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Erste Wohnung im katholischen Schulhaus

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Das Berkmüller Haus

Erste Wohnung im katholischen Schulhaus

Auch wenn Katharina Berkmüller in verschiedenen Versen betont, mit ihrem bescheidenen Lebensstil zufrieden zu sein, so taucht doch da und dort die Sehnsucht nach einem eigenen Haus auf. Folgt man den Erinnerungen von Hermann Walder, wohnte die Familie Berkmüller zuerst längere Zeit im oberen Stock des «katholischen Schulhäuschens am Kirchweg» (heute Wiesengrundstrasse 3).87 Der Wunsch nach einem eigenen Haus oder wenigstens nach einem «Häuschen» muss in der Zeit entstanden sein, als die Familie noch zur Miete wohnte. Im Gedicht «Des Armen Trost am Ende» taucht dieser Wunsch auf. Zwar nimmt das Gedicht nach den ersten Zeilen eine unverhoffte Wendung. Aus dem «eigen Haus» wird der Sarg. Und der unerfüllbar scheinende Traum von den eigenen vier Wänden endet im Selbsttrost, dass auch der Reiche mit seinem Palast letztlich sterben müsse. Trotzdem; der Traum bleibt lebendig. Und man kann es ihr nicht verdenken. Die kleine Dachwohnung oberhalb der Schule mit ihren Dutzenden von Kindern, das entsprach nicht den Zürcher Oberländer Bauernhöfen, wo Katharina aufgewachsen war. Oft wünscht ich mir ein eigen Haus Auf dieser weiten Erden, Und ach mein Wunsch wird bald erfüllt, Ein Häuschen wird mir werden; Ein Häuschen, aber eng und klein, Erwartet bald mein müd Gebein.

Dem Reichen, dem oft ein Palast Zu eng auf dieser Erden, Auch ihm wird doch zur guten Letzt Nur so ein Häuschen werden, Und drin zerfällt auch er zu Staub, Und wird gleich mir der Würmer Raub.88

Auch an einer andern Stelle in einem Gedicht mit dem Titel «Zufriedner Sinn» taucht wieder der Wunsch nach einem eigenen Dach über dem Kopfe auf. Zwar ist es nicht so, dass Katharina Berkmüller mit ihrer Wohnung über der katholischen Schule hadern würde. Dennoch ist in den Worten «nur ein fremdes Dach» der deutliche Wunsch nach einem eigenen Haus nicht zu verkennen. Hab ich gleich weder Feld noch Auen, Und schützt mich nur ein fremdes Dach, So kann ich doch auf Gott vertrauen, Und häng nicht eitlen Wünschen nach.89

1980 schreibt Otto Gubler als damaliger Besitzer des im Folgenden abgebildeten Hauses an der Wiesengrundstrasse 3: «An der Wiesengrundstrasse besteht eine alte Liegenschaft vom Jahre 1837 als erstes Kath. Schulhaus heute im Besitz und bewohnt von Fam. Otto Gubler, Maler.»90

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Katholisches Schulhäuschen. Von Norden gesehen. Bleistift. 9.7 x 6.0 cm. Unter Glas. Alt gerahmt. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 06. Ortsmuseum Wängi. Gut erkennbar die Laube, von der in Katharina Berkmüllers Gedicht die Rede ist.

In seinen Erinnerungen erwähnt Hermann Walder, dass die Arztfamilie, welche damals noch im Weierhaus wohnte, die Familie Berkmüller im katholischen Schulhaus täglich mit frischem Wasser versorgte: «Im oberen Stock wohnten früher Berkmüllers. Ihnen brachte unsere langjährige treue Magd, Karolina Baumberger, jeden Abend eine Gelte voll Wasser vom Weierhausbrunnen.»91 Wir folgern daraus, dass sowohl die Schulräumlichkeiten selber als auch die darüber liegende Wohnung kein fliessendes Wasser hatten und dass dieses täglich an einem Brunnen beschafft werden musste. Wo wir schon dabei sind, schauen wir uns doch das Schulhäuschen nochmals genauer an. Dabei entdecken wir das kleine Fensterchen des «Hüslis» der Lehrerwohnung im oberen Stock. Auch zum Plumpsklo im Parterre für die grosse Schülerschar erfolgte der Zugang von der Veranda aus. Auf der Zeichnung sieht man die Türe. Das Fensterchen weist vermutlich gegen Westen. Hermann Walder berichtet, dass seine Tochter Friedli «einmal voller Freude über eine kleine Schulpause in einem Satz vom Podest der steinernen Stiege in das offene, volle Abtrittsgüllenloch hinunter gesprungen sei, das Frau Lenzlinger (die Frau des Lehrers) zu decken vergessen hatte – zum Glück auf die Füsse, ohne Schaden zu nehmen.»92

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Man führte ein einfaches Leben damals. Auch das Warmhalten der Wohnung im Winter erforderte beträchtlichen Aufwand. Vermutlich stand in der Schulstube im unteren Stock ein Kachelofen, welcher mit Holzbüscheli beheizt wurde. Und in der Wohnung im oberen Stock bei Berkmüllers wird ein Eisenofen gestanden haben. Diese Öfen wurden zwar beim Beheizen rasch sehr heiss, die Hitze hielt jedoch nie lange an. In diesem Zusammenhang ist eine Rechnung von Interesse, welche erhalten geblieben ist. Ein gewisser G. Früh stellt am 31. Juli 1848 der Familie Berkmüller «140 Zaine Treber» in Rechnung zum Preis von 6 Gulden und 14 Kreuzern. «Treber» oder Trester nannte man die Rückstände beim Pressen von Trauben oder Äpfeln und Birnen. Diese wurden mit Sägemehl vermischt und zu Würsten oder Stöckli verarbeitet. Gut getrocknet ergaben sie eine Art Briketts, welche im Ofen langsam verglühten und über Stunden Wärme abgaben. Das Datum der Rechnung legt nahe, dass es sich hier um Obsttrester gehandelt hat. Traubentrester gibt’s erst im Herbst. Die Obsttresterstöckli aber konnten auf der Laube den ganzen Sommer über schön trocknen.93

In einem ihrer Gedichte spricht Katharina Berkmüller von dieser Laube. Sie sass gerne dort und blickte gegen Norden auf den Friedhof. Hier die erste Strophe des Gedichtes:

Quittung für Hauszins. «Von Berkmüller empfing ich heute den / Hauszins per Mt April 1845 fünf & / vierzig mit Fl. [Florin] 36.– was ich hiermit / bescheinige Wengi den 29. April 1845./ Peregrin Wissmann Schulpfleger». Inv.Nr. B 510.R8. Ortsmuseum Wängi. Gedanken auf der Laube. Auf meiner Laube sitz ich hier, Vom hellen Mond bestrahlt Den stillen Friedhof dort vor mir, Von seinem Licht bemalt.94

In den 1980 im Estrichboden gefundenen Papieren fand sich unter anderen eine Quittung des katholischen Schulpflegers Peregrin Wissmann. Er bescheinigt den Berkmüllers den Erhalt des Hauszinses von 36 Fl. (Florin = Gulden) für den Monat April 1845.

Später verkaufte die katholische Kirchgemeinde gemäss Brandassekuranz-Kataster ihr ehemaliges Schulhaus als «freistehendes Wohnhaus» seinem neuen Besitzer Jakob Gubler. Der Versicherungswert betrug 6500 Franken. Das Haus steht noch (heute Wiesengrundstrasse 3) und ist trotz einiger Umbauten in seiner Grundstruktur noch als ehemaliges Schulhaus zu erkennen.