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Jahrgang 14 5,00 Euro

MAGAZIN FÜR

POLITIK UND GESUNDHEIT Mathias Höschel Bilanz der Gesundheitspolitik S. 4

NEUE FARBEN FÜR NRW

Armin Laschet NRW kann mehr

Serap Güler Gesundheit digital

S. 12

S. 18


Novartis Deutschland

Neue Wege in der Medizin Bei Novartis gehen wir die größten medizinischen Herausforderungen unserer Gesellschaft mit wissenschaftlicher Innovation an. Unsere Forscherinnen und Forscher treiben die Wissenschaft voran, um das Verständnis von Krankheiten zu vertiefen und neue Produkte zu entwickeln, die unerfüllte gesundheitliche Bedürfnisse befriedigen. Unsere Leidenschaft gilt der Erforschung neuer Methoden, um das Leben zu verbessern und zu verlängern.

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EDITORIAL

Das Märchen von der Bürgerversicherung Alle Jahre wieder, pünktlich zur Bundestagswahl, bringen SPD, Grüne und Linkspartei ein neues Kapitel zum Märchen der Bürgerversicherung in Umlauf. Die Forderung ist jedes Mal die Gleiche. „Wir wollen mit der Einführung einer Bürgerversicherung mehr Gerechtigkeit ins Gesundheitswesen bringen," so der SPD Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach. Das ist dann aber meistens so eine Sache mit der Gerechtigkeit, wer will nicht mehr davon. Da das Leben aber auch kein Ponyhof ist, sollte man sachlich und fachlich an dieses Thema herangehen. Die SPD, und hier insbesondere Herr Lauterbach, schreien seit mehr als 12 Jahren nach einer Bürgerversicherung. Ein schlüssiges Konzept zur Umsetzung wurde bis heute nicht vorgelegt. Außer einer Überschrift haben allerdings auch Grüne und Linkspartei nichts zu bieten. Wer möchte den Wählerinnen und Wählern auch schon vermitteln, dass die Einführung der so hoch gelobten Bürgerversicherung nicht nur mehr als 250.000 Arbeitsplätze kosten wird. Auch die Kosten einer Anschubfinanzierung dürften im hohen 2-stelligen Mrd. Bereich liegen. Darin nicht enthalten sind Kosten für den kompletten Umbau diverser privater Krankenversicherer, zusätzliche Leistungssteigerungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung und der Problematik, dass tausende praktizierende Privatärzte plötzlich ohne jegliche Einnahmequelle sind und eine Zulassung zur Kassenärztlichen Vereinigungen völlig unmöglich ist. Den größten Arbeitsplatzverlust würde im übrigen Nordrhein-

Westfalen treffen. Weder Frau Kraft noch Frau Steffens hört man dazu aufschreien. Sind in den Augen von SPD und Grünen 15.000 Tengelmann Mitarbeiter mehr wert als 250.000 Arbeitsplätze in der privaten Krankenversicherung? Studien der SPD nahen HansBöckler-Stiftung aus den Jahren 2013 und 2016 haben bestätigt, dass gerade die Einführung der Bürgerversicherung die 2-Klassen Medizin in Deutschland deutlich befeuern würde und zusätzlich ein massiver Arbeitsplatzverlust in der privaten Krankenversicherung entsteht. Auf die Arbeitgeber in Deutschland kämen nach einer Umsetzung sofort Mehrkosten in Höhe von 12 Mrd. Euro zu. Liebe SPD, es gibt gerade in Nordrhein-Westfalen andere Probleme. Frau Kraft hätte genug damit zu tun die ganzen Kinder einzusammeln, die sie eigentlich nicht zurücklassen wollte.

INHALT 4

Gesundheitspolitische Bilanz Aufgestellt von Mathias Höschel, Vorsitzender des GPA und frischgebackener CDU-Bundestagsabgeordneter aus Düsseldorf

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Pro Retina Unsere Autorin Ute Palm, Vorstandsmitglied der PRO RETINA Deutschland e.V. und Leiterin der Regionalgruppe Köln, stellt den Verein und sein Wirken vor

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Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz Dem neuen Gesetz aus Berlin begegnet Christian Kruse in einer kritischen Beurteilung mit großer Skepsis und befürchtet u.a. eine Einschränkung der Therapiefreiheit

12 NRW kann mehr CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet stimmt unsere Leser auf die Landtagswahl in NRW am 14. Mai ein 14 Rudi-Assauer-Preis Die Rudi Assauer Initiative Demenz und Gesellschaft zeichnet einmal im Jahr innovative Projekte von Einzelpersonen oder Gruppen aus. Darüber berichtet Wilfried Jacobs 16 Krankenhäuser und James Bond Gewagte Parallele, aber unterhaltsam: Unser Autor Nicolas Krämer erläutert detailreich, was Kliniken für ihre eigene Cyber-Sicherheit tun können 18 Der digitale Leibarzt Der aktuelle Trend zeigt, dass der „digitale Leibarzt“ Gestalt annimmt. Schon jetzt haben E-Health-Anwendungen die Patientenversorgung revolutioniert, schreibt Serap Güler 20 Aus der betrieblichen Praxis Oliver Flohr, ein kommunaler Praktiker, berichtet über die Betriebliche Krankenversicherung als erfolgreiches Instrument des betrieblichen Gesundheitsmanagements 22 Kolumne Hier schreibt unser Kolumnist Gottfried Ludewig 22 Impressum

Frank Rudolph, 1. Stellv. Vorsitzender GPA NRW

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BILANZ

Kleine Gesundheitspolitische

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BILANZ 2013 Von Dr. Mathias Höschel, MdB

Das Wahljahr 2017 hat begonnen. Die Parteien wärmen sich für den Wahlkampf auf und die kooperative Arbeitsweise der Regierungsparteien beginnt zu bröckeln. Trotz dieser nachlassenden Kompromissbereitschaft, sieht der Sitzungskalender des Bundestags noch einige Plenarwochen vor und Entwürfe, die nun in den Parlamentsbetrieb kommen, haben durchaus noch die Chance verabschiedet zu werden. Aber die parteilichen Unterschiede, die in einer Großen Koalition für viele Betrachter in den Hintergrund zu geraten scheinen, werden nun wieder betont und sollen dem Wähler aufgezeigt werden. Auch im letzten Bundestagswahlkampf unterschieden sich die gesundheitspolitischen Positionen der CDU und SPD nicht nur, sondern schlossen sich im Grundgedanken gegenseitig aus. Im Wahljahr 2013 standen sich das Bekenntnis zum dualen Krankenversicherungssystem und die Forderung nach einer Bürgerversicherung gegenüber. Dennoch verständigten sich CDU, CSU und SPD auf ein 10 ½ Seiten starkes Kapitel „Gesundheit und Pflege“ im Koalitionsvertrag. Bemerkenswert ist, dass mit dieser Grundlage, in der 18. Wahlperiode viele tiefgreifende und richtungsweisende Gesetze und Maßnahmen auf den Weg gebracht und abgeschlossen wurden, die die handschrift der Union trugen.

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Thema Pflege ganz oben

Denn eines war damals schon klar: Die Herausforderungen an das Gesundheitssystem sind in den letzten Jahren gestiegen, neue Probleme taten sich auf und alt bekannte Probleme schienen nicht zu weichen. Der demographische Wandel, der medizinische Fortschritt, die steigenden Gesundheitsausgaben und die mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen verbundenen Chancen und Lasten gelten für keinen mehr als Neuigkeit. Ende Februar 2017 stuften viele Bürgerinnen und Bürger das Thema Pflege als eines der wichtigsten Themen für ihre Wahlentscheidung ein. Das verwundert kaum. Anders als der Syrienkonflikt oder die Zinspolitik der EZB begegnen sie der Pflegeversorgung in ihrem Alltag. Nur die Wenigsten haben keine Angehörige, bei denen sich früher oder später die Frage nach der Pflegeversorgung stellt. Den meisten ist bewusst, dass die Zahl der Pflegebedürftigen in den kommenden Jahrzehnten unaufhörlich wachsen, und die Frage nach Versorgung und Finanzierung, die Gesellschaft vor Probleme stellen wird. Deshalb war es genau richtig, dass Bundesgesundheitsminister Gröhe und der Bundestag sich in dieser Wahlperiode mit mehreren Gesetzen, Kampagnen und Initiativen, auf dieses Thema fokussiert haben.

Gutes Fundament

Mit den drei „Gesetzen zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften“, den sogenann-

ten Pflegestärkungsgesetzen (PSG), wurde das Fundament für eine moderne und zukunftsfähige Pflegepolitik gelegt. Keine bisherige Reform, seit der Einführung der Pflegepflichtversicherung 1995, war so umfassend. Durch das PSG I wurden die Betreuungsangebote ausgebaut und deutliche Mehrausgaben für Leistungsempfänger beschlossen. Den Pflegebedürftigen stehen also quantitativ und qualitativ mehr Leistungen zur Verfügung. Außerdem wurden Leistungen für Demenzerkrankte ausgeweitet. Zur Finanzierung wurden die Pflegebeitragssätze leicht erhöht und ein Pflegevorsorgefonds eingerichtet. Zu strukturellen Änderungen kommt es mit dem im Dezember 2016 verabschiedeten dritten Pflegestärkungsgesetzt. Kommunen können in die Organisation von Beratungs- und Pflegeangebote eingebunden werden und sich besser um ein lokales Versorgungsnetz kümmern. Darüber hinaus werden die Kontrollmechanismen der Krankassen gegenüber ambulanten Pflegediensten ausgeweitet um betrügerische Dienstleister besser zu erkennen und gegen diese vorzugehen. Die Verbesserung der Pflege war auch Teil in den gesetzlichen Regelungen zur Sicherstellung einer flächendeckenden stationären Versorgung. Mit der Einrichtung der Kurzzeitpflege wird es Patienten ermöglicht, temporär eine pflegegleiche Betreuung nach einem Unfall, Krankenhausaufenthalt oder einer ambulanten Operation in Anspruch zu nehmen,


BILANZ ohne dauerhaft in einen Pflegegrad und damit als Pflegebedürftig eingestuft zu werden. Mit dem „Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung“ wurden organisatorische und finanzielle Verbesserung der Krankenhauslandschaft angerregt. Mit einem Förderprogramm, stehen den Krankenhäusern im Zeitraum 2016-2018, 660 Millionen Euro für Einrichtungen von Pflegestellen zur Verfügung. Ab diesem Jahr gibt es einen Pflegezuschlag für Krankenhäuser, der die Häuser dazu motiviert angemessene Pflegeausstattungen einzurichten.

Bessere Finanzierung der Krankenhäuser

Der besseren Finanzierung der Krankenhäuser ist man ebenso durch eine Reihe von Maßnahmen nachgekommen. Bestehende Zuschläge werden überarbeitet und neue Zuschläge eingeführt. Entsprechend ihrer stationären Notfallversorgung bekommen Krankenhäuser zukünftig neue Zuschläge. Durch eine bundesweite Annäherung, steigen in vielen Bundesländern die Länderbasisfallwerte, sodass höhere Erstattungskosten den Krankenhäusern zu Gute kommen. Mit der Einrichtung eines Strukturfonds in Höhe von einer Milliarden Euro, werden die Länder motiviert, zusätzlich zur bestehenden Investitionsförderung, in die Krankenhäuser zu investieren. CDU und CSU standen und stehen weiterhin gegen die aktive Sterbehilfe. Gerade deswegen wurde mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland“, der palliative Gesundheitsbereich gestärkt. Das Gesetz verankert die Hospiz- und Palliativversorgung als festen Bestandteil des Versorgungsauftrages der Pflegeversicherung. GKV-Versicherter haben nun das Recht auf eine individuelle Beratung und Hilfestellung. Palliativversorgung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege wird gestärkt, indem sie für Pflegedienste abrechenbar gemacht wurden. Ambulante Hospizdienste werden außerdem finanziell gestärkt und erhalten dadurch größeren personellen Spielraum. Um die Palliativversorgung in Krankenhäusern zu stärken, können die Häuser eigene individuelle Entgelte mit den Kostenträgern vereinbaren. Darüber hinaus wird die Möglichkeit gefördert mit externen Hospizdiensten zu kooperieren, wenn keine eigenen palliativen Strukturen vorhanden sind.

Problem: Unterversorgte Regionen

Der Problematik unterversorgter Regionen, vor allem in ländlichen Gebieten wurde mit dem „Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (Versorgungsstärkungsgesetz) entgegengewirkt. Das Versorgungsstärkungsgesetz der GKV soll eine vom Wohnort unabhängige Versorgungsstruktur fördern. Den lokalen und regionalen Behörden wird mehr Spielraum zur Schaffung von Niederlassungsanreizen geboten. Kommunen steht darüber hinaus die Möglichkeit zur Verfügung, Medizinische Versorgungszentren zu errichten. Ebenso wird aktuell die Anzahl der Weiterbildungsstätten massiv erhöht. Die Einrichtung von Terminservicestelle soll der Ungleichbehandlung von gesetzlich Krankenversicherten entgegenwirken. Diese Servicestellen sollen den Patienten innerhalb von 4 Wochen einen Termin bei einem Facharzt vermitteln. Die Servicestellen achten dabei auf die Erreichbarkeit des Arztes, für den Patienten. Statistiken zeigen, dass es in der Vielzahl der Fälle gelingt, einen zeitnahen Termin zu vereinbaren. Zum Teil schneller als bei Privatversicherten. Die genannten Gesetze sind nur ein Teil der abgeschlossenen legislativen Maßnahmen in der 18. Wahlperiode. Der CDU – federführend dem Gesundheitsminister Hermann Gröhe – ist eine Vielzahl an mutigen und richtungsweisenden Maßnahmen gelungen. Das Fundament einer zukunftsfähigen, gleichberechtigten, bezahlbaren und qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung wird auch mit diesen Reformwerken sichergestellt. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass die gesundheitspolitischen Forderungen der CDU im Jahr 2017 leiser ausfallen würden. Ein sich ständig wachsendes und änderndes System erfordert auch eine begleitende Anpassung.

Freiheitlichen Ansatz beibehalten

Es gilt die Kernelemente unseres Gesundheitswesens beizubehalten und ständig zu verbessern. Das Gesundheitssystem hat eine soziale Verpflichtung zur gesundheitlichen Versorgung aller Bürgerinnen und Bürger. Gleichzeitig gilt es den freiheitlichen Ansatz, also die freie Arzt- und Krankenhauswahl, die Therapiefreiheit oder die Unabhängigkeit der Gesundheitsberufe, zu bewahren. Beide Elemente haben das Wohlergehen und die Gesundheit des Patienten im Fokus. Die

CDU ist der Überzeugung, dass diese beiden Elemente am besten funktionieren, wenn die Bedeutung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erkannt und als Chance verstanden wird. Die Gesundheitswirtschaft ist ein flächendeckender Arbeitgeber für rund 7 Millionen Beschäftigte. Mit einer jährlichen Bruttowertschöpfung von fast 330 Milliarden Euro, trägt die Gesundheitswirtschaft zu ca. 19% der Gesamtwirtschaftsleistung in der Bundesrepublik bei. Wir setzen uns für eine ausbalancierte Gesundheitspolitik ein, in der Wirtschaftlichkeit und Patientenwohl sich gegenseitig positiv bedingen. Deshalb werden wir uns in dieser und in der kommenden Legislaturperiode für die Weiterentwicklung des dualen Versicherungssystems, einen Ausgleich zwischen Mitwirkpflicht und Eigenverantwortung der Patienten einerseits bei Berücksichtigung der individuellen Leistungsfähigkeit andererseits und für die Förderung einer leistungsstarken Wirtschaft einsetzen, denn diese ist Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit unserer sozialen Sicherungssysteme.

DR. MATHIAS HÖSCHEL

Mathias Höschel, MdB, geboren am 29. März 1967; verheiratet; vier Kinder. Seit 1987 Mitglied im FVDZ; seit 1995 Mitglied in der DGZMK; seit 1995 Mitglied in der DGKFO; seit 1997 Mitglied in der IGKFO – Sprecher des Vorstandes; seit 1999 Mitglied im BDK – Mitglied des Vorstandes BDK-Nordrhein; seit 2006 Mitglied der PVS rhein-ruhr. 1982-1986 Schüler-Union Meerbusch; 1986-2002 Junge Union Meerbusch; seit 2000 CDU Düsseldorf und MIT der CDU; seit 2004 Vorsitzender des Gesundheitspolitischen Arbeitskreises der CDU-NRW; seit 2008 Mitglied im Bundesfachausschuss Gesundheit und Pflege der CDU; seit 07. Dezember 2016 Mitglied des Deutschen Bundestages

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PRO RETINA

Die eigene Erblindung nicht nur passiv erleben müssen

PRO RETINA e.V.

Vier Jahrzehnte für Menschen mit Netzhautdegenerationen Von Ute Palm An blinde Menschen im Alltag haben wir uns mittlerweile sehr gewöhnt. Sie tasten in einem beachtlichen Tempo mit ihrem Langstock über die Gehwege oder lassen sich sicher von einem Blindenhund führen. Vielen unbekannt ist jedoch noch immer, dass nicht jeder blind geboren oder durch Unfall blind wird, sondern Millionen Menschen in Deutschland mehr oder weniger stark sehbehindert sind.

Menschen mit Retinitis pigmentosa leiden beispielsweise an einem sogenannten Tunnelblick – erst unbemerkt, bis sich dieser Tunnel immer weiter schließt. Diesen Patienten und ihren Angehörigen war es 1977 unverständlich, dass die seit 100 Jahren bekannte Krankheit nicht weiter zur Kenntnis genommen und keine wirklichen Lösungsansätze entwickelt wurden. Um dies zu ändern, gründeten sie eine Selbsthilfevereinigung: PRO RETINA Deutschland e.V.

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Die bundesweit tätige Patientenvereinigung von und für Menschen mit einer Netzhauterkrankung mit ihren heute rund 6000 Mitgliedern hat sich zum Ziel gesetzt, Forschung zu fördern, die Krankheit im Alltag zu bewältigen und dazu beizutragen, dass Betroffene selbstbestimmt leben können. Hierzu gehören unter anderem seltene Netzhauterkrankungen wie Retinitis pigmentosa (RP), Usher-Syndrom, Atrophia gyrata, Bardet-Biedl-Syndrom, Chorioideremie, Lebersche Kongenitale Amaurose (LCA), Refsum-Syndrom, Morbus Stargardt, Zapfen-Stäbchen-Dystrophie (ZSD), Morbus Best u.a.m. Es handelt sich hierbei um teilweise sehr seltene Netzhauterkrankungen; an Retinitis pigmentosa leiden in Deutschland ca. 30.000 bis 40.000 Menschen. Allen Krankheitsbildern ist gemein, dass sie mit einer fortschreitenden, schwerwiegenden Sehbe-

einträchtigung einhergehen, die in manchen Fällen die Erblindung zur Folge haben kann.

Weitreichende Konsequenzen

Neben den seltenen Erkrankungen gibt es aber vor allem die altersabhängige Makuladegeneration (AMD), die als häufigste Ursache der Erblindung in den Industrieländern gilt und an der in Deutschland ca. vier Millionen Menschen leiden. Da diese Erkrankungen therapeutisch mitunter gar nicht oder nur sehr eingeschränkt beeinflussbar sind, hat dies für alle Betroffene hinsichtlich der weiteren Lebensplanung weitreichende Konsequenzen: Sie werden blind und ihre Zukunftsvisionen in der Regel obsolet. Um den zahlreichen drohenden Einschränkungen entgegen zu wirken, ist eine Fülle von Maßnahmen erforderlich, die durch die Selbsthilfe unterstützt wird.

Patienten und Kostenträger entlasten

Eine gute Nachricht: Hier hat sich in den letzten vier Jahrzehnten – auch durch die aktive Arbeit von PRO RETINA – sehr viel getan. Um ein Hilfsmittel optimal vor dem Kauf auswählen zu können, ist es nötig, es intensiv testen zu können. Der Fachbereich Hilfsmittelberatung informiert über aktuelle und neue Entwicklungen, berät bei der Auswahl und Finanzierung und unterstützt bei der Nutzung. Ein Schwerpunkt sind Hilfen


PRO RETINA bei der Nutzung des PC. Die Beratung erfolgt auch über Telefon und Mailinglisten sowie verschiedene Broschüren. 16 „Depots“ halten umfassende Sätze von Kantenfiltergläsern zum Ausprobieren bereit. Dadurch können Fehlinvestitionen vermieden werden, die ansonsten Kostenträger und behinderte Menschen unnötig finanziell belasten würden.

Selbsthilfe durch Pro Retina

Die PRO RETINA berät in ihren Regionalgruppen, Arbeitskreisen und Patientensprechstunden ehrenamtlich, unabhängig und neutral. Dem Selbsthilfegedanken folgend sieht sich PRO RETINA als Gemeinschaft, in der sich jedes Mitglied mit seinen Fähigkeiten am Vereinsleben beteiligen und mitarbeiten kann. Die Sozialberater der PRO RETINA unterstützen beispielsweise bei der Antragstellung in Rentenversicherungsbereich und bei Schwerbehindertenausweisen. Die Regionalgruppen der PRO RETINA haben eine unverzichtbare Aufgabe wie die persönliche Beratung der Ratsuchenden, die Organisation und Durchführung regelmäßiger Treffen und regionale Veranstaltungen. Häufig sind die Regionalgruppen der erste Kontakt von Patienten zu Menschen mit ähnlichen Erkrankungen. Sie zeigen dem betroffenen Menschen, wie durch Selbsthilfe und gegenseitige Hilfe das Leben mit der Netzhauterkrankung gemeistert werden kann und unterstützen auch die Angehörigen. Der Grundgedanke: Wer könnte Neu-

diagnostizierten besser helfen als Betroffene, die alle Tiefen von der Erstdiagnose bis zur Neuorientierung durchlebt haben?

aufklären und unterstützen. Daneben soll sich in der breiten Öffentlichkeit ein Verständnis für Sehbehinderungen entwickeln: Für viele Menschen ist es noch immer unverständlich, dass der eben noch zur eigenen Sicherheit mit einem Langstock eilende Mensch nun Zeitung liest – und trotzdem kein Simulant ist. Weitere Informationen unter www.pro-retina.de oder über unseren kostenlosen Newsletter.

Die Aktiven unterhalten ein starkes Netzwerk zu externen Partnern: Ärzten, Krankenkassen, Forschern, Industrie, Hilfsmittelherstellern, Rehabilitationsträgern, Städteplanern, gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsträgern sowie nationalen und internationalen Behindertenverbänden.

UTE PALM

Patientenregister

Zur Unterstützung der Forschung hat die größte diagnosespezifische Selbsthilfevereinigung vor 10 Jahren die „PRO RETINA Stiftung zur Verhütung von Blindheit“ gegründet. PRO RETINA regt selbst Forschungsprojekte an und trägt so zu neuen Therapien bei. Im Patientenregister können sich Betroffene mit ihrer exakten Diagnose anmelden – ein unschätzbarer Wert für Forscher, um den Erfolg neuer Therapien zeitnah testen zu können. Mit dem jährlich stattfindendem Potsdam Colloquium unterstützt PRO RETINA Stiftung junge Wissenschaftler und vergibt einen Preis für besondere Arbeiten auf dem Gebiet der Retinitis pigmentosa und Makula-Forschung.

Ute Palm, Vorstandsmitglied der PRO RETINA Deutschland e.V., Leiterin der Regionalgruppe Köln, Vorstandsmitglied der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE e.V.), Mitglied im Kulturausschuss der Stadt Köln, Stadtarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik, der kommunalen Gesundheitskommission, im Arbeitskreis barrierefreies Köln, im Arbeitskreis Mobilität für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Sie ist selbst RP-Betroffene

Das selbsterklärte Ziel ist es, dass der Verein eines Tages unnötig wird, weil Blindheit, wie andere Krankheiten, geheilt werden kann. Bis dahin wollen die Betroffenen

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ARZT-INFORMATIONS-SYSTEM

Wolf im Schafspelz

Das Arzt-Informations-System als Verordnungssteuerung Von Christian Kruse

Der Deutsche Bundestag hat das „AMVSG“ am 9.03.2017 verabschiedet. Das Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz mit dem sperrigen, aber durchaus positiv klingenden Namen, ist das Ergebnis des ressortübergreifenden Austausches der drei Bundesministerien BMG, BMWi und BMBF. Dieser „Pharma-Dialog“ wurde mit dem Ziel initiiert, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die deutsche Pharmaindustrie nach etlichen Spargesetzen und der weiterhin problembehafteten frühen Nutzenbewertung zu verbessern. Das Gesetz suggeriert eine Verbesserung der Arzneimittelversorgung, etabliert jedoch ein Informationssystem mit massiver verordnungssteuernden Wirkung, das die Therapiefreiheit der Ärzte weiter einschränkt. Neben

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diesem Punkt, der für die Patienten weitreichende Folgen haben wird, werden folgende Punkte zu Lasten der Pharmaindustrie beschlossen:

0 Das Preismoratorium und der Zwangsrabatt werden bis 2022 verlängert

Stand: 13.02.2017 I Zeitraum: Seit Einführung des AMNOGs I ohne Orphan Drugs I 183 Verfahren


ARZT-INFORMATIONS-SYSTEM 0 Wirkstoffe aus dem Bestandsmarkt können nun doch bei neuer Zulassung und neuem Unterlagenschutz vom G-BA zur Nutzenbewertung aufgerufen werden 0 Einführung eines Strafabschlages bei „Nichtvorlage“ oder Vorlage eines unvollständigen Dossiers. Hier soll der Preis künftig unter dem Preis der zweckmäßigen Vergleichstherapie liegen 0 Verpflichtung zur Abbildung der Beschlüsse des G-BA`s über den Zusatznutzen neuer Arzneimittel in den Praxisverwaltungssystemen Vor allem der harmlos klingende letzte Punkt hat es in sich. Denn was hier nach neutraler Bürokratie klingt, ist in Wirklichkeit eine Revolution in der deutschen Arzneimittelversorgung, die für pharmazeutische Unternehmen, Ärzte und Patienten drastische Folgen haben kann. In den ersten Diskussionen zum Ende des PharmaDialoges wurde dieses Projekt ArztInformations-System (AIS) genannt. Warum handelt es sich um eine Revolution der Arzneimittelversorgung? Bisher hatten die Ergebnisse aus der frühen Nutzenbewertung nach AM-

NOG nur Einfluss auf die anschließenden Preisverhandlungen. Arzneimittel, die den Zusatznutzen aus den unterschiedlichsten Gründen nicht belegen konnten, haben maximal den Preis der zweckmäßigen Vergleichstherapie (ZVT) erhalten. Bei belegtem Zusatznutzen in unterschiedlicher Höhe gab es einen Preisaufschlag auf den Preis der ZVT. Hat ein Arzneimittel nur für einen bestimmten Teil der Patienten in seinem Anwendungsgebiet einen Zusatznutzen belegen können, wurde dieser Umstand in der Preisverhandlung in einem „Mischpreis“ berücksichtigt. Mit dem AIS bekommt der Beschluss über den Zusatznutzen nun eine größere Bedeutung. Er wird sich in Zukunft direkt auf die Verordnungsfähigkeit auswirken, da der GKV Spitzenverband die Verordnung in Subgruppen ohne Zusatznutzen trotz des ausgehandelten Mischpreises für nicht wirtschaftlich hält. In Verbindung mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung wird das Signal gesendet, dass Arzneimittel in Subgruppen ohne belegten Zusatznutzen nur noch mit Begründung verordnet werden können. Dieser bürokratische Mehraufwand für die Ärzte lässt vermuten, dass das Informationssystem ganz automatisch eine sehr verordnungssteuernde Wir-

kung erzielt. Kann der Patient keiner Subgruppe mit belegtem Zusatznutzen zugeordnet werden, wird die Verordnung der Arzneimittelinnovation für den Arzt riskant – die Sorge vor Regressdrohungen ist groß. Wie kam es zum AIS? Das AIS wurde vom Verband der forschenden Arzneimittelhersteller in die Diskussion gebracht. Denn es wurde schon länger bemängelt, dass Arzneimittel mit belegtem Zusatznutzen in der Versorgung nicht häufiger Verwendung fänden, als Arzneimittel ohne belegten Zusatznutzen. Mit dem Arzt-Informations-System wollte man Abhilfe schaffen und die Ärzte besser über neue Arzneimittel-Innovationen mit belegtem Zusatznutzen informieren, um diese in der Versorgung zu stärken. Unklar ist jedoch, wie der Verband positiv über die Arzneimittel mit belegtem Zusatznutzen informieren möchte, ohne die Arzneimittel ohne belegten Zusatznutzen zu benachteiligen. Noch verwunderlicher ist diese Forderung vor dem Hintergrund, dass der Zusatznutzen in allen Verfahren seit Einführung der frühen Nutzenbewertung nur für ca. 26% der Patienten belegt werden konnte. Für ca. 74% der Patientinnen und Patienten konnte der Zusatznutzen nach der deutschen Ermittlungsmethodik nicht belegt werden. Was bedeutet die Einführung eines AIS?

Stand: 13.02.2017 I Zeitraum: Seit Einführung des AMNOGs I ohne Orphan Drugs I 432 Subgruppen

Was in den Ergebnissen des Pharma-Dialoges noch relativ schwammig als bessere Information für die Ärzte formuliert wurde, ist kurze Zeit später, im ersten Referentenentwurf zum AMVSG, schnell sehr konkret geworden. Hatte man vorher noch von einer unabhängigen, neutralen Informationsplattform geträumt, wurde die Hoheit Am Puls

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ARZT-INFORMATIONS-SYSTEM über das AIS hier schon dem G-BA übertragen. Er soll seine Beschlüsse in Zukunft in elektronisch auslesbarer Form den Praxis-Software-Herstellern zur Verfügung stellen. Diese werden wiederum dazu verpflichtet, die G-BA Beschlüsse in ihre Praxissoftware zu integrieren und den Ärzten darzustellen. Die Übermittlung der minimalen Kerninformationen (Basisinformationen zum Wirkstoff, Definition der Subgruppen aus der Nutzenbewertung mit der jeweiligen zweckmäßigen Vergleichstherapie (ZVT) + Beschluss in den einzelnen Subgruppen) kann und wird sehr schnell erfolgen, da diese Daten bereits standarisiert zur Verfügung stehen. Pharmazeutische Unternehmen, deren Verbände, medizinische Fachgesellschaften und einige andere Stakeholder halten die reine Übermittlung des Beschlusses jedoch zurecht für viel zu verkürzt und fordern eine breitere Information, z. B. die Integration von medizinischen Leitlinien und Therapieempfehlungen. Alle diese Forderungen können jedoch nicht zeitnah umgesetzt werden, da diese Informationen bisher nicht standarisiert vorliegen. Sie müssen erst „schnittstellenfähig“

aufbereitet werden. Doch bevor das überhaupt möglich wäre, müsste erst eine Abstimmung darüber erfolgen, welche zusätzlichen Daten integriert werden sollen, welche Anforderung an die Form der Informationen gestellt werden müssen und wie diese Informationen im System dargestellt werden können. Hinzu kommt, dass die medizinischen Leitlinien auch Arzneimittel empfehlen, denen der G-BA keinen Zusatznutzen bescheinigt. Solche Fälle dürften in den Praxen für Verwirrung sorgen. In wenigen Monaten werden die Ärzte bei der Verordnung daher wahrscheinlich erst mal mit den BasisInformationen zum Wirkstoff, den einzelnen Subgruppen aus der G-BA Bewertung und deren jeweiligen ZVT`s + dem Ergebnis der Beschlüsse konfrontiert werden. Im schlimmsten Falle werden diese Informationen noch mit direkten Hinweisen zur Wirtschaftlichkeit angereichert. Das AIS wird zu einer Art Wolf im Schafspelz. „Wer hat im Zeitalter der Transparenz etwas dagegen, den Arzt zu informieren und Beschlüsse besser zugänglich zu machen?“ Mit dieser Argumentation wird eine Absage

Stand: 13.02.2017 I Zeitraum: Seit Einführung des AMNOGs I ohne Orphan Drugs

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an ein AIS gerne als unmöglich dargestellt. Diese Argumentation ist jedoch falsch. Schon heute sind die G-BA Beschlüsse für jedermann, jederzeit und sofort auf der G-BA Seite einsehbar, jedoch nur in einer sehr benutzerunfreundlichen Aufbereitung. Nur Experten mit Vorkenntnissen sind derzeit in der Lage die gewünschten Informationen in den unübersichtlichen Dokumenten zu finden. Das dürfte auch der Grund sein, warum die Nutzenbewertungsbeschlüsse in der ärztlichen Verordnung bisher nicht berücksichtigt werden. Fazit: Aus meiner Sicht hätten der G-BA und die Kassen anfangs verpflichtet werden müssen, die Beschlüsse besser aufzubereiten und die für die Verordnung relevanten Informationen einfacher zugänglich zu machen. Das wäre auch ohne die verordnungssteuernde Integration in die Praxissoftware möglich gewesen. Wem es wirklich nur um neutrale und bessere Information des Arztes geht, hätte eine unabhängige Informationsplattform außerhalb der Praxissoftware fordern müssen, die den G-BA Beschluss lediglich – seinem realen Stellenwert angemessen – als einen Teil diverser Entscheidungsgrundlagen für eine Therapieentscheidung darstellt. Eine stärkere Einbindung des Know-hows der medizinischen Fachgesellschaften ist ebenfalls wünschenswert. Das zeigt schon die oft kritisierte „Realitätsferne Subgruppenbildung des G-BA“, die sich bisher nur auf die Preisbildung auswirkte, nun aber in der realen Verordnung in der Praxis berücksichtigt werden muss. Hinzu kommt, dass die Nutzenbewertung zu diesem frühen Zeitpunkt


ARZT-INFORMATIONS-SYSTEM sicher nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Gerade in der Onkologie zeigt sich der reale Zusatznutzen neuer Arzneimittel erst in der breiten Anwendung. Wer an einer schnellen und breiteren Information der Ärzte interessiert ist, sollte sich für eine zeitnahe Veröffentlichung der Stellungnahmen zu Nutzenbewertungen durch den G-BA einsetzen. Zum in der Öffentlichkeit über Monate diskutierten Wirkstoff „Sofosbuvir“ (2014) werden die Stellungnahmen der medizinischen Fachgesellschaften auf der G-BA Seite seit knapp drei Jahren nicht veröffentlicht. Viel wichtiger als die Übertragung der verkürzten G-BA Beschlüsse in ein AIS ist die Herstellung von Transparenz über die Entscheidungsgrundlagen des G-BA. Größtes Problem dürfte jedoch die Komplexität aller Informationen werden. Selbst die minimalst angelegte Information über die Kerninformationen der Nutzenbewertung kann bei einigen Wirkstoffen mehrere DIN A 4 Seiten füllen. Ein Wirkstoff kann durchaus über zehn Subgruppen mit teils unterschiedlichen zweckmäßigen Vergleichstherapien aufweisen. Da dem Arzt für die Verordnung eines Arzneimittels in der Regel nur eine sehr begrenzte Zeit zur Verfügung steht, ist unklar, wie er vor dem Ausstellen seines Rezeptes mehrere DIN A 4 Seiten lesen soll, um seinen Patienten einer Subgrup-

pe zuzuweisen und den Zusatznutzen zu überprüfen. Die berechtigte Forderung nach breiterer Information ist zu unterstützen, wird aufgrund der Komplexität nur schwer umzusetzen sein. Therapiefreiheit konterkariert Die einfache Integration der reinen G-BA Beschlüsse in die Praxis-Software der Ärzte ist jedoch gefährlich, da sie lediglich einen Teil der Basis einer Therapieentscheidung darstellen sollten. Der Gesetzgeber hätte klarstellen müssen, dass die Verordnung in allen Subgruppen – auch ohne belegten Zusatznutzen – durch den Mischpreis wirtschaftlich ist. Durch diesen Umstand wird aus dem Informationssystem ein Verordnungssteuerungssystem, das die Therapiefreiheit der Ärzte weiter konterkariert. Wer sich nun darauf beruft, dass bei guter Begründung weiterhin auch in Subgruppen ohne belegten Zusatznutzen verschrieben werden kann, muss sich darauf einstellen, dass er das für nutzenbewertete Arzneimittel in Zukunft für ca. 76 % seiner Patientinnen und Patienten tun muss. Eine Verbesserung der Informationen über neue, innovative Arzneimittel ist absolut wünschenswert. Diese Informationen müssen jedoch neutral und unabhängig unter stärkerer Einbindung der medizinischen Fachgesellschaften zusammengestellt werden. Die kurzen Fristen, die das

AMVSG für die Umsetzung des AIS vorsieht, sind für die komplexe Umsetzung und die sich daraus ergebenden Probleme mit den weitreichenden Folgen unangemessen. Die Einführung des AIS in den Praxen darf erst erfolgen, wenn geregelt wurde, welche Informationen neben den G-BA Beschlüssen zur Verfügung stehen müssen und welche Relevanz diese haben. Wie soll ein Arzt z. B. verordnen, wenn ein neuer Wirkstoff in der Leitlinie empfohlen wird, dieser im G-BA Beschluss jedoch kein Zusatznutzen belegen konnte?

CHRISTIAN KRUSE

Christian Kruse, 34, Berlin, berät als freier Public & Policy Affairs Consultant acht Pharma-Unternehmen und ist Chefentwickler sowie Inhaber der Nutzenbewertungsdatenbank mit Analysesoftware: amnog-journal.de

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LANDTAGSWAHL NRW falen seit Amtsantritt der Ministerpräsidentin stark zugenommen, während sie in vielen anderen Teilen Deutschlands zurückgegangen sind.

Rot-Grün lässt reihenweise Kinder zurück Die Ministerpräsidentin hatte das Ziel „Kein Kind zurücklassen“ zum Schwerpunkt ihrer Regierung gemacht und damit ihre „präventive Haushaltspolitik“ - also schuldenfinanzierte Präventionsprogramme - begründet. Doch heute, sieben Jahre später, ist das Gegenteil der Fall. Obwohl der Schuldenberg trotz Rekordsteuereinnahmen und historischem Niedrigzins in ihrer Regierungszeit um knapp 14 Milliarden Euro angestiegen ist, blieb das Ziel der Ministerpräsidentin, kein Kind zurückzulassen, auf der Strecke. Heute leben rund 36.500 Kinder mehr von Hartz IV als 2010.

Nordrhein-Westfalen kann mehr –

Politischer Richtungswechsel für einen neuen Aufbruch in unserem Land! Von Armin Laschet, MdL

Nordrhein-Westfalen ist das bevölkerungsreichste Bundesland, es ist das größte Industrieland, es hat die dichteste Hochschul- und Forschungslandschaft und es hat eine enorme Vielfalt von großen Städten und ländlichen Räumen. Kurzum: Nordrhein-Westfalen ist ein Land voller Potenziale. Doch diese Potenziale können sich nicht entfalten. Die Folge: Wann immer ein neuer Ländervergleich erscheint, kann man sicher sein, dass unser Land Schlusslicht ist. Besonders alarmierend war die Nachricht, dass Nordrhein-Westfalens Wirtschaft nicht mehr wächst. Nordrhein-Westfalen – das industrielle Zentrum Deutschlands – war 2015 mit 0,0 Prozent Wirtschaftswachstum das

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Schlusslicht aller Bundesländer. Während die Wirtschaft im Bundesdurchschnitt um 1,7 Prozent wuchs, stagnierte sie bei uns. Wirtschaftsschwäche trifft die Menschen Das Wirtschaftswachstum ist nicht irgendein abstrakter Wert, der nur für Statistiker interessant wäre. Nein: das fehlende Wirtschaftswachstum trifft die Menschen in Nordrhein-Westfalen. Die Arbeitslosigkeit in unserem Land lag im Januar 2017 rund 35 Prozent über dem westdeutschen und 22 Prozent über dem Bundesschnitt. Sogar Thüringen und Sachsen haben mittlerweile eine geringere Arbeitslosigkeit. Eine Folge der überdurchschnittlich hohen Arbeitslosigkeit: die allgemeine Armut und vor allem die Kinderarmut haben in Nordrhein-West-

Das effektivste Mittel gegen Kinderarmut, so eine Studie der Hans-BöcklerStiftung, ist Beschäftigung. Kinder, deren Eltern ein geregeltes Einkommen haben, sind am wenigsten von Armut bedroht und haben die besten Chancen auf eine erfolgreiche Schullaufbahn. Gleichzeitig ist Beschäftigung die beste Voraussetzung für hohe Steuereinahmen und somit für Investitionsmöglichkeiten des Landes. Rot-Grün scheint diesen Zusammenhang nicht erkannt zu haben. Deshalb sind nicht nur die Investitionen in die Infrastruktur sondern auch die Bildungsausgaben nirgendwo so gering wie


LANDTAGSWAHL NRW in Nordrhein-Westfalen. Die Folgen sind ein hoher Unterrichtsausfall, große Klassen, zu wenig Sonderpädagogen für eine erfolgreiche schulische Inklusion und zu wenig Lehrer für die Beschulung von Flüchtlingskindern. Durch diese handwerklich schlechte Politik werden vor allem den schwächeren und benachteiligten Kindern und Jugendlichen in unserem Land wichtige Chancen genommen.

Was jetzt nötig ist Wir fordern schon lange eine Politik, die die Menschen in den Mittelpunkt stellt, ihnen Vertrauen schenkt und Freiräume für Innovationen und Eigeninitiative gibt. Wir brauchen zudem eine Politik, die die Wettbewerbsfähigkeit unserer heimischen Wirtschaft stärkt und zu Investitionen und Innovationen einlädt. Denn nur so ist Wirtschaftswachstum möglich, nur so können wir den Wohlstand und die Lebensqualität in unserem Land erhalten und mehren. Und nur so werden wir mehr Steuereinnahmen für Investitionen in Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Straßen, Schienen und den Breitbandausbau haben. Deshalb müssen Wachstumsbremsen wie die überbordende Bürokratie sowie überflüssige Gesetze und Verordnungen abgebaut werden. Denn sie schränken die Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger ebenso wie der Unternehmer in unserem Land ein. Statt immer neuer Regeln brauchen wir eine klare Priorität für Arbeitsplätze. Dazu gehört auch, für eine leistungsfähige analoge und digitale Infrastruktur zu sorgen. Nur so

kommt unser Land wieder an die Spitze.

Neuer Aufbruch für unser Land

Für eine hohe Lebensqualität

Nordrhein-Westfalen ist ein Land voller Potenziale und Chancen. Es ist die Aufgabe der Landespolitik, diese Potenziale zu heben und die Chancen zu ergreifen. Unser Ziel ist es, den Raum und den Rahmen für Innovationen und Eigeninitiative, für mehr Investitionen und ein starkes Unternehmertum zu schaffen. Damit Nordrhein-Westfalen bald wieder stark wird und zur Spitzengruppe in Deutschland aufschließt. Denn dort gehört unser Land hin.

Nordrhein-Westfalen ist ein liebens- und lebenswertes Land. Zur hohen Lebensqualität gehört auch eine gute und flächendeckende medizinische Versorgung. Doch auch hier sind mehr Investitionen nötig. Wir brauchen leistungsfähige Krankenhäuser, die den Anforderungen einer älterwerdenden Gesellschaft gerecht werden. Hier hat die rot-grüne Landesregierung in den zurückliegenden Jahren keinerlei Initiative für eine nachhaltige Entwicklung gezeigt. Laut einer Studie des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsinstituts fehlt den 352 NRW-Kliniken jährlich eine Milliarde Euro. Wir treten dafür ein, die Krankenhauslandschaft in NordrheinWestfalen vor allem in Bezug auf die sich verändernden Bedarfe und die Versorgungsqualität weiterzuentwickeln. Dazu bedarf es einer soliden Finanzierung und ausreichend finanzieller Mittel für Investitionen in technischen Fortschritt und Digitalisierung. Im ländlichen Raum finden viele ältere Ärzte keinen Nachfolger mehr, wodurch dort die medizinische Versorgung gefährdet ist. Die rot-grüne Landesregierung hat bisher keine Anstrengungen unternommen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Umso größer und dringender ist der Handlungsbedarf. Wir wollen den Arzt vor Ort und fordern daher, dass mehr Medizin-Studienplätze in Nordrhein-Westfalen bereitgestellt werden. In OstwestfalenLippe gibt es derzeit keine medizinische Fakultät, wodurch die flächendeckende Versorgung dort besonders schwierig wird. Daher treten wir dafür ein, eine neue medizinische Fakultät in Ostwestfalen aufzubauen. Zudem wollen wir jungen Menschen, die bereit sind in einem unterversorgten Gebiet als Arzt tätig zu werden, unabhängig von Numerus Clausus den Zugang zu einem Medizinstudium eröffnen. Auch die Möglichkeiten der Digitalisierung sollten weiterentwickelt und genutzt werden, um telemedizinische Angebote auf- und auszubauen. Dies kann helfen, eine flächendeckende Gesundheitsversorgung in unserem Land sicherzustellen.

ARMIN LASCHET, MDL

Armin Laschet, Landes- und Fraktionsvorsitzender der CDU NRW, Jahrgang 1961, verheiratet, drei Kinder 0 Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in München und Bonn 0 Juristisches Staatsexamen vor dem Oberlandesgericht Köln 0 Journalistische Ausbildung 0 Chefredakteur, Verlagsleiter EinhardVerlag, Aachen 0 1989 bis 2004 Ratsherr der Stadt Aachen 0 1994 bis1998 Mitglied des Deutschen Bundestags 0 1999 bis 2005 Mitglied des Europäischen Parlaments 0 2005-2010: Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen 0 2010: zugleich Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Nordrhein-Westfalen 0 seit 2010: Mitglied des Landtags Nordrhein-Westfalen 0 seit 2012: Landesvorsitzender der CDU Nordrhein-Westfalen und stv. Bundesvorsitzender der CDU Deutschlands 0 seit 2013: Fraktionsvorsitzender der CDU Landtagsfraktion NordrheinWestfalen

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RUDI ASSAUER

DIE RUDI ASSAUER INITIATIVE Von Wilfried Jacobs

Am 07.02.2012 lief in der Dokumentationsreihe “37° Grad” des ZDF der Film “Ich will mich nicht vergessen” von Steffi Schmidt. Dieser Film offenbarte das Alzheimer-Schicksal des ehemaligen Schalke-Managers Rudi Assauer. Er war das Ergebnis einer mehrmonatigen, von gegenseitigem Vertrauen geprägten Begleitung Assauers durch die Autorin und ihrem Team. “Ich will mich nicht vergessen” hat mit der dramaturgischen Verdichtung eines Einzelschicksals der öffentlichen Diskussion über die “Volkskrankheit der Zukunft” einen erfreulichen Schub verliehen. Eine breite mediale Erörterung

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von Problemen und gesellschaftlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit demenziellen Erkrankungen war zeitnah die Folge. Experten aus dem Gesundheitswesen und der Medizin, die sich Rudi Assauer verbunden fühlen, sahen eine wichtige Aufgabe darin, den Schwung dieser angeregten Debatte aufzunehmen und konstruktiv in die Gründung einer gemeinnützigen Demenz-Initiative einzubringen, die den Namen der FußballLegende Rudi Assauer trägt. Werner Hansch, der Freund und Sportmoderator sowie Wilfried Jacobs, der frühere Präsident von Borussia Mönchengladbach waren die Initiatoren der Initiative “Rudi Assauer Gemeinnützige Ini-

tiative Demenz und Gesellschaft (GID) GmbH”, die nach einjähriger Gründungsphase im Frühjahr 2013 ihre Arbeit aufgenommen hat. Fritz Pleitgen, der ehemalige WDR-Intendant, Franz Müntefering, mit dem Assauer sich einst gegen die rechte Szene im Fußball verbündete und Clemens Tönnies, der Vorsitzende des FC Schalke 04 sind Beiratsmitglieder der Initiative. Alle Personen in der Initiative engagieren und arbeiten ehrenamtlich. Es entstehen keinerlei Personalkosten. Es wird kein Geld in die Forschung gesteckt, sondern die Initiative soll dazu beitragen, das Krankheitsbild Demenz zu enttabuisieren und Meinungsbildner gezielt zu informieren. Es werden


RUDI ASSAUER Projekte gefördert, die das Leben der Kranken und Angehörigen verbessern. „Plagiate sind deshalb ausnahmsweise nicht verboten, sondern erwünscht.“, sagt Wilfrid Jacobs. Die Projekte haben vorrangig die Ziele, die Wahrnehmung des Themas Demenz in der Öffentlichkeit zu verändern, die Versorgung von Demenzpatienten im „Quartier“, d.h. im direkten Wohnumfeld zu fördern und das Ehrenamt/die Nachbarschaftshilfe und die Selbsthilfe zu stärken. Ferner auch neue Pflegeformen für demenziell erkrankte Menschen zu entwickeln und innovative Ansätze in der stationären Pflege für Demenzerkrankte aufzuzeigen. Zum vierten Mal vergab die Rudi Assauer Initiative Demenz und Gesellschaft am 19. Dezember vergangenen Jahres, den Rudi Assauer Preis. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe war Gast des Festaktes und sprach die Laudatio für den ersten Preisträger. Wie auch in den vergangenen Jahren war die Rudi Assauer Initiative mit der Preisverleihung zu Gast in der VELTINS-Arena auf Schalke. Er erkenne eine Generationensolidarität, so Gröhe. „Es greift zu kurz Leistungsansprüche an den Sozialstaat zu stellen, es muss mehr Menschen geben, die sagen: ‚Es ist unsere Aufgabe, dass unsere Gesellschaft eine demenzfreundlichere wird.‘“ Alzheimer sei nicht ansteckend, betonte der Bundesgesundheitsminister in seiner Laudatio. „Projekte wie diese, die Alzheimer- und Demenzerkrankten helfen, sollen ansteckend sein.“ Die Rudi Assauer Initiative Demenz und Gesellschaft zeichnet einmal im Jahr mit dem Preis fünf innovative Projekte von Einzelpersonen oder Gruppen aus. Ebenfalls ausgezeichnet werden im Rahmen des sogenannten „Medienpreises“ Informationskampagnen oder Medienberichte, die dazu beitragen, das Krankheitsbild Demenz in der Öffentlichkeit weiter zu enttabuisieren.

Der mit insgesamt 9200 Euro dotierte Preis ging im Jahr 2016 an folgende Preisträger und ihre Projekte: Der erste Preis, dotiert mit 4000 Euro, ging an die Stadt Haltern am See. Die Stadt Haltern am See hat 2010 das Projekt „Zertifizierung jugendlicher Seniorenbegleiter und deren anschließendes Engagement“ ins Leben gerufen und setzt dieses seitdem erfolgreich um. Über den zweiten Preis (3000 Euro) freute sich die AOK Rheinland/Hamburg Servicestelle Demenz in Jülich. Die AOK hat in Jülich eine „Musterwohnung Demenz“ geschaffen. Diese soll pflegenden Angehörigen und Interessierten Möglichkeiten aufzeigen, wie mit einfachen Mitteln die eigene Wohnung für die an Demenz Erkrankten freundlich gestaltet werden kann. Das Projekt „Demenz-Partner“ der Deutschen Alzheimer Gesellschaft (Berlin) wurde mit dem dritten Preis (1000 Euro) ausgezeichnet. „DemenzPartner“ ist eine bundesweite Aufklärungskampagne, deren Ziel es ist, mehr Wissen über Demenzerkrankungen zu verbreiten und damit die Wahrnehmung von Menschen mit Demenzen ihren Familien positiv zu beeinflussen. Der Berliner Poetry Slammer Lars Ruppel freute sich über den vierten Rudi Assauer Preis (700 Euro). Ausgezeichnet wurde sein bereits 2012 umgesetztes Projekt „Weckworte“. Gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern ermutigte er an Demenz erkrankte Menschen Gedichte zu rezitieren. Susanne Bötel, Clownin und Kunstbegleiterin für Menschen im Alter und mit Demenz aus Hamburg, wurde für ihr Projekt „Humortraining für Angehörige von Menschen mit Demenz“ mit dem fünften Rudi Assauer Preis (500 Euro) ausgezeichnet. „Humor-Workshops“ bieten Angehörigen die Möglichkeit, an praxisnahen Beispielen humorvolle Interventionen zu erarbeiten. Den Medienpreis erhielt in diesem Jahr die Redakteurin Sabine Gerlach,

Deutschlandradio Kultur. Ausgezeichnet wird die Berliner Journalistin für ihr Hörfunkfeature „Bewegung für Kopf und Körper“, in dem sie spezielle sportliche Trainingsprogramme für Menschen mit Demenz vorstellt. Mit dem Feature ist es Gerlach gelungen, die Hörer zu Teilnehmern der Gruppenaktivitäten werden zu lassen. Es entsteht „Kopfkino“. Rudi Assauer selbst nahm in Begleitung seiner Tochter Bettina Michel an dem Festakt anlässlich der Verleihung des Rudi Assauer Preises 2016 teil.

WILFRIED JACOBS

Wilfried Jacobs war 18 Jahre Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg bis 2012 (größte GKV in Nordrhein-Westfalen). 2012 Gründung des gemeinnützigen Instituts für patientenorientierte Versorgungsablaufforschung (IPOV). 2013 Initiator der Gründung der gemeinnützigen Rudi Assauer Initiative Demenz und Gesellschaft, Vorsitzender des Aufsichtsrates des katholischen KarlLeisner-Klinikums in Kleve, Vorsitzender des Verwaltungsrates des Herznetzes Rheinland, Mitglied des Vorstandes des Zentrums für Seltene Erkrankungen der Universitätsklinik Aachen. Am 09.05.2014 wurde Wilfried Jacobs in Hamburg mit dem – wie es die Medien nennen – „Gesundheits-Oscar“ für sein Lebenswerk ausgezeichnet

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Foto: Lukaskrankenhaus Neuss

DIGITALISIERUNG

Wenige Wochen vor der Cyberattacke überzeugten sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und der Stv. Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom, Reinhard Clemens, von den erfolgreichen Umsetzung der Visite 2.0 im Neusser Lukaskrankenhaus

Skyfall –

oder was Krankenhäuser von James Bond lernen können Von Dr. Nicolas Krämer

Im Film „Skyfall“ kämpfte der berühmteste Geheimagent der Welt, James Bond 007, gegen gefährliche Cybergangster. Vier Jahre später hatte es das Neusser Lukaskrankenhaus ebenfalls mit kriminellen Hackern zu tun. Das Vorzeigehaus der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen wurde Opfer einer Cyberattacke. Das Landeskriminalamt, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und die Staatsanwaltschaft nahmen Ermittlungen auf. Lesen Sie hier, was all das mit Hollywood zu tun hat und was Krankenhäuser von James Bond lernen können. In Sachen Digitalisierung im Gesundheitswesen nahm das Lukaskrankenhaus im rheinischen Neuss immer schon eine Vorreiterrolle ein. So wurden hier verschiedene Pilotprojekte erfolgreich umgesetzt.

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Pilotprojekte Die Krankenhausprozesse zu beschleunigen und mithin Zeit für die Patienten zu schaffen, ist Ziel des Projektes „Visite 2.0“. Lukasmitarbeiter greifen via iPad mini auf die relevanten Patientendaten zu und pflegen die Patientenakte dort, wo die Daten entstehen und benötigt werden, nämlich direkt am Patientenbett. Aus diesem wichtigen Schritt auf dem Weg zum weitestgehend papierlosen Krankenhaus resultieren zahlreiche Vorteile. Ärzte und Pflegekräfte verfügen stets aktuell über sämtliche diagnose- und pflegerelevanten Informationen, die Dokumentation wird vereinfacht und beschleunigt. Außerdem wird Patienten der neueste Stand der Technik geboten. Mithin wird eine einheitliche elektronische Patientenakte geschaffen, die eine umfängliche Dokumentation aller relevanten Patienteninformationen von der Aufnahme über die OP und

die Station bis zur Entlassung ermöglicht. In den Städtischen Kliniken Neuss wurde mit der Einführung der Visite 2.0 die Möglichkeit der papierlosen Dokumentation integriert und somit ein wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zum papierlosen Krankenhaus erreicht. Diesem gehört die Zukunft. Das Projekt aus der hauseigenen IT-Abteilung überzeugte auch beim Enterprise Mobility Summit 2015 in Frankfurt: Das Lukaskrankenhaus erhielt für seine „Visite 2.0“ den Award in der Kategorie Business Process Mobilization. Außerdem wurde das Projekt mit dem 2. Förderpreis des Deutschen Vereins für Krankenhauscontrolling ausgezeichnet. Ein weiteres erfolgreich umgesetztes Projekt betrifft die Telemedizin. Wenn´s ums Herz geht, zählt jede Minute. Alle Rettungswagen im Rhein-Kreis Neuss sind mit telemedizinischen Einheiten (ORTIVUS®, Lifenet®) ausgestattet, die die Aufzeichnungen der EKGs direkt in die Chest-Pain-Unit des Lukaskrankenhauses übertragen. Der deutliche Zeitgewinn hat zu einem 23-prozentigen Anstieg der Zahl von Patienten geführt, die das Lukaskrankenhaus nach einem akuten Herzinfarkt lebend erreichen.

Cyberangriff Eine Vorreiterrolle nahm das Lukaskrankenhaus auch in Sachen Krisenmanagement nach einer Hackerattacke ein. Am 10. Februar 2016 wurde das Lukaskrankenhaus über den E-Mailserver angegriffen. Die gewaltige Herausforderung bestand zum einen darin, das Virus unschädlich zu machen und zum anderen darin, ein hochmodernes Krankenhaus vom Automatik- in den Handbetrieb umzuschalten. Etwa zeitgleich wurde das Presbyterian Medical Center in Hollywood von einer heftigen Cyberattacke heimgesucht. Anders als in Neuss entschieden sich die amerikanischen Klinikverantwortlichen auf Anraten des FBI, das geforderte Lösegeld zu zahlen – unterschiedlichen Medienberichten zufolge drei Millionen oder 15.000 US-Dollar, umgerechnet in Bitcoins. Seit Mai folgt das FBI übrigens den deutschen Amtskollegen und rät


DIGITALISIERUNG nunmehr davon ab, Lösegeld zu zahlen. Die Lukas-Mitarbeiter selbst fühlten sich in den Krisenwochen im Februar und März dieses Jahres wie in einem Hollywood-Thriller, hätten aber gut darauf verzichten können, in diesem eine Hauptrolle zu spielen. Oscar-verdächtig war aber der Zusammenhalt innerhalb der Lukas-Familie. Einer ging für den anderen durchs Feuer, so dass ein Teamgeist entstand, der bis heute nicht erloschen ist. Übrigens: Über die Cyber-Kriminalität wird mittlerweile mehr „Umsatz“ erwirtschaftet als im internationalen Drogenhandel. Ein Drittel der deutschen Unternehmen, so hat es eine Befragung des BSI ergeben, war 2015 von Ransomware betroffen, im KRITIS-Bereich (Kritische Infrastruktur) Gesundheit sogar mehr als 40 Prozent. IT-Sicherheit Das Thema Kennwortsicherheit wird in vielen Unternehmen des Gesundheitswesens sträflich vernachlässigt. Untersuchungen belegen, dass die häufigsten Passwörter „Passwort“ oder „1234“ lauten. Das ist gefährlich, wie ein historischer Vergleich belegt. Als die ersten Hacker überhaupt können Mathematiker des britischen Geheimdienstes MI-5 angesehen werden. Im Jahr 1940 gelang es ihnen, in ihrem Hauptquartier in Bletchley Park bei London den Code der deutschen Chiffriermaschine Enigma zu entschlüsseln. Fortan lasen die Alliierten die Funksprüche der deutschen Wehrmacht mit, wodurch der Zweite Weltkrieg für diese nicht mehr zu gewinnen war. Wie war das möglich, galt doch die Enigma als Meisterwerk deutscher Ingenieurkunst und als unknackbar? Die deutschen Funker waren faul und wenig einfallsreich. Sie verwendeten immer wieder die gleichen Codewörter, um ihre Funksprüche zu verschlüsseln, und verwendeten in diesen besonders häufig Wörter wie „Vaterland“ und „Kaiserreich“ - Begriffe also, die alles andere als originell waren. Kennwörtern und deren regelmäßiger Aktualisierung kommt also eine im wahrsten Sinne des Wortes kriegsentscheidende Bedeutung zu.

Was getan werden muss, um ein Krankenhaus vor unbefugten Zugriffen von außen zu schützen, verrät uns vor diesem Hintergrund ein Experte, der fiktive Dr. med. James Bond. Wer seine Grundprinzipien einhält, hat die Lizenz für IT-Sicherheit. Als wichtigste Regel gilt dabei bezogen auf die Mitarbeiter die Awareness, neudeutsch für Sensibilisierung, für die Einhaltung der Regeln, da der Faktor Mensch eine große Rolle spielt. Ausblick Die Digitalisierung hat in unserer Gesellschaft Einzug erhalten. Die Entwicklung macht auch vor dem Gesundheitswesen nicht halt. Und das ist gut so. Hier steht, wenn man Zukunftsforschern Glauben schenkt, ein Paradigmenwechsel bevor: Künstliche Intelligenz wird die Fehlerquote bei ärztlichen Diagnosen auf ein Minimum reduzieren, mithilfe von 3-D-Druckern werden menschliche Organe reproduziert, auf Basis von Big Data werden Krankheiten früher erkannt und besser zu heilen sein. All das setzt den Einsatz von Informationstechnologie voraus. Es wäre fatal, wenn diese Trends durch mangelhafte IT-Sicherheit in eine falsche Richtung geleitet würden.

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DR. NICOLAS KRÄMER

Nicolaus Krämer ist Diplom-Kaufmann und Kaufmännischer Geschäftsführer der Städtischen Kliniken Neuss – Lukaskrankenhaus – GmbH. Zuvor war er in verschiedenen Leitungspositionen in deutschen Krankenhäusern sowie als Berater bei KPMG/BearingPoint tätig. Er ist Autor und Herausgeber des Buches „Krankenhausmanagement 2.0“ sowie zahlreicher Fachartikel und Inhaber mehrerer Lehraufträge, u.a. an der Dresden International University. Mit seinem Vortrag „Angriff aus der Dunkelheit“ tritt er zudem als Redner zum Thema Cybersicherheit auf

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Foto: Cristine Lietz, pixelio.de

DIGITALISIERUNG

Gesundheit im digitalem Zeitalter Von Serap Güler

Die Digitalisierung verändert unser Leben. Die Art und Weise wie wir kommunizieren, uns informieren, wie wir uns fortbewegen und arbeiten – all das ist ohne digitale Anwendungen nicht mehr vorstellbar. Warum also moderne Informationstechnologien nicht auch für die Patientenversorgung nutzen? Ein Plädoyer für die Digitalisierung des Gesundheitswesens. Eines meiner größten Hobbies ist das Laufen. Statt im Fitness-Studio zu trainieren bin ich gerne an der frischen Luft. Laufen gibt mir die Ausdauer, die ich als Politikerin brauche. Immer mit dabei ist mein Smartphone. Mithilfe von Apps kann ich nachvollziehen, wie schnell ich gelaufen bin, welche Steigung ich absolviert habe und wie viele Kilometer ich hinter mir gelassen habe. Dank der Pulsuhr weiß ich, wie mein Herz auf Belastung reagiert. Informationen, die für mich nützlich sind.

Mehr als nur Schrittzähler und Pulsmesser Tracker, Wearables und Apps gibt es

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mittlerweile für jede Lebenslage. Sie registrieren unsere Schritte, zählen unsere Kalorien, erinnern uns zu trinken und überwachen unseren Schlaf. Anbieter versprechen eine mobile Gesundheitsvorsorge, die uns zu einem gesünderen Lebensstil verhilft. Noch ist aus wissenschaftlicher Sicht der Nutzen vieler Gesundheits-Apps begrenzt. Der Gedanke hinter den Anwendungen ist allerdings wichtig. Gesundheit heute bedeutet nicht mehr erst dann zum Arzt zu gehen, wenn eine Behandlung unvermeidbar ist. Das Risiko an Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Typ-2-Diabetes zu erkranken hängt eng mit dem eigenem Gesundheitsverhalten zusammen. Mit der wachsenden Bedeutung von Prävention wird Bürgerinnen und Bürgern zunehmend mehr Verantwortung zugeschrieben, sich als mündige Verbraucher für einen gesunden Lebensstil zu entscheiden. Gesundheits-Apps erleichtern diese Entscheidungen. Sie unterstützen uns im Alltag und können dabei helfen, Krankheitsbilder zu erkennen. Das Potential solcher Angebote ist groß,

vorausgesetzt sie erfüllen klare Qualitätsstandards.

Der digitale Leibarzt Der aktuelle Trend zeigt, dass der „digitale Leibarzt“ Gestalt annimmt. Schon jetzt haben E-Health-Anwendungen die Patientenversorgung revolutioniert. Der Arzt kann mithilfe eines LangzeitEKGs Herzrhythmusstörungen erfassen. Computerprogramme helfen Sehstörungen bei Kindern zu korrigieren. Und auch die Telemedizin hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Sind keine Fachärzte in erreichbarer Nähe, können Schlaganfallpatienten von sogenannten Tele-Stroke-Units behandelt werden. Obwohl sich viele Anwendungen, wie etwa die digitale Sprechstunde, noch in der Testphase befinden, zeigen die ersten Erkenntnisse, dass Patienten sich gut aufgehoben fühlen. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens bedeutet nicht auf das persönliche Gespräch mit dem Apotheker zu verzichten oder gar Abstriche in der Behandlung machen zu müssen.


DIGITALISIERUNG Digitalisierung ist vielmehr eine Chance für die Patienten und das gesamte Gesundheitssystem. Denn sie setzt da an, wo die traditionelle medizinische Versorgung an ihre Grenzen stößt.

1. Fehlerminimierung durch Vernetzung Durch die digitale Erfassung können Patienten- und Behandlungsinformationen leichter ausgetauscht werden. Das vereinfacht zum einen die Kommunikation unter Fachärzten und medizinischem Personal und zum anderen erleichtert sie dem Patienten die Einholung von Zweitmeinungen. Je mehr Informationen über die elektronische Gesundheitskarte abrufbar sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Fehlbehandlung. Außerdem können Über- und Fehlbehandlungen besser nachvollzogen werden. Damit lassen sich im Idealfall überflüssige Behandlungen vorbeugen.

2. Versorgungssicherheit im ländlichen Raum Telemedizin hat den großen Vorteil, dass Diagnosen oder Therapien bei gleich hoher Qualität auch über räumliche Entfernung oder zeitlichen Versatz hinweg erbracht werden können. In Regionen, die besonders vom Bevölkerungswandel betroffen sind, können telemedizinische Anwendungen dazu beitragen, die medizinische Versorgung flächendeckend zu sichern.

3. Medizinischer Fortschritt durch Daten Werden gesundheitsbezogene Daten gesammelt und ausgewertet, eröffnen sich zudem ganz neue Möglichkeiten für die Forschung. Mithilfe von Big-Data-Analysen können Daten vieler Patienten auf bestimmte Gensequenzen hin untersucht werden, die beispielsweise Tumore auslösen. Sind die Gene identifiziert,

beginnt die Suche nach Behandlungsmethoden. Vor allem bei seltenen Erkrankungen steigt so die Chance, mit personalisierten Therapieansätzen, Krankheiten effizienter zu bekämpfen.

4. Im Sinne des Solidargedankens Hinzukommt, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens zur Stabilisierung des Gesundheitssystems insgesamt beitragen kann. Aktuell erleben wir, dass der Spagat zwischen einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung und steigenden Kosten einer älter werdenden Gesellschaft schwieriger wird. Durch optimierte Abläufe, mehr Selbstbestimmung, weniger Fehlbehandlungen und weniger Überdiagnosen wird das Gesundheitssystem weniger belastet. Das kommt dem Solidargedanke des Systems und schließlich auch den Beitragszahlern zugute. Denn Gesundheit muss für jeden bezahlbar bleiben.

Patienten in den Mittelpunkt Digitalisierung hat das Potential unser Gesundheitswesen zu verbessern. Aber natürlich nicht um jeden Preis. Weiterhin im Mittelpunkt muss der Nutzen für Versicherte und die Bedürfnisse der Patienten stehen.

ter, Wohnort, Geschlecht, Bildung und Geldbeutel muss sich jeder am digitalen Fortschritt beteiligen können. Nur so kann eine Balance zwischen Datenschutz und Datenschatz entstehen. Dazu gehört auch eine verbesserte Gesundheitskompetenz der Verbraucher. Neben digitalem Knowhow müssen valide Gesundheitsinformationen im Internet auch als solche gekennzeichnet werden. Medizin-Apps bedürfen einer besonderen Zertifizierung.

Auf einem guten Weg Viele dieser Punkte werden im EHealth-Gesetz der Bundesregierung berücksichtigt. Wir machen gerade die ersten Schritte in die richtige Richtung. Doch bevor wir von digitaler Gesundheit sprechen können, müssen noch viele Steine aus dem Weg geräumt werden. Ich für meinen Teil bin von den Chancen der Digitalisierung überzeugt.

SERAP GÜLER

Deshalb muss Digitalisierung mehr Sicherheit mit sich bringen. Sensible Daten wie Behandlungsdokumente müssen weiterhin höchst sensibel behandelt werden. Datenschutz ist wichtig, darf aber auch nicht dazu missbraucht werden, digitalen Fortschritt grundsätzlich auszubremsen. Voraussetzung für einen reibungslosen Austausch von Patienteninformationen ist eine einheitliche Infrastruktur. Anstatt an Insellösungen festzuhalten, muss die Vernetzung ganzheitlich passieren. Die Digitalisierung darf nicht auf dem Rücken der Solidarität ausgetragen werden. Unabhängig von Al-

Serap Güler, geboren am 7. Juli 1980 in Marl; verheiratet. Seit 2012 Abgeordnete des Landtags NRW. Güler ist Mitglied des CDU-Bundesvorstandes und stellvertretende Kreisvorsitzende der CDU Köln

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BETRIEBLICHE KV

Die Betriebliche Krankenversicherung (bKV) als erfolgreiches Instrument des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM)

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Von Oliver Flohr

Bisherige Auszeichnungen im BGM:

Lindlar ist eine Gemeinde im Westen des Oberbergischen Kreises in Nordrhein-Westfalen, etwa 30 Kilometer östlich von Köln gelegen mit rund 22.000 Einwohnern. Die Kernverwaltung hat derzeit 115 Mitarbeiter. Oliver Flohr hat mit Aufnahme seiner Tätigkeit im Rathaus unter anderem ein BGM implementiert, welches mehrfach national ausgezeichnet wurde. Geldprämien werden regelmäßig in BGM-Maßnahmen reinvestiert. Den Krankenstand konnte er innerhalb von drei Jahren halbieren. Die Gemeinde Lindlar hat bei Kommunen bis 30.000 Einwohnern in NRW die zweitgeringste Personalbesetzungsquote (laut Gemeindeprüfungsanstalt NRW) und im Umland die geringste Personalkostenquote (laut Bertelsmann Stiftung). Diese Rahmenbedingungen unterstreichen die Notwendigkeit einer wertschätzenden und gesundheitsorientierten Mitarbeiterführung.

0 2014: 10.000 € Geldprämie für erfolgreiche Einführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) von LVR Rheinland 0 2015: Soul@Work Award, Kategorie mittleres Unternehmen bis 5.000 MA 0 2015: Prädikatssiegel des Corporate Health Awards 0 2015: Einstiegsurkunde INQA-Audit – Zukunftsfähige Unternehmenskultur 0 2015: 7.800 € Geldprämie der Unfallkasse NRW aufgrund erfolgreiche Prävention im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz 0 2017: Erfolgreiches Audit „INQA – Zukunftsfähige Unternehmenskultur“

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Die Ressource Mitarbeiter In einer sich ständig verändernden Arbeitswelt bilden die Mitarbeiter die wichtigste Ressource bzw. das wichtigste Leistungspotenzial eines Unternehmens. Motivierte und leistungsbereite Mitarbeiter sichern einen nachhaltigen Unterneh-

menserfolg. Das BGM kümmert sich um die wichtigste Ressource. Insbesondere die Unternehmensleitung muss mit gutem Beispiel vorangehen, als Vorbild fungieren und die Führungskräfte im betrieblichen Gesundheitsmanagement einbinden. Eine gesunde Struktur im Unternehmen muss top-down gelebt werden. Denn die Gesundheit und somit die gesundheitsgerechte Mitarbeiterführung im Unternehmen sind ein wesentlicher Baustein für den Erfolg des Unternehmens. Dieses gilt nicht nur für die freie Wirtschaft, sondern auch für den öffentlichen Dienst. Denn auch im öffentlichen Dienst machen Megatrends (z. B. technischer, politischer und kultureller Wandel; Beschleunigung der Prozesse), veränderte Belastungen durch neue Arbeitsbedingungen, veränderte Lebensstile und veränderte Anforderungen durch neue Arbeitsbedingungen (wie Arbeitsmenge, Zeitdruck, Entgrenzung der Arbeit, Kommunikationserfordernisse) nicht halt. Hinzu kommt, dass die Fehlzeiten im öffentlichen Dienst regelmäßig im Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen stehen.


BETRIEBLICHE KV Elemente eines erfolgreichen BGM Zur Erhebung und anschließenden Analyse des IST-Zustandes wurde eine Mitarbeiterumfrage durchgeführt. Des Weiteren wurden u. a. die Führungskräfte in verschiedenen Modulen (z. B. Führung, Kommunikation, Wertschätzung, Suchterkrankungen) geschult, eine Sozialberatung sowie eine bewegte Mittagspause eingeführt. Darüber hinaus steht den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Massagestuhl zur Verfügung. Neben den bekannten und bewährten Instrumenten wurde nach einem innovativen und erfolgreichen Instrument Ausschau gehalten, welches sowohl einen positiven Einfluss auf die Gesundheit der Ressource Mitarbeiter als auch die Arbeitgeberattraktivität hinsichtlich Mitarbeiterbindung und –gewinnung hat. Dieses Instrument ist die Betriebliche Krankenversicherung. Die Betriebliche Krankenversicherung (bKV) als erfolgreiches Instrument des Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) Die bKV verschafft dem Arbeitgeber gegenüber den Mitbewerbern ein Alleinstellungsmerkmal, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten eine Wertschätzung für das kostbarste Gut, die Gesundheit. Die bKV gleicht Versorgungslücken der GKV aus. Besondere Vorteile der bKV gegenüber den Tarifen im Einzelkundengeschäft sind u. a.: 0 keine (!) Gesundheitsprüfung und 0 keine Wartezeiten Gemeinsam mit den Interessenvertretungen und einem Makler wurden die Angebote auf dem Markt gesichtet und ausgewertet. Die Produkte, der Service und das Preis-/Leistungsverhältnis überzeugten von der AXA Krankenversicherung AG, mit der schließlich ein Rahmenvertrag geschlossen wurde. Diesem Rahmenvertrag können interessierte Unternehmen und öffentliche Arbeitgeber beitreten. Die FlexMed-Gesundheitsbausteine bieten eine große Auswahl zur Absicherung der Belegschaft und Ergänzung der GKVVersorgung:

Die gesetzlich versicherten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung erhalten den Baustein „VorsorgeKomfort“, welcher folgende Vorteile bietet: 0 Vielzahl an Vorsorgeuntersuchungen als besondere Zusatzleistung für den Mitarbeiter 0 Privatpatientenstatus für definierte Vorsorgeuntersuchungen 0 Verbriefte Leistungen in Form von 6 Vorsorge-Coupons: A Hautkrebs-Vorsorge A Glaukom-Vorsorge A Schilddrüsen-Vorsorge A Lungen-Check A Lifestyle-Check A Kleiner Gesundheits-Check 0 Darüber hinaus zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen, die ohne VorsorgeCoupons abgerechnet werden 0 Unkomplizierte Anmeldung der Mitarbeiter über Listenverfahren 0 Abrechnung der Coupons erfolgt direkt zwischen Arzt und AXA 0 Keine Vorgabe von Alter und Intervallen bei Inanspruchnahme der Untersuchungen Durch die jährliche Zusendung der Vorsorge-Coupons werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den „GesundheitsTÜV“ erinnert. Schwere Erkrankungen können durch die direkte Ansprache und Kostenübernahme frühzeitig erkannt werden.

die Vorsorge-Coupons tritt der Beschäftigte als Privatpatient auf und erhält eine umfassende gesundheitliche Vorsorgeuntersuchung. Bei einem Krankenhausaufenthalt erfährt der Beschäftigte die Vorteile als Privatpatient (Chefarztbehandlung, Einbettzimmer) und verknüpft diesen Vorteil mit seinem Arbeitgeber.

Auch Ehrenamt im Fokus Die Gemeinde Lindlar ist überzeugt von diesem Instrument und wird das Ehrenamt belohnen. Aktive Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Lindlar werden auf einem Antrag der CDU-Ratsfraktion hin, mit dem Stationär-Tarif von AXA versorgt. Denn wer Leib und Seele für die Allgemeinheit riskiert, soll im Krankenhaus die bestmögliche Versorgung erhalten. Die bKV ist ein wichtiges und erfolgreiches Element im BGM und im „War for Talents“. Einiges muss jedoch die Bundespolitik noch ändern: Auf die Versicherungsbeiträge sind noch Steuern und SV-Abgaben fällig. Wenn der Arbeitgeber schon sinnvoll und vorausschauend in die Gesundheit seiner Belegschaft investiert, dann bitte ohne Mehrkosten!

OLIVER FLOHR

Bei den kommunalen Gesellschaften erhalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusätzlich noch eine Absicherung auf Privatpatientniveau im Krankenhaus und beim Heilpraktiker. Denn ein krankheitsbedingter Ausfall kann beispielweise zur Schließung unseres Schwimmbads führen. Mit AXA wurde vereinbart, dass beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, das Versicherungsverhältnis auf eigene Kosten ohne Gesundheitsprüfung fortgeführt werden kann. Der Verwaltungsaufwand für den Arbeitgeber ist gering, das An- und Abmelden erfolgt über ein Onlineportal. In der Belegschaft kommt die Betriebliche Krankenversicherung sehr gut an. Durch

Oliver Flohr (38), CDU-Mitglied, studierte Öffentliches Management, BWL und Verwaltungswissenschaften. Seit März 2010 ist er als allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters der Gemeinde Lindlar Mitglied im Verwaltungsvorstand und zugleich Leiter Personal, Organisation und IT-Steuerung. Seit 2016 berät er Kunden aus Wirtschaft und öffentlicher Hand in Personal- und Organisationsthemen - www.xing.com/profile/Oliver Flohr

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KOLUMNE KOMMENTAR

Kinder schützen, KITA-Impflicht für Masern einführen Mir fallen nur wenige Dinge ein, die wichtiger sind im Leben, als gesund zu sein. In diesen Wochen ist mir das wieder bewusst geworden. In Berlin greifen die Masern um sich, mal wieder. Aktuell gibt es 32 Fälle in der Hauptstadt, fünf Infizierte sind Säuglinge. Gerade sie sind dem Virus schutzlos ausgeliefert. Zu klein, um geimpft zu werden, haben sie das höchste Risiko ernsthafte Schäden davon zu tragen. Infolge einer Masernerkrankung erleidet, laut Robert-KochInstitut, eins von tausend Kleinkindern eine Gehirnentzündung. Sie kann zu bleibenden Hirnschäden, im schlimmsten Fall sogar zum Tod führen. Was dagegen hilft? Sich und seine Kinder ausreichend gegen Masern impfen zu lassen. Das bedeutet nach der Erstimpfung auch die Folgeimpfung mitzumachen.

werden können. Masern effektiv zu bekämpfen kann aber nur dann gelingen, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Mein Appell an alle Kollegen in den Bundesländern und im Bundestag: Machen auch Sie sich für die Impfpflicht stark. Schützen wir uns, unsere Kinder und die Kinder von morgen. Herzliche Grüße

Ihr Gottfried Ludewig

Aber: Nicht jeder sieht das so. Allein in Berlin sind 7.000 Kinder des Jahrgangs 2013 entweder gar nicht immunisiert oder es fehlt ihnen die notwendige Zweitimpfung. Eigentlich müsste es selbstverständlich sein, sein Kind und andere zu schützen. Aber alle Appelle und Kampagnen der vergangenen Jahre haben nicht dazu geführt das Ziel der Weltgesundheitsorganisation zu erreichen und Masern auszurotten. Deshalb ist jetzt der Staat gefragt. Wenn das Verhalten Einzelner die Gesundheit Vieler auf so gravierende Weise gefährdet, ist es Aufgabe der Politik einzugreifen. Daher setze ich mich in Berlin für die KITA-Impfpflicht für Masern ein. Nur Kinder, die gegen Masern geimpft sind, sollen einen Platz in der KITA erhalten. Gleichzeitig wollen wir die Hürden für eine Impfung senken und es möglich machen, dass Kinder direkt in der KITA geimpft

GOTTFRIED LUDEWIG

Dr. Gottfried Ludewig, MdA, ist seit 2011 gesundheitspolitischer Sprecher und stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Als Koordinator der gesundheitspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Landtagsfraktionen organisiert er eine jährliche Tagung in Berlin

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1 | 2017

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