am puls - Magazin für Politik und Gesundheit 02/2012

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02/2012

Jahrgang 09

20348

5,00 Euro

MAGAZIN FÜR

POLITIK UND GESUNDHEIT

Benjamin Feindt fordert einfache Steuern

Seite 4

Mike Mohring Thüringen sorgt für gute Gesundheitsversorgung Seite 8

Weichenstellung für die Menschen in NRW Landtagswahl am 13. Mai 2012

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Leben retten und ist Gesundheit verbessern – das unser Ziel. verbessern – das ist unser Ziel.

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EDITORIAL

Erfolgreiche Reformen dürfen auch erwähnt werden Trotz aller Warnungen und Befürchtungen, sind die Krankenkassen nicht kollektiv in die Insolvenz gelaufen. Im Gegenteil, im 1. Halbjahr 2011 konnten die Arzneimittelausgaben um 6,3 Prozent gesenkt werden. Das AMNOG greift und die Krankenkassen werden spürbar entlastet. Die GKV Finanzentwicklung gestaltet sich so positiv, dass viele Krankenkassen darüber nachdenken, ihre Zusatzbeiträge 2012 einzustellen. Die Überschüsse in den gesetzlichen Krankenkassen sprudeln und haben mit 20 Milliarden Euro einen historischen Höchststand erreicht. Auch das ist ein Erfolg und zeigt die verantwortungsvolle Gesundheitspolitik der schwarz-gelben Bundesregierung. 2011 wurden Pflöcke zur Reformierung der Pflegeversicherung eingeschlagen. Die Eckpunkte hierzu liegen seit November vor. Inwieweit sie ausreichen oder noch ergänzt werden müssen, wird die Zukunft zeigen. Nicht hilfreich ist es, wenn die Reformen bereits im Vorfeld völlig verrissen werden. Es wird gar ein Scheitern des gesamten Vorhabens prognostiziert. Gleiches gilt

für die Änderung des Infektionsschutzgesetzes und der damit verbundenen Verbesserung der Hygienestandards. Im Gegensatz zu früheren Jahren, wurden 2011 Gesetze auf den Weg gebracht und verabschiedet, die einer älter werdenden Gesellschaft und der demographischen Entwicklung entsprechend Rechnung tragen. Dieser Weg ist richtig und muss auch zukünftig fortgeschrieben werden. Für die deutsche Ärzteschaft wird die zur Zeit laufende Reformierung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ein wichtiger Meilenstein im Jahr 2012 sein. Die Bundesärztekammer arbeitet seit langem mit Hochdruck an einer Lösung und verhandelt diese mit den Verantwortlichen des Verbandes der privaten Krankenversicherung (PKV). Das Bundesgesundheitsministerium wird sicherlich erst dann tätig werden, wenn ein gemeinsamer und abgestimmter Vorschlag von Ärzteschaft und PKV vorliegt. Frank Rudolph 1.stellv. Landesvorsitzender Gesundheitspolitischer Arbeitskreis der CDU-NRW

INHALT 4 Wer Steuervereinfachung will, muss weni-

ger Einzelfallgerechtigkeit in Kauf nehmen, meint unser Autor Benjamin Feindt

6 Ein gerechtes Gesundheitssystem lebt von der Eigenverantwortung – dafür plädiert Herausgeber Frank Rudolph

8 Eine funktionierende und bezahlbare

medizinische Versorgung gehört zu den elementaren Lebensinteressen der Bürgerinnen und Bürger, schreibt der Thüringer CDU-Fraktions-Chef Mike Mohring

10 Schluss mit dem Klein-Klein der Internet-

politik, fordert CDU-MdB Thomas Jarzombek

11 Die Entwicklungen der kommenden Jahre werden auch im Bereich der gesundheitlichen Versorgung zu gravierenden Veränderungen führen, prophezeit der Gesundheitspolitiker Peter Preuß

12 Neue Ziele in der Krankenhausplanung

des Landes NRW stellt Norbert Post vor, bis zur Auflösung des NRW-Landtags Abgeordneter in Düsseldorf

14 Verantwortung statt Verschuldung ist das

Leitmotiv der CDU in NRW im Kampf um die Wählerstimmen bei der vorgezogenen Landtagswahl am 13. Mai. Spitzenkandidat Norbert Röttgen stellt sein Programm vor

16 Was die Ärzteschaft selbst und die Politik

tun müssen, um die gesundheitliche Versorgung auf dem Land künftig sicherzustellen erläutert KV-Vorsitzender Peter Potthoff

18 Ein Besuch im Teddybärkrankenhaus in

Düsseldorf zeigt uns anschaulich, wie Kinder auf Untersuchungen und Operationen spielerisch vorbereitet werden

19 Ambulante Reha noch während der Che-

motherapie – ein Modell aus Neuss macht Schule

20 Warum das neue Organspendegesetz so

wichtig ist und viele Kranke neue Hoffnung schöpfen lässt, erläutert Tim A. Küsters

22 Kommentar von Jens Spahn, MdB 22 Impressum Dr. Mathias Höschel und Frank Rudolph, Herausgeber

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Wer Steuervereinfachung will, muss weniger Einzelfallgerechtigkeit in Kauf nehmen

Der Steuerbürger empfindet oft das System als undurchsichtig und daher ungerecht. Seine Motivation zur Steuerehrlichkeit sinkt

Von Benjamin Feindt Am 9. Juni 2011 beschloss der Bundestag unter Führung von CDU und FDP das Steuervereinfachungsgesetz 2011. Kaum war das neue Jahr angebrochen, wurde bereits sein Nachfolger, das Steuervereinfachungsgesetz 2012, angekündigt. Steuervereinfachung wird prinzipiell von allen gutgeheißen – im Einzelfall gibt es allerdings oft Kritik.

Gesetzgeber und Finanzverwaltung haben im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: Entweder, man entscheidet sich für ein Höchstmaß an Regelungen für jeden noch so kleinen Sachverhalt und mit einer umfassenden Nachweispflicht. Damit kann man sehr gerecht auf die Umstände von einzelnen Gruppen eingehen. Die weitgreifende Dokumentations- und Nachweispflicht schützt gegen Steuerhinterziehung und sorgt dafür, dass alle Steuerpflichtigen gleich behandelt werden. Die Kehrseite dieser Möglichkeit ist

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die Informationsgerechtigkeit: Kaum ein Bürger (und kaum ein Steuerberater) kann heute von sich behaupten, er habe ein vollumfängliches Wissen in allen Steuerrechtsgebieten. Der Steuerbürger empfindet oft das System als undurchsichtig und daher ungerecht. Seine Motivation zur Steuerehrlichkeit sinkt. Die Kehrseite der Nachweispflicht liegt darin, dass die Aufwendungen für den Nachweis einen eventuell systemseitig erwünschten Steuervorteil mindern, unter Umständen sogar konterkarieren.

Abschreibungstabellen Ein Beispiel für die Tendenz „gerechter, aber komplizierter“ stellen die umfassenden Angaben zur Abschreibung von Wirtschaftsgütern dar. In einer Vielzahl der amtlichen Abschreibungstabellen findet man diverse Angaben darüber, über wie viel Jahre ein Wirtschaftsgut

abzuschreiben ist (wenn nicht im Einzelfall andere Nutzungsdauern nachgewiesen werden). So erfährt man aus der amtlichen Abschreibungstabelle des Gesundheitswesens, dass Handapplanationstonometer genau wie Lithotripter über 8 Jahre abzuschreiben sind, Nachttische über 10 und „Mobiliar (sonstiges)“ über 15. Solche Tabellen existieren für sehr viele Branchen. Die in den Tabellen zu findenden Werte stellen Versuche der Behörde dar, die tatsächliche Nutzungsdauer zu schätzen und die steuerliche Berücksichtigung der Anschaffungskosten möglichst auf alle Jahre der Nutzung gleich zu verteilen. Da unterschiedliche Güter unterschiedlichste Nutzungsdauern haben, wirkt es logisch, dass entsprechend lange Listen vorgehalten und gepflegt werden müssen. Eine Reduktion beispielsweise auf wenige Kategorien würde für die Einzelfälle eine Bevorzugung oder Benachteiligung bedeuten.

Foto: Dieter Schütz/ pixelio.de

STEUERVEREINFACHUNG


STEUERVEREINFACHUNG Die zweite Möglich- Das deutsche Steuer- Er unterliegt mit keit des GesetzgeWahrrecht zählt unbestritten hoher bers besteht darin, scheinlichkeit in nur sehr sparsam Re- zu den kompliziertesten einem anderen gelungen mit sehr ge- der Welt. Das bewirkt in Sachverhalt ähnringer Nachweispflicht seiner Summe aber nicht, lich detaillierten zu treffen. Diese weni- dass Deutschland wesent- Anweisungen. gen Regelungen werlich gerechter besteuert Unnötig hohe Reden von mehr Mengelungsintensität schen verstanden, was als andere Länder. verschlechtert das positive AuswirkunSystem. Komplizierter wird es bereits gen auf die Steuerehrlichkeit hat. Vervon ganz allein: Durch die Arbeit der waltungskosten werden gesenkt, NachGerichte kommen täglich neue Entweispflichten entfallen. Die Kehrseite scheidungen hinzu, die dann, im Falle dieser Regelung, ist, dass hier auf Bedes BFH oder des Bundesverfassungssonderheiten einzelner Gruppen nicht gerichts, für jeden Bürger Gültigkeit eingegangen werden kann – es könhaben. Allein ein laufendes Verfahren nen vom System ungewünschte Unbewirkt, dass Betroffene darauf achten gerechtigkeiten entstehen. Wer wenisollten, dass ihre Steuerbescheide nicht ger Nachweise fordert, riskiert, dass endgültig unveränderbar werden. Dies Steuerpflichtige in ungewünschtem geht in vielen Fällen nur durch schriftMaße von Regelungen profitieren oder lichen Antrag. Wenn nach einigen Jahbenachteiligt werden, und senkt damit ren ein endgültiges Urteil ergeht, kann die Steuergerechtigkeit. sich das günstig auf die Steuerlast ausDetaillierte Anweisungen wirken. Ein Beispiel: Derzeit muss der BFH entscheiden, ob die Kosten einer Manche Regelungen werden auch erAdoption steuerlich berücksichtigt lassen, deren Entstehung zumindest werden können. Bejaht er dies, könndem Autor nicht unmittelbar zwinten all jene betroffenen Eltern profitiegend erscheinen, weil sie keine weren, deren Steuerbescheide noch änsentliche Verbesserung für Staat oder derbar sind. Steuerpflichtigen oder eine VereinfaKompliziertestes chung enthalten. Ein Beispiel aus UmSteuerrecht der Welt feld des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 sind Detailregelungen zum KinVereinfachungen hingegen müsdergeld. Kindergeld wird auch für Kinsen ganz bewusst beschlossen werder in der Erstausbildung gezahlt. Die den. Jede Vereinfachung bedeutet eine Finanzverwaltung hat nun Ende 2011 potenzielle Ungerechtigkeit für den geregelt, dass Kinder unter anderem Einzelfall und für die beschließenden dann berücksichtigt werden, wenn Politiker die Gefahr der Empörung sie eine Ausbildung auf einem Kaufder Interessenvertretungen. Das deutfahrtschiff absolvieren – allerdings nur sche Steuerrecht zählt unbestritten zu dann, wenn das Schiff nach Flaggenden kompliziertesten der Welt. Das berechtsgesetz vom 8.2.1951 die Bundeswirkt in seiner Summe aber nicht, dass flagge führen darf und nicht zur kleiDeutschland wesentlich gerechter benen Hochseefischerei und der Küstensteuert als andere Länder. Vergleichen fischerei gehört. In diesem Beispiel hat wir uns mit unseren dänischen Nachsich die Finanzverwaltung entschiebarn, müssen wir feststellen, dass alden, eine Regelung für einen recht lein unser Mantelbogen vierseitig Einkleinen Teil der Gesamtbevölkerung gaben erwartet – und damit sind Einzu treffen. Die Betroffenen haben nun künfte noch völlig unberücksichim Streitfall die genannten Voraustigt. Ein durchschnittlicher dänischer setzungen nachzuweisen. Wer nicht Arbeitnehmer macht insgesamt drei von diesem Beispiel betroffen ist, darf bis fünf Angaben, und hat damit seine sich nicht zufrieden zurücklehnen:

Steuererklärung abgeschlossen. Die reine Existenz der angabefähigen oder angabepflichtigen Sachverhalte führt noch nicht zu einem gerechten System. Der Steuerpflichtige muss auch in angemessener Zeit in der Lage sein, diese Regelungen zu befolgen. Ebenso die Finanzverwaltung: Wenn jeder fünfte deutsche Steuerbescheid (Stiftung Warentest, Untersuchung aus 2000) fehlerhaft ergeht, gegen 3,7 Millionen Bescheide per Einspruch vorgegangen wird und 69.000 Klagen gegen Finanzämter geführt werden (BMF, Statistik 2010), liegt der Schluss nahe, dass nicht die betroffenen Menschen zu unfähig, sondern das System zu umfangreich ist. Vereinfachungen würden hier zu einem gerechteren System führen – auch wenn Einzelfälle dann schlechter gestellt werden.

BENJAMIN FEINDT

Benjamin Julius Feindt (31) ist verheiratet und Partner der DanRevision. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Gießen wurde der Diplom-Kaufmann und Steuerberater zunächst Mitarbeiter von DanRevision. Seit 2010 ist er Mitgesellschafter. Feindt publiziert regelmäßig in überregionalen Zeitungen und Fachmagazinen. Seine Beratungsschwerpunkte sind selbstständige Ärzte, Offenlegung gemäß EHUG (elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister), Umstellung auf die E-Bilanz und steuerliche Optimierung von Immobilieninvestments.

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Foto: Thommy Weiss/ pixelio.de

GESUNDHEITSREFORM

Ein gerechtes Gesundheitssystem lebt von der Eigenverantwortung Es stellt sich die Frage, ob die Praxisgebühr wirklich die Steuerungswirkung hatte bzw. jemals gehabt hat

Von Frank Rudolph

Die Diskussionen für eine grundlegende Reformierung des Deutschen Gesundheitswesens nehmen langsam Fahrt auf. 18 Monate vor der nächsten Bundestagswahl im September 2013 werden die unterschiedlichen Konzepte und Vorstellungen der Parteien Stück für Stück der breiten Öffentlichkeit präsentiert. Dabei gibt es unterschiedliche Ansätze; SPD und Grüne sehen nur in einer Bürgerversicherung eine nachhaltige Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems. Die Linken würden gerne so bald als möglich in die Staatsmedizin einsteigen. Die Union tendiert in die Richtung das gesamte System zu reformieren. Hierbei sollen die privaten Krankenversicherung einbezogen werden. Das Ziel ist, einen fairen und auf Augenhöhe stattfindenden Wettbewerb zu schaffen. Dem gegenüber steht der Wunsch der heutigen Opposition, die PKV als Ganzes abzuschaffen. Für die Linkspartei ist das System der privaten Krankenversicherung

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mit ihren Alterungsrückstellungen sowieso nur Teufelszeug. An die Rücklagen der Unternehmen würde man aber schon gerne rangehen und diese dann umverteilen.

Wichtig: Eigenverantwortung Die Fragen die sich nun stellen sind: 0 welches Modell wird nachhaltig wirken? 0 welches Modell hat Aussicht, auch den zukünftigen Generationen eine hochwertige medizinische Versorgung zu gewährleisten? Für mich steht die Antwort klar auf der Hand: Ein gerechtes und nachhaltiges Gesundheitssystem kann nur dann funktionieren, wenn die Bürgerrinnen und Bürger -zumindest in einem zumutbaren Maß - in Eigenverantwortung genommen werden. Schon Abraham Lincoln bemerkte „Man hilft den Menschen nicht, wenn man für sie tut, was sie selbst tun können.“ Das gilt auch und gerade für das Gesundheitssystem. Dabei gilt es das nötige Maß von Subsidiarität und Solidarität zu wahren.

Niemand darf durch ein zu grobes Rost fallen. Keinem darf aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse eine notwendige Gesundheitsbehandlung verwehrt werden. Ich will keine Zwei-Klassen-Medizin. Mein Ansatz ist: ein gesundes System ist gut für die Gesundheit. Auch ich bin nun ab und an gezwungen, meinen Hausarzt aufzusuchen. Bei meinem letzten Besuch wurde ich Zeuge einer Diskussion die mich, ehrlich gesagt, sehr nachdenklich gemacht hat. Ich hatte meine Untersuchungen abgeschlossen und wartete am Empfang der Arztpraxis nun noch auf mein Rezept Die Arzthelferin wollte dies gerade ausdrucken. Neben mir stand eine Frau, die ebenfalls zu warten schien. Jedenfalls wurde sie von der freundlichen Mitarbeiterin aus der Arztpraxis angesprochen und gefragt, ob sie denn noch einen Wunsch oder eine Frage habe. Ich schloss daraus, dass die Behandlung besagter Patientin abgeschlossen war. Die Dame nickte wohlwollend und sagte, sie brauche nun noch einige Überweisungen. Dann legte sie los. Ohne die Mitarbeiterin am Empfang noch zu Wort kommen zu lassen. Es folgte ein wahrer Wunschkatalog. Da die Dame nicht nur für sich, sondern auch gleich für ihren - nicht anwesenden - Ehemann „bestellte“, kam die junge Arzthelferin aus dem Staunen nicht mehr heraus. Nach etwa zwei Minuten hatte meine Mit-Patientin dann so ziemlich das gesamte Spektrum der Facharztmedizin durch. Auf die Frage der Arzthelferin, was der Dame und ihrem Mann denn fehle, sagte diese: „Eigentlich nichts!“ Sie

„ES GIBT JA KEINE GESUNDEN MENSCHEN - NUR SOLCHE DIE BISHER ZU WENIG UNTERSUCHT WURDEN.“ Manfred Lütz (Lebenslust, München 2002)


Foto: Matthias Preisinger/ pixelio.de

GESUNDHEITSREFORM

Der Wunsch nach einer Reihe von Überweisungen beim Hausarztbesuch – gängige Patientenpraxis in Deutschland

habe ja nun aber die Praxisgebühr bezahlt. Und außerdem müssten sie und ihr Mann ihre Krankenkassenbeiträge auch wieder reinholen. Um jeglicher Diskussion aus dem Wege zu gehen, bat die Arzthelferin den Hausarzt per Telefon um Hilfe. Die Dame verschwand umgehend im Arztzimmer. Die junge Arzthelferin und ich blieben sprachlos zurück. Das hatte gesessen. Ungläubig wandte ich mich an die junge Arzthelferin, die sich nun wieder mir zuwandte. Sie übergab mir mein Rezept. Auf meine Frage, ob so etwas denn öfter vorkommen würde antworte sie mir : „Ja, das ist hier alltägliches Geschäft. Manche sind nur noch unverschämter.“ Etwas verwirrt verließ ich die Praxis.

Spürbare Eigenbeteiligung Ich möchte nun wirklich nicht behaupten, dass eine solche Vorgehensweise Alltag in deutschen Arztpraxen

ist. Allerdings scheint dies auch nicht die rühmliche Ausnahme zu sein. Sollte die Praxisgebühr nicht zur Eindämmung der Arztbesuche beitragen? Wie es auch sei, in Deutschland gibt es durchschnittlich 18 Arztbesuche pro Jahr. Dies ist ein Problem, das bereits von vielen Experten und Politikern thematisiert wurde. Nun stellt sich die Frage, ob die Praxisgebühr wirklich die Steuerungswirkung hatte bzw. jemals gehabt hat. Ich behaupte: Nein. Und mit dieser Meinung stehe ich nicht unbedingt alleine. Was aber ist die Alternative? Aus meiner Sicht kann nur die Stärkung der Eigenverantwortung und eine wirkliche Transparenz bei den Kosten dazu beitragen, dass die Beiträge bei den Krankenkassen bezahlbar bleiben. Dazu gehört aus meiner Sicht eine spürbare Eigenbeteiligung an den Kosten, wie dies bereits in vielen anderen Ländern üblich ist. Entsprechende Lösungsvorschläge liegen

auf dem Tisch und sollten nun breit diskutiert werden. Auch die Kostentransparenz muss in diese Diskussion einbezogen werden. Im Zeitalter von Multimedia und Internet muss es doch möglich sein, die Patientinnen und Patienten unbürokratisch über die angefallenen Kosten zu informieren. Auch hier gibt es bereits vielfaltige Lösungsansätze, die durchaus diskussionswürdig sind. Dass die in der PKV übliche Erstattungslösung nicht mehrheitsfähig ist, haben die Diskussionen der letzten Jahre gezeigt. Aber transparente Abrechnungen, die jeder Versicherte nachvollziehen kann, sind ein Schritt in die richtige Richtung. Über eins sollten sich alle Beteiligten aber im Klaren sein: Die vorherrschende Vollkaskomentalität unter dem Deckmantel der Bürgerversicherung wird die Probleme der Gesetzlichen Krankenkassen auf Dauer nicht lösen.

FRANK RUDOLPH

Frank Rudolph, Jahrgang 1960, Betriebswirt, Leiter Unternehmenskommunikation bei einem Dienstleistungsunternehmen im Gesundheitswesen. Seit Februar 2009 1. stellv. Landesvorsitzender des Gesundheitspolitischen Arbeitskreises der CDU NRW, Mitglied der Bundeskommission Gesundheit der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU

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Foto: Martin Simon/pixelio.de

GESUNDHEITSPOLITIK THÜRINGEN

„Wer pflegt schon gerne seine Ex-Schwiegermutter?“ Gesundheitspolitik im demographischen Wandel am Beispiel Thüringens Thüringen, unser Foto zeigt die Wartburg, unternimmt große Anstrengungen, personelle Engpässe im Bereich der ärztlichen Versorgung und der Pflege zu vermeiden

Von Mike Mohring

Eine funktionierende und bezahlbare medizinische Versorgung gehört zu den elementaren Lebensinteressen der Bürgerinnen und Bürger. Die Bevölkerungsentwicklung stellt die Gesundheitspolitik dabei vor große Herausforderungen. Sie hat damit umzugehen, dass bei einer abnehmenden Bevölkerung, die immer älter wird, der Behandlungs- und Pflegebedarf zunimmt. In einem ostdeutschen Land wie Thüringen vollzieht sich diese Entwicklung schneller als in weiten Teilen Westdeutschlands. Dabei müssen einige Regionen mit einem drastischen Bevölkerungsrückgang und einer besonders ungünstigen Altersstruktur zurechtkommen, während Städte wie Erfurt, Weimar und Jena und ihr Umland kaum betroffen sind. Ein Großteil der Ärzte ist bereits im vorgerückten Arbeitsalter, für die Pflege müssen in den kommenden zehn Jahren rund 20.000 Fachkräfte gewonnen werden.

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Neue gesetzliche Möglichkeiten Soweit ein knapper Problemaufriss. Welche Handlungsmöglichkeiten stehen der Landespolitik angesichts der Herausforderungen zu Gebote? Dazu gehört zunächst, die bundespolitischen Rahmenbedingungen mitzugestalten. Die Gesundheitspolitiker unserer Fraktion haben sich intensiv am Entstehungsprozess des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes beteiligt. Das Ergebnis verbessert unsere Möglichkeiten, Anreize für eine Niederlassung in ländlichen und strukturschwachen Regionen zu geben. Wie nötig dies ist, zeigt ein Vergleich: Während im Thüringer Landkreis Sömmerda 563 Einwohner auf einen Arzt kommen, sind es in der Universitätsstadt Jena lediglich 97. Mit dem Gesetz haben die Länder mehr Einfluss auf die Bedarfsplanung, können Landärzten über die Ausgestaltung der Honorare entgegenkommen oder die Niederlassung in unterversorgten Bereichen bei der Nachbesetzung von Praxen in überversorgten Bereichen besonders berücksichtigen.

Die CDU-Fraktion arbeitet daran, diese Anreize durch landespolitische Maßnahmen zu verstärken. Dazu hat ein von uns moderierter Runder Tisch „Ärztliche Versorgung im ländlichen Raum“ rund 50 Vorschläge unterbreitet. Sie sollen in eine parlamentarische Initiative münden, an der wir zurzeit mit unserem Koalitionspartner arbeiten. So wollen wir den von uns eingerichteten Lehrstuhl für Allgemeinmedizin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena ausbauen, die ambulante und stationäre Versorgung besser verzahnen, Wirtschaftsförderprogramme für Praxisgründungen öffnen und Zustifter für die „Stiftung zur Förderung der ambulanten ärztlichen Versorgung in Thüringen“ gewinnen. Sie könnte dann etwa den Aufbau von Landambulatorien unterstützen. Wir werben auch dafür, ein nach § 90a SGB V mögliches Gemeinsames Landesgremium einzurichten, in dem das Land gemeinsam mit Vertretern der Kassenärztlichen Vereinigung, den Kranken- und Ersatzkassen und der


Landeskrankenhausgesellschaft sektorenübergreifende Versorgungsfragen klären kann. Verstärkt wird Thüringen sich um die Gewinnung von Ärzten außerhalb der Landesgrenzen bemühen. Das neue Berufsanerkennungsgesetz erleichtert und beschleunigt die Anerkennung der im Ausland erworbenen Abschlüsse. Das trifft auch auf Ärzte zu.

Großer Bedarf Großer Bedarf auch im Pflegebereich. Alleine zwischen dem Jahr 2009 und dem Jahr 2019/20 wird sich der Anteil der 80-Jährigen und Älteren um rund 50 Prozent erhöhen, während das Erwerbspersonenpotenzial beständig abnimmt. Aktuell kommen in Thüringen nur noch 100 Bewerber auf 134 Lehrstellen. Dies zeigt den enormen Konkurrenzdruck, unter dem auch die Pflegeanbieter bei der Nachwuchsgewinnung stehen. Vor diesem Hintergrund halten wir es für richtig, die häusliche Pflege zu stärken. Das zum 1. Januar 2012 in Kraft getretene Pflegezeitgesetz entspricht den Interessen einer alternden Gesellschaft. Wie weit dieser Weg führt, wenn die Arbeitskräftenachfrage weiter wächst und auch 15 Wochenstunden nicht ohne weiteres entbehrlich sind, steht dahin. Ein Erfolg des Modells hängt schließlich auch von der räumlichen Nähe und Stabilität familiärer Strukturen ab. Die zugegebenermaßen polemische Frage „Wer pflegt schon gerne seine Ex-Schwiegermutter?“ bringt das Problem auf den Punkt. Daher werden wir auch mit anderen Formen wechselseitiger Unterstützung experimentieren, Senioren-Wohngemeinschaften etwa. Eine ausreichende Antwort auf den drohenden Fachkräftemangel in der Pflegebranche ist das freilich nicht. Nach dem Runden Tisch zur ärztlichen Versorgung hat die CDU-Fraktion daher ein Fachgespräch Pflege in Thüringen initiiert. Mehr Ausbildung, besser geförderte Weiterbildung und auch hier eine gezielte Zuwanderung müssen Bausteine eines Konzepts sein. All dies wird nicht ausreichen, wenn wir nicht für bessere Entwicklungsperspektiven und eine

Foto: IchundDu/ pixelio.de

GESUNDHEITSPOLITIK THÜRINGEN

Neue Standards seit 1990, denn die Pflegesituation in der DDR kann nicht anders als katastrophal bezeichnet werden

angemessene Vergütung in der Kranken- und Altenpflege sorgen.

Vorkehrungen für den demografischen Wandel Mit den genannten Maßnahmen wollen wir dazu beitragen, den hohen medizinischen und Pflegestandard zu halten, den wir uns in Thüringen seit 1990 erarbeitet haben. Dieses Thema liegt vielen Menschen am Herzen, denn die Pflegesituation in der DDR kann nicht anders als katastrophal bezeichnet werden. Sie war ein besonders bedrückender Teil jener „teilungsbedingten Lasten“, den wir dank großzügiger Unterstützung aus den alten Ländern beseitigen konnten. Dafür sind viele Menschen in Thüringen dankbar. Angesichts aktueller Diskussionen füge ich hinzu: Auch wenn wir von gleichwertigen Lebensverhältnissen noch ein gutes Stück entfernt sind, verstehe ich, dass Kommunen in den alten Ländern auch auf ihre eigenen Probleme hinweisen. Ein Signal wäre, wenn der Bund jene Mittel für notleidende Kommunen in allen Teilen Deutschlands einsetzt, die Jahr für Jahr durch das Abschmelzen des Solidarpakts frei werden. Vorkehrungen für den demographischen Wandel zu treffen, heißt für die Thüringer CDU-Fraktion jedoch nicht, diesen Wandel als unabänderliche Gegebenheit hinzunehmen. Deshalb sei zum Abschluss ein Blick auf die Familienpolitik gestattet. Sie steht für uns

ausdrücklich auch unter der Maßgabe, die Zahl der Geburten zu steigern. Sie ist von dem Willen geleitet, Paaren das Ja zum Kind zu erleichtern. Dazu gehört die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch ein umfassendes und qualitativ hochwertiges Betreuungsangebot. Dazu gehört genauso die unmittelbare finanzielle Förderung von Paaren mit jungen Kindern, weil Eltern die Freiheit haben sollen, selbst zu entscheiden, wie sie ihr Leben mit Kleinkindern gestalten.

MIKE MOHRING

Mike Mohring, MdL, Jahrgang 1971, ist Fraktionsvorsitzender der CDU im thüringischen Landtag. Seit 1989 ist Mohring politisch aktiv. Zunächst im NEUEN FORUM, dann ab 1993 in der CDU. Seit 1999 ist er Mitglied des Landtags. In der CDU gehört der Master of Law seit 2010 dem Bundesvorstand an.

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Foto: Tobias Koch

INTERNETPOLITIK

Schluss mit dem Kleinklein der Internetpolitik Von Thomas Jarzombek, MdB Wenn wir in der Union über das Internet diskutieren, dann werden häufig Risiken benannt und Probleme gewälzt. Ist das nun konservativ? Ich glaube nicht. Was wir brauchen, ist ein Ende des kleinen Karos bei unserer Internetpolitik.

Eine Journalistin fragte mich unlängst, was die CDU denn im Internet wolle, denn die meisten Nutzer dort seien doch links. Ist das so? Falls ja, dann ist es unser Fehler. Denn das Internet ist weder links noch rechts, weder konservativ noch sozialdemokratisch: Es ist nur eine Plattform. Nicht mehr und nicht weniger. Es liegt an uns, diese Plattform mit bürgerlichem Denken zu bespielen. Daher müssen viel mehr Konservative ins Netz! Twitter ist kein Ort linker Meinungsmacht, sondern eine tolle Chance für uns, bürgerliche Werte zu transportieren. Und so versuchen wir Jüngeren in der Bundestagsfraktion, unsere erfahreneren Kollegen dafür zu gewinnen. Wie Peter Altmaier, Dagmar Wöhrl und Erika Steinbach. Und Sie? Es wird höchste Zeit! Was im Internet sicher an vielen Stellen fehlt, das ist Anstand im Umgang

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miteinander. So mancher Leserkommentar unter dem Artikel selbst angesehener Zeitungen lässt einen doch erschaudern - was den Umgangston betrifft. Aber ist dies Grund für neue Gesetze? Lässt sich Anstand befehlen? Ich glaube nicht. Ich wünsche mir, dass wir Konservative Anstand und Umgangsformen im Netz vorleben und auch aktiv dort einfordern, wo die Tonlagen zu verrohen scheinen.

Cisco. Der jüngste DAX-Konzern ist SAP und feiert in diesen Tagen seinen 40sten Geburtstag. Es wird also höchste Eisenbahn, etwas zu tun! Dazu hat die Bundestagsfraktion nun einen Kongress gemacht und ganz interessante Erkenntnisse gewonnen. So ist die Forschungsförderung bei uns viel zu bürokratisch, ein Steuerbonus für Forschung statt der Projektförderung täte not. Auch sind die Rahmenbedingungen für Wagnis- und Wachstumskapital schwierig: Wer in eine Firma investiert, die anfangs Verluste macht, kann diese Verluste beim Weiterverkauf an einen Investor nicht mit übergeben. Ein großes Hemmnis für eine private Unternehmensfinanzierung, wie sie in den USA üblich ist. Um dies alles voranzubringen und eine Internetpolitik mit bürgerlichen Werten und wirtschaftlicher Vernunft zu gestalten - dafür habe ich mit meinem Kollegen Dr. Peter Tauber einen Verein gegründet: Den cnetz e.V. Wenn Sie nun ein wenig neugierig sind - wir freuen uns auf Ihren Besuch! Im Internet unter www.c-netz.info

THOMAS JARZOMBEK

Ludwig Erhard und die Marktwirtschaft - war da nicht was? Wir als Union sind doch die Partei der wirtschaftlichen Kompetenz! Auch im Internet? Wir sollten unsere Stärken auch hier viel mehr ins Feld führen. Die deutsche Netzwirtschaft hat fast eine Million Arbeitsplätze geschaffen, machte im letzten Jahr 148 Mrd. Euro Umsatz und ist damit größer als die Automobilindustrie. 23% des Wirtschaftswachstums in den Jahren 1999-2007 gehen auf die ITK-Branche zurück. Alleine 2010 gab es über 14.000 Unternehmensgründungen in dieser Branche. Beeindruckende Zahlen, doch sind die großen Konzerne des Netzes in den USA entstanden: Facebook, Google, eBay, Amazon und auch Microsoft und

Thomas Jarzombek MdB (38) ist geschäftsführender Gesellschafter der releon GmbH & Co. KG. 2005-2009 war er Mitglied des nordrhein-westfälischen Landtags. Seit 2009 gehört er dem Bundestag an. Im Unterausschuss „Neue Medien“ und der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft, bringt er seine Expertise ein.


Foto: moelnycke/ imagebild

NRW-GESUNDHEITSPOLITIK

Gesundheitspolitik

in Nordrhein-Westfalen neu denken Für alle Regionen in NRW ergibt sich in den nächsten fünf Jahren ein erheblicher Nachbesetzungsbedarf an Hausärzten

Von Peter Preuß Die Entwicklungen der kommenden Jahre werden auch im Bereich der gesundheitlichen Versorgung zu gravierenden Veränderungen führen. Die zunehmende Zahl älterer Menschen muss zwangsläufig zu einem Umdenken bei der medizinischen Versorgung führen. Dabei stellt sich nicht der Gedanke der Pflege in den Vordergrund, sondern der erhöhte Bedarf an ärztlicher Betreuung, der aus der zunehmenden Zahl älterer Menschen in unserer Gesellschaft erwächst.

Dabei wird die demographische Entwicklung gerade die nordrhein-westfälische Gesundheitsversorgung vor erhebliche Herausforderungen stellen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein geht im Bereich der hausärztlichen Versorgung davon aus, dass jährlich 200 neue Hausärzte gebraucht werden. Die KV Westfalen-Lippe beschreibt einen Bedarf von jährlich 160 neuen Hausärzten. Im Bereich der KV Nordrhein legen jedoch nur 100 Ärztinnen und Ärzte die Facharztprüfung ab und in WestfalenLippe 60 bis 70 pro Jahr. Für alle Regionen in NRW ergibt sich in den nächsten fünf Jahren ein erheblicher Nachbesetzungsbedarf an Hausärzten, wobei der Bedarf auf 3.000 Hausärzte beziffert wird. Dies ist eine gewaltige Herausforderung, der sich

nicht nur die Versorgungsträger zu stellen haben, sondern auch die politisch Verantwortlichen in Nordrhein-Westfalen.

Die Politik ist gefragt Fehlende Ärztinnen und Ärzte, geringe vertragsärztliche Vergütung im Vergleich zum Bundesdurchschnitt und hohe Patientenzahlen lassen hohe Abwanderungszahlen für die kommenden Jahre aus Nordrhein-Westfalen befürchten. Hier ist das Handeln der Politik gefragt, um die gesundheitliche Versorgung der Menschen in NRW sicher zu stellen. Gemeinsam mit allen Leistungserbringern müssen Konzepte erarbeitet werden, die den Beruf des Hausarztes wieder attraktiv und interessant machen. Neben der Frage nach angemessener Bezahlung sind Faktoren wie Arbeitszeiten, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Notdienstregelungen und Bedarfspläne in die Überlegungen zur Neuausrichtung eines Hausarztaktionsprogramms dringend mit einzubeziehen. Medizinische Versorgungszentren und Programme wie „EVA“ (entlastende Versorgungsassistentin) gilt es zu optimieren und weiterzuentwickeln. Neben der Schaffung zusätzlicher Medizin-Studienplätze in Nordrhein-Westfalen müssen die Studierenden an den

medizinischen Fakultäten durch innovative Konzepte an die spannende Tätigkeit eines niedergelassenen Mediziners herangeführt und von der verantwortungsvollen Tätigkeit überzeugt werden. Die Aufhebung der Residenzpflicht, die Einrichtung zentraler Notdienste und finanzielle Zuschüsse für die Niederlassung im ländlichen Bereich sind erste Schritte zur Attraktivitätsförderung der hausärztlichen Tätigkeit. Fortschritte in der Sicherstellung der medizinischen Versorgung müssen jede Art von Gedankenspielen zulassen. So darf die Trennung der ambulanten und stationären Behandlung mit den unterschiedlichen Finanzierungskonzepten nicht in Stein gemeißelt sein. Im Hinblick auf die Behandlung dementer Menschen im stationären Bereich muss eine transparente und eindeutige Finanzierungskonzeption geschaffen werden, die zum Wohl der Menschen mit alten Versorgungsstrukturen bricht. Wir dürfen uns nicht von unseren Kindern vorwerfen lassen müssen, dass wir einem Versorgungsmangel hätten entgegenwirken können. Jetzt müssen die Weichen gestellt werden, damit alle Generationen auch in Zukunft in NRW medizinisch gut und ausreichend versorgt werden können.

PETER PREUSS

Peter Preuß (58) ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Er war von 2005 bis zur Auflösung des nordrhein-westfälischen Landtags im März 2012 Abgeordneter. Der Partner einer Rechtsanwaltssozietät ist seit fast 40 Jahren Mitglied der CDU. Peter Preuß bewirbt sich im Düsseldorfer Süden um einen Wiedereinzug in den Landtag.

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Foto: Rainer Sturm/pixelio.de

NRW-GESUNDHEITSPOLITIK sind damit zusätzliche Investitions- und Personalkosten verbunden, die durch eine rechtzeitige Krankenhausrahmenplanung zielorientiert einsetzbar gewesen wären. Bis zur Aufnahme der Verhandlungen eines regionalen Planungskonzeptes wird voraussichtlich ein weiteres Jahr vergehen, da der Krankenhausrahmenplan NRW noch in weiter Ferne scheint. Nicht einmal die Planungseckwerte wurden in den letzten zwei Jahren neu aufgestellt.

Krankenhausplan

seit zwei Jahren im Wartezimmer Die qualitativ hochwertige medizinische Versorgung der Bevölkerung muss sichergestellt sein

Von Norbert Post

Die meisten Vorgaben der Landeskrankenhausplanung „bis ins letzte Bett“ werden den Anforderungen an die Realität vor Ort und an die Zukunft nicht mehr gerecht. Nicht selten gehen zehn Jahre ins Land, bis Planungsphasen von der Idee bis zur Genehmigung reifen. Darüber bestehen nach wie vor getrennte Versorgungssektoren. Die Kooperation des ambulanten und des stationären Bereichs erfolgt nicht wie gewünscht. Eine effektive Zusammenarbeit zum Wohl der Menschen kann aber nur mit den Beteiligten vor Ort geregelt werden. Die damalige schwarz-gelbe Landesregierung ist deshalb mit dem neuen Krankenhausgestaltungsgesetz (KHGG NRW) 2007 einen neuen Weg gegangen, der lediglich die Rahmenplanung in den Verantwortungsbereich des zuständigen

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Ministeriums legt und die regionalen Planungskonzepte von Krankenhausträgern und Krankenkassenverbänden gemeinsam und gleichberechtigt erarbeiten lässt. Die Krankenhäuser warten nun dringend auf die Rahmenplanung, mit der sich das zuständige Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen seit zwei Jahren Zeit lässt. Planungssicherheit für die Häuser und der nachhaltige Einsatz von Investitionsmitteln ist nicht gegeben.

Somit sind die Krankenhausleitungen, das Krankenhauspersonal und nicht zuletzt auch die Patientinnen und Patienten verunsichert. Von einer Politik zum Wohl der Gesundheit der Menschen in Nordrhein-Westfalen durch gesicherte stationäre Versorgung kann in den letzten Monaten nicht gesprochen werden.

NORBERT POST

Fehlende Planungssicherheit Zum 31. März 2012 musste in Nordrhein-Westfalen, wie in allen anderen Bundesländern, eine überarbeitete Hygieneverordnung für Krankenhäuser in Kraft treten, die auch der zunehmenden Problematik mit den diversen Krankenhauskeimen entgegenwirken sollte. Zwangsläufig

Norbert Post, Jahrgang 1952, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. Der Lehrer sammelte berufliche Erfahrung an verschiedenen Schulformen. Der Mönchengladbacher gehörte dem Landtag von NRW seit 2000 bis zur Auflösung im März 2012 an. Er war stellvertretender Vorsitzender der Fraktion seit 2010. Er bewirbt sich um Wiederwahl in Mönchengladbach Nord.


NRW-GESUNDHEITSPOLITIK

Ziele des Krankenhausgestaltungsgesetzes Nordrhein-Westfalen Die qualitativ hochwertige medizinische Versorgung der Bevölkerung muss sichergestellt sein; dabei sollte das Gesetz Garant für eine wohnortnahe, qualitativ hochwertige Regelversorgung im Krankenhaus sein.

Das bedeutet: 7 Ausrichtung am medizinischen Bedarf der Menschen 7 Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und notwendig sein, nicht allein bestimmt von wirtschaftlichen Betrachtungen. 7 Versorgungsstrukturen müssen optimiert und effizienter gestalten werden. 7 Gute und effiziente Verzahnung der Sektoren zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen ambulanter und stationärer Medizin, Rehabilitation und Pflege weit über Modellprojekte hinaus. 7 Ein Krankenhaus der Grundversorgung muss in der Nähe und ein Krankenhaus der Schwerpunkt- bzw. Maximalversorgung in angemessener Entfernung jedes Menschen zu finden sein. 7 Verstärkung der Zusammenarbeit bei der Vorhaltung von Großapparaten und Unterstützung von vereinbarten Schwerpunktbildungen. 7 Entwicklung des Landesbasisfallwertes unter Kostengesichtspunkten. 7 Reduzierung der Bürokratie und schneller Umsetzbarkeit.

Ziele der Krankenhausplanung Nordrhein-Westfalen: Die Krankenhausplanung muss vereinfacht werden, die Verfahren gestrafft und die Verfahrensschritte zusammengefasst werden.

Das bedeutet: 7 Stärkung des Vertrauens in die Selbstverwaltung mit örtlich größeren Kompetenzen 7 Systematisierung und Ergebnisorientierung bei den Planungsgesprächen Beibehaltung des Landesausschusses für Krankenhausplanung als Beratungsgremium für das Land bei Aufstellung der qualitativen und quantitativen Rahmenvorgaben. 7 Die Gesamtbettenzahlen( oder fallpauschalen-adäquate Ersatzgröße) und Leistungszuordnung werden aufgrund der Erfahrungen mit den Fallberechnungen geplant. 7 Anpassung der Kapazitäten ist Teil der Grundlagenermittlung für eine Investitionsförderung. 7 Beschränkung der Schwerpunktplanung im Interesse der Versorgungssicherheit auf nötige Einheiten. 7 Ausbau der Erarbeitung regionaler Planungsvereinbarungen bei Straffung des Verfahrens. 7 Einigung seitens der Krankenhausträger und der Kostenträger über Standorte, Gebiete und Leistungen (bei Unvereinbarkeit entscheidet das Ministerium oder ein von ihm beauftragter Dritter), auf Grundlage ermittelter Fallzahlen Bettenkontingente. 7 Konkretisierung der Leistungsinhalte innerhalb der Gebiete gegebenenfalls nach §109 Abs.1 Satz 5 SGBV durch Versorgungsvertrag.

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Foto: CDU

WAHLEN IN NRW

Am 13. Mai gibt es in Nordrhein-Westfalen vorgezogene Landtagswahlen. CDU-Spitzenkandidat ist Bundesumweltminister Norbert Röttgen

Verantwortung statt Verschuldung Von Norbert Röttgen Bei der Landtagswahl am 13. Mai geht es um eine wichtige politische Weichenstellung für Nordrhein-Westfalen. Die rotgrüne Minderheitsregierung ist mit ihrer Schuldenpolitik vor Gericht und politisch gescheitert. Obwohl das Verfassungsgericht den Nachtragshaushalt im letzten Jahr für verfassungswidrig erklärt hat, ist Frau Kraft nicht von ihrer Linie abgerückt: Als erste Regierungschefin und im Gegensatz zu allen anderen europäischen Staaten hat sie eine Politik der Verschuldung offensiv zu ihrem Regierungsprinzip erklärt.

Damit hat sie Nordrhein-Westfalen die Rote Laterne in der bundesweiten Schuldenstatistik eingehandelt und unserem Land schweren Schaden zugefügt. Nachdem sie für ihre Politik im

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Landtag keine Mehrheit mehr gefunden hat, war ihre Regierung am Ende. Jetzt haben die Wählerinnen und Wähler das Wort.

Worum geht es am 13. Mai? 1. Zukunftsverantwortung statt Schuldenpolitik Wir haben viel zu lange auf Kosten künftiger Generationen gelebt. Die CDU-geführte Landesregierung der letzten Wahlperiode und die Bundesregierung haben gezeigt, dass auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine konsequente Politik der Haushaltskonsolidierung möglich ist. Deutschland steht heute im internationalen Vergleich sehr gut dar. Leider gilt dies nicht für Nordrhein-Westfalen. Das muss sich ändern.

2. Starkes Industrieland Nordrhein-Westfalen Mein Ziel ist, dass Nordrhein-Westfalen als das mit Abstand größte Bundesland und als starkes Industrieland wieder zu einem Motor der deutschen Wirtschaft wird. Wir brauchen endlich wieder eine offensive und nachhaltige Wirtschaftspolitik, die diesen Namen verdient. Wichtige Infrastrukturprojekte, wie zum Beispiel Entlastungsstraßen, dürfen nicht weiter blockiert werden. 3. Energiewende: Chance für unser Land Die Energiewende bietet immense Chancen für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes. Mit den Energie- und Umwelttechnologien entstehen die Märkte der Zukunft. Diejenigen, die hier investieren, werden die Technologieführer und damit auch die Exportweltmeister der


WAHLEN IN NRW Zukunft sein. Die rot-grüne Landesregierung war auch in der Energiepolitik völlig ideen- und konzeptionslos. Es war ein schwerer Fehler von Frau Kraft, sich im Energieland NordrheinWestfalen nicht um Energiepolitik zu kümmern und die Entscheidung über wichtige Großprojekte den Gerichten zu überlassen.

4. Familien stärken Die CDU steht für eine familienfreundliche Gesellschaft. Dazu gehört auch ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot für Kinder. Frau Kraft hat Nordrhein-Westfalen nicht nur in der Schuldenpolitik, sondern auch im Hinblick auf das Angebot an Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren die „Rote Laterne“ in der bundesweiten Statistik eingehandelt – auf Kosten der Familien. Statt den Ausbau zu beschleunigen, wurde er von RotGrün im letzten Jahr sogar verlangsamt. Das Ergebnis: Nordrhein-Westfalen wird es nach derzeitigem Stand nicht schaffen, den Rechtsanspruch auf einen U3-Kindergartenplatz ab Sommer 2013 zu erfüllen. 5. Wachstum braucht Wege Im letzten Jahr hat die Landesregierung eine umfangreiche „Streichliste“ für den Straßenbau in Nordrhein-Westfalen vorgestellt – darunter unter anderem 100 dringend benötigte Ortsumgehungen. Mit ihrer

Allergologie Allgemeine Laboruntersuchungen Anti-Aging Arbeitsmedizin Erbkrankheiten/Humangenetik Individuelle Gesundheitsleistungen Patientenschulungen Umweltmedizin

Blockadehaltung in der Verkehrspolitik mutet Rot-Grün den Bürgern ein steigendes Verkehrschaos zu und hat zudem dem Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen massiven Schaden zugefügt.

6. Die Kommunen brauchen jetzt Hilfe – nicht erst 2019 Mit ihrer Vertröstung auf eine Änderung des Solidarpaktes im Jahr 2019 lässt Frau Kraft die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen erneut im Stich. Ursache für die kommunale Finanzmisere ist nicht zuletzt die hohe Verschuldung des Landes.

gegliederte Schulsystem ist gesichert. Keine Schulform wird abgeschafft. Die Einheitsschule wird es nicht geben. Auch die Gemeinschaftsschule kommt nicht, und zwar weder als „Name“ noch als „Inhalt“. Wichtig war uns, dass keine Schulform gegenüber einer anderen grundsätzlich bevorzugt oder benachteiligt wird. Auch dies haben wir erreicht. Info: www.cdu-nrw.de

DR. NORBERT RÖTTGEN

Während ihrer Regierungszeit hätte Frau Kraft Gelegenheit gehabt, wirksame Hilfe zu leisten. Stattdessen hat sie Schuldenpolitik zum Regierungsprinzip erklärt, auf eine massive Neuverschuldung gesetzt und auch den Kommunen damit nachhaltig geschadet. Statt eines wirksamen Hilfsprogramms für die Kommunen, wie es die CDU vorgestellt hat, hat die rot-grüne Landesregierung einen Keil in die kommunale Familie getrieben.

7. Eine gute Bildungspolitik: Optimale Chancen für jedes Kind. Aus der Opposition heraus haben wir im letzten Jahr den Schulkonsens initiiert und ein wirklich gutes Ergebnis erzielt, das deutlich die Handschrift der CDU trägt: Das bewährte

Labor

Dr. Norbert Röttgen, MdB, ist 46 Jahre alt, im Rheinland geboren, verheiratet, zwei Söhne, eine Tochter Der promovierte Rechtsanwalt ist seit 2010 Landesvorsitzender der CDU in NRW und stellv. Bundesvorsitzender. Dem Deutschen Bundestag gehört er seit 1994 an, seit 2009 ist er Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

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Foto: auric

ÄRZTLICHE VERSORGUNG

Junge Ärzte braucht das Land Ein wichtiger Aspekt beim Wettbewerb um Ärzte-Nachwuchs sind auch die Mittel für die Versorgung

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein stellt die ambulante ärztliche Versorgung von rund acht Millionen GKV-Versicherten in Nordrhein sicher. KV-Vorstandsvorsitzender Dr. med. Peter Potthoff erklärt, warum die flächendeckende Versorgung zunehmend schwieriger wird, wie die KV dem drohenden Ärztemangel in ländlichen Regionen begegnet und warum die Politik endlich bundesweit für eine gerechte Verteilung der Mittel für die ambulante ärztliche Versorgung sorgen muss. Von Peter Potthoff

„Unser Gesundheitssystem ist das Beste der Welt“. Dieser Satz stammt nicht von mir. Zu dieser Feststellung ist ein prominenter Referent jetzt auf dem Gesundheitskongress des Westens gelangt: Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Vor ihm war unter anderem der Ökonom und frühere Kanzlerberater Bert Rürup in Köln aufgetreten, der immerhin von „einem der besten Gesundheitssysteme der Welt“ sprach und als Begründung die Qualität der Arzneimittelversorgung, den

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Zugang zu Innovationen und die kurzen Wartezeiten bei medizinisch notwendigen Operationen anführte. Als Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein darf ich hinzufügen: Auch bei der ambulanten ärztlichen Versorgung bewegen wir uns auf höchstem Niveau.

Falsche Weichenstellungen Damit das so bleibt, brauchen wir intelligente Antworten auf eine Reihe drängender Fragen. Eine lautet, wie wir dem schon heute in einigen Regionen spürbaren Ärztemangel begegnen wollen. Es wird deutlich schwieriger, ärztlichen Nachwuchs zu gewinnen – vor allem in strukturschwachen, ländlichen Regionen. Künftig fehlen uns vielerorts Hausärzte, aber auch bei den Fachärzten drohen Versorgungslücken. Das hat verschiedene Gründe, zum Beispiel falsche Weichenstellungen in den medizinischen Fakultäten und in der ärztlichen Weiterbildung, die wir als KV gar nicht beeinflussen können. Ein weiterer Grund sind die gewandelten Vorstellungen des Mediziner-Nachwuchses bei der Lebensplanung.

Work-life-Balance heißt das Zauberwort. Junge Ärzte – Frauen wie Männer – wollen nicht mehr unbegrenzt viel arbeiten und scheuen manchmal auch die Unwägbarkeiten, als Freiberufler zu agieren. Der klassische Landarzt, der in der Fläche nahezu rund um die Uhr für seine Patienten bereit steht, lässt sich mit dem Berufsbild vieler Jüngerer nur noch schwer vereinbaren. Das ist ein ernsthaftes Problem, denn wir werden in den nächsten zehn Jahren bundesweit 42.000 Praxen nachbesetzen müssen, davon 22.000 von Fachärzten.

Aufhebung der Residenzpflicht Überall dort, wo die Menschen schon heute einen Mangel fühlen oder mitbekommen, dass alteingesessene Ärzte keinen Nachfolger finden, ertönt der Ruf nach den KVen. Das ist nachvollziehbar, nur wird leider oft übersehen, dass wir junge Ärztinnen und Ärzte für die benötigten Fachgebiete nicht nach Bedarf „bestellen“ und auch nicht nach Belieben an die zumeist unattraktiven Mangelstandorte zuweisen können. Wir brauchen daher andere Rahmenbedingungen, um eine Antwort auf den Ärztemangel geben zu können. Das


ÄRZTLICHE VERSORGUNG Versorgungsstrukturgesetz, das seit Anfang dieses Jahres in Kraft ist, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Zum einen, weil es den Ärztemangel endlich als Problem ernstnimmt. Zum anderen, weil es Möglichkeiten einer flexibleren Bedarfsplanung schafft. Wir werden neue Arztsitze bekommen, Mitversorgungseffekte des Umlands durch Ärzte in Städten besser berücksichtigen und kleinräumiger planen können. Auf der Habenseite steht auch die Aufhebung der Residenzpflicht – Ärzte müssen nicht mehr dort leben, wo sie ihre Praxis betreiben. Klar ist jedoch: Eine neue Bedarfsplanung macht noch keine neuen Ärzte. Ohne neue Kollegen aber können wir neue Arztsitze gar nicht besetzen, zumal der Wettbewerb um den Nachwuchs zunimmt. Junge Mediziner für die Tätigkeit in NordrheinWestfalen zu gewinnen, wird uns nur gelingen, wenn wir den Arztberuf wieder attraktiver machen. Ärzte müssen entlastet werden und sich wieder auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren können. Der Praxisalltag ist überfrachtet mit Dingen, die nichts mit dem Arztberuf zu tun haben. Ärzte lesen Chipkarten ein, erheben eine Praxisgebühr für die Krankenkassen, die sie weiterleiten, beantworten dutzendweise Anfragen der Kassen und befassen sich mit einem Wust an Detailregelungen als Folge eines verfehlten Vertragswettbewerbs. So verlieren sie durch Administration und Bürokratie zu viel Zeit für die Behandlung ihrer Patienten.

Vergütung unter Durchschnitt Auch wenn es Politiker und Kassenvertreter

nicht gerne hören: Ein wichtiger Aspekt beim Wettbewerb um Ärzte-Nachwuchs sind auch die Mittel für die Versorgung. Unser Problem: Die Praxen im Rheinland erhalten deutlich weniger Mittel für die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung als in anderen Regionen – obwohl die Versicherten seit 2009 bundesweit einen einheitlichen Beitragssatz bezahlen. Dennoch schütten die Kassen unterschiedliche Beträge aus, vor allem bei den Ausgaben für die ambulante Versorgung. In Nordrhein liegt die so genannte morbiditätsbedingte Gesamtvergütung je Versichertem bei 330 Euro im Jahr, der Bundesdurchschnitt liegt bei 347 Euro. In der finanziell am besten ausgestatteten KV-Region sind es sogar 386 Euro. Wir fordern, diese strukturelle Benachteiligung zu beenden und Konvergenz herzustellen, also die für die ambulante Versorgung bereitgestellten Mittel auf ein bundesweit einheitliches Niveau anzuheben – das wurde beim Versorgungsstrukturgesetz versäumt. Die strukturelle Unterfinanzierung ist nicht nur ungerecht. Sie ist auch ein gravierender Standortnachteil für Nordrhein-Westfalen. Unsere deutlich unterdurchschnittliche Finanzausstattung führt unausweichlich zu einer Schlechterstellung der Bürgerinnen und Bürger im größten deutschen Bundesland. Die Politik kann an einer dauerhaften Benachteiligung unseres Landes kein Interesse haben. Zumal die im Bundesvergleich unterdurchschnittliche Vergütung auch unseren Sicherstellungsauftrag gefährdet: Junge Ärzte gehen dorthin, wo es deutlich mehr Mittel für die Behandlung von GKVVersicherten gibt.

Der in der Politik bisweilen geäußerte Einwand, wir seien doch durch die Re-Regionalisierung bei den Honorarverhandlungen unseres eigenen Glückes Schmied, verkennt völlig, dass wir lediglich Steigerungen aushandeln, damit aber nicht die strukturelle Benachteiligung mit Blick auf das Ausgangsniveau beseitigen können. Hier ist die Politik gefordert. Eine Möglichkeit wäre, die aktuellen Milliarden-Überschüsse der Krankenkassen auch für die überfällige Angleichung bei der Vergütung ambulanter ärztlicher Leistungen zu nutzen statt damit kurzfristig den Bundeshaushalt zu entlasten. Jetzt besteht die Gelegenheit für eine überfällige Korrektur.

DR. MED. PETER POTTHOFF

Dr. med. Peter Potthoff, Vorsitzender des Vorstandes, ist 63 Jahre alt, von Beruf Bankkaufmann mit erstem juristischen Staatsexamen und Frauenarzt. Er ist als Gynäkologe in Bad Honnef niedergelassen und gehörte dem Vorstand der KV Nordrhein als stellvertretender Vorstandsvorsitzender bereits in der Zeit von 2000 bis 2004 und dann wieder seit Anfang 2010 an.

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KINDERGERECHTE MEDIZIN Studenten während der Vorbereitung und der Durchführung getragen. Seit sechs Jahren entsteht am ersten Juniwochenende eine kleine Zeltstadt auf dem Gelände des UKD.

Zu Besuch im Teddybärkrankenhaus Im Teddybärkrankenhaus übernehmen Kinder die Verantwortung für ihr Tier und erleben so die Patientenrolle nur indirekt

Heute Morgen hat Jan nicht aufgepasst. Als er seine Bettdecke zurückgeschlagen hat, ist Merlin im hohen Bogen durch das Kinderzimmer geflogen. Jetzt hat sich der sonst so starke Tiger unter einem Kissen zusammengerollt. Zum Glück besucht Jans Kindergarten heute das Teddybärkrankenhaus der Uniklinik Düsseldorf. Jan nimmt Merlin vorsichtig auf den Arm und macht sich auf den Weg. Er hat ein bisschen Angst, weil er noch nie in einem Krankenhaus war. In der Straßenbahn beruhigt ihn sein Freund Max. Er war am Sonntag schon mit seinem Hund Flecki zur freien Sprechstunde im TBK. „Wir haben einen Hustentee bekommen. Flecki geht es schon viel besser, deswegen gehen wir heute zum Impfen.“, erklärt Max. Impfen kennt Jan schon von den Untersuchungen bei seinem Kinderarzt, aber die Spritzen mag er nicht.

Das Teddybärkrankenhaus (TBK) Düsseldorf ist eins von vielen in Deutschland. Über die Bundesvertretung der Medizinstudierenden (bvmd) wurde das Projekt in den letzten Jahren an allen medizinischen Fakultäten in Deutschland verwirklicht. Im Herbst 2011 fand in Berlin der erste

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bundesweite Teddy-Kongress statt. Vertreter aus 18 Standorten tauschten Erfahrungen aus und verglichen die Umsetzung des Projekts an den verschiedenen Universitäten. Das Grundprinzip beruht darauf, dass Medizinstudenten die erkrankten Kuscheltiere von Kindern im Kindergartenalter behandeln. Die Kinder sollen so spielerisch den Ablauf eines Krankenhausaufenthalts kennenlernen und die Angst vor „dem weißen Kittel“ verlieren. Sie übernehmen die Verantwortung für ihr Tier und erleben so die Patientenrolle nur indirekt. Aber auch die Studenten profitieren. Besonders für viele junge Studenten sind dies die ersten Patientengespräche und eine gute Übung für spätere Anamnesegespräche. Oft werden die Mediziner von Pharmazie- und Zahnmedizinstudenten unterstützt. In Düsseldorf wird das Projekt finanziell vom Studiendekanat, von Sachspenden, der Unterstützung des Arbeitersamariterbundes und der ehrenamtlichen Arbeiter vieler engagierter

An der Anmeldung werden die Patienten gemessen, gewogen und bekommen einen eigenen Teddydoc zuteilt. In der Behandlung wird die Erkrankung festgestellt, es wird Fieber gemessen, geimpft, die Kinder können selbst versuchen den Herzschlag hören. Bei Bedarf ist die Radiologie mit Teddy-Blitzdings-Röntgen, Kriechtunnel-CT, Sonogerät und über 200 Röntgenbilder von verschiedensten Tierarten ausgestattet. Im OP-Zelt werden die Kinder mit Hauben und Masken „verkleidet“ und begleiten die Patienten während des Eingriffs. Es werden Nähte geflickt, Augen ersetzt, verschluckte Murmeln und Legosteine unter dem OP-Tuch gefunden, Brüche gerichtet und eingegipst. Nach erfolgreicher Behandlung werden die Patienten in der Apotheke mit „Auaweg-Bärchen“, Tees, vielen Apfel- oder Bananenvitaminen und Pflegetipps entlassen. In der Zahnstation können die Schaumgummizähne kontrolliert werden, evtl. bieten Physiotherapieschüler und Ernährungsberaterinnen eine Möglichkeit die Therapie zu optimieren. Jan und Merlin besichtigen gerade den Krankenwagen und dürfen mal das Blaulicht anmachen. Bei Merlin wurde ein gebrochener Schwanz diagnostiziert und ein Gips angelegt. Merlins Fell wird durch eine Plastiktüte geschützt, so dass Jan in ein paar Tagen, wenn alles verheilt ist, den Gips einfach abziehen kann und die beiden wieder zusammen durch das Kinderzimmer toben können.

Nächster Termin: 3.- 6.Juni Weitere Infos: www.tbk-duesseldorf.de info@tbk-duesseldorf.de (Sach-)spenden sehr willkommen.


AMBULANTE ONKOLOGIE

Ambulante Onkologische Rehabilitation parallel zur Chemotherapie Unser Foto zeigt (stehend von li n. re) Dr. Ali-Nuri Hünerlitürkoglu (Lukaskrankenhaus), Dieter Welsink (medicoreha Welsink Rehabilitation GmbH), Prof. Dr. Tobias Heintges (Lukaskrankenhaus), Wolfgang Thomeit (Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung NRW), Philipp Hemmrich, (medicoreha) Sitzend von links: Dr. Christina Heusch (Lukaskrankenhaus), Dr. Martina König (Lukaskrankenhaus)

Nicht nach, sondern bereits während der Chemotherapie mit der Rehabilitation starten, das ist ab sofort für Krebspatienten in Neuss möglich. Mit der Ambulanten Onkologischen Rehabilitation hat die Gesundheitseinrichtung medicoreha gemeinsam mit dem Lukaskrankenhaus Neuss ein Modell entwickelt, das in dieser Art und Weise erstmalig Patienten der Onkologie ambulant versorgt. „Mit der Zulassung der Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung können nun Patientinnen und Patienten aus der Region mit Brustkrebs und gynäkologischen Krebserkrankungen, Krebspatienten mit gastrointestinalen sowie Systemerkrankungen in Neuss umfassend wohnortnah und frühzeitig rehabilitiert

werden“, freuen sich Sigurd Rüsken, Geschäftsführer Städtische Kliniken Neuss GmbH, und Dieter Welsink, Geschäftsführender Gesellschafter der medicoreha Welsink-Gruppe.

Das Modell umfasst eine umfangreiche ärztliche Betreuung und Untersuchungen und bietet dem Patienten psychologische Einzelberatung, Vorträge, Physiotherapie, angepasstes Ausdauertraining, Entspannungstraining, Ernährungsberatung sowie pflegerische Maßnahmen. „Solch eine ambulante onkologische Rehabilitation kann einen wichtigen Beitrag zur optimalen Therapie einer

Krebserkrankung leisten“, weiß Prof. Dr. Tobias Heintges, Chefarzt Medizinische Klinik II für Gastroenterologie, Onkologie, Hämatologie, Pneumologie und Allgemeine Innere Medizin des Lukaskrankenhaus. „Und auch notwendige Chemotherapien können während der Rehabilitationsmaßnahme lückenlos fortgesetzt werden.“ Dr. Ali-Nuri Hünerlitürkoglu ergänzt als ärztlicher Leiter der ambulanten onkologischen Rehabilitation: „In unserem Gesamtkonzept werden die bisher bekannten Vorteile der ambulanten Rehabilitation für viele Patienten durch den einzigartigen Vorteil der Betreuung durch bisher bekannte Fachärzte und Therapeuten ergänzt.“ „Das Ziel ist es, den Gesundheitszustand nicht nur zeitnah wiederherzustellen und dauerhaft zu verbessern, sondern auch die selbstständige Lebensführung und die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit zu erhalten“, erklärt Wolfgang Thomeit von der Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung NRW, die das Konzept geprüft und zertifiziert hat. Angefangen mit orthopädischen Patienten, die bei medicoreha bereits seit den 90er Jahren ambulant rehabilitiert werden, ist das ganzheitliche Konzept im Bereich der Onkologie in Deutschland noch sehr neu. „Bislang gibt es für diese Patientengruppe kaum ambulante Alternativen zur klassischen stationären Rehabilitation“, sagt Philipp Hemmrich, Geschäftsführer der medicoreha Welsink Rehabilitation GmbH. Das schließt auch die Nachsorge mit ein, die bei Krebspatienten von sehr großer Bedeutung ist. „Diese Möglichkeit wird von immer mehr Patienten in Anspruch genommen“, weiß Chefarzt Heintges. „Unser nächstes Ziel ist es deshalb, das Konzept auf weitere Tumorerkrankungen auszudehnen.“

Weitere Informationen www.medicoreha.de und www.lukasneuss.de

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Foto: Tobias Koch

ORGANSPENDE

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt während der Debatte im Bundestag dem Parlamentarischen Staatssekretär Burgbacher ihren Organspendeausweis

Petra und der „kleine König“ ORGANSPENDE VERÄNDERT LEBEN Von Tim A. Küsters

Petra ist heute eine lebenslustige Frau. Als wir uns treffen, kitzelt die erste Frühlingssonne die Nase. Wer sie ansieht, kann sich nicht vorstellen, dass Petra seit fast 20 Jahren organtransplantiert ist. Wir kennen uns schon seit Jahren. Doch nie habe ich mit ihr über ihre Krankheit, die Transplantation und das neue Leben gesprochen. Ihr neues Leben mit der Niere eines Organspenders. Auf die Idee das Gespräch im März 2012 zu führen, brachte mich der am 22. März 2012 eingebrachte Gruppenantrag zur Änderung des Transplantationsgesetzes im Bundestag. Petra hat von dem neuen Gesetz gehört und hofft, dass durch mehr Information einige der 12.000 Wartenden gerettet werden können. Petras Nieren wurden schwächer, als sie 1980/81 mit ihrer Tochter schwanger war. Nach der Geburt wurde eine Nierenbiopsie gemacht. Sie bekam Medikamente. Ihre Werte wurden immer schlechter, bis Sie 1987 auf Dialyse

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angewiesen war. Dreimal wöchentlich suchte sie ein Düsseldorfer Krankenhaus auf. Stunden vergingen. Sie machte durchwachsene Erfahrung mit Ärzten und wechselte schließlich den Arzt. Nach der Hämodialyse bei der Blutbank, machte sie eine Bauchfelldialyse. Diese konnte sie selbsttätig durchführen. Sie konnte ihr Leben wieder stärker selbst bestimmen. Nach einer Entzündung musste sie nach einem halben Jahr jedoch wieder Hämodialyse machen. „Zurück an die Kette,“ wie Petra es nennt. 1992 bekam sie eine neue Niere. „FullHouse-Niere“ wie sie mir stolz sagt. Alle Parameter passten perfekt. „Für mich war es beruhigend zu wissen, wer der Spender war.“ Durch einen Zufall hat sie die Identität ihres Spenders erfahren. Er war ein Unfallopfer. Ein Mann. König war sein Nachname. „Deshalb ist meine Niere mein „kleiner König“.“ Sie hat keinen Kontakt zur Familie des Spenders aufgenommen. Doch jedes Jahr, wenn sich der Tag der Transplantation nähert, wird sie nachdenklich. Sie

hat sich vorgenommen, ihrem Spender an diesem Tag immer zu danken. „Aufklärung ist das Thema,“ betont Petra. Ihre Botschaft: „Sprechen Sie mit Betroffenen. Schauen sie sich das Leid, vor allem der Kinder an. Treffen Sie eine Entscheidung, egal wie sie ausfällt.“ Sie hofft, dass die zukünftige Aufklärung ein stärkeres Bewusstsein und größere Bereitschaft zur Organspende schafft. Fast 20 Jahre nach der Transplantation hat sich Petras Gefühl verändert. Ärzte sagen hier heute, dass sie die erste Niere schon sehr sehr lange habe. In ihrer Vorsorgeambulanz, gibt es einen Patienten, der die erste Niere länger hatte als sie. Erst nach 21 Jahren, brauchte er eine neue Niere. „Da wird einem schon anders. Da fragt man sich, wie kannst du dich jetzt davor schützen. Aber das kannst du gar nicht. Ich nehme weiter meine Medikamente.“ Sie möchte ungern wieder an die Dialyse. Aus der Ambulanz kennt sie Menschen, die bereits ihre zweite oder dritte Niere haben. Sie ist zuversichtlich, denn „man hat mir gesagt, ich werde mit der Niere alt.“ Ihr „kleiner König“ begleitet sie jetzt seit 20 Jahren. Ich hoffe, dass er es noch lange tun wird. Und mit Ihrer Entscheidung FÜR eine Organspende, geben Sie 12.000 Menschen in Deutschland neue Hoffnung.

TIM KÜSTERS

Tim A. Küsters (29) ist Rechtsanwalt in Berlin. Sein Rechtsreferendariat führte ihn nach Shanghai und Boston, bevor 2011 Referent von Uwe Schummer, MdB, wurde. Der Redaktion von am puls gehört er seit 2006 an und ist seit 2010 Chefredakteur.


ORGANPATIN bin ich aus Überzeugung. Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Aus Verantwortung gegenüber Anderen und letztendlich auch für mich selbst. Denn wer weiß, vielleicht bin ich ja auch eines Tages auf ein Spenderorgan angewiesen. www.organpaten.de


KOMMENTAR

12.000 Menschen in Deutschland warten auf ein Spenderorgan

haben Sie einen Organspendeausweis? 12.000 Menschen in Deutschland warten auf ein Spenderorgan. Organspender sind Lebensretter. Leider haben bei uns bisher im internationalen Vergleich nur wenige Menschen einen Ausweis ausgefüllt. Der Deutsche Bundestag will das ändern. Auf Initiative der Fraktionsvorsitzenden Kauder und Steinmeier arbeitet eine fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe einen Antrag zur Neuregelung der Organspende aus, den mehr als die Hälfte der Bundestagsabgeordneten unterstützt. Die erste Lesung des Gesetzentwurfs am 22. März war eine sehr emotionale Debatte. Etliche Redner berichteten von Menschen, die jahrelang erfolglos auf eine Organspende warteten, von der ihr Leben abhing. Laut Umfragen stehen 75 Prozent der Bevölkerung einer Organspende positiv gegenüber. Aber nur 25 Prozent haben das auch dokumentiert. Vor diesem Hintergrund bin ich mir sicher, dass sich mehr Menschen mit der Organspende auseinandersetzten und sich dazu bereit erklärten, wenn sie direkt aufgefordert werden. Deshalb sieht die Neuregelung vor, dass alle Deutschen künftig regelmäßig von ihrer Krankenkasse angeschrieben werden. Auch bei der Ausgabe von amtlichen Dokumenten werden umfassende Informationen gegeben. Zudem soll - sobald dies technisch möglich ist - die Entscheidung auf der elektronischen Gesundheitskarte dokumentiert werden können.

Wichtig ist aber bei allen Maßnahmen: Niemand wird gezwungen, eine Entscheidung zu treffen. Die Menschen sollen überzeugt, nicht überredet werden. Grundsätzlich ist das Thema „Tod und Sterben“ ein Tabuthema in unserer Gesellschaft. Daher soll mit dem Gesetzentwurf und der Konfrontation aller mit diesem Thema eine neue Diskussion auch über diese Frage in der Gesellschaft angeregt werden. Fangen Sie an und reden Sie in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis über das Thema Organspende: Informationen gibt es bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (www.bzga.de<http://www.bzga.de>). In diesem Sinne sende ich Ihnen beste Grüße

Ihr

JENS SPAHN

Jens Spahn

Jens Spahn, MdB, wurde 1980 in Ahaus geboren. Seine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der WestLB führte ihn auch nach Luxemburg. Der studierte Politikwissenschaftler gehört seit 2002 dem Deutschen Bundestag an. Seit 2009 ist er gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion und stellvertretender Landesvorsitzender des Gesundheitspolitischen Arbeitskreises der CDU Nordrhein-Westfalen.

Impressum Herausgeber Dr. Mathias Höschel Dr. Hanno Kehren Frank Rudolph Verlag Günter Kohl PR + Marketing Gärtnerkoppel 3 24259 Westensee/ Kiel Tel. 04305-992992 / Fax 04305-992993 E-Mail: gkprkiel@t-online.de

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Anzeigenverkauf Über den Verlag Anzeigenschluss: 23. August 2012 Redaktion Tim Küsters, Beate Marzyan, Stephan Rabl, Steven Kunert, Dominik Münks Satz und Layout Walter Katofsky, Kiel Druck CW NIEMEYER DRUCK, Hameln

Abonnement Einzelheft: 24,- Euro pro Jahr bei 4 Ausgaben Geschäfts-Abo: 20 Ex. Pro Ausgabe: 200,- Euro Das Magazin am puls erscheint viermal im Jahr jeweils zur Mitte eines Quartals.


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