Tempo: Frankfurt in Takt 20-1

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Im Auftrag der freien Szene … Ein Tanzhaus! Frankfurt ist eine Stadt der Fülle – mit Defiziten: Ein Tanzhaus für die Freie Tanzszene ist zwar in der Diskussion, aber noch nicht in Sicht. TEXT: IDA KAUFMANN, LAURIN THOMAS Lange Zeit war Frankfurt eine führende Tanzstadt in Deutsch­ land – bis Schließungen und Etatkürzungen die Situation völlig veränderten. Dass sich bei der Anhörung „Tanz in Frankfurt“ des Kultur- und Freizeitausschusses der Stadt im Juni 2019 alle einig waren, hat deshalb niemand verwundert: Die Anhörung endete mit dem Fazit, dass in Frankfurt für Tanz keine institutio­ nelle Verankerung (mehr) vorhanden ist. Im Anschluss daran haben wir für unsere Bachelorarbeit das Thema noch einmal genauer untersucht, wir haben nach Chancen gefragt, Modelle erkundet und Defizite analysiert, die sich aus der aktuellen Lage für die Freie Tanzszene der Stadt ergeben. Zum Beispiel: Das „Z – Zentrum für Proben und For­ schung“, eine Initiative des Vereins ID_Frankfurt, bietet zwar Räumlichkeiten, jedoch sind diese nach Aussage des Vereins so überlastet, dass Künstlergruppen oft gezwungen sind, Pro­ beräume noch vor der Förderzusage fest zu buchen. Genauso fehlt vielen eine Spielstätte, an der sie beheimatet sind oder die gegenüber freien Gruppen Offenheit deutlich zeigt. So muss für jede Produktion ein neuer, passender Aufführungsort ge­ sucht werden. Außerdem: Ein neuer Raum erfordert oft beson­ ders intensive Öffentlichkeitsarbeit, um dem eigenen Projekt die nötige Sichtbarkeit in einem bestehenden Programm zu gewährleisten. Dabei sind diese Extraaufgaben weder Teil der künstlerischen Arbeit noch finanziell gedeckt. Notwendig wäre

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Aus der Hochschule

aus unserer Sicht deshalb auch eine Anlaufstelle für die Ver­ mittlung – in Form eines Tanzbüros, das die Vernetzung und Informationsweitergabe übernimmt, das für die Freien da sein und für das tanzinteressierte Publikum der Stadt ein Gesamt­ programm erstellen könnte. Ein Tanzhaus sollte diese und weitere Defizite angehen, und der Freien Szene die Möglichkeit bieten, alle Aspekte des Tanzes unterstützt wahrzunehmen. Tanzhäuser in anderen Städten, wie Düsseldorf, Essen oder Hamburg, schaffen es auch – sie haben seit Jahren positiven Einfluss auf die Tanzlandschaft. Als wichtige Stützpfeiler gelten hier: ein kontinuierliches Trai­ ning als Weiterbildungsmöglichkeit, ein Freiraum für künstleri­ sche Prozesse und den Austausch mit anderen, Möglichkeiten für die Präsentation der Arbeiten sowie ein Archiv für Grund­ lagenforschung und Diskurse. Erst wenn sich auf diese Art und Weise eine freie, autonome und doch strukturell unterstützte Arbeitsweise herausbildet, können sich die Kunstformen Tanz und Choreographie in grö­ ßerem Maßstab weiterentwickeln, vorausgesetzt es existiert eine starke Tanzszene, die durch angemessene Förderung und nachhaltig unterstützte dezentrale Strukturen gesichert wird. Da muss, will Frankfurt erst wieder hin – aktuell werden in der Freien Szene und der Politik verschiedene Modelle für ein Auf­ führungs- und Produktionshaus diskutiert. Ein Tanzhaus wäre in jedem Fall ein Gewinn für die Stadt: Ein solches Umfeld wür­ de es für Künstlerinnen und Künstler attraktiv machen, sich hier vor Ort zu verankern und mit der Stadt assoziiert zu werden.

I da Kaufmann und Laurin Thomas haben an der HfMDK klassischen und zeitgenössischen Tanz studiert und beschäftigten sich in ihrer 2020 gemeinsam verfassten Bachelorarbeit mit der Frage: Braucht die Freie Szene in Frankfurt ein Tanzhaus? Künstlerisch sind sie zu zweit ebenfalls aktiv – als „Co-Op Dance Company“.


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