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Die Liebermann-Villa: Architektur, Garten und Kunst

Die Liebermann-Villa: Architektur, Garten und Kunst

1909 erwarb der Maler Max Liebermann ein Wassergrundstück im Berliner Ortsteil Wannsee. Seit 2006 ist sein einstiges Sommerhaus als privat geführtes Museum zugänglich, das sich dem Wirken und den Werken Liebermanns widmet. Die Direktorin Dr. Lucy Wasensteiner spricht im Interview über die Geschichte und Zukunft des Hauses – und die Auswirkungen von Covid-19.

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Die Vorderseite der Liebermann-Villa am Berliner Wannsee.

DER Mittelstand.: Frau Dr. Wasenstei

ner, was macht das Besondere der Liebermann-Villa am Wannsee aus?

Dr. Lucy Wasensteiner: Die Liebermann-Villa spiegelt 110 Jahre deutsche und speziell Ber liner Geschichte wider. Da ist natürlich zuerst der Künstler Max Liebermann selbst: Sein Leben und seine Karriere sind Bestandteil der deutschen Kunstgeschichte, er war Mit begründer der Berliner Secession, vielleicht der bekannteste deutsche Künstler um 1900. Dennoch war er während der NS-Zeit als jüdi scher Maler verfemt. In der Geschichte der Familie Liebermann spielt die Villa am Wannsee eine zentrale Rol le. Ab 1914 verbrachte der Künstler die Sommermonate am Wannsee gemeinsam mit seiner Frau Martha, seiner Tochter Käthe, und ab 1917 mit seiner Enkelin Maria. Auch die Vil la selbst hat eine Historie: Die Nationalsozialisten haben Martha Liebermann nach dem Tod ihres Mannes 1935 enteignet und in den Selbstmord getrieben. Nach 1945 wurde die Villa als Krankenhaus und später über vie le Jahre von einem Tauchclub genutzt. 1995 gründete sich die Max-Liebermann-Gesell schaft, um das Andenken an Max Liebermann zu bewahren. Und es gelang: 2002 konnte die Max Liebermann Gesellschaft die Villa am Wannsee übernehmen. Das Museum öffnete 2006 die Türen für die Öffentlichkeit.

Seither betreibt die Max-Liebermann-Ge sellschaft die Villa wie ein mittelständisches Unternehmen, also ohne staatliche Grundförderung?

Richtig, wir bekommen keine staatliche Grundförderung, das Museum wird von der Max-Liebermann-Gesellschaft getragen. Das geht aber auch nur dank der Mitgliedsbeiträ

Die britische Juristin und Provenienzforscherin Dr. Lucy Wasensteiner ist seit Februar 2020 Direktorin der Liebermann-Villa am Wannsee, Berlin.

ge unserer Mitglieder, dank vieler privater und Stiftungsspenden, dank der Arbeit unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter in Haus und Gar ten, und vor allem dank der vielen Besucher und Besucherinnen. Das Museum lebt von seinen Eintrittsgeldern! Im Schnitt kommen in einem normalen Jahr circa 80.000 Besu cher zu uns, darunter sehr viele Touristen aus dem In- und Ausland. 2020 fehlen uns leider diese Besucherzahlen aufgrund der CoronaPandemie.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie?

Corona hat uns massiv getroffen. Die Vil la musste zwei Monate geschlossen bleiben, und zwar in unseren besucherstarken Früh lingsmonaten. Seit der Wiedereröffnung erreichen die Besucherzahlen lediglich 30 Prozent des Vorjahres. Umso dankbarer sind wir für die Unterstützung aus dem Kulturbereich, sei es durch ein Benefizkonzert des Deut schen Symphonie-Orchesters oder einer Lesung des Liedermachers Klaus Hoffmann. Dennoch dürften dem Museum in diesem Jahr über 450.000 Euro fehlen.

Wie wollen Sie die Einnahmelücke schlie ßen? Und was kommt nach Corona?

Momentan läuft die Fundraising-Kampag ne „Spende 2020“ unter unseren Mitgliedern, Besuchern, und auch auf unserer Home page. Und wie gesagt, eine Reihe von spontanen Benefizveranstaltungen im Garten haben auch Ergebnisse gebracht. Wir sind gera de dabei, Anträge für verschiedene CoronaHilfsprogramme zu stellen – das nimmt al lerdings sehr viel Zeit in Anspruch. Und wir setzen natürlich auch auf unsere attraktiven Ausstellungen. Die Villa feiert in diesem Jahr ein Doppeljubiläum: Vor 100 Jahren wurde Max Liebermann zum Präsidenten der Aka demie der Künste ernannt, seit 25 Jahren gibt es die Max-Liebermann-Gesellschaft. In diesem Sinne öffnen wir ab dem 4. Okto ber die Jubiläumsausstellung „Wir feiern Liebermann!“, zu der wir exklusive Leihgaben aus ganz Deutschland, darunter viele Bilder

Max Liebermann, Selbstbildnis, Öl auf Holz, 1922.

aus Privatbesitz, erhalten haben. Mittel- und langfristig wollen wir darüber hinaus neue Zielgruppen ansprechen und gewinnen, auch und gerade jüngere Besucher.

Liebermanns große private Bildersamm lung wurde von den Nazis beschlagnahmt. Spielen künftig Provenienzfragen generell eine stärkere Rolle?

Auf jeden Fall. Fragen der Herkunft sind für alle Museen zunehmend wichtig – und auch für viele Besucher interessant. Wir wollen die sen Aspekt in zukünftige Ausstellungen integrieren. Mir persönlich ist sehr wichtig, dass wir auch unsere Haussammlung von circa 170 Liebermann Werken unter Provenienz aspekten untersuchen. Dazu ist eine Ausstellung Ende 2022 geplant.

Ein besonderer Anziehungspunkt ist der Garten, der bis an den Wannsee reicht. In wiefern sind Gartengestaltung und museales Konzept aufeinander abgestimmt?

Der Liebermann-Garten ist ein wichtiges und großartiges Beispiel eines historischen „Re formgartens“. Er wurde gemeinsam von Max Liebermann und dem damaligen Direktor der Hamburger Kunsthalle, Alfred Lichtwark, ge staltet. Diese Geschichte können und wollen wir auf jeden Fall durch zukünftige Ausstel lungen erzählen: Die Villa wurde ausdrücklich als Gesamtkunstwerk aus Architektur, Garten und Kunst geplant. Und so soll sie auch heute für Besucher erlebbar sein.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Liebermann-Villa?

Das Thema „Max Liebermann“ ist einfach so wichtig für die deutsche Kunstgeschichte, für die Geschichte Berlins, und auch für The men wie Rassismus, Antisemitismus und Akzeptanz. Und hier am Wannsee haben wir ein künstlerisches, landschaftliches und archi tektonisches Kleinod, das auch unter den Corona-Bedingungen gut erlebbar ist. Ich wünsche mir, dass in den nächsten Monaten viele Besucher den Weg zu uns finden, und dass wir dieses schwierige Jahr überleben kön nen. Und natürlich langfristig, dass wir weitere spannende Forschungs- und Ausstellungsprojekte planen und umsetzen können, um Max Liebermann gerecht zu werden!

Das Interview führte Eberhard Vogt.

Gut zu wissen

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n  Gegründet 2006, getragen von der Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin Geöffnet täglich außer Dienstag, Oktober bis März 11 – 17 Uhr, April bis September 10 – 18 Uhr; ca. 35 Minuten vom Berliner Hauptbahnhof entfernt Das Haus kann auch für private Feiern gemietet werden