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Schuhwerk und Kleidung

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Schuhwerk und Kleidung

Erhalten geblieben sind im Weiteren insgesamt 46 Rechnungen vorwiegend aus den Jahren 1842 bis 1852. Auch sie vermitteln einige Hinweise auf Alltag und Lebensstil. Eine auffallende Häufung ergibt sich für die Jahre von 1845 bis 1848 mit jeweils bis zu zehn und mehr Rechnungen pro Jahr. Die Gründe für diese Streuung sind unklar, dürften jedoch Zufall sein.

Der Wängemer Schuster Heinrich Kocherhans stellte am 31. Dezember 1847 dem Herrn (!) Berkmüller einen Betrag von 3 Gulden und 4 Kreuzern68 für Schuhe von Frau (!) Berkmüller in Rechnung: Julyus 10ten der Frau Berkmüller ein bar Schuh gemacht dido ein bar Schuh geflickt Nofember 18ten Ein bar Finken gesohlt

Die Rechnung zeigt den sorgsamen Umgang mit Schuhen. Waren sie schadhaft, so wurden sie geflickt. Sogar die Finken wurden neu gesohlt. Bei Bedarf wohl auch mehrmals.69

Aus den wenigen Jahren (1842–1850), über welche sich die aufgefundenen Rechnungen erstrecken, betreffen sechs Rechnungen Kleiderstoffe und sieben Kleider. Wir wählen hier einige davon aus. Die ausgesprochen vergnügliche Lektüre wollen wir uns keinesfalls ersparen. Schnell wird nämlich klar, dass die Tuchhändler und Schneider hierzulande mit den fremdländischen Stoff- und Kleidungsbezeichnungen ihre liebe Mühe hatten. Trotz allem hat man sich verstanden und wir gehen davon aus, dass die Ware tadellos gewoben und ebenso verarbeitet war. Reklamationen oder gar Rücksendungen sind auf alle Fälle keine aufgetaucht.70

Rechnung (Nota) des Schusters Heinrich Kocherhans. 1847. 23.1 x 12.0 cm. Inv.Nr. B510.R25. Ortsmuseum Wängi.

Sie hatten es aber auch nicht einfach, die Schneider jener Zeit. Während in den Webkellern im Dorf noch Leinenstoffe aus Hanffasern gewoben wurden, stellte man in der Weberei bereits die ersten Baumwollstoffe her. Die Kleiderstoffe trugen nicht selten englische Bezeichnungen wie Waterproof, Lasting, Tweed usw. und die Kleidungsstücke französische: Foulard, Gilet oder Veston. Dazu kamen Bordüren, Knopfgarnituren und Fournituren.

Verschiedene Rechnungen für Stoffe. Alle adressiert an die Familie Berkmüller. 1845 – 1846. Inv.Nr. B510.R09 / R10 / R13 / R17. Ortsmuseum Wängi. 45

46 Rechnung für Herrn Bergmüller in Wengi von Gebrüder Menabrea & Cie. Nachfolger der Gebrüder Litschgi & Cie. über 2 ¼ Ellen grau Watterpropf Frauenfeld, den 6ten März 1845

Rechnung St. Gallen, d. 31. December 1845

für Herrn Berkmüller in Wengi von Franz Joseph Geser 1844 März 12. 1 1/8 Ell.V für Gilets December 14. 1 Stck. schwarz & weiss fular Halstuch » 14. 1 Stck. schwarz fular Halstuch 1845 April 28. 4 Ell. schwarz Lastings*

*Lasting ist ein Schuhoberstoff aus Baumwolle.71

Nota für Herrn Berkmüller z. Spinnerei Wengi von G.S. Lumpert

Ellen 8 fein Grepp* Laisting d.grau Wyl, den 1. April 1846

*Crêpes ist ein Gewebe mit krauser Oberfläche. Crêpe de Chine ist die Bezeichnung für einen hauchdünnen und feingewobenen Stoff, oft auch aus Naturseide.

Frauenfeld den 9ten Mai 1846

Rechnung für Herrn Berkmüller von Rudolf von Jakob Hasenfraz Schneider einen grünen grepp Lasting Korkpordé* Futter, Wattierung 1 garnitur seiden Knöpf Pordur u. Furnitür die schön ächt mit gutem Mohär** gefüttert

per acquit Rudolf Hasenfraz recommandiere mich bestens Ihres werten Zutrauens

*Laut dem Textilmuseum St. Gallen lässt sich der Begriff «Korkpordé» nicht erklären. **Mohair ist Wolle von sog. Angora-Tieren, die sich durch ein besonders langhaariges Fell auszeichnen.

Angesichts der vielen Stoffbestellungen fragen wir uns natürlich, ob Katharina Berkmüller das Material selbst verarbeitet hat. Unmöglich ist das zwar nicht, gehörte doch Nähen und Stricken durchaus zu den damaligen Frauenpflichten.72 Auch schwierigere Kleidungsstücke wurden nicht selten selbst angefertigt. Die hier vorliegenden Schneiderrechnungen lassen allerdings eher das Gegenteil vermuten. Sogar einfache Flickarbeiten wurden Schneidern überlassen. Neben den Schneiderateliers mit festem Sitz gab es damals die sogenannten Störschneiderinnen und –schneider. Diese boten ihre Dienste von Haus zu Haus oder auf Abruf an und arbeiteten dann für ein paar Stunden oder mehrere Tage im Haus des Kunden. Manchmal sogar mit Kost und Logis. Die beiden letzten Wängemer Störschneiderinnen Agnes Bommer und Julia Studer gingen noch bis in die späten 1970er-Jahre ihren Beschäftigungen nach.

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48 Rechnung für Herrn Berkmüller in Wengi von Johan Gamper Schneider von da. 1845 Tag Heumonat 16 Zweÿ Par Hosen geflickt – Zweÿ Schile geflickt und eingefasst Knöpf geben darzu und Schnürli in ein Schile ein Rugen gemacht – ein Rock ausgebögelt – Watten geben für August 17 dreÿ Par Hosen gemacht nebst Zugehör ein grünen Rock eingefasst Band geben darzu ein Kragen auf ein Rock gemacht –

1846 Jänner 17 ein Frack gemacht – für Futter – für Wattierung … und Faden für Schnürli und Knopf –

Verschiedene Schneiderrechnungen für die Familie Berkmüller. 1845 – 1848. Inv.Nr. B510.R07.R24.R41.R40. Ortsmuseum Wängi.

Frauenfeld, den 5ten Septembr 1847 Rechnung für Herrn Berkmüller zur … in Wengi von J. Keller Schneidermeister dahier

1847 Julj 1 Eine Seiden weste gemacht für macher lohn u.

Wyl, den 28 Octobr 1845 Nota für Herrn Berkmüler zur Spinnerei Wengi von G.S. Lumpert Saldo Vortrag 1 Paar Unterhosen

Frauenfeld, den 28 Decemb. 1848. Rechnung für Herrn Berkmüller in Wengi von J.G. Wassermann Knopfmacher & Posamentier 1848 Octobr. 30 1 Pr. Strümpfe

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Bereits im Wängener Heft 5 zum Thema Ortsmuseum Wängi ist auf eine Rechnung des Tailleurs Wegmann aus Paris aus der «Rue de Grétry Nr. 1, près la place des Italiens» für «Monsieur Bergmüller» hingewiesen worden. Es handelt sich dabei um die Rechnung vom 12. Oktober 1842 für ein «Gilet casimir noir». War Berkmüller selber in Paris und liess er dieses Gilet (Gilets wurden in der Regel unter einem Frack getragen!) massschneidern? Konnte er sich das leisten? Wir wissen es auch heute noch nicht.

Die Stoff- und Kleiderrechnungen belegen: Bei Berkmüllers wurden edle Stoffe verwendet und vornehme Kleider getragen. So sind unter anderem zahlreiche Gilets und ein Frack belegt. Auch liess man beileibe nicht nur bei ansässigen Schneidern aus Wängi arbeiten. Die Rechnungen stammen aus dem Raum zwischen Frauenfeld und St. Gallen. Dazu kommt das erwähnte Gilet aus Paris. Diese Tatsache relativiert die einfachen Wohnverhältnisse und den bescheidenen Lebensstil etwas, wovon wir weiter oben den Eindruck gewannen und von dem

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So präsentierte sich eine gepflegte Dame Ende des 19. Jahrhunderts in Wängi an Festtagen. Schwarzes Seidenkleid, kunstvoll gestalteter Hut mit Straussenfeder, diverse Hut- und Haarnadeln zur Auswahl, hoch geschnürte Schuhe, eleganter Schirm und geflochtenes Körbchen. Aus Wängi, aber nicht aus dem Hause Berkmüller. Ortsmuseum Wängi. vor allem Katharina Berkmüller in ihren Gedichten verschiedentlich berichtet.

Auffallend ist, dass neben den zahlreichen Rechnungen für Schuhe, Finken, Stoffe, Kleider und Wäsche, keine einzige für Hüte erhalten geblieben ist.

Am 10. März 1848 stellte Conrad Wegelin im Freihof aus Diessenhofen dem «Herrn J.Berkmuller in Wengi» folgende Rechnung über einen Betrag von 2 Gulden und 41 Kreuzern aus. Geliefert wurde die Seife durch einen Hans Wegmann.

Ihrem Geehrten [Schreiben] v. gestern zu Folge sende Ihnen durch Wegmann Hans B Nr. 1 Paquet mit / 2 Tafeln à 10 Stk Kernseife 25 [?] [?]2.41. wofür sie mich gefl. erkennen wollen. Dankend empfangen C. Wegelin

Rechnung von Conrad Wegelin aus Diessenhofen für Kernseife. 1848. 21.5 x 13.6 cm. Inv.Nr. B510.R37. Ortsmuseum Wängi.