Auf Spurensuche im 19. Jahrhundert · Zeichnungen und Aquarelle von Johann Alphons Berkmüller

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Ernst Trachsler Auf Spurensuche im 19. Jahrhundert

Zeichnungen und Aquarelle von Johann Alphons Berkmüller 1802 – 1879

Wängener Heft 6



Ernst Trachsler Auf Spurensuche im 19. Jahrhundert

Zeichnungen und Aquarelle von Johann Alphons Berkmüller 1802 – 1879 Wängener Heft 6


Impressum Herausgeber Stiftung Ortsmuseum Wängi Fotos, Scans Ruedi Götz, Wängi Layout, Satz, Bildbearbeitung

VMA Media AG · Ueli Mattenberger, Affeltrangen Lektorat

Hanna Wittenwiller, Seuzach Korrektorat Walter Berger, Sulgen Hinweis zu den Aquarellen und Zeichnungen Die Farbtreue der Werke Berkmüllers orientiert sich am heutigen Zustand der Aquarelle und Zeichnungen. Im Laufe der rund 150 Jahre haben sich möglicherweise Verfärbungen oder sonstige Alterspuren ergeben. Diese wurden belassen. Die Bilder wurden nicht auf einen unbekannten Originalzustand zurück retouchiert. Dazu kommt, dass manche heute nicht mehr auffindbaren Zeichnungen und Aquarelle in früheren Jahren fotografiert oder digitalisiert wurden, zum Teil sogar unter Glas und alt gerahmt. All dies tut der Qualität der reproduzierten Aquarelle und Zeichnungen keinerlei Abbruch. Sie vermögen gerade auch durch ihr sichtbares Alter durchaus zu überzeugen. Frühjahr 2022


Inhaltsverzeichnis Grusswort des Gemeindepräsidenten

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Vorwort des Autors

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Johann Alphons Berkmüller im Ortsmuseum Wängi

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Einstieg in Berkmüllers Bilderwelt Der Schäfliplatz Wängi – ein Beispiel

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Sehgewohnheiten früher und heute

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Berkmüllers Weltbild

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Seine Zeit Wängi im 19. Jahrhundert

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Zur Person

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Beruf und Freizeit

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Sein Oeuvre – eine Einordnung Epochen des 19. Jahrhunderts

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Berkmüller als Autodidakt

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Bildaufbau

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Techniken

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Papier und Grundierung

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Silberstift

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Bleistift

57

Pastellfarben

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Aquarell

63

Schaben und Kratzen

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Stil

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Berkmüller im Rahmen der Schweizer Kleinmeister

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Inhaltsverzeichnis

Seine Bedeutung aus unserer Sicht

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Chronist

91

Romantiker

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Erzähler

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Bewunderer moderner Technik

110

Geschäftssinn

113

Berkmüller als Chormusiker Die Männerchöre im 19. Jahrhundert

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Berkmüllers Beitrag zum Thurgauer Chorwesen

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Ein paar Beispiele

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Herausgeber von Chornoten

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Seine Bekanntheit über die Grenze hinaus

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Hingabe und Unrast

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Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Zwischenhalt auf unserer Spurensuche

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Literatur und Quellen

174

Endnoten

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Finanzielle Unterstützung

186

Autoren

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Wängener Hefte

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Grusswort des Gemeindepräsidenten Mit den Wängener-Heften 6 und 7 wird die erfolgreiche und für unsere Gemeinde wertvolle Schriftenreihe fortgesetzt. Unter dem Titel «Auf Spurensuche im 19. Jahrhundert» werden die Werke von Johann Alphons Berkmüller und Katharina Berkmüller-Stutz beleuchtet. Wiederum ist es Ernst Trachsler gelungen, ein äusserst interessantes und lesenswertes Stück Wängener Geschichte vorzulegen. Die beiden Bände sind nicht nur eine Darstellung des Oeuvre Berkmüllers und des literarischen Werkes von Katharina Berkmüller, sondern geben faszinierende Einblicke in die Lebenswelt von Wängi im 19. Jahrhundert. Ein Bericht aus einer bewegenden Epoche, meisterhaft geschildert. Ich bedanke mich herzlich beim Autor für die Realisation dieser Hefte, welche eigentliche Zeitdokumente für unser Dorf Wängi darstellen. Den geschätzten Leserinnen und Lesern wünsche ich anregende Unterhaltung und Erkenntnisgewinn bei der Lektüre. Lassen Sie sich auf das Abenteuer Wängi im 19. Jahrhundert ein. Thomas Goldinger Frühjahr 2022

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Vorwort des Autors

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Johann Alphons Berkmüller lebte von 1802 bis 1879 und verbrachte ab 1823 bis zu seinem Tode gut 50 Jahre seiner Lebenszeit in Wängi. Er arbeitete als Buchhalter in der Spinnerei und späteren Weberei. Nebenher zeichnete und aquarellierte er Häuser und Strassen im Dorf und in der Umgebung. Seine aktuell bekannte Hinterlassenschaft umfasst über 150 Werke. Ursprünglich ging es darum, diese in einem Werkverzeichnis systematisch zu erfassen. Diese Arbeit zog aber rasch weitere Kreise. Es stellten sich Fragen über Fragen. Wer die kleinformatigen Zeichnungen zum ersten Mal genauer betrachtet, ist entzückt ob der Reichhaltigkeit an Einzelheiten

und staunt über die Genauigkeit der Darstellung. Wie hat Berkmüller das gemacht? Wer war er überhaupt? Wie lebte er? Was wissen wir über seine Familie? Wie lebte es sich eigentlich im 19. Jahrhundert in einer Landgemeinde im Kanton Thurgau? Wir wollen Berkmüller als Menschen seiner Zeit sehen. Einblicke in seine familiäre Situation und in die politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen im 19. Jahrhundert erlauben uns, ihn und sein künstlerisches Werk besser zu verstehen. Wie bei einem Puzzle ist so Schritt für Schritt ein Lebens- und Zeitbild entstanden. Die Spurensuche nach dem Menschen Johann Alphons Berkmüller ist unvermittelt zur Schilderung eines Stückes Thurgauer Kultur- und Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts geraten. Immer gespiegelt im Mi­ krokosmos des Buchhalters der Spinnerei und Weberei in Wängi. Wir beginnen unsere Spurensuche im Ortsmuseum Wängi. Die Geschichte der Werksammlung Berkmüller ist geprägt von beharrlichem Sammlungswillen, aber auch von überraschenden Zufällen. Das folgende Wängener Heft 7 stellt dann Berkmüllers Frau Katharina Berkmüller-Stutz in den Mittelpunkt. Eine weitere Entdeckung! Sie hat zeitlebens Gedichte verfasst. Ernst Trachsler Frühjahr 2022


Johann Alphons Berkmüller im Ortsmuseum Wängi 1964 hinterliess der Gründer des Ortsmuseums Wängi, Sekundarlehrer Ernst Wiesmann, bei seinem Hinschied in seiner heimatkundlichen Sammlung eine Handvoll Bleistiftzeichnungen von Alphons Berkmüller. Wie er zu diesen Zeichnungen gekommen ist, hat er nirgends festgehalten. Sie dürften ihm im Rahmen seines unermüdlichen Einsatzes um die Pflege der dörflichen Kultur oder dann bei seinen gezielten Sammelaktionen im Zusammenhang mit dem Aufbau eines Ortsmuseums zugetragen worden sein. Ebenfalls über Ernst Wiesmann kam eine Schachtel mit alten Diapositiven von Berkmüller Zeichnungen ins Ortsmuseum. Es handelt sich dabei um 34 Glasplatten in verschiedenen Formaten. Wer die Aufnah-

men gemacht hat und in welchem Zusammenhang sie entstanden sind, ist ebenfalls unklar. Wohl etwa zur selben Zeit wurden dem Ortsmuseum zusätzlich zwei oder drei Alben mit Fotos von Berkmüller Zeichungen vermacht. Die Aufnahmen hatten alle einen forcierten Schwarz-Weiss-Kontrast und waren auch sonst technisch eher schlecht. Aufschlussreich an diesen Alben war hingegen die Tatsache, dass sie nicht alle dieselbe Anzahl und Auswahl an Zeichnungen enthielten. Irgendwann in den 1940er-Jahren muss jemand Zugang zu einer grösseren Sammlung von Berkmüller Arbeiten gehabt haben. Diese wurden fotografiert und der Öffentlichkeit im Dorf zugänglich gemacht. Die Interessenten stellten sich ihre

Holzschatulle mit Glasplatten und Kartonschachtel mit Diapositiven. Frühe Aufnahmen von Berkmüller-Zeichnungen. Schwarz-weiss. Erste Hälfte 20. Jahrhundert. Inv. Nr. G5644/5645. Ortsmuseum Wängi.

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Johann Alphons Berkmüller im Ortsmuseum Wängi

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Alben dann nach eigenem Gutdünken zusammen. Teilweise wurden die eingeklebten Fotos mit handgeschriebenen Ortsangaben versehen. 1 Als Initianten kommen Leute rund um den damaligen «Verein zur Förderung der Kulturpflege» in Frage; so etwa der Sekundarlehrer Ernst Wiesmann (1903 – 1964), der Posthalter Paul Zuppinger (1897 – 1984) und der frühere Lehrer und spätere Verwalter der Raiffeisenkasse Otto Bischof sen. (1886 – 1970). Vielleicht gehörte auch der Webereimeister Johann Hasler (1900 – 1983) zur Gruppe. Alle engagierten sie sich für heimatkundliche und dorfkulturelle Belange. Bischof verfasste unter anderem 1941 einen Lebenslauf von Johann Alphons Berkmüller. Wir werden darauf zurückkommen. Es ist naheliegend, zwischen dem Interesse an Werken Berkmüllers mit einer Serie von professionell aufgenommenen Diapositiven und der Schaffung von Berkmüller Fotoalben einen Zusammenhang zu sehen. Nimmt man noch die Taufe einer in der Mitte des 20. Jahrhunderts neu erstellten

Quartierstrasse in «Berkmüllerstrasse» dazu, kann man von einer eigentlichen Berkmüller-Welle sprechen. Der Aufhänger könnte ein Jubiläum gewesen sein. 50 Jahre nach seinem Tod ergäbe 1929, 75 Jahre nach seinem Tod 1954 und 150 Jahre nach seiner Geburt 1952. Nichts weniger als eine kleine Sensation war Ende 1979 oder anfangs 1980, unmittelbar vor einer bereits geplanten Berkmüller Ausstellung, die Entdeckung von etwa 350 grösstenteils handgeschriebenen Chornoten und gut 120 anderen Dokumenten aus der Familie Berkmüller. Die damalige Besitzerin Gertrud Vontobel liess das ehemalige Wohnhaus der Familie Berkmüller – heute Dorfstrasse 19 – baulich sanieren. 2 Dabei wurde unter anderem der Estrichboden isoliert. Der damit beauftragte Architekt Urs Krähenmann entdeckte die Dokumente und schaltete das Ortsmuseum ein. Handgeschriebene und gedruckte Schriftstücke und Musiknoten lagen in dichten Schichten über- und durcheinander. Alles aus der Zeit zwischen 1840 und 1870. Die oberste

Alben mit 34, resp. 36 Fotos von Berkmüller Zeichnungen. Aus den späteren 1940er-Jahren. Ursprüngliche Besitzerinnen: Emmi und Nelly Gamper Wängi. Familie Kappeler-Stierlin Frauenfeld. Inv.Nr. B 760 / 780. 24.8 x 18.5 x 2.3 cm. 22.8 x 15.2 x 2.8 cm. Ortsmuseum Wängi.


Johann Alphons Berkmüller im Ortsmuseum Wängi

Schicht war von der Feuchtigkeit und den Temperaturschwankungen teilweise arg mitgenommen. Auch hatten Mäuse und Insekten dem Papier im Laufe der Jahre zugesetzt. Dazu erschwerte eine altersbedingte Ausbleichung der Tinte teilweise die Lesbarkeit. Dennoch: Der Fund erwies sich als einmalig! All die Papiere wurden sorgfältig voneinander getrennt, entstaubt, gereinigt und geglättet. Schliesslich fanden sie ihren Platz in der Sammlung des Ortsmuseums. Dort überdauerten sie die Jahre bis zum heutigen Tag und bilden nun eine wesentliche Grundlage unserer Spurensuche. Leider wurden bei der Entdeckung auf Grund der

gebotenen Eile angesichts der fortschreitenden Bautätigkeiten keine dokumentarischen Befundaufnahmen gemacht. Im Februar 1980 organisierte der erwähnte Verein zur Förderung der Kulturpflege im Singsaal des Imbachschulhauses eine Ausstellung mit Berkmüller Originalen. Zu den wenigen Werken, welche sich damals im Besitz des Ortsmuseums befanden, kamen weitere aufgrund eines öffentlichen Aufrufes hinzu. Zahlreiche Besitzer stellten ihre Werke für die Dauer der Ausstellung zur Verfügung. So konnten total 64 Werke gezeigt werden. Zur Ausstellung erschien ein Katalog mit kurzen Bildbeschreibungen.

Album der Familie Früh mit 30 Bleistiftzeichnungen von Alphons Berkmüller. Zustand 2012 zum Zeitpunkt des Eingangs in die Sammlung des Ortsmuseums Wängi. 12.0 x 15.3 x 4.0 cm. Ortsmuseum Wängi. Die Einzelteile des Albums konnte Ruedi Götz anlässlich der Hausräumung bei der Familie Früh retten. Sie waren eingewickelt in blaugrünes Seidenpapier und lagen auf dem Rand der Schuttmulde vor dem Haus. Das war knapp!

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Johann Alphons Berkmüller im Ortsmuseum Wängi

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Auf Bestellung konnten Fotoreproduktionen erstanden werden. Dies bedingte, dass alle Werke fotografiert und nummeriert werden mussten: Der Grundstein für ein Werkverzeichnis war gelegt. Im Laufe der Jahre kamen weitere Werke ins Ortsmuseum. Einige konnten käuflich erworben werden, andere wurden dem Ortsmuseum geschenkt. So etwa eine «Dorfansicht von Süden» von der Raiffeisenbank anlässlich des Umzugs in ihren Neubau an der Murg sowie mehrere Werke aus dem Besitz der Familie Sulzer mit einer besonders sorgfältig aquarellierten Dorfansicht. Zu erwähnen ist im Weiteren eine Schenkung von einigen Bleistiftzeichnungen von Dil­ gion Merz, einem Nachkommen des früheren Wängemer 3 Pfarrers Merz.

Es ist in erster Linie dem uneigennützigen Einsatz und der geschickten Vermittlung von Ruedi Götz zu verdanken, welcher sich unermüdlich dafür einsetzte, dass neben einigen persönlichen Schenkungen auch ein Album mit zahlreichen Originalzeichnungen aus dem Besitz der Familie Früh (ehemals Friedensrichter in Wängi) und ein weiteres aus der Familie Sulzer-Stierlin (ehemals Fabrikbesitzer in Wängi und Rosental) ihren Weg ins Ortsmuseum fanden. Anlässlich der Ausstellung von 1980 wurde noch ein weiteres Album aus dem Besitz der Familie Sulzer-Stierlin mit 17 Zeichnungen gezeigt. Trotz intensiver Nachforschungen ist dieses heute nicht mehr auffindbar. Glücklicherweise wurde es damals bereits fotografisch erfasst, so dass wenigstens sein Inhalt bekannt ist.

Album der Familie Sulzer-Stierlin mit Werken von Alphons Berkmüller. Zustand 2010 zum Zeitpunkt des Eingangs in die Sammlung des Ortsmuseums Wängi. 45.5 x 29.0 x 1.0 cm. BmKat. Nr. 113 –143. Ortsmuseum Wängi.


Johann Alphons Berkmüller im Ortsmuseum Wängi

Im Zuge der derzeitigen Vervollständigung des Sammlungsinventars im Ortsmuseum schien es angebracht, auch andere Objekte mit einem Bezug zur Familie

Berkmüller und ihrer Zeit, wie etwa Fotos, Bücher oder Papiere, zu sichten und zu beschreiben.

Berkmüller Originale in der Sammlung des Ortsmuseums Wängi.

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Einstieg in Berkmüllers Bilderwelt

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Der Schäfliplatz in Wängi – ein Beispiel Es lohnt sich, ein Buch über Johann Alphons Berkmüller gleich mit einem seiner Werke zu beginnen und einzutauchen in seine Welt, wie er sie uns in seiner Zeichnung der Strassenkreuzung beim Gasthof «Schäfli» in Wängi 1871 schildert. Wir blicken von der 1856 erbauten Murgbrücke oder von der bereits leicht ansteigenden Aadorferstrasse in Richtung «Schäfli». Der Gasthof mit seinen links hinten angebauten Stallungen und Scheunen ergibt zusammen mit der rechts etwas zurückliegenden Spinnerei ebenfalls mit Scheune eine eindrückliche Kulisse für ein kunterbuntes Verkehrsgeschehen ab. Links mündet die Strasse von Frauenfeld auf den Platz und rechts führt sie weiter in Richtung Wil. Das Wängemer Post- und Telegraphenbüro befindet sich seit 1866 im Gasthaus

«Schäfli» gleich links nach dem Eingang. Eine der beiden Tafeln an der Aussenwand weist darauf hin, die andere vermutlich auf die Billettausgabe für die Postkutsche. Zunächst weckt die Zeichnung unsere historische Neugierde. Das «Schäfli», so wie Berkmüller es noch gekannt hat, gibt’s seit der Brandnacht im Jahre 1976 nicht mehr. Der alte Gasthof war schon im 19. Jahrhundert ein pulsierender Dreh- und Angelpunkt des wirtschaftlichen und des gesellschaftlichen Lebens in Wängi. Ganz so wie auf der Zeichnung dargestellt. Zwar gibt das Haus seine Geschichte nur zögerlich preis. Manches lässt sich lediglich erahnen. In einem der ersten schweizerischen Reiseführer aus dem Jahre 1840 4 ist Wängi nicht vermerkt. Zum Nachbardorf Münch­ wilen jedoch mit dem Gasthof «Engel» in durchaus vergleichbarer Situation zum Gasthof in Wängi heisst es: «Das Büreau für die

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). In Waengi (Unterdorf). Bleistift. 18.5 x 12.0 cm. Mit Signatur: «nach d. Natur A.B.» Mit Datierung: «1871». BmKat. Nr. 5. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.


Einstieg in Berkmüllers Bilderwelt

ordinären und Extraposten (Postkutschen) ist im Hause, so dass man auf beliebige Weise zu jeder Stunde befördert werden kann. Geräumige, gut eingerichtete und meublierte Zimmer, sowohl für höhere Stände, als auch mittlere und niedere Personen, geräumige Stallungen und Remisen, reinliche Bedienung, bei billigen Preisen, sind die Titel, womit sich dieser vielbesuchte, beliebte Gasthof empfiehlt.» Wir können diese Beschreibung durchaus auch auf das «Schäfli» übertragen. Zwar weiss man nicht genau, wann der Gasthof in Wängi erbaut wurde. Die erste Nennung geht auf das Jahr 1808 zurück. Dort ist in den Brandassekuranz-Schatzungen ein «Wirtshaus, bestehend aus einem Haus & Scheür, samt Trotten und Schopf» erwähnt und auf «1560 Gulden» 5 geschätzt. 1823 (Gründungsjahr der Spinnerei!) wurde dann «ein Theil neu Erbauen & Villes Repariert». Der Wert stieg beträchtlich auf «2200 Gulden». Übrigens: Damals überquerte der Verkehr die Murg noch durch eine Furt. Es führte noch keine Strasse im Talgrund durch Wängi Unterdorf. Der Bau der Strasse in der Ebene, und damit am Gasthof «Schäfli» vorbei, erfolgte erst einige Jahre später, und eine Brücke wurde sogar erst 1856 errichtet. So interessant für den Historiker Lage, Bauweise und Funktion der Gebäude sowie die damalige Verkehrsführung sein mögen, von weit grösserem Reiz ist für uns das geschäftige Treiben auf dem Platz vor den Gebäuden; der Schäfliplatz ist ein lebendiger Dorfplatz. Wir wenden uns wieder der Zeichnung zu. Von Frauenfeld fährt eben die täglich verkehrende zweispännige Postkutsche auf

den Platz und steuert auf den Gasthof zu. Dort befinden sich Anbindestangen für die Pferde sowie eine Futterkrippe. Nach Wil fährt die Kutsche dann einspännig weiter. Neben dem Gasthof ist bereits ein zweispänniger Planwagen abgestellt. Der Kutscher lädt Waren um. Eine Schar Hühner pickt verschüttete Körner aus den Hafersäcken für die Zugpferde vom Boden auf. Verschiedene Hunde streunen über den Platz. An der Hausecke wartet eine abgeschirrte Chaise. Vielleicht steht das Pferd an der Tränke. Diese befand sich am Brunnen gleich links ausserhalb des Bildrandes in der Gabelung Frauenfelder- und Dorfstrasse. Oder ein Hufeisen musste ersetzt werden. Zum Hufschmied Thalmann an der Dorfstrasse (heute Dorfstrasse 17) waren es kaum 100 Meter. Ein einspänniger Brückenwagen hat grosse Ballen geladen. Der Kutscher kümmert sich um das Pferd. Dazwischen gehen zahlreiche Dorfbewohner ihren täglichen Geschäften nach. Ein Bauer schiebt seine Milchtanse auf dem Handkarren in die Käserei. Eine Frau trägt ein Bündel Wäsche auf dem Kopf. Wo sich die Gelegenheit für einen Schwatz ergibt, hält man aller Geschäftigkeit zum Trotz gern einen Moment inne. Der Soldat mit Gewehr und aufgepflanztem Bajonett kehrt vom Dienst zurück und weiss Neuigkeiten aus der Fremde zu erzählen. Die Zeichnung ist aufs Jahr 1871 datiert. Es ist also denkbar, dass der Soldat von seinem Einsatz bei der Entwaffnung der französischen Bourbaki Armee im Neuenburger Jura erzählt. Der Grenzübertritt dort erfolgte am 1. Februar. Die anschliessende Internierung dauerte ungefähr sechs Wochen. Der Soldat hätte ge-

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Einstieg in Berkmüllers Bilderwelt

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nügend Zeit gehabt, nach Hause zurückzukehren und zu berichten. Und Berkmüller hätte genügend Zeit gehabt, die Szene in seine Zeichnung einzufügen. Das Bourbaki­ ereignis wird uns später nochmals begegnen. Bevor wir vollständig in die faszinierende Berkmüllersche Bilderwelt eintauchen, und bevor wir vor lauter Staunen und Bewunderung die Zeit rund um uns herum vergessen, sind zum besseren Verständnis des Menschen Berkmüller und zur besseren Würdigung seines Wirkens ein paar grundsätzliche Überlegungen sinnvoll. Aus diesem Grund wollen wir uns eingangs einige wenige historische und kunsthistorische Fakten in Erinnerung rufen und uns schrittweise der Frage nähern, inwiefern sich Berkmüllers Bilderwelt mit seinem Weltbild deckt.

Sehgewohnheiten früher und heute Mit welchen Augen betrachten wir Menschen des 21. Jahrhunderts Darstellungen aus der Zeit zwischen 1840 und 1880? Was erzählen uns die Zeichnungen und Aquarelle von Alphons Berkmüller? Was berührt uns an seinen Darstellungen? Oder anders gesagt: Was macht deren Faszination aus? Heute sind wir in unserem modernen Alltag gezwungen, die ständig auf uns einwirkende Flut analoger und digitaler Bilder zu filtern und einzudämmen. Permanent reagieren wir auf immer neue Reize, wechseln andauernd den Blick und eilen schon weiter zum nächsten Bild. Versonnenes Verweilen auf einem einzelnen Ausschnitt liegt nicht drin. Wir könnten ja etwas Wichtiges verpassen. Langsamkeit ist aus unserem All-

tag, sei es am Arbeitsplatz, im öffentlichen Verkehr oder zu Hause im privaten Bereich, verschwunden oder gar zum Ärgernis geworden. Unsere Sehgewohnheiten sind nicht mehr diejenigen unserer Vorfahren. Wir haben uns den Erfordernissen des digitalen Zeitalters angepasst. Wir sind schneller. Wir wechseln gleich zum nächsten Bild. Wir fassen ganzheitlicher auf. Wir ordnen rascher ein. Wir haben in unserer modernen Welt gar keine Wahl. Berkmüller aber hat seine Darstellungen nicht für unsere Sehgewohnheiten gemacht. Unser heutiges Sehen war ihm gänzlich fremd. Zwar schuf auch er seine Werke in einer Zeit des Umbruchs. Als Angestellter in der Textilindustrie spürte er die für damalige Verhältnisse rasante Mechanisierung und die Umstellung von Hand- auf Maschinenarbeit aus nächster Nähe. Er war Teil einer technischen Revolution, ganz ähnlich, wie wir heute im 21. Jahrhundert Teil der digitalen Revolution sind. Warum ist von diesem Umbruch und den damit verbundenen Unsicherheiten in Berkmüllers Werk so wenig zu spüren? Wir wissen aus der Geschichte, dass in schwierigen Phasen historischer Umbrüche rasch einmal der Wunsch nach dem Einfachen aufkommt. Damals wie heute. Wohl schon immer mochten die Menschen die Verhältnisse lieber einfacher, als sie in Wirklichkeit sind. Das gilt nicht zuletzt für die historische Rückblende. Zu gerne erliegen wir solch zeitlichen Verkürzungen und romantischen Verklärungen. Nehmen wir den Schäfliplatz 1871 mit seinem emsigen und geschäftigen Treiben: Alles geordnet, alles verlorene Vergangenheit.


Einstieg in Berkmüllers Bilderwelt

Aber, ist dies die damalige Realität? Alphons Berkmüller bedient mit seinen beschaulichen und überschaubaren Welten dieses Bedürfnis nach Einfachheit. Seine Werke überfordern den Betrachter nie. Immer sind sie verständlich, immer haben sie etwas Geruhsames, etwas Tröstliches. Es sind liebenswürdige Erzählungen eines friedfertigen Dorflebens. Das berührt uns; selbst dann, wenn wir uns bewusst sind, dass solche Vereinfachungen die Erzählung nicht wahrer machen. Die Fakten lagen anders. Die damals noch kleinbäuerlich organisierte Welt im Murgtal ging zu Ende. Was folgte waren Bewegung und Aufbruch, begleitet von Erschütterungen und Unsicherheiten. Der Bruch mit der Vergangenheit wurde Programm. Die Moderne begann. Berkmüller war Zeitzeuge. In seiner Ansicht vom Weiler Jakobstal bildet Berkmüller drei dominante Fabrikgebäude samt Fabrikschlot ab, ordnet sie aber harmonisch in die ländliche Idylle ein. Auf der Strasse promenieren Leute, und Bauern bringen ihr Heu ein.

Berkmüllers Weltbild Natürlich hat Berkmüller all die gesellschaftlichen und politischen Schattenseiten seiner Zeit gekannt und wohl auch am eigenen Leibe erfahren. Über die wirtschaftlichen Umbrüche, welche die Industrialisierung des Murgtales mit sich brachte, war er als Buchhalter der Spinnerei und Weberei Wängi aus der Nähe informiert. Aber am Feierabend blendet er diese Rea­ litäten aus. Er schafft in seinen Werken eine Welt der Gemächlichkeit und der Ruhe. Er stellt – bewusst oder unbewusst – der Realität eine Art Gegenwelt entgegen. Er zeigt dörfliche Beschaulichkeit. Allfällige Gedanken an die mühsame Arbeit in den Maschinensälen der Fabrik tauchen nicht auf. Lieber zeigt er ländliche Rechtschaffenheit und bäuerlichen Fleiss. Er vergisst die Schweiss­perlen auf der Stirn der Fabrikarbeiter, den Husten vom eingeatmeten Staub, die Baumwollfusseln in den Haaren, die Blasen an den Händen. Kein ständiger Kampf um ein karges Leben, keine gebeugten Rücken, kein frühes Altern, Berkmüller liebt die stimmungsvollen Landschaften, bevölkert von emsigen Menschen,

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Jakobstal von Süden. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur und Datierung. BmKat. Nr. 29. Ortsmuseum Wängi.

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Einstieg in Berkmüllers Bilderwelt

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immer überstrahlt von einem heiteren Himmel mit Schönwetterwolken. Es sind zwei Dinge, welche uns beim Betrachten seiner Zeichnungen auffallen: Da sind einerseits die realistisch portraitierten Häuser im Sinne von «Genau so sieht es aus». Zum andern bettet er diese Häuser in eine idealisierte Umgebung ein. Er zeigt die Welt, wie er sie sehen wollte und nicht, wie sie tatsächlich war. Indem er all die zeitbedingte Verunsicherung und Mühsal des alltäglichen Lebens ausblendet, trifft er einen Nerv seiner Zeit. Und er trifft, ohne dass er’s hätte ahnen können, Generationen später denselben Nerv nochmals. Auch heute füh-

len sich Menschen von der Komplexität und Geschwindigkeit ihrer Welt überfordert. Was liegt da näher, als von einer beschaulichen und übersichtlichen Vergangenheit zu träumen, von einer Zeit, die es so nie gab. Vielleicht ist es diese doppelte Botschaft, der gleichermassen wirklichkeitsgetreuen Abbildung als auch der idealisierten Darstellung, welche letztlich den Grundstein für Berkmüllers anhaltenden Erfolg über die Jahrhunderte ausmacht. Armenhäuser waren seit jeher Brennpunkte sozialer Not. Armut und Gebrechlichkeit prägten das Leben in und um diese Häuser. Wer auf Berkmüllers Zeichnung

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Armenhaus Neuhaus Wängi mit Ordensschwestern. Bleistift. 9.5 x 6.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 26. Ortsmuseum Wängi.


Einstieg in Berkmüllers Bilderwelt

vom Armenhaus Wängi die alten Leute sucht, sucht vergebens. Zu sehen sind, wie schon auf dem Schäfliplatz, Spaziergänger und Kinder; meist paarweise und in Gespräche vertieft. Otto Bischof würdigt in seinem Aufsatz zu Berkmüller dessen hervorragendes zeichnerisches Talent. Und er schreibt: «Die Zeichnungen Berkmüllers ergeben ein treffendes Bild vom Aussehen unserer Gegend vor hundert Jahren.» 6 Genau dies ist nach unseren bisherigen Überlegungen anzuzweifeln. Berkmüller ist nicht einfach der dokumentarisch präzise Berichterstatter. Immer

stellt er der Wirklichkeit seine konstruierte Idealwelt entgegen. Damit ist er Teil des damaligen Zeitgeistes. Doch davon später. Zunächst wenden wir uns dieser Wirklichkeit zu. Wir schauen aus verschiedenen Perspektiven auf Wängi im 19. Jahrhundert. Alphons Berkmüller ist als Mensch kaum zu verstehen ohne diesen Blick auf seine Zeit, auf seine beruflichen und familiären Umstände. Wir wollen hier vor allem auf erstere näher eingehen, während letztere dem Wängener Heft 7 über seine Frau Katharina Berkmüller-Stutz vorbehalten sind. 17


Seine Zeit

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Wängi im 19. Jahrhundert Das 19. Jahrhundert war eine sehr bewegte Epoche. Überall, in Europa, in der Schweiz, im Murgtal und in Wängi prägten rasante Veränderungen in Gesellschaft und Politik, in Technik und Kultur die Zeit. Einer beispiellosen Aufbruchstimmung auf der einen Seite standen die Sorgen und der Kampf ums tägliche Überleben auf der anderen Seite entgegen. Besonders tiefgreifend gestaltete sich dieser Aufbruch in der Textilindustrie auch oder gerade im Kanton Thurgau. Georg Y. Wyler spricht 1971 in einem Aufsatz denn auch nicht von Auf-, sondern von Umbruch. 7 Die Herstellung von Leinwand aus Hanf oder Flachs stand schon im 17. Jahrhundert im Vordergrund der kantonalen Textilproduktion. Zahlreiche lokale Leinwandweber lieferten ihre Stoffe in die Zentren des Leinwandhandels. Zum Beispiel nach Konstanz. Am Ende des 18. Jahrhunderts begann sich dies zu ändern, und die Baumwollindustrie breitete sich aus. Im Unterschied zur Flachsund Hanfspinnerei liess sich Baumwolle mechanisch verarbeiten. Die ersten grossen mechanischen Spinnereien entstanden in Frauenfeld (1814), Lommis (1817) und in Wängi, wo der Schaffhauser Regierungsrat Georg Michael Stierlin-Joos mit J.C. Bachmann von Schönenberg-Anetswil 8 zusammen im Jahre 1823 die «Gesellschaft der Mechanischen Spinnerey in Wengi» gründete. Die erste mechanische Weberei im Thurgau entstand 1837 in Wängi, nämlich

als Nebenbetrieb der erwähnten Spinnerei. Dieser Betrieb nahm in der Folge einen solchen Aufschwung, dass der Personalbestand bald auf mehrere Hundert Arbeiterinnen und Arbeiter 9 anstieg. In der sogenannten Erdbebennacht vom 16. November 1911 brannte das Spinnereigebäude nieder. Die Spinnerei wurde aufgegeben und dafür die Weberei modernisiert. Soweit die Ausführungen von Wyler. Wovon er nicht spricht, sind die Auswirkungen dieser industriellen Entwicklungen auf das Leben der Menschen. Und damit gerade auch der Wängemer Dorfbevölkerung, wozu auch die Familie Berkmüller gehörte. Einen ersten kleinen Hinweis auf den veränderten Alltag der Menschen in Wängi liefert die sogenannte «Webereiglocke» im Ortsmuseum. Sie ist in Bronze gegossen und trägt die Aufschrift H * IM 1594. Die Bezeichnung «Webereiglocke» ist irreführend. Der historischen Erzählung nach stammt sie ursprünglich aus der Kapelle beim Schloss Spiegelberg (bei Wetzikon Kanton Thurgau). Auf einer Zeichnung von Berkmüller ist die gesamte Schlossanlage schön zu erkennen. Allerdings hat er das Schloss nicht mehr mit eigenen Augen sehen können. Er hat die Ansicht der «Neuen und Vollständigen Topographie der Eidgnossschaft» von David Herrliberger entnommen. 10 Die Schlossanlage war nach Johann Conrad Fäsi bereits seit der Mitte des 18. Jahrhunderts «im Abgang befindlich» und «weil man sie nit ergänzet, endlich zerfallen». 11 1821 wurde als letztes auch die Kapelle abgebrochen. Dieses


Seine Zeit

Datum passt dann allerdings zur Gründung der Spinnerei Wängi im Jahre 1823. Es ist gut möglich, dass die Glocke aus der Kapelle Spiegelberg tatsächlich auf dem Dachstuhl der Weberei in Wängi landete, zumal einer der Firmengründer aus der Gegend stammte und vom Abbruch der Kapelle in der Nachbarschaft wohl Kenntnis hatte. 12 Als die Textilindustrie ins Murgtal einzog, gab es weit und breit keine Leute mit den erforderlichen Fachkenntnissen. Die mechanische Spinnerei Wängi benötigte bei ihrem Start 1823 aber bereits 160 Arbeiterinnen und Arbeiter. Die ansässige Landbevölkerung musste erst für die Arbeit in der Fabrik gewonnen werden. Ihre bisherige Ar-

beit auf dem Hof richtete sich nach Jahreszeiten, Wetter, Tieren, Pflanzen und andern Gegebenheiten. Ganz anders die Arbeitszeiten in der Fabrik. Die Maschinen starteten pünktlich um 05:00 und stellten um 19:30 ab. Bei jeder Jahreszeit, bei jedem Wetter, für Alt oder Jung. Die Leute mussten in ihrem Arbeitsrhythmus umgewöhnt werden! Jeden Tag die gleichen Arbeitszeiten und das ganze Jahr dieselbe Arbeit. Die Glocke der Kapelle kam aufs Fabrikdach. Sie rief die Menschen nicht mehr zum Gottesdienst, sondern zur Arbeit. Diese folgten dem Ruf vom Fabrikdach herunter. Die Industrialisierung veränderte nicht nur ihren gewohnten Tagesablauf, sie prägte in tiefgreifendem Masse

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Schloss Spiegelberg. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. Anmerkung: «nach einer Chronik». BmKat. Nr. 37. Ortsmuseum Wängi. Auf dem Burghügel das Schloss, dann der Halsgraben und die kleine Kapelle mit dem Dachreiter samt Glocke. Anschliessend Ökonomiegebäude. Als Vorlage diente Berkmüller ein Kupferstich von David Herrliberger aus dem Jahre1754. S. 96.

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ihr Verhältnis zur Arbeit. Später wurde die Glocke durch die Fabriksirene ersetzt. 13 Ob sich Berkmüller mit diesen Zusammenhängen befasst hat und ihm die Herkunft der Glocke bekannt war, wissen wir nicht. Er hat das Glockentürmchen getreu der Vorlage festgehalten. Später taucht dasselbe Glockentürmchen auf dem Dach der Spinnerei auf. Nach dem Fabrikbrand von 1911 wurde die Glocke in einem Magazin eingelagert und befindet sich heute im Besitz des Ortsmuseums Wängi. 14 Bei der Suche nach Arbeitskräften kam es, nach heutigem Empfinden, auch da und dort zu Missbräuchen wie etwa der Kinderarbeit. Kinder, welche im ausgehenden 18. Jahrhundert zu Hause bei der Heimarbeit im eigenen Webkeller als Ansetzer

und Aufstecker 15 sowie beim Einsammeln der Baumwollfusseln unter den Webstühlen mitgeholfen hatten, wurden zusammen mit deren Eltern in die Fabrik übernommen. Sie waren kleiner und kamen unter den Maschinen eher zurecht als Erwachsene. Kam dazu, dass Kinder und Frauen sich bei der manuellen Feinarbeit wie zum Beispiel dem Einziehen der Fäden in die feinen Litzen geschickter erwiesen als die Männer mit ihren groben Bauernhänden. Die Kinderarbeit innerhalb der eigenen Familie galt bislang als allgemein üblich und zunächst stiess sich auch kaum jemand daran. Erst mit der Industrialisierung geriet dieses traditionelle Erwerbsgefüge, wo jedes Mitglied der Familie seinen Beitrag zu leisten hatte, aus den Fugen.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Spinnerei und Weberei Wängi vom Schlossberg aus gesehen. Ausschnitt. Bleistift. Ganze Zeichnung 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 21. Ortsmuseum Wängi. Die Zeichnung ist auf 1848 oder kurz davor zu datieren. Das Glockentürmchen auf dem Dach der Spinnerei Wängi ist deutlich zu erkennen.


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Verstösse gegen die Disziplin am Arbeitsplatz wurden teilweise noch bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein mit Körperstrafen geahndet. Wie viele Arbeitskräfte zu Berkmüllers Zeiten aus dem Ausland nach Wängi zu­ zogen, ist nicht bekannt. Eine entsprechende Liste existiert erst ab ca. 1832. Berkmüller war also 1823 ein Zuwanderer der ersten Stunde. Wir finden im Verlaufe seines Lebens verlässliche Hinweise einer erfolgreichen Integration, doch davon später mehr. Auch die zu jener Zeit nicht seltenen Auseinandersetzungen zwischen der Fabrikherrschaft und den Angestellten über Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen müssen Berkmüller beschäftigt haben. Die Folgen all dieser Auseinandersetzungen finden ja letzt-

lich auch in der Buchhaltung ihren Niederschlag. Und dafür war er zuständig. Die offen laufenden Transmissions­ anlagen stellten für die Arbeiter an den Webstühlen eine ständige Verletzungsgefahr mit zum Teil fürchterlichen Folgen dar. Fabrikrechtliche Regelungen zur Sicherheit der Arbeitsplätze sowie Kranken- und Unfallversicherungen wurden im 19. Jahrhundert erst mit der Zeit politisch erstritten und in Kraft gesetzt. Die thurgauische Fabrikkommission hält denn auch fest: «Es kommt vor, dass selbst sehr augenfällige, gefährliche Stellen nicht genügend geschützt sind ( … ) so dass also vielfach die Möglichkeit vorliegt, dass Kleider oder Körpertheile von den Maschinen ergriffen werden.» 16

Websaal mit Transmissionsantrieb. Die Rotation der Turbine draussen am Farbrikkanal wurde auf Wellen an der Saaldecke übertragen und von dort mit offen laufenden Riemen an die Webmaschinen weitergeleitet. Ort und Datum unbekannt. Reproduktion. Fotosammlung Ortsmuseum Wängi.

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Im Ortsmuseum befindet sich ein Verzeichnis der Arbeiterinnen und Arbeiter der Spinnerei und Weberei Wängi aus der Zeit zwischen 1832 und 1911. Ein Alphons Berkmüller kommt darin nicht vor. Möglich ist, dass Kadermitarbeiter in einer separaten Liste aufgeführt wurden. Trotzdem lohnt sich ein Blick in dieses Dokument. Neben Namen, Wohnort, Geburtsdatum und Funktion sind jeweils die Termine des Ein- und des Austritts und in der letzten Spalte der Grund für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses vermerkt. Gerade letztere vermitteln ein eindrückliches Bild der damaligen Arbeits- und Anstellungsverhältnisse. «Prahlerischen Kerlen», «Blauenmachern» sowie «Betrunkenen» und «Süffeln» wurde ebenso gekündigt wie «Eigenartigen Naturen». 17 Auch «Rebellisches Benehmen gegen den Aufseher» oder «Grobheiten

gegen Mitarbeiter» werden als Kündigungsgründe erwähnt. Gleich dutzendweise findet sich der Vermerk «Durchgebrannt»; einmal sogar «Durchgebrannt. Frau und Kind im Stich lassend». Die Arbeitsverhältnisse scheinen mindestens zeitweise auffallend angespannt gewesen zu sein. Einige Einträge betreffend Entlassung «wegen Krankheit», wegen «Läusen» oder «wegen Schulden» weisen auf die damals noch mangelhafte soziale Absicherung der Arbeitnehmer hin. Auch ein Vermerk «War schon längere Zeit als unwohl zu Hause» findet sich in dieser frühen Personaldatei. 1884 hat ein Arbeiter nach seinem Austritt «beim Hinausgehen sein Zeugnis zerrissen auf den Pult gelegt». Bei einem Carderie-Arbeiter 18 aus dem Deutschen steht der Hinweis «Soll nie mehr angestellt werden». Eine Ansetzerin und ein Spinner,

Ausschnitt aus dem Verzeichnis der Arbeiter in der Weberei Stierlin & Co. Fabrik in Wängi ca. 1832 bis 1911. Inv.Nr. G 358. Ortsmuseum Wängi.


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beide aus Quarten am Walensee, «lebten im Concubinat und wurden durch die Polizei ausgewiesen». 1887 hat ein Arbeiter ans Statthalteramt geschrieben, dass an Samstagen die Arbeitszeit nicht richtig eingehalten werde. «Es war aber unrichtig». Der Landjäger hat den Mann dann gleich am Arbeitsort «abgefasst». 19 Wer im Archiv der Bürgergemeinde Wängi nach Spuren der Familie Berkmüller sucht, stösst in der Sammlung der «Ausgegebenen Heimatscheine» 20 aus dem Jahre 1853 auf folgenden Eintrag: Am 9. Septem-

Ausschnitt mit Begründungen zur Aufhebung der Arbeitsverhältnisse aus dem Verzeichnis der Arbeiter in der Weberei Stierlin & Co. Fabrik in Wängi ca. 1832 bis 1911. Inv.Nr. G 358. Ortsmuseum Wängi.

ber stellt die Bürgergemeinde der ledigen Katharina Stutz von Waier, einen Heimatschein aus. Einen Tag später, am 10. September folgt ein weiterer Heimatschein für «das Kind von Obiger, namens Anna Stutz». Das Kind ist zu diesem Zeitpunkt 22 Wochen alt. Zweck der Ausstellung der amtlichen Dokumente: «Auswanderung nach Amerika». Dass die ledige Mutter denselben Namen trägt wie Berkmüllers Frau Katharina zu ihren ledigen Zeiten ist ein Zufall. Das Schicksal aber berührt. Wir kennen die Gründe der Auswanderung mit einem 22 Wochen alten Kind nicht. Auf alle Fälle sah Katharina Stutz im kleinen Wängi keine Zukunft mehr für sich als ledige Mutter mit ihrer kleinen Tochter. Der Aufbruch – oder die Flucht – in die Ungewissheit erschien ihr als der bessere Weg. Ob seitens der obrigkeitlichen Armenbehörde oder seitens des kirchlichen Sittengerichts Druck auf die junge Mutter ausgeübt wurde, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Denkbar wäre es. 21 Solche Geschichten haben damals in Wängi mit seinen paar Hundert Einwohnern mit Sicherheit die Runde gemacht. Man hat sich gekannt. 22 Dieses Einzelschicksal im Zusammenhang mit den bereits erwähnten zahlreichen Arbeiterschicksalen in der Textilindustrie hat die Leute beschäftigt. Wohl nicht zufällig sind in der Hinterlassenschaft der Familie Berkmüller denn auch Ausschnitte aus einem Buch eines Amerikaauswanderers zum Vorschein gekommen. 23 Davon wird an anderer Stelle eingehender berichtet. Ob zu den Aufgaben des Buchhalters Berkmüller in der Weberei auch die Führung

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des Arbeiterverzeichnisses gehört hat, wissen wir nicht. Gewusst hat er von den zahlreichen Arbeitskonflikten und den tragischen Einzelschicksalen aber mit Bestimmtheit. Jede Auflösung eines Arbeitsverhältnisses hinterlässt ihre Spuren in der Buchhaltung. Wie er damit umgegangen ist, wissen wir nicht. Weder in seinen Zeichnungen noch in den Gedichten seiner Frau finden sich auch nur die kleinsten Hinweise. Solche Sozialprobleme, geschaffen durch die aufkommende Fabrikarbeit, waren weit über Wängi hinaus ein allgemein zu beobachtendes Phänomen. Schlechte Ernährung, Zerrüttung der Familien, Alkoholismus und ganz allgemein die «liederliche Lebensweise der Arbeiterschaft». 24 Auch das 1803 geschaffene Schulgesetz geriet mit der Industrialisierung in Konflikt. Zwar sah das Gesetz einen allgemeinen Schulbesuch für alle Kinder vor. Gleichzeitig gingen diese vom siebenten Altersjahr an in die Fabrik. Laut Inspektoratsberichten schwänzten die Kinder den Schulbesuch massiv, um an den Spinnmaschinen arbeiten und ein paar Kreuzer zum Familienunterhalt beisteuern zu können. 25 Aufschlussreich für das Verständnis von Berkmüllers beruflichem Umfeld ist auch ein Blick in den Bericht der Kommission über das Thurgauer Fabrikwesen. 26 Mitverfasser des Berichts ist der Wängemer Dorfarzt Hermann Walder. Zwar datiert der Bericht erst aus dem Jahre 1869 und Berkmüller ist da bereits 67 Jahre alt. Vielleicht hat er aber die Besuche der Fabrikinspektoren oder des Amtsarztes noch erlebt. Kommt dazu, dass Berkmüllers und Walders an der Dorfstrasse in Wängi Nachbarn waren. Viel-

leicht wurde beim Gespräch über den Gartenzaun manchmal darüber gesprochen. Auf alle Fälle gelten die im Bericht geschilderten Umstände durchaus für ein paar Jahrzehnte vor 1869. In Bezug auf die Baumwollspinnerei Wängi heisst es unter anderem: «Von den 35 Kindern, Winteralltagsschüler und Repetirschüler, welche zum Ansetzen und Aufstecken verwendet werden, arbeiten nur wenige zeitweise neben der Schule. 3/4 bis 4/5 zeigen gutes Aussehen und genügende Ernährung, die übrigen sind blass und kränklich, wobei die Familienarmuth und das Arbeiten neben der Schule unverkennbar Einfluss ausübt.» 27 Und zur Weberei lautet der Bericht: «Von den 3 männlichen und 68 weiblichen (Zettlerinnen und Spulerinnen inbegriffen) Arbeitern sind 10 kränklich, theils ärmeren Familien angehörig, theils bleichsüchtige Mädchen. Die Schlichter blass und kränklich.» Die kantonale Kommission zieht ein klares und unmissverständliches Fazit: «Es ist richtig, dass man unter denselben eine viel geringere Anzahl robuster, kräftiger Persönlichkeiten trifft, als unter einer gleich grossen Zahl Landarbeiter. Anaemie (Blutschwäche) mit ihren Folgen ist unter ersteren häufiger.» 28 Viel näher an den konkreten Einzelschicksalen war aber in seinem seelsorgerischen Alltag das katholische Pfarramt


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Wängi. Es beschreibt in seinem Bericht die Situation denn auch drastischer: «Die ausschliessliche Fabrikbeschäftigung ist für die physische wie geistige Entwicklung der Generationen von bedeutendem Nachtheile, zumal bei der bisher üblichen Arbeitszeit von 13 bis 13½ Stunden per Tag. Diese Zeit ist für Erwachsene, geschweige denn für 12- und 13-jährige Kinder zu lang. (...) Beinahe alle sind darin einig, dass 12 Stunden Arbeit per Tag überaus genug sei.» «Nachtarbeiten sind für die Arbeiter nicht bloss von physischem, sondern besonders auch von ökonomischem Nachtheil. Darum ist es auch nur billig, dass die Nachtarbeit (...) mit doppeltem Ansatze des Taglohnes bezahlt werden soll. Dass hierüber sich das Gesetz bestimmt aussprechen müsste, versteht sich von selbst.» «Kinder, die neben der Schulzeit von Morgens 5 oder ½ 6 Uhr bis 7 oder ¼ 8 Uhr und dann Abends von 4 oder ½ 5 Uhr an bis ½ 8 Uhr in den Fabriken arbeiten müssen, sind körperlich und geistig abgemattet und betrachten die Schule als Ruheort; sie können auch keinerlei Hausaufgaben lösen, bleiben zurück, nehmen den Lehrer mehr in Anspruch und sind Hemmungen für die andern Kinder. Sie kommen dann auch mit ihren Fabrikkleidern in die Schule und verderben die Atmosphäre.» 29

Der Amtsarzt Hermann Walder vermerkt in seinen Erinnerungen an Wängi, dass zwar «gegenüber der früheren Keller-Weberei, die infolge schlechter Beschaffenheit der Luft, namentlich wegen zu geringem O-Gehalt (Sauerstoff) durch die jahraus jahrein mangelnde Besonnung doch häufig zu Anämie (Blutarmut) und Tuberkulose führte, die Verhältnisse (in den neuen Fabriken) doch bedeutend besser waren.» 30 1877 trat dann das erste Eidgenössische Fabrikgesetz in Kraft. Es untersagte die Fabrikarbeit für Kinder unter 14 Jahren vollständig. Zudem wurde die tägliche Arbeitszeit auf elf Stunden beschränkt. 31 In diesem Umfeld also lebte und bewegte sich Alphons Berkmüller. Seine Lebenszeit fiel zusammen mit der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts. Er hat in einer Welt tiefgreifender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umbrüche gelebt. Als verantwortlicher Buchhalter der Spinnerei und späteren Weberei Wängi war er – wenn auch als Kaderangestellter vielleicht nicht persönlich betroffen – so doch über all diese Zustände bestens informiert. Es fällt schwer zu glauben, dass er sich darüber nicht seine Gedanken gemacht hat. Er musste zur Kenntnis nehmen, dass seine Zeit für viele Menschen keine Blütezeit war. Vielmehr war das 19. Jahrhundert ein Jahrhundert der grossen Widersprüche: Aufbruchsstimmung und hohe Erwartungen auf der einen und grenzenlose Enttäuschungen und ein bislang unvorstellbares Elend auf der andern Seite. Auch auf dem Lande herrschten Armut, Ausbeutung, Kinderarbeit, Alkoholismus sowie soziale und politische Ungleichheit. 1847 musste der

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Staat eingreifen. Er liess «36 öffentliche Suppenküchen im Kanton errichten und 1849 unterstützte er den Lebensmittelkauf.» 32 Es waren Not und Verzweiflung und nicht einfach Abenteuerlust, welche die Leute massenhaft in die Auswanderung trieben; – auch aus dem Murgtal. Wahrlich keine Zeit zur historischen Verklärung und zur da und dort vertretenen Auffassung, früher sei alles noch in Ordnung und besser gewesen!

Es erstaunt schon, dass Berkmüllers künstlerisches Schaffen von all dem unberührt geblieben ist. Im Folgenden wollen wir mehr über sein Leben erfahren. Auch wenn die Quellen ausgesprochen spärlich sind.

Zur Person Auf dieser einzig erhalten gebliebenen Fotografie sehen wir Alphons Berkmüller in

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Alphons Berkmüller. Fotografie. 8.0 x 10.4 cm. Um 1870. BmKat. Nr. 01a. Ortsmuseum Wängi. Aufgenommen ver­mutlich in seiner Wohnstube im Berkmüller Haus an der Dorfstrasse. Einzige überlieferte Aufnahme von Berkmüller.


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bereits fortgeschrittenem Alter. Er trägt eine Art Kosakenmütze und ein hochgeschlossenes Wams aus Wollstoff. Ein weisshaariger Kranzbart umrahmt sein Gesicht und verleiht diesem eine bestimmte Würde und Gefasstheit. Die Hände liegen in seinem Schoss. Nichts deutet auf irgendwelche Betätigung hin. Ruhig und gefasst, mit leicht zusammengekniffenen Augen und geschlossenen Lippen blickt er uns durch seine randlose Brille entgegen. Körperhaltung und Gesichtsausdruck wirken etwas müde. Von der Wohnung ist auf der Aufnahme wenig zu erkennen. Berkmüller sitzt auf dem Sofa neben dem Kachelofen in seiner getäferten Wohnstube. Mehrere gehäkelte Decken schützen den Plüschstoff der Rücken- und Seitenlehnen. An der Wand über ihm hängt ein schräg montierter Spiegel in einem schweren Goldrahmen. Von Otto Bischof existiert in den Thurgauer Jahrblättern 1941 ein Beitrag «Johann Alphons Berkmüller – Geboren am 6. Mai 1802, gestorben am 24. November 1879». Auf dreieinhalb Seiten beschreibt er Zeichnungen von Berkmüller. Angaben zu dessen Leben finden sich lediglich in ein paar wenigen Zeilen ohne Quellenangaben. Vom selben Autor stammt ein etwas ausführlicherer Artikel im «Anzeiger von Wängi und Umgebung» im Rahmen der Themenreihe «Gang lueg d’Heimat a!» ebenfalls aus dem Jahre 1941. 33 Wir folgen hier seinen Ausführungen auszugsweise: «Einer der wenigen, dem die Reize unserer Gegend voll zum Bewusstsein kamen, war Johann Alfons Berkmüller. Er stammte aus dem Bayrischen, wo er am 6. Mai 1802 geboren wurde. Als Jüngling kam er 1823

nach Wängi.» Im selben Jahr erwarb Georg Michael 34 Stierlin-Joos zusammen mit J.C. Bachmann aus Schönenberg-Anetswil in Wängi eine ehemalige Mühle und Reibe mit den damit verbundenen Wasserrechten und gründete die «Mechanische Spinnerei in Wengi». Es ist anzunehmen, dass die Anstellung als erster Buchhalter der neu gegründeten Firma der Grund für Berkmüllers Zuzug aus dem Bayrischen und seiner Wohnsitznahme in Wängi war. Stierlin-Joos stammte aus Schaffhausen. In seiner Funktion als dortiger Regierungsrat pflegte er mit Sicherheit auch Beziehungen zur Badischen und Bayrischen Nachbarschaft. Ob er jenseits der Grenze nach Arbeitskräften suchte und dabei auf Berkmüller stiess, ist zwar denkbar, aber nicht belegt, wie überhaupt rund um dessen Herkunft noch manches im Ungewissen liegt. Ausgangspunkt für die Nachforschungen nach der Herkunft von Johann Alphons Berkmüller bildeten zunächst zwei Vermutungen Hermann Walders in seinen Erinnerungen an Wängi. Dort schreibt er, dass Berkmüller «aus dem Bayrischen jedenfalls ursprünglich katholischer Konfession war, aber zu den Reformierten hielt» 35 und an anderer Stelle insinuiert er einen möglichen Zusammenhang zwischen Berkmüller und einem berühmten Augsburger Barockmaler: «Herr Berkmüller soll aus der Familie des Augsburger Malers Joh. Georg Bergmüller (1688 – 1762) gestammt haben, von dem ein Altarblatt (Mariae Tod) im Konstanzer Münster von 1710 stammt.» 36 Woher Walder diese Information hat, wissen wir nicht. Als dritter Ausgangspunkt dient uns der Eintrag im Haushaltregister der Evange-

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lischen Kirchgemeinde Wängi, wo die Herkunft von Berkmüllers Eltern mit «Kaufbeuren» angegeben ist. Somit fokussierte unsere Spurensuche zunächst auf Katholisch Kaufbeuren und Augsburg. Schon ein erster Blick in die Kirchenarchive des Bistums Augsburg zeigte, dass der Name «Berkmüller» im Grossraum Augsburg/Kaufbeuren im 18. und 19. Jahrhundert nicht nur häufig, sondern auch in verschiedenen Schreibweisen von «Berckmüller» über «Bergmüller» bis «Bergmiller» auftaucht. Da die Eltern von Berkmüller nachweislich 1792 geheiratet hatten und

Alphons 1802 geboren wurde, erfolgte die zeitliche Eingrenzung der Recherche vorerst auf die Jahre 1780 bis 1810. Sämtliche Kirchendokumente des Bistums Augsburg sind heute in Augsburg zusammengefasst. Auch das Kaufbeurer Hochzeitsregister für die Jahre 1784 bis 1802 befindet sich dort. Die eingetragenen Berkmüller sind so zahlreich, dass dem zuständigen Beamten der Platz knapp wurde und er improvisieren musste. Kurzerhand schob er den letzten Eintrag über den ersten, weil er da noch etwas Platz fand. Dass dadurch die Abfolge der Registernummern durcheinan-

Ausschnitt aus der auf königliche Anordnung erstellten Übersichts- und Verwaltungskarte des «Königreichs Baiern» aus dem Jahre 1808. Hervorgehoben sind Augsburg als Wohnsitz der Künstlerdynastie Bergmüller sowie Kaufbeuren als Geburts- und Wohnort von Johann Alphons Berkmüller. Das Strassen- und Wegnetz erlaubt es einem 21-jährigen jungen Manne wohl, vom bayrischen Kaufbeuren ins thurgauische Wängi auszuwandern. Massstab 1 : 870 000. Steindruck. 45 x 68 cm. Reproduktion im Ortsmuseum Wängi.

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Archiv Bistum Augsburg. Pfarrei Kaufbeuren. Pfarreimatrikeln. Hochzeit. 13-H-R 1784 – 1802 | 0028. Sieben Einträge «Berkmüller» im Register Hochzeit Kaufbeuren. Registernummer Berkmüller M.(aria) Franziska 183 Berkmüller Jos.(ef) Aloys 147 " do 157 " Caspar 167 " M(aria). Anna Franz.(iska) 175 " David Aloys 170 " Christian 177

dergerieten, muss ihn vermutlich gewurmt haben. Ein Zusammenhang zwischen den eingetragenen Namen und unserer Familie Berkmüller lässt sich aber nirgends erkennen.

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In einem zweiten Anlauf nehmen wir uns die konkreten Einträge in den Heiratsbüchern der Stadt Augsburg vor. Auch da stossen wir immer wieder auf den Namen Berkmüller. So etwa am 24. July 1797, als

Archiv Bistum Augsburg. Pfarrei Kaufbeuren. Pfarreimatrikeln. Hochzeit. 7-H 1784 – 1835 S. 57. 0247. Eintrag Berkmüller am 24. July.


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Josef Aloys Berckmiller und Anna Maria Höhrin sich vermählten. Als Trauzeuge trat Eugen Berckmiller auf, wahrscheinlich der Bruder des Bräutigams. Noch ein zweites ähnliches Beispiel: Am 20. May 1799 heirateten Leopold Stanislaus Berkmiller und Joanna Crescentia Schuhlerin (weibliche Schreibform von Schuhler). Trauzeugen waren Aloys und Eugenia Berkmiller. Die Suche nach der Familie Berkmüller in Katholisch Kaufbeuren verläuft ergebnislos. Der Name ist zwar, wenn auch in verschiedenen Varianten, verbreitet. Aber weder der Vater Johann Christoph noch der Sohn Johann Alphons sind irgendwo auffindbar. Bei den unterschiedlichen Schreibweisen wollen wir uns ebenfalls nicht länger aufhalten. Auch in der noch spärlich vorhandenen

Korrespondenz aus der Wängemer Zeit wurde «Berkmüller» nicht selten als «Bergmüller» 37 adressiert. Die Vermutung Walders, dass Berkmüller «jedenfalls katholisch» gewesen sei, trifft nicht zu. Eigentlich erstaunt dies, waren die beiden in Wängi doch jahrelang Nachbarn. Nun bleibt noch die Bemerkung Walders, Berkmüller stamme ursprünglich aus der Augsburger Künstlerfamilie Bergmüller. Eine solche Vermutung ist selbstverständlich verlockend. Unser Johann Alphons Berkmüller würde auf einen Schlag in einem reputierten Umfeld, zusammen mit verwandten Berühmtheiten auftauchen. Im «Allgemeinen Lexikon der bildenden Künstler» von Ulrich Thieme und Felix Becker aus dem Jahre 1909 erscheint in der Tat in Augsburg ein Johann Georg Bergmüller

Archiv Bistum Augsburg. Pfarrei Kaufbeuren. Pfarreimatrikeln. Hochzeit. 7-H 1784 – 1802. S 63. 0250. Eintrag Berkmüller am 20. May.


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(1688 – 1762). «Im Jahre 1732 vollendete er die 17 grossen Deckengemälde in der ka­ thol. Kreuzkirche mit Darstellungen aus der Leidensgeschichte Christi und weiter malte er in der Karmeliter-, Katharinen- , Barfüsser- und Annakirche in Augsburg. Auch auswärts wurde seine Kunst verlangt. (...) Gut erhalten sind seine Fresken am Ständehaus in Stuttgart.» 38 Ab 1740 war Bergmüller zudem fürstbischöflicher Hofmaler. Ihm folgte einer seiner Söhne, Johann Baptist Bergmüller (1724 – 1785). Auch er war zunächst vielbeschäftigter Maler, Kupferstecher, Graphiker und später Kunsthändler und Verleger. Allfällige Nachkommen dieses Sohnes liessen sich nicht auffinden. Eine verwandtschaftliche Spur von Johann Georg Bergmüller aus Augsburg zu Johann Alphons Berkmüller aus Kaufbeuren wird immer unwahrscheinlicher, und wir nehmen unsere Suche nunmehr im Evangelischen Kirchenarchiv Kaufbeuren nochmals neu auf. Und tatsächlich: dort kommen wir

der Sache schon bald einen Schritt näher. In den dortigen Kirchenbüchern finden wir nämlich nicht nur den Vater Johann Christoph Berkmüller. Dessen Stammbaum lässt sich sogar über mehrere Generationen bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen: Aus der Tafel geht hervor, dass die Kaufbeurer Vorfahren unseres Johann Alphons Berkmüller zeitgleich zur Augsburger Künstlerfamilie der Bergmüller vorweisbar sind. Die beiden Familien haben gleichzeitig gelebt, die eine in Augsburg und die andere in Kaufbeuren. Eine Verbindung ist nicht ersichtlich. Die Ähnlichkeit der Namen hat keine Bedeutung. Die Hoffnung, Johann Alphons Berkmüller könnte aus einer berühmten Künstlerfamilie stammen, löst sich in Luft auf. Eine weitere Unsicherheit in der Biographie Berkmüllers hat sich geklärt. Doch die Befriedigung währt nicht lange, wie ein Blick auf die Stammtafel der Familie rasch zeigt.

Ahnentafel Johann Berkmüller. Evang. Kirchen­archiv Kaufbeuren. Reproduktion mit Bewilligung.

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Stammtafel Johann Berkmüller. Evang. Kirchenarchiv Kaufbeuren. Repro­duktion mit Bewilligung. 32

Aus der Ehe zwischen dem Vater Johann Christoph Berkmüller und der Mutter Juliana Augustina Saxer gingen nachweislich vier Kinder hervor: Catharina Wilhelmina * 1793, Johann Christoph * 1794, Karl Eduard * 1796 † 1796 und Gustav Adolph * 1798 † 1867. Während Karl Eduard nicht überlebte, wurde Gustav Adolph 69 Jahre alt und starb rund 10 Jahre vor unserem Johann Alphons. Sie hätten sich kennen und brüderlichen Kontakt halten können. Allerdings: Johann Alphons * 1802 † 1879 fehlt im Stammbaum der Familie. Er wäre vier Jahre nach seinem Bruder Gustav Adolph zur Welt gekommen. Warum taucht er im Kaufbeurer Kirchenarchiv nicht auf? Hat die Familie Kaufbeuren bereits vor seiner Geburt verlassen? Wohin sind sie gezo-

gen? Finden sich anderswo noch Spuren? Warum ist dann aber das Todesdatum des Bruders noch im Kaufbeurer Archiv eingetragen? Die Lücken in Berkmüllers Lebenslauf haben sich nicht wie erhofft schliessen lassen. Kurz vor seinem Geburtsdatum verliert sich die Spur der Familie in Kaufbeuren. Erst im Haushaltregister der Evangelischen Kirchgemeinde Wängi aus dem Jahre 1753 werden wir auf Seite 47f wieder fündig. Dort ist Johann Alphons als von Kaufbeuren stammend aufgeführt. Genaueres zum Verbleib in der Zeit dazwischen ist nicht zu erfahren. Die Fragen, wann, auf welchem Weg und warum Alphons Berkmüller in Wängi auftaucht, harren weiterhin der Klärung.

Haushaltregister der Evangelischen Kirchgemeinde Wängi ab dem Jahre 1753. Auszug. Bd. 4. ab 1835. S. 47f. Reproduktion mit Genehmigung.


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Wir hätten über Berkmüllers Herkunft gerne Genaueres erfahren. Immerhin hat unsere Spurensuche in den bayrischen Archiven ergeben, dass Berkmüllers Geburtsdatum mit dem 6. Mai 1802 stimmt und er in einer evangelischen Familie aufgewachsen ist. Auch seine Heirat mit Katharina Stutz am 4. Oktober 1836 ist belegt. Offen geblieben ist indessen der genaue Geburtsort. In Kaufbeuren verliert sich die Spur seiner Familie kurz vor seiner Geburt. Sein Verbleib bis zu seinem Stellenantritt als Buchhalter in der Spinnerei Wängi bleibt im Ungewissen. Zwar zeichnet Wyler in der Wirtschaftsgeschichte des Kantons Thurgau in einem Aufsatz zum Thema Handel die wirtschaftlichen Beziehungen im Zusammenhang mit der Herstellung und Verarbeitung von Leinwand zwischen dem süddeutschen und dem thurgauischen Bodenseeraum in Einzelheiten nach. Er verweist auch auf den Handel mit Wein und Korn. Eine Zuwanderung bayrischer Arbeitskräfte auf die andere Seite des Bodensees erscheint durchaus denkbar, konkrete Hinweise auf Berkmüller sind indessen nicht auszumachen. 39 Im Zusammenhang mit der Frage, wer die Spinnerei und spätere Weberei geführt hat und somit Berkmüllers Arbeitgeber war, können wir uns ein paar Jahreszahlen nicht ersparen. Wie bereits erwähnt gründete Georg Michael Stierlin-Joos (1776 – 1856) im Jahre 1823 die «Mechanische Spinnerei in Wengi» und erweiterte diese 1837 zur «Weberei Wängi». Er starb 1856. Sein Sohn Jakob August Stierlin (1818 – 1898) war beim Hinschied des Vaters 38 Jahre alt. Wir nehmen an, dass er spätestens zu diesem Zeitpunkt die Firma übernahm. Wann dessen

Sohn Georg Jakob Stierlin (1845 – 1912) seinem Vater in der Leitung der Weberei nachfolgte, wissen wir nicht. Im Jahre 1879, als Berkmüller starb, war Georg Jakob Stierlin 34 Jahre alt. Angenommen, Berkmüller schied 1868 mit 65 Jahren aus dem Berufsleben aus, wäre Georg Jakob zu diesem Zeitpunkt erst 23 Jahre alt und wohl noch nicht mit der Leitung der Firma betraut gewesen. Auch wäre sein Vater Jakob August Stierlin damals im Alter von 70 Jahren vermutlich in der Lage gewesen, die Firma noch ein paar Jahre zu führen. Wann genau hat wohl Georg Jakob August den Direktionssessel eingenommen? Die Frage ist deshalb von besonderem Interesse, weil Berkmüller eben diesem Georg Jakob August Stierlin zwei Alben mit insgesamt fast 50 Zeichnungen widmet und in der Widmung des einen schreibt: «Zum freundlichen Andenken für Herrn August Georg Stierlin. Gewidmet aus Achtung & Dankbarkeit von der Familie Berkmüller». Hat erstens Georg Jakob August Stierlin die Firma wirklich mit 23 Jahren übernommen und zweitens Berkmüller mit 65 Jahren noch weitergearbeitet, so dass sich die beiden kannten? Oder haben sich der junge Stierlin und der alte Berkmüller als Nachbarn gekannt? Immerhin wohnte die Familie Stierlin im Weierhaus an der Dorfstrasse schräg gegenüber der Familie Berkmüller. Man begegnete sich wohl täglich. Wofür war nun die Familie Berkmüller so dankbar, dass sie der Familie Stierlin zwei Alben schenkt? Oder hat Georg August Stierlin diese Alben bei seinem Buchhalter Berkmüller in Auftrag gegeben? Womöglich nach dessen Pensionierung? Berkmüller ist immerhin 77

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Erste Seite des Schreibens des Bayrischen Königreichs aus dem Jahre 1835 betreffend Entlassung aus dem bayrischen Bürgerrecht. Auszug. Staatsarchiv des Kantons Thurgau. Inv.Nr. 2’30’26-A, 293/3. Reproduktion mit Genehmigung.

Erste Seite des Gesuchs Berkmüllers aus dem Jahre 1835 an den Regierungsrat des Kantons Thurgau um Erteilung des Schweizer Bürgerrechts. Auszug. Staatsarchiv des Kantons Thurgau. Inv.Nr. 2’30’26-A, 293/3. Reproduktion mit Genehmigung.

Jahre alt geworden. Zeit hätte er also gehabt. Fragen über Fragen! Einstweilen müssen die meisten offen bleiben. Immerhin liegen im Thurgauer Staatsarchiv noch Hinweise auf Berkmüllers Einbürgerung im Jahre 1835. Zunächst ist da ein Schreiben des Königs von Bayern betreffs der Entlassung Berkmüllers aus dem bayrischen Bürgerrecht. Darin geht es im Wesentlichen darum, dass Berkmüller rechtlich verbindliche Unterlagen einzureichen habe, womit er eine anderweitige Staats-

bürgerschaft belegen kann. «Seine Majestät der König» will wohl sichergehen, dass sein «Unterthan» Berkmüller nicht anderweitig berufstätig ist und dort Steuern bezahlt und dann als bayrischer Staatsbürger im Alter in Bayern Rentenansprüche erhebt. In seinem Gesuch um Einbürgerung an den Kleinen Rat des Kantons Thurgau betont Berkmüller zunächst seine mehr als 10jährige Anwesenheit und gute Integration hierzulande. Dann kommt er auf sein bereits einmal eingereichtes Gesuch zu sprechen,


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An den Kleinen Rath des Kantons Thurgau Herr President! Herren Regierungs-Räthe! Seit mehr als 10 Jahren, während welchen ich mich / der ehrerbietig Unterzogene, in hiesigem Kanton / befinde, habe ich mich mit den Sitten und Gebräuchen / desselben so befreundet, dass ich längst den Wunsch / nährte, wo möglich immer in diesem glüklichen Lande / bleiben, und ein Bürger desselben werden zu können. - / Um diesen Zwecke zu erreichen, entschloss ich mich / mich förmlich in der Gemeinde Wengi anzusiedeln, / und bemühte mich sofort alle die Verpflichtungen / zu erfüllen, die die Geseze zur Erhaltung, der / Naturalisation vorschreiben. Zu dem Ende kam ich unterm 27. December v. J. (vorigen Jahres) / um die hohheitliche Niederlassungs-Bewilligung, bey / Ihrer hohen Behörde ein, welche mir auch sofort gegen / die gewöhnliche Taxe gütigst ertheilt wurde, und / sowohl diese Urkunde, als auch auf mein damaliges / Begehren bezüglichen Ausweisungs Schriften werden / sich in der Staatskanzlei aufbewahrt finden. – / Einzig wurde mir damals von Ihrer hohen Behörde / der vom Stadtmagistrat in Kaufbeuren ausgefertigte / Heimathschein aus dem Grunde retourniert: weil / demselben die Vidimierung (Beglaubigung) des Ministeriums / abgehe. Ich ermangelte nicht denselben zu dem / Behuf sogleich an den Stadtmagistrat in Kaufbeuren / zu senden erhielt aber statt der wirklichen Urkunde / zu meinem Befremden das beifolgende königliche / Rescript (sub. La A.) aus welchem Sie, Herr / President! Herren RegierungsRäthe! ersehen / werden, dass ich deswegen, weil seiner Zeit der / Stadtmagistrat von Kaufbeuren bei Ausstellung / des Heimathscheines diese Formalität ausser Acht / liess, nun auf unschuldige Weise um dieses / Dokument kam, und bei den vielen Schwierigkeiten, / denen man besonders jetzt in Baiern ausgesezt ist / schwerlich mehr erhalten könnte. /… Abschrift der ersten Seite von Berkmüllers Gesuch

welches auf Grund eines verwaltungsrechtlichen Formfehlers zunächst ins Stocken geriet. Der Einbürgerungsentscheid der Gemeinde Wängi, welcher dem kantonalen Gesuch vorausgegangen ist, ist nicht mehr auffindbar. Berkmüller erwähnt in seinem Gesuch, dass die Gemeindebehörde ihn am 2. Januar 1835 «auf schmeichelhafte Weise als Bürger aufnahm» und er versichert, er werde sich dafür «auf alle mögliche Weise nützlich erzeigen».

Seinem Gesuch an den Regierungsrat legte er eine Bürgschaft der «Direktion der mech. Baumwollspinnerey» bei. Darin verpflichtet sich Berkmüllers Arbeitgeber, die anfallenden Gebühren der «Naturalisation» sowie «allenfalls weiter notwendige «Cautions-Leistungen sofort an die Kantons Cassa zu entrichten.» Schliesslich ging alles gut und der Bayer Johann Alphons Berkmüller wurde Schweizer und Bürger von Wängi im Kanton Thurgau.

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Bürgschaft des Fabrik(mit-)besitzers Bachmann, für allfällige Verfahrenskosten aufzukommen. Staatsarchiv des Kantons Thurgau. Inv.Nr. 2’30’26-A, 293/3. Reproduktion mit Genehmigung.

Auszug aus dem Einwohnerregister der evangelischen Gemeinde Pfyn aus dem Jahre 1836. Staatsarchiv des Kantons Thurgau. ViewScan ab Mikrofilm. Reproduktion mit Genehmigung. Evangelisch Wängi wurde damals durch den Pfarrer von Aadorf betreut, daher der Begriff «Filiale». Promulg(ation). Copul(ation). Heimath. – – – – 4ten Oct. Wengj Fil(iale): Aadorf

Vereh(l)ichte Paare. Herr Joh. Alphons Berkmüller u. Jgfr: Katharina Stutz, von Isikon, Pf:(arrei): Hittnau, Kt: Zürich

Kirche. Pfÿn


Seine Zeit

Am 4. Okt. 1836 heirateten «Herr Joh. Alphons Berkmüller u. Jgfr. Katharina Stutz von Isikon, Pf(arrei) Hittnau, Kt. Zürich» in der Kirche Pfyn. Eine vorherige, und im Normalfall übliche, Promulgation (Ankündigung) fand nicht statt. Den Fragen, warum die beiden ausgerechnet in Pfyn geheiratet haben und welches die Gründe für die ausgebliebene Ankündigung sein mögen, wird im Wängener Heft 7 über Katharina Berkmüller-Stutz näher nachgegangen. Kirchliche Eheschliessungen fanden damals nicht selten ziemlich unspektakulär im Anschluss an den Gottesdienst statt. Kaum eingebürgert und frisch verheiratet wurde Berkmüller 1837 im Alter von 35 Jahren zur militärischen Aushebung aufgeboten. Er wird in die «Infanterie 4. Classe»

und dort in die «1te Abteilung» eingeteilt. Darunter muss man sich vermutlich eine Art Hilfsdienst vorstellen. Schon ein Jahr später wird er dann in die «2te Abteilung» umgeteilt. Ob er tatsächlich je Wehrdienst geleistet hat und wir ihn uns in Uniform vorstellen müssen wie den Soldaten auf dem Schäfliplatz, wissen wir nicht. Als Buchhalter des grössten ortsansässigen Arbeitgebers war Berkmüller zweifellos im Dorf eine Respektsperson. Wir nehmen an, dass er gesellschaftlich in den eher besseren Kreisen verkehrte. Wenn diese Vermutung zutrifft, stellt sich die Frage, ob er im Dorf bestimmte Funktionen in der Öffentlichkeit bekleidet hat. Dazu finden wir kaum Hinweise. Immerhin ist aus dem Jahre 1846

Militärischer Aushebungsrodel 1837. Der entsprechende Eintrag von Alphons Berkmüller ist als Nachtrag unter der Ziffer 626 zu finden. Staatsarchiv des Kantons Thurgau. Inv.Nr. 4’410’21. Reproduktion mit Genehmigung.

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Seine Zeit

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Zahlung des Schulpflegers Berkmüller an den Schneidermeister und Lehrer J. Gamper für Schullohn im Winterkurs 1845/46. Inv.Nr. B510.R11. Ortsmuseum Wängi. Berkmüller hat als Privatkunde beim Schneider­ meister J. Gamper auch schneidern lassen.

eine Quittung vorhanden, welche einen möglichen Hinweis liefert. Am 9. Juni zahlte der Schulpfleger Berkmüller dem Schneidermeister J. Gamper für Schullohn im Winterkurs sieben Gulden. Als Schulpfleger der evangelischen Schule

können wir uns den Buchhalter Berkmüller gut vorstellen. Wir nehmen diese Rechnung als Hinweis, dass Berkmüller im Dorf tatsächlich ein Amt bekleidet hat und eine Person von öffentlichem Interesse gewesen ist. Dass übrigens ein Schneider die Stelle als Dorflehrer innehatte, ist in jener Zeit nicht unüblich. Schliesslich findet sich im «Todten-Register» der Gemeinde Wängi vom 24. November 1879 Alphons Berkmüllers «Todtenschein». Als Todesursache vermerkt der Wängemer Dorfarzt «Altersschwäche nach vorangegangener Lungenentzündung». Dass beim Beruf «Buchhalter» noch der Nachtrag «ehl. Sohn» (ehelicher Sohn) vermerkt ist, hat wahrscheinlich erbrechtliche Bedeutung. Auffällig ist, dass nicht die Tochter Louise als Familienmitglied, sondern der Fabrikbesitzer August Stierlin die Angaben auf dem Totenschein unterschriftlich bestätigt.

Eintrag von Berkmüllers Hinschied am 24. November 1879. Staatsarchiv Thurgau Todtenregister A Wängi, 1879, S. 62, Nr. 27. Reproduktion mit Genehmigung.


Seine Zeit

Beruf und Freizeit Neben seiner beruflichen Haupttätigkeit als Buchhalter wurde ihm auch die Besorgung der Post übertragen. Wöchentlich zwei- bis dreimal wurde diese durch einen Boten nach Frauenfeld gebracht, respektive dort abgeholt, und dann in den Fabrikbüros verteilt. Otto Bischof nennt Berkmüller «gewissermassen den ersten Posthalter von Wängi aus der Zeit, als die Post noch von Hand von Frauenfeld nach Wängi transportiert wurde». Hier irrt Bischof allerdings. Berkmüller hat die Leitung der Poststelle erst nach einigen Jahren von seinem Arbeitgeber und Besitzer der Spinnerei Georg Michael

Verzeichnis der Poststellenleiter von Wängi für die Jahre 1845 bis 1994. PTT-Archiv. Inv.Nr. PTT-Archiv, Post-199 A_0008_14_Wängi_TG. Reproduktion mit Genehmigung.

Stierlin übernommen. Freiwillig oder nicht. Auf der Liste der Wängemer Poststellen­ inhaber ist «Berkmüller Alfons» für die Zeit vom 1. Juli 1848 bis zum 31. März 1853 aufgeführt. Dann ist er von dieser Funktion freiwillig zurückgetreten. In seiner freien Zeit beschäftigte sich Berkmüller zunächst mit Zeichnen und Malen. Seine Begabung blieb seinem Umfeld nicht verborgen. So schuf er mit den Jahren ein beachtliches Werk an Blei- und Farbstiftzeichnungen und einigen Aquarellen. Das Werkverzeichnis umfasst aktuell 160 bekannte Werke. Otto Bischof erwähnt in seinen Erinnerungen, dass sich Berkmüller an seinem Arbeitsplatz «manchmal krank gemeldet habe, um wieder einmal seinem Steckenpferd nachgehen zu können.» Neben seiner zeichnerischen Passion hat Berkmüller den Matzinger «Gesangsverein am Immenberg» geleitet. Dieser entwickelte, wie auch andere Thurgauer Chöre zu jener Zeit, neben seiner musikalischen auch eine rege politische Tätigkeit. In seiner Blütezeit zählte der Chor 50 bis 60 Mitglieder. 40 In der Zeit von 1824 bis 1831 leitete Pfarrer Bornhauser, der Thurgauer Polit-Reformer, den Männerchor am Immenberg. Dann übernahm Berkmüller den Dirigentenstab. Berkmüller und Bornhauser müssen sich demnach gut gekannt haben. In einem späteren Kapitel werden wir darauf noch näher eingehen. Die im Ortsmuseum erhalten gebliebenen Chornoten aus dem Besitz Berkmüllers liefern weitere aufschlussreiche Hinweise auf seine chormusikalischen Interessen und sein entsprechendes Engagement. Seinem musikalischen Wirken widmen wir etwas weiter hinten ein ganzes Kapitel.

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Jakob Fröhlich nennt Berkmüller zudem «einen tüchtigen Geiger». 41 Nähere Angaben oder weitere Quellen, welche dies bestätigen könnten, sind bislang nicht auffindbar. Im Ortsmuseum ist zudem ein Buch aus dem Besitz der Familie Berkmüller erhalten geblieben. Berkmüller selbst hat auf dem Vorsatzblatt seinen Namen «Berkmüller in Wengi» festgehalten. Das Buch trägt den Titel «Die Erde und ihre Bewohner, ein Handund Lesebuch für alle Stände». 42 Es umfasst 693 Seiten und enthält in enzyklopädischer Art Wissenswertes zur Geografie der Erde als «Theil des Sonnensistems» bis zur Schilderung aller Kontinente und ihrer jeweiligen

«Die Erde und ihre Bewohner» aus dem Besitz der Familie Berkmüller. 1833. Inv.Nr. B 68. Ortsmuseum Wängi.

Bewohner. Zahlreiche Zahlentabellen ergänzen den Text, und ein mehr als 30 Seiten langes Sachregister erlaubt die Suche bestimmter Themen oder einzelner Orte. Wängi ist zwar nicht vermerkt, jedoch taucht auf Seite 447 der Kanton Thurgau auf «mit 82 950 Einwohnern samt der Hauptstadt Frauenfeld, rechts der Murg gelegen und von 1800 Einwohnern bewohnt.» Das Buch enthält insgesamt fünf Stiche. Sie tragen Titel wie «Der höchste Theil des Alpengebirges», «Der Rheinfall bei Schaffhausen», «Der Rheinstein», «Ein Dorf auf Java» oder «Stierfang in Südamerika». Vor allem der Stierfang hat es Berkmüller angetan. Aus diesem zwar einzig erhaltenen Buch aus dem Haushalt Berkmüller lässt sich dennoch folgern, dass in der Familie Sachbücher zur Erdkunde gelesen wurden und das Interesse und der geistige Horizont weit über Wängi hinaus reichten. Einen weiteren Hinweis in diese Richtung liefert ein Foto von Katharina Berkmüller. Sie studiert dort in einem Atlas eine Landkarte. Den Stich «Stierfang in Südamerika» hat Berkmüller kopiert. Bei genauem Hinsehen ist auf der entsprechenden Buchseite ein mit feinen Bleistiftlinien gezogenes Raster zu erkennen. Berkmüller hat die Darstellung massstabsgetreu leicht vergrössert nachgezeichnet. Im Innern des Buches findet sich ein handbeschriebenes Blatt Papier von 11 x 9 cm Grösse mit einem kleinen Weihnachtsgedicht von einer Maria Stutz. Zwar ist im Stammbaum der Familie Stutz (Berkmüllers Frau) keine solche Person aufgeführt. Auch in der Generation der Nichten und Neffen nicht. 43 Wer immer diese Maria gewesen


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Stierfang in Süd Amerika. Stahlstich in «Die Erde und ihre Bewohner» aus dem Besitz der Familie Berkmüller. 1833. 15.0 x 9.5 cm. S. 650. Inv. Nr. B68. Ortsmuseum Wängi. Kaum sichtbar ist das Raster über dem Druck, mittels welchem Berkmüller seine proportionalgetreue Kopie anfertigte. 41

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Stierfang in Amerika. Bleistift. 18.5 x 12.0 cm. Ohne Signatur. Nach 1833. BmKat. Nr. 142. Ortsmuseum Wängi. Kopie eines Stahlstichs aus «Die Erde und ihre Bewohner» aus dem Besitz der Familie Berkmüller.

sein mag, so zeigt das Buchzeichen doch zweierlei: Zunächst den damals weitverbreiteten Brauch des Verfassens von Gedichten (welcher später ja dann in den Poesiealben der Mädchen ihre Fortsetzung erfuhr) und zweitens den Respekt diesen sehr persönlichen literarischen Werken gegenüber. Sie wurden aufbewahrt, zum Beispiel als Buchzeichen. Die Frage, wie wir uns Berkmüllers Verhältnis zu den Besitzern der Spinnerei und

der Weberei und damit seinen Arbeitgebern vorzustellen haben, hat uns bereits einmal beschäftigt. Einzige Hinweise sind die beiden bereits erwähnten Alben mit Zeichnungen und namentlicher Widmung. Berkmüller muss die beiden Alben kurz vor Abschluss seiner beruflichen Tätigkeit als Buchhalter oder bereits nach seiner Pensionierung gemacht haben. Wir können den Entstehungszeitraum auf 1865 bis 1875 eingrenzen.


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Dieses eine Album enthält nur zwei Zeichnungen aus der engeren Umgebung von Wängi, nämlich die Fabrikgebäude im Jakobstal. Die restlichen Werke zeigen Gebäude und Landschaften aus der Schweiz und vor allem aus Österreich. Georg August Stierlin könnte das Album bei Berkmüller in Auftrag gegeben haben. Sei es, dass er seine eigenen Reisen dokumentiert haben wollte und jeweils Stiche nach Hause brachte, welche Berkmüller dann kopierte und in einheitlichen Formaten und immer gleicher Technik (Bleistift, ergänzt mit Weiss auf leicht eingefärbter Grundierung) in einem Album zusammenstellte. Oder Stierlin hat bei Berkmüller Zeichnungen nach dem aktuellen Zeitgeschmack bestellt und Berkmüller bediente sich dann bei verschiedenen Vorlagen anderer Zeichner oder Kupferstecher. Das Beispiel des Stierfangs in Südamerika wäre hierfür Beleg. In einer Randnotiz vermerkt Berkmüller tatsächlich einmal, dass er auch nach Foto-

grafien und Holzschnitten gearbeitet habe. Das Kopieren nach Vorlagen war damals üblich. Im Zusammenhang mit dem aufkommenden Tourismus hatten sich sogar eigentliche Produktionsbetriebe mit Kopisten und Koloristen entwickelt. Dass die Fotos damals in einem ockerfarbenen Sepiaton gehalten waren, erklärt möglicherweise auch, weshalb Berkmüller in einem seiner Alben bei manchen Zeichnungen eine ocker eingefärbte Grundierung gewählt hat. Abschliessend kommt einem die Bemerkung Bischofs wieder in den Sinn, der Fabrikbesitzer Stierlin habe ein Einsehen gehabt, wenn Berkmüller dann und wann der Arbeit in der Fabrik ferngeblieben sei, um zu Hause zu zeichnen. Seine Firma konnte die allfälligen Arbeitsausfälle des Buchhalters offenbar verschmerzen. Als Gegenleistung erhielt der Fabrikherr immerhin Alben mit persönlicher Widmung und Zeichnungen nach Wunsch.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Album mit 17 Zeichnungen. 22.0 x 19.0 cm. Entstehung vermutlich zwischen 1865 bis 1875. Widmung an den Fabrikbesitzer und Arbeitgeber auf dem vorderen Vorsatzblatt. BmKat. Nr. 96-112. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.


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Epochen des 19. Jahrhunderts Berkmüllers Lebenszeit von 1802 bis 1879 fällt auch kunsthistorisch in eine wechselvolle Periode. Das 19. Jahrhundert ist geprägt von verschiedenen sich teilweise überlagernden Epochen und einer damit einhergehenden Gleichzeitigkeit unterschied­ licher Stile. Die Klassik mit ihren Idealen der festen Ordnung, der Klarheit und der edlen Form, verbunden mit ihrer Abneigung gegenüber allem Fantastischen, Verworrenen und Unklaren, geht zu Beginn des 19. Jahrhunderts allmählich zu Ende. Es ist die Romantik, welche vom Ende des 18. Jahrhunderts bis weit in das 19. Jahrhundert hineinreicht. Mit ihr kommt

der Drang nach Überwindung der nunmehr als streng und einengend empfundenen Klassik. Der Wunsch nach Leidenschaft und nach schöpferischer Fantasie prägt die Kunst und geht einher mit einer Vorliebe für das Traumhafte. Bei Berkmüller finden sich zahlreiche romantische Elemente. Darauf werden wir später noch im Detail zurückkommen. Leicht zeitverschoben prägt das Biedermeier zwischen 1815 und 1850 Denken und Gestalten. Die Epoche bringt einen Rückzug ins Private. Man pflegt das häusliche Familienleben. Ruhe und Ordnung werden als Prinzipien hochgehalten. Insgesamt wirkt biedermeierliche Kunst eher bürgerlich, hausbacken und konservativ. Typische


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Motive sowohl in der Literatur als auch in der bildenden Kunst sind die Flucht ins Idyllische. In den Werken von Berkmüller sind solche Motive zu Hauf zu finden. Den eigentlichen Durchbruch des Impressionismus ungefähr ab 1870 mit seiner Konzentration auf die Farbe und auf die Darstellung des Lichts sowie der atmosphärischen Stimmungen erlebt Berkmüller nicht mehr. Während die Impressionisten bewusst auf die genaue Abbildung von Wirklichkeit verzichten und die Farben zum Inhalt werden, bleibt Berkmüller bis zu seinem Tode bei seinen Bleistiftzeichnungen. Farben nutzt er mit wenigen Ausnahmen lediglich zum Kolorieren seiner konkreten SchwarzWeiss-Zeichnungen. Die Freiluftmalerei setzt mit der sogenannten Schule von Barbizon (in der Nähe von Fontainebleau) ungefähr um 1830 ein und dauert bis 1870. «En plein air» lautet die Losung. Die Maler verlassen ihre Ateliers. Mit ihrem Zeichnen und Malen unter

John Singer Sargent. (1856 – 1925). Claude Monet am Waldsaum malend. 1885. Ausschnitt. Tate Gallery London. Wikipedia.

freiem Himmel bei natürlichen Licht- und Schattenverhältnissen bereiten sie dem späteren Impressionismus, wo dann diese subjektiven Farbstimmungen und Empfindungen vollends in den Vordergrund rücken, den Weg. Realistische Kunst kann nicht an bestimmten darstellerischen Charakteristika erkannt werden. Vielmehr ergibt sich der Realismus aus der Absicht des Künstlers einerseits und der Leseart des Betrachters oder der Betrachterin andererseits. Der Künstler inszeniert eine Wirklichkeit, indem er über die eigentliche Schilderung der Situation hinausgeht und allerhand Details einstreut; er stattet sein Werk gewissermassen mit erzählerischem Luxus aus. Der Betrachter auf der andern Seite interpretiert die Szene so, dass sie sich real so zugetragen haben muss, also realistisch ist. Wir sind diesem Realismus bereits eingangs bei der Zeichnung des Schäfliplatzes begegnet. Das Schaffen der sogenannten Schweizer Kleinmeister hat Berkmüller in verschiedener Hinsicht ebenfalls beeinflusst. Darauf wollen wir etwas später zurückkommen.

Im Spannungsfeld der Kunstgeschichte Nach diesem kurzen Grundriss der Epochen des 19. Jahrhunderts begeben wir uns wieder auf Spurensuche und fragen, wo allenfalls Hinweise zu finden sind, welche es erlauben, Berkmüller mit seinem Schaffen einzuordnen. Zunächst finden wir bei ihm verschiedene Hinweise, welche an einen Vertreter der Freiluftmalerei denken lassen.


Sein Oeuvre – eine Einordnung

Können wir uns Berkmüller auch so vorstellen? Im Freien mit Klappsessel und Staffelei? Wahrscheinlich nicht ganz. Er arbeitete ja fast ausschliesslich mit Bleistift. Eine Palette für die Farben benötigte er dazu nicht. Auch eine Staffelei dürfte er kaum benutzt haben bei seinen kleinen Formaten. Aber er hat sich wohl hingesetzt und sein Motiv, sei es nun ein Haus, eine Strasse oder eine Landschaft präzis beobachtet und akribisch genau skizziert. Vermutlich hat er dann die Skizze zu Hause am Stubentisch zur fertigen Zeichnung vollendet. Er hat im Vordergrund Bäume und Strauchwerk sowie einige Personen eingefügt und das Ganze mit Schönwetterwolken vervollständigt. Ein Atelier stand ihm in seinen beengten Wohnverhältnissen nicht zur Verfügung. Unter zahlreiche Zeichnungen setzt er die Anmerkung «Nach der Natur» oder «Nach der Natur aufgenommen». Damit bestätigt er dem Betrachter gewissermassen die Echtheit der Darstellung. Man kann diese

Anmerkungen als eine Art Gütesiegel verstehen. 44 Damit befindet sich Berkmüller in guter Gesellschaft mit der damals aufkommenden Landschaftsmalerei, wo die bislang vorherrschende klassisch-idealistische Komposition einer realistischen Darstellung zu weichen begann. Berkmüller muss von den Strömungen in der Kunst Europas gewusst haben. Wie käme er sonst darauf, seine Werke auf diese Weise speziell zu kennzeichnen? Er war ernsthaft bestrebt, seine Häuser und seine Landschaften «naturgetreu» im Sinne von «richtig» oder «wahr» wiederzugeben. Unter sein Aquarell vom Schloss Spiegelberg schreibt er gar: «Bei Morgenbeleuchtung.» Dies, obwohl das Schloss bereits vor seiner Zeit abgerissen worden war. Ein kleiner Seitenblick auf die Literatur jener Tage zeigt auch dort diese Entwicklung hin zur wahrheitsgetreuen Abbildung der Wirklichkeit. So veröffentlichte Berkmüllers Schwager, der Zürcher Oberländer Volks-

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Dorfstrasse mit Schmiede Thalmann. Ausschnitt. Mit Signatur und Datierung: «A.B. 71. nach der Natur.» BmKat. Nr. 83. Privatsammlung. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Schloss Wittenwil. Ausschnitt. Mit Signatur: «nach der Natur aufgenommen A.B.» Mit Datierung: «79». BmKat. Nr. 82. Privatsammlung. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.

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dichter Jakob Stutz, von dem später noch die Rede sein wird, 1831 seine «Gemälde aus dem Volksleben; nach der Natur aufgenommen und getreu dargestellt in gereimten Gesprächen Zürcherischer Mundart». 45 Inwiefern sich nun Berkmüller in Wängi mit den kunsthistorischen Epochen des 19. Jahrhunderts vertieft auseinandergesetzt hat, bleibt offen. Er ist mit seinem Werk auch keiner dieser Epochen eindeutig zuzuordnen. Wir gehen zudem von einer gewissen zeitlichen Verzögerung aus, bis die Ideen der neuen Epochen jeweils den Weg ins Murgtal gefunden haben und dort wahrgenommen wurden. So bewegt sich Berkmüller mit seinen Zeichnungen irgendwo zwischen den Strömungen. Zwar nimmt er durchaus einzelne Elemente auf, bleibt indessen seiner Technik und seinen Motiven sein ganzes Leben lang treu. Auch über eine Mitgliedschaft in bestimmten Künstlerkreisen ist nichts bekannt.

Allerdings muss das alles nicht heissen, dass Berkmüller nicht mit wachem Blick das Kunstschaffen seiner Zeit mitverfolgt hätte. Tatsächlich fallen aus kunsthistorischer Sicht eine ganze Reihe von Ähnlichkeiten zwischen Berkmüller und den sogenannten Schweizer Kleinmeistern auf. Wer aber waren diese Schweizer Kleinmeister und wie lässt sich ihre Kunst charakterisieren? Wir lassen diese Frage einstweilen noch offen und wenden uns zunächst Berkmüller und seinem Kunstschaffen zu. Anschliessend wollen wir dann in einer Gegenüberstellung sehen, inwiefern er sich tatsächlich dieser Gruppe zuordnen lässt und wo er sich abgrenzt.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Skizzenblatt mit Hund. Ausschnitt. Bleistift. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 153. Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Skizzenblatt mit Scheune, Kirchturm und Haus. Ausschnitt. Bleistift und Farbstift. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 154. Ortsmuseum Wängi.


Sein Oeuvre – eine Einordnung

Berkmüller als Autodidakt Nachdem wir feststellen mussten, dass Berkmüller definitiv nichts mit der berühmten Augsburger Künstlerdynastie Bergmüller zu tun hat, wäre von Interesse zu wissen, woher er sein unbestrittenes Talent mitbringt. Wir vermuten, dass er kaum eine Kunstschule besucht oder sonst eine künstlerische Ausbildung genossen hat. Weder lassen sich in seiner Biographie entsprechende Hinweise finden, noch verrät sein Werk insgesamt akademisch geschulte Ansätze zum Beispiel im Zusammenhang mit einer der beschriebenen Epochen. Zudem wird später noch von seinen perspektivischen Holprigkeiten zu sprechen sein. Berkmüller war Autodidakt, ausgestattet mit einer gleichermassen liebevollen wie präzisen Beobachtungsgabe sowie darstellerischer Sorgfalt und Detailversessenheit. Leider sind von ihm kaum Skizzen und Entwürfe erhalten geblieben. Die wenigen Beispiele geben kaum Aufschluss über seine Arbeitsweise. Aus welchem Anlass er die beiden Skizzen angefertigt hat, wissen wir nicht. Die Zeichnung des Hundes verrät zwar einen weitgehend sicheren Strich. Vielleicht aber war er selbst doch nicht ganz zufrieden mit der Darstellung des Ohres und der Schnauze, so dass er es wieder bleiben liess. Auch wenn wir, wie bereits gesehen, immer wieder Pferden, Kühen, Ziegen und Hunden begegnen, Darstellungen im Sinne von Tierportraits sucht man bei ihm vergebens.

Bildaufbau Um Berkmüllers Bildaufbau näher betrachten zu können, greifen wir seine Zeichnung «Haus zur Krone» heraus (heute Dorfstrasse 27 in Wängi). Die Zeichnung ist einerseits typisch für den Bildaufbau der meisten Zeichnungen, andererseits erlaubt gerade dieses Blatt einen Rückschluss auf Berkmüllers Erfolg bei einem breiten Publikum. Die Zeichnung ist eingeklebt in ein Album und mit einer feinen, mit grüner Tinte gezogenen Linie, umrahmt. Der Besitzer des Albums aus der Familie des damaligen Friedensrichters Früh untertitelt das Blatt mit «Krone». Ihm war wichtig, das dargestellte Gebäude präzis zu benennen und so die Zeichnung lokal zu verorten. Kunsthistorisch ist die Darstellung von Bauernhäusern erst seit ungefähr 1800 üblich. Man begann sich für die verschiedenen Typen und Formen zu interessieren und hielt diese mit grosser Akribie fest. Das Bauernhaus galt als Symbol für «bäuerliche Glückseligkeit, die auf einem einfachen Leben im Einklang mit der Natur basierte». 46 Der Vordergrund mit einem runden Dutzend dörflicher Szenen ist für den Sammler offenbar weniger wichtig. Er hätte ja unter die Zeichnung auch schreiben können «Dorfleben» oder «Geschäftiges Treiben allenthalben». Er tat es aber nicht. Dabei lohnt es sich, die zahlreichen Szenen vor der Kulisse des Gebäudes in aller Ruhe und in allen Einzelheiten zu betrachten. 47

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Dorfstrasse mit Haus Krone. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 4. Ortsmuseum Wängi.

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Von links nach rechts entdecken wir: Zwei vornehm gekleidete Damen mit Sonnenschirmchen und Hündchen. Sie sind gewissermassen Betrachterinnen des ländlichen Lebens vor ihnen. Eine Frau und zwei Männer holen am Brunnen Wasser. Ein Bauer flickt das vordere rechte Rad seines Leiterwagens. Ein Hund wacht vor der Stalltür. Vielleicht gucken Pferde aus den Fenstern. Ein Bauer führt eine Kuh aus dem Stall. Eine Bäuerin betrachtet ihren Pflanzblätz vor dem Haus mit den Gemüsebeeten. Ein Mädchen auf den Knien jätet Unkraut oder erntet Gemüse.

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Einige Kinder spielen auf den im Vordergrund gelagerten Baumstämmen. Ein Bauer mit geschultertem Rechen kehrt von der Feldarbeit zurück. Ein Fuhrmann mit einem zweispännigen Heuwagen unterhält sich mit einem Fussgänger. Hinter dem Wagen kläfft der Hund. Drei Fussgänger oder Fussgängerinnen unterhalten sich im Vorbeigehen. Vor der Tür der Handlung Leutenegger unterhält sich eine Frau mit einer anderen, vielleicht die Ladenbesitzerin mit einer Kundin.


Sein Oeuvre – eine Einordnung

Was für ein geschäftiges Treiben! Welche dörfliche Lebendigkeit! Was für eine sprudelnde Erzähllust! Berkmüller benutzt – bewusst oder unbewusst – einen Kniff, um uns das Tun und Treiben auf dem Hofplatz näher zu bringen: Er setzt nämlich die Augenlinie des Betrachters etwa auf die Höhe der Dachtraufe und nimmt so einen vermeintlich erhöhten Standort ungefähr auf der Terrasse des heute gegenüberliegenden Restaurants Frohheim ein. Von dort oben betrachtet er das Haus Krone frontal. Und von diesem erhöhten Blickpunkt erhalten auch wir als Betrachterinnen und Betrachter eine leichte Aufsicht auf den Platz und die Strasse und die vielen Leute. Wir sehen zum Beispiel den Heuwagen von oben. Und die beiden Damen auf dem Strässchen im Vordergrund links sind auffallend klein, ganz zu schweigen von den spielenden Kindern. Stünden wir auf Bodenhöhe direkt vor ihnen, wären sie grösser. Eigentlich ganz raffiniert, wie Berkmüller vorgeht. Er stellt das Haus Krone in den Mittelpunkt und zeigt es mit grösstmöglicher Genauigkeit; absolut realistisch. Das Haus und sein Standort südlich der Kirche mit dem Schloss Sonnenberg im Hintergrund sind unverwechselbar zu erkennen. Und das bis heute. Dann streut er rundherum wie im Vorbeigehen zufällig eingefangene Szenen dörflichen Lebens. Die könnten aber schon in der nächsten Minute alle wieder anders aussehen. Mit seinem Bildtypus schafft Berkmüller gleichzeitig zwei verschiedene Bildräume. 48 Die Parallelisierung der ländlichen Szenen im Vordergrund mit dem detailgetreu wiedergegebenen Haus im Hintergrund er-

weckt bei uns Betrachterinnen und Betrachtern den Eindruck: Genau so war es damals in Wängi in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an dieser Strassengabelung. Wenn schon das Haus so genau abgebildet ist, wird sich auch das Dorfleben so abgespielt haben. So emsig, so friedlich, so gemütlich. Um das bisher Gesagte zusammenzufassen: Es geht Berkmüller nicht nur um die Darstellung des Hauses «Zur Krone». Wie wir das nun bereits mehrmals festgestellt haben, geht es ihm um mehr, nämlich um die Konstruktion einer Idealwelt. 49 Dazu passt ganz gut, dass er seine Zeichnungen praktisch ausnahmslos mit einem Schönwetterhimmel überwölbt. Der gestaffelte Bildaufbau erinnert uns auch an Kinderspielzeug der damaligen Zeit. Da waren zum einen die sogenannten Papiertheater mit ihren Kulissen und den davor gestellten Szenen, etwa aus Opern oder aus Märchen. Die Ähnlichkeiten zu Berkmüllers Bildaufbau mit seinen verschiedenen Figuren oder Figurengruppen im Vordergrund und einer Häusergruppe im Hintergrund sind frappant. Auch hölzerne Aufstellfiguren waren damals als Spielzeug sehr beliebt und weit verbreitet. Stellt man sich im Hintergrund einen – vielleicht selbstgemalten – Bauernhof vor, so haben wir wieder denselben Bildaufbau mit Gebäuden im Hintergrund und beweglichen Figuren im Vordergrund, wie schon bei der Zeichnung «Zur Krone». In den Weihnachtskrippen finden wir übrigens dieses Grundmuster bis heute: Im Vordergrund die Geburtsszene mit der heiligen Familie, den Hirten, den drei Königen und dahinter im Sinne einer Kulisse der Stall.

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Sein Oeuvre – eine Einordnung

Bühne mit Front und verschiedenen in die Tiefe gestaffelten Seitenkulissen. Rückwand mit anti­kisierter Landschaft. Rechts daneben Spielfiguren, welche ausgeschnitten und an Drähten oder Stäben geführt werden konnten. Sie wurden von oben zwischen den Kulissen bewegt. Aus einem Nürnberger Spielzeug-Musterbuch von 1857. Pieske, Christa. (1984). (Hrsg.): Schönes Spielzeug aus alten Nürnberger Musterbüchern. München. Inv.Nr. B746. Ortsmuseum Wängi.

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Häusergruppe im Hintergrund. Bewegliche Tiere im Vordergrund. Verschiedene Aufstellfiguren aus Holz. 19. und 20. Jahrhundert. Mit solchen Figuren lassen sich immer wieder andere Szenerien aufbauen und Geschichten nachstellen. Kinder sind darin bekanntlich sehr erfinderisch. Inv.Nr. G5058, 5064, 5110, 5111, 5112. Ortsmuseum Wängi.

Soviel also zunächst zum Bildaufbau bei Berkmüller. Auf einen weiteren ganz besonderen Aspekt wollen wir hier abschliessend noch eingehen. Auch um seinen Landschaftsdarstellungen zusätzliche Tiefe zu verleihen, stellt Berkmüller kleine Szenen in den Vordergrund. Als Betrachterin und Betrachter sind wir so gewissermassen Teil des Geschehens. Wir nehmen an einer Entenjagd teil. Oder wir blicken über die Schultern der Personen im Vordergrund in die Tiefe der Landschaft. Unser Blick schweift vorbei an Gebäuden, Ortschaften oder Gewässern bis zu den fernen Hügeln oder Bergketten. Die Kunstwis-

senschaft spricht von sogenannten «Repoussoirs». Als solche «Zurückstosser» dienen Baum- und Strauchwerk oder Hirten- und Schäferszenen. Sie haben in aller Regel thematisch mit dem Bildinhalt kaum etwas zu tun und dienen lediglich der Markierung des Vordergrunds. Ein besonders eindrückliches Beispiel mit einem wirkungsvollen Repoussoir ist die Zeichnung mit dem Titel «Im Orient». Am Seeufer im Vordergrund blicken zwei Reisende über das Wasser auf das gegenüberliegende Gestade. Dort in der Ferne ragen zwei Minarette und eine Kuppel in die Höhe. Die stehende Person weist mit ausgestrecktem


Sein Oeuvre – eine Einordnung

Alphons Berkmüller (1802 – 1879). Schloss Kriebsstein. Sächsische Schweiz. Ausschnitt. Bleistift. 12.5 x 18.5 cm. Ohne Signatur und Datierung. BmKat. Nr. 100. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980. Im Vordergrund Jagdszene: Jäger mit Gewehr und Jagdhund. Bereits ausser Reichweite auffliegende Ente.

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Alphons Berkmüller (1802 – 1879). Im Orient. Bleistift. 18.3 x 12.2 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 141. Ortsmuseum Wängi.

Arm in die Tiefe der Landschaft. Die ganze Komposition lebt von dieser räumlichen Distanz zu einer märchenhaften Ferne. Das wirkt hier besonders sinnig. Der Orient ist von Wängi aus gesehen ja auch wirklich weit weg. Ein hübsches Detail wollen wir nicht übersehen: Die Kleidung der beiden Personen im Vordergrund. Sie tragen die Tracht der Mameluken mit Turban, weiten Pluderhosen und mantelartigem Umhang. Napoleon rekrutierte in seinen Heeren Mameluken-Abteilungen, nachdem er deren Kampfkraft in seinem Ägyptenfeldzug erfahren hatte. Als er 1815 endgültig nach St. Helena verbannt wurde, war Berkmül-

ler bereits 13 Jahre alt. Die orientalischen Soldaten dienten noch bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts unter den Franzosen und kämpften auf Europas Schlachtfeldern. Vielleicht las Berkmüller auch den Reisebericht von Ulrich Jasper Seetzen ungefähr aus dem Jahre 1805, welcher in seinem Tagebuch über einen Besuch bei einem Freund in Kahira (Kairo) festhielt: «Ausser einigen andern Freunden speiseten zwey Abkömmlinge der Mamluken bey ihm, Emir Achmed und Chalil Eféndy. Ersterer trug die gewöhnliche Mamlukentracht, worunter sich die ungeheure Hose auszeichnete.» 50 Mit seinem Interesse am Orientalischen stand Berkmüller beileibe nicht alleine da.


Sein Oeuvre – eine Einordnung

Rittmeyer, E. (1874). Ausschnitt aus einer Illustration aus den sogenannten «Schweizerischen Bilderbogen». Wir sehen französische Soldaten aus der von den Preussen in die Schweiz ab­gedrängten Bourbaki Armee ein­ quartiert in der Kirche St. Leonhard in St. Gallen. Darunter orientalische Bourbaki Sahis. Diese illustrierten Geschichtshefte waren hierzulande sehr verbreitet. Es ist gut denkbar, dass Berkmüller solche Abbildungen kannte.

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Gerade im 19. Jahrhundert kursierten auch auf dem Land illustrierte Zeitschriften mit Exotica aus der ganzen Welt. Und wir erinnern uns: Unter den Figuren zum Papiertheater findet sich ebenfalls ein Orientale mit Turban und weiten Hosen. Auch in den «Schweizerischen Bilderbogen» von Buri & Jeker aus dem Jahre 1874 sehen wir sie nochmals: Bourbaki-Sahis (so nannte man die orientalischen Soldaten in der französischen Armee unter General Bourbaki) mit eindrücklichen Pluderho-

sen und als Kopfbedeckung den typischen Fes. 51 Einer davon amtet offenbar als Barbier der Truppe. Die französischen Soldaten sind 1871 für einige Wochen in der Kirche St. Leonhard in St. Gallen einquartiert. Ein letztes Mal finden sich hierzulande Spuren dieser auffälligen orientalischen Beinbekleidung auf Edouard Castres imposantem Gemälde im Bourbaki-Panorama in Luzern. Es zeigt den Übertritt der 1870/71 im deutsch-französischen Krieg von den preussischen Truppen in die Schweiz abge-


Sein Oeuvre – eine Einordnung

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Edouard Castre. (1838-1902). Bourbaki-Panorama Luzern. 1881. Ausschnitt. Ganzes Bild 112 x 14 m. Reproduktion mit Genehmigung des Bourbaki-Panoramas Luzern.

drängten französischen Armee unter General Bourbaki. Die in französischen Diensten stehenden nordafrikanischen Truppen sind an ihren weiten roten Hosen unschwer zu erkennen. Castre malte das Gemälde allerdings erst 1881. Berkmüller verstarb zwei Jahre zuvor. Verletzte und kranke maghrebinische Kämpfer begeben sich in Richtung Schweizer Grenze. Die insgesamt 87 000 Mann und 12 000 Pferde waren praktisch kampfunfähig und befanden sich in sehr schlechter Verfassung. Sie wurden vor Ort notdürftig gepflegt und anschliessend auf 188 Schweizer Gemeinden in sämtlichen Kantonen ausser dem Tessin verteilt. Dort blieben sie für sechs Wochen bis zum Ende des Krie-

ges. Den Wintermarsch über den Gotthard hätten die geschwächten Soldaten nicht überstanden. Eine Gruppe wurde in der St. Leonhards­kirche in St. Gallen interniert.

Techniken In einem Album findet sich auf der Umschlaginnenseite der Vermerk: «Bleistift und Farbenstiftzeichnungen, theils nach der Natur aufgenommen und theils nach Photogr. und Holzschnitten von A. Berckmüller in Wengi.» Der Hinweis auf Fotografien als Vorlagen könnte zeitlich möglich sein. Hinweise auf Holzschnittvorlagen hingegen finden sich nirgends. Eher kopierte er von Kupfer- und Stahlstichen. Der Vermerk


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stammt auch kaum von Berkmüller selber. Er hätte seinen Namen nicht mit «ck» geschrieben. Hingegen heisst es unter seiner Ansicht der Stadt Lausanne: «Nach einem Stahlstich vergrössert». Das trifft mit Sicherheit zu. Davon können wir uns etwas später noch überzeugen. Das sind Gründe genug, uns etwas eingehender mit Berkmüllers Techniken zu befassen.

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Papier und Grundierung Aus dem Berkmüllerschen Haushalt sind aus dem Jahre 1848 verschiedene Rechnungen überliefert. Zum einen bestellte er bei der Kunsthandlung Heinrich Füssli zur Meisen in Zürich bestimmte Spezialpapiere: 12 Bogen Strohvelin 52 für 36 Kreuzer und 1 Bogen Bristol für 1 Gulden. Bei der andern Rechnung handelt es sich um eine Bestellung von «1 geschliffenen Pinsel» und «½ Liter (?) Damarlack» bei Baldin sel. Witwe für 44 Kreuzer. Dammarlack wird aus einem Baumharz hergestellt und ist verdünnt mit

Terpentin als Firnis gebräuchlich, allerdings eher in der Ölmalerei. Im Mai 1848 begleicht er eine Rechnung für 3 Pinsel; 2 à 4 Kreuzer und 1 à 6 Kreuzer sowie 2 Bogen Fantasiepapier à 24 Kreuzer. 53 Auf einer seiner Bleistiftzeichnungen findet sich noch ein Prägestempel des Papierherstellers. Entziffern lässt er sich allerdings nur teilweise: « … POTTIN / … ON & PERFECTION / … PIER PELLI … / …DE 3 … 1». 54 Als «Papier pelliculé» wurde sogenannt gestrichenes oder beschichtetes Papier bezeichnet. Berkmüller hat seine Papiere sorgfältig ausgewählt und sie sich einiges kosten lassen. Hält man bestimmte Zeichnungen nebeneinander, unterscheiden sie sich nicht selten in ihrer farblichen Grundstimmung. Einmal scheint die Grundierung leicht blaugrau, ein andermal ockerfarben und dann wieder grünlich getönt. Das an sich schwarzgraue Farbspektrum der Bleistiftzeichnung wird durch dieses Spiel mit der unterschied-

Zwei Rechnungen aus Berkmüllers Hinterlassenschaft aus dem Jahre 1848 für Papier, Pinsel und Firnis. Zwar sind beide Rechnungen nicht auf Berkmüller persönlich ausgestellt. Allerdings war es nicht unüblich, dass er gewisse Materialbestellungen über die Firma («Tit. Mechan. Bwollspinnerei in Wengi») laufen liess. B510.R35 und B510.R36. Ortsmuseum Wängi.


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lich getönten Grundierung mit sehr zarten Farbklängen erweitert. Zu diesen unterschiedlich gefärbten Grundstimmungen existieren zunächst zwei Hypothesen. Die eine stützt sich auf den blassen Streifen rechts am Rand auf der Zeichnung «Häusergruppe in Lauterbrunnen». Dieser rührt unzweifelhaft davon her,

dass das Bild in diesem schmalem Bereich lange Zeit abgedeckt war. Der Rest war dem Licht ausgesetzt und dunkelte mit der Zeit leicht nach. 55 Die unterschiedlichen Farbgründe wären demnach das Ergebnis unterschiedlichen Alterns oder Lagerns. Die zweite Hypothese geht davon aus, dass das Bild «Häusergruppe in Lauterbrun-

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Stachelberger Bad (Glarus). Bleistift auf ocker eingefärbtem Grund. 19.6 x 13.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 128. Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Häusergruppe im Lauterbrunnenthal. Bleistift auf blaugrau eingefärbtem Grund. 18.2 x 11.7 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 132. Ortsmuseum Wängi.


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nen» ungefähr zur selben Zeit entstanden und ins Album eingeklebt wurde, wie all die andern Zeichnungen auch. Die unterschiedlichen Farbtöne der Grundierungen hätten daher von Anfang an bestanden und wären von Berkmüller bewusst aufgetragen worden. Als Zeichenuntergrund diente in der Regel eine Mischung aus Knochen, Kreide und Leimwasser. Bei Bedarf wurden Gips und Eigelb zugesetzt, was den erwünschten Bräunungsprozess beschleunigte. 56 Auch Berkmüller hat seine Papiere grundiert und erzielte so eine leicht sammet­rauhe Oberfläche, auf welcher Blei- und Pastellstift besser hafteten. Die Rezeptur seiner Grundierfarbe kennen wir nicht, und deren Auftrag aufs Papier ist ihm auch nicht immer fehlerfrei geglückt. Einige seiner Zeichnungen weisen entsprechende Schadstellen auf.

Alphons Berkmüller (1802 – 1879). Kapelle Obertuttwil. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 31. Ortsmuseum Wängi. Zahlreiche Schadstellen in der rechten Bildhälfte. Die aufgetragene Grundierung haftet nicht auf dem Untergrund und bricht heraus. Teilweise unbeholfen retouchiert.

Die Grundierung ist stellenweise herausgebrochen. Wir halten die Hypothese, dass Berkmüller tatsächlich die Rezepturen seiner Grundierungen ab und zu leicht verändert, um so die unterschiedlichen Farbstimmungen zu erzielen, einstweilen für die plau­ sibelste.

Silberstift Der Kunsthändler Hess aus Frauenfeld vermerkte 1978 und 1979 auf zwei von ihm restaurierten und gerahmten Aquarellen: «Aquarellierte Silberstiftzeichnung». Zeichenstifte mit Spitzen aus Silber waren bereits bei den Römern bekannt und wurden auch im Mittelalter benutzt. Auf einen massiven Metallgriffel (nicht selten aus Blei) war vorne eine feine silberne Spitze aufgelötet. Mit der Zeit geriet der Silberstift

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kapelle Obertuttwil. Bleistift. 11.7 x 7.3 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 18. Ortsmuseum Wängi. Vergrösserung der rechten oberen Ecke mit nicht ganz randständig aufgetragener Grundierung.


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Alphons Berkmüller (1802 – 1879). Halingen (Ausschnitt). Aquarell über Silberstift. Ganzes Aquarell 27.0 x 17.0 cm. Mit Signatur: «nach der Natur aufgenommen AB». Mit Datierung: «1868». BmKat. Nr. 47. Privatbesitz.

allerdings ausser Mode und ging vergessen. Im 19. Jahrhundert wurde er im Zuge der Romantik von zahlreichen Künstlern neu entdeckt. Beim Zeichnen rieb sich das Silber auf dem leicht rauhen Papier ab und hinterliess eine feine hellgraue Linie. Flächiges Ausmalen war nur mittels Schraffur möglich. Mit der Zeit dunkelte das Silber allerdings nach oder verfärbte sich je nach Art des Papiers ins Bräunliche. Silberstifte wurden, gerade bei Aquarellen, gerne für die Vorzeichnung verwendet.

Bleistift Der im 16. Jahrhundert in England erfundene sogenannte «Bleistift» brachte gegenüber dem Silberstift entscheidende Vorteile und verschaffte diesem in kurzer Zeit den Durchbruch. Zwar beruht der Begriff «Bleistift» auf einem Irrtum. Das verwendete Material für die Mine war von Beginn weg Graphit und nicht Bleierz, wie ursprünglich angenommen. Dieser Irrtum klärte sich erst

gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf. Da hatte sich aber die Bezeichnung «Bleistift» längst etabliert. Seine Vorteile liegen in der einfachen Handhabung und einer vergleichsweise hohen Lichtechtheit und Wischfestigkeit. Beides Eigenschaften, welchen wir die vorzügliche Erhaltung der Berkmüllerschen Zeichnungen auch noch nach gut 150 Jahren verdanken. Das Arbeiten mit Bleistiften in verschiedenen Härtegraden bot die Möglichkeit, Grautöne von hell bis dunkel sehr fein abzustufen. Mit dem harten Stift zog Berkmüller teilweise mit Druck eigentliche Rillen in die Grundierung. Damit erzielte er eine zwar kaum bemerkbare, aber vor allem bei Streiflicht sichtbare sehr subtile plastische Wirkung. 57 Diese Plastizität steigerte er dann mit einem stellenweise sehr satten Auftrag mit dem weichen Stift. Neben den eingegrabenen harten Linien erscheinen so flächige Glanzstellen und verleihen der Zeichnung ihren zauberhaften Schimmer. 58 Um Berkmüllers meisterlichen Umgang mit dem Zeichenstift selbst in kleinsten De-

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tails zu bewundern, wenden wir uns kurz seinen Personendarstellungen zu. Im unten gezeigten Beispiel sehen wir rechts das Restaurant «Zur Brücke» beim Murgübergang und auf der Strassenkreuzung davor viel geschäftiges Volk. So wie bei manchen anderen Zeichnungen auch, wo nicht selten ein regelrechtes Gewusel herrscht. Der Reiter hoch zu Ross misst auf der Originalzeichnung 11mm. Das Paar dahinter 7mm. Die beiden Personen mit Milchbrenten auf dem Rücken sind 5mm gross gezeichnet und der Knabe vor ihnen mit dem Milchstosskarren 3mm. Schön herausgearbeitet sind auch die beiden Frauen rechts mit ihrer Kleidung oder die Mutter mit Kind und Schultertuch. Alles im Millimeterbereich. Folgen wir schliesslich mit unserem Blick der Strasse entlang in den

Hintergrund, finden sich auch dort noch Fussgänger. Kaum mehr 2mm gross; nicht in allen Details dargestellt, aber als solche immer noch gut erkennbar. Berkmüller schafft es, mit wenigen Andeutungen Körperhaltung und Bekleidung zu suggerieren, ohne sich an Einzelheiten lange aufzuhalten. Es ist gut vorstellbar, dass er manchmal ein Vergrösserungsglas zu Hilfe nahm. Und wie war das wohl mit dem Licht? Tagsüber hat er in seinem Kontor in der Weberei gearbeitet. Aber abends zu Hause? Stellte er ein Öllicht auf den Tisch oder hing an der Decke eine Petrollampe? Oder zeichnete er etwa bei Kerzenlicht? Die grosse Meisterschaft Berkmüllers liegt unter anderem in der Feinheit seiner Strichführung. Am Beispiel der Zeichnung

Alphons Berkmüller (1802 – 1879). Wirtschaft zur Brücke Wängi mit Murgbrücke und Aadorferstrasse. Bleistift. 11.8 x 7.3 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 18. Ortsmuseum Wängi.


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59 Alphons Berkmüller (1802 – 1879). Pollegio (Tessin) Bezirk Livinen. Bleistift. 19.0 x 12.4 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 124. Ortsmuseum Wängi.

«Pollegio im Livinental» (Leventina im Kanton Tessin) bewundern wir diese Meisterschaft ein weiteres Mal. Das Buschwerk und die Bäume, die Spiegelungen im Wasser, der umlaufende Fries am Tempel, die zarten Wolken am Himmel; man findet aus dem Staunen nicht heraus. Dass die beiden Wanderer gerade hier eine Rast einlegen, erscheint uns verständlich. Wer übrigens heute nach diesem paradiesischen Ort Pollegio sucht und kurz vor Biasca rechterhand aus dem Zug blickt, sieht nichts als einen gewaltigen Granit-Steinbruch. Ob Berkmüller einmal vor Ort war, darf bezweifelt werden. Auch die genaue Lage des kleinen Sees mit dem antikisierenden Tempelchen ist aus heutiger Sicht unklar. Der Tessin als Fliessgewässer kommt nicht in Frage. Zu ruhig liegt die Wasseroberfläche da. Vielleicht haben wir es mit einem romantisch erträumten Paradies zu tun, welches er mit grösster

Sorgfalt und akribischer Präzision zu Papier gebracht hat. Und dafür lieben wir ihn. Auch dass das Tempelchen, hätte es denn bestanden, zweifellos aus Marmor gebaut gewesen wäre, da Granit sich wegen seiner Härte nicht geeignet hätte und es daher eher schlecht in die Gegend passt, wen stört das schon. Eines Tages verhalf eine Wängemer Sammlerin dem Ortsmuseum zu einer kolorierten Zeichnung, angeblich von Berkmüller. Sie hatte diese bei Freunden entdeckt und ihnen geraten, das Werk dem Ortsmuseum mit seinem Berkmüller Bestand zu vermachen. Aber, ist das Berkmüller? Nach ein paar durchaus zutreffenden Übereinstimmungen wie Format, Technik, Gestaltung des Pflanzenbewuchses im Vordergrund und wohl auch Entstehungszeitraum tauchen Bedenken auf. Nach allem, was wir nun bereits


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in Bezug auf die Darstellung der Personen bei Berkmüller gesehen haben, zeigt dieser bayrische (?) Jäger keinerlei Ähnlichkeiten mit einem andern Berkmüller Werk. Seine Grösse und seine Körperhaltung sind ganz und gar untypisch. Berkmüller hat sich nie daran gewagt, einen menschlichen Körper so gross darzustellen, dass dessen Proportionen einfach stimmen mussten. Schon gar nicht in derart anspruchsvoller Position wie beim Jäger, welcher sich leicht seitwärts an einen

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Unbekannter Meister. Bayrischer (?) Jäger. Vermutlich Mitte 19. Jahrhundert. Bleistift und Farbstift. ca. 15.0 x 20.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 149. Ortsmuseum Wängi.

Felsen anlehnt und sein rechtes Bein entspannt auf der Zehenspitze abstellt. Auch ein solches Spiel der Faltenwürfe bei Jacke, Hose und Rucksack kennen wir von Berkmüller nicht. Er hat sich übrigens, obwohl er oft Werke anderer Künstler kopiert hat, nie mit grösseren figürlichen Darstellungen befasst. Dabei waren damals zum Beispiel Trachtenbilder weit verbreitet und beliebt. 59 Die vermeintliche Berkmüller Zeichnung hat indessen durchaus ihren Reiz und wird daher im Sinne einer Kontextualisierung Berkmüllers hier abgebildet. Wir stellen uns vor, dass Berkmüller, wenn er eine neue Zeichnung in Angriff nahm, jeweils auf dem leeren Blatt die Bildeinteilung zunächst mit summarischen Bleistiftstrichen skizzierte. Dies lässt sich am folgenden Beispiel, welches aus unbekannten Gründen nie fertig gestellt wurde, schön zeigen. Zunächst setzte er den Verlauf des Horizonts und die Umrisslinien der Hügelkuppen in grosszügigen Strichen aufs Papier. Erst in einem zweiten Durchgang folgten dann die Baumgruppen und im Laufe der Vollendung, welche hier nie erfolgte, hätte er die Bäume feiner ausgestaltet, und die ursprüngliche Horizontlinie wäre praktisch unsichtbar geworden. Ähnlich ging er bei den Bäumen links im Vordergrund vor. In ihrem unvollendeten Zustand wirken sie noch recht locker hingeworfen. Alles andere als locker wirken die beiden mit Lineal gezogenen Linien beim Damm. Diese harten Linien hätte er beim Weiterzeichnen wohl noch kaschiert. Schon recht präzise hat er die Spiegelungen im Wasser festgehalten. Diese sollten wohl dereinst auf dem fertigen Bild eine zentrale Rolle spielen und die ru-


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61 Alphons Berkmüller (1802 – 1879). Neubrugg bei Wängi mit dem Webereiweiher. Bleistift. 19.0 x 11.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 92. Ortsmuseum Wängi.

hige und beschauliche Stimmung der Landschaft betonen. Bei welcher Zeichnung nun Berkmüller tatsächlich den Silberstift und wo er den Bleistift verwendet hat, ist im Einzelnen von blossem Auge kaum auszumachen. Möglich, dass er Vorzeichnungen für farbige Werke eher mit Silberstift und Schwarz-WeissZeichnungen eher mit Bleistift angefertigt hat. Bislang sind von Berkmüller ungefähr 20 Werke in Farbe bekannt. Auch im Umgang mit Farben hat er eine vergleichbare Meisterschaft entwickelt. Vor allem liebte er es, mit Pastellfarben zu arbeiten. Ölfarben hat er nicht verwendet, oder es ist nichts davon erhalten geblieben. Es lohnt sich, die wenigen farbigen Werke punkto Farbtechnik etwas genauer unter die Lupe zu nehmen.

Pastellfarben Das Malen mit Pastellstiften oder -kreiden war technisch anspruchsvoll. Ihr Reiz liegt darin, dass sie sich gut mischen lassen. Mit dem Finger oder mit einem Pinsel lassen sich Farbtöne in zartesten Nuancen abstimmen. Anspruchsvoll ist die Haftung der Pastellpigmente auf dem Papier. Zur Fixierung kann ein Fixativ aufgesprüht werden, was indessen die Farben beeinflusst und zuvor aufgetragene Feinheiten wieder zum Verschwinden bringt. Berkmüller hat seine aufgetragenen Pastellfarben mit feuchtem oder nassem Pinsel überarbeitet und so eine solide Haftung auf dem Untergrund erzielt. 60


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Die Palette an erhältlichen Pastellfarbstiften war schon damals eindrücklich breit. Dies belegt auch das vorliegende Skizzenblatt, wobei Berkmüller hier nur Farbtöne im Braun-Rot-Rosa-Bereich ausprobiert hat. Eine gewisse Vorliebe für die Verwendung von Pastellfarben hatten in der Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreiche französische Maler. Einer unter ihnen war Odilon Redon (1840 – 1916). Redon verkehrte in Winterthurer Industriellenkreisen. Die Familie Hahnloser in der Villa Flora besass zahlreiche Werke von ihm. 61 Ob Berkmüller Kon-

takte hatte nach Winterthur? Eine Weltreise wäre es von Wängi aus dorthin nicht gewesen. Eine Fahrt mit der Postkutsche via Frauenfeld nach Winterthur dauerte 1852 gerade einmal gut zweieinhalb Stunden. Holzgefasste Pastellstifte wurden, in Anlehnung an die bereits üblichen Bleistifte, schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts nachweislich in Augsburg, Berkmüllers früherer Heimat, in verschiedenen Farben hergestellt. Sie eigneten sich ausschließlich zum Zeichnen. Schreiben war schwierig, da die Pastellstift-Farben zu leicht verwischbar waren

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Farbversuche mit Pastellkreiden auf einem Skizzenblatt. Ohne Datierung. Ohne Signatur. BmKat. Nr. 161 (Rückseite von BmKat. 154). Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Aus dem Bayrischen. Bleistift und Farbstift. Breitoval 27.2 x 19.6 cm. Mit Signatur: «A.B. Aus dem Bayrischen». Mit Datierung: «1863». Der strichweise Farbauftrag der Farbstifte ist vor allem im Wasser im Vordergrund gut zu erkennen. BmKat. Nr. 113. Ortsmuseum Wängi.


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und sich zudem kaum feine Striche ziehen liessen. Die Stifte liessen sich wegen der Brüchigkeit der Mine nur schlecht spitzen und stumpften rasch ab. Auch bei seinem Bild «Die Handek (Ct. Bern)» sieht man sehr schön, wie er seine Stifte flächig einsetzt und so sehr zarte Farbübergänge schafft. Wie zur Bestätigung seiner Technik setzt er den Hinweis darunter: «Farben=Bleistift Zchg».

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Die Handek (Ct. Bern). Farbstift und Bleistift. 13.8 x 19.1 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 139. Ortsmuseum Wängi.

Aquarell Die Aquarellmalerei ist eine seit alter Zeit gebräuchliche Technik. Während sie zunächst vor allem in Entwürfen und Vorstudien anzutreffen war, gewann sie mit der Zeit an eigenständiger Bedeutung. Vor allem im 18. Jahrhundert emanzipierte sich die Malerei mit wasserlöslichen Farben vom blossen Kolorieren von Zeichnungen zur eigenständigen Technik. Im 19. Jahrhundert gelang ihr im Zusammenhang mit der einsetzenden Freiluftmalerei ein Durchbruch. 62

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Entré du village de Stettfurt vers le Sonnenberg. Aquarell. 14.6 x 17.8 cm Mit Signatur: «nach der Natur v. A.B.». Mit Datierung: «1859». BmKat. Nr. 148. Reproduktion mit Genehmigung des Historischen Museums des Kantons Thurgau. Inv.Nr. T 2798.

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Leider sind von Berkmüller nur wenige Aquarelle bekannt. In seinem Blatt «Entré du village de Stettfurt vers le Sonnenberg» erkennen wir indessen seine ganze Meisterschaft auch in dieser Technik. Vor allem das Blattwerk des Baumes links im Vordergrund ist mit einer verblüffenden Leichtigkeit und Lebendigkeit hingetupft und fügt sich mit grosser Selbstverständlichkeit in den Farb­ kanon der ganzen Darstellung. Den Widerspruch zwischen der Bemerkung «nach der Natur», welche impliziert, dass Berkmüller das Aquarell auf eigene Initiative gemalt hat und dem fehlerhaft abgeschriebenen französischen Titel (Entrée), welcher eher auf die Kopie eines bestehenden Blattes hinweist, lassen wir einmal stehen. Auf dem nächsten Blatt dominiert zunächst die Bleistiftzeichnung. Die Farbe verleiht der zunächst monochromen Zeichnung nachträglich ein gewisses Gewicht. Ob er seine Zeichnung bereits draussen in der Natur oder erst zu Hause mit Farbe koloriert

hat, bleibt offen. Vermutlich eher letzteres. Auffällig ist, dass er einige seiner Aquarelle in für ihn vergleichsweise grossen, querovalen Formaten anfertigt. Er hebt sie gewissermassen aus der Menge seiner kleinformatig rechteckigen Bleistiftzeichnungen heraus und verleiht ihnen dadurch etwas Wert- und Würdevolles. Der Frage, was es damit auf sich haben könnte, wollen wir etwas später noch nachgehen.

Schaben und Kratzen Auch die nachträgliche Überarbeitung der Bleistiftzeichnung mit Weiss beherrschte Berkmüller meisterlich. Dabei ging er auf unterschiedliche Art vor. Entweder kratzte er zum Schluss mit der Nadel das Schwarz des Bleistifts weg, so dass der weisse Untergrund wieder zum Vorschein kam. Auf diese Weise liessen sich Konturen bei Bäumen oder Sträuchern verstärken oder bei Wiesen feinste Schraffuren setzen. Bei flächigen Lichteffekten nahm er sein Radiermesserchen zu Hilfe und schabte den weissen Untergrund Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kirche Wängi mit katholischem Pfarrhaus und Kapelle. Vor dem Umbau von 1866. Aquarell über Bleistift. 14.0 x 9.5 cm. Mit Signatur: «nach der Natur v. A.B.» Mit Datierung: «1863». BmKat. Nr. 62. Unter Glas. Alt gerahmt. Evangelische Kirch­ gemeinde Wängi. Reproduktion mit Genehmigung.


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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Vevey. Rue d’Italie. Bleistift mit Farbstift und Weiss. Masse unbekannt. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 98. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980. Die Überarbeitung einer winterlichen Bleistift­ zeichnung mit Weiss ist zwar naheliegend. Man kann hier indessen schön sehen, wie Berkmüller zum Teil Weiss mit dem Pinsel aufträgt (Dächer) oder einfach kratzt (Geäst).

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Schloss Lommis. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 36. Ortsmuseum Wängi. Auch bei sommerlichen Sujets modelliert er mit Weiss bestimmte Häuserfronten und bringt so ein Licht-Schatten-Spiel auf die Baukörper, das ihnen Volumen verleiht.

wieder ganz oder teilweise frei. So setzte er etwa Hauswände ins Licht. 63 Die Darstellung des Schlosses Lommis erscheint durch diese nachträgliche Bearbeitung der westorientierten Fassaden ausgesprochen plastisch, und die Gebäude wirken dominant und trutzig. Der so inszenierte Lichteinfall setzt sich in den Baumkronen fort, deren Konturen ebenfalls mit der Kratz- oder Schabtechnik überarbeitet sind. Ein weiteres Beispiel für diese Technik ist auch die Darstellung «Jakobsbad». Es ist Sommer. Kurgäste, vorwiegend Damen aus der Stadt, promenieren in langen Roben und mit Sonnenschirmchen in der milden Nachmittagssonne. 1891 wurde das Bad geschlossen. Otto Bischof, ein direkter Nachkomme der Besitzerfamilie, erinnert sich noch an den Badebetrieb: «Das Wasser wurde vom mächtigen Holzturm, worin sich eine Pumpe befand,

in einer hölzernen Düchelleitung nach dem Badehaus geleitet. Dort wurde es in einem Behälter aufgespeichert. Von diesem aus konnte ein grosses Kessi gefüllt werden, in welchem das Wasser auf die Temperatur erhitzt wurde, die den Badenden am zuträglichsten war. Vom Kessi aus wurde das warme Wasser drei Badekammern zugeführt, in denen zirka zehn hölzerne Badetröge standen. In diesen Badekammern spielte sich beim gemeinschaftlichen Bade ein fröhliches Badeleben der guten alten Zeit ab.» 64 Auf behutsame Weise hat Berkmüller auch hier mit Weiss gearbeitet und das Kurhaus mit seinen Dachgauben und Kaminen sauber herausgeputzt. Die Baumkronen mit ihren Licht-Schatten-Effekten heben sich vom Hintergrund ab, und auch die vorderen Reihen der Rebstöcke fangen das Sonnenlicht ein. Mit Schabmesser und Nadel hat er nachträglich Lichteffekte gesetzt, gewisse

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Jakobsbad bei Wängi. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Mit Signatur: «nach der Natur. A.B.» Mit Datierung: «1869». BmKat. Nr. 28. Ortsmuseum Wängi.

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Konturen akzentuiert und das Gebäude plastisch aus dem Hintergrund hervorgehoben. Berkmüller gelingt so eine atmosphärische Ausgewogenheit, welche in ihrer Harmonie nicht nur die Landschaft, sondern auch die dargestellten Personen mit einschliesst. Allerdings verlief dieses Nebeneinander der ansässigen, in aller Regel nicht sehr begüterten Dorfbevölkerung und einer städtischen Oberschicht, welche im «Jakobsbad» dem erholsamen Nichtstun frönte durchaus nicht immer störungsfrei. Jakob Stutz, Berkmüllers Schwager, hatte genau dafür ein Gespür und griff bereits 1839, ungefähr 30 Jahre vor der Entstehung der Zeichnung, in seinen «Briefen aus dem Volksleben» das Thema auf. Er stellte sich auf die Seite der Dorfbevölkerung und verpackte seine Kritik in eine humorvoll derbe Alltagssprache. Und diese «fliesst ihm asen küehwarm aus der Federen». Als fiktiver Gast im «Hanselibad» (vielleicht das Jakobsbad) lässt er seiner Schadenfreude freien Lauf. Er lobt die wiederum fiktive Adressatin seines Briefes

(vielleicht seine Schwester): «Da es dir in Sinn kommen ist diesen Badherrenleuten ein so feiner Fuchsstreich zu spielen, bist du mir lieber als ein ganzer Rosszug, ja noch viel lieber als ein Kämme voll Hammen und als eine Schütte voll Bohnen. Nein ich kann mich lediger Dinge gar nicht ausdrucken, wie unaussprechlich lieb du mir bist (...). Du hast mich völligerweis fast gsund gmacht und so bustber, dass ich möchte jauchzen und singen und über all Häg ausen gumpen. (...) Ich weiss schon wohar die Leut allsammen sind. Die mehrsten sind von Leuenburg (Frauenfeld und Winterthur haben Löwen in ihren Stadtwappen).» Er kommt auch auf die Gerüchte zu sprechen, dass in den damals üblichen grossen Holzzubern allerhand Dinge sich zutrugen, worüber man eher schwieg. «Ich meine aber sie (die Unsitten) greifen schon im Bad, denn es hab eine füfzgjährige, reiche Wittfrau einem jungen zwanzgjährigen Bauernknab die Eh versprochen.» 65


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Wie dem auch sei, Berkmüller hat dafür kein Auge. Auf seiner Zeichnung vom Jakobsbad geht es friedlich und gesittet her und zu. Dazu ist es «nach der Natur» aufgenommen, also wahr. Auf der Rückseite einer Zeichnung des Bades hat er ein Gedicht notiert: Lasst Kummer und Sorgen und Grillen zu Haus, Esst Braten und Kuchen und trinkt guten Wein; und badet und schröpfet und schwitzet gut aus. was gilt es, ihr werdet bald recht gesund sein.

Wir sind diesem Thema schon einmal begegnet. Auch auf dem Platz vor dem Gasthof Schäfli waren wir vom friedlichen und emsigen Dorfleben angetan, und wir haben neben all den Reisenden und den zahlreichen Dorfbewohnern die Fabrikarbeiter gesucht. Berkmüller, das steht fest, beschäftigt sich in seiner Kunst nicht mit gesellschaftlichen Bruchstellen. Wir wenden uns nun nach diesem kurzen Ausflug in sozialkritische Ebenen wieder technischen Fragen zu. Ein besonders eindrückliches Beispiel stammt aus dem Jahre 1868. Die Farben sind mit den Jahrzehnten stark verblasst. Zurück geblieben ist das nachträglich freigeschabte Weiss der Grundierung. Der ursprünglich ausgewogene Farbklang ist aus dem Gleichgewicht

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Halingen. Aquarell über Bleistift. Breitoval. 23.5 x 16.5 cm. Mit Signatur: «n. d. N. aufgenommen. A.B.» Mit Datierung: «1868». BmKat. Nr. 86. Privatbesitz. Reproduktion mit Genehmigung.

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In der extremen Vergrösserung sind mit einiger Übung die Schabspuren deutlich zu erkennen. Der dunkle Streifen links unten ist die Blattdicke. Im oberen Drittel sind die Vergrösserung des Korns der Grundierung und die aufgetragenen Bleistiftspuren zu sehen. Der helle Streifen dazwischen ist der Rand, welchen Berkmüller mit einem Radiermesser sauber geschabt hat. Die parallel laufenden Schabspuren sind zu erkennen.

geraten. Das Werk hat seinen ästhetischen Reiz verloren. Es ist auf seinen dokumentarischen Wert (Gebäude, Landschaft, Heuet) reduziert. Zum Schluss noch eine letzte Beobachtung im Zusammenhang mit Berkmüllers Schabtechnik. Bei vielen seiner Bleistiftzeichnungen hat er aussen einen schmalen Rand belassen. Die genaue Betrachtung mit Streiflicht und Lupe zeigt nun, dass das mit dem «Rand belassen» nicht ganz zutrifft. Nach der Fertigstellung der Zeichnung war das Blatt bis zum Rand vom Bleistiftstaub, etwa vom Schaben, oder aber vom Festhalten, beschmutzt. Berkmüller zog daher mit dem Lineal einen feinen Bleistiftstrich rund um die Zeichnung. Den freibleibenden, je

nach dem zwei bis vier Millimeter breiten Rand schabte er hernach mit dem Radiermesser wieder schön weiss. 66 Wer’s weiss, kann die Schabspuren schwach erkennen.

Stil Eine eigenständige Landschaftsmalerei hat sich mit dem Ende des 18. Jahrhunderts eben erst herausgebildet. Berkmüller macht die damit verbundene Abwendung von der bisherigen Portrait- und Interieurmalerei mit. So sind von ihm denn auch keine Portraits bekannt. Ob er sich bewusst von der traditionellen Portrait- und Interieurmalerei abwendet oder ob ihn das Zeichnen


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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Dorfstrasse Wängi mit Wohnhaus Berkmüller. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 38. Ortsmuseum Wängi.

von Menschen – selbst aus seiner nächsten Umgebung – einfach nicht interessiert hat, bleibt unklar. Tatsache ist: Er hat weder sich selbst noch seine Frau oder seine Tochter portraitiert. Auch bei Auftragsarbeiten hat er sich stets auf die Darstellung der Gebäude beschränkt. Besitzer oder Bewohner derselben lässt er weg. Das gilt selbst für die Zeichnung seines eigenen Hauses an der Dorfstrasse. Auch wenn auf der Treppe vor der Haustüre eine weibliche Person zu erkennen ist; dass es sich dabei um seine Frau handeln könnte, bleibt der Interpretation der Betrachterin oder des Betrachters überlassen. Dort, wo er seine Zeichnungen mit Figuren bevölkert, handelt es sich durchwegs um Stereotypen wie etwa dem Pfarrer, dem

Offizier oder einem Soldaten. Alle eindeutig erkennbar an ihren Attributen. Der Mann mit Mantel, Zylinder und Gehstock ist der Pfarrer, der Uniformierte hoch zu Ross und Federbusch ist ein Offizier und der Fussgänger in Uniformrock samt Tschako, Tornister, Säbel und Gewehr ist ein Soldat. Nie sind bestimmte und im Dorf bekannte Individuen gemeint. Zwar könnte der stolze Reiter durchaus der Herr «Lieutenant» von der Dorfstrasse 67 sein. Aber geradeso gut kann es sich um einen fremden Reiter auf der Durchreise handeln.


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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Katholisches Schulhaus Wängi. Bleistift. Ausschnitt vergrössert: Pfarrer oder Inspektor mit Zylinder, langem schwarzem Gehrock, weissem Bart (?) und Gehstock BmKat. Nr. 6. Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). In Waengi (Unterdorf). Bleistift. Ausschnitt vergrössert: Offizier auf Pferd in Uniform mit Epauletten, auf dem Kopf Federbusch. BmKat. Nr. 5. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.

An einer Auseinandersetzung mit dem charakteristischen Aussehen bestimmter Zeitgenossen, wie es die Portraitmalerei erfordern würde, liegt ihm wenig. Ausnahme bildet eine kleine Skizze eines Männerkopfes im Profil auf einem Stück Papier. Ob es sich dabei aber lediglich um eine Fingerübung oder um die Vorstudie zu einem späteren Portrait handelt, ist unklar. Mit seinen krausen Locken und dem Backenbart sowie der neckischen Fliege am Kinn erinnert der Kopf an einen eher südlichen Menschentyp. Man denkt spontan an einen der ersten Gastarbeiter in der Weberei. Bis 1881 tauchen aber in der Arbeiterliste der Weberei, wo auch die Herkunft

Alphons Berkmüller. (18021879). In Waengi (Unterdorf). Bleistift. Ausschnitt vergrössert: Soldat zu Fuss in Uniform, mit Tornister, Säbel und Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett, auf dem Kopf Tschako. BmKat. Nr. 5. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.

der Personen verzeichnet ist, fast durchwegs Deutschschweizer Namen auf. Vornehmlich aus der nahen Thurgauer Umgebung. Dazu ein paar Namen aus dem Aargauischen. Leute aus dem Ausland, etwa aus dem Bayrischen wie Berkmüller selber oder aus dem niederländischen Hilversum, sind seltene Ausnahmen. Erst 1893 taucht ein erster italienischer Name auf: Alois Dapra aus dem Tyrol. Er arbeitete als Cardeur vom Juli 1883 bis April 1884 in Wängi. Aber da lebte Berkmüller schon nicht mehr. Wir wissen also nicht, wen Berkmüller da skizziert hat. Wir wissen nicht einmal, ob ihm eine tatsächlich lebende Person Modell gesessen hat. Auf alle Fälle ist ein entspre-


Sein Oeuvre – eine Einordnung

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Männerkopf im Profil. Ausschnitt aus einem Skizzenblatt. Bleistift. Ohne Signatur und Datierung. BmKat. Nr. 87. Ortsmuseum Wängi.

chendes Originalportrait bislang nicht aufgetaucht. Auch ist von Berkmüller lediglich ein einziges Stillleben erhalten. Und auch dies etwas zufällig auf einem Stück Papier, zusammen mit dem eben erwähnten Männerkopf. Der kaum entzifferbare Zweizeiler darunter stammt wohl von Berkmüllers Frau Katharina. Dass Berkmüller ein Autodidakt gewesen sein muss und sich das Zeichnen selbst Korrekte perspektivische Darstellung eines Hauses mit Augenlinie und Fluchtpunkten.

Fluchtpunkt 1 Augenhöhe

Fluchtlinien Fluchtpunkt 2

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Skizzenblatt mit Stillleben mit Tabakpfeife und Tabakbeutel. Aquarell. 12.5 x 8.5 cm. Ohne Signatur und Datierung. BmKat. Nr. 87. Ortsmuseum Wängi. Zweizeiler unten: «Mit Frohsinn schmauche deine Pfeife / Dass Kummer nie dein Herz ergreife.»

beigebracht hat, haben wir bereits festgestellt. Er hat keine Kunstausbildung genossen. Zu einer solchen hätte nämlich unter anderem die souveräne Beherrschung der perspektivischen Darstellung gehört, was ins Basis-Curriculum jeder Mal- und Zeichenschule gehört. In Berkmüllers Werk gibt es aber eine ganze Reihe von Zeichnungen, wo wir Betrachterinnen und Betrachter irritiert hängen bleiben und uns fragen, wie das nun mit den Fassadenverläufen wirklich gewesen sein muss. Die Zentralperspektive lehrt, dass die in Wirklichkeit sich nach hinten entfernenden parallelen Kanten und Linien eines rechtwinkligen Körpers (z.B. eines Hauses) dem Betrachter verkürzt erscheinen und in einen Punkt zusammenlaufen. Bei der Darstellung eines schräg zum Betrachter stehenden Gebäudes wird zunächst eine Augenlinie auf der Höhe des Betrachters festgelegt. Dann werden die Linien der Fassaden nach links und rechts in Fluchtpunkte auf dieser Au-

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Sein Oeuvre – eine Einordnung

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Schäfliplatz Wängi mit Gasthof Schäfli. Bleistift. Ausschnitt mit perspektivisch verzeichnetem Wegweiser. BmKat. Nr. 5. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980. Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Schönenberg bei Wängi. Bleistift. Ausschnitt mit perspektivisch verzeichneter Darstellung der Fassaden. BmKat. Nr. 58. Ortsmuseum Wängi. Berkmüller zeigt zunächst gerne eine Fassade in Frontalansicht. Dann bleibt ihm allerdings kein Platz für die nach hinten weichenden Seitenwände. Fügt er diese dann doch noch an, folgen sie nicht mehr den Gesetzen der Zentralperspektive und wirken irgendwie verwürgt.


Sein Oeuvre – eine Einordnung

genlinie zusammengeführt. Die Skizze auf Seite 71 zeigt uns exemplarisch die korrekte Wiedergabe eines Hauses. Auch wenn zeichnerische Unbeholfenheiten durchaus charmant wirken können und wir sie dem Buchhalter Berkmüller nicht um die Ohren schlagen wollen, so interessieren uns doch ein paar Beispiele. Hat uns nicht der Wegweiser auf der Zeichnung vom Schäfliplatz gleich zu Beginn schon irritiert? Wohin genau weisen nun die beiden Tafeln? Fallen die gleich zu Boden? Auch der Gasthof «Schönenberg» erscheint bei genauerer Betrachtung arg ver-

zeichnet. Seine nach hinten laufende Eingangsfassade mit der Freitreppe weicht nach rechts aus. Und der Schopf links verschwindet nach hinten förmlich in der Erde. Berkmüller zeigt zunächst gerne eine Fassade in Frontalansicht. Dann bleibt ihm allerdings kein Platz für die nach hinten weichenden Seitenwände. Fügt er diese dann doch noch an, folgen sie nicht mehr den Gesetzen der Zentralperspektive und wirken irgendwie verwürgt. Ein weiteres eindrückliches Beispiel eines perspektivischen Irrtums zeigt die Zeichnung «Obertuttwil». Da das Gebäude aus dem 18. oder 19. Jahrhundert heute noch steht, lassen sich die Dachverläufe eindeutig verifizieren. Die Berkmüllersche Darstellung der Dachverläufe wirkt reichlich gequält. Eine Prüfung zusammen mit der kantonalen Denkmalpflege anhand alter Fotos hat ergeben, dass die Dachflächen des sogenannten Quergiebels nicht gerundet waren, sondern gerade verliefen. Offensichtlich hat Berkmüller das Dach etwas zu gross gezeichnet und diesen Fehler nur noch mit einer Rundung des seitlichen Dachabschlusses beheben können. Zudem setzt die rechte Dachhälfte erst oberhalb der Dachtraufe und damit auch zu weit hinten an, während die linke korrekt auf dieser aufliegt. 68

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Obertuttwil. Bleistift. Ausschnitt mit perspektivisch verzeichneter Dachkonstruktion. Der aufgesetzte Quergiebel wirkt im Vergleich zum zweistöckigen Unterbau auch zu mächtig. BmKat. Nr. 32. Ortsmuseum Wängi.

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Sein Oeuvre – eine Einordnung

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kronen­ scheune Wängi mit Blick Richtung Tuttwilerberg. Bleistift. BmKat. Nr. 16. Ortsmuseum Wängi. Ausschnitt mit der fragwürdig wiedergegebenen Riegel­ fassade des Restaurants Frohheim.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Weberei Wängi. Bleistift. Ausschnitt mit der fragwürdig wiedergegebenen Riegelfassade. BmKat. Nr. 25. Ortsmuseum Wängi. Vorne die Wilerstrasse. Später VOLG-Laden vis à vis der Bahnstation. Im Jahre 2010 im Zusammenhang mit den Neugestaltung der Strassenkreuzung abgebrochen.

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Auch die getreue Wiedergabe der Fassaden von Riegelbauten scheint ihm weniger wichtig gewesen zu sein. Es gibt in seinem Werk neben korrekten Abbildungen doch ein paar Beispiele, wo man nur staunt ob der Anordnung der Holzkonstruktionen. Natürlich hätte er es gekonnt. Aber irgendwie haben ihn diese konstruktiven Einzelheiten nicht interessiert und er hat die Balken etwas gar zufällig in die Fassaden gesetzt. Bei sei-

ner sonstigen Detailversessenheit eigentlich erstaunlich! Auf einem Aquarell der Klosteranlage Tänikon fällt besonders die Signatur auf. Die Initialen AB sind im Aquarell selbst am untern Rand auf einem Stein angebracht. Die beiden Buchstaben sind zudem miteinander verbunden. Das erinnert uns spontan an die Signaturen früherer Meister. Auf dem Blatt «Johannes, das Buch verschlingend»


Sein Oeuvre – eine Einordnung

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kloster Tänikon. Bleistift. Ausschnitt mit der Signatur «AB» (Alphons Berkmüller) auf einem Stein im Bild. BmKat. Nr. 85. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion nach Diapositiv 1980.

Albrecht Dürer. (1471 – 1528). Signatur «AD» (Albrecht Dürer) auf einem Stein im Bild. Ausschnitt aus «Johannes, das Buch verschlingend». 1498.

aus dem Zyklus «Die Apokalypse» von Albrecht Dürer (1471 – 1528) findet sich eine ähnlich platzierte Signatur. Das kann Zufall sein. Oder hat Berkmüller das Blatt Albrecht Dürers gekannt und an der Signatur Gefallen gefunden? Eine interessante Frage ist, mit welcher Hand Berkmüller gezeichnet hat: links oder rechts? Man kann dies an den Schraffuren ablesen. Rechtshänder schraffieren normaler­weise von rechts oben nach links unten, Linkshänder dagegen von links oben nach rechts unten. Vor allem die Schraffuren im Wiesengelände auf den beiden folgenden Zeichnungen ganz im Vordergrund weisen diese für Linkshänder typische Strichrichtung auf. Wir schliessen unsere Spurensuche nach dem unverwechselbaren Stil Berkmüllers ab mit der Frage, ob, und wenn ja, inwiefern sich seine Arbeiten im Verlaufe seines Künstlerlebens entwickelt haben. Zu diesem Zweck greifen wir aus seinem Oeuvre zwei vergleichbare Zeichnungen heraus, welche zeitlich möglichst weit auseinander liegen und mit Sicherheit datiert werden können:

Eine Ansicht der Fabrikgebäude der Spinnerei samt Weberei mit dem Dammbühl im Hintergrund und eine Dorfansicht mit Blick gegen den Sonnenberg. Die Zeichnung der Fabrikanlage stammt aus dem Jahre 1848. Zwar hat Berkmüller sie nicht selbst datiert, aber eine von einem unbekannten Kupferstecher hergestellte Kopie trägt den Titel «Spinnerei und Weberei in Wängi um 1848». 69 Es handelt sich dabei mit grosser Wahrscheinlichkeit um einen Auftrag der Fabrikbesitzer. Die Weberei wurde bekanntlich 1823 geründet; 1848 konnte also das 25jährige Jubiläum gefeiert werden. Die Kupferstiche wurden wohl als Aufmerksamkeit an die Kunden verschenkt. Berkmüller war also 46 Jahre alt, als er die Zeichnung mit der Fabrikanlage anfertigte. Die Dorfansicht von Wängi ist von Berkmüller selbst auf 1874 datiert. Er zählte nunmehr bereits 72 Jahre. Die beiden Werke liegen demnach 26 Jahre auseinander, ein halbes Künstlerleben.

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Sein Oeuvre – eine Einordnung

76 Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Haus Isenring Weinberg Wängi. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. Die Links-Rechts-Schraffur ist auf dieser Zeichnung vor allem im Vordergrund leicht zu erkennen. BmKat. Nr. 13. Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Geburtshaus Jakob Stutz in Isikon. Bleistift. 9.5 x 6.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. Auch hier ist vor allem der Vordergrund in der für Linkshänder typischen Strichrichtung schraffiert. BmKat. Nr. 65. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion nach Diapositiv 1980.


Sein Oeuvre – eine Einordnung

77 Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Spinnerei und Weberei Wängi. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Datierbar auf 1848. BmKat. Nr. 21. Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Wängi von der Mittagsseite. Bleistift. 20.0 x 13.0 cm. Mit Signatur: «n.d.N. v. A.B.» Mit Datierung: «1874». BmKat. Nr. 145. Ortsmuseum Wängi.


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Unsere Gegenüberstellung der beiden Werke bringt Erstaunliches zu Tage! Vom Format her unterscheiden sich die beiden Werke: Das frühere misst in der Originalgrösse 7.5 x 11.5 cm und das ältere ist beinahe doppelt so gross und misst 13.0 x 20.0 cm. Beides sind Bleistiftzeichnungen und «nach der Natur» entstanden. Zwar wirkt die frühe Zeichnung insgesamt weicher als die spätere. Letztere ist, vor allem was die Häuser betrifft, bestimmter und präziser gezeichnet. Die Konturen und Linien scheinen mit spitzerem und etwas härterem Stift gezogen. Aber sonst ist Berkmüllers Handschrift in beiden Werken dieselbe. Die Motive oder Sujets sind die gleichen: Häusergruppen. Auch der Bildaufbau wiederholt sich: Im Vordergrund die für Berkmüller so typischen Hirtenszenen. Im Mittelgrund dann die Gebäude und abschliessend im Hintergrund die sanften Hügelketten. Darüber der Himmel mit leichten Schönwetterwölkchen. Der beide Male leicht erhöhte Standpunkt des Betrachters, einmal der Schlossberg und einmal die Tuttwilerstrasse nach ihrem ersten Anstieg, erlaubt einen grosszügigen Weitblick bis zu den Hügelkulissen im Hintergrund. Die hohen Pappelgruppen strukturieren den Bildraum. Die Dächer haben auf beiden Zeichnungen dieselbe Schraffur. Im Vordergrund finden wir da wie dort Hirtenszenen. Zwischen Sträuchern knabbern Ziegen an allerhand Kräutern. Beim Wiederkäuen betrachten sie von ihrer Warte aus das rege Geschehen auf den Strässchen und ihr Blick verliert sich in der Tiefe des Bildes.

Die Räume zwischen den Gebäuden bevölkert Berkmüller mit den uns unterdessen bekannten Figurengruppen wie etwa dem Bauern mit der Stosskarre oder dem Paar auf dem Heimweg von der Feldarbeit mit Sense und Rechen auf den Schultern. Hier wie dort hat Berkmüller einen Brunnen eingefügt, wo Leute ihre Wassereimer füllen. Auf den Strassen herrscht Wagenverkehr. Hier ein Bauer mit Leiterwagen und Zugochsen und dort ein Kutscher mit zweispänniger Chaise und hochgeklapptem Verdeck. Das ganze Repertoire ungebrochener Berkmüllerscher Erzähllust. Was wir auf der frühen Fabrikansicht von 1848 finden, erkennen wir auch auf der späten Dorfansicht von 1874. Berkmüller blieb über Jahrzehnte der liebenswürdige Betrachter seines Dorfes und dessen Bewohner. Er hat von Anfang bis Ende seines Schaffens seinen Stil unbeirrbar beibehalten; motivisch, technisch und künstlerisch. Epoche um Epoche hat er an sich vorbeiziehen lassen. Er ist sich selbst treu geblieben. Er hat sich weder fremden Trends angepasst noch hat er experimentiert und nach neuen Ausdrucksweisen gesucht. In diesen Zusammenhang passt die Tatsache, dass von Berkmüller praktisch keine Skizzen oder Entwürfe erhalten sind. Stilistisch nicht recht ins Bild passen will einzig sein Bild «Weierhaus». Gemalt hat er die Ansicht auf einem braunen Untergrund. Das Gebäude selbst ist ausgesprochen sorgfältig gezeichnet. Die Häuserkanten sind wohl mit Lineal gezogen, so wie wir es von ihm vor allem aus seinen späteren Werken gewohnt sind. Auch das bekannte Ringen mit der Perspektive begegnet uns hier wie-


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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Weierhaus Wängi. Aquarell über Bleistift. 15.5 x 10.0 cm. Mit Signatur: «Doktor Ammans Haus, bewohnt von Dr. Walder in Wengi. Zeichnung von A. Berkmüller». Ohne Datierung; auf 1850 anzusetzen. BmKat. Nr. 09. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion nach Diapositiv 1980.

der. Die Umgebung des Gebäudes indessen ist lediglich mit dem Aquarellpinsel locker hingetupft. Es gibt sonst in Berkmüllers Oeuvre kein vergleichbar luftig gemaltes Werk. Besonders eindrücklich ist in diesem Zusammenhang der Wagen links im Vordergrund. Mit einigen wenigen Pinselstrichen ist er mehr angedeutet als dargestellt. Die Frage, ob nun diese Art des «Non finito» dem Gestaltungswillen des Künstlers oder dem Geschmack des Auftraggebers entsprang, bleibt wohl für immer offen. Bei diesem Aquarell muss es sich um eine Auftragsarbeit für Dr. Hermann Walder handeln, welcher 1850 die Praxis seines Vor-

gängers Dr. Ammann im Weierhaus übernahm.

Berkmüller im Rahmen der Schweizer Kleinmeister Nach allem, was wir bisher festgestellt haben, ist Berkmüller keiner der erwähnten Epochen und damit keiner Kunstrichtung eindeutig zuzuordnen. Zu eigenwillig, zu beständig oder auch zu unbekümmert steht sein bildnerisches Schaffen zwischen all den grossen Kunsttrends. Unverrückt hält er sein ganzes Leben lang an seinen Sujets, an seinen Techniken und an seinem Stil fest.


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Dabei wäre die Versuchung gross gewesen. Der aufkommende Tourismus des 18. und 19. Jahrhunderts schuf in kurzer Zeit eine grosse Nachfrage nach Städte- und Landschaftsansichten. Die Schweiz geriet in den Fokus der internationalen Reisetätigkeit. Die sogenannten Schweizer Kleinmeister befriedigten den Wunsch nach Erinnerungsbildern an die erlebten Sehenswürdigkeiten. Jahrzehnte später verdrängten dann die billigeren fotografischen Ansichtskarten diesen Markt. Die Kleinmeister zeichneten Gebäude, Städte und Landschaften und nahmen dabei immer den Blickwinkel des bewundernden Betrachters ein. In einem zweiten Schritt bereicherten sie ihre wirklichkeitsgetreuen Darstellungen mit allerhand Staffagen, wie etwa reisenden Personen oder arbeitendem Landvolk. Ihre Darstellungen, in der Kunstwissenschaft auch Veduten genannt, haben oft etwas Prospekt- oder Kulissenhaftes. Sie dokumentieren einerseits eine besonders reizvolle Landschaft oder ein bemerkenswertes Gebäude, wie etwa ein Schloss oder eine Stadtansicht. Ganz im Sinne einer zuverlässig abgebildeten, wirklichkeitsgetreuen Ansicht. Der Reisende soll mit der erworbenen Vedute eine gesicherte Erinnerung mit dokumentarischer Wiedererkennbarkeit mit nach Hause nehmen und dort davon berichten können. Gleichzeitig will die Vedute aber auch als Bild wahrgenommen und verstanden werden und dem Betrachter ein Stück Reisegeschichte erzählen.

Wir haben auf unserer Spurensuche bereits verschiedentlich weit über den Wängemer Horizont hinaus geblickt. Die Zuordnung Berkmüllers zu den Schweizer Kleinmeistern erweist sich gerade auch in diesem Zusammenhang als hilfreich. Mit deren Kunst und mit deren Ausrichtung auf den europäischen Raum hat sich Berkmüller auseinandergesetzt; und sei es nur, um ihre Bilder als Vorlagen für eigene Zeichnungen zu benutzen. Wir vergleichen in der Folge eine Reihe von Zeichnungen Berkmüllers aus jenem Album, welches er seinem Arbeitgeber Johann August Stierlin gewidmet hat, mit entsprechenden Werken einiger ausgewählter Kleinmeister. 70 Deren kolorierte Stiche müssen Berkmüller beeindruckt haben. Allerdings kopierte er nicht einfach den Zeitgeschmack. Vielmehr übertrug er die Vorlagen in seine eigene Bildsprache. Dazu wählte er sehr oft kleinere Formate und verwendete in aller Regel, trotz der mit Sicherheit farbigen Vorlagen, lediglich Bleistift. Höchstens, dass er ein leicht getöntes Papier oder eine entsprechende Grundierung verwendete. Vor allem dem bis dahin noch weitgehend unbekannten Hochgebirge galt nun ein breites Interesse. Zwar ängstigten sich die europäischen Flachländer durchaus vor den harschen Bergmassiven, den schroffen Felswänden, den eisigen Gletschern, den wilden Schluchten mit ihren ungebändigten Wasserfällen. Gleichzeitig aber erlagen sie einer bis anhin unbekannten Faszination. Die ungezähmte Gebirgswelt mit ihren – vorerst wenigstens – unerreichbaren Gipfeln, ihren menschenfeindlichen Firnen und ihren tosenden Wasserfällen gerieten zur Metapher


Sein Oeuvre – eine Einordnung

für Freiheit schlechthin. Die folgenden Bilder zeigen auf eindrückliche Weise solche Übersteigerungen der Gebirge zur «grandiosen und heroischen Alpenwelt». Wir wissen nicht, inwieweit Berkmüller die damalige Bewunderung der majestätischen Bergwelt und diese Faszination mitgetragen und selbst Wanderungen in die Berge unternommen hat.

Die folgenden Gegenüberstellungen sollen aber illustrieren, dass er mit den damals aktuellen Themen der Schweizer Kleinmeister vertraut war. Mit seinen Zeichnungen gehört er gewissermassen in ihren Kreis. Bei den ausgewählten Beispielen handelt es sich jeweils nicht um Vorlage und Kopie. Vergleichbar sind lediglich die Motive: Schroffe Gebirge, Gletscher und Wasserfälle, Seen und Schifffahrt, Gotthardmythos und Urschweiz, Hirten und einfaches Landleben.

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Alphons Berkmüller (1802 – 1879): Das Wetterhorn (Bern). Bleistift. 12.5 x 18.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 134. Ortsmuseum Wängi.

Johann Jakob Meyer (1787 – 1858): Well- und Wetterhorn von Nordosten gesehen. Tusche und Aquarell über Bleistift. 41.9 x 56.5 cm. Inv. B11065. Museum zu Allerheiligen Schaffhausen. Reproduktion mit Genehmigung.


Sein Oeuvre – eine Einordnung

82 Alphons Berkmüller (1802 – 1879): Feex-Gletscher (Graubünden) Bleistift. 12.5 x 18.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 126. Ortsmuseum Wängi.

Johann Jakob Meyer (1787 – 1858): Der Rhonegletscher von Gletsch aus. 1830. Tusche und Aquarell über Bleistift. 57.5 x 41.0 cm. Signiert und datiert. Inv. B11068. Museum zu Allerheiligen Schaffhausen. Reproduktion mit Genehmigung.


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Alphons Berkmüller (1802 – 1879). La chûte du Reichenbach (Berne). Bleistift. 13.0 x 18.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 133. Ortsmuseum Wängi.

Gabriel Lory. (1784 – 1846). Der Reichenbachfall. Aquarell über Bleistift. 31.9 x 47.5 cm. Inv. B11043. Museum zu Allerheiligen Schaffhausen. Reproduktion mit Genehmigung.

Neben den mitunter beschwerlichen Reisen ins Gebirge kamen erbaulichere See- und Städtereisen in Mode. Auch davon liess sich Berkmüller inspirieren. Als Dorfbewohner von Wängi faszinierten ihn ferne Seen und grosse Städte. Immer spielte da ein Hauch Exotik mit. Zudem regten Reiseberichte die Fantasie an: Verwunschene Seen und Schlösser in fernen Landen, Vulkane in Süditalien und Paläste im Orient. Von solchen Reise-

berichten hatte Berkmüller Kenntnis. Wir erinnern uns an sein Buch «Die Erde und ihre Bewohner», aus welchem er einen Stich kopierte. Sollte er selbst wirklich keine Reisen unternommen und weder das Gebirge noch die fernen Städte aus eigener Anschauung gekannt haben, so fühlte er sich von den fremden Welten dennoch angezogen. Er wählte seine Vorlagen mit Bedacht und kopierte sie mit Hingabe.


Sein Oeuvre – eine Einordnung

Alphons Berkmüller (1802 – 1879): Peters-Insel im Bielersee. Bleistift. 19.5 x 13.0 cm Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 120. Ortsmuseum Wängi. 84

Johann Joseph Hartmann (1753 – 1830). Vue de l’Isle St. Pierre sur le Lac de Bienne. 1787. Kolorierte Umriss­ radierung. 42.1 x 28.1 cm. Inv. B7181. Museum zu Allerheiligen Schaffhausen. Reproduktion mit Genehmigung.

Zur Übersteigerung des unverdorbenen Gebirges als «grandiose und heroische Alpenwelt» zur politischen Metapher für Freiheit schlechthin gehörte die gleichermassen romantisierte Übersteigerung des Landlebens. Bauern und Hirten fernab aller städtischen Verlockungen wurden zu Symbolfiguren eines natürlichen, unverdorbenen und freien Lebens emporstilisiert.

Inbegriffen in diesen Mythos waren Vorstellungen einer gesunden Landluft und heilender Quellen. Berkmüller hat das gewusst. Er hat ja selbst das Wängemer Heilbad Jakobs­­bad samt den städtischen Badegästen mehr als einmal in Zeichnungen festgehalten.


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Alphons Berkmüller (1802 – 1879): Göschenen. Bleistift. Breitoval 20.0 x 15.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 115. Ortsmuseum Wängi.

Unbekannter Künstler. Vue de Fameux Pont du diable sur la Reuss, au Mont St. Gothard, Canton Uri, grand passage pour aller de Suisse en Italie. Kolorierte Umriss­radierung. 25.1 x 32.4 cm. Inv. C7571. Museum zu Allerheiligen Schaffhausen. Reproduktion mit Genehmigung.


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Alphons Berkmüller (1802 – 1879): Im Berner Oberland. Bleistift. 18.5 x 12.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 123. Ortsmuseum Wängi.

Matthias Pfenninger (1739 – 1813). A Wiedicon / aux Environs de Zuric. Kolorierte Umrissradierung. 21.4 x 13.8 cm. Inv. C7912. Museum zu Allerheiligen Schaffhausen. Reproduktion mit Genehmigung.


Sein Oeuvre – eine Einordnung

87 Alphons Berkmüller (1802 – 1879): Lausanne. Bleistift. 24.0 x 16.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 143. Ortsmuseum Wängi. Gabriel Lory, genannt Lory fils (1784 – 1846). Lausanne, von Nordosten. 1806. Kolorierte Umriss­radierung. 67.8 x 44.1 cm. Inv. C7373. Museum zu Allerheiligen Schaffhausen. Reproduktion mit Genehmigung.

Wenn wir den Horizont geografisch noch etwas erweitern und über die unmittelbaren Landesgrenzen in «die weite Welt» hin­ ausschauen, so finden wir auch hier

wieder dieselben romantischen Träume mit Wasserschlössern, exotischen Inseln, rauchenden Vulkanen und orientalischen Fantasien.


Sein Oeuvre – eine Einordnung

88 Alphons Berkmüller (1802 – 1879): Laxenburg (Wien). Bleistift. 18.0 x 12.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 105. Ortsmuseum Wängi. Laxenburg war die Residenz des österreichischen Kaisers Franz II. Er liess einen englischen Landschaftspark mit künstlichen Wasserflächen anlegen und auf einer aufgeschütteten Insel ein Schlösschen in neugotischem Stil mit maurischem Einschlag errichten.

Pierre-Samuel-Louis Joyeux (1749 – 1818) und Friedrich Georg Wexelberg (um 1745 – um 1820). Le Château de Chillon en allant de Vevey à Villeneuve. Kolorierte Umrisssradierung. 48.3 x 32.9 cm. Inv. C7102. Museum zu Allerheiligen Schaffhausen. Reproduktion mit Genehmigung.


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Alphons Berkmüller (1802 – 1879): Der Aetna (Sicilien). Bleistift. 20.5 x 14.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 112. Ortsmuseum Wängi. 89

Alphons Berkmüller (1802 – 1879): Im Orient. Bleistift. 18.0 x 12.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 141. Ortsmuseum Wängi.

Reisen in andere Länder galten als soziales Prestige und blieben als kulturelle Praxis den oberen Schichten vorbehalten. Berkmüller hat als Buchhalter kaum dazu gehört. Vorstellbar ist vielmehr, dass er mit seinen Zeichnungen einem Wunsch seines verehrten Auftraggebers Georg August Stierlin nachkam. Dafür sprechen auch die Titel in französischer Sprache. Es waren nicht zuletzt französische Kupferstecher und Koloristen, welche zum einen die landschaftlichen Eigenheiten der alpinen und länd-

lichen Schweiz erkannten. 71 Zum andern sahen sie wohl auch die Möglichkeiten des damals aufkommenden Tourismus kommen und brachten in möglichst grosser Zahl eindrucksvolle Erinnerungsbilder auf den Markt. Die in Kupfer gestochenen Umrissskizzen wurden x-fach gedruckt und hernach koloriert. So wich jedes Blatt ein wenig vom andern ab und erinnerte an originale Ölbilder. Wir erinnern uns: die Fotografie kam später.


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Ausschnitt aus dem Hülfsbuch für Reisende durch die Schweiz mit Abbildungen von Gasthöfen von J. J. Leuthy. 1840. Faksimiledruck. Auf der Textseite links sind die Sonne in Tägerwilen und der Bären in Uttweil beschrieben. Die Abbildung rechts zeigt das Gasthaus zum Ochsen in Wagenhausen bei Stein am Rhein. Die Darstellung orientiert sich an der Vedutenmalerei des 19. Jahrhunderts und zeigt kulissenartig den Gasthof vor dem Schloss Hohenklingen. Auf dem Platz davor beobachten neugierige Jugendliche aus dem Dorf einige städtisch gekleidete Reisende, welche soeben einer vornehmen Droschke entstiegen sind.

Zum Schluss nur noch kurz dies: Berkmüllers gleich im ersten Kapitel erwähnte Darstellung des Schäfliplatzes in Wängi mit dem stattlichen Gasthof und den verschiedenen Reisenden zu Pferd oder in Droschken erinnert sehr stark an die in der damaligen Zeit aufkommenden Reiseführer. Ein besonders frühes Beispiel ist das «Hülfsbuch für Reisende» von J.J. Leuthy aus dem Jahre 1840. 72 Einen kleinen Ausschnitt daraus haben wir bereits eingangs mit dem Bericht über den Gasthof Engel im Nachbardorf Münchwilen kennen gelernt.

Wenn wir abschliessend zurückkommen auf unsere zweite Frage, nämlich was die Faszination Berkmüllers heute noch ausmacht, zeigen diese wenigen Vergleiche mit den Werken einiger Vertreter der Schweizer Kleinmeister: Es ist die Bewunderung der ungezwungenen Natur. Und es ist die Möglichkeit zu reisen und unbekannte Orte und Länder zu entdecken. Ungezwungenheit, Selbstbestimmung und erweiterte Horizonte werden zu Sinnbildern für den neuen Menschen. Indem Berkmüller solche Sujets übernimmt, sprengt er seinen Horizont eines


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Wängemer Spinnerei- und Webereibuchhalters. Er wird Teil eines grossen Traums. Und diesen Traum nachzuvollziehen, fällt uns nicht schwer. Auch wenn seither gut 150 Jahre vergangen sind. Diese – durchaus politisch zu verstehende – Seite seines Wesens wird noch viel deutlicher, wenn wir uns in einem folgenden Kapitel mit seiner chormusikalischen Seite befassen.

Seine Bedeutung aus unserer Sicht Sucht man nach der eigentlichen Bedeutung Berkmüllers für unsere Zeit, so lassen sich verschiedene Aspekte finden. Zunächst ist Berkmüller Chronist. Als solcher hält er bauliche Entwicklungen im Dorf und seiner Umgebung während seiner Lebenszeit fest. Man kann ihn auch als Romantiker sehen. In seinem Werk finden sich zahlreiche Hin-

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kirche Wängi vor dem Umbau von 1865. Bleistift. 9.7 x 6.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 02. Ortsmuseum Wängi.

weise auf einen romantisch verklärenden Zeitgeist. Darüber hinaus haben wir Berkmüller bereits als begnadeten Erzähler kennen gelernt. Er berichtet in seinen Werken über Lebensart, Gewohnheiten und Alltag der Leute in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Erstaunlich dann, dass er sich trotz seiner oft etwas verklärten Sichtweise als ein uneingeschränkter Bewunderer moderner Technik zu erkennen gibt. Blitzableiter und Telegrafenleitungen faszinieren ihn. Nach all diesen künstlerischen Aspekten gibt es Hinweise, dass Berkmüller durchaus Geschäftssinn bewies. Für einen Buchhalter eigentlich verständlich.

Chronist Berkmüller hat über die Jahre hinweg einige markante Gebäude mehrmals gezeichnet. Dabei hat er nicht einfach sein Frühwerk kopiert. Er hat die Gebäude im neuen, unterdessen veränderten Zustand ge-

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kirche Wängi nach dem Umbau von 1865 – 1868. Bleistift. 14.0 x 9.5 cm. Mit Signatur: «AB». Mit Datierung «1869». BmKat. Nr. 50. Ortsmuseum Wängi. Deutlich zu erkennen sind die Verlängerung des Schiffs, der neu eingefügte Quergiebel, der Chor gegen Osten sowie die Anordnung der Fenster.

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zeichnet. Dadurch erhalten wir eine Art Bilderchronik. Er führt gewissermassen Buch. Das dürfte ihm als Buchhalter nicht schwer gefallen sein. Anhand von ein paar wenigen Beispielen lässt sich das schön aufzeigen. So hält Berkmüller mit seinen Darstellungen von ganzen Häusergruppen den aktuellen baulichen Entwicklungsstand des Dorfes fest. Einige der alten Bauten prägen bis heute das Dorfbild. Auf Grund eines Situationsplans von Friedrich Albrecht aus dem Jahre 1855 wissen wir auch, wer in den jeweiligen Gebäuden gelebt hat. Auch wenn

es sich bei diesem Plan eher um eine Zeichnung handelt und Gebäude und Strassen nicht massstäblich dargestellt sind, so erlaubt sie doch einen ungefähren Einblick in die Situation rund um den Dorfplatz von Wängi-Oberdorf. Ernst Wiesmann beschreibt in seinen Kommentaren zur Sammlung alter Lichtbilder eine Zeichnung Berkmüllers mit der Kirche und einigen umgebenden Gebäuden 73: «Links im Bild zu sehen das ehem. Wirtshaus ‹Adler›, dahinter, im heutigen evangelischen Friedhof, zwei Häuser, die

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kirche Wängi. Bleistift. 14.0 x 9.5 cm. Signatur und Datierung: «18AB68 nach der Natur». BmKat. Nr. 03. Ortsmuseum Wängi. Die Häuser rund um die Kirche bilden zusammen mit dem Weierhaus den Dorfkern von Wängi-Oberdorf. Am Haus Adler links im Vordergrund ist an der vorderen Ecke das Wirtshausschild zu erkennen.


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1870/71 teils abgebrochen, teils ins Hinterdorf versetzt wurden (Eckhaus Froheggstrasse – Stettfurterstrasse 2). Rechts das evangelische Pfarrhaus mit angebautem Messmerhaus. Das evangelische Pfarrhaus wurde 1849 gebaut. Ursprünglich diente es als Metzgerei (Gublerhaus. Friedensrichter J.J. Gubler). Als 1858 evangelisch Wängi einen eigenen Pfarrer erhielt, wurde es von der evang. Kirchgemeinde erworben und als Pfarrhaus bestimmt. Diesem Zweck diente es bis 1935, da ein stattliches Pfarrhaus bezogen werden konnte. Im Frühjahr 1936 wurde es dann niedergerissen. Ursprünglich war dem (alten) evang. Pfarrhaus als unliebsames Anhängsel noch das Messmerhaus angebaut, das aber 1881 abgebrochen wurde. Pfarrer Spiller hatte durch die Trunksucht des Messmers und durch den Lärm seiner Hühner viel Ärger und drohte fortzugehen. Durch die Niederlegung des alten Pfarrhauses sowie auch durch den 1890 erfolgten Abbruch des Egg’schen Hauses, das mitten im

«Situationsplan» mit Gebäuden rund um den Dorfplatz Wängi-Oberdorf aus dem Jahre 1855. Gezeichnet von Friedrich Albrecht. Original unbekannt. Foto im Ortsmuseum Wängi.

heutigen evang. Friedhof stand, kam unsere schöne alte Kirche mit dem typischen Käsbissenturm erst recht zur Geltung.» Zum Schluss noch eine Dorfansicht von Berkmüller aus dem Jahre 1863. Im Vergleich dazu eine Ansichtskarte ungefähr aus dem Jahre 1910. Zwar ist der Standort des Betrachters nicht ganz derselbe, und zwischen den beiden Aufnahmen liegen knapp 50 Jahre. In dieser Zeit erfolgt der bauliche Zusammenschluss zwischen Ober- und Unterdorf. Im Vordergrund 93 Plankopie von Ernst Wiesmann für den Schulunterricht aus der Zeit um 1950. Der Ausschnitt aus der Karte von J.J. Sulzberger aus den Jahren 1826 – 1836 zeigt noch sehr deutlich die Zwei­ teilung von Wängi in ein Oberdorf rund um Kirche und Weiherhaus und ein Unterdorf am Murgübergang, damals noch eine Furt. Das kleinere der zwei eingerahmten Gebäude zwischen den beiden Dorfteilen ist das evangelische Schulhaus und ab 1869 Wohnhaus der Familie Berkmüller. Inv.Nr. G 3883. Ortsmuseum Wängi.


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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Wengi Oberdorf. Vom Dammbühl aus gesehen. Aquarell über Bleistift. 22.5 x 16.6 cm. Mit Signatur und Datierung: «AB 1863». BmKat. Nr. 152. Ortsmuseum Wängi. Links Dorfstrasse bis Kirche. In der Bildmitte das Weierhaus. Im Hintergrund Schloss Sonnenberg.

Ansichtskarte. (um 1910). 13.7 x 8.8 cm. Lithografie handkoloriert. Edition Guggenheim Zürich. Inv.Nr. F 13. Ortsmuseum Wängi. Blick vom Schlossberg aus.


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Kolaststrasse mit unter­ dessen zu Gunsten der Raiffeisenbank abgerissenen Bauten. Dahinter die mächtige Linde; damals noch Schattenspender der Garten­ wirtschaft des Gasthauses Schäfli. Die Hausfassade mit den Doppelgiebeln und dem kunstvoll ausgeführten Dachgebälk ist das Gasthaus Schäfli. Wer genau hinschaut, entdeckt auf der Ansichtskarte überall die elektrischen Leitungsmasten und Dachständer. Die Moderne hat Einzug gehalten. Auf dem Platz vor dem Gasthofes Schäfli verläuft die Bahnlinie nach Wil.

Romantiker Wir verwenden hier den Begriff der «Romantik» im alltagssprachlichen Gebrauch als Verklärung der Realität in Richtung eines Ideals. Kunsthistorisch verstanden neigt die Epoche der Romantik zu Lebzeiten Berkmüllers ihrem Ende zu. Die bereits erwähnte Industrialisierung mit ihren gesellschaftlichen und ökonomischen Umbrüchen nagte am romantisch verklärten Weltbild. Die Romantiker flüchteten sich in die schlichten Welten des Biedermeier. Mit dem Rückzug in private Sphären gingen eine gewisse Melancholie sowie ein Hang zur idyllischen Verklärung einher. In Berkmüllers Werk finden wir zahlreiche Elemente dieser romantischen und biedermeierlichen Weltbilder. Auch er träumte das Ideal des friedlichen Land­lebens. Man geht während der Woche fleissig seiner Arbeit nach und besucht sonntags den Gottesdienst. Man hält Haus und Garten in Ordnung und umsorgt seine Tiere und Felder. Man pflegt nachbarschaftliche Kontakte über den Gartenzaun hinweg und auf der

Strasse. Die eigene Wohnung hält man vor allzu neugierigen Blicken verschlossen. Es gibt in Berkmüllers gesamtem Werk keine einzige Darstellung eines Interieurs. Nicht des eigenen und schon gar nicht desjenigen eines Nachbarn. Seine Symbole für die Darstellung dieser nichtmateriellen Botschaften wie Häuslichkeit, Friedlichkeit, Fleiss und nachbarschaftliches Auskommen sind zum Beispiel Kamine mit aufsteigendem Rauch. Dem Betrachter winkt die Illusion eines wärmenden Kachelofens. Die Suppe steht auf dem Herd, die Frau schaut zum Haushalt und wartet auf Mann und Kinder. Rundum Wärme, Geborgenheit und Gemütlichkeit. Selbst auf einem Aquarell mit einer Heuernte, also mitten im heissen Sommer, steigt im Hintergrund Rauch aus dem Kamin und vermittelt ein Gefühl von Häuslichkeit. Von besonderem Reiz sind die Szenen im Vordergrund von Berkmüllers Landschaftsdarstellungen. Bevor unser Blick in die Tiefe der Landschaft schweift und Gebäude und Dörfer, Flüsse und Hügel entdeckt, verstellen beschauliche Hirtenszenen von romantischem Liebreiz den Blick. Diese Szenen sind nicht nur für den Bildaufbau zentral, indem sie als Vordergrund das eigentliche Hauptmotiv in die Tiefe «zurückstossen». Gleichzeitig idealisiert Berkmüller so die Stimmung und verklärt sie zur Idylle. Unterschwellig schwebt immer der Traum vom antiken Mythos Arkadien mit. 74

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Haus an der Dorfstrasse Wängi. (Heute Inneneinrichtung Müller Dorfstrasse 20). Bleistift. 9.6 x 6.1 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 42. Ortsmuseum Wängi. Rauchendes Kamin.

96 Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Unbekanntes Bauernhaus. Bleistift. 9.6 x 6.1 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 44. Ortsmuseum Wängi. Rauchendes Kamin. Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Schloss Sonnenberg. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Mit Signatur und Datierung: «n. der Natur 72». BmKat. Nr. 46. Ortsmuseum Wängi. Hirtenszene mit Kühen und Ziegen im Vordergrund. Der Hüterbube rechts treibt eine Kuh vom Abhang zurück.


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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). MayolaPass (Grisons). Bleistift. 18.5 x 12.5 cm. Ohne Signatur und Datierung. Hirtenszene mit Ziegen im Vordergrund. BmKat. Nr. 117. Ortsmuseum Wängi. Berkmüller hat den Namen «Maloya-Pass» von der Vorlage falsch abgeschrieben. 97

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Schmadribachfälle im LauterbrunnenThal (Bern). Bleistift. 13.0 x 18.5 cm. Ohne Signatur und Datierung. Hirtenszene mit Ziegen und Schafen im Vordergrund. BmKat. Nr. 118. Ortsmuseum Wängi.


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98 Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Unbekanntes Bauernhaus. Bleistift. 10.4 x 7.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 43. Ortsmuseum Wängi. Der Bauer mit der Feierabendpfeife geht hinter dem Heufuder her, während die Bäuerin ihren Eimer mit frischem Wasser füllt und für Kinder und Mannsvolk das Nachtessen bereitet.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Burg Riggisberg bei Spiez. Masse unbekannt. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 77. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion nach Diapositiv 1980. Der Dorfbrunnen für Mensch und Grossvieh samt niedrigem Becken für das Kleinvieh steht prominent im Vordergrund. Eine Bäuerin füllt ihren Eimer.


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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Unbekannte herrschaftliche Gebäude. Bleistift. Masse unbekannt. Ohne Signatur und Datierung. BmKat. Nr. 75. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion nach Diapositiv 1980. Auffallend sind zunächst die akkurat ein- und abgegrenzten Grundstücke. Mitten im Anwesen rechts zwischen Herrschaftshaus und Ökonomiegebäude der eigene Pumpbrunnen, wo die Magd eben ihren Eimer füllt.

Weitere solche idyllische Elemente sind Bauern, welche nach der Heuernte hinter ihrem vollgeladenen Heufuder hergehen und zufrieden ihre Feierabendpfeife rau-

chen; oder Frauen, welche an den überall sprudelnden Brunnen Wasser holen und die frisch gewaschene Wäsche in den Wind hängen.


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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Armenhaus Neuhaus Wängi. Ausschnitt. Bleistift. Ohne Signatur und Datierung. BmKat. Nr. 40. Ortsmuseum Wängi. Ordensschwestern des Armenhauses beim Aufhängen von Wäsche.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kirche nach dem Umbau 1865 – 1868 und Oberdorf. Bleistift. Mit Signatur und Datierung: «18AB68 nach der Natur». Ausschnitt. BmKat. Nr. 03. Ortsmuseum Wängi. Wäsche an der Leine vor dem Pfarrhaus.

Obgleich die Leute auf den Zeichnungen ausgesprochen geschäftig wirken; Zeit für einen Schwatz scheinen sie jederzeit zu haben. Immer wieder zeichnet Berkmüller solche zufälligen Begegnungen auf der Stras-

se. Fussgängerinnen und Fussgänger grüssen sich und tauschen ein paar Worte aus, Reiter zügeln ihre Pferde für ein Gespräch, und Fuhrmänner halten sogar ihr Fuhrwerk an, um das Neuste zu erfahren oder zu erzählen.


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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Aadorfer­strasse mit Hof Hoepli. Bleistift. 11.7 x 7.3 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 19. Ortsmuseum Wängi. Plauderszene zwischen einem Reiter und einer Brententrägerin ganz im Vordergrund rechts.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Obertuttwil. Bleistift. 9.5 x 6.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 32. Ortsmuseum Wängi. Vor dem Gasthof schwatzen Tuttwilerinnen mit Leuten aus der Chaise. Auch auf der Treppe wird gesprochen und vor dem Brunnen nutzen zwei Personen die Gelegenheit zu einem Schwatz.

Oft sind die Leute auch zu zweit unterwegs, beim Einkauf, beim Spaziergang oder beim sonntäglichen Kirchgang. Berkmüller lässt wenn immer möglich niemanden allein seinen Geschäften nachgehen. Immer gehen

seine Protagonisten ein Stück des Weges gemeinsam. Sie plaudern, sie tauschen Neuigkeiten aus oder sind in wichtige Gespräche vertieft.

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kirche Sirnach. Bleistift. 10.0 x 6.5 cm. Ohne Signatur und Datierung. BmKat. Nr. 34. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion nach Diapositiv 1980. Die Kirchgängerinnen und Kirchgänger besuchen paarweise oder in Gruppen den Gottesdienst. Sogar die jugendlichen Zaungäste auf der Friedhofmauer sind zu zweit.

Auffallend sind zudem auf verschiedenen Zeichnungen die Reiter hoch zu Ross. In der Bauernbevölkerung war es zu jener Zeit kaum üblich, dass man ritt. Wer überhaupt ein Pferd besass, benutzte dieses als Zugtier. Ausreiten war – wenn schon – vornehmeren Kreisen vorbehalten. Inwiefern es solche in Wängi gab, bleibt offen. Zur Romantik gehören aber auch und vor allem Sujets wie Burgen und Schlösser oder Friedhöfe mit Grabkreuzen und Trau-

erweiden. Entsprechende Beispiele finden sich auch bei Berkmüller. Eine aufschlussreiche Gegenüberstellung ergibt die Zeichnung «Schloss Sonnenberg» aus dem Jahre 1872 mit einem früheren Kupferstich (siehe Seite 104). Berkmüller notiert unter seiner Zeichnung «nach einer Chronik». Spätere Besitzer der Zeichnung bestätigen dies mit selbst eingefügten Hinweisen «Schloss Sonnenberg nach einer Chronik». Genaueres erfährt man nicht.


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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Pfarrhaus Bussnang um 1870. Bleistift. Masse unbekannt. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 56. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion nach Diapositiv 1980. Berkmüller versetzt uns Betrachterinnen und Betrachter in den Friedhof mit Blick auf das Pfarrhaus. Der Friedhofmauer entlang geschmiedete Grabkreuze und steinernes Grabmahl mit Trauerweide.

Aber die Zeichnung zeigt eine faszinierend romantisierte Ansicht des Schlosses von Nordosten. Das Schloss mit seinem zentralen Glockenturm, den zahlreichen Ecktürmchen und den Treppengiebeln wirkt trotz einer gewissen geometrischen Strenge leicht und verspielt. Den Anstieg zum seitlichen Schlosstor, obwohl auch heute noch anstrengend zu gehen, hat er noch etwas steiler gezeichnet, wohl um die dominante Stellung des Gebäudes auf dem Geländebuckel zu steigern. Unsere Recherchen haben ergeben, dass hier Berkmüller einen Stich von David Herrliberger (1697 – 1777) kopiert

hat. Dieser hatte ab 1754 seine «Topographie der Eydgenossschaft» herausgegeben. Dort finden sich ein Hinweis und eine Darstellung des Schlosses: «Das schöne Schloss liegt auf einem Vorsiz des von gutem Weinwachs berühmten Immenbergs, zwischen Wyl und Frauenfeld, unter Weniggi, zu rechter Seiten der Murgk in der Landgrafschadt Thurgäu» 75. Als Berkmüller die Vorlage in den Händen hält, sind gut 100 Jahre seit der Herausgabe im Jahre 1754 verstrichen. So hat er das Schloss nie gesehen. Auch seine Zeitgenossen nicht. Zwar übernimmt er die Grundformen der Gebäude sehr genau.


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104 Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Schloss Sonnenberg. Bleistift. 11.8 x 7.3 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. Der Vermerk unterhalb der Zeichnung «nach einer Chronik» stammt nicht von Berkmüller. BmKat. Nr. 45. Ortsmuseum Wängi. David Herrliberger lebte von 1697 bis 1777. Von 1654 an publizierte er seine «Neue und vollständige Topographie der Eydgenossschaft». Der Stich zum Schloss Sonnenberg ist auf Seite 86 zu finden. Schloss und Riegelgebäude davor wirken ausgesprochen geometrisch und gemahnen in ihrer Art an einen Architekturplan. Die Schattenseite ist auffallend düster gehalten. Zudem wirkt der Baumbestand rund um das Schloss reichlich schematisch.


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Darüber hinaus konnte er sich aber eine gewisse Überzeichnung in Richtung romantisches Lustschloss ohne weiteres erlauben. Er gestaltete die Anlage weicher und zierlicher als die Vorlage. Auch der Rebberg wirkt weit weniger schematisch. Und stünde im Vordergrund nicht eine markante Eiche und kehrten nicht ein Jäger mit geschultertem Gewehr und sein Hund von der – offenbar nicht sehr erfolgreichen – Jagd zum Schloss zurück, wir würden es geradezu vermissen. Selbst wenn wir ehrlicherweise in Betracht ziehen müssen, dass wir hier eine Bleistiftzeichnung einem mechanisch vervielfachten Kupferdruck entgegenhalten und dieser zudem aus dem 18. Jahrhundert stammt, also noch aus der Epoche der Klassik, so erkennen wir doch den charakteristischen Berkmüller wieder: Zum einen die genaue Abbildung von Gebäuden, sei es nun «nach der Natur» oder «nach einer Chronik» und zum andern die liebevolle Ausgestaltung einer friedlichen Umgebung mit zwei Schlossbesucherinnen und einem Jäger. Einen genauen Hinweis auf die Quelle Herrliberger hält Berkmüller nicht für opportun. Übrigens entnimmt er derselben Publikation auch den Stich «Schloss Spiegelberg», welchem wir bereits früher begegnet sind.

Erzähler Wir haben es nun mehrfach gesehen: Berkmüller bildet nicht einfach nur ab, was er sieht. Er reichert seine Dorf- und Landschaftsansichten mit Geschichten an. Auf der zu Beginn erwähnten Zeichnung vom Schäfliplatz verwebt er Geschichten des Strassenverkehrs mit solchen des dörflichen Lebens. Er erzählt von der Geschäftigkeit der Dorfbewohner, von ihren Arbeiten und Pflichten wie auch von ihren Begegnungen. Auch auf die zahlreichen Szenen vor dem Haus zur Krone ist schon hingewiesen worden. Ein einfacheres, aber nicht minder eindrückliches Beispiel sind die beiden Zeichnungen vom «Grüthof». Es sind zwei der ganz wenigen Winterbilder von Berkmüller, und beide erzählen die Geschichte der Einsamkeit des weit abgelegenen Bauern­hofes. Nur das Schloss Sonnenberg ist in der Ferne schwach zu erkennen. Sonst kein Haus weit und breit. Keine Nachbarn soweit das Auge reicht. Es muss eisig kalt sein. Am Greuthof hängen lange Eiszapfen von der Dachtraufe. Ein schmales Strässchen, eher schon ein Gehweg, stellt die Verbindung zum Dorf her. Zwei mächtige Eichen beidseits des Weges rahmen die ganze Szene ein wie zwei Wächter am Tor zur abgeschiedenen Grütwelt 76. Und wo man hinsieht, auf dem Weg, in den Büschen und auf den Bäumen, überall Krähen. Das zweite Bild mit demselben Titel «Grüthof im Winter» erzählt die Geschichte von zwei Brennholzsammlern. Vater und Sohn, beladen mit verschnürten Holzbürden, kommen dem Betrachter entgegen. Der Vater führt seinen Hund an der langen Leine. Die beiden schweigen wohl vor sich hin.

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Greuthof (Grüthof) im Winter II. Bleistift und Farbstift. Rund 16.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 80. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion nach Diapositiv 1980.


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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Greuthof (Grüthof) im Winter I. Bleistift und Farbstift. 11.5 x 7.2 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 27. Ortsmuseum Wängi.

Der Greuthof hinter ihnen ist weit und breit das einzige Gebäude. Ein ganzer Schwarm Krähen kreist über dem Dach. Von wegen Krähen: Auf diesen beiden Winterbildern sind Krähen auch im Vordergrund anzutreffen. Mit Schnabel, Flügeln und Schwanz. Auf den meisten andern Zeichnungen sind die Vögel in Schwärmen unterwegs und lediglich als fliegende «V» angedeutet. Auf der Zeichnung mit den beiden Brennholzsammlern vor dem winterlichen Grüthof fällt uns noch einmal die nachträgliche Bearbeitung mit Weiss auf. Den

Schnee auf Hausdach und Feld hebt er mit Weiss flächig hervor und schafft so einen eindrücklichen Kontrast zum dunklen Astwerk der beiden Eichen im Vordergrund. Die Äste selbst sind teilweise nachgekratzt und wirken auf diese Weise besonders filigran. Ein anderes Beispiel für Berkmüller als Erzähler: Auch wenn es auf den ersten Blick kaum so aussieht, spielen rund um das katholische Schulhaus fast 30 Kinder. Sie haben Pause. Dazu auf der Strasse Bauersfrauen, ein Bauer mit Wagen samt Ochsen und


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– nicht zu übersehen – der Herr Pfarrer oder der Herr Schulinspektor. Mit dem strengen Blick der Amtsperson erfasst er das ausgelassene Treiben rund um das Schulhaus. Der Lärm der Kinder ist fast zu hören. Den Lehrer müssen wir Betrachterinnen oder Betrachter selber ins Geschehen hinein interpretieren. Zu erkennen ist er auf alle Fälle nirgends. Vielleicht hat er die Amtsperson bereits kommen sehen und räumt noch rasch das Schulzimmer auf. Berkmüller hätte Bescheid gewusst, er wohnte schliesslich gut 30 Jahre lang im oberen Stock über dem Schulzimmer. Zwei letzte Beispiele noch für Berkmüller als schalkhaftem Geschichtenerzähler. Zunächst die Zeichnung der Handlung

Leutenegger an der Ecke Lommiser- und Hinterdorfstrasse. Links der Friedhof mit der Kapelle. Auf der Lommiserstrasse treibt ein Fuhrmann sein Pferd mit der Peitsche zum Trab. Der Wagen ist schwer mit Fässern beladen. Hinter dem Fuhrwerk – vom Fuhrmann nicht zu sehen – spielen Buben auf dem Langwid 77 «Ufhocke». Mit unverhohlenem Schalk freut sich Berkmüller am Treiben der beiden Lausbuben. Auf der Zeichnung «Kalchbühl» rennen zwei Buben vor dem Kaminfeger davon. Sie haben ihn wohl gehänselt «Chämifäger schwarze Ma, hät e ruessigs Hämpli a! Nimmt de Bese und de Lumpe, macht die böse Buebe z’gumpe!» und machen sich nun aus dem Staub.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Katholisches Schulhaus Wängi. Bleistift. 9.7 x 6.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 6. Ortsmuseum Wängi.


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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Lommiserstrasse und Handlung Leutenegger Wängi. Bleistift. Ganze Zeichnung 11.8 x 7.1 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 11. Ortsmuseum Wängi. Links die Kapelle. In der Bildmitte die Handlung Leutenegger mit Schild über dem Eingang. Davor der Dorfbrunnen Wängi Oberdorf. Er existiert heute noch. Zwar wirkt er als Wandbrunnen nicht mehr so imposant, aber der ungefähre Standort wenigstens ist geblieben. Hinter dem Fuhrwerk die beiden Buben bei ihrem verwegenen Spiel.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Aadorferstrasse mit Hof Hoepli. Ausschnitt. Bleistift. Ganze Zeichnung 11.7 x 7.3 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 19. Ortsmuseum Wängi.


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Bewunderer moderner Technik Berkmüller hat – bei allem Hang zur Romantik – durchaus ein Flair für die moderne Technik. Nie wäre ihm in den Sinn gekommen, Telegrafendrähte oder Blitzableiter als störend zu empfinden und sie in seinen Zeichnungen einfach wegzulassen. Im Gegenteil: Blitzableiter haben Berkmüller offensichtlich fasziniert. Zwar war die Technik des Blitzschutzes bereits rund 100 Jahre zuvor erfunden worden, hielt indessen erst nach und nach im Murgtal Einzug. Verfügte ein Haus über eine solche Einrichtung, hat Berkmüller sie in jedem Fall auch gezeichnet. Beispiele hierfür sind etwa die Weberei, wo die Dächer der beiden Hauptgebäude beidseits der Strasse über solche Blitzschutzanlagen verfügten. Auf einer andern Zeichnung ist eine Häuserzeile in Obertuttwil zu sehen. Das damalige Gasthaus Rössli ist ebenfalls bereits mit einem Blitzableiter versehen. Ein besonders erwähnenswertes Beispiel ist die Blitzschutzanlage auf der Kirche Bussnang. Von der Kirchturmspitze hängt der Draht zum Kirchenschiff hinunter und zieht sich dann über unterschiedlich hohe Ständer über den dessen First. Die architektonisch klare und strenge Dachlinie wird durch den Blitzableiter konkurrenziert.

Ein Gedicht von Katharina Berkmüller lässt erahnen, wie gross die Angst vor Gewittern damals gewesen sein muss. Und wir fügen sinngemäss an: Wie gross die Hoffnungen in die Erfindung des Blitzableiters gewesen sein müssen. Gebet bei einem Gewitter. Herr, ich falte meine Hände, Bete dich mit Ehrfurcht an. Weiss, wenn ich mich zu dir wende, Dass dein Arm mich schützen kann. Fast will mir das Herz erbeben, Da so laut der Donner kracht; Doch von deinem Schutz umgeben, Fürcht ich nicht des Wetters Macht. Schone, Vater, schon uns Alle[n], Lass es bald vorüber ziehn! Höre auf mein kindlich Lallen, Lass die schwarzen Wolken fliehn! Alles ist ja deinem Willen, Guter Vater, untert[h]an; Du kannst Sturm [u]nd Wetter stillen, Alles bete fromm dich an. 78


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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kirche Bussnang. Bleistift. Masse unbekannt. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 55. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion nach Diapositiv 1980. Die freie Führung des Blitzableiters von der Kirchturmspitze zum Dachfirst des Kirchenschiffes hinunter wirkt zwar etwas zufällig, diente indessen dem Zweck.

In der Zeitung «Der Wächter» vom 18. August 1842, welche in den Zwischenböden des Berkmüller Hauses zum Vorschein kam, findet sich eine erstaunliche Meldung eines Blitzeinschlags. Sie zeigt auf dramatische Weise die Hilflosigkeit der Menschen gegen diese Naturgewalt. Solche Meldungen schürten einerseits Gefühle der Hilflosigkeit und weckten andererseits die Hoffnung auf technische Erfindungen wie den Blitz­ ableiter. «Unlängst fuhr ein Blitzstrahl in ein Haus zu Bümpliz, welcher eine merkwürdige Richtung nahm. Er drang durch das Kamin

in das Gebäude, brach sich im Erdgeschoss eine mannsdike Oeffnung durch die Kaminmauer und fand so den Weg in die untern Stubenräume. Hier richtete er Verheerungen an, zerschmetterte die Fenster. Mit Entsezen sahen die anwesenden Bewohner das hereingebrochene Ungethüm, wurden aber nicht beschädigt. Nachdem er das Getäfel an­gezündet, fuhr der Blitz in den Holzschopf, wo er ebenfalls einen Haufen Späne anzündete, und fand endlich in dem Sod [Sodbrunnen] des Hauses sein Grab. Dies aber bemerkte man erst, als man zur Löschung des Feuers nach Wasser eilte und die Sodröhre zerschmettert fand.» 79


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Dass in den 1860er-Jahren der Blitz in Untertuttwil ins Geburtshaus von Johann Adam Pupikofer einschlug und dieses in der Folge vollständig abbrannte, mag ebenfalls prägend gewesen sein. Hermann Walder schreibt in seinen Erinnerungen an Wängi: «Der damalige Besitzer des Hauses wollte (angesichts des aufkommenden Gewitters) gerade seine Fensterläden schliessen, als der Strahl durchs offene Fenster fuhr und ihn erheblich verbrannte». 80 Berkmüller wird sich zu diesem Ereignis seine Gedanken gemacht haben. Auch Jakob Stutz, Katharina Berkmüllers Bruder, kommt in seinem Buch «Siebenmal sieben Jahre aus meinem Leben» auf den Blitz- oder «Strohlableiter» zu spre-

chen. 81 Darin schildert er, wie seine Mutter ihm erklärte, was ein Strohlableiter sei: «Siehe! Solche Stangen hat jener Herr auf sein Haus stecken lassen, damit der Strohl nicht d’rein schlage. Aber das heisst Gott versucht und ist eine grosse Sünde. Unser Herrgott könnte gerade gleich das Haus anzünden, nur bloss zu zeigen, dass er doch stärker sei und mehr könne als der Herr Schellenberg.» In all den bekannten Zeichnungen von Berkmüller taucht nie ein Gewitter auf. Keine drohende Gewitterstimmung, keine dunklen Regenwolken und schon gar kein Blitz. Nur Blitzschutzanlagen. Als gälte es, eine böse Gefahr zu bannen.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Jacobsthal von der Nordseite. Bleistift. Ausschnitt. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 97. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion nach Diapositiv 1980.


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Auch einige der Gebäude im Weiler Jakobstal sind mit Blitzschutzanlagen versehen: Links das Bauernhaus, dann in der Strassenkurve das unterdessen abgebrochene Kosthaus sowie die Spinnerei. Auf dem Giebel des Spinnereigebäudes ist ein Glockentürmchen gut zu sehen, wie schon in Wängi. Zuletzt werfen wir noch einen Blick in ein Thurgauer Schulbuch der Oberstufe aus der Zeit um 1828 und stellen fest, dass die Angst vor Gewittern und Blitzeinschlägen sogar in offiziellen Schulbüchern den jungen Gedicht aus dem thurgauischen Lesebuch für die Oberklassen. Oben links findet sich eine hand­ schriftliche Datierung 7. Juli 1828. Die Bedeutung des Eintrags ist unklar. Der Schriftsteller Gustav Schwab lebte von 1792 bis 1850. Inv.Nr. B1943. Ortsmuseum Wängi. Das Gedicht belegt nicht nur die Angst oder den Respekt vor Gewittern im 19. Jahrhundert. Es zeigt darüber hinaus, wie diese Angst in der Schule der kommenden Generation übermittelt wurde. Wir können sogar davon ausgehen, dass die Oberstufenschülerinnen und -schüler das Gedicht mit dem apokalyptischen Ausgang auswendig lernen mussten.

Menschen regelrecht eingeimpft wurde, und dies bis ins frühe 20. Jahrhundert! Auch die 1866 erstellten Telegrafenleitungen faszinierten Berkmüller. Die Masten und Drähte quer durch das gewohnte Ortsbild hätte er in den Zeichnungen seiner letzten Jahre einfach weglassen können. Er tat es nicht. Im Gegenteil, auf den beiden folgenden Zeichnungen «Schäfliplatz» und «Wirtschaft zur Brücke mit Blick in die Frauenfelderstrasse» rückt er die neue Übermittlungstechnik (sie funktionierte noch mit dem Morsesystem) unübersehbar in den Vordergrund. Den Bau der Frauenfeld-Wil-Bahn und deren Eröffnung im Jahre 1887 erlebte Berkmüller nicht mehr. Es hätte ihn gefreut. Er hätte die Schienen gezeichnet. Vielleicht sogar die Dampflokomotive mit rauchendem Kamin. Auf alle Fälle bezeugt die Zeichnung der Eisenbahnbrücke bei Bruggen St. Gallen seine Bewunderung für die Eisenbahn.

Geschäftssinn Man kann nicht annehmen, dass Berkmüller von seiner Kunst hätte leben können. Sein Brotberuf war der eines Buchhalters. Damit verdiente er seinen Lebensunterhalt. Allerdings muss sein zeichnerisches Talent mindestens einem regionalen Kreis kunstinteressierter Personen bekannt gewesen sein. Überschaut man die Motive jener Zeichnungen, welche nicht das Dorf Wängi und seine nächste Umgebung betreffen, so findet man neben Kirchen, Klöstern und Schlössern auffallend oft Pfarrhäuser, Fabrikantenvillen und Arzthäuser; alles Gebäude von traditionsbewussten und auch zahlungskräftigen Familien aus dem Bürgertum.

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Dorfplatz Wängi Unterdorf («Schäfliplatz») mit Gasthaus Schäfli. Bleistift. 11.8 x 7.2 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. Anzusetzen auf 1866 (Eröffnung des Telegrafenbüros) oder später. BmKat. Nr. 20. Orts­museum Wängi. Gut erkennbar sind die Telegrafend­rähte, welche von Frauenfeld und von Wil her ins Telegrafenbüro im Gasthof Schäfli führen.

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Wirtschaft zur Brücke mit Blick in die Frauenfelder­strasse. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. Anzusetzen auf 1866 (Eröffnung des Telegrafenbüros) oder später. BmKat. Nr. 23. Ortsmuseum Wängi. Auch hier gut sichtbar die Telegrafen­leitung in Richtung Frauenfeld und Wil.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kräzerenbrücke bei St. Gallen Bruggen. Bleistift. 9.5 x 6.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 68. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion nach Diapositiv 1980.


Sein Oeuvre – eine Einordnung

Vielleicht hatte er mit der Zeit in der näheren und weiteren Umgebung von Wängi durchaus sein Publikum. Der Schluss liegt nahe, dass es sich bei einigen Werken um Auftragsarbeiten gegen Bezahlung handeln könnte. Dass diese zum Teil in Farbe und in grösseren breitovalen Formaten gemalt sind und darunter teilweise mit eigenhändigen Anmerkungen oder Familienwappen versehen wurden, verleiht ihnen eine gewisse Vornehmheit. Einige dieser Werke hat er auch mit vollem Namen unterzeichnet, wo er sich sonst mit den Initialen AB begnügte. So könnte es gewesen sein. Berkmüller könnte sich zu seinem Buchhaltergehalt ein Zubrot verschafft haben, bei einem Buchhalter ja keine allzu grosse Überraschung! Sicher ist es nicht. Einschlägige Belege fehlen. Immerhin ist Angelus Hux bei seinen

Recherchen zur Geschichte der katholischen Kirche Lommis auf eine interessante Spur gestossen. 82 In den Protokollen des Sittengerichts und der Pflegekommission der katholischen Kirchgemeinde Lommis findet sich nämlich am 10. Februar 1867 folgender Eintrag: «5) Es wird der Pflegekommission Kenntnis gegeben von einem Geschenk durch Herrn Berkmüller in Wängi, bestehend in einer Zeichnung des ehemaligen Schlosses Spiegelberg, dessen alte Besitzer die beiden Kaplaneien Lommis gestiftet haben. Es soll dem Herrn Berkmüller in einer Zuschrift geziemend gedankt werden. Moser Pfarrer.» 83 Trotz eingehender Recherchen im «Cassabuch für den kath. Pfründ & Kirchenfond Lommis von 1861» konnte nirgends eine Zahlung an Berkmüller gefunden werden. Er hat sich wohl in diesem Fall mit

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Schloss Spiegelberg. Aquarell über Bleistift. Breitoval 21.0 x 15.2 cm. Mit Signatur: «A. Berkmüller». Mit Datierung: «1856». Mit Anmerkung: «Bei Morgenbeleuchtung einer alten Chronik ent­nommen». BmKat. Nr. 150. Katholische Kirch­gemeinde Lommis. Reproduktion mit Genehmigung.

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Sein Oeuvre – eine Einordnung

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dem geziemenden Dankesschreiben begnügen müssen. Von der Schmiede an der Dorfstrasse (heute Hausnummer 17) sind drei Zeichnungen erhalten, eine davon aquarelliert. Zwar ist das Gebäude mit Vorgarten und Brunnen dreimal dasselbe. Auch die Pappeln stehen standhaft an ihrem Platz. Nur die Szenen vor dem Wohnhaus links, vor der Schmitte rechts und auf der Strasse unterscheiden sich in zahlreichen Einzelheiten. Man ist versucht, das Spiel mit den zehn Unterschieden zu spielen. Die eine dieser drei Arbeiten ist alt gerahmt und darunter steht mit Bleistift «Das Vaterhaus». Auch dies ein möglicher Hinweis, dass die Besitzer der Schmiede, die Gebrüder Thalmann, das Bild bei ihrem Nachbarn Berkmüller bestellt haben. Im Zusammenhang mit der mehrfachen Darstellung desselben Motivs – zum Beispiel auf Grund eines Folgeauftrags – fällt die Zeichnung BmKat. Nr. 49 des Klosters Tänikon auf. An einigen Stellen sind Nadel-

stiche zu entdecken. Diese könnten darauf hindeuten, dass das Werk einmal massstab­ getreu kopiert worden ist. Und tatsächlich existiert vom selben Motiv eine zweite Zeichnung. Die Gebäudegruppe ist genau gleich gross und gegenüber der ersten Fassung nur in Details verändert. Lediglich der Vordergrund mit seinem Baumbestand ist neu gestaltet und leicht vergrössert. Berkmüller hat allerdings auch Werke verschenkt. Vom Album für Georg August Stierlin ist bereits berichtet worden. Auch der Arzt Dr. Ammann schreibt 1933, Berkmüller habe Dr. Walder im Jahre 1850 eine Zeichnung des Weierhauses geschenkt. 84 In jenem Jahr übernahm der Vater von Hermann Walder die Praxis von Dr. Ammann, dem damaligen Arzt und Bewohner des Weierhauses. Auf der Zeichnung seien die Maulbeerbäume zu sehen, mit denen Ammann seine Seidenraupen im grossen Saal im ersten Stock züchtete. Es muss sich hierbei um die Zeichnung «Weierhaus vor dem Umbau von 1853» BmKat. Nr. 9 handeln,

Eintrag im Protokoll des Sittengerichts und der Pflegekommission der katholischen Kirchgemeinde Lommis vom 10. Februar 1867. Darin hält Pfarrer Moser das Geschenk von Berkmüller an die Pflegekommission Lommis fest.


Sein Oeuvre – eine Einordnung

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Dorfstrasse Wängi mit Schmiede Thalmann Bleistift. 12.0 x 7.8 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 17. Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Dorfstrasse Wängi mit Schmiede Thalmann. Bleistift. 12.0 x 8.0 cm. Mit Signatur: «Nach d. Natur gezeichnet v. AB». Mit Datierung: «1877». BmKat. Nr. 84. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion nach Diapositiv 1980. Die Zeichnung ist gerahmt und mit «Das Vaterhaus» untertitelt. Daraus schliessen wir, dass wohl jemand aus der Familie Thalmann die Zeichnung bei Berkmüller bestellt hat. Er war ja ihr Nachbar. Das Berkmüller Haus ist auf beiden Zeichnungen gleich hinter den Pferden vor der Schmitte gut zu erkennen.

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Sein Oeuvre – eine Einordnung

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Dorfstrasse Wängi mit Schmiede Thalmann. Aquarell über Bleistift. 18.5 x 13.0 cm. Mit Signatur und Datierung: «AB 71 nach der Natur». BmKat. Nr. 83. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion nach Diapositiv 1980.

welcher wir in einem vorherigen Kapitel bereits begegnet sind. Auf verschiedenen Wegen sind wir nun dem Werk von Alphons Berkmüller begegnet und haben vieles entdeckt, was uns bislang verborgen geblieben ist. Seine Art, uns seine Welt zu schildern, hat uns auf mancherlei Weise berührt. Wir haben zu einem tieferen Verständnis für ihn als Menschen und Zeichner in seiner Zeit gefunden. Dabei war Berkmüller nicht der überragende Künstler seines Jahrhunderts. Er drängte sich in der Kunstwelt nicht nach vorn. Er profilierte sich nicht mit grossen Gesten und blieb Zeit seines Lebens auch in seiner Kunst der solide und arbeitssame

Buchhalter. So wie er pflichtgetreu seine Zahlen zu Kolonnen ordnete, fehlerfrei die immer gleichen Rechenoperationen nach den immer gleichen mathematischen Regeln ausführte, so ging er wohl auch als Zeichner vor: Mit grosser Sorgfalt und Konzentration, mit grosser Genauigkeit und Detailversessenheit setzte er Strich für Strich. Seinen Sujets, seinen Techniken, seinem Stil und seinen Formaten blieb er treu. Und doch wirkt sein Werk nie langweilig. Er hat die verschiedenen Epochen seines Jahrhunderts von der Romantik bis zum Impressionismus mehr oder weniger intensiv zur Kenntnis genommen. Er hat dabei unterschiedliche Elemente in sein Werk ein-


Sein Oeuvre – eine Einordnung

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kloster Tänikon. Bleistift. 11.7 x 7.3 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 49. Ortsmuseum Wängi. Auf dem Bild sind an einigen Gebäudeecken Nadelstiche als dunkle Punkte zu erkennen. Auf einem unterlegten Zeichen­ papier konnte Berkmüller dann das Kloster nach­ zeichnen.

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kloster Tänikon. Bleistift. 2.0 x 8.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 85. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion nach Diapositiv 1980. Diese Zeichnung ist nun den Nadeleinstichen nachgezeichnet. Vordergrund und Umgebung sind anders gestaltet und leicht vergrössert.

fliessen lassen und in seiner unverwechselbaren und eigenständigen Handschrift zur Synthese gebracht. Er hat ein beachtliches künstlerisches Werk hinterlassen, welches uns bis heute zu begeistern vermag. Allerdings: Das ist noch nicht alles! Berkmüller pflegte noch ein zweites Hobby,

nämlich den Chorgesang. Und zwar nicht nur nebenher! Im nächsten Kapitel setzen wir daher unsere Spurensuche fort, wenn auch in eine ganz andere Richtung. Da kommt noch viel bislang Unbekanntes zum Vorschein. Soviel sei schon einmal verraten.


Berkmüller als Chormusiker

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Wir kehren zurück auf den Estrichboden des Berkmüller Hauses. Und tatsächlich ergibt bereits eine erste Auslegeordnung zahlreiche unerwartete Hinweise auf eine weitere – und bislang kaum wahrgenommene – Seite von Alphons Berkmüller. Er entpuppt sich nämlich als einer der tragenden Thurgauer Chormusiker des 19. Jahrhunderts. Ein Teil seines Lebens ist untrennbar mit den Thurgauer Männerchören und Gemischten Chören verknüpft. Es geht im Folgenden nicht um musikhistorische Wissenschaft. Vielmehr begeben wir uns – einmal mehr – auf Entdeckungsreise mit ungewissem Ausgang. Wir greifen aus dem zufälligen Fundus der überliefer-

ten Musikalien einige heraus, betrachten sie genauer und versuchen, sie im grösseren Kontext des Thurgauer Chorwesens im 19. Jahrhundert zu sehen und sie dort einzuordnen. Dabei vergessen wir nicht, dass unser Interesse immer auch der Person Alphons Berkmüller gilt.

Die Männerchöre im 19. Jahrhundert «Die Schweizergeschichte ist so schön, dass nur wenige Völker eine ähnliche aufweisen können. Leider ist sie aber wenig bekannt. Es müssen Gesangvereine gebildet werden, wo Freiheitslieder gesungen und Vorträge über Themen aus der Schweizer-

Musikalische Dokumente aus dem Estrichboden. Nachgestellt. Inv.Nr. B510.MH1-212. Ortsmuseum Wängi.


Berkmüller als Chormusiker

geschichte gehalten werden», sagte 1830 der massgebliche Thurgauer Reformer Pfarrer Thomas Bornhauser an der Landsgemeinde zu Weinfelden. 85 Bornhauser stand mit dieser Überzeugung beileibe nicht alleine da. 1831 konnte man im «Wächter» 86 einen Artikel zum bevorstehenden kantonalen Sängerfest lesen: «Ein solches Fest ist vor allem andern geeignet die Nationalität eines Volkes zu entwickeln und seine Freude zu veredeln. ( … ) Thurgaus politisches Leben hat sich umgestaltet. ( … ) Noch immer ist aber die Eintracht nicht zurückgekehrt, die Harmonie, die Bürgern eines freien Staates so wohl ansteht. Zwar wissen wir wohl, dass gerade die entgegen gesetztesten Meinungen wahre praktische Ansichten fördern, allein dazu gehört Ruhe, Besonnenheit und Ehre, Achtung jeder Meinung. ( … ) Ein Weg zur Aussöhnung, zur Befestigung neuer Eintracht bietet sich uns im künftigen Sängerfeste dar. Nirgends leichter als in erhebender Harmonie des begeisternden Liedes lösen sich die Bande der Zwietracht.» 87 Zu diesem pathetischen Ton passt ganz gut, dass die Gesangfeste nicht selten mit Geschützdonner eröffnet wurden. Den Chören der damaligen Zeit, in aller Regel Männerchöre, kam also eine eminent politische Bedeutung zu. So schlug auch Bornhausers Herz für seine Vorstellung von Vaterland, schreibt Hermann Lei und fährt fort: «Seine Gesangstunden mit dem von ihm gegründeten Gesangverein am Immenberg arteten oft in Geschichtsstunden aus. Seine Vorträge blieben vielen Mitgliedern unvergesslich.» 88 Bornhauser hat seine Sänger und Bürger ganz offenbar zu begeistern

gewusst. Mit seinem Chor «Gesangverein am Immenberg» mit Sängern aus Matzingen, Wängi und Stettfurt trat er am kantonalen Gesangfest mit 50 Mitgliedern an und war damit der grösste aller teilnehmenden Chöre.

Berkmüllers Beitrag zum Thurgauer Chorwesen Nach Bornhausers Rücktritt als Chordirigent hat Berkmüller den Gesangverein am Immenberg übernommen und weitergeführt. Vermutlich fasste er seine Aufgabe etwas weniger politisch als vielmehr gesanglich auf. Wann dies geschah und wie lange er diese Aufgabe inne hatte, ist nicht ganz klar. Was indessen sicher ist: Berkmüller hat die Entwicklung des thurgauischen Chorwesens an vorderster Front mitbekommen und teilweise wohl auch mitgeprägt. Am Sängerfest 1844 in Kreuzlingen wurde «Herr Berkmüller von Wängi zum Vicedirektor (des Thurgauischen Kantonalgesangverbands) gewählt.» 89 Er hatte dieses Amt bis 1848 inne und bewegte sich offensichtlich auch politisch in einflussreichen kantonalen Kreisen. Da passt ganz gut, dass aus seinem Haushalt einige Schneiderrechnungen erhalten geblieben sind. Im Jahre 1846 liess er sich beim Schneider Gamper in Wängi einen Frack nach Mass schneidern und von der «Tuch- und Specerei Handlung Kappeler» einige Ellen «fein schwarz Tuch» liefern. Im Jahr darauf stellte ihm Schneidermeister Keller «eine Seiden weste» in Rechnung und zwei Monate später hat ihm Schneider Stadler für 44 Kreuzer «ein Schili gemacht». 90 Überhaupt taucht der Name Berkmüller in Lei’s Verbandsgeschichte «150 Jahre

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Berkmüller als Chormusiker

122 Gedrucktes Festheft für die 22. Gesangaufführung des Thurgauischen Sängervereins in Weinfelden aus dem Jahre 1849. 14.0 x 22.0 cm. Inv.Nr. B510.MD03. Ortsmuseum Wängi.

Dienst am Lied – Thurgauischer Kantonalgesangverband 1828 – 1978» in verschiedenen Zusammenhängen auf. So in einem Protokoll aus der Anfangszeit des Thurgauischen Gesangverbandes. Der Vorstand forderte damals gewisse thurgauische Musiker auf, Kompositionen einzureichen, die bei Eignung mit einem Preis bedacht und Aufnahme ins offizielle Festheft finden sollten. «Die Wahl des Textes ist frei; die Komposition soll leicht singbar, daher einfach sein, aber nicht trivial. Die versprochenen Preise: 1. Preis zwei Taler, 2. Preis ein Taler (zwei Gulden 42 Kreuzer). Die eingegangenen Kompositionen wurden von den Herren Prof. Meier in Frauenfeld, Laur in Egelshofen, Seminardirektor Wehrli, Berkmüller in Wängi und Wenk in Wigoltingen geprüft. Sie erachteten die eingereichten Werke nicht als preiswürdig. Es konnte also keines ins Festheft aufgenommen werden. Berkmüller

forderte die Komponisten aber auf, für ein späteres Festheft etwas zu schaffen und liess ihnen eine kleine Aufmunterungsprämie zukommen.» 91 In der Folge geht Lei etwas ausführlicher auf die Person Berkmüllers ein und erwähnt: «Er war auch der Verleger einiger Liedersammlungen, aus denen heraus an den Gesangfesten gesungen wurde.» Dafür ein Beleg aus Elias Haffters Tagebuch: «Sonntag, 12. Januar 1845. Auf den Nachmittag waren die Abgeordneten der einzelnen Sängervereine zu einer Besprechung in die Traube (zu Weinfelden) eingeladen worden. Die zahlreich versammelten Delegierten fassten den Beschluss, durch Herrn Abt in Zürich eine passende Dichtung als Wettgesang für das eidgenössische Sängerfest in Schaffhausen komponieren zu lassen und Herr Berkmüller ersucht, den diesjährigen Liedervorschlag für Gemischten Chor in das neu herauszuge-


Berkmüller als Chormusiker

bende Heft aufzunehmen.» 92 1850 fanden dann drei preisgekrönte Originalkompositionen im Festheft Eingang. Offenbar hat Berkmüller über seine offizielle Funktion im kantonalen Gesangverband hinaus den Chorgesang auch privat gefördert. So schreibt Lei: «In den ersten Jahrzehnten seines Bestehens veranstaltete der Kantonalgesangverein öfters Wettbewerbe unter den Thurgauer Komponisten zur Erlangung von Originalkompositionen. 1846 hatte Berkmüller eine diesbezügliche Anfrage des Eidgenössischen Sängerfestes in Schaffhausen abgelehnt. Die Gründe sind nicht überliefert. 1847 kam Johannes Wepf, der Komponist des Thurgauer Liedes, in den Besitz einer Aufmunterungsprämie, die der Buchhalter und Zeichner Alfons Berkmüller aus Wängi ausgesetzt hatte.» 93 Ein kurzer Blick auf die Titel und Liedanfänge der 1849 vorgetragenen Gesänge

vermittelt einen aufschlussreichen Einblick in das damalige Repertoire der Gesang­ vereine und wohl auch auf die in den Chören gepflegte Weltanschauung. Wir befinden uns noch bis gegen die Mitte des Jahrhunderts im Zeitalter der Romantik. Der Schweizer «Sängervater» Hans Georg Nägeli (1773 – 1836) schreibt denn auch um 1825: «Charakteristisch für diese Zeit ist die Flucht aus der Realität des alltäglichen Lebens in das Unwirkliche, Phantastische, Mystische. Die Nacht, der Traum, die Einsamkeit standen im Zentrum der Empfindung. Die Musik hatte eine moralische Aufgabe zu erfüllen. Schlichte Volkstümlichkeit in Gedicht und Musik wurden nachgeahmt. Man fand ein neues Verhältnis zur Natur in ihrer vielgestaltigen Auswirkung auf den Menschen. Das Hochgebirge, der Sturm und andere elementare Mächte traten dem Sänger gegenüber.» 94

Titel 95

Melodie / Text

Textauszug

Psalm 135

M: Laur T: Buch der Psalmen

Halleluja, lobet ihr Knechte den Herrn, die ihr stehet im Hause des Herrn! …

Des Schweizers Vaterland

M: Silcher T: Dion

O nenne mir das theure Vaterland, wo hoch der Freiheit Fahne weht …

Freie Kunst

M: Silcher T: Ludwig Uhland

Singe wem Gesang gegeben in dem deutschen Dichterwald …

Heimath und Jugend

M: Storch T: ohne Angabe

Heimath, friedenvolles Thal, wo meine Wiege stand, grüne wipfelstolze Bäume …

Schweizerischer Nationalgesang

M: Nägeli T: Nägeli

Nation, Nation, wie voll klingt der Ton! Hinab zu den Thälern, hinauf zu den Höhn …

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Berkmüller als Chormusiker

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Gruss an die Schweiz

M: Immler T: Wälti

Sei mir gegrüsst, o Land, wo Lieb’ und Treue und Biedersinn in freien Männern schlägt! …

Der Tag des Herrn

M: Zwyssig T: ohne Angabe

Das ist der Tag des Herrn! Ich allein auf weiter Flur, noch eine Morgenglocke nur, nun Stille nah und fern

Friedenswunsch

M: Nägeli T: Wessenberg

Wo bleibst du, Sehnsucht aller Welt, zu lang entbehrter Friede

Der freie Mann

M: Nater T: Krüsi

Sag an, mein Lied, was fühlt der freie Mann? Zu Gott erhebend seinen Blick …

Lenz und Schweizer

M: Abt T: ohne Angabe

Ha, wie die Knospen spriessen aus jedem Zweig heraus, wie murmelnd Quellen fliessen …

Im Mai

Volkslied M u. T: ohne Angabe

Drauss ist Alles so prächtig, und ist es mer so wohl, wenn mein’m Schätzle bedächtig a Sträussele i hol …

Sängers Wanderlied

M: Wehrli T: Bornhauser

Lustig am wandernden Stab, Strassen hinauf und hinab schreit ich im Takte die Bahn …

Thurgauer Leserinnen und Lesen erinnern sich an die offizielle Hymne ihres Kantons. Sie ist mit ihrer romantischen Übersteigerung sowohl der Melodie als auch des

Textes ins Fantastische und Mystische ein eindrückliches Beispiel aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Thurgauer Lied endet mit der Strophe:

«Drum, Thurgau, nimm hin noch den schwellenden Gruss, nimm hin von den Lippen den glühenden Kuss, und bleibe in Eintracht und Liebe vereint, dann ewig die Sonne des Friedens dir scheint.»


Berkmüller als Chormusiker

Auch wenn für heutige Ohren das Lied etwas gar pathetisch tönt und stellenweise in den Vaterlandskitsch kippt, hat es sich erstaunlicherweise bis heute gehalten. Es spiegelt den Zeitgeist der Gründungszeit, und Berkmüller hat sich dem nicht entzogen. Heute würde man von einer gelungenen Integration eines Deutschen Einwanderers in den Thurgau sprechen. Im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben sich sowohl die politische Rolle der Chöre als auch die Einstellung zum gemeinsamen Gesang verändert. «Die Hauptaufführung bildet den Glanzpunkt des Festes. Am Schlusse der Einzelvorträge sammeln sich die Sänger, um in gemeinsam gesungenem Liede der Verbrüderung und dem Zusammengehen Ausdruck zu geben! ( … ) «Man sang für Freiheit und Vaterland,» schrieb Emil Brenner 1928 im Jubiläumsheft 100 Jahre Kantonalgesangverein. 96 Ganze vier Jahrzehnte hielt dieses vaterländische Denken die Sänger zusammen. Mit der Zeit gerieten aber die Vorträge der einzelnen Chöre immer mehr zum Wettbewerb. Juroren übernahmen die Bewertung. Ab 1848 nannte man sie «Kampfrichter». Diese bewerteten die Liedvorträge und erteilten Punkte, welche zu einer Rangierung führten. Das Misstrauen der Sänger in die «Kampfgerichte» wuchs und führte zu «Hader und Zwietracht». Statt wie früher 600 Sänger beteiligten sich nur noch 200 an der Hauptaufführung, immerhin dem Höhepunkt jedes Sängerfestes. Der Aktuar des Verbandes hielt mit unverhohlener Enttäuschung fest: «Viele Sänger betraten die Bühne, gaben dort ihre Kontrollkarten ab und verliessen das Podium gleich wieder,

bevor der Gesang begann.» Verschiedene Vereine kehrten zudem dem Verband den Rücken und traten aus. 97 Kantonale Gesangsfeste wurden nur noch alle zwei Jahre durchgeführt. Man schaffte auch die «patriotische Vielrederei» an den Gesangsfesten ab. Der inbrünstige Liedvortrag wurde allmählich abgelöst vom Bemühen um musikalische Qualitäten. Beurteilt wurden nun die stimmliche Reinheit, die korrekte Tonbildung, die Aussprache, der Rhythmus und die Dynamik. Allerdings hat dies die Kritik gegenüber der intransparenten Bewertung nicht beruhigt. Auch der Sängerbund am Immenberg passte sich der Zeit an und zerfiel in einzelne Dorfchöre. 1872 wurde der «Sängerbund Wängi» gegründet und gehörte von Beginn weg zu den zehn grössten des Kantons. Zwei Jahre später errang er mit seinem Liedvortrag am 43. kantonalen Gesangsfest den Ehrenkranz aus Eichenlaub. Alfons Berkmüller war da schon 72 Jahre alt und wohl nicht mehr Chordirigent. Wie sehr ihn dieser politische Bedeutungsverlust der Thurgauer Männerchöre und später der Gemischten Chöre beschäftigt oder gar geschmerzt hat, wissen wir nicht. Auf alle Fälle stopfte er seine Sammlung an Chornoten als Isolationsmaterial in den Estrichboden seines 1870 erworbenen Hauses an der Dorfstrasse und überlieferte sie so – wohl unbeabsichtigt – der Nachwelt.

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Berkmüller als Chormusiker

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Ein paar Beispiele Unter all den Notenhandschriften findet sich ein Liedblatt mit einem vertonten Gedicht. Der Text ist signiert mit «Kath: Stuz», also Frau Berkmüllers ledigem Namen. Das Lied trägt den Titel «Sängergruss» und ist «froh und mässig geschwind» vorzutragen. Das geht irgendwie nicht zusammen. Im publizierten Gedichtbändchen aus ihrer Jugendzeit aus dem Jahre 1835, als sie noch ihren ledigen Namen Stutz trug, ist dieses Gedicht nicht zu finden. Trotzdem muss es sich um ein frühes Gedicht handeln, sonst wäre es mit Berkmüller unterzeichnet. Das Thema «Sängergruss» passt aber eigentlich erst zur Zeit, als sie bereits verheiratet war und

sich ihr Mann im Thurgauer Chorwesen aktiv betätigte. Vielleicht eine Auftragsarbeit? Von einem gewissen Pfarrer von Winter, der es dann auch gleich vertont hat? Von daher gesehen wäre es aber ein späteres Gedicht und da hiesse Katharina bereits Berkmüller. Leider ist das Liedblatt nicht datiert. So bleiben wir mit unseren Überlegungen im Nebel und freuen uns an der Tatsache, dass das Blatt so gut erhalten geblieben ist. Unter den Hunderten von Liedblättern finden sich nämlich lediglich zwei, wo wenigstens der Text von einer Frau stammt. Bei genauerer Betrachtung fällt auf: Dieses Liedblatt will nicht so recht zu all den andern Chornoten passen. Die hohe Stimm-

Einzelnes Liedblatt mit einem vertonten Gedicht «Sängergruss» von Katharina Stutz. Die Melodie stammt von einem gewissen «Pfr. v. Winter». Chor und Solostimme. 21.7 x 36.0 cm. Ohne Datierung. Inv.Nr. B510.MH03. Ortsmuseum Wängi.


Berkmüller als Chormusiker

lage entspricht kaum der damaligen Idealvorstellung. So schreibt der Wächter 1831: «Die Leistungen des Gemischten Chores hat uns vollkommen befriedigt, doch glauben wir hier nur des Männerchors vorzüglich erwähnen zu sollen, da wir der Meinung sind, dass jener nur eine angenehme Zugabe sei.» 98 Noch 1951 schrieb der damalige Dirigent des Verbandes Samuel Fisch: «Als die Männerchorbewegung einsetzte und eine politische und gesellschaftliche Machtstellung erreichte, konnten die Frauenchöre in der Öffentlichkeit nicht mithalten. – Es waren aber auch rein musikalische Gründe, die mithalfen, dass die Entwicklung der Frauenchöre hinter derjenigen der Gemischten Chöre und der Männerchöre blieb. Die hohen Stimmlagen der Frauen schienen in der Luft zu schweben und nicht auf festem Grund zu stehen.» 99 Das schafften nur die Männer!

Ein weiteres herausragendes Beispiel ist die Abschrift des Liedes «Hört ihrs von den Bergen klingen … », die wohl Berkmüller zuzuschreiben ist. Der Text stammt von Elias Haffter. Er war der Thurgauer Sängervater schlechthin und hing in der Ahnengalerie der Thurgauer Chormusiker des 19. Jahrhunderts an erster Stelle. 100 Von Beruf Arzt, widmete er sich nebenbei Zeit seines Lebens dem Chorgesang. Johannes Wepf hat das Gedicht vertont. Auch er war eine der tragenden Stützen des Thurgauer Chorgesangs und Verfasser des Gedichtes «O, Thurgau du Heimat», welches zur Thurgauer Hymne wurde. Lei zitiert im Zusammenhang mit diesem Lied aus den Notizen von Elias Haffter folgende Begebenheit aus dem Jahre 1846: «Abends war der Sängerverein Hosenruck im Scherbenhof Weinfelden. Dort war alles fidel, zum Willkommen sangen sie mir das Liedchen ‹Hört

«Hört ihrs von den Bergen klingen …» Lied für gemischten Chor. Text: Elias Haffter. Melodie: Johannes Wepf. 22.7 x 15.7 cm. Ohne Datierung. Inv.Nr. B510.MH14. Ortsmuseum Wängi.

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Berkmüller als Chormusiker

Walzer Nr. 1 für Horn (Corno) und Fagott (Fagotto). Komponist unbekannt. 17.9 x 13.8 cm. Ohne Datierung. Inv.Nr. B510.MH170. Ortsmuseum Wängi 128

ihrs von den Bergen klingen›, das ich Herrn Wepf zum Komponieren gegeben hatte, das er recht gefällig und einfach zu komponieren wusste.» Das Lied wurde zum «Vereinsschlager» der Weinfelder Sänger. Wir erinnern uns, dass Fröhlich in seiner Geschichte der ehemaligen Baumwollspinnerei Lauchetal auf Berkmüller zu sprechen kommt und schreibt: «Pfarrer Thomas Bornhauser (1824 – 1881) Matzingen gründete den Männerchor am Immenberg, der bald 50 – 60 Mitglieder zählte und von Herrn A. Berkmüller von Kaufbeuren, Buchhalter in der Mechanischen Spinnerei Wängi, einem tüchtigen Geiger, geleitet wurde.» 101 Musiknoten für Geige finden sich in Berkmüllers Hinterlassenschaft nirgends. Vielleicht müssen wir uns Berkmüller als Chordirigenten mit einer Geige unter dem Kinn vorstellen. In welchem Zusammenhang die überlieferten Instrumentalnoten für Horn und Fagott zu sehen sind, bleibt ein Rätsel.

Herausgeber von Chornoten Die Nachfrage nach Chorliteratur war gross. Die Dirigenten bemühten sich um immer wieder neue Lieder für ihre Männerund Gemischten Chöre. Oft kopierten sie die Vorlagen von Hand und händigten diese dann in den Chorproben den verschiedenen Stimmen aus. So auch Berkmüller. Von verschiedenen Liedern sind jeweils sämtliche vier Stimmen erhalten geblieben. Für Männerchöre Bass I und II sowie Tenor I und II und für gemischte Chöre Sopran, Alt, Tenor und Bass. Diese Handschriften wurden von Chor zu Chor auch rege ausgetauscht. Die vielen unterschiedlichen Handschriften sind dafür Beleg. Einfacher, wenn auch teurer und für manche Chöre kaum erschwinglich, waren Druckausgaben von Liedersammlungen. Berkmüller erkannte dies und begann, Liedersammlungen zusammenzustellen und unter seinem Namen herauszugeben.


Berkmüller als Chormusiker

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Notenheft für Bassstimme aus der zweiten Sammlung von dreistimmigen Gesängen für die reifere Jugend von Alphons Berkmüller. Erhalten sind auch zwei Exemplare der II. Stimme. 21.0 x 12.7 cm. Laut Angaben der Schweizerischen Landesbibliothek 1838. Inv.Nr. B 510.MD18. Ortsmuseum Wängi.

Notizblatt für Berkmüllers geplante 4. Sammlung von vierstimmigen Liedern für Gemischten Chor. Unterhalb der Liste der aufgenommenen Lieder hat Berkmüller die Titelseite festgelegt: Zwölf leichte vier­stimmige Lieder von verschiedenen Componisten für den gemischten Chor. Herausgegeben von Alfons Berkmüller. Ohne Datierung. Bleistift. 13.5 x 23.0 cm. InvNr. B510.MH107. Ortsmuseum Wängi.


Berkmüller als Chormusiker

Gedruckt und verlegt wurden die Hefte von der Druckerei Scheitlin und Zollikofer in St. Gallen. Gut möglich, dass sich Berkmüller auch hier, wie schon bei den Auftragszeichnungen, wieder eine zusätzliche Einnahmequelle erschlossen hat. Auf einem Notizblatt hat Berkmüller die Titelseite seiner geplanten, nunmehr bereits vierten Sammlung von Liedern entworfen.

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Rechnung der Buch-, Kunst- und Musikalien­ handlung Scheitlin an A. Berkmüller in Wengi vom Januar 1846 für das ganze Jahr 1845. «Zu ferneren gütigen Aufträgen empfiehlt sich höflichst, der Obige». 17.5 x 22.2 cm. Inv.Nr. B510.R15. Ortsmuseum Wängi.

Zwischen Berkmüller und Scheitlin Zollikofer muss ein reger Austausch geherrscht haben. Einige der Briefe aus St. Gallen sind noch vorhanden, dazu Bestellungen und Rechnungen. Allerdings betrifft keiner die verlegerische Tätigkeit Berkmüllers. Die Rechnung der Buch-, Kunst- und Musikalien­handlung Scheitlin vom Januar 1846 ist aus einem andern Grund bemerkenswert. Am 8. April und am 14. Oktober hat Berkmüller in St. Gallen Bücher bestellt. «Schuler, Thaten und Sitten». Zunächst die Bände 15 und 16, später 17 und 18. Es handelt sich dabei um eine Fortsetzungspublikation zur Schweizer Geschichte. Verfasser ist ein gewisser Melchior Schuler, und der vollständige Titel lautet: «Die Thaten und Sitten der Eidgenossen». Das Werk wurde ab 1809 als «Handbuch der Schweizer Geschichte» von der «Schweizer Gesellschaft für Erziehung» herausgegeben. Da wir nun über Berkmüllers Engagement im Thurgauer Männerchorwesen Bescheid wissen, erstaunt uns kaum, dass er sich für Geschichte interessierte und in seiner privaten Bibliothek historische Werke stehen hatte. Im Ortsmuseum Wängi ist ein Exemplar der Schweizergeschichte von Schuler in zweiter Auflage aus dem Jahre 1831 erhalten. Darin schildert der Autor den Brudermord auf der Burg Rengerswil in Wängi. 1228 liess der ältere Sohn Diethelm des Grafen von Toggenburg seinen jüngeren Bruder Friedrich wegen Erbstreitigkeiten ermorden.


Berkmüller als Chormusiker

Der Brudermord. 1228. Ausschnitt aus «Die Thaten und Sitten der alten Eidgenossen» von Melchior Schuler. 1831. S. 32-33. Inv.Nr. B 759. Ortsmuseum Wängi.

Schreiben von C.P. Scheitlin an Herrn A. Berkmüller. 12. Januar 1846. 17.4 x 22.0 cm. Inv.Nr. B510.B18. Ortsmuseum Wängi.

St. Gallen 12. Janr 46 Herrn A. Berkmüller / Wengi Ihre Baarsendung ist mir richtig / geworden & ich beeile mich Ihnen dagegen / inliegend Quittung für die über f 6.59 & / Quittung für Herrn Stierlin über f. 6.48.– ein- / zuhändigen. Für gütige Uebersendung höflichst / dankend zeichne ganz ergebenst p. C. P. Scheitlin

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Berkmüller als Chormusiker

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Berkmüllers haben diese Geschichte zwar nicht in der vorliegenden Ausgabe gelesen. Sie bezogen die Geschichte band- oder kapitelweise, wie die Rechnung der Buchhandlung belegt. Der Brudermord wird sie besonders interessiert haben, da zu ihrer Zeit die Ruine Rengerswil noch zu sehen war und deren Mauern zum Bau von Webereigebäuden abgetragen worden waren. Wofür die beiden Zahlungen erfolgten, ist in diesem Schreiben leider nicht vermerkt. Auffallend ist indessen, dass Berkmüller nebst seiner eigenen Bestellung gleich auch noch eine solche für seinen Fabrikherrn in Auftrag gab. 1846 wäre dies Jakob August Stierlin gewesen. Ein Bestellauftrag des Chefs an seinen Buchhalter? Oder doch eher ein Hinweis auf ein engeres Verhältnis?

Amtsblatt der Königlich Preussischen Regierung vom 19. November 1841. S. 393.

Seine Bekanntheit über die Grenzen hinaus Im Amtsblatt der Königlich Preussischen Regierung vom 19. November 1841 wird einer Reihe von Schriften von ausserhalb der Staaten des deutschen Bundes die sogenannte Debits-Erlaubnis erteilt. 102 Das ist eine Art Zulassungsbewilligung. Unter Ziffer 17 tauchen dort auf: «Zwölf vierstimmige Lieder für gemischten Gesang. Alphons Berkmüller. 1. Sammlung, Sopran, Alt, Tenor, Bass. St. Gallen. Scheitlin und Zollikofer.» Offenbar gab es ein Interesse an der

Amtsblatt der Königlich Preussischen Regierung vom 19. November 1841. 17) Zwölf vierstimmige Lieder für gemischten Gesang. Alphons Berkmüller. 1. Sammlung. Sopran, Alt, Tenor, Bass. St. Gallen. Scheitlin und Zollikofer. S. 396.


Berkmüller als Chormusiker

Berkmüllerschen Liedersammlung weit über die Ostschweiz hinaus. Sonst hätte sich der St. Galler Verlag Scheitlin und Zollikofer nicht um die Verkaufsrechte im Preussischen Staatsgebiet bemüht. Wer die Liste etwas genauer betrachtet, stösst unter Ziffer 18 auch noch auf «Winterabende in Schwellbrunn». Der Autor dieses Theaterstücks ist niemand anderer als Jakob Stutz, der Bruder von Katharina und der Schwager von Alphons Berkmüller! Herausgeber der «Dramatischen Spiele für Kinder und Erwachsene in schriftdeutscher

Sprache und Züricher Mundart» ist derselbe St. Galler Verlag Scheitlin und Zollikofer. Doch damit nicht genug. Drei Jahre später, 1845, finden wir bei der Hinrichsschen Buchhandlung in Leipzig im Verzeichnis ihrer neu erschienen Bücher, Landkarten usw. «Lieder, 12 vierstimmige, für gemischten Gesang. Gesammelt von Alphons Berkmüller. 3e Sammlg. in 4 Stimmen. qu. gr. 8. (93/8 B.) St. Gallen 1844, Scheitlin u. Zollikofer. geb.» Auf den ersten Blick scheint es sich hier um das Angebot der vorab bewilligten Liedersammlung zu handeln. Allerdings 133 Hinrichssche Buchhandlung. (1845). Ausschnitt aus dem Verzeichnis der Bücher und Landkarten mit den 12 vierstimmigen Liedern für gemischten Chor von Berkmüller. Leipzig.

Hinrichssche Buchhandlung. (1845). Titelseite des Verzeichnisses der 1845 neu erschienen Bücher und Landkarten. Leipzig.


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ist dort von der ersten und hier bereits von der dritten Sammlung die Rede. Man kann das nur so verstehen, dass sich das Geschäft mit den Berkmüllerschen Liedersammlungen für die Buchhandlung Scheitlin und Zollikofer ausbezahlt hat und dass dabei auch für Alphons Berkmüller Tantiemen her­ausgesprungen sind. In Anbetracht dieser unerwarteten Entdeckungen stellt sich in Bezug auf die Berkmüllerschen Liedtexte eine interessante Frage: Im Thurgau nimmt man Alphons Berkmüller auf Grund seiner Beziehungen zum grossen Reformer Thomas Bornhauser ebenfalls als republikanischen Freigeist wahr. Er erscheint mit seinen Vaterlandsliedern ganz in die Reihe der freigeistigen Patrioten eingereiht. Wenn nun aber die Königlich Preussische Zensurbehörde diese Lieder zulässt, kann deren Inhalt nicht ausgesprochen polit- oder systemkritisch gewesen sein. Patriotisch sicher, politisch kaum; pathetisch ja, revolutionär nein. Vielleicht hat im fernen Preussen genau dieses vaterländische Pathos verfangen. In der Sammlung des Ortsmuseums Wängi sind diese vierstimmigen Liedtexte nicht erhalten geblieben. Was hingegen all die Jahre im Estrichboden überdauert hat, ist die bereits erwähnte Sammlung von 12 dreistimmigen Liedsammlungen. Ebenfalls von Scheitlin und Zollikofer herausgegeben. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang noch ein kleines Gedicht auf der Umschlaginnenseite der bereits abgebildeten Liedersammlung mit zwölf dreistimmigen Gesängen für die reifere Jugend. 103 Es stammt von einem gewissen Langbein. Die ersten zwei Zeilen lauten: «Menschen, die

nach Schäzen trachten, / Sind stumm und grämlich, wenn man singt;». Es muss sich beim Verfasser um August Ernst Friedrich Langbein handeln, einem norddeutschen Dichter, welcher von 1734 bis 1824 gelebt hat. Er hatte zeitweise das Amt des Preussischen Zensors für schönwissenschaftliche Schriften inne. Gemäss Überlieferung soll er ein verhältnismässig milder Zensor gewesen sein. Ob die Idee, ein Zitat von Langbein an den Anfang der Liedersammlung zu setzen, von Berkmüller oder vom Verleger stammt, wissen wir nicht. Der Verbreitung des Werkes in Preussen hat es auf alle Fälle nicht geschadet.

Hingabe und Unrast Als Zeichner haben wir Berkmüller vor unserem inneren Auge an seinem Stubentisch in seine Arbeit vertieft gesehen. Und wir haben uns ausgemalt, wie er mit bedingungsloser Hingabe und völlig in seine Bilderwelt versunken Strich neben Strich setzte, gleichzeitig höchst konzentriert und dennoch irgendwie gedankenverloren. Als Chormusiker aber haben wir ihn von einer ganz andern Seite kennen gelernt, nämlich als Dirigent, der mit seinem Chor unermüdlich an einem Gemeinschaftswerk arbeitet und es letztlich zusammen mit seinen Sängern zur vollendeten Darbietung bringt. Wie viel Engagement hat er in die Leitung des Männerchors am Immenberg, in seine verlegerischen Aktivitäten und in seine verschiedenen Aufgabenbereiche im Rahmen des Vorstandes des Thurgauischen Kantonalgesangverbands investiert! Regel-


Berkmüller als Chormusiker

mässige Chorproben in Matzingen, Vorstandssitzungen in Frauenfeld, Weinfelden, Kreuzlingen usw., «Abgeordnetenversammlungen» und Jahrestreffen, Einsitznahme in Jurys zur Bewertung von Wettbewerbsliedern, Teilnahme an kantonalen Chortreffen und Wettbewerben, Besprechungen mit dem Verleger in St. Gallen; wie wohl Berkmüller das alles bewältigt hat? Welche Unrast ihn wohl getrieben hat? Das einzige Verkehrsmittel im Murgtal – wie im ganzen Kanton – zur damaligen Zeit war die Postkutsche. Und die verkehrte ab Wängi täglich gerade einmal mit einem einzigen Kurs in jede Richtung. Frauenfeld ab 10.15 und Wil

an 11.55 und in der umgekehrten Richtung Wil ab 14.00 und Frauenfeld an 15.40. Da kam es Berkmüller gelegen, dass die Chorproben des Männerchors in Matzingen jeweils am Sonntagmorgen nach dem Gottesdienst in der Kirche stattfanden. So erwischte er möglichweise die Morgenkutsche in Richtung Wil. Um einigermassen ermessen zu können, wie Berkmüller sein Reisepensum überhaupt bewältigen konnte, halten wir zwei Jahreszahlen gegeneinander: 1823 wurde die Spinnerey Wängi am Ufer der Murg gegründet, und Berkmüller trat als Buchhalter seine Stelle an. Neun Jahre später, also 1832, be-

Ausschnitt aus der Postkurskarte von 1852. PTT-Archiv, Post-199 A_0008_Wängi_TG. Reproduktion mit Genehmigung des Postarchivs. Arabische Zahlen geben die Uhrzeit am Morgen an, römische am Nachmittag und Abend. Bei der Angabe 3 4/8 in der Mitte der Strecke handelt es sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um das vormetrische Längenmass der Wegstunden1. Die definitive Einführung der metrischen Längenmasse Meter und Kilometer trat erst 1877 in Kraft. 1

Eine Wegstunde ist die Strecke, welche ein Fussgänger in einer Stunde zurücklegt. In der Schweiz galt bis 1876 eine Wegstunde = 16 000 Fuss. Dies entspricht einer Strecke von 4.8 Kilometern.

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schloss der Staat, die Murg beim Nachbardorf Hunzikon zu korrigieren, was dann den Bau einer Strasse in der Talsohle erlaubte. 104 Bis dahin existierte nur die Alte Landstrasse, welche von Matzingen über den Sonnenhof und den Schönenberg nach Münchwilen führte; also weit an der Fabrik vorbei. Die mit Baumwollpacken voll beladenen Pferdefuhrwerke zur Fabrik und die mit Stoffballen vollbepackten Wagen von der Fabrik mussten demnach die ersten zehn Jahre zunächst die Steigung von der Fabrik am Fluss bis zur Landstrasse in der Höhe schaffen, ehe sie nach links in Richtung Frauenfeld oder nach rechts in Richtung St. Gallen abbiegen konnten. In Richtung St. Gallen war bereits

nach etwa zwei Kilometern im Schönenberg der Wegzoll fällig, nämlich «Von jedem Pferd oder Zugvieh, so vor einer geladenen Kutsche, Chaise, Wagen oder Karren gespannen 2 Kreuzer». 105 Wer die Karte von 1839 genau betrachtet, erkennt an der Strasse zum einen ein «Z». Das ist die Zollstation im Schönenberg. Zum andern entdeckt man der Strasse entlang zwei stiellose Kelchgläser. Das sind Kartensymbole für die beiden Wirtschaften Schönenberg und Stegenhof. Im wenige Kilometer entfernten Matzingen wartete dann bereits die nächste Möglichkeit auf eine Einkehr der Fuhrleute und der Wanderer.

Ausschnitt aus einer frühen Landkarte aus dem Jahre 1839. 1 Die sogenannte «Alte Landstrasse» von Frauenfeld nach Wil führt als einzige Verbindung zwischen den beiden Städten über die Hügelzüge längs des Murgtales. Dort blieb die Strasse vor den jährlichen Überschwemmungen der Murg geschützt. Die Strasse in der Talsohle, und damit an der Weberei vorbei, wurde erst nach der Murgkorrektion in den Jahren 1841/42 gebaut. Inv.Nr. G 5494. Ortsmuseum Wängi. 1

Der Canton Zürich mit seinen näheren Angränzungen. Gezeichnet und herausgegeben von Heinrich … dler, Zürich Untere Zäune Nr. 367. vermehrt und …. 1839. Es könnte sich um eine frühe Ausgabe im Stil der kurz darauf erscheinenden Dufourkarten handeln.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

Zum Schluss finden Sie hier eine ausgewählte Zusammenstellung von Werken Berkmüllers, welche in den bisherigen Kapiteln noch nicht oder dann lediglich in Ausschnitten oder entfremdet mit didaktischen Hinweisen gezeigt wurden. Geordnet sind sie nach geografisch konzentrischen Kreisen. Im Mittelpunkt steht die Kirche Wängi. Es folgen das Dorf, die Weiler und Dörfer in seiner näheren und weiteren Umgebung, die Schweiz und schliesslich die «Welt». 137

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kirche in Wengi mit dem Kath. Pfarrhaus. Bleistift und Farbstift. Breitoval 14.0 x 12.5 cm. Mit Signatur: «nach der Natur AB». Ohne Datierung. Nach dem Umbau von 1868. BmKat. Nr. 114. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Wängi Oberdorf mit Kirche und Pfarrhaus. Aquarell über Bleistift. 14.0 x 9.5 cm. Mit Signatur: «nach der Natur v. AB». Mit Datierung: «1863». BmKat. Nr. 61. Unter Glas. Alt gerahmt. Evangelische Kirchgemeinde Wängi. Reproduktion mit Genehmigung.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Dorfstrasse Wängi mit Haus Krone. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 04. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kronenscheune Wängi mit Blick Richtung Tuttwilerberg. Bleistift. 9.5 x 6.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 16. Unter Glas. Alt gerahmt. Ortsmuseum Wängi. Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Weierhaus nach dem Umbau von 1853. Bleistift. 9.5 x 6.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 10. Unter Glas. Alt gerahmt. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

140 Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Katholisches Schulhaus Wängi (von Süden gesehen). Bleistift. 9.7 x 6.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 07. Unter Glas. Alt gerahmt. Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Dorfstrasse Wängi mit Doktorhaus. Bleistift. Masse unbekannt. Mit Signatur und Datierung: «nach d. Natur v. AB 1872.» BmKat. Nr. 74. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Lommiserstrasse Wängi mit Haus Debrunner. Wirtschaft zum Kalkbühl. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 12. Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Murgschulhaus an der Frauenfelderstrasse Wängi. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 39. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Spinnerei Wängi und Fabrikantenvilla Schweizer. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 22. Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Weberei Wängi. Bleistift. 9.5 x 6.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 25. Unter Glas. Alt gerahmt. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Etabl. in Wengi. von d. Abendseite. Bleistift. 18.5 x 12.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 78. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Comptoir u. Weberei in W. Bleistift. 18.5 x 12.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 79. Unter Glas. Alt gerahmt. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Haus Isenring Weinberg Wängi. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 13. Ortsmuseum Wängi

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Armenanstalt Neuhaus Wängi. Bleistift. 12.0 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 40. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

145 Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Schönenberg bei Wängi. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 58. Ortsmuseum Wängi. Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Wengi (Oberdorf) vom Dammbühl aus gesehen. Aquarell über Bleistift. 22.5 x 16.6 cm. Mit Signatur: «A». Mit Datierung: «1863». BmKat. Nr. 152. Unter Glas. Alt gerahmt. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

146 Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Jakobsthal (Mittagseite). Bleistift. Breitoval 17.8 x 12.3 cm. Mit Signatur: «AB nach d. Natur». Mit Datierung: «1871». BmKat. Nr. 146. Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Jakobsthal (Abendseite). Bleistift. Breitoval 17.8 x 12.3 cm. Mit Signatur: «AB nach d. Natur». Mit Datierung: «1871». BmKat. Nr. 147. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Jakobsthal von Norden. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 41. Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Jakobsthal. Bleistift. 18.5 x 12.0 cm. Ohne Signatur und Datierung. BmKat. 96. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kirche Stettfurt. Bleistift. Masse unbekannt. Ohne Signatur und Datierung. BmKat. 35. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kirche in Stettfurt. Aquarell über Bleistift. 16.1 x 10.6 cm. Mit Signatur und Datierung: «18 AB 68». BmKat. Nr. 88. Unter Glas. Alt gerahmt. Privatbesitz: Stiftung Accentus, Rutishauser Kunst- und Kulturfonds Kreuzlingen. Inv.Nr. 560. Reproduktion mit Genehmigung.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

149 Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Stettfurt. Aquarell über Bleistift. 23.0 x 15.0 cm. Mit Signatur «nach der Natur aufgenommen v. A.B.». BmKat. Nr. 158. Privatbesitz: Sammlung Hans E. Rutishauser Kreuzlingen. HRK 618. Reproduktion mit Genehmigung. Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Entrée du village de Stettfurt vers le Sonnenberg. Aquarell über Bleisitft.. 24.6 x 17.8 cm. Mit Signatur: «nach der Natur A.B.». Mit Datierung: «1859». BmKat. Nr. 148. Historisches Museum des Kantons Thurgau. InvNr. 2798. Reproduktion mit Genehmigung.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Schloss Wittenwyl (Thurgau). Aquarell über Bleistift. Breitoval 23.0 x 16.0 cm. Mit Signatur und Datierung: «nach der Natur aufgenommen AB 1879.» BmKat. Nr. 82. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980. «Das Schloss Wittenwyl. Stamm / ort der Edeln v. Wyttenwyl, welche später in Wyl lebten, gieng an die Herren / von Spiegelberg dieselben besitzen; dann fiel es an die Horber (?) und 1722 an die rupplin; endlich / an die Schulhess von Zürich. Gesch. v. Puppenkofer.» Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Schloss Wittenwyl. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 30. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Halingen. Bleistift. Aquarell über Bleistift. 27.0 x 17.0 cm. Mit Signatur und Datierung: «nach der Natur aufgenommen AB 1868.» BmKat. Nr. 47. Privatbesitz. «Dein denk ich immer du traulicher Herd / O Dörfchen, o Heimat, wie bist du mir werth!» Reproduktion mit Genehmigung.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Aadorf-Aawangen. Aquarell über Bleistift. 16.1 x 10.6 cm. Mit Signatur: «nach der Natur v. AB». Mit Datierung: «1867». BmKat. Nr. 159. Privatbesitz: Sammlung Hans E. Rutishauser Kreuzlingen. HRK 1321. Reproduktion mit Genehmigung.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

152 Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Doktorhaus Münchwilen. Bleistift. 19.5 x 16.5 cm Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 54. Stiftung Accentus, Rutishauser Kunst- und Kulturfonds Kreuzlingen. Inv.Nr. HRK 5169. Reproduktion mit Genehmigung.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Bichelsee. Bleistift. 9.5 x 6.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 72. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

153 Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Martinskirchlein bei Oberwangen. Bleistift. 9.5 x 6.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 70. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Schloss Frauenfeld. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 52. Ortsmuseum Wängi


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kartause Ittingen. Bleistift. Masse unbekannt. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 57. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Schloss Kyburg. Bleistift. 11.5 x 7.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 60. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

155 Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Geburtshaus Jakob Stutz und Katharina Berkmüller-Stutz in Isikon. Bleistift. 9.5 x 6.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 65. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Schloss Gottlieben. 18.5 x 12.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 102. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Wildkirchlein. Bleistift. 12.8 x 18.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 130. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Der Schächenbach (Ct. Uri). Bleistift. 12.9 x 17.7 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 137. Ortsmuseum Wängi..


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Bei Riedern. Eingang ins Klöntal (Glarus). Bleistift. 18.5 x 12.6 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 127. Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Lago Bianco auf dem Berninapass. Bleistift. 18.4 x 12.6 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 125. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879).Klosters. Bleistift- / Buntstiftzeichnung. Mit Signatur: «A.B.». Ohne Datierung; auf 1850 anzusetzen. Breitoval 23.5 x 18.0 cm. BmKat. Nr. 51. Privatbesitz: Rutishauser Kunst- und Kulturfonds Kreuzlingen. Inv.Nr. 19684. Reproduktion mit Genehmigung.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Bürglen (Uri). Bleistift. 18.4 x 12.8 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 116. Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Am Brienzer-See (Bern). Bleistift. 18.8 x 12.8 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 135. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Pantenbrücke (Glarus). Bleistift. 13.0 x 17.9 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 129. Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Im Berner Oberland. Bleistift. 12.6 x 18.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 140. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Lauterbrunnen mit dem Staubbach. Bleistift. 21.0 x 15.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 91. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980. Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Maison à Grindelwald (Bern). Bleistift. 18.0 x 11.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 103. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Schreckhörner (Bern). Bleistift. 12.5 x 18.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 119. Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Das Lütschinen-Thal (Bern). 12.6 x 18.2 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 121. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Brücke über die Lütschine. Bleistift. 12.6 x 18.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 122. Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). La chûte de l’Aar à la Handeck (Bern). Bleistift. 12.7 x 18.1 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 136. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

165

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Die Handeck (Ct. Bern). Farbstift. 12.8 x 18.2 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 139. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

166

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Der Staubbach (Bern). Bleistift. 18.7 x 12.6 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 131. Ortsmuseum Wängi.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Die Lawine. Bleistift. 20.8 x 15.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 138. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Villeneuve au Lac Léman. Bleistift. 18.5 x 12.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 99. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Insel Mainau. Bleistift. 18.5 x 12.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 94. Ortsmuseum Wängi.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kriebsstein (Sächs. Schweiz). Bleistift. 18.5 x 12.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 100. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Kloster Neuburg (b. Wien). Bleistift. 18.5 x 12.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 104. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Hietzing (Wien). Bleistift. 18.5 x 12.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 106. Privatbesitz. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Das Paradiesgärtchen (Wien). Bleistift. 18.5 x 12.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 109. Privatsammlung. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.


Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

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Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Der Wolfgangsee bei Ischl. Bleistift. 19.0 x 12.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 110. Privatsammlung. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Baden (Wien). Bleistift. 18.5 x 12.5 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 108. Privatsammlung. Aktueller Standort unklar. Reproduktion ab Diapositiv 1980.


171 Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Koszinsko’s Denkmal b. Westpoint (Nordamericka). Bleistift. 19.0 x 12.0 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 111. Aktueller Standort unklar. Reproduktion nach Diapositiv 1980. Nach Carl Tueckings Grundriss der Universalgeschichte Bd. 3 erklärte Thaddäus Koszinsko 1794 in Polen die vollständige Befreiung der Leibeigenen. Der Zusammenhang mit der amerikanischen Militärakademie in Westpoint scheint unklar.

Alphons Berkmüller. (1802 – 1879). Im Orient. Bleistift. 18.3 x 12.2 cm. Ohne Signatur. Ohne Datierung. BmKat. Nr. 141. Ortsmuseum Wängi.


Zwischenhalt auf unserer Spurensuche

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Soweit nun also der erste Teil der Spurensuche nach dem Menschen Alphons Berkmüller von Wängi, ausgehend von überlieferten Objekten im Ortsmuseum. Es ist mehr geworden als zu Beginn gedacht. Unsere Neugierde hat uns immer weiter getragen. Im Laufe der Suche haben sich uns neue Erkenntnisse aufgetan und ebenso neue Fragen eröffnet. Zwar hat sich uns Berkmüllers Leben lediglich in Umrissen erschlossen, und seine Biographie weist Lücken auf. Vor allem seine Jugendzeit verbirgt sich nach wie vor hinter einem Schleier. Gesichert sind nach seinem Geburtsdatum erst wieder seine Anstellung als Buchhalter in der Spinnerei Wängi im Alter von 21 Jahren, seine Einbürgerung in der Schweiz, seine Rekrutierung in der Schweizer Armee sowie die Heirat mit Katharina Stutz. Auch der Hauskauf in Wängi ist verbrieft. Die jeweiligen Umstände bleiben aber im Dunkeln. Mit seinem Eintrag im Totenregister enden die amtlichen Angaben. Auch über sein berufliches Wirken in der Spinnerei und späteren Weberei Wängi haben wir insgesamt wenig Einzelheiten erfahren. Am meisten beeindruckt hat uns Berkmüller wohl als Zeichner. Schrittweise und aus unterschiedlichen Richtungen haben wir uns seinem Werk angenähert. Wir haben gesehen, dass er sich mit seiner Zeit und ihren Epochen wohl auseinandergesetzt, dabei aber in seinen Bildern nur das verwendet

hat, was er für seine Sicht der Welt benötigte. Wirklich neu war die Entdeckung seines Wirkens als Chormusiker. Als Spurensucher haben wir uns bemüht, die zahlreichen Puzzleteilchen zu einem stimmigen Geschichts- und Lebensbild zusammenzufügen. Mit Blick auf den politischen, gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Zeitgeist im Murgtal des 19. Jahrhunderts haben wir versucht, Alphons Berkmüller als Menschen seiner Zeit zu sehen und zu verstehen. In welchem Masse die Menschen in ihrer Art zu leben, zu denken und zu handeln von diesem Zeitgeist beeinflusst waren, haben uns die Spuren, welche sie in der Geschichte hinterlassen haben, klargemacht. Berkmüller hat sich im Thurgau erfolgreich integrieren können. Entsprechende Hinweise haben wir in verschiedenen Zusammenhängen gefunden. Zunächst pflegte er sehr gute Beziehungen zu seiner Fabrikherrschaft. Sie bürgte für ihn bei seiner Einbürgerung. Im Gegenzug schenkte er der Familie Stierlin mehrfach Zeichnungen. Zweitens ergibt sich aus dem grossenteils bis auf den heutigen Tag nachgeführten Besitzerverzeichnis seiner Zeichnungen, dass er in erster Linie zu namhaften Personen Kontakt pflegte. Dazu gehören die erwähnten Fabrikbesitzer, lokale Honoratioren wie zum Beispiel der Notar und Friedensrichter, dörfliche Magnaten wie der Arzt und die Pfarrherren oder Aufsteiger wie etwa Wirte sowie weitere wohlhabende Leute. 106 Über


Zwischenhalt auf unserer Spurensuche

Wängi hinaus pflegte er im Zusammenhang mit seiner Chortätigkeiten enge Kontakte zu Thurgauer Politgrössen. Berkmüller war ein Thurgauer. Wie weit unser Bild mit der historischen Realität übereinstimmt, bleibt trotz unserer Anstrengungen zu weiten Teilen offen. Auch wenn die dokumentarische Arbeit am Werkverzeichnis weiter geht und vielleicht noch die eine oder andere Neuigkeit ans Licht bringen wird. Unsere Spurensuche ist hier aber nicht beendet. Alphons Berkmüller war verheiratet mit einer bemerkenswerten Frau: Katharina Berkmüller-Stutz. Auch von ihr wissen

wir einstweilen noch wenig. Es lohnt sich, nochmals einen Anlauf zu wagen und nach weiteren möglichen Erzählfäden in die Vergangenheit des 19. Jahrhunderts zu suchen. Immerhin war sie eine bedeutende Literatin. Sie verfasste Gedichte. Viele davon sind erhalten geblieben. Wir werden bei unserer fortgesetzten Suche auf ihr Familienleben, ihren Lebensstil und ihren ganz normalen Alltag zusammen mit ihrem Gatten und ihrer Tochter stossen. Alles festgehalten im Wängener Heft 7 «Auf Spurensuche im 19. Jahrhundert. Gedichte von Katharina Berkmüller-Stutz 1809 – 1876».

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Literatur und Quellen Wängener Hefte 6 und 7

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Endnoten 1

Eines dieser Alben enthält eine Widmung. «Familie Kappeler-Stierlin freundschaftlich gewidmet. Weihnachten 1949. A.W. [Anna Walder].»

2

Auf die Geschichte des Hauses wird im Wängener Heft 7 detailliert eingegangen.

3

Sind die Bewohner von Wängi eigentlich «Wänger*innen», «Wängener*innen» oder «Wängemer*innen»? Der Sprachatlas der deutschen Schweiz, das sogenannte Idiotikon, hält auf Grund seiner Erhebungen Mitte des 20. Jahrhunderts fest, dass die Einwohner von Wängi eigentlich «Wänger» seien. Anscheinend sei aber auch die Ableitung «Wängener» gebräuchlich. Die m-Ableitung hält das Idiotikon für eher jung. Allerdings werden Analogien aufgezählt: Uster > Ustermer oder Meilen > Meilemer. Im vorliegenden Text wird in der Folge die Version «Wängemerin» und «Wängemer» verwendet. Lediglich im Zusammenhang mit der Heftreihe wird aus Gründen der Kontinuität von «Wängener Heft» gesprochen.

4

Leuthy, J. J. (1840). Der Begleiter auf der Reise durch die Schweiz. S. 467.

5

Recherchen Amt für Denkmalpflege Kanton Thurgau

6

Bischof, Otto. (1941). Johann Alfons Berkmüller. S. 32.

7

Wyler, Georg Y. (1971). Industrie und Handwerk. S. 149ff.

8

Knöpfli, Albert. (1955). Kunstdenkmäler der Schweiz. Bd. Thurgau II Münchwilen. S. 374.

9

Eine Zufallsstichprobe von 241 Namen aus dem Arbeiterbuch für die Jahre 1880 – 1895 ohne Berücksichtigung bestimmter Berufe oder Funktionen hat 60% Männer und 40% Frauen ergeben.

10

Herrliberger, David. (1754). Neue und Vollständige Topographie der Eidgnossschaft. S. 98.

11

Fäsi, Johann Conrad. (1759). Geschichte der Landgrafschaft Thurgaüw. S. 267. Siehe a.a.O.

12

Je nach Quelle stammte der Fabrikgründer J.J. Bachmann entweder aus Thundorf oder von Schönenberg-Anetswil. Beide Ortschaften liegen im näheren Umkreis der Ruine Spiegelberg. Der Glockenexperte Hans Jürg Gnehm hält diese Version für plausibel. Gegossen wurde die Glocke vermutlich in Zürich in der Giesserei Füssli.

13

Trachsler, Ernst. (2019). Das Ortsmuseum Wängi 1960 – 2017. S. 218 – 226.

14

Ortsmuseum Wängi. Inv.Nr. 538.

15

Als sogenannte Ansetzer verknüpften sie die während des Spinnprozesses gerissenen Fäden. Als Aufstecker erneuerten sie an den Spinnmaschinen die Vorgarnspulen. Sie nahmen auch die vollen Garnspulen ab und halfen bei Putzarbeiten.

16

Walder, Hermann & Thurgauische Kommission zur Fabrikfrage. (1869). Bericht über das thurgauische Fabrikwesen. S. 98.

181


Endnoten

17

Witzig, Heidi schreibt: «Der Schnapskonsum hatte sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Schweiz stark erhöht, was einerseits mit der billigen Herstellung von Kartoffelschnaps («Härdöpfler») durch bäuerliche Kleinbrennereien und andererseits mit dem Anwachsen einer Schicht von Industriearbeitern zu tun hatte, welche den Konsum des billigen und leicht verfügbaren Getränks in den Arbeits- und Freizeitalltag integrierte.» 2020. S. 120.

18

Beim Kardieren werden die Baumwollfasern parallel gekämmt.

19

Die Zitate sind den beiden erhalten gebliebenen «Verzeichnissen der Arbeiter» der Spinnerei Stierlin & Schweitzer sowie der Weberei Stierlin & Co. entnommen. Ortsmuseum Wängi

20

Bürgergemeinde Wängi. Ausgegebene Heimatscheine MGW 058.

21

Widmer, Thomas. (2021). Amerika. In Das Magazin Nr. 26/2021. Zürich: Tages Anzeiger. «1848 wird in Kalifornien Gold entdeckt. Und plötzlich träumt alle Welt davon, reich zu werden. Vor allem arme Leute fassen eine Auswanderung ins Auge. Bisweilen ist Druck der Obrigkeit im Spiel: Gemeinden wittern die Chance, ihre Bedürftigen loszuwerden und übernehmen die Reisekosten.» S. 7.

22

1831 zählt Wängi 554 Einwohnerinnen und Einwohner, 1888 sind es bereits 765.

23

Bosshard, Heinrich. (1853). Anschauungen und Erfahrungen in Nordamerika.

24

Hochstrasser, Eduard. (1994). Geschichte der Textilindustrie im Murgtal. S. 16.

25

Hochstrasser, Eduard. (1994). Geschichte der Textilindustrie im Murgtal. S. 16.

26

Walder, Hermann & Thurgauische Kommission zur Fabrikfrage. (1869). Bericht über das thurgauische Fabrikwesen.

27

Walder, Hermann & Thurgauische Kommission zur Fabrikfrage. (1869). Bericht über das thurgauische Fabrikwesen. S. 123.

28

Walder, Hermann & Thurgauische Kommission zur Fabrikfrage. (1869). Bericht über das thurgauische Fabrikwesen. S. 127.

29

Bericht des katholischen Pfarramtes Wängi. In Walder, Hermann & Thurgauische Kommission zur Fabrikfrage. S. 56 – 57.

30

Walder, Hermann. (1931a). Memorabilia Wengensia. S. 25.

31

Bärtschi, Hans-Peter. (2002). Industriekultur in Winterthur. Zürich: Chronos-Verlag. S. 100.

32

Hochstrasser, Eduard. (1994). Geschichte der Industrie im Murgtal. Materialien S. 8.

33

Bischof, Otto. (1941). Johann Alphons Berkmüller. S. 32.

34

Bischof nennt Georg August Stierlin als Firmengründer. Richtig ist indessen, dass dessen Vater Georg Michael (1776 – 1856) zusammen mit J.C. Bachmann die «Gesellschaft der mechanischen Spinnerey in Wängi» gründete. Dessen Sohn Jakob August Stierlin (1818 – 1898) folgte seinem Vater und entwickelte die Firma mit viel Erfolg weiter.

35

Walder, Hermann. (1931a). Memorabilia Wengensia. S. 15. Walder verwendet hier den Ausdruck «jedenfalls» nicht in apodiktischem Sinne von «in jedem Fall» sondern alltagssprachlich im Sinne von «sehr wahrscheinlich». Bayern galt für ihn wohl grossmehrheitlich als katholisch.

182


Endnoten

36

Walder, Hermann. (1931a). Memorabilia Wengensia. S. 16

37

Walder verwendet den Ausdruck «jedenfalls» umgangssprachlich im Sinne von «möglicherweise» und nicht apodiktisch als «in jedem Fall».

38

Thieme, Ulrich & Becker, Felix. (Hrsg.). (1909). Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. S. 412.

39

Wyler, Georg W. (1971). Handel. S. 194 – 195.

40

Fröhlich, Jakob. (1913). Geschichte der ehemaligen Baumwollspinnerei Lauchetal. S. 134.

41

Fröhlich, Jakob. (1913). Geschichte der ehemaligen Baumwollspinnerei Lauchetal. S. 134.

42

Vollrath Hoffmann, Karl Friedrich. (1833). Stuttgart und Wien.

43

Zollinger, Jakob. (2001). Stammbaum Jakob Stutz. S. 100 – 101.

44

Ein kurzer Blick in die Literatur zeigt, dass auch Jakob Stutz, der Schwager von Berkmüller, 1831 eine seiner Schriften unter dem Titel «Gemälde aus dem Volksleben – nach der Natur aufgenommen und getreu dargestellt» herausgibt.

45

Gubler, Walter. (2001). Jakob Stutz 1801 – 1877. Stationen eines Lebens. Pfäffikon: Antiquarische Gesellschaft. S. 14.

46

Kunstmuseum Winterthur. (2019). Souvenir Suisse. Graphiksammlung der Familie Fehlmann.

47

Der besseren Erkennung halber sind hier die Szenen einzelnen umrahmt. Weiter hinten findet sich die Zeichnung in ihrem Originalzustand.

48

Bieri, Susanne. Helvetica-Ansichten – Bilder und Projektionen nationaler Identität. S. 41.

49

Bieri, Susanne. Helvetica-Ansichten – Bilder und Projektionen nationaler Identität. S. 36.

50

Kruse, Friedrich Karl Hermann. (Hrsg.) (1855 – 1859). Ulrich Jasper Seetzen’s Reisen durch Syrien, Palästina, Phönicien, die Transjordan-Länder, Arabia Petraea und Unter Aegypten. S. 180.

51

Buri & Jeker. (1874). Schweizerische Bilderbogen. Band 1. Die Schweiz zur Zeit des deutsch-französischen Krieges. (1870/71).

52

Im 19. Jahrhundert bildete Stroh eine wichtige Faser für die Papierherstellung. Neben billigen Strohpapieren aus Strohstoff wurde auch qualitativ hochstehendes Papier aus gebleichtem Strohzellstoff hergestellt. Wir gehen davon aus, dass Berkmüller nicht das billige Schrenzpapier aus Stroh gekauft hat. Dass auch das hochwertige Strohpapier eine leicht gelbliche Färbung aufwies, hat für ihn keine Rolle gespielt, da er seine Papiere weiss grundierte. Expertise: Papiermuseum Basel.

53

Fäsi, L.R. (1848). Rechnung an A. Berkmüller. Inv.Nr. B510.R34. Ortsmuseum Wängi.

54

Siehe Berkmüller, Alphons. (1802 – 1879). Stachelberger Bad (Glarus). BmKat. Nr. 128. Ortsmuseum Wängi.

55

Restaurierungsatelier für Kunst auf Papier. Masson & Ritter. Zürich.

56

Meder, Joseph. (1909). Büchlein vom Silberstift.

183


Endnoten

184

57

Restaurierungsatelier für Kunst auf Papier. Masson & Ritter. Zürich.

58

Wehlte, Kurt. (1992). Werkstoffe und Techniken der Malerei.

59

Fischer, Matthias & Mayer, Monique. (2017). Tour de Suisse. S. 199ff.

60

Restaurierungsatelier Kunst auf Papier. Masson & Ritter. Zürich.

61

Hahnloser, Bettina (2017). Revolution beim schwarzen Kaffee. S. 328.

62

Wehlte, Kurt. (1992). Werkstoffe und Techniken der Malerei.

63

Restaurierungsatelier Kunst auf Papier. Masson & Ritter. Zürich.

64

Bischof, Otto. 1941. Johann Alphons Berkmüller. Separatdruck. S. 7.

65

Stutz, Jakob. (1839). Briefe und Lieder aus dem Volksleben. S.39-40.

66

Restaurierungsatelier Kunst auf Papier. Masson & Ritter. Zürich.

67

Gemäss einem Ortsplan von 1900 wohnten allein in Wängi-Unterdorf vier Lieutenants: Bommer, Früh, Felix und nochmals Bommer. InvNr. G388. Ortsmuseum Wängi.

68

Auskunft der Denkmalpflege zum Wohnhaus Thalmann Aadorferstrasse in Obertuttwil.

69

Werkverzeichnis Alphons Berkmüller. BmKat. Nr. 21a.

70

Fischer, Matthias & Meyer, Monique. (2017). Tour de Suisse. Schweizer Kleinmeister aus der Sammlung Bernhard Neher. Katalog zur Ausstellung im Museum zu Allerheiligen Schaffhausen. Alle Reproduktionen mit freundlicher Genehmigung des Museums Allerheiligen Schaffhausen.

71

Schmidhauser, David. (2019). Johann Ludwig Aeberlis Verhältnis zu Natur und Abbild. Souvenir Suisse. S. 26

72

Leuthy, J.J. (1840). Der Begleiter auf der Reise durch die Schweiz. S. 470f.

73

Wiesmann, Ernst. (um 1940/1950). Kommentar zur Sammlung von Diapositiven. S. 1-2.

74

Schaller, Marie-Louise. (1982). Schöne alte Gravuren. Die Schweiz – Arkadien im Herzen Europas.

75

Herrliberger, David. (1754). Topographie der Eydgnossschaft. S. 86.

76

In der heute offiziellen Schreibweise heisst die Postadresse der Siedlung «Greuthof». Der Flurname hingegen lautet «Im Grüt». Im 19. Jahrhundert galt diese Sprachregelung noch nicht. Daher der Bildtitel «Grüthof».

77

Laut Schweizerischem Idiotikon nannte man den Langbaum an vierrädrigen Wagen, welcher den Vorder- mit dem Hinterwagen verband, «Langwid» oder «Landwid».

78

Berkmüller, Katharina. (zwischen 1850 und 1870). Zum Andenken der lieben Louise. S. 124.

79

«Der Wächter» vom 18. August 1842. S. 267.

80

Walder, Hermann. (1931a). Memorabilia Wengensia. S. 52.

81

Stutz, Jakob. (1853). Siebenmal sieben Jahre aus meinem Leben. S. 96.


Endnoten

82

Hux, Angelus. (2014). 800 Jahre Pfarreikirche St. Jakobus Lommis. S. 17.

83

Protokoll über die Verhandlungen des Sittengerichts und der Pflegekommission der katholischen Kirchgemeinde Lommis von Mai 1842 bis Dezember 1877. S. 217.

84

Ammann, Johann. (1933). Die Ammann von Wittenwil, Matzingen, Wängi und Thundorf. S. 125

85

Lei, Hermann. (1978). 150 Jahre im Dienst am Lied. S. 7 u. 11.

86

Der «Wächter» war eine der führenden konservativen Zeitungen aus der Zeit der Regeneration. Im Estrichboden ist ein Exemplar vom 18. August 1842 erhalten geblieben.

87

Lei, Hermann. (1978). 150 Jahre im Dienst am Lied. S. 20.

88

Lei, Hermann. (1978). 150 Jahre im Dienst am Lied. S. 13.

89

Lei, Hermann. (1978). 150 Jahre im Dienst des Liedes. S. 32.

90

Div. Schneiderrechnungen aus den Jahren 1846 und 1847. Inv.Nr. B510.R07/21/24/26. Ortsmuseum Wängi.

91

Haffter, Elias. (1845). Tagebuch. In Lei, Hermann. (1978). 150 Jahre im Dienst des Liedes. S. 32.

92

Lei, Hermann. (1978). 150 Jahre im Dienst des Liedes. S. 56.

93

Lei, Hermann. (1979). Johannes Wepf 1810-1890. S. 254.

94

Lei, Hermann. (1978). 150 Jahre Dienst am Lied. S. 8.

95

Festheft für die 22. Gesangaufführung des Thurgauischen Sängervereins in Weinfelden. 1849. Die Titel sind in der vorgegebenen Reihenfolge aufgeführt. InvNr. B510.MD03. Ortsmuseum Wängi.

96

Lei, Hermann. (1978). 150 Jahre Dienst am Lied. S. 19.

97

Lei, Hermann. (1978). 150 Jahre Dienst am Lied. S. 45.

98

Lei, Hermann. (1978). 150 Jahre Dienst am Lied. S. 67.

99

Fisch, Samuel. (1951).

100 Lei, Hermann. (1978). 150 Jahre Dienst am Lied. 101 Fröhlich, Jakob & Graf, Ulrich. (1913). Geschichte der ehemaligen Baumwollspinnerei Lauchetal. S. 134. 102 Königlich Preussische Regierung. (1841). Amts-Blatt. Stück 48. S. 395. 103 Wer nochmals zurückblättern mag, kann bei genauem Hinsehen das rückseitig gedruckte Gedicht von Langbein schwach erkennen. 104 Tuchschmid, Karl. (1948). Geschichte von Wängi. S. 155 105 Tarifordnung der Strassenkommission des Kantons Thurgau über das Weggeld von Matzingen nach Wyl aus dem Jahre 1825. 106 Joris, Elisabeth und Witzig, Heidi. (1992). Brave Frauen, aufmüpfige Weiber. S. 18.

185


Finanzielle Unterstützung

Gedruckt mit Unterstützung der Ulrico Höpli-Stiftung, Zürich Mit Unterstützung von

Sponsoren

186

Politische Gemeinde Wängi Ortsmuseum Wängi Raiffeisenbank Wängi-Matzingen Thurgauer Kantonalbank, Jubiläumsstiftung Kulturamt des Kantons Thurgau Evangelische Kirchgemeinde Wängi Katholische Kirchgemeinde Wängi VMA Media AG, Affeltrangen Volksschulgemeinde Wängi Thurgauische Kulturstiftung Ottoberg Theatergruppe Wängi Tony Brändle AG, Wängi Landi, Matzingen Isenring Holzbau AG, Wängi Optive AG, Wängi Marcel Bosshard Plattenbeläge, Wängi büchel gubler kuster, Wängi Schadegg AG, Wängi Werder Schreinerei AG, Wängi Garage Wäfler AG, Wängi Coiffure Marco, Wängi Murg-Garage GmbH, Wängi Hug Lüftungsmontagen GmbH, Tuttwil Diego di Roma, Wängi Karin Bauer, Frauenfeld


Autoren Ernst Trachsler wurde 1941 geboren und wuchs in Frauenfeld auf. Nach einer Ausbildung zum Primarlehrer war er 1963 bis 1982 an der Primarschule in Wängi tätig. Anschliessend studierte er an der Universität Zürich Erziehungswissenschaft, Soziologie und Volkskunde. In der Folge konzentrierte er sich auf Forschung und Entwicklung in den Bereichen Schulsystem sowie Profession der Lehrberufe. Das Ortsmuseum Wängi betreute er nebenberuflich von 1964 bis 2011. In dieser Funktion war er verantwortlich für die Betreuung der Objekte im Zusammenhang mit der Familie Berkmüller. Ernst Trachsler wohnt heute in Winterthur.

Ruedi Götz wurde 1936 geboren und wuchs in Oberneunforn auf. In der Zeit nach seiner Ausbildung zum Primar- und später zum Sekundarlehrer war er an verschiedenen Lehrstellen tätig. 1966 kam er nach Wängi, wo er bis zu seiner Pensionierung als Sekundarlehrer unterrichtete. Von 1983 bis 2002 wirkte er als nebenamtlicher Sekundarschulinspektor des Kantons Thurgau. Von 1999 bis 2008 amtete er als Präsident des Stiftungsrates für das Orts­museum Wängi. In seiner Freizeit erstellte er eine einmalige Wängemer Foto­sammlung, welche er 2015 dem Ortsmuseum übergab. Für die vorliegende Publikation lieferte er die Fotos.

187


Wängener Hefte In der Reihe der Wängener Hefte sind bislang erschienen: Andreas Raas. (2008). Wängi – Der Weg von der Gerichtsherrschaft zur politischen Gemeinde. Wängener Heft 1. Ruedi Götz. (2011). 75 Jahre Naturschutzvereinigung Grütried. Geschichtlicher Rückblick und aktuelle Bilder. Wängener Heft 2. 188

Andreas Raas. (2012). Von ländlicher Geborgenheit in die Neuzeit. Interpretationen von Bildern aus Wängener Fotoalben. Wängener Heft 3. Andreas Raas. (2014). 1864 – 2014. 150 Jahre Neuhaus Wängi. Wohn- und Pflegezentrum. Wängener Heft 4. Ernst Trachsler. (2018). Das Ortsmuseum Wängi – Geschichte und Geschichten. Wängener Heft 5. Ernst Trachsler. (2022). Auf Spurensuche im 19. Jahrhundert – Zeichnungen und Aquarelle von Johann Alphons Berkmüller. 1802 – 1879. Wängener Heft 6. Ernst Trachsler. (2022). Auf Spurensuche im 19. Jahrhundert – Gedichte von Katharina Berkmüller-Stutz 1809 – 1876. Wängener Heft 7. Die Wängener Hefte können, solange vorrätig, beim Ortsmuseum Wängi bezogen werden. Hermann Stamm: 052 378 19 76. Die Reihe soll fortgesetzt werden.




Articles inside

Wängener Hefte

1min
pages 189-190

Autoren

1min
page 188

Endnoten

8min
pages 182-186

Weitere Beispiele aus dem Werkverzeichnis

13min
pages 138-172

Literatur und Quellen

9min
pages 175-181

Hingabe und Unrast

4min
pages 135-137

Seine Bekanntheit über die Grenze hinaus

2min
pages 133-134

Ein paar Beispiele

2min
pages 127-128

Herausgeber von Chornoten

3min
pages 129-132

Zwischenhalt auf unserer Spurensuche

2min
pages 173-174

Berkmüllers Beitrag zum Thurgauer Chorwesen

8min
pages 122-126

Die Männerchöre im 19. Jahrhundert

1min
page 121

Erzähler

4min
pages 106-110

Bewunderer moderner Technik

3min
pages 111-113

Romantiker

8min
pages 96-105

Geschäftssinn

8min
pages 114-120

Stil

13min
pages 69-79

Berkmüller im Rahmen der Schweizer Kleinmeister

10min
pages 80-91

Schaben und Kratzen

6min
pages 65-68

Aquarell

1min
page 64

Bleistift

5min
pages 58-61

Silberstift

1min
page 57

Pastellfarben

2min
pages 62-63

Papier und Grundierung

2min
pages 55-56

Techniken

1min
page 54

Epochen des 19. Jahrhunderts

5min
pages 44-47

Beruf und Freizeit

5min
pages 40-43

Zur Person

16min
pages 27-39

Berkmüllers Weltbild

3min
pages 16-18

Sehgewohnheiten früher und heute

2min
page 15

Der Schäfliplatz Wängi – ein Beispiel

3min
pages 13-14

Vorwort des Autors

1min
page 7

Wängi im 19. Jahrhundert

12min
pages 19-26

Johann Alphons Berkmüller im Ortsmuseum Wängi

5min
pages 8-12

Grusswort des Gemeindepräsidenten

1min
page 6
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