchtbarkeits- und Sterblichkeitsformeln die Bewohnerstruktur des Neuhaus berücksichtigt, so hätte er feststellen können, dass seit mehr als 100 Jahren die Auswärtigen weit zahlreicher vertreten waren als diejenigen von Wängi und Umgebung, auf denen sein Zahlenmaterial basiert. – Man muss zugeben, dass dieser Initialfehler auch der Kommission erst allmählich bewusst wird. Der Architekt nimmt bei der vorliegenden Prognose an, der Ausbau könne innerhalb der bestehenden Bauten erfolgen, und unterbreitet einen entsprechenden Vorschlag. 86

Aus einer Besprechung mit dem Architekten Peter Widmer entsteht ein völlig neues Projekt: die Erweiterung gegen Nord­westen durch einen Küchen-Esszimmer-Trakt mit Lift und 8 grossen Zimmern. Ausserdem sollen die Cafeteria und die enge Eingangspartie neu konzipiert werden. Der Altbau wird umgenutzt und weist gerade noch 5 Bewohner­zimmer auf. Nur ungern lässt die Denkmalpflege die moderne Architektur zu, die zur bestehenden Stilvermischung ein weiteres Element hinzufügt. Es ist jedoch absehbar, dass der Altbau auf lange Sicht kaum mehr zu retten ist und damit als prägendes Vorbild ausfällt.


Bauen, bauen, bauen . . .

Das erweiterte Projekt wird 2005 von der Kirchgemeinde genehmigt und 3 Jahre später mit 4 484 477 Franken abgerechnet. Zwischenzeitlich (2002) renoviert A. Gamma, Münchwilen, den Bau–60, der nun nach der Aufhebung der Parterre-Wohnung 8 Einerzimmer aufweist.

Der Bau-2005 mit moderner Küche samt Speisesaal und mit der erneuerten Cafeteria und Eingangspartie; dank der spontanen Mitarbeit der erfahrenen Angestellten ein gut gelungenes Werk.

Peter Widmer, Architekt, Frauenfeld

Flugbild am 26. Juli 2008

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Die rot markierten Gebäudeteile müssen teilweise abgerissen und ersetzt werden.

Der letzte grosse Ausbau Das weitaus schwierigste Bauvorhaben kommt auf das Neuhaus zu mit der Erneuerung des Mittelteils, also des Altbaus und des Baus-75. Während der Bauzeit muss der isolierte Bau-60 völlig geleert werden. Für die Ergänzung der Infrastruktur wird kein Aufwand gescheut; die Pflegedienste der drei Etagen 88

werden einheitlich gegliedert und ausgerüstet, es entstehen zusätzliche Räume für Lager, für den Anlagendienst und die Administration, daneben Garderoben und Personalräume. Der Münchwiler Architekt Ueli Bohnenblust plant und leitet diese Etappe vorzüglich. Der Bau-60 muss wegen des Verbindungsunter-


bruchs ebenfalls geleert und durch ein Baracken-Provisorium ersetzt werden. Der Januar 2012 markiert das Ende des wohl über 200-jährigen Altbaus. Abgesehen von Historikern trauert diesem Gebäude mit seinen dünnen Holzwänden und schmalen

Zimmern wohl niemand nach. Einzig der Heimarzt Dr. Karl Frehner sagt, er werde in Zukunft die Böden vermissen, die beim Durchschreiten so herrlich federten: eine Art permanentes Trampolin. Die beiden Etagen-Duschen und WC lagen jenseits des Ganges.

Ebenso verschwindet der ehrwürdige Gewölbekeller, in dem an schwülen Sommerabenden wie zur Zeit des früheren Schürli-Wirts festliche Stimmung herrschte. Er wird ersetzt durch den hellen Saal, dessen Bühne auch als Kapelle und Sitzungsraum dienen kann.

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Bauen, bauen, bauen . . .

Neu entstanden ist der geschlossene Innengarten, der sich optisch auf die östliche Wiesenlandschaft hin öffnet.

Andacht mit der Pfarreileiterin Gabi Suhner.

Als letzte Erinnerung an das ursprüngliche Heim hat die Madonnenstatue ihren Platz im Neubau erhalten.

Sitzung der Spitex-Fahrer und Fahrerinnen auf der Bühne

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Bauen, bauen, bauen . . .

Die Kapellenfenster im Andachtsraum sind eine gemeinsame Stiftung der evangelischen und der katholischen Kirchgemeinde Wängi. Mit Ähre und Brot auf der linken und Rebe und Kelch auf der rechten Seite stellen sie die Zeichen von Eucharistie und Abendmahl dar. Sie wurden vom St. Galler Glaskünstler Stefan Mathies gestaltet.

Im Zeichen rationeller Raumausnützung ist die Bühne des Saals als Andachtsraum oder als Sitzungszimmer benützbar. In früheren Baukonzepten wäre eine solche Mehrfachnutzung undenkbar gewesen. Die Lage und Grösse der Kapelle war bei der Beurteilung von Plänen ein wichtiges Kriterium, gelegentlich schien es für die geistlichen Führer des Neuhaus das entscheidende.

Unangetastet bleibt der Park mit dem 2014 gestalteten Spielplatz. Die Schaukelanlage – eigentlich eher für jüngere Benützer bestimmt – bei der Einweihung durch Stiftungspräsident Linus Schwager, Gemeindeammann Benno Storchenegger, Gemeindeschreiber Thomas Goldinger und den Zentrumsleiter Stefan Wohnlich

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Ein Wohn- und Pflegezentrum im Grünen Das Neuhaus im Frühling 2014, von einer Drohne fotografiert. Obwohl die ineinander verschachtelten Bauten den Eindruck eines Labyrinths erwecken, ist die innere Einteilung klar strukturiert. Links von der Bildmitte ist im Hintergrund der auf einer sanften Kuppe liegende Weiler Anetswil zu erkennnen, zu dem das Neuhaus bis 1969 gehörte38, während der Park diesseits der alten Landstrasse auf Wängener Boden lag. Rechts von Anetswil der Ortsteil Eggetsbühl mit dem markanten Wasserturm. Der bewaldete Hügel ganz rechts am Horizont ist der Ölberg mit der Stadt Wil, dem ursprünglichen Ziel der alten Landstrasse. Die schöne Aufnahme wurde von Donald Kaden, Frauenfeld, zur Verfügung gestellt.


Die Armen im Geiste ihr Leben selbstständig zu führen. Von diesen haben einige bis in die neuere Zeit gelebt und sind den langjährigen Angestellten in Erinnerung geblieben. Sie haben irgendwie zur Belebung beigetragen, waren gleichzeitig eine Belastung und eine Bereicherung.

Fritz Eberle

Der vieldeutige Ausdruck aus der Bergpredigt schliesst auch sie ein: die geistig oder seelisch Behinderten. Es sind die, welche in Armenanstalten «versorgt» wurden, weil sie nicht imstande waren, 94

Fritz Eberle war in den 1940 – 70er Jahren in Frauenfeld ein stadtbekanntes Original. Zusammen mit seinem Bruder fuhr er eine Zeitlang mit dem grossen, von zwei riesigen Doggen gezogenen Leiterwagen von der Kaserne über die untere Murgbrücke in die Eisenwerkstrasse, wo der Kantinenwirt Tschäppeler seine Schweine mit den Speise­ abfällen füttern liess. Obwohl geistig beschränkt, hatte Fritz doch einen Sinn für Humor und verfügte über ein Arsenal von aufgeschnappten Sprüchen, die er in Gesellschaft gern von sich gab. Die Brüder Eberle waren auffallend gut rasiert, da die Lehrlinge des Coiffeurs Herzog in der Altstadt an ihnen die ersten Versuche mit Dachshaar­ pinsel und scharfer Klinge durchführten. Dort war es auch, dass Fritz zu einem thurgauischen Regierungsrat unter allgemeiner Heiterkeit sagte: «Dertig sött me en Stall voll ha und dänn de Schlüssel verlüre!» Im höheren Alter war er mit seiner Geschwätzigkeit den vo­rnehmen Frauenfelder Alters-Etablissements natürlich nicht zumutbar und landete im Neuhaus.


Die Armen im Geiste

Eine Art Gegenstück zu Fritz Eberle bildete Jakob Kreis, der offensichtlich einmal bessere Tage gesehen hatte – es hiess, er sei ein Grossbauer gewesen – und nun in Schwermut verfallen war. Seine hohe Gestalt war den Wängenern bekannt, denn er unternahm lange Märsche, mit riesigen Schritten ausgreifend, stets mit erloschenem Blick, wortlos an den Menschen vorbeigehend. Hingegen redete er mit den Tieren und die Hunde wedelten schon, wenn sie ihn von weitem wahrnahmen. Ein einziges Mal sah ich (Andreas Raas) ihn anders. Während den von Frau Susanna Ilg organisierten Bastelstunden hantierte er mit der Laubsäge und schnitt, völlig in die Arbeit vertieft, die Tierfiguren aus, die nachher bemalt wurden. Ich schaute ihm eine Weile zu und sagte dann: «Das ist nun eine typische Kreis-Säge!» Da verzog er die Lippen und lachte unhörbar in sich hinein. Jakob Kreis

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Die Armen im Geiste

Heim – mit einem Blümlein im Mund und vor allem: mit der Musik. Anfänglich war es noch ein aufziehbares Grammophon gewesen, das er auf einem Leiterwagen mitführte, später ein Cassettengerät. Er postierte sich auf privaten und öffentlichen Sitzplätzen und liess die Musik spielen. Man sah in seinem Blick den Stolz darüber, dass er so schöne Töne produzieren konnte. Allerdings erwartete er dann auch ein kleines Honorar. Er war ein grosser Verehrer der für ihn unerreichbaren Frauen, denen er Blumen brachte, notfalls aus dem Friedhof. Er wusste noch einiges zu erzählen über die Klosterfrauen, die ihn schon als Jugendlichen im Heim erzogen hatten. Sein Bruder Albert hatte kein so unbeschwertes Naturell. Er war vermutlich weniger beschränkt als Noldi, litt aber unter Depressionen, nervösen Zuckungen und der dauernden Angst, bestohlen zu werden. Ein hartes und ruheloses Leben! Albert Eisenegger

Arnold Eisenegger

Im ganzen Dorf bekannt war Noldi, eigentlich Arnold Eisenegger, stets gut gelaunt, häufig in recht eleganter Kleidung – viele Leute gaben ausgetragene, aber noch gute Kleider ins 96


Die Armen im Geiste

Meinrad Müller war im Kindesalter zusammen mit seinem Vater ins Heim gekommen und blieb dort während 52 Jahren bis zu seinem Tod im Jahr 2004. Ob er jemals eine Art Schulbildung genossen hatte, war schleierhaft. Er beschäftigte sich verantwortungsbewusst damit, für seine Mitbewohner Besorgungen und Einkäufe im Dorf zu machen. Geschäftig hantierte er mit Zetteln, obwohl seine Lese- und Schreibfertigkeiten wohl eher bescheiden waren. Danach hätte man aber nie fragen dürfen. Wenn er spürte, dass man ihn nicht ernst nahm, konnte er heftig ausrasten.

Meinrad Müller

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Die Armen im Geiste

Die liebenswürdigste unter den geistig Armen war Beatrice Huwyler, die mit ihrer Mutter ins Neuhaus gekommen war. Diese hatte testamentarisch verfügt, dass das Mädchen nach ihrem Tod im Heim verbleiben könne. Verschiedene Instanzen waren der Meinung, Beatrice solle in eine spezielle Einrichtung für Mongoloide überführt werden. Dass dies nicht geschah, war wohl ihre Rettung und der Grund für ihr verhältnismässig langes Leben von 58 Jahren. Das Neuhaus war ihre Heimat und die Bewohner waren ihre Freunde. Man musste sie sehen, wie sie geschäftig – fast wichtigtuerisch – in der Wäscherei und an allen möglichen Arbeitsstellen mitwirkte. Sie hatte ein sonniges Gemüt. In Marianne Frei sah sie wohl ihre verlorene Mutter und verehrte sie in kindlicher Liebe.

Beatrice Huwyler

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Die Armen im Geiste

Sebastian Spinas war als Verdingbub vom Kanton Graubünden in den Thurgau ver­schlagen worden und arbeitete später als Knecht bei verschiedenen Bauern in Tuttwil und Wängi. Trotz Schwerhörigkeit und sprachlicher Behinderung arbeitete er auch im Neuhaus überall mit, am Schluss nur noch in der Wäscherei. Hier war es ihm wohl und er machte dank besonderer Zuwendung des Personals Fortschritte im Reden. Bereits im fortgeschrittenen Alter konnte er erstmals das Grab seiner Mutter auf dem Friedhof von Tinizong besuchen. Zwei Schwestern, die er nie gekannt hatte, erschienen 2002 zu seiner Beerdigung.

Ein recht origineller Heimbewohner war Peter, ursprünglich ein Käsereiarbeiter. Er war viel unterwegs, interessierte sich für die Vorgänge im Heim, kannte sehr schnell die Namen der Mitbewohner und konnte sich zahlreiche Geburtstagsdaten merken. Mit Hingebung spielte er auf einer Tisch-Zither mit vor­ gegebenen Notenrastern. Sein Repertoire reichte vom Schlager bis zu kurzen klassischen Stücken und wurde ständig durch Ankauf von neuen Noten erweitert. Also ein idealer, sympathischer Heimbewohner! Wäre da nicht seine Schwäche gewesen, nämlich Dinge zu finden, die niemand verloren hatte. Er war ein unverbesserlicher Kleptomane, der gern die Gelegenheit zu einem Diebstahl benützte und sich auch in fremde Zimmer verirrte. Das konnte natürlich nicht toleriert werden und so musste er das Neuhaus verlassen, wurde aber von einem kleinen Altersheim aufgenommen, wo man ihn

Sebastian Spinas

besser im Auge behalten konnte. Als auch das nichts nützte, wurde er zur Abklärung und Therapie in eine psychiatrische Klinik gebracht. Nach längerem Aufenthalt brachten ihn zwei Herren von dort zurück und gaben die Diagnose bekannt: «Betreffend Kleptomanie – kein Befund; folglich auch keine Therapie nötig.» Als die beiden würdigen Begleiter das Haus verlassen hatten, leerte Peter genüsslich seine Taschen und breitete die Schätze aus, die er in der Klinik hatte mitlaufen lassen . . . 99


Die Säulen des Neuhaus

Als Säulen des Neuhaus müsste man eigentlich sämtliche Angestellten bezeichnen, denn alle erfüllen eine wichtige Aufgabe. Es geht nicht um ein «Ranking». Vielmehr sollen – stellvertretend für alle – diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geehrt werden, die schon vor dem Jahr 2000 eingetreten sind und dem Neuhaus bis heute die Treue gehalten haben. Marianne Frei seit 1989 Angefangen hat Marianne Frei mit punktuellen Einsätzen während dem Frühlingsputz. Heute leitet Sie umsichtig, engagiert und mit viel Erfahrung den Bereich Hauswirtschaft. Als Organisatorin vieler interner und öffentlicher Anlässe im Neuhaus ist sie auch als Gastgeberin weitherum bekannt und geschätzt. (Gratulation des Zentrumsleiters zum 25-Jahr-Jubiläum) Maria Brülisauer seit 1990, nach 25 Jahren als Bäuerin zuerst als Hilfe beim Putzen, dann vor allem in der stets wachsenden Wäscherei tätig, dazu im Hausdienst. Sie verfügt über ein besonderes Flair für Basteln und Gestalten.

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Die Säulen des Neuhaus

Ein Jahr später trat ihr Ehemann Franz Brülisauer ins Neuhaus ein und war bald einmal ein Allrounder für Technik und Anlagenpflege in und ausser Haus. Seit 2007 kümmert er sich hobby- und profimässig vor allem um den prächtigen Garten und den kleinen Zoo, der die Neuhaus-Bewohner und Gäste erfreut. Frauen aus dem Dorf führen hier ihre Kleinkinder gern spazieren. Vor allem aber ist Franz ein echter Appenzeller geblieben: witzig, musikalisch und gesellig.

Rita Brunner seit 1990, ihr Einsatz beim unerwarteten Weggang von Wendelin hat mitgeholfen, das erschütterte Heim zu stabilisieren. Die Bewohnenden schätzen ihre frische, unkomplizierte Art und ausgeglichene Fröhlichkeit.

Manfred Kühni seit 1992, nach 13-jähriger Tätigkeit als Wirt in der «Linde» Münchwilen übernahm er die Stelle des Küchenchefs. Seine exakte und zuverlässige Arbeit förderte den guten Ruf der Heimverpflegung. Bei der anspruchsvollen Planung von Küche und weiterer Infrastruktur im Bau-05 hat er dank seiner Erfahrung intensiv mitgewirkt.

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Die Säulen des Neuhaus

Regula Frischknecht seit 1995 Gruppenleitung Nachtwachen Ein ganz besonderer Job, der für das Vertrauen der Pensionäre in die Pflegesicherheit sehr wichtig ist. Mit Taschenlampen bewaffnet, geistern sie – liebevoll Nachteulen genannt – durch die stillen Gänge, meist zu zweit, gelegentlich allein. Ihre Arbeit dauert von abends 10 Uhr bis morgens 7 Uhr. Praktisch die ganze Nacht sind sie in Bewegung: Sie absolvieren die vorgeschriebenen Runden, daneben reagieren sie auf Anrufe wegen Schmerzen, Stürzen, Verirrungen und Ängsten. Wenn Regula schlafen geht, sind ihre 3 Kinder unterwegs. Beatrice Weber seit 1996 Nachtwachen und Stellvertreterin Pflegedienstleitung Bei extremem Raummangel erledigte sie während vieler Jahre die Leitung ihrer Gruppe ruhig und kompetent in einem winzigen Altbau-Zimmer. Ihre Freundlichkeit und Ausgeglichenheit hat sie sich über alle diese Jahre bewahrt. An Herbst- und Weihnachtsmärkten war früher ihr selbst hergestelltes Pesto ein Renner. Slawica Stolevska seit 1998 Sie kam 1985 von Mazedonien (ehem. Jugoslawien) in die Schweiz, wo ihr Mann bereits seit einiger Zeit lebte. Leider musste sie ihren Sohn zurücklassen. Vorher war sie 20 Jahre im Spital von Tetovo tätig gewesen. Sie erwarb 2000 das Diplom für Pflege-Gruppenleitung und leitete während einigen Jahren sehr erfolgreich den gesamten Pflegedienst. Rosmarie Bruggmann seit 1999 in der Hauswirtschaft. Als Allrounderin trifft man sie überall im Neuhaus an, sei es mit dem Putzwagen, beim Service in der Cafeteria oder bei der Betreuung von Bewohnenden und Gästen. Ihre Eigenschaften: positive Lebenseinstellung, ansteckende gute Laune, Kontaktfreudigkeit.

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Im neuen Neuhaus Bewohnende Von den 80 Bewohnerinnen und Bewohnern am 31. Dezember 2013 kamen 29 aus Wängi, 12 aus Matzingen, 8 aus Frauenfeld und 5 aus Stettfurt. Die meisten anderen betreuten Personen wohnten früher ebenfalls in einer der umliegenden Gemeinden. Eine klare Mehrheit ist weiblich: 65 Frauen gegenüber 15 Männern. 47 Pensionäre sind evangelischer Konfession, 28 katholisch. Das Zentrum war im Jahr 2013 mit 98,3 Prozent sehr gut ausgelastet. Das Durchschnittsalter der Pensionäre betrug 86,7 Jahre. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer lag bei 2 ½ Jahren. Das Angebot der Tagesaufenthalte erfreut sich wachsender Beliebtheit. Mitarbeitende Das Neuhaus beschäftigt rund 110 Mitarbeitende, etwa 90 Frauen und 20 Männer. Diese teilen sich in 65 Vollzeitstellen; das entspricht etwa 82 Stellenprozenten pro Bewohnerin und Bewohner.

Unter den Mitarbeitenden sind folgende Nationalitäten vertreten: Schweiz 95 Kosovo 5 Deutschland 3 Portugal 2 Bosnien 2 Italien 1 Litauen 1 Mazedonien 1 Somalia 1 Türkei 1 108 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohnen im Kanton Thurgau, davon 43 in Wängi. Das Neuhaus ist somit einer der grössten Arbeit­ geber der Gemeinde. Auch die Ausbildung von zukünftigem Fachpersonal ist dem Neuhaus ein wichtiges Anliegen. Zurzeit können hier fünf verschiedene Berufe erlernt werden und es befinden sich 13 Lernende in der Ausbildung.

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Pflegegruppen, Dienste und Verwaltung Da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im 24-Stundenbetrieb des Neuhaus zu verschiedenen Zeiten anwesend sind, war es eine

besondere Herausforderung für den Fotografen Ruedi Götz und die Beteiligten, die Gruppen vollständig im Bilde festzuhalten.

Nachtdienst Von links: Heidi Zihlmann, Theres Sprenger, Wolfgang Fleckner, Tamara Hofstetter, Karin Bize, Regula Frischknecht (Teamleiterin), Cornelia Kleger, Handan Ilikan

Ist der Mond auch noch so rund, die Arbeit bleibt sich gleich: Lagerung und Pflegebericht, bis am Morgen die Sonne durchbricht.

Pflegeteam A Von links: Monika Ziegler, Philipp Mahler, Sofia Trino, Rita Brunner, Carmen Wartenweiler, Lendita Berisha, Miriam Wiedemann, Nadja Chiout, Slavica Stolevska (Teamleiterin), Sarah Stuber

Die Bewohnenden stehen im Mittelpunkt. Unser Motto: Miteinander, Füreinander.

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Pflegegruppen, Dienste und Verwaltung

Pflegeteam B Von links: Heidi Miesch (Teamleiterin), Anja Höneisen, Dennis Bürge, Michaela Bianchi, Tanja Eugster, Christine Gründler, Claudia Fry, Fabricio Vanadia, Miranda Zefi, Zahra Yassin, Ardita Hazeri, Kristina Ukaj

Wir sind ein fröhliches und motiviertes Team. Die gegenseitige Wertschätzung gehört zu unserm Alltag. Pflegeteam C Von links: Anita Lüchinger, Nicole Moser (vorn), Ludmilla Giordano, Esther Sproll, Philipp Peeters, Fatima Santos (vorn), Elisabete De Almeida, Sibylle Lüthi, Minire Ferizi, Susanne Oehler, Merita Misini, Sandra Künzli, Bea Weber (Teamleiterin, vorn), Dominik Schönherr, Susanne Kuttelwascher, Sevgi Karatepe, Esther Eigenmann

Im 3. Stock herrscht eine respektvolle, heimelige Atmosphäre. Die Bewohnenden schätzen unsere Zusammenarbeit und die liebevolle Pflege. 105


Pflegegruppen, Dienste und Verwaltung

Küche und Saaldienst sitzend von links: Hedi Höpli, Pascal Feuz, Heidi Volkart, Christina Oswald stehend von links: Bea Fankhauser, Manfred Kühni (Küchenchef), Heidi Rietmann, Lurde Uka, Ruth Kägi, Elisabeth Kappeler, Heidi Brunner, Karin Kappeler, Nicole Durscher, Stefanie Rieder, Claudia Müller

Die Liebe geht durch den Magen! – Unser Job!

Hauswirtschaft Von links: Karin Jenni, Hedi Schwitter, Mirsada Kolb, Seraina Schär (vorn), Monika Egger, Hatice Bahar, Rosmarie Bruggmann, Marianne Frei (Teamleiterin), Monika Vogelsanger (vorn), Daniela Buchmann, Monika Kolek, Jessica Maurer, Marlene Blöchlinger, Margrit Bernet, Marlies Mahler

Ganz klar: Wirtschaft beginnt mit Hauswirtschaft!

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Pflegegruppen, Dienste und Verwaltung

Technischer Dienst Von links: Roger Schmid, Franz Brülisauer, Stefan Rust (Teamleiter), Pascal Leu

Ob Haus, Technik oder Garten – wir tun alles warten.

Betreuung und Aktivierung Von links: Susanne Ilg, Vreni Weibel, Ingrid Hefti, Franziska Leuenberger

Die vorhandenen Möglichkeiten der Bewohnenden aktivieren wir mit viel Spass, Freude und Kreativität.

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Pflegegruppen, Dienste und Verwaltung

Administration Barbara Hollenstein, Cornelia Gschwend-Pieth, Karin Christinger, Stefan Wohnlich (Zentrumsleiter)

Vor und hinter den Kulissen sind wir fĂźr unsere Bewohnenden da!

Leiterin der Pflegedienste Karin KĂźnzler

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Stiftungsrat

Der Stiftungsrat auf der schiefen Ebene am Eingang des Saals Linus Schwager, Präsident, Monika Pallmert, Elisabeth Haas, Brigitta Schnyder, Charly Pallmert, Ueli Meyer, Roman Krucker, Martin Lörtscher

Neueingetretene

Im Sekretariat ab Juli 2014 Silvia Schöb

Küchenchef ab August 2014 Markus Fuchs

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In Kommissionen und weiteren Funktionen beschäftigte Personen, gegliedert in eine grobe Einteilung von drei mal 50 Jahren (ohne Erwähnung der auf Seiten 32 ff. notierten Präsidien und Heimleitungen)

Erste 50-Jahr-Periode (1864 – 1914) Baumberger, Pfleger, Wängi Baumgartner Louis, Ettenhausen Bommer, Wängi Engeler Florian, Vorsteher, Guntershausen Engeler, Bezirksrichter, Tänikon Erni, Mühlemacher, Aadorf Höpple, Pfleger, Wängi Huber, Pfarrer, Tänikon (Ordenseintritt 1912) Hubmann Johann, Kirchenvorsteher, Wängi Imhof Kessler, Aufseher, Wängi Koller, zum «Falken», Aadorf Künzli Hermann, Aadorf Künzli M., Aadorf Künzli, Vorsteher, Wängi Leutenegger, in Buch, Wängi Lochmann, Pfleger, Aadorf Lüthi, Wängi Meier J., Wängi Müller Fr., Wängi Müller Joh., Tänikon

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Mutter, Schönenberg, Wängi Oberholzer, Vikar, Pfarrer, Tänikon Oswald J., zum Falken, Aadorf Pater Bonaventura, Statthalter, Sonnenberg Pater Otto, Statthalter, Sonnenberg, Wängi Ramsperger, Armenpfleger, Ettenhausen Ramsperger, Vorsteher, Guntershausen Ruckstuhl, Aufseher, Aadorf Senn Oswald, Aadorf Stadler Alois Florian, Regierungsrat 1861-69, Aadorf Stadler Carl, Vorsteher, Aadorf Strehler, Pfleger, Tänikon Tanner, Fürsprech Weber A., Pfleger, Aadorf Winiger, Wängi Wirth, Wängi Wismer, Wängi Zehnder Jakob, Tänikon Zehnder Johann, Vorsteher, Ettenhausen Zehnder, Baumeister, Tänikon


In Kommissionen und weiteren Funktionen beschäftigte Personen

Zweite 50-Jahr-Periode (1914 – 1964) Baumgartner Louis, Kantonsrat, Ettenhausen, 1955 unerwartet gestorben Baumgartner Louis (2), Ettenhausen Bieri, Aadorf Bommer Hermann, Vorsteher, Wängi Brühweiler, Pfarrer, Aadorf Eisenegger, Vorsteher, Tänikon Engeler Frid., Tänikon Engeler Karl, Tänikon Engeler, Aadorf Erni Arthur Heim Rud., Direktor, Aadorf Krähenmann, Armenpfleger, Wängi Lüthy, Wängi Müller Alfons, Glaser, Wängi Müller Joh., Wängi Müller Peter, Wängi Portmann, Pfarrer, Aadorf, 1952 im 37. Altersjahr gestorben Schwager Engelbert, Tänikon Tanner J. Wirth Otto, Wängi Zehnder, Tänikon Zumbühl, Wängi

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In Kommissionen und weiteren Funktionen beschäftigte Personen

Dritte 50-Jahr-Periode (1964 – 2014) Hugentobler Alfons, Wängi Baumgartner Louis, Ettenhausen Baumgartner Martin, Ettenhausen Bommer Felix, Wängi Brenner Hans-Ulrich, Matzingen Brühlmann Brigitte, Ettenhausen De Martin Umberto, Wängi Eisenring Georg, Aadorf Engeler Fridolin, Tänikon Engeler Gebhart, Ettenhausen Engeler Iginio, Tänikon Froelich Otto, Pfr., Wängi Gamper-Sennhauser Susi, Wängi Giger Alois, Kirchenpfleger, Wängi Haas-Sidler Elisabeth, Stettfurt Hafner-Beerli Franziska, Wängi Huwiler Gaudenz, Aadorf Jordan Viktor, Aadorf Kaiser Willi, Wängi Krähenmann Gerold, Heiterschen Krähenmann Norbert, Wängi Krucker Roman, Wängi

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Krumm-Jost Gertrud, Wängi Lengg Margrith, Aadorf Lüthi Jak., Wängi Meyer Ueli, Wängi Moser-Bohnenblust Brigitte, Wängi Nadler Alois, Aadorf Pallmert Charly, Wängi Pallmert Monika, Wängi Ringold Konrad, Matzingen Ruch Ernst, Wängi Schmid Georg, Pfr., Aadorf Schnetzer, Aadorf Schnyder-Lanz Brigitta, Stettfurt Schwager Albert, Aadorf Schwager Engelbert, Wittershausen Storchenegger Benno, Wängi Störchli Josef, Wängi Tanner, Aadorf Widmer Margrith, Ettenhausen Wiesli Bernhard, Wängi Wismer Otto, Stettfurt Züger Alois, Pfr., Tänikon


Bildnachweis Nicht erwähnt werden die Fotos im Besitz von Ruedi Götz und Andreas Raas, ferner diejenigen aus der Sammlung des Neuhaus Seite Thema 4 Jakobsbad 8 – 10 Kirchen 5 Landstrasse 1780 7 Pfr. Konrad Kuhn 14 Rechnung 1866 18 Kirche Wängi (2) Kath. Schulhaus Kirche Hüttwilen 27 Planvedute Fischingen Anker Albert 28 Spital Münsterlingen Spital Frauenfeld 30 Bilder Krankheit und Tod 33, 34 Geistliche Aadorf, Tänikon, Wängi 37 Familie Senn 39 Generaloberin Scherer 41 Neuhaus ca. 1865 43 Armenanstalt Buhwil 44 Altersheim «Sunnewies» Asile Suisse (Albert Anker) 48 Kloster Kalchrain 49 Wilhelm Busch Zeichnung 52 – 53 Stickereibetriebe 55 Liegenschaft Greuter 61 – 63 Siegfriedkarte 1885 etc. 65 Hero-Erbsenfeld / Fabrik 66 Gebhart Senn beim Stall 66 Cécile Senn im Gemüsefeld 69 Post Wängi / Leitungen 71 Mediator-Radio 72,73 Küche 89 Neuhaus von Westen 92 – 93 Gesamtbild 2014

Herkunft Berkmüller-Sammlung Berkmüller-Sammlung Staatsarchiv TG Zugestellt von Angelus Hux, Frauenfeld Ortsmuseum Ortsmuseum Berkmüller-Sammlung Amt für Denkmalpflege Thurgau Der Thurgau in alten Ansichten, S. 122 Museum Oskar Reinhard Der Thurgau in alten Ansichten, S. 253 Sammlung Hansueli Guhl, Frauenfeld Art.Institut Orell Füssli, Heft 9, Seite 6 Louis Hürlimann, Aadorf, Tänikon, Archiv des Bistums Basel, Ortsmuseum CD Raschle-Senn Verena Institut Ingenbohl Berkmüller-Sammlung Zugestellt von Marlies Mettler, Eschlikon Zugestellt von Josef Wiesli, Affeltrangen Historisches Museum Thurgau DSC 3331 Zentralbibliothek Zürich, Ms.W66,fol.686b Bertelsmann, Band 2, Seite 231 Ortsmuseum Ortsmuseum Bauamt Wängi Sammlung Hansueli Guhl CD Raschle-Senn Verena do Ortsmuseum TG Jahrbuch 1945, E. Decker, Ing., S.63 CD Raschle-Senn Verena Berkmüller-Sammlung Kaden Donald, Drohnenaufnahme 113


Anmerkungen 3 1 Aus dem Protokoll der Ortsgemeinde Anetschwil, vom 2.ten Jenner 1843: «. . . 3.tens Es übernimmt Adem Gampers Sohns Frau von Eggetsbühl, die Maria Steinneman für fr 50. Die Gemeind aber müsse ihr die Kleider anschaffen. Vom Neüjahr 1843 bis Neüjahr 1844.» 2 Aus dem Protokoll der Ortsgemeinde Wängi vom 4. Juli 1858: «Das Haus, das bisher für obdachlose Arme benutzt wurde, ist verkauft worden. Für die Armen ist ein Haus in Pacht genommen.» 3 Wohnbevölkerung 1870: Von 203 Ortsgemein den hatten 123 weniger als 400 Einwohner. Zu diesen gehörten Anetswil (355), Krillberg (164) und Tuttwil (312). Die Ortsgemeinde Wängi zählte 676 Einwohner. Aus «Die Bevölkerung des Kantons Thurgau» 4 4 Pfaffhauser, Seite 236 5 Düssli, Tabelle Seite 264 6 «Journal» des Regierungsrats Joh. Konrad Freyenmuth vom 25. August 1835: Er erwähnt den Freitod eines Regierungsratskollegen, der morgens um 4 Uhr beim Friedhof Oberkirch beerdigt wurde; ausserdem zwei prominente Staatsmänner aus Zürich und Schaffhausen sowie einen bekannten Arzt. 5 7 Düssli, Tabelle Seite 57 (Statistik von 1850)

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8 Protokoll der Kirchgemeinde Wängi vom 6. Okt. 1861: «. . . ein passendes Heimwesen zu kaufen, das sogenannte Weyerhölzli für 7050. Jos. Bommer von Ragatz ist der Meinung, dass er sich nicht hierzu verstehen könne, weil in der Ortgemeinde Krillberg schon ein Armenhaus bestehe.» Kaufvertrag genehmigt. 9 Regierungsratsbeschluss vom 19. Juli 1863 (?) und Protokoll der Kirchgemeinde Wängi vom 21. Februar 1864. 10 Pfaffhauser, Seite 230 6 11 Zusammenfassung der Rede des Wirts: a. Tuchschmid, Seite 155: «Auch die Gemeinden Tuttwil und Krillberg wurden zu diesem Strassenbau herangezogen, obwohl sie heftig gegen den Frondienst protestierten und 1842 einmal eine Entschädigung für nutzlos geleistete Arbeit verlangten.» b. Pfaffhauser, Seite 180: Protokoll der evangelischen Kirchenvorsteherschaft vom 18. April 1847 betr. Verteilung der 2280 Pfund Getreide, welche vom Staat der Gemeinde Wängi überlassen worden. c. Steiner Max, u.a., Gefecht bei Frauenfeld 12 7 Die Thurgauer Studenten an der Universität Tübingen, TG Beiträge 131, Seiten 198 – 203 13 Abriss der Geschichte der Kirchgemeinde 8 Aadorf, von Dr. Louis Hürlimann 9 14 Tuchschmid, Seite 132 15 Jakob Stutz, Seite 139 «Bewilligung des Komturs zu Tobel zur Errichtung der Pfarrei Matzingen», ebenfalls Stettfurt, Seite 95


Anmerkungen

10 16 Sitzungen der Armenpflege Wängi vom 20. Februar, 24. April und 15. Mai 1887 17 Sitzungen der Armenpflege Wängi vom 27. April 1890 und 24. März 1889 18 Pfaffhauser, Seite 179 11 19 Auszug aus dem Kaufprotokoll des NotariatsKreises Lommis: Kaufvertrag Nr. 3212 vom 5. November 1864 (Neuhaus-Akten) 18 20 Kirchenvorsteherschafts-Protokoll vom 9. April 1893 21 Am 23. November 1883 lehnte der Regierungsrat das Gesuch der katholischen Kirchgemeinde Herdern auf die Neuzuteilung von Kalchrain ab, u.a. aus der Erwägung, dass die Kirche Hüttwilen einen eigenen diskreten Zugang und eine gesonderte Platzierung der Detinierten ermögliche, während der Kirchweg nach Herdern an zwei Wirtshäusern vorbeiführe. Das Wort «Nonnenchor» verwendete mein Onkel August Raas, ab 1928 Pfarrer in Hüttwilen. Ähnliches aus der Pfarrei Tobel, wo die ehemalige Johanniter-Komturei von 1809 – 1979 als Strafanstalt diente: Die Gefangenen, die am Gottesdienst teilnehmen wollten, gelangten via Kirchturm über eine Passarelle in die obere der beiden Emporen. (Borer) Natürlich ging es hier darum, Fluchtversuche zu verhindern. 28 22 Versammlung der Munizipalgemeinde Wängi vom 3. Februar 1895 und Spitalchronik Frauenfeld, Seite 73 23 Sitzungen der Armenpflege Wängi vom 13. März 1887 und vom 13. März 1880

29 24 Neuhaus-Protokoll vom 18. März 1894 25 Pfaffhauser, Seite 246 26 43 Angaben von Marlies Mettler, Eschlikon, langjährige Pächtersfrau von Buhwil 44 27 Zur Verfügung gestellt durch Josef Wiesli, Affeltrangen 45 28 Lippuner, Seiten 238, 233 und 234 47 29 Lippuner, Seite 129 49 30 Lippuner, Seite 83 31 Amtsblatt vom 15. Januar 1853 32 52 Industriegeschichte, Seite 224 56 33 Gesetz über die öffentliche Fürsorge vom 27. März 1966 59 34 Aufllösung der Einfachen Gesellschaft zur Führung des Pflegeheims Neuhaus per 31.12.2001. Die Kirchgemeinde Wängi verpflichtet sich, das Heim weiterzuführen. 35 70 Brief an Herrn «Jsenschmid» vom 2. Febr. 1940 71 36 Inserat von E. Decker, Ing., Weinfelden, Thurgauer Jahrbuch 1945 74 37 Verfügung des Departements für Finanzen und Soziales vom 3. März 1993 93 38 1969 entstand unter beträchtlichen Schwierigkeiten die Politische Gemeinde Wängi, welche die bisherige Munizipal­gemeinde und die 4 Ortsgemeinden Anetswil, Krillberg, Tuttwil und Wängi vereinigte. Siehe Wängener Heft 1.

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Quellen

Gedruckte Quellen Amtsblatt des Kantons Thurgau Art. Institut Orell Füssli, Bildersaal für den Sprachunterricht, ca 1900 Borer Robert, 25 Jahre Altersheim «Sunnewies» (Zeitungsartikel) Busch Wilhelm, Sämtliche Werke, Bertelsmann 1998 Der Thurgau in alten Ansichten, Frauenfeld 1992 Die Bevölkerung des Kantons Thurgau seit den ersten eidg. Volkszählungen, Frauenfeld 1946 Düssli Hans, Das Armenwesen des Kantons Thurgau seit 1813, Frauenfeld 1948 Freyenmuth J. Konrad (Regierungsrat 1804 – 1833) «Journal», Thurgauer Beiträge 1895 Gonzenbach Roger, Dr., Spitalchronik Frauenfeld, Frauenfeld 1996 Hux Angelus, Die katholische Pfarrei Frauenfeld, Frauenfeld 2004 Isler Egon, Dr., Industrie-Geschichte des Thurgaus, Frauenfeld 1945 Kath. Kirchen des Bistums Basel, Olten 1937 Lippuner Sabine, Dr., Bessern und Verwahren, Thurgauer Beiträge 2005

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Maissen/Salathé, Studenten in Tübingen, Thurgauer Beiträge 1994 Nater, Geschichte von Aadorf, Frauenfeld 1898 Pfaffhauser Paul, Dr., Geschichte der evang. Pfarrei Wängi (umfangreich, gut dokumentiert, in Stil und Inhalt überzeugend, jedoch unvollendet; als CD im Ortsmuseum) Pupikofer Joh. Adam, Gemälde der Schweiz Band 17, 1837 Schoop Albert, Dr., Geschichte des Kantons Thurgau, Frauenfeld 1992 Steiner Max, Das Gefecht von Frauenfeld, Frauenfeld 1999 Stutz Jakob, Aus der Geschichte von Matzingen, Frauenfeld 1930 Stutz Jakob, Stettfurter Chronik, Frauenfeld 1946 Tuchschmid Karl, Geschichte von Wängi, Sirnach 1948 Volksblatt vom Hörnli, u.a. Wiesli Josef, 300 Jahre Pfarrkirche Tobel, 2007 Zehnder Herbert, Tänikon 789 – 1989, Winterthur 1992


Quellen

Ungedruckte Quellen

Auskünfte, Hilfen

Protokolle Munizipalgemeinde Wängi Ortsgemeinde Wängi Ortsgemeinde Anetswil Kath. Kirchgemeinde Wängi do: Protokoll-Splitter, 1994 (U. DeMartin) Sitzungen der Armenkommission Neuhaus 1864 – 1901 do 1902 – 1966 do 1959 – 1971 do 1971 – 2009

Aeberhard Hansruedi, Kurator Ortsmuseum De Martin Umberto, a. Kirchenpräsident de Solda Kim, Staatsarchiv Dick Markus, Bauamt Wängi Eisenring Eva, Pfarrarchiv Fäs Rolf, Archiv des Bistums Basel Fehr Ramon, Grundbuchamt Münchwilen Fuchs Angela, Neuhaus Guhl Hansueli, Frauenfeld <oben.ch> Hübscher Flavia, Institut Ingenbohl Hürlimann Louis, Dr., Ettenhausen Hux Angelus, Frauenfeld Kantonsbibliothek Keck Gabriele, kant. Museumsdirektorin Meile Felicitas, Amt für Denkmalpflege Neuhaus-Mitarbeiter(innen), div. Pfaffhauser Paul, Dr., Tuttwil Raschle-Senn Verena, Wil Rohr Lydia, Lehrerin, Wängi Schöb Guido, Guntershausen Stäheli Urban, Dr., Staatsarchiv Suhner Gabi, Pfarreileiterin Trachsler Ernst, Winterthur Zehnder Herbert, Ettenhausen

Neuhaus-Jahresrechnungen Band I 1865 – 1880 Band II 1881 – 1910 Band III 1911 – 1970 Einzelne Neuhaus - Kassabücher Neuhaus -Tagebuch 1865 – 1930 Neuhaus Korrespondenzen, Einzeldokumente, Jahresberichte Neuhaus - Baupläne

Allen Personen, die durch ihre Publikationen und Mitteilungen zum Inhalt der Festschrift beigetragen haben, danke ich im Namen des Alters- und Pflegezentrums Neuhaus herzlich.

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Anhang 1: Statuten 1864

Statuten vom 29. December 1864 der gemeinsamen Armenanstalt der kathol. Kirchgemeinden Aadorf, Tänikon und Wängi §1 Die kath. Kirchgemeinden Aadorf, Tänkon und Wängi vereinigen sich behufs Verpflegung ihrer Almosen­ genössigen zur Erstellung einer gemeinsamen Armenanstalt. §2 Zu diesem Zwecke wird das Landgut Neuhaus bei Wängi laut Kaufvertrag vom 23. Octob. 1864 erworben und den Anforderungen des Armengesetzes vom 15. April 1861 gemäss eingerichtet und verwaltet. I Rechte und Pflichten der Gemeinden §3 Die Anstalt samt Liegenschaften ist Eigenthum der 3 partizipierenden Kirchgemeinden zu gleichen Theilen und besteht unabhängig von den bezüglichen Armenfonds. §4 Die drei Kirchenvorsteherschaften wählen eine Kommission von je 2, also im ganzen 6 Mitgliedern, welche unter dem Titel «Armenkommission» die Anstalt beaufsichtigt und alljährlich bis Mitte Februar den drei Kirchenvorsteherschaften («weiteren Armen­ kommission») Rechnung ablegt. §5 Zu dieser Rechnung sind als Einnahmen aufzuführen: a) das Gut lt. Kaufvertrag samt Jahresertrag und Inventar

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b) die Kostgelder der Armen, welche bei den bezüglichen Kirchspielarmenfonds erhoben werden c) der Verdienst der Almosengenössigen d) Vergütungen besonderer Auslagen für die Armen von den betreffenden Gemeinden (§7) e) allfällige andere Beiträge und Vergütungen. §6 Aus den in §5 bezeichneten Einnahmen werden sämtliche Ausgaben bestritten. Ein allfälliges Defizit ist nach folgenden Grundsätzen zu decken: a) Auslagen für Neubauten und Reparaturen der Gebäulichkeiten, sowie für solche Verbesserungen der Güter, welche bleibenden Werth haben, z.B. Entwässerungen (Drainage), Wald- und Rebanlagen und dergl., werden von den 3 Gemeinden zu gleichen Theilen getragen. Anmerkung: Die weitere Armenkommission wird jeweils zum Voraus bestimmen, ob eine wichtigere Verbesserung den Charakter einer bleibenden an sich trage. b) Der übrige Theil des Defizits soll nach Anzahl der unterstützten Personen von ihren Heimatgemeinden getilgt werden. §7 Speziell auf eigene Rechnung der bezüglichen Gemeinden fallen: a. Kleider und Schuhe b. Arztkonti c. Leichenkosten d. Schulgelder e. Transportkosten der Armen.


Anhang 1: Statuten 1864

§8 Die 3 Gemeinden verpflichten sich, den ein­ gegangenen Vertrag zehn Jahre lang in Kraft bestehen zu lassen, innert welcher Zeit ein Rücktritt unbedingt unzulässig ist. §9 Wenn nach Verlauf von 10 Jahren eine Gemeinde zurücktreten will, so hat der Titl. Bezirksrath Tobel durch eine Expertenkommission eine Schatzung der Liegenschaften und des Inverntars anzuordnen und nach dem Ergebnis derselben soll die Liquidation d.h. die gleichmässige Vertheilung des Gewinns oder Verlustes auf die Gemeinden stattfinden.

§11 Sie sind verpflichtet, ihre sämtlichen Almosen­ genössigen in die gemeinsame Anstalt zu bringen und haben sich alljährlich durch Vorlage der Armen­ rechnung hierüber auszuweisen. Begründete Ausnahmen können von der Armenkommission bewilligt werden. §12 Soweit Umstände und Lokalitäten es gestatten, können gegen Entschädigung Arme oder Pfründner aus andern Gemeinden aufgenommen werden.

§10 Dieselben bezahlen bis Lichtmess 1865 an das Kapital je Fr. 3 833,33ct.oder zusammen Fr. 11 500, und legen ein Betriebskapital von Fr. 6 000 zu gleichen Theilen ein, welches ihnen aber à 4½ % von der Anstalt verzinst wird.

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Anhang 1: Statuten 1864

II Verwaltung §13 Die Armenkommission wählt aus ihrer Mitte den Präsidenten und Sekretär. §14 Dieselbe versammelt sich nach Bedürfnis auf Einladung des Präsidenten und hat folgende Geschäfte: a) Sie ist vorberatende Behörde aller wichtigen Angelegenheiten, als: Einrichtung der Anstalt und Bauten, Käufe und Verkäufe, Abzahlungen, Statuten, und stellt die bezüglichen Anträge bei der weiteren Kommission. b) Sie besorgt die Anstellung und Entlassung des Aufsichts- und Dienstpersonals, für welch letzteres sie ein Reglement entwirft. c) Sie überwacht den Ein- und Austritt der Armen und deren Verhalten, bestimmt die Kost­gelder und den in Abzug zu bringenden Arbeitsverdienst, schliesst Verträge über Aufnahme der Armen aus andern Gemeinden und Pfründnern. d) Sie führt die Aufsicht über die Ökonomie und allfällige Industrie.

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e) Sie überwacht das Rechnungswesen, prüft die Rechnungen und legt sie den Kirchenvorsteherschaften vor. f) Die Armenkommission wird im Turnus durch ihre Mitglieder die Anstalt visitiren und die spezielle Beaufsichtigung der einzelnen Ökonomie- und Industriezweige tauglichen Mitgliedern zuweisen. §15 Die Kirchenvorsteherschaften, beziehungsweise die drei Kirchgemeinden, berathen die sachbezüglichen Fragen über die Anstalt in der Regel gesondert, in wichtigen Fällen gemeinsam. Die Annahme und Genehmigung dieser Statuten durch die betheiligten kath. Kirchgemeinden bezeugt: Namens der Kirchgemeinde Aadorf: J. Kurz Pfr. Tänikon: Kuhn Pfr. Wängi: And Raas Pfr. Actum 29 December 1864


Anhang 2: Reglement und Hausordnung 1865

Ortsmuseum Wängi: 3582.8 Armenanstalt Neuhaus, Wängi Reglement und Hausordnung (Eine Abschrift des nicht gefundenen Originals, recht lieblos hingeschrieben. Übertragung durch Andreas Raas,1934, am 15.3.2013) Reglement 1. Die Armenanstalt Neuhaus wird nach allgemeingesetzlichen Armenvorschriften eingerichtet und verwaltet. 2. Die Verwaltung der Anstalt wird einem Hausvater und einer Hausmutter übertragen. 3. Dem Hausvater steht im Allgemeinen die Leitung der Anstalt zu. Er führt daher die Generalrechnung, welche jährlich bis Mitte Hornung ausgefertigt werden soll. Rechnungstermin ist immer 1. Jenner bis 31. December des laufenden Jahrs. 4. Die Armenkommission fordert nach Gutfinden vom Verwalter Bürgschaft und hat das Recht beliebiger Kenntnisnahme der Cassabücher, etc.

5. Dem Hausvater liegt ob, 1. die nötigen Lebensmittel für den Hausbedarf anzukaufen oder von der Ökonomie zu liefern 2. Er besorgt von sich aus die Geschäfte der Landwirtschaft und des Hauses, soweit sie zur besonders männlichen Beschäftigung gehören, z. B. Kellergeschäfte. Zu diesem Zwecke kann er die hiefür arbeitsfähigen Personen beider Geschlechter sowie die tauglichen Kinder nach Massgabe der Kräfte verwenden. In diesem Falle hat er sie dann auch vorzüglich zu überwachen. 6. Personen, die im Hause durch leichte Arbeiten beschäftigt werden müssen oder arbeitsunfähig sind, so auch die Kinder, wenn sie nicht auf dem Feld oder im Stall beschäftigt sind, stehen unter der Aufsicht der Hausmutter. 7. Es ist Sache der Armencommission zu bestimmen, ob und welche Personen ausser dem Haus und Gut in der Fabrik oder auf den Taglohn erhaltend beschäftigt werden dürfen. 8. Zur Beiziehung fremder Arbeiter, Dienstboten und Taglöhner beiderlei Geschlechts ist die Erlaubnis des Präsidenten der Armencommission einzuholen.

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Anhang 2: Reglement und Hausordnung 1865

9. Die Bewilligung der Armencommission ist in folgenden Fällen nötig: 1. bei Bauten und Reparaturen von über 10 Franken 2. für wichtige Unternehmungen in der Landwirtschaft, Drainage, Wasserleitungen, etc. Im Frühjahr wird der Hausvater einen Wirtschaftsplan vorlegen. 3. Die Armencommission wird sich von Zeit zu Zeit mit dem Hausvater über die zweckmässige Bearbeitung des Gutes im Einzelnen ins Einvernehmen setzen. 10. Im Allgemeinen hat der Hausvater bei der Anpflanzung auf solche Produkte Rücksicht zu nehmen, die in der Anstalt unmittelbar verwendet werden können, z. B. Nahrungsmittel für Mensch und Vieh, Hanf, Oel und dergleichen. 11. Mit wieviel jährlich aus der Waldung des Gutes für den Hausbedarf zu verwenden ist, wird die Commission durch einen Experten bestimmen. 12. Die Hausmutterstelle wird den ehrw. barmherzigen Schwestern von Ingenbohl übertragen. 13. Ihnen wird vorab die Erfüllung ihrer Ordens­ pflichten laut Statuten gewährleistet. Die Geschäfte verteilen sich auf ihre Ordensstatuten.

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14. Den Schwestern liegen folgende Geschäfte ob: 1. Alle Küchenarbeit, Kochen, etc. 2. Besorgung der Reinhaltung etc. aller Zimmer und Hausgeräte 3. Besorgung der Betten, Wäsche, Kleider, für die ein Verzeichnis geführt und ein geeignetes Lokal anzuweisen sind. 4. Pflege der Kranken 5. Überwachung der Armen im Haus, besonders Überwachung und Erziehung der Kinder. 15. Über das Betragen der einzelnen Person führt die Hausmutter eine Kontrolle. 16. Zu den unter Pt. 14 bezeichneten Verrichtungen kann sie nötigenfalls Almosengenössige zu Hilfe ziehen. 17. Die Hausmutter besorgt diejenigen kleinen Einkäufe wie Speisen, Kleider, Betten etc, welche vom Hausvater nicht besorgt werden. Zu diesem Zweck wird ihr eine Haustaxe eröffnet. Ein­nahmen und Ausgaben wird sie genau in ein Kassabuch eintragen, und dieselben all vierteljährlich dem Hausvater zur Eintragung in das Hauptbuch zur Kenntnis bringen. 18. Hausmutter und Hausvater stehen innert den obbezeichneten Geschäftskreisen und Bestimmungen selbstständig nebeneinander unter der unmittelbaren Aufsicht des Präsidiums der Armencommission . Zum Wohl der Anstalt werden sie aber möglichst harmonisch in gegenseitigem Einverständnis wirken.


Anhang 2: Reglement und Hausordnung 1865

19. Die Armen werden sie human, aber doch mit Ernst und gegenseitigem Takt behandeln. Der Hausvater schaltet und waltet ausser Hause, die Hausmutter aber im Haus. Darum steht die Aufsichtspflicht dem Hausvater vorzüglich auf dem Feld und im Stall, überhaupt ausser dem Hause zu, der Hausmutter im Hause. Die Hausmutter wird vorzüglich für die häusliche Erziehung der Kinder besorgt sein, mit dem Grundsatz Bete und arbeite. Die befähigten Kinder sollen zu arbeits­ fähigen Menschen herangebildet werden, die nach Möglichkeit zu Haus-, Stall- und Feld­geschäften angehalten werden. Jüngeren Kindern und schmächtigen alten Leuten muss aber leichte Beschäftigung wie Spulen, Spinnen, Baumwollen­ verlesen etc. gegeben werden, wofür die Hausmutter ein Arbeitsverzeichnis zu führen hat. 20. Die Verteilung der Arbeiten an die einzelnen Personen ist zunächst Sache der betreffenden Verwaltungsperson. In Kollisionsfällen, wo häusliche und Feldgeschäfte gleichzeitig von der nämlichen Person geschehen können und sollen, hat die dringendere Arbeit natürlich den Vorzug und müssen sich Hausvater und Hausmutter unter sich und im Notfall mit Zuzug des Präsidiums der Commission verständigen. Die Arbeiten sollen möglichst an die einzelnen Personen verteilt werden.

21. Wenn die Verwaltungspersonen einander doch eine ihrer Aufsicht unterstellte Person zu einem besonderen Zweck entziehen müssen, so sollen sie einander geeignete Kenntnis geben und ohne die dringendste Not die Person nicht von ihrer einmal erhaltenen Bestimmung wegrufen. 22. Klagen gegen den Hausvater oder die Hausmutter sind beim Präsidenten der Commission mündlich oder in wichtigen Fällen schriftlich zu Handen der Commission anzubringen. 23. Hausvater und Hausmutter führen einen besonderen Tisch. Die Besoldung und Dauer der Anstellung beider Aufsichtspersonen werden von der weiteren Armencommission durch einen schriftlichen Vertrag fixiert. Hausordnung A. Disziplin 25. Alle Pfleglinge haben wie den Mitgliedern der Commission so besonders dem Hausvater und der Hausmutter mit Achtung zu begegnen und ihren Anforderungen unbedingt Folge zu leisten. Sie sollen namentlich den Ermahnungen zur Arbeitsamkeit, Reinlichkeit und Sittlichkeit unverdrossen nachkommen.

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Anhang 2: Reglement und Hausordnung 1865

26. Ungehorsam, Rauflustigkeit, Trägheit, Trotz, Ausreissen, falsches Verklagen und Verklagungssucht, Unsittlichkeit im Reden, überhaupt alles, was böswillige Absicht verrät und Ärgernis und Störung im Haushalt verursacht, wird ... und bestraft. 27. Als Strafen gegen Fehlende werden angewendet: 1. Öffentliche Beschämung 2. Einsperrung in Arrest oder Absonderung in anderes Zimmer 3. Übertragung lästiger Arbeit oder Entzug von Speisen 4. Bürgerlich gesetzmässige Züchtigung. 28. Dem fleissigen, willigen, sittlich religiösen und arbeitsamen Betragen wird hingegen Belobung und Begünstigung zu Theil. 29. Sie dürfen sich weder bei Tag noch bei Nacht ohne Befehl oder ordentliche Erlaubnis des Hausvaters beziehungsweise der Hausmutter von der Anstalt oder gemeinsamen Arbeit entfernen.

B. Tagesordnung 30. Zur Sommerzeit stehen die Gesunden in der Regel um 5 Uhr, zur Winterszeit um ½ 7 Uhr, nach Bedürfnis und spezieller Anordnung auch früher auf. Zur Nachtruhe begeben sie sich in der Regel im Sommer von ½ 9 – 9 Uhr und im Winter um 7 – ½ 8 Uhr. 31. Die Essens- und Erholungszeit zur festgesetzten Stunde währt Morgens und Abends ca ½ Stunde und zur Mittagszeit 1 Stunde. Im Notfalle kann diese Zeit verkürzt werden. Nachher gehen die Personen an ihre gewöhnlichen, von dem Verwalter und der Mutter bezeichneten Arbeiten, wobei Stillschweigen beobachtet werden soll und doch ordentliche sittliche Unterhaltung erlaubt sein soll. 32. Zur religiösen und sittlichen Bildung und Erbauung sollen unter Aufsicht der Hausmutter a. die religiösen Hausandachten gepflogen b. die Beobachtung der Kirchengebote mit Heiligung der Sonn- und Feiertage und Empfang der heiligen Sakramente gehandhabt werden. c. Die Gesunden sollen alle Sonn- und Feiertage den Vor- und Nachmittagsgottesdienst besuchen. Nach Umständen, Zeit und Arbeitsverhältnissen etc. können die Armen auch die Werktagsgottesdienste besuchen. Gesunde und Kranke sollen aufgemuntert werden, etwa alle Heiligtage und Bruderschaftstage die heiligen Sakramente zu empfangen.

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Anhang 2: Reglement und Hausordnung 1865

33. Für Kranke soll nach Bedürfnis eine eigene Hausandacht während der Kirchenzeit an Sonn- und Feiertagen gehalten werden. Krankenpflege und Schulbildung 34. Die Pastoration der Anstalt wird gegen an­gemessene Gratification vom Tit. Kath. Pfarramt Wängi ausgeübt. 35. Im Notfall hat die Hausmutter dem Hausarzt zu berichten und die nötigen Vorkehrungen zur gehörigen Pflege zu schaffen, rechtzeitig den Priester zum Versehen zu berichten, Beerdigungsanstalten zu treffen, etc.

Nahrung 38. Die Nahrung der Armenanstalt besteht in der Regel Morgens in Suppe, Hafermus oder Kaffee, Mittags in Suppe und Gemüse und Abends wie Morgens. Mass und Gewicht in Zuteilung der Nahrung bestimmt nach Bedürfnis im Allgemeinen die Commission. Je nach Bedürfnis und Umständen bestimmt noch Mehr oder Weniger in einzelnen Fällen die Hausmutter und für die Feldarbeiter der Hausvater. Ohne Datum und Unterschrift Vermutlich 1865 Im Ortsmuseum Wängi unter der Nummer 3582.8

36. Die Verstorbenen werden in der Heimat begraben. 37. Die Kinder sollen eine gute Schulbildung geniessen. Sie haben die kath. Schule in Wängi und den Religionsunterricht fleissig nach gesetzlicher Vorschrift zu besuchen. Die Armenkommission entscheidet, ob die Kinder länger als die gesetzliche Frist die Schule zu besuchen haben.

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Anhang 3: Beispiel aus der Rechnung 1866

Auslagen für einzelne Personen Transportkosten für J. Höple

3.—

Reisekosten in Spital für M. Strehler

5.—

Transportkosten für Alois Stutz

4.76

1 Sarg

8.—

1 Schulheft für J. Engeler

0.10

Arztkosten

Medizine für Elis. Gamper

1.—

Johann Ramsperger

8.40

Schrepfen für Elis. Gamper

1.—

Mil Strehler

4.—

Schleiferlohn für 1 Messer

0.10

Barbara Zehnder

2.—

Schröpfen d. Elis. Gamper

1.—

M. Büche

1.20

Leonh. Ramsperger

5.—

Sarg und Kranz für Elis. Höple

11.50 9.—

Jos. Ramsperger

1.40

Auslagen für Elis. Höple

0.50

Jakob Müller

5.40

Endlläuten für J. Müller

0.80

Leonh. Ramsperger

1.70

Endläuten für Fr. Frei

0.80

F. Heller

1.80

Opfergeld für die Armen

0.30

J. Jsenegger

0.50

Begräbniskosten für Elis. Höple

3.50

Kath. Frei

3.20

Schreibhefte für den Schüler

1.20

Nep. Stutz

1.20

Todkosten Elis. Höple

1.20

Rasiererlohn

6.84

Totenkosten Elisabeth Fuchs

2.20

Augensalbe d. Stutz

0.20

Rasiererlohn

11.14

Dito für J. Müller

Schullohn für Kind Strehler u. Engeler

9.50

Tafeln

1.20

Theekräuter und weniges mehr

0.70

121.34

Arbeitsverdienst, welcher den Armen am Kostgeld abgerechnet wird 33 Posten zw. 1.70 und 95.04

852.09

1893 wurde das Gesetz über die Unentgeltlichkeit der Lehrmittel von Wängi und vom Kanton hoch verworfen. 1899 lehnte Wängi das Gesetz über die unentgeltliche Leichenbestattung ab, der Kanton nahm es an.

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Anhang 4: Strategieübersicht · Stand 15.11.2013

Zweck, Leitidee, Vision

· Das Neuhaus ist ein öffentliches, professionelles, selbsttragendes Wohn- und Pflegezentrum. · Es strebt die Aufnahme von Menschen mit unterschiedlichem Betreuungs- und Pflegebedarf, primär aus der Region, an. · Die Bewohner werden entsprechend ihren Ressourcen im Alltag individuell begleitet und betreut. · Das Neuhaus entwickelt sich weiter zu einem offenen, modernen und kundenorientierten Kompetenz- und Begegnungszentrum.

Lebens-/Wohnqualität Dienstleistungsqualität · attraktive Umgebung im Grünen · Mensch im Vordergrund, · viele Einzelzimmer Gastfreundschaft Besondere Stärken (Privatsphäre) · qualifizierte Mitarbeiter SEP Strateg. Erfolgspositionen · vielfältiger Raum für · Sicherheit USP Unique Selling Proposition Sozialkontakte · professionelle Organisation/ · übersichtliche Grösse mit Führung wohnlicher, persönlicher · effiziente/prozessorientierte Atmosphäre Abläufe Kernleistungen

Wohnen mit Pflege und Betreuung: Langzeitaufenthalte (bis 80 Betten)

Zusatzleistungen

Öffentliche Cafeteria, Verpflegung für Dritte, Mahlzeitendienst, Kulturelles Angebot, Coiffeur, Pédicure, Physiotherapie im Haus, Transportdienste, Wäscheversorgung für Dritte, Raum-/Saalvermietung

Kunden

Integrationsfähige betreuungs- und pflegebedürftige Menschen Auswahlkriterien siehe «LF Beratung/Auswahl» Nutzer unserer öffentlichen Dienstleistungen (Private, Vereine, Parteien, etc.)

Märkte

primär Seniorinnen und Senioren aus der Region

Partner

Angehörige, Heim- und Hausärzte, Sozialdienste, Seelsorger, Spitex, Alterswohnungen, andere Alters- und Pflegeinstitutionen der Region, Berufsschulen, Berufsverbände, Curaviva, Frauenverein, Kulturverein, Kirchgemeinden, lokales Gewerbe, Lieferanten

Kurzzeitaufenthalte: Ferien (2 – 8 Wochen, 1 Bett) Tagesangebote je nach Kapazität

127


Ausblick und Visionen Gedanken des Zentrumsleiters Mit dem Gesamtkonzept zur grossen Umbauphase von 2010 bis 2013 konnte im Neuhaus auch eine Struktur­bereinigung vorgenommen werden. Im Parterre wurden alle Räume angesiedelt, die zum «Dorf» gehören: Coiffeur, Café/Restaurant, Kapelle, Mehrzweckraum. Ausserdem wurden alle Räume der Verwaltung zentral ins Parterre gelegt. Auf den oberen Etagen befinden sich die Wohn- und Pflegeabteilungen. Alle Stationszimmer sind jetzt übereinander im zentralen Haus 75 angeordnet, ebenso die Aufenthaltsbereiche der Bewohnerinnen und Bewohner. Im Vergleich zu früher sind dadurch die Strukturen klarer und die Wege kürzer geworden. Die neuen Räumlichkeiten im Erdgeschoss erlauben auch, die Öffnung und Vernetzung des Neuhaus mit dem Dorf und der Bevölkerung weiter zu fördern. Neben einer guten und zeitgemässen Infrastruktur geht es aber im Neuhaus nach wie vor in erster Linie darum, den Bewohnerinnen und Bewohnern ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Bei den Strategien zur Vertreibung der Langeweile stehen die Bewohnerinnen und Bewohner des Neuhaus ihren Enkeln in nichts nach. Bereits halten die ersten Internetzugänge Einzug in den Bewohner­ zimmern und in der Aktivierung wird über die 128

Spiel­konsole Nintendo Wii virtuell gekegelt und Golf gespielt. Notabene klopft damit just im Jubiläumsjahr die digitale Welt an die Tür des Neuhaus und der eingeschlagene Weg der Entwicklung und Öffnung geht auch in dieser Hinsicht weiter. In den Köpfen von Stiftungsrat und Zentrumsleitung nimmt die Vision eines separaten Neubaus auf der Dorfseite der Neuhausstrasse immer mehr Gestalt an. Denkbar wären darin eine Anzahl altersgerechter Wohnungen, deren Mieterinnen und Mieter Serviceleistungen des Pflegezentrums beanspruchen könnten. Zudem könnten darin Räumlichkeiten beispielsweise für eine Gemeinschaftsarztpraxis, Physiotherapie und die Spitex untergebracht werden. Das Neuhaus würde damit zu einem eigentlichen Gesundheitszentrum. Auch eine stärkere Vernetzung von ambulanten, teil­ stationären und stationären Wohnformen wird künftig gefragter sein denn je, denn die Vielfalt des modernen Alterns ruft nach einer Vielfalt an Wohnangeboten. Nichts ist beständiger als der Wandel: Wie sich das Neuhaus in den vergangenen 150 Jahren stetig verändert hat, so wird es sich auch in den nächsten Jahrzehnten weiter entwickeln. Stefan Wohnlich


Impressum Sponsoren Gemeinde Wängi Johann Bommer-Stiftung Raiffeisenbank Wängi-Matzingen Thurgauische Kantonalbank Herausgeber Stiftung Neuhaus, Wängi Autor Andreas Raas, Wängi Mitautor Ruedi Götz, Wängi

Andreas Raas wurde 1934 in Frauenfeld geboren und verbrachte dort seine Jugendund Schulzeit. Nach der Matura bildete er sich in Zürich, Bern, Paris und London zum Sekundarlehrer aus und übernahm 1957 die neu geschaffene dritte Lehrstelle an der Schule Wängi. Von 1968 bis 1999 wirkte er als thurgauischer Sekundarschulinspektor, ausserdem von 1985 bis 1993 als Präsident der Volksschulgemeinde Wängi. Neben der Mitwirkung in pädagogischen Publikationen zeichnete er als Verfasser der Wängener Hefte 1, 3 und 4.

Layout/Satz/Bildbearbeitung VMA Media AG, Affeltrangen Druck Fairdruck AG, Sirnach August 2014

Dank Am Ende des erlebnisreichen Weges zu diesem Buch wird mir bewusst, wie viele Menschen – Lebende und Verstorbene – daran mitgewirkt haben: die Auftraggeber, die Zeugen aus alter und neuer Zeit, die Mitgestalter, die Sponsoren und vor allem die künftigen Leserinnen und Leser, deren Erwartungen mich bei jedem Schritt begleiteten. Ich danke allen! Der Autor

Ruedi Götz wurde 1936 geboren und wuchs in Oberneunforn auf. In der Zeit nach seiner Ausbildung zum Primar- und später zum Sekundarlehrer war er an verschiedenen Lehrstellen tätig, die längste Zeit am Gymnase Pestalozzi in Matadi (Kongo/ Kinshasa). 1966 kam er nach Wängi, wo er bis zu seiner Pensionierung als Sekundarlehrer unterrichtete. Von 1983 bis 2002 wirkte er als nebenamtlicher Sekundarschulinspektor des Kantons Thurgau. Seit 1966 engagiert er sich für die Naturschutzvereinigung Grütried. Er ist der Verfasser des Wängener Hefts 2.


1864 war’s noch ein Armenhaus . . .

Andreas Raas

1864 – 2014 150 Jahre Neuhaus Wängi Wohn- und Pflegezentrum Wängener Heft 4


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