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Zukunft im Autoland

Die Autoindustrie steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Um auch zukünftig Mobilität und Wohlstand zu sichern, sollte der Staat optimale Bedingungen für technologische Entwicklungen schaffen – kreativ und frei von Ideologien.

Wer in diesen Zeiten noch ein Loblied auf das Auto singt, der muss mit Kritik, ja sogar mit Anfeindungen rechnen. Das Au to wird – zumindest in manchen Kreisen – zunehmend als Problem und als Gefahr wahrgenommen und nicht mehr als Bereiche rung und Chance. Man tut so, als sei ein Auto ein Relikt vergangener Zeiten, etwas Rückständiges, das man überwinden oder gar komplett verbieten müsse. Dabei war das Auto in seiner Geschichte stets vor al lem eins: Träger und Treiber für Technologie und Innovation. Baden-Württemberg, das Land von Daimler, Bosch und Porsche, ist das deutsche Autoland Nummer eins. In keinem anderen Bundesland hängen mehr Arbeitsplätze an der Automobilindustrie – auch und gerade im Mittelstand, bei den zahlreichen Zulieferern der großen Konzerne. Die Autoindustrie ist aber nicht nur eine wichtige Quelle unseres Wohlstands, sie ist auch der Motor für gesellschaftlichen und zivilisatorischen Fortschritt.

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Mobilität bedeutet Freiheit Mobilität ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Mobilität ist Emanzipation, ist ein Stück Unabhängigkeit, ist ein Stück Freiheit. Daran hat auch die Coronakrise nichts geändert, im Gegenteil. Das Auto steht für Mobilität, insbesondere im ländlichen Raum. Eine lebenswerte Zukunft lässt sich daher nur mit dem und nicht gegen das Auto gestalten. Mobilität der Zukunft heißt: smarte Fahrzeuge, weniger Staus, saubere Luft, mehr Komfort, mehr Freiheit. Autonomes und vernetztes Fahren wird unsere Art, mobil zu sein, revolutionieren. Dazu benötigen wir optimale Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung sowie eine leistungsfähige digitale Infrastruktur. Mobilität und Lebensqualität sind keine Gegensätze, sie bedingen einander. In der Verkehrspolitik muss es daher in erster Linie darum gehen, Mobilität zu ermöglichen, und nicht darum, sie zu erschweren. Wir sind deshalb gegen Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge, wie sie zum Beispiel in Stuttgart verhängt wurden – und dies, obwohl die Grenzwerte für Schadstoffe inzwischen weitgehend eingehalten werden. Allein schon diese absurde Debatte zeigt: Fahrver

Autonomes und vernetztes Fahren wird unsere Art, mobil zu sein, revolutionieren.

bote sind Instrumente von gestern. Sie helfen weder der Gesundheit der Menschen noch werden sie den Bedürfnissen der Bürger und der Wirtschaft gerecht. In Stuttgart haben wir stattdessen große Erfolge mit innovativen technischen Maßnahmen zur Luftreinhaltung erzielt – insbesondere mit Filtersäulen, die an Hotspots Stickoxide und Feinstaub aus der Luft filtern und dabei kaum Strom verbrauchen.

Technologische Offenheit Wir sind auch gegen das Verbot einzelner Antriebsarten. Wir sind gegen die Privilegierung des Elektroantriebs durch die Europäische Union (EU), die den CO 2 -Ausstoß bei der Herstellung der Batterien sowie bei der Herstellung des zum Fahren notwendigen Stroms ignoriert. Wir sind auch gegen die Verteufelung des Verbrennungsmo

tors durch Teile der Grünen. Wir sind für eine Verkehrspolitik der Vernunft, das heißt vor allem: Wir sind für Technologie-Offenheit. Planwirtschaft hat noch nirgends und nie zum Erfolg geführt. Und die Experten sagen: Alle Antriebsarten werden in der Zukunft noch gebraucht, ein Lastwagen zum Beispiel wird auf der Langstrecke in absehbarer Zeit nicht alleine mit Hilfe einer Batterie unterwegs sein können. Die Zukunft besteht nicht nur aus E-Autos, sondern aus einer gesunden Mischung der Antriebsarten. Dazu kann Wasserstoff genauso zählen wie Gas oder synthetische Kraftstoffe. Dieses Prinzip der Offenheit und Toleranz gilt auch für die Verkehrsträger. Jeder Verkehrsträger – ob Rad, Bahn, Flugzeug oder Auto – hat in der Verkehrspolitik seine Berechtigung und seinen Nutzen. Man sollte die Verkehrsträger nicht gegeneinander ausspielen, indem man zum Beispiel Autofahrern eine Zwangsabgabe zugunsten des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) auferlegt. Wir wollen den Menschen gleichwohl ein gutes ÖPNV-Angebot machen – das bedeutet vor allem pünktliche und schnelle Verbindungen, aber auch dichte Takte und saubere Fahrzeuge und Bahnhöfe.

Kreativer Wandel Das Rad ist ein wichtiges Verkehrsmittel im Alltag und in der Freizeit. Pedelecs und E-Bikes haben neue Nutzungsmöglichkeiten eröffnet und den Aktionsradius erweitert. Wir setzen uns für eine attraktive Radver kehrsinfrastruktur ein, die sich am Bedarf der Menschen im Land orientiert und sinnvoll mit anderen Verkehrsträgern verknüpft wird. Der Staat sollte sich nicht zum Richter darüber aufschwingen, welcher Verkehrsträger der bessere sei. Er muss für alle Verkehrsträger eine gute Infrastruktur zur Verfügung stellen – auch damit diese gut vernetzt werden können. Die Zukunft des Autos verlangt Kreativität statt Ideologie. Eine moderne Verkehrs- und Wirtschaftspolitik muss Mobilität ermöglichen, Technologien voranbringen und zugleich die Wertschöpfung im Land erhalten. Ja, die Automobilindustrie muss sich wandeln. Das hat sie aber schon immer getan. Es geht in dieser Frage um nichts weniger als um die industrielle Zukunft unseres Landes – dazu brauchen wir Kreativität statt Ideologie.

Gut zu wissen

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n  Die meisten Mitarbeiter in der Autobranche hat Baden-Württemberg, gefolgt von Bayern und Niedersachsen (Quelle: Statistisches Bundesamt) Laut Kraftfahrt-Bundesamt gab es zu Beginn des Jahres 2020 47,7 Millionen Pkw in Deutschland

Prof. Dr. Wolfgang Reinhart, MdL

Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag Baden-Württemberg Bundesgeschäftsführer a. D. des BVMW