3 minute read

Zum Aufbruch alle Register ziehen

Orgelprofessoren veranstalten Symposium für eine Orgelstadt im 21. Jahrhundert

Mit einem zweitägigen Symposium am 8. und 9. Februar wollen die Orgelprofessoren Stefan Viegelahn und Carsten Wiebusch einen „Orgelaufbruch in Frankfurt“ anregen. Was sie sich von „Perspektiven einer Orgelstadt im 21. Jahrhundert“ erhoffen, erklären sie im nachfolgenden Interview.

Advertisement

Was ist ein „Orgelaufbruch“ und wie soll er sich darstellen?

Prof. Stefan Viegelahn: Unserer Beobachtung nach ist die Frankfurter Orgelszene insgesamt im Moment in keinem allzu guten Zustand. Es gibt Initiativen an einigen Orten, die Mehrzahl der Kirchengemeinden sind finanziell krisengeschüttelt. Zudem gibt es Orgeln in der Stadt, die fast nie oder jedenfalls zu selten gespielt werden. Dies nehmen wir vor dem Hintergrund wahr, dass es an der HfMDK zeitgleich einen enormen Investitionsstau beim hausinternen Instrumentarium gibt. Daher möchten wir ein offenes Forum für einen Austausch über Perspektiven rund um den Erhalt, die Pflege und Nutzung der Frankfurter Orgeln bieten. Der Titel spielt auf zwei historische „Orgelaufbrüche“ an: der erste 1833 mit dem Bau der Walckerorgel in der Paulskirche, der zweite in den 50er Jahren, zu dem die Orgel in der Dreikönigskirche oder auch unsere Orgel im Großen Saal gehört. Vielleicht können wir nun einen dritten Aufbruch anstoßen.

Die Orgelprofessoren Stefan Viegelahn (links) und Carsten Wiebusch im Inneren der Beckerath-Orgel im Großen Saal. Für die Zukunft des  Instruments sind viele Optionen denkbar.

Die Orgelprofessoren Stefan Viegelahn (links) und Carsten Wiebusch im Inneren der Beckerath-Orgel im Großen Saal. Für die Zukunft des Instruments sind viele Optionen denkbar.

Was ist Ihre Motivation, stadtweit das Gespräch über Orgeln zu suchen?

Prof. Carsten Wiebusch: Wir haben zurzeit nicht das Gefühl, unseren Orgelstudierenden in Frankfurt das Spektrum an Orgelkunst so breit angelegt vermitteln zu können, wie wir es gern täten – mangels verfügbaren Instrumentariums. Und uns liegt daran, sie verstärkt in das Frankfurter Orgelkulturleben einzubinden.

Warum reichen die Hochschulorgeln nicht aus?

Viegelahn: Zum einen ist die Hochschule die Entwicklung des Orgelbaus und der damit einhergehenden künstlerischen Ästhetik seit mindestens 30 Jahren nicht mitgegangen. Die Beckerath-Orgel des Großen Saals entstand im Jahr 1959 nach den Vorstellungen des damals prägenden Frankfurter Organisten und Orgelprofessors Helmut Walcha, der vollends der Musik Johann Sebastian Bachs verpflichtet war und ein Instrument erbauen ließ, das die barocke Spieltradition dieser Zeit abbildete – neobarock, weniger grundtönig mit fast manischem Verzicht auf Streicherregister, aus heutiger Sicht puristisch. Entsprechend ungeeignet ist sie für die meiste Musik späterer Epochen, etwa der französischen Romantik. Der Kleine Saal beherbergt indes eine Orgel aus dem Jahr 1991, die französisch-klassisch ausgerichtet ist, aber technisch unzuverlässig, für den Saal etwas zu laut und seit der Erbauung nicht ausgereinigt.

Wiebusch: Erschwerend kommt hinzu, dass beide Säle als Konzertorte „heiß begehrt“ sind und damit nicht für kontinuierlichen Unterricht zur Verfügung stehen.

Sind Organisten, die schon im Studium gelernt haben, sich mit „schwierigen“ Instrumenten zu behelfen, nicht bestens gewappnet für den Berufsalltag draußen?

Wiebusch: Das sehe ich anders: Die Lust am Registrieren und Erweitern des eigenen Klangspektrums wächst mit der Registervielfalt des zur Verfügung stehenden Instruments. Sich mit einem guten Instrument

ausgiebig beschäftigt zu haben, ist meiner Überzeugung nach eine wichtige Voraussetzung dafür, später „draußen“ flexibel zu sein und schnell gute Ergebnisse zu erzielen.

Wie arrangieren Sie sich zurzeit?

Viegelahn: Mit Mietverträgen mit drei Kirchengemeinden, an deren Orgeln wir ebenfalls unterrichten – in „Mutter vom Guten Rat“ in Niederrad, in der Lukaskirche in Sachsenhausen sowie in der Johanneskirche in Bornheim. Dies kann aber auf Dauer keine befriedigende Lösung sein.

Was ließe sich kurzfristig verbessern, was sind langfristige Ziele?

Viegelahn: Ein französischer Orgelbauer wird im Sommer die Orgel im Kleinen Saal ausreinigen und neu intonieren. Zudem laufen Überlegungen, ob es Sinn macht, die Orgel im Großen Saal durch weitere Register behutsam zu erweitern. Langfristig freuen wir uns über die Perspektive, für einen Neubau der Hochschule neue Orgeln konzipieren zu können.

Wie ist es um den Bestand an Übeorgeln im Haus bestellt?

Wiebusch: Wir verfügen über sechs kleinere Orgeln, wobei jene im Raum B 22 indiskutabel ist und dringend eines Ersatzes bedarf. Ein drittes Unterrichtsinstrument erscheint uns als unverzichtbar.

1986 waren in den evangelischen Kirchen Frankfurts 48 hauptamtliche Kirchenmusiker beschäftigt, heute sind es zwölf – wie ist es um die Berufsaussichten bestellt?

Wiebusch: Sie sind angesichts zu weniger Studierender in der Kirchenmusik und einer anstehenden Ruhestandswelle hervorragend. An der HfMDK studieren zurzeit elf Studierende Kirchenmusik, ein Schulmusiker im Hauptfach Orgel sowie vier Organistinnen und Organisten im Fach Künstlerische Instrumentalausbildung (KIA).

Was wäre ein gelungenes Ergebnis Ihres Orgelsymposiums? Viegelahn: Eine Sammlung von Ideen zu der Frage, was wir tun können, um in 15 bis 20 Jahren in Frankfurt in einer wirklichen Orgelstadt des 21. Jahrhunderts zu wohnen – und ein Aufbruch dorthin.

Das Interview führte Björn Hadem

This article is from: