Tempo: Frankfurt in Takt 20-1

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Frankfurt in Takt

Schwerpunkt: Tempo

20-1

→ Intuition nach Maß?

Über Rast und Unrast in der Kunst

→ Schneller, weiter: Journalist

Werner D’Inka (FAZ) im Gespräch


Unter Partnerschaftlichkeit verstehen wir, gemeinsam an einem großen Ziel zu arbeiten.

Kennen Sie Michael Collins? Die wenigstens tun das. Er hat als Pilot der Apollo-11-Kapsel Buzz Aldrin und Neil Armstrong 1969 zur ersten Mondlandung geflogen – und wieder zurück. Für uns ist Collins eine Inspiration. Denn als Spitzeninstitut der rund 850 Genossenschaftsbanken in Deutschland glauben wir an Partnerschaften, bei denen jeder sich in den Dienst einer großen Sache stellt, damit das gemeinsame Ziel erreicht wird. Mehr über Partnerschaftlichkeit erfahren Sie unter: dzbank.de/haltung


Vollbremsung Tempo, das ist in den linearen Künsten ein zentraler Gestaltungsfaktor. Wie schnell läuft ein bestimmtes Ereignis ab, welchen Zeitraum benötigt ein Vorgang in Musik, Tanz oder Theater – das sind Fragen, die ein Kunstwerk im Kern bestimmen, im Kontext einer konkreten Aufführung zu ganz unterschiedlichen Lösungen und damit Interpretationen und Botschaften führen. Sie können es selbst ausprobieren! Die berühmten ersten Sätze aus Goethes „Faust“ lauten: „Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, und leider auch Theologie! Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.“ Langsam, fast stockend und einzeln betont gesprochen, entfachen sie eine ganz andere Wirkung, als wenn mit Hast, in hohem Tempo heraus­ gestoßen. Hier ein Faust, der sich, von Selbstzweifeln gequält, das Gehirn zermartert und alles in Frage stellt, dort ein Gelehrter, dem die Zeit durch die Finger rinnt, ohne die ersehnte Erkenntnis zu erlangen. Oder der Anfang der 5. Sinfonie von Beethoven: die Unisono-Passage, als markante Schicksalsschläge hin­ gewuchtet und damit als unverrückbare Konklusion formuliert – oder, die Vortragsbezeichnung „con brio“, also „mit Schwung“ aufgreifend, überstürzt, ungeduldig, zwischen Voranstürmen und Verharren artikuliert. Hier erscheint die Welt gegeben, dort veränderbar. Ein ziemlicher Unterschied und sehr davon getrieben, welches Bild sich der Interpret von dem Künstler Beethoven macht. Es ist also eine ziemlich spannende Frage, die wir uns im Schwerpunkt dieser Ausgabe unseres Hochschul­ magazins stellen: Was bedeutet für uns Tempo? Durch die Corona-Krise, die uns seit Wochen beschäftigt, erfahren wir Geschwindigkeit nochmals ganz anders. Das Virus war eben noch weit weg irgendwo in China. Wir hörten davon, aber begriffen es nicht, weil wir emotional noch immer in den Zeitläufen der Alten Welt denken. Aber dann war das Virus bei uns, breitete sich rasend schnell aus, tägliche Verdoppelung der Infektionen. Und unser Leben wurde plötzlich extrem lang­ sam. Alles Öffentliche war eingefroren, wir waren auf Abstand, zuhause. Wir warteten, dass es vorbeigeht oder zumindest die Neuinfektionen zurückgehen, ein, zwei und mehr Wochen lang. Das ist für uns alle eine extreme Erfahrung: Nachrichten in Sekundenschnelle und Echtzeit, gleichzeitig weitgehend zur Untätigkeit verdammt, Rettung durch Verharren, indem wir Tempo rausnehmen, Unternehmungen weitgehend zurückfahren. Eine Vollbremsung unseres vertrauten Lebens. Das ganze Land stand still, die Kultur ist noch immer geschlossen. Unsere Veranstaltungen sind abgesagt, der Beginn des Präsenzunterrichts wurde verschoben, dafür ein digitaler Zugang zur Hochschule geschaffen. Beim Thema Tempo geht es um die Kunst. Ja, aber auch um unser Selbstverständnis als Zeitgenossin und Zeitgenosse, um die Frage, wie wir uns in dieser Welt bewegen. Ihr Elmar Fulda Präsident der HfMDK

Editorial

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Inhalt Schwerpunkt: Tempo 08 Von Zeit zu Zeit Fragmente des Alltags an der HfMDK

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usik gestalten, M mit dem Maßband Emotion Warum das Tempo in der Kunst keine festen Messgrößen kennt Von: Michael Sanderling

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Im Takt der Zeit Wie Musikerinnen und Musiker das richtige Tempo finden Von: Lucas Fels, Sandro Hirsch, Florian Hölscher, Tim Vogler und Eike Wernhard

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Gezielte Reizarmut Auf was es ankommt, wenn jede Sekunde zählt Von: Ulf Henrik Göhle

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Hochbetrieb Berichte aus dem Bühnenalltag Von: Julian von Hansemann, Ramon John, Ralph Abelein

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on der Dynamik, V Neues zu lernen Rhythmus und Ruhe im Tanz Von: Martin Nachbar

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Eine Minute Pause Vom Innehalten und Zuhören im Musikunterrricht Von: Julia Jung

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R e-boot Bologna Die Grenzen der Creditpoints im Kunststudium Von: Sina-Mareen Retolaza und Ingo Diehl

Zeitfalle Studium? Protokolle von: Sebastian Munsch, Philipp Schlosser, Clara Valdera, Sabine Rosenberger, Thilo Dahlmann

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Hin und her Ergebnisse einer Instagram-Blitzumfrage Von: Lorna Lüers

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So viel, so früh Über das Jungstudium an der Young Academy der HfMDK Von: Anne Sophie Luong und Carolin Grün

Fotografie: Janine Bächle; Tayfun Selcuk (oben, links)

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Ursache & Wirkung

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Das Deutschlandstipendium will beste Bedingungen im Studium schaffen. Stipendiaten profitieren, Förderer engagieren sich. Warum?

Was macht die Digitalisierung mit der Kunst? Antworten von: Robin Brosowski, Orm Finnendahl und Florian Hölscher, Julia Wilke und Peter Ackermann

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Unterwegs mit...

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Die Netzwerkerin Lebenswege der HfMDK-Alumni, Folge 12: Lena Krause, Geschäftsführerin des Vereins Freie Ensembles und Orchester in Deutschland

Aus der Hochschule

„ Ich kann mich im Restaurant auch erst dann entscheiden, wenn der Kellner hinter mir steht“ Der Journalist und ehemalige FAZ-Herausgeber Werner D’Inka im Gespräch mit Hochschulpräsident Prof. Elmar Fulda über Tempowechsel in der Kunst und in der Welt der Medien

Ein Tanzhaus! Ideen für die Freie Tanzszene in Frankfurt Von: Ida Kaufmann und Laurin Thomas

Annina Merz, Robin Brosowski und Michael Preuß – ein Tempo-Experiment

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Ehre trifft Ehrgeiz

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„Das ist kein Spaziergang“ Frank-Ullrich Rittwagen hat ein Streich­ quartett für die Studierenden der HfMDK gebaut. Es ist seit langem der wertvollste Instrumen­tensatz, den Freunde und Förderer der Hochschule als Leihgabe überlassen. Hanna Ponkala hat mit ihm gesprochen.

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Danke! Zum Abschied der Professoren Werner Jank, Karl Kaiser und Bernhard Wetz

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Gloria & Glanz Erfolge unserer Studierenden

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achrichten aus den N Fachbereichen

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TEM „Ein Tempo zu finden, ist für mich kein mechanischer Vorgang. Ich suche die Emotion, den wahrhaftigen Moment – daraus ergibt sich das Timing“ MICHAEL SANDERLING  → S. 10

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MPO Fotografie: Janine Bächle

„Der Idealzustand für mich als Musiker ist: Wenn ich intuitiv das Tempo treffe – ohne aufs Metronom schauen zu müssen“ RALPH ABELEIN  → S. 25

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Von Zeit zu Zeit

2 Minuten und 5 Sekunden

So lange dauert es, von der Pforte in den 5. Stock zu kommen: zu Fuß, Stufe für Stufe – aber nur, wenn man sich zwische­ ndurch nicht weiter ablenken lässt und sich die Höhenmeter ohne Gepäck vornimmt (der Fahrstuhl ist knapp 40 Sekun­den unterwegs).

7 Minuten und 6 Sekunden

Das Hauptgebäude der HfMDK und der Standort in der Leimrode 29 liegen – Luft­ linie – gerade einmal 160 Meter vonein­ ander entfernt. Doch es stehen Häuser im Weg, Mauern, Ampeln: Wer sich an die Verkehrsregeln hält, braucht zu Fuß rund sieben Minuten, um an all diesen Barri­ eren vorbeizukommen. Es soll (gewagte) Abkürzungen geben? Ja, davon hörten wir auch …

5 Minuten und 27 Sekunden Fragmente des Alltags an der HfMDK: Wie lange dauert es von der Pforte zu Fuß in den 5. Stock? Bis die Konzertflügel gestimmt sind? Die Hochschule fertig ist für die Nacht? „Frankfurt in Takt“ hat nachgemessen. 8

Tempo

Lehramtsstudierende pendeln zur Uni, nicht alle und nicht ständig, aber es kommt vor. Pendeln sie mit dem Rad, genügen gut fünf Minuten – reine Fahrzeit von Tür zu Tor.


90 Minuten

Bevor abends in der Hochschule die Lich­ ter ausgehen (können), rücken die Pfört­ ner zu ihrem letzten Kontrollgang aus. Klingt nach Routine, ist oft genug jedoch ein Nervenkitzel: Anders als verabredet, halten sich nicht alle an die Schließ­zeiten – sodass aus den 90 Minuten, die für den Kontrollgang eingeplant sind, schnell auch mal zwei Stunden werden. Wer sich hier jetzt angesprochen fühlt: Bitte etwas mehr Solidarität!

75 Minuten Cembali gehören zu den schönsten Ins­ trumenten – aber auch zu den größten und empfindlichsten. Werden sie für ein Konzert gebraucht, muss der Hausdienst seine Samthandschuhe auspacken: um die Instrumente unbeschadet aus dem Lager oben in Haus C nach unten in die Konzertsäle im Hauptgebäude zu brin­ gen. Von jetzt auf gleich ist das nicht zu machen, jedes Cembalo ist im Lager zunächst auseinanderzubauen, dann nach unten zu transportieren und wieder zusammenzusetzen. Pro Instrument und Wegstrecke dauert das: etwa 75 Minuten.

180 Minuten

Die beiden Steinway-Flügel im großen Konzertsaal haben einen klaren, war­ men, präzisen Klang. Dafür sorgt: das Künstlerische Betriebsbüro, kurz KBB. Regelmäßig beauftragt es Fachleute, die die hochkomplexen Handgriffe im Detail beherrschen und selbst mini­ malste Interferenzen heraushören. Und das geht, klar, nicht parallel: Mit je­ dem Flügel sind die Klavierstimmer rund anderthalb Stunden beschäftigt – macht 180 Minuten für zwei.

Zeitmessung

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Musik gestalten, mit dem Maßband Emotion Musiker, Pädagoge und Dirigent: Michael Sanderling ist der Mann mit den drei Leben und doch kaum über 50 Jahre alt. In allen Feldern sofort einer der Großen. Erst Orchestermusiker in Leipzig und Berlin, dann Cellovirtuose in den Konzertsälen der Welt. Heute Professor für Cello an der HfMDK. Und Chefdirigent, zuletzt bei der Dresdner Philharmonie, ab 2021 beim Luzerner Sinfonieorchester. 10

Tempo

Fotografie: Marco Borggreve

TEXT: MICHAEL SANDERLING  DOKUMENTATION: ELMAR FULDA


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Michael Sanderling ist ein Reisender, vielleicht auch Rastloser, jedenfalls ein Musik-Besessener: im Anspruch an sich und andere, in der Menschlichkeit, mit der er fordert, fördert und aus Musik Funken schlägt. Er ist ein Kollege, der in der Welt unterwegs ist, aber seine künstlerische Heimat in der Hochschule gefunden hat. Was denkt ein Künstler und Mensch wie Michael Sanderling über Tempo? Wir haben versucht es herauszufinden, und ihm zugehört. An einem Sonntag Anfang März, er unterrichtet, kam gerade aus Budapest und steigt schon am Tag darauf wieder in ein Flugzeug. Es ist ein ruhiges, fokussiertes Gespräch. Hier sind seine Antworten.

Tempo entsteht aus Emotion Ich verstehe Tempo als einen Baustein der Interpretation, so wie Artikulation, Dynamik, Phrasierung andere es sind. Tempo hat immer auch etwas Subjektives, sehr Individuelles. Tempo ist an die spieltechnischen Möglichkeiten der Mu­ siker, an einen konkreten Ort gebunden: In welcher Distanz be­ finden sich die Orchestermusiker zueinander, in welchem Raum spielen sie? Wenn man plötzlich in einen trockenen Raum kommt, stellt man fest, so zerfasert geht das nicht, und nimmt es zügiger. Und umgekehrt bei einer Brucknersinfonie, wenn es die Akustik zulässt, wähle ich ein noch langsameres Tempo. Ein Tempo zu finden, ist für mich kein mechanischer Vor­ gang. Ich suche die Emotion, den wahrhaftigen Moment – daraus ergibt sich das Timing, der Zeitpunkt, wo es weiterge­ hen muss, oder, wo es Zeit ist zu verweilen. Ich finde es schwie­ rig, sich an einer Metronomzahl festzuhalten. Da vermisse ich Fantasie.

Historische Zusammenhänge Noch in den 1950er Jahren spielte man die Musik von Monte­ verdi über Bach bis Mozart in deutlich anderen, langsameren Tempi. Das war das berüchtigte Barockspiel, wo man heute das Gefühl hat, ein Eimer Soße und dreimal Rühren. Es fehlten historische Informationen. Die Musikinterpretation war geprägt durch die Romantik, insbesondere durch die französische Mu­ sik, die im guten Wortsinn sehr zeitaufreibend ist, gebaut auf Harmonien, die ein ganz anderes Tempo brauchen, um im Fort­ gang begriffen zu werden. Da war Nikolaus Harnoncourt eine Erleuchtung. Nicht er allein, aber er hat uns am meisten und am

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Tempo

sprunghaftesten zurückgeführt auf die Dinge, die man eigent­ lich hätte wissen können und sollen. Von ihm haben wir gelernt, dass Tempo immer auch eine historische Vorstellung ist. Ein Largo zu Beethovens Zeit hat eine andere Bedeutung als ein Largo zu Brahms Zeit. Ich habe mich intensiv und mit großer Hingabe mit Schos­takowitsch beschäftigt. Er ist ein Extremfall, gerade, was seine Tempoangaben betrifft. Schostakowitsch hat ganz bewusst falsche Metronomzahlen und falsche Tempobezeich­ nungen notiert. Wenn er Allegro schreibt, meint er nicht unbe­ dingt Allegro. Er schrieb es, um in der Generalprobe, in die immer eine Abordnung des Zentralkomitees zur Kontrolle kam, sagen zu können: Genossen, Entschuldigung, ich habe da Allegro stehen, die haben gerade einen Riesenfehler gemacht, die haben das übersehen, die haben viel zu langsam, traurig gespielt – das ist natürlich heiter, eine Feier des Sozialismus und der Partei. Auch dieses Wissen hat meine Sicht zurechtgerückt. Bei der Frage nach dem richtigen musikalischen Tempo gibt es nur relative, subjektive Antworten, keine objektiven.

Wahrheitssuche Als Dirigent dirigiere ich Stücke erst, wenn ich glaube, sie ver­ standen zu haben, sie gleichsam in mir erlebe. Ich lasse mich da nicht treiben. Das ist ein Grund, warum ich meine Zwei­ gleisigkeit, Professur hier und Dirigent in der Welt, so sehr schätze. Auf keiner dieser beiden Schienen muss ich für sich genommen Erfolg haben, weil ich mir immer sagen kann, dass es noch die andere gibt. Das ist ein ganz großes Privileg, das ich aus meinem Leben nicht mehr wegdenken möchte. Ich erhalte Angebote, kurzfristig Dirigate zu übernehmen, wie letztes Jahr hier in Frankfurt. Drei Stücke waren mir ver­ traut, ein viertes nicht. Wir haben es weggelassen. Das Orches­ ter hatte es geprobt, konnte es spielen. Mir wäre es gelungen, es irgendwie runterzupinseln. Aber das ist nicht meine Aufga­ be. Ich will dem Orchester ein ebenbürtiger Partner sein. Es ist nicht nur eine Frage des Berufsethos, sondern auch eine Frage der Wahrheitsfindung. Ich ruhe nicht, bis ich zumindest das Gefühl habe, nahe an die Wahrheit heranzukommen, die in ein Kunstwerk, ein Musikstück eingeschrieben ist. Und ich habe den Eindruck, diese Ehrlichkeit und Seriosität wird auch heute noch geschätzt.

Fotografie: Marco Borggreve

Tempo ist ein wichtiger Interpretationsbaustein in der Musik – und ein besonders heikler, weil so scheinbar objektiv, wenn ein Komponist seinem Werk Tempoangaben durch Metronomzahlen mitgibt. Ich habe vor Jahren als Cellist die Urauf­ führung eines Werkes vorbereitet, mir dabei die Finger wund geübt, aber kam nicht zum Erfolg. Ich rief den Komponis­ ten an. Er lud mich ein. Ich spielte ihm die betreffende Stelle vor. Er: „Das ist doch alles viel zu schnell!“ Ich: „Ich bin erst bei 60, Sie schreiben 86.“ Da holt er sein altes Metronom heraus. Was war passiert: Es lief viel zu langsam, war nicht geeicht.


Zeitdruck Es gibt Dirigenten, die sind in den Proben immer eine Stunde früher fertig. Ich kann das so nicht, habe auch kein Vergnügen daran. Ich bin nicht nur für mich verantwortlich und für das, was ich mit dem Stück vorhabe. Es sind die Musikerinnen und Musi­ ker, die es spielen. Ich muss berücksichtigen, dass der Fagottist mit dem schweren Solo vielleicht auch etwas ausprobieren möchte und etwas Zeit braucht. Fürsorge ist ein Charakterzug, den Dirigenten mitbringen sollten, da sie immer die Perspektive des Orchestermusikers mitdenken müssen, und nicht die eige­ ne. Was der Dirigent braucht, ist unwichtig. Das ist das Schwere an dem Beruf. Sie müssen alles fertig haben, obwohl Sie es vor­ her nie ausprobieren konnten. Als Dirigent gehöre ich zu denen, die zu wenig Zeit haben, die oft jammern, die aber dann auch immer wieder feststellen, ohne daraus zu lernen, dass es doch gereicht hat.

Arbeitstempo

Michael Sanderling

Mein Eindruck ist – vielleicht trete ich jetzt in ein Fettnäpfchen –, dass sich Studierende heute mehr Zeit nehmen, als sie sich neh­ men sollten. Als ich damals in der DDR studierte, war für mich klar: Wenn ich nicht alles daransetze, Musiker zu werden, und zwar ein erfolgreicher, muss ich in einem System verharren, in dem ich nicht leben möchte. Diesen unbedingten Willen spüre ich bei Studierenden heute nicht immer, dagegen oft eine gewisse Sorglosigkeit. Mein eigenes Leben, der Blick in die Musikgeschichte zeigt mir aber: Herausfordernde Situationen bringen oft die beste Kunst hervor. Das können ein seelischer Druck sein, die Sehn­ sucht nach gesellschaftlicher Veränderung, finanzielle Nöte. Krisen sind große Motivatoren, die eigene Komfortzone zu ver­ lassen. Vielleicht geht es uns für Kunst ein bisschen zu gut, viel­ leicht nehmen wir es als zu selbstverständlich, dass es Kunst, dass es diese Studiermöglichkeiten gibt. Wir brauchen einen positiven Drill. Sich Ziele setzen, diese konsequent zu verfolgen und zu erreichen, auch das kann glücklich machen. Es ist letzt­ lich der eigene Wille, der das Arbeitstempo bestimmt, auch im Studium. Und da habe ich so hier und da meine Zweifel.

rof. Michael Sanderling ist Professor für Violoncello P an der HfMDK. Ab 2001 wandte er sich dem Dirigieren zu, arbeitete u.a. als künstlerischer Leiter und Chefdirigent der Kammerakademie Potsdam, später als Chefdirigent der Dresdner Philharmonie. Mit Beginn der Saison 2021/22 wird er Chefdirigent des Luzerner Sinfonieorchesters.

„Als Dirigent dirigiere ich Stücke erst, wenn ich glaube, sie verstanden zu haben, sie gleichsam in mir erlebe“ Interpretation

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Metronome machen Musik zur MaĂ&#x;arbeit, sie sind aber genau genommen nicht mehr als ein Hilfsmittel. Wie Musikerinnen und Musiker heute arbeiten, wie sie zum richtigen Tempo finden und welchen Impulsen sie dabei folgen.

Im Takt 14

Tempo


Metronom versus Gefühl in der klassischen Musik

Fotografie: Janine Bächle

TEXT: TIM VOGLER

„Die Entscheidung, in welchem Tempo man ein Musikstück spielt, ist sicherlich eine der wichtigsten Entscheidungen, die ein Interpret zu treffen hat. Aber es muss die letzte Entschei­ dung sein, die getroffen wird. Man kann nicht einfach ein Metronom nehmen und versuchen, die Musik diesem anzupassen.“ Dieses Zitat von Daniel Barenboim finde ich großartig, denn es kann uns dabei helfen, die Wahl eines Tempos als einen Pro­ zess zu begreifen, und nicht nur als eine von einer Metronom­ zahl vorgegebene Geschwindigkeit. Barenboim spricht in dem Video auf seinem Youtube-Kanal, aus welchem dieses Zitat stammt, weiterhin davon, dass man sich wirklich in die Musik vertiefen, sie studieren, analysieren, in alle Richtungen auspro­ bieren soll. Er vergleicht das Tempo mit einem Koffer, den man für eine Reise packen muss. Ist der Koffer zu klein für die Sachen, die man mitnehmen möchte, wird der Inhalt zer­ knautscht, ist der Koffer zu groß, schlackert alles darin herum. Temporelevant sind in diesem Sinne nicht nur die Tempo­ bezeichnung und eine dazugehörige Metronomzahl, sondern ebenso die Taktart, der Rhythmus, die Periodik, die Harmonik, speziell der rhythmische Verlauf derselben. Die Dichte des kon­ trapunktischen Satzes und auch die Architektur des Werkes spielen ebenso eine große Rolle. Und natürlich ganz allgemein der musikalische Charakter. All diese Faktoren gilt es wahrzu­ nehmen und miteinander in eine Balance zu bringen. Wir wissen, dass unser Zeitempfinden je nach Situation subjektiv funktioniert. So können fünf Minuten ziemlich lang erscheinen und ein ganzes Jahr kann sehr kurz sein. Zum Bei­ spiel kann ich die Jahre auf meine Zahnarztbesuche reduzieren – dann wirken sie sehr kurz. Wenn ich aber an all das denke, was sich in der Zwischenzeit ereignet hat, dann ergibt sich ein anderes, viel differenzierteres Bild. Die zwischen den Arztbe­ suchen vergangene Zeit bekommt plötzlich einen rhythmisch strukturierten Inhalt, genauso wie Barenboims Tempokoffer. Um ein die musikalischen Inhalte integrierendes Tempo an­ schaulicher zu machen, möchte ich noch ein paar kurze und praxisbezogene Assoziationen zu den oben angesprochenen temporelevanten Inhalten aufzeigen. Die Taktart zum Beispiel: Ist ein bestimmtes Menuett auf drei Schläge zu empfinden oder eher auf einen? Diese Entscheidung kann nur erfühlt werden, macht aber einen fundamentalen Unterschied im Tempo, wel­ ches deutlich flüssiger ist, wenn in ganzen Takten empfunden wird. Oder: Wie gehen wir mit einem alla breve um? Ein häufi­ ger Fehler ist, den Alla-breve-Takt in zwei gleichen Schlägen zu

empfinden, denn eigentlich hat er eine Eins und einen Off-Beat, geht also in taktigen Impulsen voran. Dadurch wird das Tempo zwar schneller, aber auch ruhiger. Harmonien: Verändern sich diese quasi auf jeder Note, kann das darauf hindeuten, dass das Tempo mehr Zeit braucht, also tendenziell langsamer ist, als wenn sich die Harmonien nur in größeren Abständen än­ dern. Oft löst eine langsame Tempobezeichnung wie „Adagio“ den Reflex aus, den langsamen Satz zu langsam zu spielen. Das passiert auch nach vielen Jahren Bühnenerfahrung noch. Und welche Rolle spielt nun das Metronom? Man kann es natürlich immer wieder zur Korrektur des eigenen Empfindens nutzen. Mit Metronom zu üben, kann sehr hilfreich sein, wenn man vermeidet, in eine mechanische Spielweise zu verfallen. Ebenso kann man in eine vom Komponisten vorgegebene Metro­nomzahl hineinwachsen. Solches passiert, wenn eine Metronomzahl vielleicht, wie es zum Beispiel bei Beethoven öfter der Fall ist, anfänglich irrwitzig schnell erscheint und man durch das Studium der Musik dieser extremen Vorgabe allmäh­ lich immer näher kommen kann. Und wenn man einmal ein gutes Tempo gefunden hat, ist es eine gute Idee, dieses mit dem Metronom zu messen und es zu vermerken, damit man es später wiederfinden kann.

rof. Tim Vogler ist Professor für Streicherkammermusik P und bis heute 1. Geiger des von ihm 1985 gegründeten Vogler Quartetts.

Jenseits aller Stilrichtungen TEXT: SANDRO HIRSCH Intuitive Improvisation: Einer der führenden Musiker in dieser Szene – der Trompeter und Komponist Markus Stockhausen – beschreibt sie als „eine Musik jenseits aller Stilrichtungen, die sich dabei jedoch keiner verweigert“. Weiterhin erklärt er, dass in der Improvisation nichts festgelegt sei, alles im Moment erscheine. Doch wie steht diese Musik zum Thema dieser „Frankfurt in Takt“: Tempo? Konkret gefragt: Gibt es im Raum der Intuitiven Improvisation Metrum oder Zeit? Dazu lohnt es sich, zunächst in Kürze zu beschreiben, was diese außergewöhnliche Art des Musizierens ausmacht. Ers­ tens: Es gibt keine Noten, keine direkten Vorgaben, die die Mu­ sizierenden auszuführen haben – sie sind somit frei darin, Neues zu erschaffen. Und zweitens: Benötigt Intuitive Improvisation, laut Stockhausen, das „Erlernen und Erkennen von Intervallen, Skalen, Harmonien und Rhythmen als Grundlage der Improvi­ sation (…) (sowie) das Wissen um verschiedene Formabläufe“. Von gleicher Wichtigkeit ist es, mit großem Bewusstsein

der Zeit 15


Fotografie: Janine Bächle

Student Lukas Siebert im Dirigierunterricht bei Prof. Florian Lohmann

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Tempo


Beethoven und großer Achtsamkeit in sich hineinzuhören, und ungefiltert tönen zu lassen, was im Geiste bereits existiert. Eine Bereitschaft, sich für sich selbst zu öffnen, in den Raum und die Mitmenschen hineinzufühlen ist dabei Basis. Das Metrum, die Zeit, ließe sich somit – auf zwei Möglich­ keiten beschränkt – definieren: Die Begrifflichkeiten können Symbol für Strukturen im Hintergrund sein, sprich, die völlig freie Improvisation baut hier auf kleinen Minimalstrukturen auf, etwa auf Skalen, Harmonien und rhythmischen Elemen­ ten. Andererseits ließen sie sich verstehen als ein Symbol von Berechenbarkeit in der Gesamtheit, als quasi-komponiert und in Verbundenheit mit Zeitempfinden. Je nachdem, in welchem Stil – Pop, Jazz, Klassik, zeitgenössisch, frei u.a. – und in wel­ cher Formation improvisiert wird, können die Definitionen unter­schiedlich stark zutreffen. Geht man von einer sehr freien Improvisation aus, wäre das Fazit: Eine Improvisation nach Intuition ist fernab von Struktur, von Metrum, – und kann durch das Gefühl von Zeitlosigkeit ge­ kennzeichnet sein. Gleichzeitig baut sie in ihrer Gesamtheit, jeder Phrase, jeder kleinsten musikalischen Einheit sehr deut­ lich auf gelernte Strukturen auf, etwa Skalen und rhythmische Einheiten. Somit ist die freie Intuitive Improvisation die Verkör­ perung von Zeitlosigkeit und freier Metrik. Und paradoxerweise wäre sie aber ohne Zeit, ohne Metrum und ohne Struktur im weiteren Sinne nicht existent.

andro Hirsch ist Trompeter (Klasse Prof. Klaus S Schuhwerk). In solistischer Konzerttätigkeit hat er es sich zur Aufgabe gemacht, Brücken zwischen „klassischer“ Musik aller Epochen und Intuitiver Improvisation zu bauen, das Publikum zu berühren und zu inspirieren, und einen Raum der Rückbesinnung auf sich selbst zu kreieren. www.sandrohirsch.com

Taktlos: Vom Tempo und seinen Grenzen TEXT: FLORIAN HÖLSCHER Man muss nur ganz wenig übertreiben, wenn man behauptet, dass in der abendländischen Kunstmusik des 17. und 18. Jahr­ hunderts die Vorstellung von Tempo eng verknüpft war mit Ka­ tegorien der (menschlichen) Natur: wahlweise mit dem Puls, dem Affekt, der getanzten Bewegung oder der Sprache. Doch es gibt Alternativen, Neubestimmungen, kulturelle Inspirationen. FÜNF UNSYSTEMATISCHE UND ZUFÄLLIGE SCHLAGLICHTER

→ Ludwig van Beethoven: Sonate B-Dur op. 22, 2. Satz Hier wirken gleichzeitig drei Tempi: ein metrisches (in 3), ein pulsierendes (in Achteln) und ein extrem langsames harmonisches Tempo, das in Einzelschritten von etwa MM = 6 voranschreitet. Beethoven verzahnt diese Tempoebenen nicht nur mit einer ausgezierten, kantablen Oberstimme. Sondern indem der Puls – eigentlich ein vertikales Element – den immer gleichen Klang erneuert, mutiert er zur pulsierenden Fläche, die jeweils durch die neue Harmonie begrenzt wird. Indem drei Tempoebenen wirken und ineinandergreifen, sind Einfachheit, Kantabilität und Größe in eins komponiert.

Temporelationen

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Morton Feldman: Palais de Mari für Klavier

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→ Charles Ives: 4. Symphonie, 1910-1925

Ives komponiert im 2. Satz („Comedy“) nicht nur mehrere Temposchichten, sondern gleich mehrere Musiken, die miteinander nichts weiter zu tun haben, als dass sie gleichzeitig erklingen. Konsequenterweise benötigt man für das Dirigat mehrere Personen, manche Instrumentengruppen agieren zusätzlich autonom: Es tanzen also nicht alle nach einer Pfeife. Pluralismus der Gesellschaft und der Stile, Demokrati­sierung des Musizierens, Abkehr vom komponierenden Schöpfer-Genie: Mit diesen Ideen ist der Autodidakt Ives Wegbereiter nicht nur der amerikanischen Avantgarde geworden.

→ Olivier Messiaen: Quatuor pour la fin du Temps

In der „Louange à l’Èternité de Jésus“ heißt es „infiniment lent, extatique“, 16tel=44, also Viertel=11. Ein Tempo nicht von dieser Welt, Puls der Ewigkeit, der göttlichen Harmonie. Die einzelnen Anschläge strukturieren nicht mehr die Zeit, sondern übersetzen eine Zeitlosigkeit in Klang.

→ Morton Feldman: Palais de Mari für Klavier, 1986

Das gehörte Tempo des 30-minütigen, extrem leisen Spätwerks ist sehr langsam, oft liegen zwischen zwei Klängen mehrere Sekunden. Weil das rechte Pedal durchgängig gedrückt bleibt, verschwimmen die Grenzen zwischen Ausklang und Pausen. Wie eine zweite Schicht ist ein durchgängiger Puls komponiert, der in unregelmäßigen Takten zusammengefasst ist: 5/8, 3/4, 2/2, 3/8, 1/2. Gelegentlich fallen Takt und Klänge zusammen, das Metrum ist dann identisch mit dem Rhythmus. In diesen Momenten scheint die fragile Musik eine gewisse Festigkeit zu bekommen. Häufig jedoch bleibt die pulsierende Schicht im Hintergrund und wirkt auf die Klänge ebenso wie auf die Stille ein. Eine Musik der Abwesenheit, der pulsierenden Trauer, des Übergangs von Klang zu Leere.

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Tempo ohne Technik

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TEXT: LUCAS FELS

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Rhythmusschema aus einem Gesang der Aka-Pygmäen

→ Musik der Aka-Pygmäen und

György Ligeti: Etüden, 1985-2001 Gar nicht in Takten, Metren und ihren Teilungen denken viele afrikanische Musikkulturen. Stattdessen entstehen polyrhythmisch äußerst reiche Strukturen jeweils aus den Vielfachen von rasend schnellen Grundpulsteilchen, die durchaus ein Tempo von MM=900 haben können. Zwar treffen sich die einzelnen rhythmischen Schichten in regelmäßigen Abständen wieder (meist nach 12 oder 24 Grundpulsteilchen). Die atemberaubende Präzision lässt sich allerdings nur durch ein rhythmisch additives Denken erklären. Ligetis Spätwerk ist ohne seine „Entdeckung“ dieser Kulturen nicht denkbar – er komponiert unterschiedliche Temposchichten wie verschieden große Zahnräder, die ineinandergreifen.

Prof. Florian Hölscher ist Professor für Klavier.

Hier geht es nicht um eine Begriffsbestimmung oder eine histo­ rische Einordnung dessen, wie sich „Tempo“ im Lauf der Jahr­ hunderte gewandelt hat, auch nicht um eine physikalische Be­ stimmung oder das oft falsch beschworene „Tempogefühl“, nicht um analytische Hinweise auf das Tempo – als den musi­ kalischen Charakter definierendes Element. Sondern: Es geht um Tempo als kompositorisches Element, als Parameter zur Ordnungs- und Organisationshilfe, und es geht um Spielhilfe. Die Frage lautet: Wie koordiniert man sich mit seinem Instru­ ment unter den Mitspielenden rhythmisch und metrisch, wenn dies über das Gehör oder vertraute kompositorische Strukturen nicht mehr möglich ist – beispielsweise aufgrund hoher Komplexi­tät oder ungewohnter, unstrukturierter Klangflächen? Der Fokus ist im Folgenden auf Musik gerichtet, die seit etwa Mitte des vorigen Jahrhunderts geschrieben wurde, und auf ihre neuen und zum Teil extremen Herausforderungen. ALS ANREGUNG ZUR WEITEREN BESCHÄFTIGUNG SEIEN HIER EINZELNE KOMPONISTINNEN UND KOMPONISTEN GENANNT:

→ Nadia Boulanger, die revolutionär rhythmisch-metrische

Neuerungen der Musik von Béla Bartók und Igor Stravinsky an die nächsten Generationen weitergegeben hat.

→ John Cage, der zwei Extreme auf der Zeitachse bietet.

In „4'33’’ ist nur mehr Anfang und Ende der „Komposition“ technisch definierbar. In „ASLSP“, der 639 Jahre dauernden Orgelversion von Halberstatt, gibt es ein mit den Ohren wahrnehmbares akustisches Ereignis, das von aller Tempoerfahrung befreit ist.

→ Brian Ferneyhough, in dessen Kompositionen sich Met-

rum und Rhythmus völlig voneinander gelöst haben, bei dem es Lineal und Taschenrechner braucht, um eine Partitur umsetzen zu können.

→ Olivier Messiaen, von dem überliefert wird, „ein Musiker ist zwangsläufig Rhythmiker, sonst verdient er es nicht, Musiker genannt zu werden“.

→ Enno Poppe, bei dem „mathematische Modelle, die die

Simulation pflanzlichen Wachstums beschreiben“ zur Parti­tur werden – und damit zur Herausforderung für die Interpreten.

→ Karlheinz Stockhausen, der die Vergänglichkeit der Zeit Wir sollten uns als Interpretinnen und Interpreten die Mühe machen, das Tempo (auch) unabhängig von technischen Mit­ teln definieren zu können und es ohne Einfluss von „Spielge­ fühl“ ins Laufen zu bringen. Meine über Jahrzehnte gewonnene Erfahrung im Quartett und im Ensemblespiel hat mir in der Praxis immer wieder gezeigt, beim Tempo strikt von Relationen auszugehen – und musikalischen Werkcharakter sowie alles unter „Tempogefühl“ Subsummierte wenigstens vorerst auszu­ klammern. Das Wissen und das Erlernen der Temporelationen ist in der Praxis der Neuen Musik unverzichtbar. Beinahe alle gebräuchlichen Tempi von 30 bis 420 kann man von Tempo 60 (1 Sekunde) genau ableiten.

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Tempo

Fotografie: Janine Bächle

neu definierte.


Lob der Langsamkeit TEXT: EIKE WERNHARD

TEMPORELATIONEN

1 Viertelnote

60

(60 · 1)

1 Achtel

120

(60 · 2)

1 Triolenachtel

180

(60 · 3)

1 Quintolensechzehntel

300

(60 · 5)

1 punktiertes Achtel

80

(60 · 4 : 3)

1 punktierte Viertel

40

(60 · 2 : 3)

1 punktiertes Quintolenachtel

100

(60 · 5 : 3)

Das heißt, beim letzten Beispiel: Ich denke mir eine Quintole in T. 60, ein Schlag davon entspricht Tempo 300, drei Schläge T. 100, zwei T. 150 und vier T. 175. So lassen sich mit Untertei­ lungen von beispielsweise Sechzehnteln, Triolen und Quintolen Metronomzahlen genau ermitteln. Viel Spaß beim Rechnen und gutes Gelingen bei der spielerischen Anwendung!

rof. Lucas Fels ist Professor für Interpretatorische P Praxis und Vermittlung neuer Musik.

Temporelationen

Das Üben prägt den Alltag des professionellen Musikers. Zwischen der ersten Durchsicht eines Stücks und seiner konzert­ reifen Beherrschung liegen unzählige Arbeitsstunden, die, um effektiv zu sein, strategisch geplant, methodisch durchdacht und in allen Phasen sinnvoll strukturiert sein müssen. Angesichts die­ ser Vorgaben erweist sich das Üben selbst als eine Kunst. Über­ wiegt zum Beispiel der nur allzu verständliche Drang, die Musik möglichst oft und im angestrebten Endtempo durchzuspie­ len, anstatt sie systematisch in ihre Komponenten zu zerlegen und zu verinnerlichen, bleibt der Prozess der Aneignung ober­ flächlich, geht weder musikalisch noch technisch in die Tiefe und hält dem Druck des Konzertpodiums nicht stand. „Ich kenne dieses Werk nicht gut genug, um es langsam spielen zu können.“ Dieser Franz Liszt zugeschriebene Satz um­ reißt die Relevanz der Langsamkeit für das instrumentale Ler­ nen: Unterschreitet das Tempo eine bestimmte Grenze, greifen sowohl die automatisierten Spielabläufe als auch das motori­ sche Gedächtnis nicht mehr oder nur noch in reduzierter Form und werden durch bewusste Steuerungsprozesse sowie durch bewussten Nachvollzug des Notentextes ersetzt. Gezwungen, nun mit einer anderen, wesentlich aktiveren Aufmerksamkeit vorzugehen und in jeden Winkel eines Stücks denkend vorzu­ dringen, sammelt unser Gehirn konkrete Informationen, die unsere musikalische Intuition unterfüttern und absichern. Das langfristige Ergebnis ist nicht nur ein wesentlich reflektierteres, sondern auch stabileres und – je nach den Erfordernissen – auch brillanteres Spiel. Dass instrumentales Üben und sportliches Training bis zu einem gewissen Grad auf gemeinsamen Prinzipien beruhen, ist seit geraumer Zeit Gegenstand der Forschung. Langsameres Laufen macht schneller, heißt es heute in der Leichtathletik. Entsprechend dieser Devise entwickelte der amerikanische Sportwissenschaftler Stephen Seiler die inzwi­ schen als sehr erfolgreich bestätigte 80/20-Methode, bei der 80 Prozent des Trainings im niedrigen und nur 20 Prozent im mo­ deraten bis hohen Tempobereich absolviert werden. Natürlich ist im Bereich der Musik das langsame Üben nur eine unter vielen anderen notwendigen Arbeitsstrategien. Außerdem sind zum Beispiel Streichern und Bläsern nach unten Tempogrenzen gesetzt, da weder der Atem noch die Bogengeschwindigkeit beliebig verlangsamt werden können, und bei allen Instrumenten erfordert jeder Tempobereich einen be­ stimmten spezifischen Bewegungsablauf, der nicht ohne weite­ res auf andere Tempi übertragbar ist. Mit diesen Einschränkun­ gen ist für die künstlerische Entwicklung das langsame Üben eine wesentliche Voraussetzung. Wer es zum ersten Mal kon­ sequent praktiziert, stellt fest, dass es viel schwieriger und an­ strengender ist als gedacht. Doch wie bereits Novalis vor über zweihundert Jahren schrieb: „Was einem Mühe kostet, das hat man lieb.“

rof. Eike Wernhard ist Professor für Klavier und P Prodekan im Fachbereich 2 (Lehrämter, Wissenschaft und Komposition).

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Ergebnisse einer InstagramUmfrage übers Pendeln auf @hfmdk.frankfurt, durchgeführt Ende Februar 2020

Ist Pendeln verschwendete Zeit? (194 Personen haben teilgenommen) Ja: 54 %

HIN & HER

Wie kommst du zur HfMDK? (106 Personen haben teilgenommen). Verkehrsmittel mit der Anzahl ihrer Nennung, teilweise auch als Kombinationen angegeben.

(33)

(25) (25)

Nein: 46 %

Womit verbringst du die Zeit, wenn du pendelst? (117 Personen haben teilgenommen)

→ Lesen (25) → Musik hören (23) → Arbeiten, recherchieren

(24) (10)

(8)

(7)

(6)

Wie lange bist du unterwegs, von deiner Tür zur HfMDK? (210 Personen haben teilgenommen)

Durchschnittlich: etwas mehr als 30 Minuten

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Tempo

→ Podcasts oder Hörbücher hören (9) → Social Media oder Spielen am Handy (8) → Aus dem Fenster schauen (7) → Schlafen (5) → Mails oder Nachrichten schreiben (5) → Partitur lesen (5) → Lernen (4) → Serie schauen (3) → Entspannen und Träumen (3) → Mit Leuten im Zug reden/ mich unterhalten (2) → Text lernen (2) → Hörproben verinnerlichen (2) → Interpretation von Texten (1) → Singen üben (im Auto) (1) → Markieren (1) → Schreiben (1) → Denken (1)

Grafik: State

und Dinge organisieren (10)


THE NEW WORLD STANDARD IN CONCERT GRAND PIANOS. YAMAHA.COM

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Gezielte Reizarmut Szeneabend Gesang 2020

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Tempo


Sängerinnen und Sänger müssen auf der Bühne schnell reagieren können. Was sie dafür besonders trainieren: ihre Wahrnehmung. TEXT: ULF HENRIK GÖHLE

Fotografie: Tayfun Selcuk

Auf Tempo zu kommen, schnelle und vor allem präzise Bewe­ gungen zu produzieren, die sogar noch ästhetischen Ansprü­ chen gerecht werden wollen, dafür muss das menschliche Ge­ hirn ein gigantisches Ensemble von 639 Muskeln koordinieren. Unsere Bewegungen können in nicht-bewusstseinsfähige als auch in bewusstseinsfähige unterteilt werden. Letztere wiede­ rum in bewusstseinspflichtige als auch in nicht-bewusstseins­ pflichtige Anteile. Für die Professur Bewegung an der HfMDK sind nun besonders die nicht-bewusstseinspflichtigen Anteile wichtig. Sie bilden ein zentrales Feld der Körper- und Bewe­ gungsarbeit und spielen auch im Hinblick auf die Kategorie „Tempo“ eine entscheidende Rolle: Jede Steigerung des Bewe­ gungstempos vermindert den Anteil der bewusstseinsfähigen Anteile. Je intensiver und schneller Reize auf uns einwirken oder wir uns bewegen, umso weniger sind wir in der Lage, Details zu spüren. Denken Sie daran, wie in Pianissimo-Stellen beim Orchester­ konzert plötzlich jedes Rascheln zu hören ist, während beim Fortissimo komischerweise anscheinend nie jemand hustet. Im stillen Wald, das wäre der erste Fall, an der vielbefahrenen Straße der zweite. Dieser Zusammenhang wurde im Weber-FechnerGesetz beschrieben. Dies besagt, dass der Zusammenhang zwi­ schen einem Stimulus und seiner Wahrnehmung logarithmisch ist: Je größer das Grundrauschen, desto stärker muss sich ein Reiz davon abheben, damit wir ihn wahrnehmen können. Was für „langsames Üben“ jeder Kunstform selbstver­ ständlich ist, um feinste Nuancen zu erfassen, wird in der Be­ wegungsarbeit konsequent weitergedacht, um so mit unserer Wahrnehmung in die Tiefen unseres Körpers vordringen zu können. Kleinste Bewegungsaufgaben, gezielte Reizarmut und Wahrnehmungsübungen in Entspannung sind die Wege, um an mehr bewusstseinsfähige Bewegungsmuster zu kommen und dann überhaupt erst damit ästhetisch arbeiten zu können. Bemerkenswert dabei ist, dass die Profis der Bewegung immer ökonomischer werden und unnötige Spannungen (= unnötige Reize) nach und nach abbauen.

Dieser Prozess der zunehmenden Geschmeidigkeit ist nicht zu unterschätzen, denn er ermöglicht wiederum verbes­ serte Wahrnehmungsfähigkeiten nach dem Weber-FechnerGesetz. Leider sind unnötige Muskelaktivierungen nicht nur Folge ungeübter Bewegungsabläufe, sondern nicht selten ein Resultat von Übermüdung: Ist das Nervensystem überlastet, „fährt“ insbesondere die tiefliegende Haltungsmuskulatur in der Spannung dauerhaft hoch. Was zunächst wie ein reines Gesundheitsproblem wirkt, ist aber bei näherer Betrachtung auch ein ästhetisches Mal­ heur. Denn die Zunahme an tiefliegender Muskelspannung geht einher mit einer Abnahme an differenzierter Wahrnehmungs­ fähigkeit. Die Wiederentdeckung der Langsamkeit wird aus dieser Perspektive zu einem leidenschaftlichen Plädoyer für die Feinarbeit an den künstlerischen Wahrnehmungen.

rof. Dr. Ulf Henrik Göhle hat seit dem Sommersemester P 2020 die Professur für Bewegung in der Abteilung Gesang/Musiktheater inne. Zuvor war er Professor für Gesundheitspädagogik an der IB-Hochschule in Stuttgart. Göhle ist Diplom-Musiklehrer und Motologe (M.A./Dr. phil.). Die Motologie beschäftigt sich als Wissenschaft mit der Verbindung zwischen Psyche und Bewegung. Seit Januar ist er auch Vorstand der Wissenschaftlichen Vereinigung Psychomotorik und Motologie.

„Je größer das Grundrauschen, desto stärker muss sich ein Reiz davon abheben, damit wir ihn wahrnehmen können“ Wahrnehmung

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Berichte aus dem Bühnenalltag

Hochbetrieb

Rastlos im Rampenlicht TEXT: JULIAN VON HANSEMANN mindestens ein halbes Jahr Zeit, um ein Theaterstück zu erarbeiten. Eine wirklich tiefergehende Beschäftigung mit der Materie sei ihm sonst kaum möglich. Gemessen an der Realität des deut­ schen Stadttheaters ist das natürlich eine nahezu utopische Vorstellung. Sechs bis acht Wochen von der Konzeptionsprobe bis zur Premiere, mehr Zeit haben Schauspielerinnen und Schauspie­ ler in aller Regel nicht, um einen Hamlet, eine Antigone, einen Faust darstellerisch zu erarbeiten. Das kann eine unglaubliche intellektuelle, körperliche und nicht zuletzt psychische Kraftanstren­ gung und ein beinahe wahnwitziges Arbeitstempo bedeuten. Nach der Abendprobe um 22 Uhr noch den Text zu lernen, der für die Probe am nächsten Morgen erwartet wird, gewaltige szeni­ sche Änderungen von der Hauptprobe am Donnerstag zur Generalprobe am Freitag umzuset­ zen, drei, vier verschiedene Vorstellungen in einer Woche zu spielen (parallel zu den laufenden Proben), sind keine seltenen Vorgänge. Als ich im vergangenen Jahr Premiere mit „Leonce und Lena“ hatte, hatte ich am Folgetag um 10 Uhr eine Übernahmeprobe für einen erkrankten Kolle­ gen. Der Abend, den ich zu übernehmen hatte, dauerte drei Stunden, ich musste in den letzten Probentagen für „Leonce“ also ganze Textberge auswendig lernen und mir ständig die Videoauf­ zeichnung der Aufführung ansehen, damit ich überhaupt eine Idee davon bekam, was ich da tun würde. Denn am Tag nach der Übernahmeprobe stand ich mit dem Stück schon vor Publikum auf der Bühne. Gleichzeitig kann es passieren, dass ich mit einer kleineren Rolle besetzt werde oder die Premiere des einen und der Probenbeginn des anderen Stücks ein paar Wochen auseinan­ derliegen – und dann ist plötzlich viel Zeit da. Drei, vier Wochen mit einer Handvoll Proben und Vorstellungen, fast Urlaub. Bevor dann wieder alle Kräfte gespannt werden, um wie ein Hundert­ meterläufer zu explodieren.

→ 24

Tempo

ulian von Hansemann, Absolvent der HfMDK (2018), ist seit der Spielzeit J 2017/ 2018 Ensemblemitglied am Staatstheater Mainz.

Illustration: Jan Buchczik

Schauspiel Ein befreundeter Regisseur hat einmal zu mir gesagt, er bräuchte eigentlich


Ton in Ton TEXT: RAMON JOHN

Tanz Tempo ist für uns keine Sache der Notation wie in der Musik, sondern der Dynamik, der

Bewegungen und vor allem: der Choreographie. Von ihr hängt alles ab, auch, ob wir uns mit oder gegen die Musik bewegen. Da wir häufig mit Neukreationen arbeiten, haben wir beim Tempo auf der Bühne heute oft mehr Freiheiten. Das heißt: Wir können uns heute anders in Beziehung zur Musik setzen, müssen das durch die Notation vorgegebene Tempo nicht 1:1 übernehmen. Wie ich dabei das richtige Tempo treffe: Ich achte auf den Dirigenten. Er ist immer ein guter Refe­ renzpunkt, auch ohne direkten Blickkontakt. Stichwort Körpergedächtnis: Man spürt es einfach, wenn das Orchester anfängt, das Tempo schneller oder langsamer wird, entwickelt dafür eine Routine. Daraus erklärt sich auch, wieso es schwierig ist, wenn sich Routinen ändern – wie es 2019 beim „Nussknacker“ an den Staatstheatern Darmstadt und Wiesbaden der Fall war. Wir arbeiteten mit mehreren Dirigenten, da hat das Tempo doch sehr variiert, teilweise kam ich wirk­ lich an meine Grenzen. Zum Beispiel als es einmal so langsam wurde, dass ich für einen Sprung eigentlich hätte schweben können müssen. Generell ist es so: Vor einer Produktion einigen sich die Dirigenten, die musikalische Leitung und unsere Leitung auf eine Version der Musik, nach der dann geprobt wird. Zwischendurch erhalten die Dirigenten von uns ein Feedback – hier ist es zu schnell, dort zu langsam und so weiter –, und sie setzen das um. Kommt es später live, während einer Aufführung, dann doch zu Abweichungen, kann man nicht viel mehr tun, als inuitiv zu folgen – den anderen Tänzerinnen und Tänzern, der Musik.

amon John, Absolvent der HfMDK (2011) und Träger des Deutschen Theaterpreises R „Der Faust“ in der Kategorie Darstellerin/Darsteller Tanz (2018), ist derzeit Mitglied des Hessischen Staatsballetts. Wie Prof. Ralph Abelein gehörte er zum Ensemble des Ballets „Der Nussknacker“, das Ende 2019 an den Staatstheatern Darmstadt und Wiesbaden aufgeführt wurde (Choreographie: Tim Plegge).

TEXT: RALPH ABELEIN

Musik Bevor ich 2005 zur HfMDK kam, war ich Dirigent bei den Stuttgarter Musicalproduk­

tionen. Dass ein Tempo in der Musik und im Tanz zum Teil sehr unterschiedlich wahrgenommen wird, gehörte dort zu meinen Grunderfahrungen: In der Musik kann das Tempo zwar metrono­ misch genau festgelegt werden, doch schon kleine Abweichungen davon wirken sich auf Tänzer‑ innen und Tänzer unmittelbar aus. War eine Nummer aus Musikperspektive nur ein wenig schneller als sonst, vielleicht fünf, sechs Metronomklicks, konnte es passieren, dass sie die Musik als doppelt so schnell empfanden. Diese Erfahrung hat mich geprägt und als Musiker bereichert: Solche Situationen zeigen, wie diffizil Tempofragen sind, wenn es um das Miteinander von Tanz und Musik geht. Musikerinnen und Musiker, Tänzerinnen und Tänzer – alle haben ihre Tages­ form und setzen Noten und Choreographie nicht jeden Tag genau gleich um. Herausfordernd ist es, wenn ich die Tänzerinnen und Tänzer auf der Bühne nicht sehen kann, wie zuletzt bei den „Nussknacker“-Aufführungen in Darmstadt und Wiesbaden: Ich saß an der Hammondorgel mit dem Rücken zum Bühnengeschehen und musste ein Tempo anbieten, ohne es visuell prüfen und anpassen zu können. Der Idealzustand für mich als Musiker ist: Wenn ich intuitiv das Tempo treffe – ohne aufs Metronom schauen zu müssen. Dieses Gefühl, dass der Körper einfach weiß, wie es geht, ist sehr befreiend, sehr positiv.

Protokolle

rof. Ralph Abelein ist Professor für Schulpraktisches Instrumentalspiel an der HfMDK P und als Jazzpianist, Arrangeur, Komponist und Dirigent aktiv. An der Hochschule initiierte er 2008 das jährlich stattfindende Projekt „Musik für Stummfilme“ und 2009 den HfMDK Jazz- und Popchor. Sein Lehrbuch „Liedbegleitung und Klavierimprovisation“ wurde bisher in vier Sprachen veröffentlicht.

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Fotografie: Janine Bächle


Keine Bewegung ohne Stillstand, keine Beschleunigung – ohne abzubremsen: Über Tempowechsel und Körperarbeit im Tanz TEXT: MARTIN NACHBAR

Von der Dynamik, Neues zu lernen

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Tempo

Ruhe und Bedacht helfen dabei, diese Spannungsmuster loszulassen und offen zu bleiben – mit Entschleunigung hat das allerdings wenig zu tun. Das meine ich kritisch. Heute wird oft das Tempo neuer Technologien beklagt. Als Gegenmittel wer­ den Entschleunigung und Achtsamkeit gefordert. In Semina­ ren werden gestresste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so weit vom Arbeitsstress heruntergefahren, dass sie nachher wieder mit vollem Tempo der Umsatzsteigerung dienen können. Eine solche Entschleunigung hat mit Lernen wenig zu tun. Sie öffnet die Körpertechniken nicht zu neuen Handlungsmöglichkeiten in einer Welt voll neuer Technologien. Eher richtet sie Menschen darauf ab, noch produktiver zu werden und noch mehr zu kon­ sumieren. Sie macht Menschen für Algorithmen vorhersehbar. Wir Menschen aber haben uns seit der Erfindung des zweibeinigen Gehens mit jeder neuen (Körper)technik immer ein Stück weit desorientiert und schließlich immer wieder neu erfunden. Wenn wir uns als Spezies also irgendwie auszeich­ nen, dann dadurch, dass wir immer bereit waren, Neues zu lernen und für uns selber unvorhersehbar zu werden. Als Professor für szenische Körperarbeit im Theater stehe ich vor der Frage, wie sich meine Bewegungsexpertise auf die Fragen der Schauspielerei übertragen lässt. Und damit bin ich – in Zusammenarbeit mit den Studierenden und anderen Lehrenden – wieder beim Erlernen von Neuem.

rof. Martin Nachbar hat zum Sommersemester P die Professur Szenische Körperarbeit im Fachbereich 3 (Darstellende Kunst) übernommen. Er ist Tänzer, Choreograph und Performer, unterrichtet hat er bisher u.a. an der Hollins University (USA), an den Performing Arts Research and Training Studios P.A.R.T.S. (Belgien) sowie am Trinity Laban Conservatoire of Music and Dance (Großbritannien).

Fotografie: Martin Nachbar

Als Tänzer und Choreograph stehe ich immer wieder vor der Frage, wie ich einen neuen Bewegungsablauf lernen oder auch lehren kann – über Nachahmung, technische Erklärung oder über Bilder und Metaphern? Oder über eine Mischung aus alldem? Aber nicht nur Bewegungsabläufe sind von Belang. Oft geht es auch um Bewegungsqualitäten, wie zum Beispiel „flie­ ßend“ oder „gebunden“. Oder das Lernen gilt der Verbindung von Körperhaltung, Bewegung, Emotion und Intention. Immer aber steht der Körper mit sei nen Bewegungen im Fokus. Diese Bewegungen behandeln Tanz als Handlung und zugleich als Technik, bei der die Handlung in ihre Einzelteile zerlegt, dazu in ihrer Motorik verstanden und experimentell neu zusammenge­ setzt werden kann. Man könnte sagen, Tanz behandelt Handlung als Körper­ technik, ganz im Sinne des französischen Soziologen und Ethno­graphen Marcel Mauss, für den der Körper das erste Instru­ment der Menschen ist. Tanz spielt und experimentiert mit diesen Körpertechniken und findet so immer wieder neue Kombinationsmöglichkeiten von Bewegungen als Bezugnah­ me zur Welt. Dabei spielt auch das Tempo eine Rolle, allerdings nicht so sehr als absolut messbare Geschwindigkeit, sondern als ein Verhältnis zwischen schnell und langsam. Im Tanz wird dieses Verhältnis als Dynamik bezeichnet. Anders als in der Musik, wo der Begriff die Tonstärke bezeichnet, geht es im Tanz um Ent- und Beschleunigung. Eine dynamische Tänzerin ist also kein lauter Mensch, sondern kann schnell das Tempo wechseln. Es geht um Schwung, Kraftent­ faltung, Beschleunigung – und Abbremsen. Um etwas Neues zu lernen, braucht es zunächst: Ruhe und Bedächtigkeit. Ohne sie wird man sich kaum in dem zu erkundenden Feld oder Bewe­ gungs­ablauf orientieren können. Denn wir neigen dazu, im Umgang mit etwas Unbekanntem Angst oder Stress zu verspüren. Die damit einhergehenden körperlichen Spannungsmuster sind nicht gerade hilfreich, um sich auf Neues einzulassen.


Martin Nachbar in „Urheben Aufheben“, Berliner Sophiensaele (2014)

„Wenn wir uns als Spezies irgendwie auszeichnen, dann dadurch, dass wir immer bereit waren, Neues zu lernen, für uns selber unvorhersehbar zu werden und dabei für Momente die Orientierung zu verlieren“ Bewegung

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Eine Minute Pause 30

Tempo


Wie viel Zeit braucht es, um das Innehalten und Zuhören zu lernen? Julia Jung über ihre Erfahrungen mit Atmosphären der Stille im Musikunterricht am Adorno-Gymnasium in Frankfurt. (s. Foto li.) TEXT: JULIA JUNG Die Aufgabe ist einfach: Eine Minute lang wird bei ausgeschal­ tetem Licht und mit geschlossenen Augen in die Stille hineinge­ hört – mal bei geöffnetem, mal bei geschlossenem Fenster. Was wurde gehört? Welches Geräusch ist angenehm, welches we­ niger? Ist das Geräusch von letzter Woche noch immer da? Hat es sich verändert oder ist es gleich geblieben? Wie sieht dieses Geräusch aus, welche Farbe hat es, welche Form? Dass die Stille, in die da hineingehört werden soll, nie wirk­ lich still ist, haben die Schülerinnen und Schüler bereits selbst entdeckt. Und trotzdem ist allen klar: Es ist eine kurze Unter­ brechung, ein Innehalten, eine Minute Pause – „Wellness für die Ohren und für den Geist“, so bezeichnen wir es im Unterricht. Nicht allen fällt diese Aufgabe leicht, manche machen absicht­ lich Geräusche, andere wiederum nehmen sie sehr ernst, sitzen mit hochbedeutungsvoller Miene da und hören zu. Nach Ablauf der Minute werden die Gedanken auf eigenen „Hörzetteln“ notiert. Kurz darauf schnellen fast alle Finger nach oben, alle wollen erzählen, was sie gehört haben. Ab da ist die Leben­ digkeit der Klasse zurück – doch die Atmosphäre ist anders, vielleicht eine Spur ruhiger als zuvor.

Fotografie: Rebecca Hahn

Ästhetische Brachflächen des Hörens Die Relevanz solcher Übungen lässt sich durch vielerlei Ansät­ ze begründen. Einer davon findet sich mit Wolfgang Welschs philosophischer Betrachtung der Gesellschaft in der Ästhe­ tik wieder und lässt sich auf beziehungsweise in das Klassen­ zimmer hinein übertragen: Bereits einige Jahre alt, jedoch aktueller denn je, beschreibt Welsch in „Grenzgänge der Ästhetik“ (Reclam 1996) und „Ästhetisches Denken“ (Reclam 2017) fort­ schreitende Ästhetisierungsprozesse, die alle Bereiche unse­ res Alltags durchziehen – sowohl auf oberflächlicher Ebene im Sinne einer „Überzuckerung des Realen mit ästhetischem Flair“ oder einer „erlebnisaktiven“ Gestaltung als auch tiefergehend etwa hinsichtlich vermeintlicher Befriedigung unserer Grundbe­ dürfnisse durch immer mehr Konsum oder die Identitätsstiftung durch Selbstinszenierungen. Interessant ist nun, dass diese, laut Welsch, „Totalästhetisierung“ gerade auf das Gegenteil hinaus­ läuft – „wo alles schön wird, ist nichts mehr schön“, schreibt er, „Dauerberegnungen führen zu Abstumpfung; Ästhetisierung schlägt in Anästhetisierung um.“ Es sind also allem voran ästhe­ tische Gründe, die dafür sprechen, diesen „Ästhetisierungstru­ bel zu durchbrechen“ (Welsch). In diesem Zusammenhang hebt er die Bedeutsamkeit ästhetischer Brachflächen inmitten der Hyperästhetisierung hervor und verweist auf ein ästhetisches Grundgesetz, dass, so formuliert es Welsch, „unsere Wahrneh­ mung nicht nur Belebung und Anregung, sondern auch Verweilen, Ruhezonen und Unterbrechung braucht“.

Stille als inneres Bedürfnis Lenkt man mit Montessori den Blick nun wieder auf den Unter­ richt, wird klar, dass eine Durchbrechung pausenlos äußerer Einwirkungen auf ein Inneres auch aus pädagogischer Sicht essentiell ist. Ähnlich der ästhetischen Brachfläche Welschs ist es bei Montessori die – äußere und innere – Stille, der sie einen hohen Wert zuschreibt und die sie als Notwendigkeit bezeichnet. Hierbei versteht Montessori Stille weniger als das, was nach dem Lärm eintritt, sondern als etwas Tiefergehendes: Stille bedeu­ tet Unterbrechung des normalen Lebens (nach Jutta Bläsius, „Übungen der Stille in der Montessori-Pädagogik“, Herder 2018). Bläsius zufolge ist es eine „aktive Stille“, die vom Kind „völlige Unbeweglichkeit, ja fast die Einstellung des Lebens für den Augenblick der Stille“ verlangt. Diese Stille wird aus einem inneren Bedürfnis des Kindes selbst eingefordert.

Gesammelte Stadtgeräusche Eine andere Art des Innehaltens – in Form des Zuhörens – stellen die Hörübungen von Murray Schafer dar. Hundert davon las­ sen sich in seinem Buch „Anstiftung zum Hören“ (Breitkopf & Härtel 2003) finden. Immer wieder besonders schön und effektiv sind beispielsweise „Klangspaziergänge“, bei denen die Schüle­ rinnen und Schüler während des Spazierengehens den Klängen der Umgebung lauschen, oder „Soundscapes“, die aus gesam­ melten (Stadt-)Geräuschen erstellt werden. Schafers Übungen können hierbei natürlich auch verändert oder ergänzt werden – beispielsweise durch den Soundscapes oder Klangspaziergän­ gen imaginative und eher abstrakte vorangestellte Fragen wie: Wie klingt Urlaub? Wie klang es früher in der Stadt, wie heute? Wie klingt die Natur? Klingt sie immer gleich? Welche Arten der Stille gibt es? Welche Stille ergibt sich zwischen den Gedanken? Seien es Stille- oder Hörübungen – sie laden Schülerinnen und Schüler dazu ein, für einen Moment innezuhalten und wahr­ zunehmen. Und sie laden ein zum Reflektieren, brechen vor­ gefertigte Denkmuster auf, schaffen Offenheit und wirken im Sinne einer Bewusstseinsbildung damit über das Unterrichts­ geschehen hinaus (zum Beispiel: Erkennen und Entgegenwir­ ken von Lärmverschmutzung). Schafer verwendet für seinen Ansatz hin zum bewussten Hören die Bezeichnung „Klangland­ schafts-Design“. Kein „Design von oben“ ist damit gemeint, sondern eine „Gestaltung von unten, von innen heraus“. Fasst man alle diese kurz dargestellten Überlegungen zusammen, wird schnell klar, dass es eine von vielen Aufga­ ben des Musikunterrichts ist, ästhetische Brachflächen des Hörens sowie Momente der Stille zu schaffen und weiter­ führend langfristig zu sensibilisieren und damit dieses Bewusst­ sein an Heran­wachsende weiterzugeben – ein Design von oben und von innen. Hierfür braucht es nicht viel: ein vertrauens­ volles Verhältnis zur Lehrperson, Offenheit, ein Sich-daraufEinlassen – und eine Minute.

Atmosphären

r. Julia Jung arbeitet als Musiklehrerin am AdornoD Gymnasium in Frankfurt und ist zugleich Lehrbeauftragte im Fach Musikpädagogik an der HfMDK.

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Mehr als Credit Points: 20 Jahre nach dem Start des Bologna-Prozesses schaut die HfMDK neu auf die Potenziale der Studienreform.

Re-boot Bologna Stichwort: Bologna-Reform Laut „Bologna-Erklärung“ von 1999 verfolgt sie das Ziel, einen einheitlichen europäischen Hochschulraum mit vergleichbaren Studien­‑ abschlüssen zu schaffen. Zu den Eckpunkten gehören unter anderem:

↘ vergleichbare Studienstrukturen (BA/MA)

Qualitätssicherung auf der Grundlage gemeinsamer Standards und Richtlinien

Einsatz von Transparenzinstrumenten wie Qualifikationsrahmen, Diploma Supplement und European Credit Transfer System (ECTS), inklusive der Beschreibung und Bewertung von Lernergebnissen

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Tempo

TEXT: SINA-MAREEN RETOLAZA, INGO DIEHL Das Corona-Virus bringt gerade viele Planungen durcheinander und konfrontiert uns alle angesichts des wochenlangen, äußeren Stillstands mit neuen Fragen. Im Ressort Qualitätsentwicklung reflektieren auch wir die Auswirkungen auf unsere Ziele und Vor­ haben, sowohl inhaltlich als auch zeitlich. Wir hatten geplant, in den nächsten zwei Jahren möglichst alle Studiengänge der HfMDK durch die Akkreditierung zu bringen; dafür müssen sie zunächst ein Verfahren zur Qualitätssicherung durchlaufen. Jetzt, Anfang April, wo dieser Text entsteht, haben wir auch weiterhin vor, diesen Weg zu gehen. Wir möchten dabei Lehrende, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Studie­ rende zu einem offenen Dialog über ihre Erfahrungen mit den Rahmenbedingungen von Studienstrukturen einladen, über die Angebote, über die Studien- und Prüfungs­ ordnungen, Bestimmungen innerhalb der HfMDK und den Bologna-Prozess mit all seinen Möglichkeiten und Grenzen. Warum uns das als Hochschule so wichtig ist, führt zum Kern dessen, was wir tun. Letztlich mittenhinein in einen inhaltlichen Austausch rund um den Bologna-­Prozess und zur Frage, welche Rahmenbedingungen ein Studium in einem künstlerischen Fach oder in den anderen Programmen an unserer Hochschule heute braucht. Es geht darum, den Lernprozess von Studierenden ins Zentrum zu rücken, also um Student-­ centered learning. Um Kommunikation, Transparenz, Orientierung. Darum, vor dem Hintergrund sich wandelnder Anforderungen Qualität neu zu definieren, stärker auf die Inhalte zu schauen, Kompetenzen zu beschreiben und zu vermitteln, bestehende Studienstrukturen zu hinterfragen – und auf diese Weise auch wegzukommen von der Jagd nach ETCS-Punkten, die in den vergangenen Jahren im Alltag vieles domi­ niert hat. Studiengänge sind selbst lernende Systeme: Das fordert uns heraus und dem sollten wir uns als Hochschule auch weiterhin verpflichten.


Verwalten oder gestalten?

Fotografie: Janine Bächle

Zeit im Studium, das Tempo, die Wünsche und Ziele von Studierenden, die Studi­ eninhalte, die Anforderungen der Studien- und Prüfungsordnungen. Dass sich hier ein Spannungsfeld auftut, ist schon lange bekannt. Schon vor Beginn des Bologna-­ Prozesses standen diese Themen permanent im Mittelpunkt. Nachdem nun an der Hochschule mehrere Akkreditierungsverfahren erfolgreich durchgeführt wurden, sind wir durch die Corona-Krise mehr denn je gehalten, unsere Strukturen erneut zu über­ denken und möglicherweise neue Lösungen zu finden, von der Situation zu lernen. Bedingt unter anderem durch die zum Teil strengen Vorgaben der Bologna-­ Umsetzung in Deutschland, wurde in der Vergangenheit vieles sehr kleinteilig orga­ nisiert, gleichzeitig sind die Curricula immer breiter und umfassender geworden. Ins­ gesamt brachte die Regelungsdichte zwar Verlässlichkeit und Klarheit, dies aber um den Preis, dass sich der Gestaltungsraum verengte – anstatt größer zu werden. Ein zentraler Aspekt innerhalb des Kommunikationsprozesses, den wir im Kontext der Akkreditierungen jetzt anstoßen möchten, wird deshalb auch die Flexibilisierung sein, um künftig etwas freier agieren und in einem gestaltenden Modus bleiben zu können. Die derzeitige Situation zeigt, dass dies hilfreich sein könnte. Die Vorgaben der Bologna-Reform stehen zu all dem nicht im Widerspruch. Von ihrer Grundstruktur her sieht die Reform vor, die Inhalte eines Studiums in Module zu gliedern und diese dann Zeiteinheiten zuzuordnen. Genau in diesem Spannungs­ feld gibt es viele Freiheiten und Chancen. Diese wollen wir, trotz Corona-Krise, in den nächsten Monaten an der Hochschule im Rahmen von Rondell-Talks ausloten und diskutieren. Gemeinsam.

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RONDELL-TALKS – NEUES AUSTAUSCHFORMAT AB JUNI 2020

Themen der Diskussion:

↘ Digitale Angebote

im Studium vs. Studien- und Prüfungsordnungen

↘ allgemeine Bestimmungen in den Studiengängen

↘ Evaluation und Akkreditierung

ina-Mareen Retolaza arbeitet an der HfMDK als Referentin S für Studiengangentwicklung. rof. Ingo Diehl ist Vizepräsident für Qualitätssicherung in der Lehre Pund interdisziplinäre Projekte, Leiter des Studiengangs Master for Contemporary Dance Education (MA CoDE) und Präsident der Hessischen Theaterakademie.

Bologna-Reform

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Zeitfalle Studium ? Wie die Zeit vergeht „Ach, du studierst Kirchenmusik? Naja, die haben ja doch nie Zeit.“ So oder ähnlich höre ich das immer mal wieder. Durch die große Fülle an verschiedenen Fächern und Disziplinen ist es zum Teil schwierig, allen Bereichen des Studiums (und des Lebens) in der nötigen Weise gerecht zu werden. Früher oder später wird daher eine größer oder kleiner ausfallende Schwer­ punktsetzung nach eigenem Ermessen vorgenommen. Hierfür haben die Dozierenden dann auch meistens Verständnis. Nicht umsonst wird im späteren Verlauf des Kirchenmusikstudiums zweimal auch offiziell eine schwerpunktverändernde Wahl vor­ genommen, nach dem 6. Semester die Wahl zwischen Klavier und Gesang – und später, im Masterstudium, die Wahl zwi­ schen instrumentalem und kantoralem Schwerpunkt. Dieses zeitintensive Studium dann noch mit dem Privatleben oder an­ deren, außer(hoch)schulischen Musikaktivitäten in Einklang zu bringen, erfordert ein hohes Maß an Disziplin, Organisations­ vermögen und die Fähigkeit, sich die Zeit optimal einteilen zu können. Natürlich ist es manchmal beängstigend zu sehen, wie schnell alles geht – und vergeht. Aber solange man die innere Freude an dem, was man tut, vor lauter Organisieren, Üben und Von-einem-Unterricht-in-den-nächsten-Hetzen nicht verliert, ist man meines Erachtens gut gerüstet für den Alltag, sowohl für den Alltag des Studiums als auch den einer späteren Anstellung.

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Sebastian Munsch, Student Kirchenmusik im 6. Semester

Tempo

Illustration: Jan Buchczik

TEXT: SEBASTIAN MUNSCH


Auf der Überholspur zum Examen TEXT: PHILIPP SCHLOSSER Ein Lehramtsstudium im Fach Musik lässt sich individuell ganz unterschiedlich gestalten, jedoch ist klar: Wie man sich auch entscheidet – in Hessen muss man sich besonders beeilen, nirgendwo ist die Regelstudienzeit kürzer. Während SchleswigHolstein für das gymnasiale Lehramt zum Beispiel eine Regel­ studienzeit von zwölf Semestern ansetzt, sind es in Hessen gerade einmal neun. Wie soll das gehen? Auf der Überholspur? Die Knappheit der Zeit ist allen bekannt, weshalb im Fach Musik Sonderregelungen entstanden sind, die Studierenden im gymnasialen Bereich erlauben, ihr zweites Fach auf kleine Fakultas zu studieren (Lehrbefähigung nur für die Unter- und Mittelstufe). Dennoch: Überfüllte Studienordnungen, die stel­ lenweise auch starke rechtliche Grauzonen aufweisen, gehen letztlich immer zu Lasten der Studierenden. So kann ein Gymnasialstudium mit zwei Fächern und den Bildungswis­ senschaften schon mal zu Prüfungsleistungen in Form von neun Klausuren, 21 Hausarbeiten und 13 praktischen Prü­ fungen im musikalischen Bereich führen. Hinzu kommen, meist in der vorlesungsfreien Zeit: ein Orientierungsprak­ tikum, ein Betriebspraktikum, zwei Schulpraktika (neuer­ dings: ein Praxissemester) – für die Berichte anzufertigen sind. Dann noch: zusätzliche Konzertabende, szenische Auf­ führungen, Dirigierwochenenden, außerplanmäßige Orches­ ter-, Chor- und Bandproben sowie Klassenabende. CreditPoints werden nicht nur voll ausgeschöpft, sondern auch in fast allen Modulen teilweise stark überstrapaziert – Prüfungsvorbe­ reitungen und Leistungen sind folglich zeitlich meist nicht ein­ bezogen. Und das Üben für die künstlerischen Fächer? Da hat eine AStA-Umfrage bereits gezeigt, dass Studierende dafür oft mehr als drei Mal so viel Zeit aufbringen – als von der Studien­ ordnung einberechnet. Dass einem angesichts all dieser Faktoren wenig Freizeit bleibt, nachhaltige Bildung zu kurz kommt, Ehrenämter leiden und die Vereinbarkeit von Berufsausbildung und Familienpla­ nung schwer fällt, dürfte klar sein. Die logische Konsequenz: Fast niemand schafft das Lehramtsstudium im Fach Musik für die gymnasiale Oberstufe in der vorgegebenen Regelstudienzeit, viele kämpfen deshalb auch mit der Finanzierung. Denn ob BAföG oder Stipendium: Unterstützt werden Studierende in der Regel nur während der Regelstudienzeit. Studierende versuchen natürlich, auf ihre besondere Lage und den besonderen Zeitdruck hinzuweisen. Viel Erfolg haben sie nicht: Der Präsident der Hessischen Lehrkräfte­ akademie (CDU) hat bereits deutlich gemacht, dass mit einer An­ passung der Regelstudienzeiten bei der geplanten Überarbeitung des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes nicht zu rechnen ist – wider alle Zeichen der Zeit.

Protokolle

hilipp Schlosser hat sein Gymnasiales LehramtsP studium mit den Fächern Musik, Politik und Wirtschaft 2019 nach zwölf Semestern beendet. Derzeit ist er Referendar an der Max-Beckmann-Schule und an der IGS Nordend in Frankfurt.

Tausend Dinge zur gleichen Zeit TEXT: CLARA VALDERA Zwei Studiengänge gleichzeitig: Das erfüllt mich, das ist nicht immer einfach, aber ich komme heute gut damit klar. Ich stu­ diere Tanz (Bachelor) an der HfMDK und mache parallel einen Abschluss in Psychologie an einer Fernuniversität in meiner Heimat Spanien. Wenn man mich fragt, wieso ich das tue, antworte ich entweder, dass es mir um einen Plan B geht, oder dass es mir so wirklich Spaß macht, oder dass ich glaube, Psycho­logiewissen kann für meine Karriere als Tänzerin nütz­ lich sein. Natürlich: Der Verstand ist mit Tausend Dingen gleich­ zeitig beschäftigt, man bekommt weniger Schlaf, hat mehr Stress, doch die Anstrengung lohnt sich – sie bringt mich in meinem Leben wirklich weiter. Zum Glück kann ich auf so viele wunderbare Menschen zählen. Meine Familie und Freunde helfen mir, auch jene Tage zu überstehen, an denen die Er­ schöpfung alles dunkler erscheinen lässt. Und nicht zu ver­ gessen meine Tanzlehrerinnen und -lehrer: Sie unterstützen mich, reden mit mir, geben mir Zeit und helfen mir sogar bei einigen Aufgaben. Das Tanzstudium geht in jedem Fall immer vor. Manchmal habe ich viel Zeit, manchmal ist es mir auf­ grund von Müdigkeit oder Zeitmangel unmöglich, unter der Woche meine Psychologiebücher zu öffnen. Dann versuche ich, an den Wochenenden ein wenig zu lernen – aber nur so viel, dass mir auch noch Zeit für mich selbst bleibt. Sonst würde ich innerlich explodieren, diese Lektion habe ich gelernt. Ich weiß heute, dass ich und meine Gesundheit an erster Stelle ste­ hen müssen, und dass es nicht tragisch ist, nicht in allem per­ fekt zu sein. Dazu: Nachtschlaf und gute Freunde, mit denen man aufrichtig reden und mit denen man sich amüsieren kann, sind wichtiger, als man denkt.

lara Valdera, Studentin im Bachelorstudiengang C Tanz und Fernstudentin im Fach Psychologie

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TEXT: SABINE ROSENBERGER Schauspiel-Studierende gehen nach Ende ihrer Regelstudien­ zeit ins Erstengagement, Studierende anderer Fächer sind meist noch länger hier, über ihre Regelstudienzeit hinaus. Warum das so ist, hat mehrere, dazu sehr verschiedene Gründe. Viele müssen zum Beispiel arbeiten, um sich Geld fürs Studi­ um zu verdienen, was Konzentration und Zeit kostet. Teilweise, wenn auch selten, kommt es zudem vor, dass sich Studierende noch einmal umorientieren und ihr Fach wechseln. Man muss da also genau differenzieren, nach Studiengang und auch indivi­ duell. Zum Gesamtbild: Die HfMDK bildet in diesem Punkt unter den Kunsthochschulen keine Ausnahme. Laut Statistischem Bundesamt erreichten 2018 – neuere Zahlen gibt es noch nicht – rund ein Drittel aller Studierenden ihren künstlerischen Abschluss innerhalb der Regelstudienzeit (33,8 Prozent). Die Alternativen? Wir vom Prüfungsamt raten dazu, die Angebote zur Berufsfeldorientierung und die Studienberatung zu nutzen, und sich in jedem Fall frühzeitig mit der eigenen Studien- und Prüfungsordnung zu beschäftigen – mög­ lichst schon direkt zu Beginn des Studiums. Wer mit einzel­ nen Regula­­rien unsicher ist, sollte nicht lange warten, sondern besser gleich nachfragen, im Fachbereich und/oder bei uns. Dadurch lässt sich vieles abkürzen.

abine Rosenberger, Mitarbeiterin im SStudienservice/Prüfungsamt

Die Gefahren des Nichtabwartenwollens TEXT: THILO DAHLMANN Zu früh, zu spät: Mit diesen beiden Begriffen versieht Franziska Martienßen-Lohmann, eine der prominentesten Gesangspäda­ goginnen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die Gefahren des „Nichtabwartenwollens“ bei der Ausbildung der klassischen Gesangsstimme. Sie versteht darunter das „Zu-frühe“-Beginnen und das „Zu-spät“ bei der Behebung der daraus resultierenden stimmlichen Fehlbildungen und Schwierigkeiten. Ist die Lösung also eine möglichst große Geduld und Zurückhaltung bei öffentlichen Konzerten und Engagements während des Gesangsstudiums? Gar eine möglichst lange und beschützte Ausbildung unter Ausschluss der Öffentlichkeit, bis Technik und Persönlichkeit des Studierenden so gefestigt sind, dass jede passende sängerische Herausforderung stabil gemeistert werden kann? Die Antwort auf diese Frage ist leider nicht so einfach wie die Frage suggeriert. Dass ein Studierender in der Ausbildung keine Partien übernehmen soll, die sie oder ihn überfordern, oder technische Grenzen überschreiten, versteht sich von selbst. Sollte ein Studierender aber über sechs Jahre (was tradi­ tionell in der italienischen Gesangsschule als Dauer der profes­ sionellen Stimmentwicklung angesehen wird) hinter den Mauern des Instituts Stimme und Persönlichkeit entwickeln, um dann als „fertiger“ Sänger ins Leben entlassen zu werden? Das würde voraussetzen, dass es so etwas wie „fertig“ gibt – doch Sänge­ rinnen und Sänger sind nie „fertig“. Hier beginnt die Verantwortung von Lehrenden und Studie­ renden. Das „wahre Leben“ ist nicht die Hochschule. Und der Übergang in die Berufswelt ist fließend. Gerade der Sängerbe­ ruf hat zahlreiche Facetten, bei denen Studierende schon früh ins Berufsleben einsteigen und Fuß fassen können. Dies beginnt bei Chorengagements, kleinen Konzerten, großen Oratorienund Opernpartien, die im professionellen und semiprofessio­ nellen Rahmen nachgefragt werden. Jungen Sängerinnen und Sängern werden häufig bereits früh große und attraktive Par­ tien angeboten, da sie bereit sind, diese für ein deutlich gerin­ geres Honorar zu übernehmen als Sänger mit abgeschlossener Berufsausbildung. Im größeren Kontext ist der Markt ständig auf der Suche nach neuen Stimmen und neuen Gesichtern, um die Aufmerk­ samkeit der Käufer und Konzertbesucher zu gewinnen. Dass die meisten dieser Newcomer schnell wieder verschwunden sind, ist dabei keine Überraschung. Insbesondere wird ihnen selten die Zeit gegeben, in die Anforderungen einer anspruchsvolleren Partie hineinzuwachsen. All dies ist nicht neu und wurde schon in Gesangsschulen des 19. Jahrhunderts beklagt. Ziel im Studium ist es heute, eine Balance aus Anforderung, Schutz und Ermutigung zu finden. Eine zugegeben nicht immer einfache Aufgabe, die auch falsche Entscheidungen nicht verhindert. Dennoch findet das wahre Leben nicht hinter verschlossenen Mauern einer Bildungs­ institution statt. Für Sängerinnen und Sänger ist es wichtig, Zu­ trauen zu den eigenen Fähigkeiten zu entwickeln, Grenzen aus­ zuloten und Kontakte zu knüpfen. Dabei sollten Studierende und Lehrende Partner sein, um den individuell richtigen Weg eines jeden Studierenden zu finden und zu fördern.

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Tempo

Prof. Thilo Dahlmann ist Professor für Gesang.

Illustration: Jan Buchczik

Zwischen Soll und Haben: Regelstudienzeit an der HfMDK


Warum es junge Talente an die HfMDK zieht – und wie das Jungstudium ihr Leben beschleunigt.

So viel, so früh Carolin Grün

Anne Sophie Luong Seit Sommer 2018 bin ich Jungstudentin an der HfMDK, was mein großer Wunsch war. Später möchte ich gerne hier an der Hochschule weiter studieren, und mein Traumberuf ist es, Solistin zu werden. Im Moment gehe ich noch zur Schule, aber ich schaffe es meist ganz gut, mir alles so einzuteilen, dass nichts zu kurz kommt, nicht die Schule, nicht meine Familie, nicht meine Freunde: Alle unterstützen mich und können es auch gut nachvollziehen, dass mir das Geigespielen so viel be­ deutet – und ich deshalb einen ziemlich strikten Zeitplan habe. Zur Young Academy komme ich während des Semesters min­ destens zwei Mal pro Woche für den Hauptfachunterricht in Violine bei meiner Professorin Susanne Stoodt, für die Korrepe­ tition und mein Nebenfach Klavier. Ungefähr alle zwei Wochen habe ich dann noch Unterricht in Gehörbildung, Musiktheorie und -geschichte sowie andere Workshops, und natürlich übe ich jeden Tag zwei bis drei Stunden. Wäre das alles nicht, würde mir etwas Wichtiges fehlen. Zeitweise kann es auch stressig sein: Aber Violine spielen zu können, und mich immer weiter zu verbessern, das gibt mir sehr viel Freude zurück. Das Jungstu­ dium ermöglicht mir deshalb, viel mehr über mein Instrument und die Musik zu lernen.

nne Sophie Luong (15) hat dreimal in Folge den 1. Preis A beim Jugendmusikwettbewerb „Jugend musiziert“ unter anderem in der Kategorie Kammermusik-Duo Klavier und Streichinstrument gewonnen und war zuletzt 1. Bundespreisträgerin in der Kategorie „Violine Solo“. Sie war zudem Stipendiatin der Gertrud Assmann Stiftung (2015), der Sparkassen-Kulturstiftung HessenThüringen (2019) und wird seit 2020 gefördert durch den ZONTA Club of Frankfurt am Main.

Jungstudium

Nach sieben Semestern als Jungstudentin konnte ich im ver­ gangenen Jahr mein Bachelorstudium an der HfMDK begin­ nen. Es ist der nächste Schritt auf meinem Weg zur vielseitigen Geigerin: Das ist mein Ziel, darauf arbeite ich hin. Das Jung­ studium war eine tolle Zeit und hat ganz sicher vieles beschleu­ nigt. Ich hatte eine Menge Gelegenheiten, um weiterzukommen – und schließlich einen fließenden Übergang ins Vollstudium. Als ich vor sechs Jahren zum ersten Mal an die Hochschule kam, gab es allerdings noch keine Young Academy. Bei mir lag der Fokus auf dem Hauptfachunterricht Violine. Die Theorie­ fächer und das Nebenfach Klavier, die die Young Academy heute bietet, blieben leider außen vor. Insgesamt war das Programm gut zu schaffen, auch zusammen mit der Schule und dem Leistungssport im Turnen, den ich lange Zeit noch gemacht habe – bis die Liebe zur Musik irgendwann stärker wurde. Schon im Jungstudium bin ich jedes Mal voller Leiden­ schaft in den Unterricht gegangen. Professorin Susanne Stoodt, sie ist noch heute meine Lehrerin, hat mir ganz viel positive Energie vermittelt, sie hat so ein großes Ausdrucksvermögen. Für mich war es perfekt, so früh und so viel von ihr lernen zu können.

arolin Grün (18) ist u.a. Konzertmeisterin des Bundes Cjugendorchesters, bereits 2017 gewann sie den EduardSöring-Preis der Deutschen Stiftung Musikleben und war Kulturförderpreisträgerin des Kreises Groß-Gerau.

ZERTIFIKATSSTUDIUM FÜR HOCHBEGABTE: DIE YOUNG ACADEMY DER HFMDK

ielgruppe: musikalisch hochbegabte Z Musikerinnen und Musiker ab ca. 14 Jahren Dauer: in der Regel drei Jahre (Verlängerung möglich) Anzahl der Studienplätze: rund 20 Studiengangleitung: Prof. Susanne Stoodt Organisation / Koordination: Isabel von Bernstorff

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Ursache

Was macht die Digitalisierung mit der Kunst? „Frankfurt in Takt“ hat dazu zum Meinungsaustausch eingeladen. Obwohl das Gespräch bereits kurz nach Ende des Wintersemesters stattfand, als die Corona-Krise noch gar nicht absehbar war, bleibt es aktuell: Die alten Fragen stellen sich weiterhin – nicht nur die nach der großen allgemeinen Beschleu­ nigung, dem Tempo. Die Fußnote gleich vorab: Dass hier ausschließlich Männer zu Wort kommen, ist Zufall. Zum Termin hatte keine der Frauen, die wir angefragt hatten, Zeit.

Kompositionsunterricht mit Prof. Orm Finnendahl

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Tempo


DIE FOLGEN DER DIGITALISIERUNG FÜR DEN KÜNSTLERISCHEN ALLTAG DISKUTIERTEN:

↘ Robin Brosowski:

Schulmusikstudent (Gitarre), StuPa-Mitglied und AstAVorsitzender

↘ Orm Finnendahl:

Professor für Komposition und Ausbildungsdirektor Komposition

Florian Hölscher: Professor für künstlerische Instrumentalausbildung Klavier

INTERVIEW: ALEXANDER REIFF

Bringt Technologie die Künste weiter? Finnendahl: Die Tatsache, dass Aufnahmen von verschiedensten Orchestern relativ einfach verfügbar sind, hat in den vergangenen 50 Jahren zu einer extremen Veränderung der Interpretationspraxis geführt. Dass ich mir mal eben zehn verschiedene Versionen ein und desselben Stücks anhören kann, verändert in jedem Fall mein Musikbild. Früher war die Reichweite begrenzt, heute ist sie potenziell größer. Da hat sich eine völlig neue Art der Musik­ rezeption entwickelt, und mit ihr eine neue Art, Musik zu interpretieren. Hölscher: Es ist generell eine Demokratisierung zu beobachten: Heute ist es auch sehr viel einfacher, eine Aufnahme herzustellen – das klingt erst einmal gut. Leider führt das aber dazu, dass es immer schwieriger wird, Rundfunkanstalten oder Plattenfirmen davon zu überzeugen, dass es sich lohnen kann, für eine ideale Lösung auch mal fünf Tage ins Studio zu gehen. Brosowski: Ist das nicht eher ein Problem der Klassischen Musik? Die Besetzungen sind oft erheblich umfangreicher, vieles ist dann direkt vom Raumklang abhängig. Ich selbst komme aus der Popularmusik. Im letzten Semester haben wir für das Projekt 6K-UNITED, an dem ich arbeite, eine CD eingespielt und konnten jede Menge digital bearbeiten. Das Ergebnis kann sich wirklich hören lassen. Bei einem Orchester liegt die Sache natürlich anders. Finnendahl: Jetzt wissen Sie, warum ich relativ wenig Orchesterstücke schreibe. Hölscher: Meine Beobachtung ist, dass Dinge durch Technologie zwar sehr viel einfacher werden, aber genau das dann zur neuen Norm wird – mit der Folge: Was sich nicht mit den Spielregeln der neuen Norm verträgt, etwa schnelle Verbreitung und Verfügbarkeit, wird plötzlich zum Randprodukt. Finnendahl: Das Schöne an Kunst ist, dass der Kunstbegriff permanent in Bewegung ist, und das auch schon immer war. Ich habe mit Mathematikern gesprochen, die glauben, dass man gute Kunst ausrechnen kann, mit Hilfe von Markov-Ketten zum Beispiel. Wenn ein solcher Algorithmus erst einmal existiert, wenn es alltäglich wird, ein Musikstück einfach per Knopfdruck zu erzeugen, hat das nichts mehr mit Kunst zu tun – dann wäre der Algorithmus das künstlerische Produkt.

& Wirkung

Drückt Kommunikation auf die Konzentration?

Fotografie: Ramon Haindl

Hölscher: Ständige Kommunikation hat manches vereinfacht, ganz klar. Eine Studie, die untersuchen wollte, wie wir auf Signaltöne bei eingehenden Nachrichten reagieren, hat allerdings auch gezeigt: Man braucht etwa acht Minuten, um wieder das gleiche Konzentrationsniveau zu erreichen wie vorher, vor dem Signalton. Acht Minuten! Die Formate digitaler Kommunikation – E-Mail, WhatsApp-Nachricht, Facebook-Kommentar – bestimmen auch unser Wahrnehmungsverhalten. Von den kurzen Wahrnehmungsinter­ vallen kommt man kaum weg: Wenn ich zum Beispiel ein kompliziertes Musik­stück einübe, schalte ich manchmal alle Technik um mich herum aus und unterbreche jegliche Kommunikation.

Digitalisierung

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Hölscher: Dabei geht der Einfluss von Technologien ja noch weiter. Hashtags zum Beispiel sind zwar praktisch, weil sie Themen und Menschen miteinander vernetzen, ich frage mich jedoch, inwiefern sie dadurch unser Denken, unsere Gedanken prägen. Mir ist die Vorstellung unangenehm, dass ein Format, letztlich eine Maschine, mein Denken steuert. Finnendahl: Auch durch den Buchdruck wurde schon unser Denken manipuliert, politische Pamphlete ließen sich plötzlich unzählig oft vervielfältigen. Brosowski: Den Begriff „manipuliert“ hier zu verwenden – interessant. Manipulation, als Begriff, ist ja eigentlich negativ konnotiert. Beim Buchdruck sehe ich die Verbindung da nicht direkt, eher bei Social Media. Finnendahl: Auch wenn man nicht bestreiten kann, dass uns die sozialen Medien manipulieren, war das früher nicht anders. Technologien beinhalten immer beides, sie schaffen positive Veränderungen und auch negative. Mit Blick auf die sozialen Medien denke ich allerdings durchaus, dass sie stärker reguliert werden müssten.

Werden Künstler zu Selbstdarstellern? Brosowski: Social Media können die Realität total verfälschen – gepostet wird meist nur Positives. „Bin gerade auf dem Weg nach Berlin“ oder „gerade beim Konzert“ zum Beispiel, anstatt: „Ich sitze allein in einer Übezelle und übe ein Stück, auf das ich keinen Bock habe.“ Finnendahl: Das zentrale Thema in der Kunst ist die Auseinandersetzung des Einzelnen mit der Welt – und die läuft in großem Umfang eben auch digital. Das Eindringen von Technologie in unser Alltags­ leben ist aus meiner Sicht ein, wenn nicht das Alleinstellungsmerkmal unserer Zeit. Jedoch dürfen Social Media und Digitalisierung nicht gleichgesetzt werden. Digitalisierung ist mir als Thema, als Phänomen, außerordentlich wichtig. Soziale Netzwerke aber, die ich als Ergebnis der Digitalisierung betrachte, halte ich für durchaus problematisch. Hölscher: Ich habe den Eindruck, dass sie sozialen Druck auf Personen ausüben und sogar die Kraft haben, Lebensentwürfe zu verändern. Ich überspitze das einmal: Man lebt nicht mehr des Lebens wegen, sondern der Darstellung wegen – und für die Reaktion darauf. Brosowski: Ein Argument für die Gestaltung der Digitalisierung ist sehr oft: Wir können entweder Zusehen oder Mitgestalten. Nur habe ich momentan das Gefühl, dass man da oft gar nicht mehr wirklich wählen kann, dass man hineingesogen wird, in eine bestimmte Richtung. Mit einigen politisch fragwürdigen zum Beispiel kann man Schwierigkeiten haben, weil sie weniger davor zurückschrecken, manipulative Methoden zu verwenden. Hölscher: Manche Hochschulen bieten Erstsemestern ein Modul zur Selbstvermarktung, wo dann unter anderem erklärt wird: „Was du kannst, zählt weniger als wie du dich präsentierst.“ Da möchte ich wirklich nie mitmachen, nie! Karrieren sollten sich auch in Zukunft auf Können und Kompetenzen gründen. Brosowski: Das ist auch so eine Entwicklung, in die man hineingezogen wird. Allerdings finde ich, man kann hier schon auch mitgestalten, indem man zwar das gleiche Vokabular lernt, mithilfe dessen aber konsequent seine eigene Linie fährt. Ich bin überzeugt, dass sich Qualität auf diesem Wege durchsetzt.

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Tempo

Welche Bedeutung haben digitale Medien im schulischen Musikunterricht? VON: JULIA WILKE Digitale Medien erfahren eine immer stär­ kere Präsenz in Schulen. Zur Diskussion steht jedoch, wie sie im Musikunterricht eingesetzt werden sollten und welche Rolle dann dem eigenen Singen, dem in­ strumentalen Musizieren oder auch dem Bewegen zur Musik zukommt. Beispielsweise bietet der Einbezug von Musik-Apps für Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, sich spielerisch und explorativ mit Sounds auseinanderzu­ setzen sowie Lieder und Motive je nach in­ dividueller Vorliebe mehrfach anzuhören, einzuüben, auf verschiedenen Instrumen­ ten digital zu reproduzieren oder auch zu variieren. Unabhängig von Vorerfahrungen können sie kompositorisch tätig werden. Auf der anderen Seite sollte eine digitale Herangehensweise nicht das eigene musikalische Handeln ersetzen. Insbesondere die Neugier auf verschiede­ nes Instrumentarium und deren Spielwei­ sen, auf eine musikalische Praxis sowie die gegenseitige Koordination beim Sin­ gen und Musizieren innerhalb der Gruppe eröffnen Gestaltungsräume, die durch eine alleinig digitale Herangehensweise verlorengehen würden. So stellt die Verbindung von musik­ implizitem Handlungswissen (wie eben beim gemeinsamen Singen und Musi­ zieren) und medienbezogenem Sach­ wissen (darunter fällt auch eine digitale Mediennutzung) eine lohnenswerte Ver­ knüpfungsmöglichkeit dar. Warum soll­ ten Schülerinnen und Schüler nicht mit dem Tablet eigene Jingles oder Motive komponieren und sie gemeinsam inst­ rumental umsetzen? Auf diese Weise ist die Nutzung digitaler Medien kein Selbst­ zweck oder schließt eine körperbezogene Erfahrung im Umgang mit Instrumenten aus, sondern kann die Handhabe erleich­ tern, das sachliche Verständnis für den Inhalt verstärken oder sogar Anlass für eine Diskussion sein.

ulia Wilke ist wissenschaft­liche JMitarbeiterin und Doktorandin

in der Musikpädagogik im Fachbereich 2 (Lehrämter, Wissenschaft und Komposition).

Fotografie: Lorna Lüers

Finnendahl: Das wird dann wohl dazu führen, dass immer weniger Leute eine entsprechende Aufmerksamkeitsspanne mitbringen, wenn es nicht zu Gegenbewegungen kommt.


Was bringt die Digitalisierung der Musikwissenschaft?

Finnendahl: Da fallen mir Karlheinz Stockhausen und Pierre Boulez ein, die haben schon vor Jahrzehnten massiv Marketing betrieben, beispielsweise mit ihren prominent veröffentlichten Texten, Radiosendungen, Fernsehauftritten, aber auch hinter den Kulissen bei den Darmstädter Ferienkursen und den Donaueschinger Musiktagen.

VON: P ETER ACKERMANN Ein Verzeichnis der Werke Giovanni Pierluigi da Palestrinas als Online-Datenbank mit textkritischer Darstellung der Quellen: Das von der Deutschen For­ schungsgemeinschaft geförderte Projekt steht im Kontext der auf internationaler Ebene zunehmend sich verstärkenden Akti­ vitäten im Bereich der Digital Humanities. So sehr einerseits traditionelle musik­ philologische Methoden in unserer Ar­ beit nach wie vor eine gewichtige Rolle spielen, so deutlich liegt dem Vorhaben ein Konzept zugrunde, dass letztlich allein mittels digitaler Verfahrensweisen realisierbar ist. Es geht vor allem darum, den umfangreichen Werk- und Quellen­ bestand (rund 800 Werke, nachgewiesen in mehr als 22.000 internationalen Quel­ len) für die interaktive Online­nutzung auf­ zubereiten. Die eigens hierfür ent­wickelte Software bietet für Wissenschaft und Praxis Recherchemöglich­keiten, die sol­ che herkömmlicher Werkverzeichnisse bei Weitem übersteigen, und sie stellt darüber hinaus Schnittstellen für die musikalische Werkanalyse und Auffüh­ rungspraxis bereit. Innovativ ist der An­ satz, für jedes Werk Palestrinas digitale Partituren in diplomatisch exakter Re­ produktion der ursprünglich mensural notierten Stimmen zu erstellen. In diesen Werktranskrip­tionen ist nicht nur eine polyphone Volltextrecherche einschließ­ lich melodischer/rhythmischer Ähnlich­ keitssuche möglich, sondern obendrein auch ein automatischer Vergleich von Überlieferungsvarianten. Und schließ­ lich gilt es, einen Beitrag zur Lösung eines grundsätzlichen Problems aktueller Forschungsvorhaben der Digital Huma­ nities zu liefern: zur Frage bezüglich der Nachhaltigkeit projektbezogener Anwen­ dungssoftware.

v.l.n.r.: Robin Brosowski, Alexander Reiff, Orm Finnendahl, Florian Hölscher

Hölscher: Ich will auch nicht sagen, dass es das früher nicht gab. Es gibt aber neue Probleme, und über die müssen wir uns im Klaren sein. Ich jedenfalls träume von einem Künstlerleben, in dem man nicht die ganze Zeit mit seiner eigenen Außenwirkung beschäftigt ist. Irgend­ wann werden die Selbstvermarktungsstrategien die Menschen wahrscheinlich so langweilen, dass sich die Lage umkehrt und man nur noch auf Qualität und Substanz schaut.

Verfügbarkeit ist alles? Hölscher: Gegen Technologien im Unterricht habe ich nichts einzuwenden. Andererseits macht es einen großen Unterschied, ob ich mich mit den Quellen und den Werken selbst auseinandersetze oder mich via Wikipedia und Youtube bilde. Wenn ich zum Beispiel Bach unterrichte, gebe ich meinen Studierenden meist eine Studien- und Leseliste, für die sie, würden sie sich profund mit den Inhalten auseinandersetzen, etwa zwei Jahre bräuchten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Wikipedia-Artikel und Videos auf Youtube hierzu eine echte Alternative sind. Schnelle und einfache Verfügbarkeit, so verstanden, verführt eher dazu, Prozesse abzukürzen – dessen müssen wir uns als Künstler bewusst sein. Finnendahl: Möglicherweise gibt es jedoch Leute, die durch die Verfügbarkeit verschiedener Interpretationen zu interessanten neuen Ergebnissen gelangen. Unser Umgang mit der Welt verändert sich und ich glaube, dass ich als Lehrer gut daran tue, darauf Rücksicht zu nehmen und die Studierenden mit ihrem Skillset arbeiten zu lassen. Auch wenn viele grundlegende kompositorische Probleme die gleichen bleiben, verändern sich doch die eingesetzten Mittel. Brosowski: Ich werde demnächst mit einigen Schülerinnen und Schülern aus einem eher schwierigen Umfeld Stücke aus verschiedenen Epochen erar‑ beiten und auch auf Youtube anschauen, was es dort an Erklärvideos zu den Epochen gibt. Mir erscheint das sinnvoll, auch wenn Sie vielleicht sagen, ich sollte mich besser erstmal richtig einlesen. Bei einer Klasse, in der Deutsch für kein einziges Kind die Muttersprache ist, ist ein Youtube-Video perfekt, um die Hürden niedrig zu halten und zumindest einen Einstieg ins Thema zu vermitteln.

rof. Dr. Peter Ackermann ist P Professor für Musikwissenschaft und leitet das seit 2006 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Projekt zum Schaffen des Renaissance-Komponisten Giovanni Pierluigi da Palestrina. hfmdk-frankfurt.de/ palestrina-forschungsprojekt

Digitalisierung

Alexander Reiff ist Student im Fach Komposition.

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Die Lage der HfMDK ist ideal für alle, die schnell mal irgendwohin wollen? Mal sehen: Drei Studierende haben im März trotz Corona-Lockdown die Probe aufs Exempel gemacht, waren mit der „Frankfurt in Takt“ on Tour – entlang (einiger) ihrer Lieblingsplätze. Einzige Regel: Tempo! Sie hatten nur zehn Minuten Zeit.

Grafik: State

Unterwegs mit …

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Tempo


❶ Annina Merz, Bachelorstudiengang Gesang, Mitarbeiterin der Hochschulbibliothek, Vertrauensstudentin

15,6 km/h Ohne Fahrrad wäre das Leben in Frankfurt für sie nur halb so schön, und ohne Grüneburgpark („eine Oase“) auch. Annina Merz schlägt deshalb vor, für das Experiment beides mitein­ ander zu verbinden. Los geht’s an der HfMDK, weiter durch den Grüneburgweg, vorbei an Galerien, zig Cafés und zig Friseuren. Dann schon hinauf in die August-Siebert-Straße – und hinein ins Grüne... bis sich irgendwann, gefühlt Stunden später, die Stoppuhr meldet. Was sich dabei zeigt: Zehn Minuten sind überraschend lang und reichen tatsächlich aus, um das Weite zu suchen, der Geschäftigkeit der Stadt zu entfliehen. Dazu: Eine Pause im Park – dehnt die Zeit. Im Frühling und Sommer ist Annina Merz häufig hier, um zu lesen, sich auf eine Arie zu konzentrieren, spazierenzugehen oder mal für eine Viertelstunde die Augen zu schließen.

→ Start: HfMDK → Ziel: Grüneburgpark, mit dem Fahrrad → In zehn Minuten erreicht? Locker. → Entfernung von der HfMDK: ca. 2,6 Kilometer → Fazit: Das Grün so grün.

❷ Robin Brosowski, Schulmusikstudent (Gitarre), StuPa-Mitglied, AStA-Vorsitzender

2,4 km/h Robin Brosowski zieht es dorthin, wo sich Frankfurt an guten Tagen für ihn immer ein wenig wie London anfühlte, vor der Corona-Krise. Ihn zieht es zu Fuß in den Süden, die Eschers­ heimer Straße hinunter in Richtung Eschenheimer Anlage und Eschenheimer Tor. Nicht nur rein sprachlich kommt in der Gegend einiges zusammen: Sie ist ein historischer Hotspot, gehört selbst in Corona-Zeiten zu den verkehrsreichsten der Stadt, nirgendwo pulsieren nachts die Leuchtreklamen schöner. „Noch ein paar

Experiment

mehr davon, dazu alles ein paar Stufen größer, und Frankfurt hätte seinen eigenen Piccadilly Circus.“ Ein Scherz, natürlich. Brosowski lässt seinen Blick schweifen, auch jetzt. Ihm ge­ fällt der Kontrast. Wie sich die Skyline im Hintergrund erhebt, wie urban Frankfurt hier wirkt – und wie bodenständig es trotz allem im Fast Food-Laden „Hamburger am Turm“ zugeht, sogar bis morgens um vier. „Das ist einfach ehrlich hier.“

→ Start: HfMDK → Ziel: Eschenheimer Anlage, zu Fuß → In zehn Minuten erreicht? Ja. → Entfernung von der HfMDK: ca. 406 Meter → Fazit: Das Gute so nah.

❸ Michael Preuß, Studiengang Konzertexamen, Eliot Quartett

13,8 km/h Noch sind die E-Roller nicht verräumt, sie fahren. Für Michael Preuß ist das an diesem Tag eine gute Nachricht. Weil sein Rennrad gerade außer Dienst ist („Kettenriss“), musste er sich kurzfristig etwas anderes überlegen, um pünktlich am Treff­ punkt zu sein... und blieb zwar bei zwei Rädern, entschied sich aber („ausnahmsweise“) für die Modellvariante: elektrifiziert. Mit Blick auf Frankfurt findet er, „hier muss man nicht rasen und kommt trotzdem überall schnell hin“. Wie weit er mit dem E-Roller und seinem Cello auf dem Rücken kommen kann – in Richtung Osten, wo er jede Ecke kennt? Sein Ziel: Wittels­ bacher Allee. Dort wird er künftig wohnen. Seine Route: Führt vorbei am Falafelstand „Aroma“ im Oederweg, einer kulinari­ schen Außenstelle der Hochschule. Vorbei am Mal Seh’n Kino, vorbei an Absperrungen, Autos, Ampeln, über den Friedberger Platz – bis in die Berger Straße. Weiter reichen zehn Minuten nicht. Die Tour endet vor dem Restaurant Ginkgo; für Preuß: „eine Empfehlung!“

→ Start: HfMDK → Ziel: Wittelsbacher Allee, per E-Roller → In zehn Minuten erreicht? Nein,

bis zum Ziel fehlen noch etwa 650 Meter. Die Tour endet in der Bergerstraße, Ecke Schopenhauerstraße.

→ Entfernung von der HfMDK: ca. 2,3 Kilometer → Fazit: Die Wege so kurz.

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Tempo

Fotografie: Robert Schittko


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Aus der „Es ist toll zu sehen, wie die Netzwerkidee jetzt ihren Weg geht, und wie schnell und positiv auch die Politik reagiert“ LENA KRAUSE

→ S. 57

„Auf der Bühne zu stehen, ist für mich jedes Mal ein Erlebnis, ein Abenteuer“ CARMEN ARTAZA

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→ S. 66


Fotografie: Janine Bächle

Hochschule

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Eigentlich ist er es ja, der Menschen interviewt: Werner D’Inka, Journalist und lange Jahre einer der Herausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Wir wollten die Situation umdrehen und konnten ihn zum Gespräch gewinnen – über seine Erlebnisse mit Zeit und Tempo. Uns interessierte, wie Werner D’Inka diese Beschleunigung erlebt, wie er mit permanentem Termindruck umgeht: dem Redaktionsschluss, der Tagesaktualität, aber auch mit den Veränderungen durch die Digitalisierung in den Online-Redaktionen, die Nachrichten im Minutentakt produzieren. Was hat sich seiner Beobachtung nach verändert? Und was macht dies mit den Journalistinnen und Journalisten, der Gesellschaft? Wir treffen einen Menschen, der lieber aus der Kulisse heraus beobachtet, als selbst im Lampenlicht zu agieren. WERNER D’INKA IM GESPRÄCH MIT ELMAR FULDA  DOKUMENTATION: BJÖRN HADEM

Charakter zeigen

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Aus der Hochschule


Fulda: Der rasende Reporter ist, nach einem Buchtitel von Egon Erwin Kisch, das Klischee des Journalisten. Wie ist Ihr Tempo? D’Inka: Tagesjournalisten sind per se gewohnt, mit Zeitknappheit zurechtzukommen und ein hohes Tempo anzuschlagen. Die modernen technischen Hilfsmittel kommen uns dabei enorm entgegen. Die Tempo-Erwartungen in der Online-Welt sind hoch. Aber da die Menschheit nichts vergisst, was sie einmal erfunden hat, können und sollten wir uns nicht in den Zustand der Vorinternet-Zeit zurückträumen. Wir wollen trotz Zeitdruck täglich etwas abliefern, von dem wir glauben, man könne damit vor die Augen des Publikums beziehungsweise der Leserschaft treten. Künstler kennen dieses Gefühl, nie genügend Zeit zu haben, um einen perfekten Auftritt hinzulegen. Hatten Sie am Anfang Ihres Berufslebens gefühlt mehr Zeit als heute? Ich glaube nicht. Im Journalismus neigt man zum einen eh dazu, alles auf den letzten Drücker zu erledigen. Zum anderen passt sich die Zeitplanung auch den technischen und medialen Möglichkeiten der Zeit an. Sind Sie eher von der Sorte Früh- oder Spätentscheider? Tendenziell treffe ich Entscheidungen erst dann, wenn sie unausweichlich sind (lacht) – auch aus der Erfahrung heraus, dass sich manches noch einmal anders darstellt, wenn Gedanken ein wenig reifen können. Da bewegen Sie sich auf wissenschaftlich gesichertem Grund. Ein israelisches Forscherteam hat Versuchskandidaten schwierige Aufgaben lösen lassen. Das bemerkenswerte Ergebnis war: Diejenigen, denen es eine zeitliche Deadline gesetzt hatte, schnitten in den Resultaten besser ab als jene, die kein Zeitlimit kannten. Die Getriebenen erwiesen sich als konzentrierter denn die, die ihre Ressourcen nicht zeitlich einteilen mussten. Das kenne ich von mir selbst: Ich kann mich im Restaurant auch erst dann entscheiden, was ich bestellen möchte, wenn der Kellner hinter mir steht. Rasend im Job. Und privat? Wie ist da Ihr Tempo? Deutlich verlangsamt und mit reduzierter Schlagzahl. Ich halte es für unwesentlich, ob man um halb vier oder halb acht beginnt, den Keller aufzuräumen. Im Berufsleben liegen derweil Welten zwischen diesen Uhrzeiten. Haben Sie für sich Mechanismen entwickelt, um aus der Mühle permanenter Betriebsamkeit auszusteigen? Durchaus, ja – zum Beispiel, indem ich schlicht und einfach „offline“ gehe und das Smartphone beiseitelege. Radio höre ich privat kaum – außer beim Autofahren. Zu Hause kann ich es gut ohne Medien aushalten, auch ohne Fernsehen. Von der Politik wird erwartet, zu jedem Moment sprechfähig zu sein, obwohl es eigentlich nichts zu sagen gibt. Was macht das mit den Politikern, wie hat sich Politik verändert? Es verändert zunächst die Kommunikation und dadurch wahrscheinlich auch Politik. Diese Tatsache wird von vielen beklagt, ohne dass jemand etwas daran ändert. Ich gebe zu bedenken: Ist es nicht sogar besser, wenn sich Politikerinnen und Politiker vor einem Statement Zeit dafür nehmen, sich in Ruhe ein Bild zu machen? Sigmar Gabriel sagte mir neulich, dass Politiker nicht nur überlegen müssten, was sie sagen, sondern wie das Gesagte in der Öffentlichkeit ankomme und was andere daraus machen. Diese Vorsicht führe dazu, dass Politikerinnen und Politiker in eine KommuniquéSprache verfallen, die möglichst unangreifbar ist. Wie würden Sie es empfinden, wenn jemand die Bundeskanzlerin befragt und sie entgegnet, dass sie die Antwort noch nicht kennt? Fotografie: Janine Bächle

Die Reaktionen darauf zu analysieren, wäre interessant. Vielleicht steigt sie mit einer solchen Haltung im Ansehen. Die Leute nehmen durchaus wahr, dass Politikerinnen und Politiker oft in Sprachschablonen sprechen. Wann kam bei Ihnen der Wunsch auf, in den Journalismus zu gehen?

Das Gespräch

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„Ich möchte den Menschen diese Sorge gern nehmen. Sie sollen wissen, dass es in der Kunst kein Richtig oder Falsch gibt. Man muss nicht jeden Feuilleton-Artikel verstehen, um Kunst intensiv erleben zu können“ Relativ spät, es dämmerte mir als Oberstufenschüler. Mein „Erweckungserlebnis“ war, als ich als Schülersprecher einen Leserbrief an die „Badische Zeitung“ geschrieben hatte, worauf die Redaktion aus Lörrach anrief und mich zu einem Gespräch einlud. Als ich bei dieser Gelegenheit dann Näheres über den Beruf des Journalisten erfuhr, war mein Feuer entfacht. Und warum haben Sie sich langfristig für das Medium Zeitung entschieden? Diese Entscheidung fiel nach ausgiebiger Beschäftigung mit den damals „neuen Medien“ wie Bildschirmtext, Videotext und auch Fernsehen: Ich gehörte jener kleinen Redaktion an, die am 1. Januar 1984 die erste Fernsehnachrichten-Sendung produzierte, die nicht von ARD und ZDF, also den Öffentlich-Rechtlichen, kam – es war genau die Geburtsstunde des Privatfernsehens. Dabei sammelte ich auch vor der Kamera Erfahrung, merkte aber bald, dass mir das Schreiben mehr liegt. Ich fühle mich wohl, wenn ich mit meinem Schreibblock unauffällig in der Ecke stehen, beobachten und die Situation aus der Distanz analysieren kann. Daraus zog ich die Konsequenz, dauerhaft zur gedruckten Zeitung zu wechseln. Wie funktioniert das Blattmachen? Sitzt man morgens vor einem leeren Blatt Papier – und abends ist dann die ganze Zeitung vollgeschrieben? Im Prinzip schon. Zeitungen liefern jeden Tag ein neues Produkt – im Unterschied zum Industrie­ betrieb, der ein einmal entwickeltes Modell in möglichst großen Stückzahlen herstellt. Dass wir gestern eine ganz brauchbare Zeitung gemacht haben, hilft uns heute nur sehr mittelbar – abgesehen davon, dass noch nicht verarbeiteter Stoff vom Vortag übriggeblieben ist. Diese Tatsache, jeden Tag gleichsam bei null anzufangen, schafft permanenten Zeitdruck. Doch Erfahrung ist mehr als die halbe Miete und verhilft zu professioneller Gelassenheit. Es gilt zu planen, was sich planen lässt, um sich genügend Flexibilität für das Unplanbare zu erhalten. Und das reicht vom plötzlichen Rücktritt eines Minis­ ters bis hin zu Naturkatastrophen. Die weißen Blätter der Redakteurin oder des Redakteurs sind für die performativen Künstler vielleicht die Momente vor dem Auftritt: Selbst wenn Abläufe in der Musik und auf der Bühne klar sind, ist der Erfolg von gestern eine schöne Erfahrung, aber kein Garant für die nächste Vorstellung. Die eigene Kunst muss jeden Abend neu errungen, mit Inspiration und Leben erfüllt werden. Diese Einsicht kann auch etwas Tröstliches haben, weil man eine neue Chance bekommt, Dinge, die am Vorabend schiefgingen, heute besser zu machen. Ganz früher hat es Wochen oder Monate gedauert, bis eine Nachricht übermittelt wurde. Heute sind wir über die sozialen Medien in Echtzeit dabei, wenn etwas passiert. Was sind aus Ihrer Sicht Chancen und Risiken der Digitalisierung? Chancen liegen darin, dass sich die Meinungsvielfalt im öffentlichen Diskurs verbreitert hat. Dass vor allem online nicht mehr nur Journalisten publizieren, empfinde ich nicht als Bedrohung, sondern auch als einen sportlichen Wettstreit. Verändert es die Welt, wenn jeder in der Lage ist, ungefiltert weltweit Nachrichten zu verbreiten? Das ist die 1-Million-Dollar-Frage. Wäre ernstzunehmender Journalismus nicht mehr als nur eine Do-it-yourself-Beschäftigung, der jeder nachgehen kann, bräuchten wir keine Journalistenschulen, Hochschulstudiengänge und Volontariate. Der Beruf verlangt Voraussetzungen, die man wie ein Musikinstrument zu beherrschen lernen kann. Aber auch charakterliche Eigenschaften sind wichtig: Hobby und Liebhaberei von öffentlichen Angelegenheiten zu trennen, Nachricht von Meinung zu unterscheiden, verschiedene Sichtweisen einzuholen und objektiv nebeneinander zu stellen.

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Die Unmittelbarkeit von Erfahrungen, wie sie im Netz durch Amateure verbreitet werden, kann zum Problem werden, wenn die Nachrichtenüberbringer selbst Aktivisten und Beteiligte sind. Wir müssen uns dieser Entwicklung stellen und klarmachen, warum wir Profis ein überzeugenderes Angebot haben, indem wir keine Propagandisten sind. Noch immer gibt es den wohl abgewogenen Leserbrief. Aber durch die Digitalisierung ist die Rückmeldung der Leserinnen und Leser viel schneller und direkter geworden, auch lebendiger. In jedem Fall, aber auch anstrengender. Und beglückend ist der Dialog nicht immer – oft sogar erschreckend, wenn ich an viele Kommentare denke: Sie legen mitunter den ganzen Sumpf an Ressen­ti­ments in der Bevölkerung offen. Ich glaube, dass es schon immer Pöbler gegeben hat, doch die blieben in der Öffentlichkeit ungehört und machten ihrer Empörung vielleicht am Stammtisch in der Kneipe unter Freunden oder im Speakers’ Corner des Londoner Hyde Parks Luft. Heute erreichen genau diese Menschen im World Wide Web ein Millionenpublikum. Jeder kann zum Sender werden. Gänzlich unangenehm wird es, wenn dieser „Pool“ an Meinungsäußerungen biologisch umkippt. Viele Redaktionen beschäftigen eigens Mitarbeiter, die die justiziablen Teile der geposteten Kommen­ tare herausfiltern wie in einem Klärwerk. Relativiert sich der Wert einer Schlagzeile angesichts dieser Informationsflut? Ja und nein: Ich meine zu beobachten, dass es eine Renaissance der Relevanz gibt, eben weil die Welt immer vielstimmiger wird. In Anbetracht dessen finden es Leser, Hörer und Zuschauer gut, wenn es Fährmänner oder Lotsen gibt – also professionelle Journalistinnen und Journalisten, die sie durch diese Polyphonie der Darstellungen hindurchleiten. Wie erarbeitet und erhält sich ein Journalist das Vertrauen seines Publikums? Durch solides und seriöses Arbeiten, was auch bedeutet, sich nicht jeder Mode anzuschließen – und wissend, dass man nicht fehlerfrei ist. Aber wenn in der Summe der Eindruck entsteht, dass ein Journalismus seine Empfänger nicht tendenziös in eine Richtung lenken will, stellt sich Vertrauen ein.

Fotografie: Janine Bächle

Ist dieses Vertrauen messbar? Schwer: Anteilig sicher an Auflage und Einschaltquote, aber auch an persönlichen Reaktionen. Ich freue mich, wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach einem von uns veranstalteten Bürgergespräch sagen: „Sie haben mich zwar nicht argumentativ überzeugt, aber ich finde es prima, dass Sie einer großen Breite an Stimmen Raum gegeben haben.“ Es ist ja schon eine Qualität an sich, dass sich Menschen in einer Welt, in der so viele Informationen über Algorithmen entstehen, bewusst einer gegenteiligen Meinung aussetzen. Das Gespräch

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Genau das sorgt mich: Die Zahl derer, die dazu bereit sind, nimmt meiner Beobachtung nach ab. Ich fürchte, dass sich immer mehr Menschen wohlfühlen, wenn sie nur von ihresgleichen umgeben sind. Diese Isolationstendenz aufzubrechen, halte ich für eine große Herausforderung. Genau deshalb veranstalten Zeitungen Schulprojekte: um den jungen Menschen vor Augen zu führen, dass die Welt dort draußen größer ist als sie annehmen. Werden die digitalen Angebote die gedruckte Zeitung irgendwann komplett ablösen? Das glaube ich nicht, wenngleich offensichtlich ist, dass die Printabonnenten-Zahlen fast überall rückläufig sind. Meine These ist: Die Nutzungsformen werden sich noch stärker ausdifferenzieren. Aber es ist überhaupt noch kein Medium verschwunden, denn die Mediengeschichte ist bisher immer rein additiv verlaufen, das Bestehende hat sich lediglich angepasst. Das Kino ist ja auch nicht ausgestorben, weil es irgendwann das Fernsehen gab. Was haben Sie sich für Ihren gerade beginnenden Ruhestand vorgenommen? Jedenfalls nicht, dass ich das Berufsleben mit anderen Mitteln fortsetze. Ich versuche zunächst, alle Anfragen von außen freundlich zurückzustellen, um die neue Lebensphase auf mich wirken zu lassen. Ansonsten: Entschleunigen und die neue Perspektive auf das Leben genießen. Was heißt das für den, der ein Leben lang geschrieben hat? Zum Beispiel viel zu lesen, auch nicht-journalistische Texte: gern Belletristik, auch Krimis zur Entspannung, auch mal Lyrik. Es kann aber auch ein historisches Sachbuch sein oder eine Expertise über Weinbau. Ich bin gar nicht auf Autoren oder Genres festgelegt, im Gegenteil: Ich lasse mich von Buchrezensionen inspirieren. Und die morgendliche Lektüre der Zeitung, die nun Sie nicht mehr verantworten? Die bleibt unverzichtbar, für mich übrigens analog, also in gedruckter Form. Ich gehöre zu der Generation, die Gedrucktes konzentrierter und intensiver erfassen kann als über einen Bildschirm. Aber das ist Trainingssache und stellt sich bei der jüngeren Generation wahrscheinlich schon anders dar. Eine Zeitungslektüre mit Wehmut über zu Ende Gehendes? Nein: Hoffentlich mit der optimistischen Gelassenheit, mit der ich im Beruf gelernt habe, gut ausgesuchten Journalistinnen und Journalisten der jüngeren Generation die Zukunft anzuvertrauen. Und gesellschaftlicher Wandel hin oder her: Die Grundqualitäten des Journalismus sind zeitlos. Und da bleibe ich auch als Ruheständler begeisterungsfähig, sei es für hintergründige Reportagen oder kluge Kommentare - oder eine schlichte Nachricht, wenn sie gut geschrieben ist. Was heißt für Sie gut? Im Journalismus ganz einfach: präzise, prägnant und glaubhaft. erner D’Inka (65) ist Journalist. Er studierte Publizistik, W Politik und Geschichte an den Universitäten Mainz und Berlin, kam 1980 zur „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ – und blieb. Bis 1986 war er zunächst im Ressort „TeleF.A.Z.“ tätig, arbeitete als Redakteur auch an der ersten Nachrichtensendung im deutschen Privatfernsehen mit (1984). Nach seinem Wechsel zur gedruckten Zeitung wurde er 1991 deren Chef vom Dienst, 2005 folgte die Berufung ins Herausgebergremium der Zeitung. Seit Ende März 2020 ist er im Ruhestand.

Fotografie: Janine Bächle

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Das Deutschlandstipendium will beste Bedingungen im Studium schaffen. Stipendiaten profitieren, Förderinnen und Förderer engagieren sich. Warum?

Ehre trifft Ehrgeiz

Camilo Bornstein, Absolvent im Masterstudiengang Komposition

Aylin Günel, Lehramtsstudentin im Fach Musik Das Stipendium hilft mir, mich auf mein Studium zu konzentrie­ ren. Des Weiteren kann ich mich dabei auch noch in verschie­ denster Art und Weise außerhalb der Hochschule ehrenamtlich einsetzen und einbringen. Das Verwirklichen von verschiedenen künstlerischen und pädagogischen Projekten wird dadurch für mich realisierbar. All das erfüllt mich sehr und bereichert mich sowohl jetzt als auch langfristig. Dank dieser Förderung wird mir vieles ermöglicht! Die Familie Spindler habe ich als eine sehr nette, aufgeschlossene und unterstützende Familie kennen­ lernt, die mich mit ihrem Interesse und ihrem Engagement sehr beeindruckt!

Sabine Petersen-Spindler, Manfred Spindler Das Deutschlandstipendium ist aus mehreren Gründen eine gute Sache. Erstens verbindet es Generationen: Diejenigen, die dank einer guten Ausbildung ihr Berufsleben erfolgreich gestalten konnten, helfen jungen Studierenden bei ihrer Ausbildung. Zwei­ tens ist es ein gutes Modell einer „Public-Private-Partnership“. Und drittens macht es Freude, junge Studierende zu treffen, die sich durch besonderes Engagement auszeichnen. Unser Wunsch war es, insbesondere Studierende der Musikpädago­ gik zu fördern, denn ein guter Musikunterricht kann Kindern und Jugendlichen nicht nur enorme Impulse für ihre persönliche Entwicklung geben, sondern sie auch zu Kreativität und eige­ nen musikalischen Aktivitäten anregen. Wir haben Aylin Günel als eine sehr sympathische, über ihr Studium hinaus engagierte junge Frau kennengelernt, die aus Überzeugung Musiklehrerin werden will. Sie wird viele Kinder für Musik begeistern.

Als ich 2017 als Masterstudent an die HfMDK kam, habe ich mich sofort für ein Deutschlandstipendium beworben – es sollte mich finanziell entlasten, damit ich mich auf mein Studium konzentrieren kann. Dass mich die Förderung auch persönlich bereichern würde, war in dem Moment nicht vorauszusehen. Doch so war es: Mein Förderer hat mich sehr unterstützt, auch angespornt. Völlig unerwartet entwickelte sich daraus schließ­ lich eine Freundschaft, die mir bis heute sehr wichtig ist, über das Studium und das Stipendium hinaus. Der Austausch mit ihm darüber, wie ich als Komponist zeitgenössischer Musik Fuß fassen kann, hat mich ein großes Stück weitergebracht.

Richard Byer Das Geld, das ich jedes Jahr einzahle, verdoppelt sich durch die staatliche Förderung von selbst und kommt direkt den Studie­ renden zugute: Es gibt keine bessere Wertanlage, zumal ich aus meiner eigenen Studienzeit weiß, wie sinnvoll und bedeutsam eine solche Unterstützung für die Karriere ist. Das Stipendium ist vor allem eine Anerkennung, eine Auszeichnung für beson­ dere Leistungen, als Förderer knüpfe ich daran keine Erwartun­ gen und bleibe normalerweise im Hintergrund. Bislang war das nur ein Mal anders: mit Camilo Bornstein, den ich Ende 2017 kennenlernen konnte und bis 2019 als Stipendiat unterstützte. Er ist ein sehr talentierter Komponist und für mich mittlerweile auch ein guter Freund. DEUTSCHLANDSTIPENDIUM

An der HfMDK konnten zum Wintersemester 73 Deutschlandstipendien vergeben werden, so viele wie nie. Es ermöglicht leistungsstarken und engagierten Studierenden, sich intensiv ihrem Studium zu widmen und ihre Begabungen bestmöglich auszubilden. Es motiviert zu Spitzenleistungen, sorgt für attraktive Studienbedingungen. Stipendiaten werden monatlich mit 300 Euro unterstützt. Weitere Informationen: deutschlandstipendium@hfmdk-foerdern.de hfmdk-foerdern.de

HfMDK fördern

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Fotografie: Laura Brichta


Frankfurte im Takt 19-2

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Im Auftrag der freien Szene … Ein Tanzhaus! Frankfurt ist eine Stadt der Fülle – mit Defiziten: Ein Tanzhaus für die Freie Tanzszene ist zwar in der Diskussion, aber noch nicht in Sicht. TEXT: IDA KAUFMANN, LAURIN THOMAS Lange Zeit war Frankfurt eine führende Tanzstadt in Deutsch­ land – bis Schließungen und Etatkürzungen die Situation völlig veränderten. Dass sich bei der Anhörung „Tanz in Frankfurt“ des Kultur- und Freizeitausschusses der Stadt im Juni 2019 alle einig waren, hat deshalb niemand verwundert: Die Anhörung endete mit dem Fazit, dass in Frankfurt für Tanz keine institutio­ nelle Verankerung (mehr) vorhanden ist. Im Anschluss daran haben wir für unsere Bachelorarbeit das Thema noch einmal genauer untersucht, wir haben nach Chancen gefragt, Modelle erkundet und Defizite analysiert, die sich aus der aktuellen Lage für die Freie Tanzszene der Stadt ergeben. Zum Beispiel: Das „Z – Zentrum für Proben und For­ schung“, eine Initiative des Vereins ID_Frankfurt, bietet zwar Räumlichkeiten, jedoch sind diese nach Aussage des Vereins so überlastet, dass Künstlergruppen oft gezwungen sind, Pro­ beräume noch vor der Förderzusage fest zu buchen. Genauso fehlt vielen eine Spielstätte, an der sie beheimatet sind oder die gegenüber freien Gruppen Offenheit deutlich zeigt. So muss für jede Produktion ein neuer, passender Aufführungsort ge­ sucht werden. Außerdem: Ein neuer Raum erfordert oft beson­ ders intensive Öffentlichkeitsarbeit, um dem eigenen Projekt die nötige Sichtbarkeit in einem bestehenden Programm zu gewährleisten. Dabei sind diese Extraaufgaben weder Teil der künstlerischen Arbeit noch finanziell gedeckt. Notwendig wäre

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aus unserer Sicht deshalb auch eine Anlaufstelle für die Ver­ mittlung – in Form eines Tanzbüros, das die Vernetzung und Informationsweitergabe übernimmt, das für die Freien da sein und für das tanzinteressierte Publikum der Stadt ein Gesamt­ programm erstellen könnte. Ein Tanzhaus sollte diese und weitere Defizite angehen, und der Freien Szene die Möglichkeit bieten, alle Aspekte des Tanzes unterstützt wahrzunehmen. Tanzhäuser in anderen Städten, wie Düsseldorf, Essen oder Hamburg, schaffen es auch – sie haben seit Jahren positiven Einfluss auf die Tanzlandschaft. Als wichtige Stützpfeiler gelten hier: ein kontinuierliches Trai­ ning als Weiterbildungsmöglichkeit, ein Freiraum für künstleri­ sche Prozesse und den Austausch mit anderen, Möglichkeiten für die Präsentation der Arbeiten sowie ein Archiv für Grund­ lagenforschung und Diskurse. Erst wenn sich auf diese Art und Weise eine freie, autonome und doch strukturell unterstützte Arbeitsweise herausbildet, können sich die Kunstformen Tanz und Choreographie in grö­ ßerem Maßstab weiterentwickeln, vorausgesetzt es existiert eine starke Tanzszene, die durch angemessene Förderung und nachhaltig unterstützte dezentrale Strukturen gesichert wird. Da muss, will Frankfurt erst wieder hin – aktuell werden in der Freien Szene und der Politik verschiedene Modelle für ein Auf­ führungs- und Produktionshaus diskutiert. Ein Tanzhaus wäre in jedem Fall ein Gewinn für die Stadt: Ein solches Umfeld wür­ de es für Künstlerinnen und Künstler attraktiv machen, sich hier vor Ort zu verankern und mit der Stadt assoziiert zu werden.

I da Kaufmann und Laurin Thomas haben an der HfMDK klassischen und zeitgenössischen Tanz studiert und beschäftigten sich in ihrer 2020 gemeinsam verfassten Bachelorarbeit mit der Frage: Braucht die Freie Szene in Frankfurt ein Tanzhaus? Künstlerisch sind sie zu zweit ebenfalls aktiv – als „Co-Op Dance Company“.


Die Netzwerkerin

Fotografie: Co-Op Dance Company (links); privat (rechts)

Lebenswege der HfMDKAlumni, Folge 12: Lena Krause, Geschäftsführerin von FREO – Freie Ensembles und Orchester in Deutschland e.V. Was wäre, wenn freie Ensembles und Orchester sich zusam­ menschließen würden, wenn sie ihre häufig prekären Arbeits­ bedingungen gemeinsam zum Thema machen, verändern, verbessern würden? Bis vor kurzem war das tatsächlich noch eine Frage – bis FREO kam, der Verein „Freie Ensembles und Orchester in Deutschland“. Zum ersten Mal in der Geschichte der freien Musikszene hatten sich Leute gefunden, die ein Netz­ werk für unternehmerisch organisierte freie Klangkörper und deren Mitglieder aufbauen wollten, einen Verein, eine Interes­ senvertretung. Darunter: Lena Krause, Absolventin der HfMDK im Fach Theater- und Orchestermanagement. Zusammen mit den späteren Vorständen bereitete sie ab 2016 ehrenamtlich zunächst die Vereinsgründung vor, da war sie noch Managerin, Produktions- und Büroleiterin beim ensemble mosaik in Berlin. Zwei Jahre später, als der Verein dann offiziell loslegen konnte, übernahm sie auf Wunsch des Vorstands schließlich die Ge­ schäftsführung – und findet, beruflich hätte sie es gar nicht bes­ ser treffen können. Interessenvertretung, das sei genau ihr Ding. „Es ist toll zu sehen, wie die Netzwerkidee jetzt ihren Weg geht, und wie schnell und positiv auch die Politik reagiert.“ Zum Bei­ spiel das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen: Als das Ministerium im vergangenen Jahr einen neuen Kulturförderplan aufsetzte, konnte auch FREO eine Stellungnahme einreichen, ganz selbstverständlich. Bundesweit gibt es hunderte freier Ensembles und Orchester, 22 von ihnen sind bereits Mitglied bei FREO – alle anderen sollen es noch werden, im Idealfall. Bei öffentlichen Förder­anträgen, bei Steuerthemen oder der Altersvorsorge, beim Marketing und auch sonst: Überall da, wo freie Klangkörper im Alltag Rat brauchen, will FREO unterstützen. Lena Krause, 31 und einzige Mitarbeiterin des Vereins, hält dabei die Fäden in der Hand: Sie plant mit strategischem Weitblick und leichter Hand, organisiert und strukturiert, hält Kontakt zum Vorstand, zu den Medien und zur Politik, informiert die Mitglieder und leistet Überzeugungsarbeit bei allen Freien, die noch unschlüssig sind. Dass ihr für dieses Pensum laut Arbeitsvertrag gerade einmal zehn Stunden pro Woche bleiben, ist sowohl für sie persönlich als auch für FREO eine große Herausforderung: Sie habe aber längst gelernt, ihre Zeit bestmöglich zu nutzen: „Professionalität ist nicht bloß der Maßstab für den Verein, sondern immer auch für mich selbst, auch beim Zeitmanagement. Langfristig ist es aber notwendig, die Personalsituation beim FREO e.V. zu ver­ bessern.“ So erklärt sich auch ihre derzeit etwas ungewöhnliche berufliche Situation: Im Februar 2018 hat sie sich dafür entschie­ den, ihren beruflichen Schwerpunkt in den politischen Bereich zu legen, arbeitet heute sowohl für FREO als auch für den Bundes­ tagsabgeordneten Ottmar von Holtz (Bündnis 90/Die Grünen), engagiert sich ehrenamtlich für die Grünen in Braunschweig, wo sie auch wohnt, denkt sogar über eine Kandidatur für ein poli­ tisches Mandat nach – und will sich, sobald es ihr Terminplan

HfMDK-Alumni

zulässt, auch wieder intensiver ihrer Promotion an der Goethe-Uni in Frankfurt widmen. Das Forschungsthema, für das sich die lebensfrohe und dynamische Kunstmanagerin entschieden hat, war ihr schon immer eine Herzensangelegenheit: die Arbeitssituation freier Ensembles und Orchester.

Die Initiative Freie Ensembles und Orchester in Deutschland e.V. – kurz FREO e.V. – ist die neue Interessenvertretung freier Ensembles und Orchester in Deutschland. Der Verein setzt sich seit Ende 2018 für bessere Arbeitsbedingungen in der freien Musikszene ein, thematisiert Lücken in der Förderpolitik genauso wie rechtliche Fragen (u.a. Steuerrecht, soziale Vorsorge) und möchte über die spezifischen Strukturen freier Klangkörper aufklären.

↘ Vorstand: Tobias Rempe (Ensemble Resonanz; Vorsitz), Alexander Hollensteiner (Kammerakademie Potsdam), Andreas Bräunig (Freiburger Barockorchester), Sarah Heemann (Electronic ID)

↘ Geschäftsführung: Lena Krause ↘ freo.online

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Frank-Ullrich Rittwagen hat ein Streichquartett für die Studierenden der HfMDK gebaut. Es ist seit langem der wertvollste Instrumentensatz, den Freunde und Förderer der Hochschule als Leihgabe überlassen. Hanna Ponkala, die als erste eine der in seiner Werkstatt entstandenen Geigen spielen kann, hat mit ihm gesprochen – über seine Liebe zum Handwerk, seine analoge Zukunft und warum Instrumentenbauer wie ihn mit Musikerinnen und Musikern so viel verbindet. INTERVIEW: HANNA PONKALA

„Das ist kein Spaziergang“ Lieber Herr Rittwagen, ich freue mich sehr, dass ich Ihre wunderbare Geige „Emilia“ spielen darf. Wie kreiert man aus ein paar Stücken Holz einen solchen Klangkörper? Wenn ich an die Werkzeuge und Vielfalt der Materialien denke, die Instrumentenbauer in anderen Bereichen einsetzen müssen, kommt der Neubau von Geigen tatsächlich vergleichsweise bescheiden daher. Der Aufwand liegt im Prozess selbst und auch darin, all die Dinge zu lernen, die einem niemand zeigt. Im Prinzip läuft es so, dass man sich zunächst für ein bestimmtes Modell entscheidet, die Schablonen und die Innenform macht. Viele Handgriffe später folgt dann die Klangeinstellung – einer der aufregendsten Momente. Welches Holz verwenden Sie? Ganz traditionell verwende ich Alpenfichte für die Decke und Ahorn für alle anderen Teile. Haben Sie bestimmte Klangvorstellungen, die Ihnen an einem Streichinstrument wichtig sind? Natürlich! Das Instrument muss eine große Tragfähigkeit haben und darf auch im Pianissimo nicht dünn klingen – dies in Kombination mit einem großen Farbenreichtum, Lautstärke, ohne dass es schreit.

Am häufigsten baue ich im Moment Violinen. Außerdem versuche ich, jedes Jahr mindestens ein Cello herzu­stellen. Das mit den Aufträgen scheint mehr zu werden – meist will man aber das Instrument direkt auf dem Tisch liegen haben. Bratschen baue ich nur noch im Auftrag, weil hier die Varianten an Größe und Mensur stimmen müssen. Nutzen Sie immer ein bestimmtes Modell als Basis für Ihre Instrumente?

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Aus der Hochschule

Fotografie: Janine Bächle

Welche Streichinstrumente bauen Sie am häufigsten? Bauen Sie vor allem im Auftrag?


Mit der Zeit habe ich mich auf bestimmte Modelle eingeschwungen, die ich mag und gut kenne. Für Violine nutze ich das Modell der Huberman Stradivari, für Cello das Strad-Mara-Modell. Für das Frankfurter Quartett habe ich die Form der Gibsonviola etwas abgewandelt, das Original war mir im Ton zu „geigig“, aber die Größe ist perfekt. Die werde ich sicher noch öfter bauen. Gibt es Momente, die besonders kritisch sind? Nach ungefähr drei Monaten kann man zum ersten Mal den Klang testen. Manchmal ist ein Instrument sofort auf dem Punkt, manchmal nimmt die Klangeinstellung jedoch auch viel Zeit in Anspruch. Alles andere ist tagesformabhängig. Sie haben Ihre Ausbildung in Südwales gemacht. Bestehen große Unterschiede zwischen einzelnen Ländern darin, wie man heute Instrumente baut? Ja, im Zuge der Globalisierung gleicht sich aber vieles so langsam an. Für meine Ausbildung in Wales bin ich heute noch dankbar. Wir bekamen viele Anregungen aus der Werkstatt von Charles Beare in London und anderen. Es war nicht engstirnig oder stereotyp. Man musste sehr erwachsen sein, um etwas daraus zu machen. Das war ich allerdings leider noch nicht. Dennoch habe ich viel profitiert, auch persönlich. Ändert sich durch die Digitalisierung jetzt etwas für Sie? Eine interessante Frage – besonders, wenn es um Musik geht! Also ja?

Hanna Ponkala mit der Geige von Frank-Ullrich Rittwagen

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Die Digitalisierung hat für uns alle viel geändert. Es gibt Kollegen, die ihre Wölbungen schon zuhause mit kleinen CNC-Fräsen machen. Ich bin kein Digital Native und finde, die Digitalisierung hat kaum einen echten Fortschritt gebracht. Die vielen Kanäle der Kommunikation, die Beliebigkeit von Musik, die Flut von Gadgets gehen mir auf den Wecker. So viel scheint möglich – und doch sind wir immer noch, wer wir sind. Als die CD aufkam, habe ich unwillkürlich fast aufgehört, zum Genuss Musik zu hören. Um Stücke zu lernen, ist dieses Medium sehr praktisch, aber der Klang selbst ist für mich uninteressant. Ich nehme ihn als unphysisch wahr. Wie meinen Sie das? Eine interessante Erfahrung war für mich ein Konzert in Berlin. Ein japanisches Orchester begleitete Vadim Repin. Man konnte deutlich hören, dass diese fantastischen Spieler ihr Klangempfinden von der CD aufgesaugt hatten. Die Ästhetik, wie man mit Klang umgeht – das überträgt sich automatisch darauf, wie man spielt. Das war enttäuschend. Ich glaube, dass das viele schon begriffen haben und eine Rückbesinnung begonnen hat. Für mich im Geigenbau: Da sehe ich nach einer „Saure-Gurken-Zeit“ wieder viele junge Kollegen, deren Arbeiten mich sehr begeistern. Das ist ermutigend. Alles Mögliche wird heute schon individuell per 3D-Drucker hergestellt. Würde es Sie reizen, die Technologie auch für den Instrumentenbau einzusetzen? Nein, das reizt mich überhaupt nicht. Dass dieser Beruf immer noch im Wesentlichen so funktioniert wie vor dreihundert Jahren, ist ja gerade das Schöne daran – es ist eine privilegierte Art zu arbeiten. Die Vorteile und Möglichkeiten aus den neuen Techniken herauszusortieren, überlasse ich der nächsten Generation. Ich selbst bin froh, wenn ich die alten, vorindustriellen, aufwendigen Techniken wieder erschließe. Was macht ein Instrumentenbauer, um auch in Zukunft erfolgreich zu sein? Man muss versuchen, mit den raketenhaft angestiegenen Standards mitzuhalten. Wirtschaftlich ist es derzeit eher so: Ich schätze, es gibt etwa dreihundert Geigenbauer in Deutschland – und jeder der sagt, sich auf dem freien Markt zu behaupten sei ein Spaziergang, sagt nicht die Wahrheit! Zumal, wenn man ohne finanzielle Substanz aus der Familie oder dergleichen startet. Wer ein konstantes Einkommen, Urlaub, Rente und so weiter will, sollte besser etwas anderes machen. Das ist genau wie bei Musikerinnen und Musikern: Sein Fach gut oder sogar brilliant auszuüben heißt nicht, dass man das auch geschäftlich schafft – das sind zwei verschiedene Dinge. Eine abschließende Frage, die mich persönlich sehr interessiert. Geben Sie allen Instrumenten, die Sie bauen, Namen? Was steckt hinter den Namen? Nach über zweihundert Instrumenten hilft mir das mit den Namen, sie später noch zuordnen zu können. Ich baue aufwendiger und weniger als früher – die Instrumente begleiten mich also länger, sind nicht nur eine Nummer. Hanna Ponkala studiert Streicherkammermusik in der Klasse von Prof. Tim Vogler. Frank-Ullrich Rittwagen ist Geigenbaumeister, seine Werkstatt liegt in Aub in Unterfranken. Fotografie: Hansjörg Rindsberg

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„Dass dieser Beruf immer noch im Wesentlichen so funktioniert wie vor dreihundert Jahren, ist ja gerade das Schöne daran – es ist eine privilegierte Art zu arbeiten“ 60

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Instrumente für den Erfolg Freunde und Förderer ermöglichen der HfMDK den Verleih wertvoller und hochwertiger Instrumente. Für die Hochschule sind sie eine attraktive Möglichkeit, einzelne, besonders begabte Studierende zusätzlich zu unterstützen.

→ Ein Streichquartett  Es besteht

aus zwei Geigen, einer Bratsche und einem Cello aus der Werkstatt von Frank-Ulrich Rittwagen (Aub, siehe Interview). Die Instrumente wurden von ihm in den vergangenen Monaten für die Studierenden der HfMDK neu gebaut. Das Ehepaar Dr. Alin Adomeit und Michael Hauger hat den hochwertigen Instrumentensatz erworben und stellt ihn der HfMDK als Dauerleihgabe zur Verfügung. Sie freuen sich insbesondere über die „emotionale Rendite“ ihrer Investition, mit der sie die künstlerische Ausbildung im Bereich Streicherkammermusik fördern. Mit dem Satz von Meisterinstrumenten gewinnt die HfMDK für junge Musikerinnen und Musiker zusätzliche Attraktivität. Fortgeschrittene Studierende können hier eine einzigartige Basis für ihre Ausbildung erhalten.

→ Zwei Meistergeigen  Ende 2019 konnten sie nach einem Auswahlvorspiel erstmalig als Leihgaben an Studierende vergeben werden: Cord Koss (Klasse Prof. Sophia Jaffe) spielt derzeit die Violine von Geigenbaumeister Thomas van der Heyd (Frankfurt), Carolin Grün (Klasse Prof. Susanne Stoodt) die Violine von Ioannis Apostolou (Brescia). Finanziert wurden die Geigen von Dr. Clemens Börsig, Dr. Thomas Bücker und der DZ BANK Kulturstiftung.

→ Ein Cembalo  Mit den Weihnachtsspenden 2018 konnte die GFF ein hervorragendes zweimanualiges, von Matthias Kramer (2009) gebautes Cembalo für die Hochschule erwerben. „Dadurch ist es nun möglich, dass Studierende, die selbst noch kein oder kein so hochwertiges Instrument besitzen, für wichtige eigene Projekte außerhalb der Hochschule ein sehr gutes Cembalo ausleihen können“, erklärt

Prof. Eva Maria Pollerus, Professorin für Cembalo / Generalbass und Kammer­musik sowie Ausbildungsdirektorin des Instituts für Historische Interpretationspraxis (HIP). Das nach einem Vorbild des Hamburger Cembalobauers Christian Zell (1728) konzipierte Instrument soll 2020 in einem Sonderkonzert vorgestellt werden.

Spendenkonto der GFF Deutsche Bank DE68 5007 0024 0806 5070 00 DEUTDEDBFRA

Weitere Informationen: Dr. Laila Weigand, 069 154 007-210 gff@hfdmk-foerdern.de hfmdk-foerdern.de

Professor Erik Schumann und die beiden Professorinnen Sophia Jaffé (Mitte) und Susanne Stoodt bei der Auswahl der Meistergeigen

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Zeit fßr ein paar Ausrufezeichen: Drei Professoren nehmen Abschied von der HfMDK, von ihrem Berufsleben – nach Jahrzehnten voller Arbeit und Erfolge.

Danke! Danke! Danke! 62

Aus der Hochschule


Werner Jank TEXT: MATTHIAS GOEBEL UND KATHARINA SCHILLING-SANDVOSS „Werner Superstar! Werner, alles klar! Werner, wunderbar!“– so klang es am 14. Februar 2020 bei Prof. Dr. Werner Janks Abschiedsvorlesung durch den Kleinen Saal. Sabine Fischmann hatte im Vorfeld bei Studierenden und Kolleginnen und Kollegen nachgefragt, was sie mit Werner Jank verbinden. Entstanden ist ein Songtext, vorgetragen vom Vokalensemble „Et Hepera“ zur Melodie von Camila Cabellos „Havanna“, der auf humor- und liebevolle Art und Weise Werner Janks Wirken an der HfMDK in den vergangenen elf Jahren in den Mittelpunkt rückte. „Wunderbar“ – so lassen sich auch die Abschiedsfeier­ lichkeiten gut beschreiben. Bei der Abschiedsvorlesung nahm Werner Jank Aspekte der musikalischen Praxis im Musikunterricht in den Blick. Am Tag darauf folgte ein Symposion zum Thema „Musikunterricht und Musiklehrerinnen- und -lehrerbildung im gesellschaftlichen Umfeld“ mit Vorträgen von Hilbert Meyer, Thomas Ott, Hermann J. Kaiser und vielen weiteren Kollegin­ nen und Kollegen des Gefeierten. Die inhaltliche Breite und Viel­ falt der beiden Tage spiegeln das umfangreiche Wirken Werner Janks wider, sei es im Bereich der allgemeinen Didaktik oder der Musikdidaktik. Mit dem gemeinsam mit Hilbert Meyer verfass­ ten und aktuell in der 13. Auflage erschienenen Buch „Didak­ tische Modelle“ und den sieben Auflagen seiner „Musik-Didaktik“ hat Werner Jank Schriften verfasst, die zur Standardliteratur in der Lehrerbildung gehören. Nach Stationen als Hochschullehrer an den Universitäten Oldenburg, Hamburg, Gießen, Freiburg und Linz und als Professor für Musikpädagogik in Mannheim kam Werner Jank 2009 an die HfMDK. Die Reform der Lehrerbildung war eines sei­ ner Hauptanliegen als Ausbildungsdirektor der Lehramtsstudi­ engänge. Die Orientierung am Berufsfeld, die Vernetzung der einzelnen Fächer, die Möglichkeit einer individuellen Schwer­ punktbildung und die Berücksichtigung der Vielfalt musikali­ scher Stile und Genres sind als Impulse in die Neugestaltung der Lehramtsstudiengänge eingeflossen. In Frankfurt hat er auch das Konzept des Aufbauenden Musik­unterrichts weiterentwickelt und veröffentlicht, auf des­ sen Grundlage das Programm „Primacanta“ entstanden ist. Jedes Kind durch musikalisches Handeln und aktives Erleben von Musik, vor allem durch das Entdecken der Stimme, umfassend musikalisch zu bilden, ist das Ziel dieses Konzepts, das Werner Jank als Pädagogischer Leiter nicht nur in Hessen richtungs­ weisend verankert hat. Werner Jank tritt nun in den Ruhestand. Der Hochschule bleibt er dennoch verbunden: Im Sommersemester wird er im Rahmen eines Lehrauftrags weiter an der HfMDK unterrichten.

Fotografie: Rebecca Hahn

Adieu

rof. Dr. Katharina Schilling-Sandvoß arbeitet als P Professorin für Musikpädagogik an der HfMDK, als Stellvertretende Ausbildungsdirektorin für die Lehramtsstudiengänge und Dekanin des Fachbereichs 2. Matthias Goebel ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich 2 (Lehrämter, Wissenschaft und Komposition).

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Karl Kaiser TEXT: MICHAEL SCHNEIDER Lieber Karl, jetzt ist es etwas mehr als ein Jahr her, dass Du zu meinem Abschied als hauptamtlicher Hochschullehrer eine so wunderbare und persönlich bewegende Rede gehalten hast, in der Du auch unser beider lange freundschaftliche und künst­ lerische Partnerschaft beleuchtet hast: u.a. die Studienzeit in den 1970ern an der Kölner Musikhochschule, die langjähri­ gen Tätigkeiten in unseren Ensembles CAMERATA KÖLN und La Stagione Frankfurt mit unzähligen Konzert- und Aufnah­ meaktivitäten. Jetzt ist bei Dir dieser Moment gekommen; and of course: now its my turn – wenn hier auch nur in ganz kleinem Rahmen. Welch ein Glück hatte ich doch als Abteilungsdirektor, dass ich Dich auch als Kollegen für unser Institut für Historische Inter­pretationspraxis (HIP) gewinnen konnte, zunächst ab den späten 1980ern im Lehrauftrag und dann ab 2000 als Professor! Wenn wir heute eine Abteilung hinterlassen, die gut funktio­ niert, in der man gerne studiert und in der ein stets sachbezo­ gener guter Geist herrscht, dann ist das zu einem ganz großen Teil Dein Verdienst. Ich sage es mal ganz salopp: Einen Lehrer wie dich zu haben ist wie ein Sechser im Lotto! Wie Du es immer schaffst, inner­ halb der kümmerlichen vier Semester unseres HIPMaster­studienganges die Studierenden gleichsam zu neuen Menschen zu machen, grenzt für mich immer an ein Wunder. Nicht nur, dass sie in kürzester Zeit neue Instrumente lernen, darauf Technik und einen vernünftigen und flexiblen Ton ent­ wickeln, ein riesiges neues Repertoire erarbeiten – zusätzlich bedeutet es ja eine zumeist völlig neue quellengestützte Heran­ gehensweise an fast alle Aspekte des Musikmachens. Es ist ganz wesentlich auch das Ethos, das Du vermittelst, die Achtung vor den Komponisten und ihren Werken. Du bist halt nicht nur Pragmatiker, sondern hast als ausgebildeter Schulmusiker (zunächst mit Hauptfach Klavier!), als Organist und auch durch Dein musikwissenschaftliches und theologi­ sches Studium, und nicht zuletzt durch Deine umfassende all­ gemeine Bildung einen ganz breiten Horizont, der Dein Profil als Instrumentallehrer prägt. Dein Büchlein „Basiswissen Barockmusik“ im Verlag ConBrio ist ein echter Klassiker geworden, wird an etlichen anderen Hochschulen als Pflichtlektüre betrachtet. Deine Neuüberset­ zung von J.M. Hotteterres „Principes de la flûte“, erarbeitet im Rahmen unseres Instituts und im Verbund mit Vorträgen Kon­ zerten und CD-Produktion, ist ein Meilenstein künstlerischer Forschung. Jetzt arbeitest du an Flötenschulen der Klassik und frühen Romantik.

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Aus der Hochschule

Es hat sich in der ganzen Welt herum gesprochen, dass es ein Privileg ist, bei Dir studieren zu dürfen. Die Studierenden war­ ten geduldig über Jahre auf einen freien Platz in Deiner Klasse. Du hast vielleicht die internationalste aller Klassen am Hause. Ob aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Frank­ reich, Peru, Russland, der Ukraine, China, Japan: Von überall her kommen sie nach Frankfurt. Der taiwanesische Querflö­ tist zum Beispiel, der in seiner Heimat durch Zufall eine Deiner (beziehungsweise unserer) CDs gehört hatte – und sofort be­ schloss, bei dir Traversflöte studieren zu wollen. Nach müh­ samen Recherchen und einem Turbo-Deutschstudium stand er vor Deiner Tür. Oder die Flötistin aus Tallinn, die sich zwei Jahre lang hat beurlauben lassen, um bei Dir zu studieren. Da sie ein Jahr lang auf einen freien Platz warten musste, konnte sie nur die Hälfte des Studiums wahrnehmen. Ich sehe noch ihre Tränen beim Abschied! Mit Deiner hoffentlich bald erfolgenden Nachfolge sind ein paar ganz „große Schuhe“ zu füllen! Wir alle, Kolleginnen und Kollegen, aber vor allem die Studierenden sind Dir jedenfalls zu tiefem Dank verpflichtet!

rof. Michael Schneider war bis zum Sommersemester P 2019 Professor für Alte Musik und Blockflöte an der HfMDK.


Bernhard Wetz

Fotografie: Sven Chichovicz (links), Kare (rechts)

TEXT: AXEL GREMMELSPACHER Zum Ende des vergangenen Wintersemesters ging mit Prof. Bernhard Wetz nicht nur ein Hochschullehrer in den Ruhestand, sondern auch eine äußerst facettenreiche, geradezu schillernde Hochschulkarriere zu Ende. In eine musikalisch-musikantisch geprägte Familie geboren, fand Bernhard Wetz schnell zur Orgel, zum Spiel nach Gehör, zur Improvisation und war bald mit großer Begeisterung für die Beatles und die Rolling Stones als Keyboarder in Clubs unter­ wegs. Ende der 1960er Jahre kam der entscheidende Tag, an dem er Radu Lupu mit dem ersten Brahms-Konzert hörte: Wetz war damit für die Musik dieses Komponisten entflammt, schwor der Pop-Musik ab und widmete sich ab 1974 mit gro­ ßem Elan seiner „ernsten“ pianistischen Ausbildung an der HfMDK. Nicht sehr lange dauerte es, bis der junge, ambitio­ nierte Student der Klasse Prof. Joachim Volkmann die Seite wechselte und zum Hochschuldozent wurde – als musikalischer Allrounder für Klavier, Tonsatz und Gehörbildung. 1984 folgte der nächste große Schritt mit der Berufung ins Professorenamt durch den damaligen Rektor Hans-Dieter Resch. Von nun an galt Bernhard Wetz‘ fachliche Leidenschaft der Ausbildung des pianistischen und klavierpädagogischen Nach­ wuchses, der Analyse und Ausdeutung musikalischer Texte und ihrer klanglich-sprechenden Realisation. Akribisch ging er den Zusammenhängen zwischen Physiologie, Instrumentenbau und Klangerzeugung nach, geleitet von der Suche nach Sinnlichkeit und Sinnhaftigkeit im Ausdruck, mit Freude am Überraschen­ den, Unvorhersagbaren, mit der Lust, Grenzen auszuloten und gelegentlich mit Verve zu sprengen. Und während Brahms dabei stets als Fixstern am musikalischen Firmament leuchtete, kehrte allmählich ein anderer „Himmelskörper“ an den Horizont zu­ rück: Wetz machte sich daran, die Songs der Beatles in virtuose, raffinierte Arrangements für Klavierduo zu übersetzen, die er inzwischen dutzendfach in unterschiedlichen Konstellationen aufgeführt hat, auch gänzlich ortsungebunden, mit E-Pianos im Schlepptau seines favorisierten Fortbewegungsmittels: des Wohnmobils.

Adieu

Den hochschulpolitischen Höhepunkt erreichte seine Lauf­ bahn, als er 1995 zum Präsidenten der HfMDK gewählt wurde. Zunehmend in den Fokus seiner Hochschullehre kamen Metho­ dik und Didaktik: Bernhard Wetz trieb die Entwicklung der In­ strumentalpädagogik an der HfMDK und deren Vernetzung in Hessen intensiv voran. Zuletzt war er maßgeblich an der Ent­ wicklung des Studiengangs Master Instrumentalpädagogik beteiligt, vertiefte die theoretischen Aspekte seiner Arbeit und baute den Austausch und die Kooperation mit namhaften Ex­ perten der Musikermedizin aus. Bernhard Wetz‘ Karriere als Pianist und Hochschullehrer war ebenso vielseitig und wechselvoll, wie sein Wesen von Spontanität, Freude am Überraschenden, an der „Eruption“ (ein Lieblingsterminus!) erfüllt ist. Als zentrierende Konstante auf seinem Weg dabei: Frankfurt und die HfMDK. In seiner Person: Warmherzigkeit, Geselligkeit und Sinnenfreude – und stets ein offenes Ohr für die Anliegen der Studierenden. Ein wunderbares Abschiedsgeschenk machte er und Studie­ rende seiner Klasse uns allen, als an drei Abenden im Dezember 2019 beinahe das gesamte Klavierwerk Johannes Brahms’ erklang. Bernhard Wetz beeindruckte mit einer wunderbar spre­ chenden, beseelten, kraftvoll und zugleich feinsinnig durch­ gestalteten Aufführung der dritten Klaviersonate. Unser großer Dank gilt seinem prägenden Einsatz für die pia­nistische Ausbildung, für die Instrumentalpädagogik, für seine Studierenden und für die HfMDK in all den unterschiedlichen Rollen und Funktionen, die er eingenommen hat. Wir wünschen ihm einen produktiven und erfüllenden (Un-)Ruhestand, gute Gesundheit und viel Erfolg für alle kommenden Projekte!

rof. Axel Gremmelspacher ist Vizepräsident P für Studienservice und Nachwuchsförderung an der HfMDK und Professor für Klavier.

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Gloria Erfolge unserer Studierenden – eine Auswahl

5 Fragen an: Carmen Artaza, MendelssohnPreis 2020

Die Mezzosopranistin (Klasse Prof. Michelle Breedt) hat den mit 4.000 Euro dotierten Ersten Preis des Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerbs im Fach Gesang gewonnen.

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Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Ihr Mittel gegen Lampenfieber?

Die Anerkennung zeigt mir, dass meine Arbeit Früchte trägt, die Menschen mir zuhören und sich berühren lassen. Ich bin sehr glücklich darüber!

Mich auf den Auftritt freuen und den Kopf, meine Gedanken, im Griff behalten. Lampenfieber kommt ja von einem selbst, es sollte mir nicht im Wege sein.

Wer hat zuerst gratuliert? Die Jury-Mitglieder, noch oben auf der Bühne. Direkt danach dann mein Pianist, etwas später, am Telefon, meine Familie und meine Lehrerin. Mit welchem Stück haben Sie überzeugt? Ich denke, dass die Arie aus „Romeo und Julia“ von Charles Gounod besonders gut ankam. Sie ist anspruchsvoll, weil sie viele kleine, ganz unterschiedliche Abschnitte beinhaltet. Man muss schnell von einer heiteren und hohen Koloratur in eine tiefere Legato-Linie umschalten – und so geht es immer weiter. Ich mag das Stück sehr gerne, da es mir in den fünf Minuten, die es dauert, ganz viele Herausforderungen bietet. Außerdem empfinde ich den „Stephano“, das ist die Figur, die diese Arie singt, als eine sehr lustige Rolle. Da ist man, bin ich, gleich gut gelaunt.

Auf der Bühne zu stehen... Ist für mich jedes Mal ein Erlebnis, ein Abenteuer. Von Tag zu Tag spüre ich etwas Neues – das macht es spannend: Es ist nie gleich.

Glanz Aus der Hochschule


Publikation Wie lerne ich hören, wozu und warum? Sparkling Ears präsentierte sich als Reak­­­tion auf die geänderten Hörgewohnheiten vieler Jugendlicher und Erwachsener, als Pilotprojekt beim XVI. Internationalen Kongress der Gesellschaft für Musikfor­ schung 2016 in Mainz. Die zentralen Fra­ gestellungen „Wie lerne ich hören, wozu und warum?“ oder „Unter welchen Be­ dingungen ist welche Art von Musik für welches Hören welcher Menschen in wel­ cher Hinsicht relevant?“ stehen im Fokus unterschiedlicher Disziplinen der Mu­ sikvermittlung. Im Projekt richteten sich die Fragestellungen und die Entwicklung alternativer Perspektiven an Musikwis­ senschaftlerinnen und Musikwissen­ schaftler, an Musikpädagoginnen und -didaktiker, an Lehrende, Studierende, Schülerinnen und Schüler unterschied­ lichster Institutionen. Aus der HfMDK sind an der Publikation neben den Herausge­ berinnen auch Prof. Dr. Sarah-Lisa Beier, Prof. Ernst August Klötzke, Postdokto­ randinnen und Postdoktoranden, Pro­ moventinnen und Promoventen beteiligt. Ute Jung-Kaiser, Katharina SchillingSandvoß (Hrsg.): Wie lerne ich zu hören, wozu und warum? Zur Erprobungsphase des Forschungsprojekts Sparkling Ears. Schott Campus 2019

& Erfolge

SCHAUSPIEL, REGIE

→ Der Film „Die Rüden“ von GrimmePreisträgerin Connie Walther wurde bei den 53. Internationalen Hofer Filmtagen uraufgeführt. Marcel Andrée (4. Jahrgang Schauspiel) spielte darin einen der vier jugendlichen Straftäter.

→ Anna Bardavelidze ist die neue Stipendiatin der Volkstheater Frankfurt – Liesel Christ, Liesel und Gisela Christ-Stiftung.

→ Dennis Dusczak wird in „La Chemie Lacoste“ von Anne Pepper und Sahar Rezaei den „Faust II“ am Stadttheater Dortmund inszenieren.

Maxime Mourot zeigt mit Bonn Parks „Das Knurren der Milchstrasse“ am Staatstheater Saarbrücken seinen „Theaterabend“.

→ Andreas Weinmann inszeniert

„Schimmerndes Wasser“ von Johanna Emanuelsson am Heidelberger Schauspielhaus.

TANZ →

Michael Steven Carman (Absolvent BATanz) ist zum Januar als Tänzer an das Opernhaus Zürich gewechselt.

Bartlomiej Kowalczyk hat einen Vertrag bei Georg Reischl am Stadttheater Regensburg für die kommende Spielzeit.

Stefane Meseguer Alves erhielt einen Festvertrag beim Saarländischen Staatsballett.

THEATER- UND ORCHESTERMANAGEMENT

INSTRUMENTALAUSBILDUNG, DIRIGIEREN →

Estelle Friedrich, Harfe (Klasse Prof. Francoise Verherve), hat sich beim Concours international de harpe des juniors in Monaco einen 1. Preis erspielt.

Beliz Ermis und Deborah Seifert (Fagottklasse Prof. Henrik Rabien) haben beide nach erfolgreicher Audio/ Video-Bewerbung eine Einladung zum Internationalen Musikwettbewerb „Prager Frühling“ erhalten.

Thomas Gkesios (Klasse Prof. Henrik Rabien) gewann das Probespiel für 2. Fagott/Kontrafagott (50 ProzentStelle) bei der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland Pfalz in Ludwigshafen.

Janis Marquard, Violoncello (Klasse Prof. Jan Ickert), hat nach erfolg­ reichem Probespiel einen Zeitvertrag im Opernhaus-und Museumsorchester Frankfurt erhalten.

Gwenaelle Le Meignen, Harfe (Klasse Prof. Francoise Verherve), hat das Probespiel für die Junge Deutsche Philharmonie gewonnen.

Vedat Okulmus (Klasse Prof. Henrik Rabien) gewann das Probespiel für 2. Fagott/Kontrafagott beim Orchester der Deutschen Oper Berlin.

→ Asia Safikhanova (ehem. Klasse

Thaddeus Watson) hat sich eine Stelle für Soloflöte bei den Thüringer Symphonikern Saalfeld-Rudolstadt erspielt.

→ Philipp Schum (Klasse

Prof. Oliver Siefert) hat das Probespiel für die Solo­posaune am Staatstheater in Kassel gewonnen.

→ Ada Felicitas Lange hat eine Stelle

als Referentin des Opern-Intendanten der Komischen Oper Berlin übernommen und ist dort als Allrounderin für verschiedene Bereiche im Einsatz (Projektmanagement, Gastspielkoordination, Koordination der Kommunikation etc.). Damit gehört sie zum engeren Leitungskreis eines der spannendsten, weil innovativsten und aufregendsten, deutschen Opernhäuser.

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Nachrichten aus den Fachbereichen — FB 2 Zeitgenössische Musik hören, erfahren, selbst komponieren – in der Schule: Die HfMDK ist seit mehr als 20 Jahren Träger des Projekts Response und begleitet es künftig auch wissenschaftlich.

ÜBER: RESPONSE

Ziel des Projekts ist die Vermittlung zeitgenössischer Musik in Schulen. Die Grundgedanken der Response-Methode stecken schon im Titel: Response = eine Antwort finden.

↘ Komponistinnen und Komponisten, Interpretinnen

und Interpreten, Lehrerinnen und Lehrer arbeiten fünf Monate experimentell und spielerisch im Team gemeinsam mit einer Schulgruppe.

2019/2020 ging es um das Verhältnis von Natur und Klang – die dafür ausgewählten Referenzwerke stehen zwischen diesen Polen: Toru Takemitsus „Rain Tree“ und Luciano Berios „Luftklavier“.

Musik erleben TEXT: KATHARINA SCHILLING-SANDVOSS Schülerinnen und Schüler aller Altersstufen komponieren, an­ geregt durch Referenzwerke, gemeinsam mit Komponisten und Komponistinnen, Musikerinnen und Musikern und ihren Mu­ siklehrerinnen und Musiklehrern eigene Stücke – und präsen­ tieren sie in einem öffentlichen Konzert. Das ist die Grundidee von Response. Schon bald nach der Entwicklung des Konzepts fand 1990 das erste Frankfurter Response-Projekt statt. Seit 2009 ist die HfMDK, in Kooperation mit dem Hessischen Kultusministeri­ um, Trägerin des größten Response-Projekts im deutschspra­ chigen Raum. 240 Schulen und mehr als 7.500 Schülerinnen und Schüler haben bisher teilgenommen; in diesem Jahr sind es 23 Schulklassen aus Hessen und Thüringen – anders als ge­ plant, konnten sie ihre Werke im März in der Alten Oper jedoch nicht aufführen. Die Abschlusskonzerte mussten aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden. Der Fachbereich 2 unterstützt das Projekt seit jeher. Neu ist aber, dass Studierende aller Lehrämter sich im Projekt enga­ gieren und, theoretisch umrahmt von einem Seminar unter der Leitung von Prof. Ernst August Klötze und Prof. Dr. Katharina Schilling-Sandvoß, Erfahrungen in der Anleitung von Improvisa­ tions- und Kompositionsprozessen machen können. Neu ist auch, dass das Projekt mit einem kleinen For­ schungsteam unter der Leitung von Prof. Dr. Maria Spychiger erstmals wissenschaftlich begleitet wird. Die Untersuchungen erfolgen anhand von Beobachtungen und Befragungen und sind in erster Linie den Kompositionsprozessen in den Klassen gewidmet. Die Auswertungsarbeiten beginnen im Sommerse­ mester. Die Ergebnisse werden im Rahmen eines Forschungs­ berichts dargestellt, dessen Fertigstellung für den Frühling 2021 geplant ist.

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rof. Dr. Katharina Schilling-Sandvoß ist Professorin P für Musikpädagogik, Dekanin des Fachbereichs 2 und stellvertretende Ausbildungsdirektorin Lehrämter.

Aus der Hochschule

Response ist seit mehr als 20 Jahren Thema an hessischen Schulen. Die konzeptionelle Idee stammt ursprünglich aus England – englische Experten leiteten auch die ersten Projekte in Hessen an.

Seit 2009 ist die HfMDK Trägerin des Projekts. Response wird seitdem in die Lehrpläne der verschiedenen Studiengänge eingebunden (Lehrämter, Instrumental- und Gesangausbildung, Kompositionsausbildung).

Die HfMDK kooperiert bei Response mit dem Hessischen Kultusministerium, der Alten Oper Frankfurt und der Jungen Deutschen Philharmonie.

Vom Klang der Natur, Response-Unterricht 2019/2020


Nachrichten aus den Fachbereichen — FB 3 Drei Tage Wien Im zweiten Jahr steht für Studierende im Schauspiel eine ge­ meinsame Exkursion auf dem Programm, aber selten eine wie diese: Dank einer Förderin der HfMDK war es diesmal mög­ lich, den Radius etwas weiter zu ziehen – Ende Januar ging es für drei Tage nach Wien zum Burgtheater. Werner Wölbern, Schauspielprofessor an der HfMDK und derzeit als Faust in Goethes gleichnamigem Stück im Burgtheater auf der Bühne, hat für die Studierenden die Türen geöffnet: Sie erlebten Auf­ führungen, wurden durchs Haus geführt, trafen den Dramaturg Sebastian Huber und begegneten Schauspielern wie Tobias Moretti und Birgit Minichmayr.

Dagmar Borrmann

Gesang Sänger ohne Bühne

Schauspiel

Fotografie: Anka Hirsch (links); DADK / Alexandra Lechner (rechts)

Fortsetzung folgt? Eine Bühne, die im Dunkeln bleibt – auch hier: Bei der 25. Aus­ gabe der „Woche junger Schauspielerinnen und Schauspieler“, die vom 4. bis 31. März im Parktheater Bensheim hätte statt­ finden sollen, war bereits nach zwei Terminen Schluss. Ob der „Günther-Rühle-Preis“ für dieses Jahr überhaupt noch vergeben werden könne, sei deshalb ungewiss, erklärt Prof. Dr. Dagmar Borrmann, Vorsitzende der Jury und Ausbildungsdirektorin für Schauspiel an der HfMDK. „Wir hoffen aber weiterhin, das Fes­ tival nach Abklingen der Corona-Krise nachholen zu können.“ Wie ist der Weg in den Schauspielberuf? Was muss man lernen, um für die vielfältigen Anforderungen im Theater und in den Medien optimal vorbereitet zu sein? Mit diesen Fragen ging es bei der „Woche junger Schauspielerinnen und Schauspieler“ am 4. März noch wie geplant los. Prof. Dr. Dagmar Borrmann hatte zum Auftakt auch Absolventinnen und Absolventen der der HfMDK eingeladen: Katharina Kurschat, Julian Melcher und Laura Teiwes. Am 9. März folgte eine Hochschulinszenierung aus Graz, „MALADE oder woanders ist auch noch“ – die vier weiteren Inszenierungen aus Düsseldorf, Hamburg, Karlsruhe und Mannheim fielen aus. Mit dem „Günther-Rühle-Preis“ wird seit 2003 die beste im Rahmen des Nachwuchsfestivals gezeigte schauspielerische Leistung ausgezeichnet. Die HfMDK war bislang einmal vertre­ ten, und gewann auch: 2011 mit der Inszenierung „DNA“ von Dennis Kelly.

...sind wie Fische ohne Wasser“, sagt Prof. Ursula Targler-Sell – mit Blick auf die Folgen der Coronavirus-Pandemie. Seit Mit­ te März mussten bereits unzählige Veranstaltungen abgesagt oder verschoben werden. Darunter die Jahresproduktion der Gesangsabteilung der HfMDK (neuer Termin: April 2021) – und die Masterclass „Liedgestaltung“ mit der französischen Pianis­ tin Anne LeBozec (neuer Termin: 21. bis 24. November). Zwei Lichtblicke: Der für Mitte Juni angekündigte Meisterkurs mit der Mezzosopranistin KS Brigitte Fassbaender bleibt (vorerst) im Programm. Unter der Leitung von Prof. Günther Albers gibt es im Sommersemester ein interdisziplinäres digitales PilotProjekt: Studierende aus den Fachbereichen 1 und 3 in den Disziplinen Klavier, Dirigieren, Violine, Violoncello und Gesang widmen sich gemeinsam dem vokalen Schaffen Beethovens im Umfeld seiner Zeit. Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen im Winter­semester der interessierten Öffentlichkeit bei einem Konzert vorgestellt werden.

↘ darstellendekuenste.de

Nachrichten

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Impressum Frankfurt in Takt – Magazin der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt Eschersheimer Landstraße 29–39 60322 Frankfurt am Main www.hfmdk-frankfurt.de Herausgeber: Prof. Elmar Fulda, Präsident der HfMDK Frankfurt Redaktion: Tamara Weise Redaktionsbeirat: Prof. Hans-Ulrich Becker, Prof. Dr. Dagmar Borrmann, Robin Brosowski, Dr. Sylvia Dennerle, Prof. Elmar Fulda, Aylin Günel, Sandro Hirsch, Dr. Anatol Riemer, Cornelia Schenker, Prof. Dr. Katja Schneider, Prof. Tim Vogler, Prof. Eike Wernhard Autorinnen und Autoren: Prof. Ralph Abelein, Prof. Dr. Peter Ackermann, Camilo Bornstein, Prof. Dr. Dagmar Borrmann, Simon Brosowski, Richard Byer, Prof. Thilo Dahlmann, Prof. Ingo Diehl, Björn Hadem, Prof. Elmar Fulda, Prof. Lucas Fels, Prof. Axel Gemmelspacher, Matthias Goebel, Prof. Ulf Henrik Göhle, Carolin Grün, Aylin Günel, Julian von Hansemann, Sandro Hirsch, Prof. Florian Hölscher, Ramon John, Dr. Julia Jung, Ida Kaufmann, Anne Sophie Luong, Lorna Lüers, Annina Merz, Sebastian Munsch, Prof. Martin Nachbar, Sabine Petersen-Spindler, Hanna Ponkala, Michael Preuß, Alexander Reiff, Sina-Mareen Retolaza, Sabine Rosenberger, Prof. Michael Sanderling, Prof. Dr. Katharina Schilling-Sandvoß, Philipp Schlosser, Prof. Michael Schneider, Manfred Spindler, Prof. Ursula Targler-Sell, Laurin Thomas, Clara Valdera, Prof. Tim Vogler, Tamara Weise, Prof. Eike Wernhard, Julia Wilke, Prof. Werner Wölbern Titelfotos: Janine Bächle Konzept & Gestaltung: State – Design Consultancy www.s-t-a-t-e.com Anzeigen: Dr. Sylvia Dennerle (es gilt die Preisliste 2020) Erscheinungsweise: 1 mal pro Semester Druck: Druck- und Verlagshaus Zarbock GmbH & Co. KG Sontraer Straße 6 60386 Frankfurt am Main

„Frankfurt in Takt“ digital lesen: www.hfmdk-frankfurt.info/publikationen

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Beflügelnd

Für Studierende nur e 23,- im Jahr www.nmz.de/abo


Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt

Ein starkes Netzwerk für die Künste Exzellente Ausbildungsbedingungen für Künstlerinnen, Lehrer und Wissenschaftlerinnen: Dafür engagieren sich die über 440 Mitglieder der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main e.V. (GFF) seit 2007. Auch in der Corona-Krise stehen die Freunde und Förderer den Studierenden zur Seite. Viele haben ihre Existenzgrundlage verloren: Konzerte, Engagements und Nebenjobs in Cafés und Restaurants sind weggebrochen. Insbesondere die internationalen Studierenden der HfMDK trifft die Krise hart. Ohne stabile Einnahmen ist ihr Aufenthaltsstatus gefährdet. Über 50.000 Euro haben engagierte Privatpersonen, Stiftungen und Unternehmen bereits für den Corona-Hilfsfonds der GFF gespendet.

ENGAGIEREN AUCH SIE SICH MIT IHRER SPENDE ODER ALS MITGLIED DER GESELLSCHAFT DER FREUNDE UND FÖRDERER DER HFMDK! Spendenkonto: Deutsche Bank Frankfurt IBAN DE68 5007 0024 0806 5070 00 BIC  DEUTDEDBFRA Weitere Informationen: Telefon 069 154007–210 gff@hfmdk-foerdern.de

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Ein Tanzhaus

2min
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Ich kann mich im Restaurant aucherst dann entscheiden, wenn der Kellner hinter mir steht

10min
pages 48-52

Ehre trifft Ehrgeiz

2min
pages 53-55

Ursache & Wirkung

9min
pages 38-41

Die Netzwerkerin

2min
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Das ist kein Spaziergang

6min
pages 58-61

So viel, so früh

2min
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Hochbetrieb

4min
pages 24-27

Zeitfalle Studium?

7min
pages 34-36

Re-boot Bologna

3min
pages 32-33

Gezielte Reizarmut

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Von der Dynamik, Neues zu lernen

2min
pages 28-29

Eine Minute Pause

4min
pages 30-31

Musik gestalten, mit dem Maß band Emotion

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pages 10-13

Von Zeit zu Zeit

1min
pages 8-9
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