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Johann Alphons Berkmüller im Ortsmuseum Wängi

1964 hinterliess der Gründer des Ortsmuseums Wängi, Sekundarlehrer Ernst Wiesmann, bei seinem Hinschied in seiner heimatkundlichen Sammlung eine Handvoll Bleistiftzeichnungen von Alphons Berkmüller. Wie er zu diesen Zeichnungen gekommen ist, hat er nirgends festgehalten. Sie dürften ihm im Rahmen seines unermüdlichen Einsatzes um die Pflege der dörflichen Kultur oder dann bei seinen gezielten Sammelaktionen im Zusammenhang mit dem Aufbau eines Ortsmuseums zugetragen worden sein.

Ebenfalls über Ernst Wiesmann kam eine Schachtel mit alten Diapositiven von Berkmüller Zeichnungen ins Ortsmuseum. Es handelt sich dabei um 34 Glasplatten in verschiedenen Formaten. Wer die Aufnahmen gemacht hat und in welchem Zusammenhang sie entstanden sind, ist ebenfalls unklar.

Wohl etwa zur selben Zeit wurden dem Ortsmuseum zusätzlich zwei oder drei Alben mit Fotos von Berkmüller Zeichungen vermacht. Die Aufnahmen hatten alle einen forcierten Schwarz-Weiss-Kontrast und waren auch sonst technisch eher schlecht. Aufschlussreich an diesen Alben war hingegen die Tatsache, dass sie nicht alle dieselbe Anzahl und Auswahl an Zeichnungen enthielten. Irgendwann in den 1940er-Jahren muss jemand Zugang zu einer grösseren Sammlung von Berkmüller Arbeiten gehabt haben. Diese wurden fotografiert und der Öffentlichkeit im Dorf zugänglich gemacht. Die Interessenten stellten sich ihre

Holzschatulle mit Glasplatten und Kartonschachtel mit Diapositiven. Frühe Aufnahmen von Berkmüller-Zeichnungen. Schwarz-weiss. Erste Hälfte 20. Jahrhundert. Inv. Nr. G5644/5645. Ortsmuseum Wängi. 7

8 Alben dann nach eigenem Gutdünken zusammen. Teilweise wurden die eingeklebten Fotos mit handgeschriebenen Ortsangaben versehen.1 Als Initianten kommen Leute rund um den damaligen «Verein zur Förderung der Kulturpflege» in Frage; so etwa der Sekundarlehrer Ernst Wiesmann (1903–1964), der Posthalter Paul Zuppinger (1897–1984) und der frühere Lehrer und spätere Verwalter der Raiffeisenkasse Otto Bischof sen. (1886–1970). Vielleicht gehörte auch der Webereimeister Johann Hasler (1900–1983) zur Gruppe. Alle engagierten sie sich für heimatkundliche und dorfkulturelle Belange. Bischof verfasste unter anderem 1941 einen Lebenslauf von Johann Alphons Berkmüller. Wir werden darauf zurückkommen.

Es ist naheliegend, zwischen dem Interesse an Werken Berkmüllers mit einer Serie von professionell aufgenommenen Diapositiven und der Schaffung von Berkmüller Fotoalben einen Zusammenhang zu sehen. Nimmt man noch die Taufe einer in der Mitte des 20. Jahrhunderts neu erstellten Quartierstrasse in «Berkmüllerstrasse» dazu, kann man von einer eigentlichen Berkmüller-Welle sprechen. Der Aufhänger könnte ein Jubiläum gewesen sein. 50 Jahre nach seinem Tod ergäbe 1929, 75 Jahre nach seinem Tod 1954 und 150 Jahre nach seiner Geburt 1952.

Nichts weniger als eine kleine Sensation war Ende 1979 oder anfangs 1980, unmittelbar vor einer bereits geplanten Berkmüller Ausstellung, die Entdeckung von etwa 350 grösstenteils handgeschriebenen Chornoten und gut 120 anderen Dokumenten aus der Familie Berkmüller. Die damalige Besitzerin Gertrud Vontobel liess das ehemalige Wohnhaus der Familie Berkmüller – heute Dorfstrasse 19 – baulich sanieren.2 Dabei wurde unter anderem der Estrichboden isoliert. Der damit beauftragte Architekt Urs Krähenmann entdeckte die Dokumente und schaltete das Ortsmuseum ein. Handgeschriebene und gedruckte Schriftstücke und Musiknoten lagen in dichten Schichten über- und durcheinander. Alles aus der Zeit zwischen 1840 und 1870. Die oberste

Alben mit 34, resp. 36 Fotos von Berkmüller Zeichnungen. Aus den späteren 1940er-Jahren. Ursprüngliche Besitzerinnen: Emmi und Nelly Gamper Wängi. Familie Kappeler-Stierlin Frauenfeld. Inv.Nr. B 760 / 780. 24.8 x 18.5 x 2.3 cm. 22.8 x 15.2 x 2.8 cm. Ortsmuseum Wängi.

Schicht war von der Feuchtigkeit und den Temperaturschwankungen teilweise arg mitgenommen. Auch hatten Mäuse und Insekten dem Papier im Laufe der Jahre zugesetzt. Dazu erschwerte eine altersbedingte Ausbleichung der Tinte teilweise die Lesbarkeit. Dennoch: Der Fund erwies sich als einmalig! All die Papiere wurden sorgfältig voneinander getrennt, entstaubt, gereinigt und geglättet. Schliesslich fanden sie ihren Platz in der Sammlung des Ortsmuseums. Dort überdauerten sie die Jahre bis zum heutigen Tag und bilden nun eine wesentliche Grundlage unserer Spurensuche. Leider wurden bei der Entdeckung auf Grund der gebotenen Eile angesichts der fortschreitenden Bautätigkeiten keine dokumentarischen Befundaufnahmen gemacht.

Im Februar 1980 organisierte der erwähnte Verein zur Förderung der Kulturpflege im Singsaal des Imbachschulhauses eine Ausstellung mit Berkmüller Originalen. Zu den wenigen Werken, welche sich damals im Besitz des Ortsmuseums befanden, kamen weitere aufgrund eines öffentlichen Aufrufes hinzu. Zahlreiche Besitzer stellten ihre Werke für die Dauer der Ausstellung zur Verfügung. So konnten total 64 Werke gezeigt werden. Zur Ausstellung erschien ein Katalog mit kurzen Bildbeschreibungen.

Album der Familie Früh mit 30 Bleistiftzeichnungen von Alphons Berkmüller. Zustand 2012 zum Zeitpunkt des Eingangs in die Sammlung des Ortsmuseums Wängi. 12.0 x 15.3 x 4.0 cm. Ortsmuseum Wängi. Die Einzelteile des Albums konnte Ruedi Götz anlässlich der Hausräumung bei der Familie Früh retten. Sie waren eingewickelt in blaugrünes Seidenpapier und lagen auf dem Rand der Schuttmulde vor dem Haus. Das war knapp! 9

10 Auf Bestellung konnten Fotoreproduktionen erstanden werden. Dies bedingte, dass alle Werke fotografiert und nummeriert werden mussten: Der Grundstein für ein Werkverzeichnis war gelegt.

Im Laufe der Jahre kamen weitere Werke ins Ortsmuseum. Einige konnten käuflich erworben werden, andere wurden dem Ortsmuseum geschenkt. So etwa eine «Dorfansicht von Süden» von der Raiffeisenbank anlässlich des Umzugs in ihren Neubau an der Murg sowie mehrere Werke aus dem Besitz der Familie Sulzer mit einer besonders sorgfältig aquarellierten Dorfansicht. Zu erwähnen ist im Weiteren eine Schenkung von einigen Bleistiftzeichnungen von Dilgion Merz, einem Nachkommen des früheren Wängemer3 Pfarrers Merz.

Es ist in erster Linie dem uneigennützigen Einsatz und der geschickten Vermittlung von Ruedi Götz zu verdanken, welcher sich unermüdlich dafür einsetzte, dass neben einigen persönlichen Schenkungen auch ein Album mit zahlreichen Originalzeichnungen aus dem Besitz der Familie Früh (ehemals Friedensrichter in Wängi) und ein weiteres aus der Familie Sulzer-Stierlin (ehemals Fabrikbesitzer in Wängi und Rosental) ihren Weg ins Ortsmuseum fanden. Anlässlich der Ausstellung von 1980 wurde noch ein weiteres Album aus dem Besitz der Familie Sulzer-Stierlin mit 17 Zeichnungen gezeigt. Trotz intensiver Nachforschungen ist dieses heute nicht mehr auffindbar. Glücklicherweise wurde es damals bereits fotografisch erfasst, so dass wenigstens sein Inhalt bekannt ist.

Album der Familie Sulzer-Stierlin mit Werken von Alphons Berkmüller. Zustand 2010 zum Zeitpunkt des Eingangs in die Sammlung des Ortsmuseums Wängi. 45.5 x 29.0 x 1.0 cm. BmKat. Nr. 113 –143. Ortsmuseum Wängi.

Im Zuge der derzeitigen Vervollständigung des Sammlungsinventars im Ortsmuseum schien es angebracht, auch andere Objekte mit einem Bezug zur Familie Berkmüller und ihrer Zeit, wie etwa Fotos, Bücher oder Papiere, zu sichten und zu beschreiben.

Berkmüller Originale in der Sammlung des Ortsmuseums Wängi.

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