O-Töne Februar 2019

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Zum Aufbruch alle Register ziehen Orgelprofessoren veranstalten Symposium für eine Orgelstadt im 21. Jahrhundert Mit einem zweitägigen Symposium am 8. und 9. Februar wollen die Orgelprofessoren Stefan Viegelahn und Carsten Wiebusch einen „Orgelaufbruch in Frankfurt“ anregen. Was sie sich von „Perspektiven einer Orgelstadt im 21. Jahrhundert“ erhoffen, erklären sie im nachfolgenden Interview.

ausgiebig beschäftigt zu haben, ist meiner Überzeugung nach eine wichtige Voraussetzung dafür, später „draußen“ flexibel zu sein und schnell gute Ergebnisse zu erzielen.

Was ist ein „Orgelaufbruch“ und wie soll er sich darstellen?

Viegelahn: Mit Mietverträgen mit drei Kirchengemeinden, an deren Orgeln wir ebenfalls unterrichten – in „Mutter vom Guten Rat“ in Niederrad, in der Lukaskirche in Sachsenhausen sowie in der Johanneskirche in Bornheim. Dies kann aber auf Dauer keine befriedigende Lösung sein.

Prof. Stefan Viegelahn: Unserer Beobachtung nach ist die Frankfurter Orgelszene insgesamt im Moment in keinem allzu guten Zustand. Es gibt Initiativen an einigen Orten, die Mehrzahl der Kirchengemeinden sind finanziell krisengeschüttelt. Zudem gibt es Orgeln in der Stadt, die fast nie oder jedenfalls zu selten gespielt werden. Dies nehmen wir vor dem Hintergrund wahr, dass es an der HfMDK zeitgleich einen enormen Investitionsstau beim hausinternen Instrumentarium gibt. Daher möchten wir ein offenes Forum für einen Austausch über Perspektiven rund um den Erhalt, die Pflege und Nutzung der Frankfurter Orgeln bieten. Der Titel spielt auf zwei historische „Orgelaufbrüche“ an: der erste 1833 mit dem Bau der Walckerorgel in der Paulskirche, der zweite in den 50er Jahren, zu dem die Orgel in der Dreikönigskirche oder auch unsere Orgel im Großen Saal gehört. Vielleicht können wir nun einen dritten Aufbruch anstoßen. Was ist Ihre Motivation, stadtweit das Gespräch über Orgeln zu suchen?

Wie arrangieren Sie sich zurzeit?

Was ließe sich kurzfristig verbessern, was sind langfristige Ziele? Viegelahn: Ein französischer Orgelbauer wird im Sommer die Orgel im Kleinen Saal ausreinigen und neu intonieren. Zudem laufen Überlegungen, ob es Sinn macht, die Orgel im Großen Saal durch weitere Register behutsam zu erweitern. Langfristig freuen wir uns über die Perspektive, für einen Neubau der Hochschule neue Orgeln konzipieren zu können. Wie ist es um den Bestand an Übeorgeln im Haus bestellt? Wiebusch: Wir verfügen über sechs kleinere Orgeln, wobei jene im Raum B 22 indiskutabel ist und dringend eines Ersatzes bedarf. Ein drittes Unterrichtsinstrument erscheint uns als unverzichtbar.

Prof. Carsten Wiebusch: Wir haben Die Orgelprofessoren Stefan Viegelahn (links) und Carsten Wiebusch zurzeit nicht das Gefühl, unseren im Inneren der Beckerath-Orgel im Großen Saal. Für die Zukunft des Orgelstudierenden in Frankfurt das Instruments sind viele Optionen denkbar. Spektrum an Orgelkunst so breit angelegt vermitteln zu können, wie ungeeignet ist sie für die meiste Musik wir es gern täten – mangels verfügbaren späterer Epochen, etwa der französischen Instrumentariums. Und uns liegt daran, sie Romantik. Der Kleine Saal beherbergt 1986 waren in den evangelischen Kirchen verstärkt in das Frankfurter Orgelkulturleindes eine Orgel aus dem Jahr 1991, die Frankfurts 48 hauptamtliche Kirchenmusiker ben einzubinden. französisch-klassisch ausgerichtet ist, aber beschäftigt, heute sind es zwölf – wie ist es technisch unzuverlässig, für den Saal etwas um die Berufsaussichten bestellt? zu laut und seit der Erbauung nicht ausgeWarum reichen die Hochschulorgeln nicht aus? reinigt. Wiebusch: Sie sind angesichts zu weniger Studierender in der Kirchenmusik und einer Viegelahn: Zum einen ist die Hochschule die Wiebusch: Erschwerend kommt hinzu, dass anstehenden Ruhestandswelle hervorraEntwicklung des Orgelbaus und der damit beide Säle als Konzertorte „heiß begehrt“ gend. An der HfMDK studieren zurzeit elf einhergehenden künstlerischen Ästhetik sind und damit nicht für kontinuierlichen Studierende Kirchenmusik, ein Schulmusiseit mindestens 30 Jahren nicht mitgeganUnterricht zur Verfügung stehen. ker im Hauptfach Orgel sowie vier Organisgen. Die Beckerath-Orgel des Großen Saals tinnen und Organisten im Fach Künstleentstand im Jahr 1959 nach den Vorstelrische Instrumentalausbildung (KIA). Sind Organisten, die schon im Studium lungen des damals prägenden Frankfurter gelernt haben, sich mit „schwierigen“ Organisten und Orgelprofessors Helmut Was wäre ein gelungenes Ergebnis Ihres Instrumenten zu behelfen, nicht bestens Walcha, der vollends der Musik Johann Orgelsymposiums? gewappnet für den Berufsalltag draußen? Sebastian Bachs verpflichtet war und ein Instrument erbauen ließ, das die baroWiebusch: Das sehe ich anders: Die Lust Viegelahn: Eine Sammlung von Ideen zu cke Spieltradition dieser Zeit abbildete am Registrieren und Erweitern des eigenen der Frage, was wir tun können, um in 15 bis – neobarock, weniger grundtönig mit fast Klangspektrums wächst mit der Register20 Jahren in Frankfurt in einer wirklichen manischem Verzicht auf Streicherregister, vielfalt des zur Verfügung stehenden InstruOrgelstadt des 21. Jahrhunderts zu wohnen aus heutiger Sicht puristisch. Entsprechend ments. Sich mit einem guten Instrument – und ein Aufbruch dorthin. Björn Hadem 4


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