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Jahrgang 10

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5,00 Euro

MAGAZIN FĂœR

POLITIK UND GESUNDHEIT Karl-Heinz Florenz Strengeres Tabakgesetz kommt S. 16

Ingbert Liebing Kommunen brauchen Planungs-Sicherheit S. 14

KOALITIONSPOKER

Wer setzt was durch?

Jens Spahn Nachhaltige Finanzierung der GKV S. 22


Caring and curing Caring and curing Leben retten und Gesundheit

Leben retten und ist Gesundheit verbessern – das unser Ziel. verbessern – das ist unser Ziel.

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EDITORIAL Liebe Leserinnen und Leser, vor zehn Jahren, im Wintersemester 2003/2004, startete ich mein Studium der Rechtswissenschaften. Das war für mich ein neuer Lebensabschnitt. Programmatisch stellte sich die CDU fast zeitgleich am 1. und 2. Dezember 2003 auf dem 17. Bundesparteitag in Leipzig neu auf. Da gab es auch einen Neubeginn. Da war von einer Belebung des Arbeitsmarktes die Rede, aber auch von einer grundlegenden Steuerreform. Zehn Jahre später habe ich Studium und Rechtsreferendariat schon drei Jahre erfolgreich absolviert. Der große Reformwurf lässt aber weiter auf sich warten. Mit 42 Millionen Beschäftigten und einer geringen (aber immer noch zu hohen) Arbeitslosenquote, steht Deutschland heute solide da. Eine Entlastung durch ein einfacheres und gerechteres Steuersystem steht aber immer noch aus. Die „Steuererklärung auf dem Bierdeckel“ muss es ja nicht direkt sein. Aber der Ausgleich der kalten Progression für ehrlich arbeitende Menschen, hat gleich mehrfach positive Wirkung. Wenn die Menschen mehr Netto vom Brutto haben, wirkt das wie ein kleines Konjunkturprogramm, insbesondere für den Mittelstand. Auf der Arbeitgeberseite bleiben die Lohnnebenkosten dabei dennoch für

INHALT viele Unternehmen ein großes Problem. Die Vorschläge der HerzogKommission, die als Grundlage der Parteitagsbeschlüsse 2003 dienten, sollten nun jenseits aller Parteiideologie in die Beratungen der künftigen Großkoalitionäre einfließen. Unser Wohlstand lässt sich nur erhalten, wenn wir sowohl für die Menschen, als auch für die Unternehmen in unserem Land Bedingungen schaffen, die Wachstum zulassen. Deswegen muss auch das Thema Bürokratieabbau von einer künftigen großen Koalition ernsthaft angegangen werden. Standards lassen sich auch anders gewährleisten, als durch stundenlange Dokumentation, die Arbeitskraft nutzlos bindet. Damit sind wir aber auch wieder bei der Steuerreform auf dem Bierdeckel. Vielleicht doch eine Idee, die man bei einem Bier am Abend besprechen sollte. In diesem Sinne eine angenehme Lektüre

P.S. Zehn Jahre gibt es nun auch schon "am puls" - vielen Dank für Ihre Treue.

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Jahresempfang des GPA Gesundheitspolitische Themen standen naturgemäß im Mittelpunkt beim Treffen des GPA in Düsseldorf

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Stammzellenforschung Die Frage, ob ein Ende der Ethik-Debatte in der Stammzellenforschung erreicht ist, beantwortet unser Autor Sebastian Dewaldt mit einem Nein

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Weißer Ring Kriminalitätsopfer brauchen Solidarität – fordert unsere Autorin Roswitha MüllerPiepenkötter, die Vorsitzende des Vereins WEISSER RING

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Social Media Für unseren Autor Axel Wallrabenstein bietet Social Media neue Möglichkeiten für Bürger, Politiker und Aktivisten

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Telefon-Roaming Die völlige Abschaffung der Roaming-Gebühren in der EU ist endlich in Sicht, verspricht der EVP-Europaabgeordnete Paul Rübig

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Gesundheitspolitik Die Reform der Pflege stand bei den Koalitionsverhandlungen zur Gesundheitspolitik obenan, schreibt unsere Autorin SandraBusch-Janser

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Zukunft der Kommunen Der Chef der Kommunalpolitiker in der Union, Ingbert Liebing, MdB, nennt die kommunalpolitischen Schwerpunkte für die nächsten Jahre

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Strengeres Tabakgesetz Der CDU-Europaabgeordnete Karl-Heinz Florenz erläutert die Hintergründe und Ziele des neuen EU-Tabakgesetzes

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Das AMD-Netz Unsere Autoren Heribert Meffert und Daniel Pauleikhoff stellen ihr sehr ambitioniertes Netzwerk zur Hilfe für Augenerkrankte vor

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Energiewende Schnelles Handeln fordert unsere Autorin Hildegard Müller von der Bundesregierung, wenn die Energiewende erfolgreich sein soll

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Kommentar Gesundheitspolitiker Jens Spahn skizziert die Ausgangslage vor den Koalitionsverhand-

lungen mit der SPD

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Impressum

Tim A. Küsters, Chefredakteur

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GPA-JAHRESEMPFANG

Jahresempfang des GPA

Krankenhausfinanzierung und Pflege. Die wachsende Zahl älterer Menschen in unserem Land stellt uns vor große Herausforderungen und diesem Umstand müssen wir auch zukünftig Rechnung tragen, so Jens Spahn weiter. Auch soll die Attraktivität des Hausarztberufes weiter gesteigert werden. Damit werden wir sicherstellen, dass auch weiterhin eine flächendeckende medizinische Versorgung, gerade in ländlichen Regionen, ausreichend zur Verfügung steht.

GPA-Vorstand (von links): Frank Rudolph, Jens Spahn und Dr. Mathias Höschel

Der diesjährige Jahresempfang des GPA der CDU fand in Düsseldorf statt. Die beiden Vorsitzenden Dr. Mathias Höschel und Frank Rudolph konnten zu der Veranstaltung, die in den Räumlichkeiten der Apotheker- und Ärztebank stattfand, wieder zahlreiche Gäste begrüßen. Neben dem Fraktionsvorsitzenden der CDU- Landtagsfraktion, Karl-Josef Laumann, und weiteren Mitgliedern des NRW- Landtages, waren auch die Vertreter der ärztlichen Standesvertretungen der Einladung gefolgt und nach Düsseldorf gekommen.

Der Vorstandsvorsitzende des GPA der CDU, Dr. Mathias Höschel, verwies in seiner einleitenden Ansprache auf die Erfolge der derzeitigen Bundesregierung und speziell auf die gute Lage der gesetzlichen Krankenkassen. Er betonte, dass Deutschland über das effektivste und beste Gesundheitssys-

Zahlreiche Gäste kamen zum GPA-Empfang

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tem der Welt verfüge, bei dem alle Menschen gleichermaßen am medizinischen Fortschritt teilhaben. Dies gelte es weiter auszubauen und dafür Sorge zu tragen, dass der derzeitige hohe Standard auch in Zukunft gewährleistet ist. Bei seinem Vortrag verwies der Gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion, Jens Spahn, auf die gute Zusammenarbeit der schwarz-gelben Koalition und die zählbaren Erfolge im Gesundheitswesen. Spahn, gleichzeitig auch stellv. Landesvorsitzender des GPA, machte deutlich, dass die Union auch zukünftig für ein solidarisches und leistungsfähiges Gesundheitssystem stehe. Dieses System werde man dem Bedarf nach zielorientiert ausbauen. Für die nächsten Jahre setzte Jens Spahn die Schwerpunkte auf die Bereiche

Mit Blick auf die Krankenhausversorgung stellte Jens Spahn fest, dass man auch weiterhin dafür sorgen wird, dass jede Bürgerin und jeder Bürger auf die hohe Qualität unserer Krankenhäuser vertrauen kann. Unsere Politik der Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme insgesamt und die Begrenzung der Lohnzusatzkosten sowie die moderate Erhöhung des Beitrags zur Pflegeversicherung haben ein solides Fundament geschaffen, um diese Verbesserungen umzusetzen. Abschließend bemerkte Jens Spahn: „ Wir haben alles gut gemacht – und wir werden es noch besser machen.“

NRWOppositionsführer Karl-Josef Laumann, MdL


STAMMZELLEN

STAMMZELLFORSCHUNG – Ende der Ethik-Debatte?

Von Sebastian Dewaldt Das Thema Stammzellforschung wurde in den vergangenen Jahren emotional und intensiv diskutiert. Mit dem Nobelpreis für Medizin an Shinya Yamanaka und John Gurdon im vergangenen Jahr hätte man meinen können, dass die ethische Debatte um die Stammzellforschung wohl alsbald beendet sein wird. Yamanaka war die Reprogrammierung adulter Stammzellen - zum Beispiel aus Blut oder Knochenmark - in pluripotente, also noch zur Ausdifferenzierung fähige Zellen gelungen. Mittels dieser lassen sich Gewebe und Organe züchten. Die Grundlagen hierfür schuf Gordon 1962. Doch gehört die verbrauchende Embryonenforschung der Vergangenheit an? Ist ein Ende der Ethik-Debatte in Sachen Stammzellforschung erreicht?

Abwägungsfragen Ein klares Nein. Die Forschung steckt noch immer in den Kinderschuhen. Zumindest für Vergleichsstudien werden auch in Zukunft embryonale Stammzellen benötigt werden. Sofern es eines Tages sogar möglich sein sollte mittels Reprogrammierung totipotente Zellen zu gewinnen, stünden wir vor den gleichen ethischen und auch rechtlichen Fragen, die in der Diskussion um die Forschung an

embryonalen Stammzellen bestimmend waren und sind. Die Abwägung zwischen dem Grundrecht der Forschungsfreiheit und dem Prinzip der Menschenwürde sowie dem Grundrecht auf Leben. Die Frage nach der Potentialität. Schließlich haben totipotente Zellen das Vermögen, sich zu einem Menschen zu entwickeln.

Was ist krank, was ist gesund? Durch die zum Teil als Ende der EthikDebatte gefeierte Möglichkeit der Reprogrammierung verschiebt sich zudem die Grenze zwischen dem Natürlichen und dem Gemachten. Ein Problem, mit dem sich schon Jürgen Habermas auseinandergesetzt hat. Die bereits von Immanuel Kant postulierte Frage „Was ist der Mensch?“ ist damit aktueller als je zuvor. Die Träume von einem gesunden, längeren oder gar ewigen Leben scheinen schließlich durch die Erfolge in greifbare Nähe zu rücken. Werden Blinde bald sehen und Lahme gehen? Was ist krank und was ist gesund? Wo liegt die Grenzlinie zur verbessernden, positiven Eugenik? Es geht um die Zukunft der menschlichen Natur, derer wir uns bemächtigen und um unser Selbstverständnis als Mensch. So einfach wie es einst Julius Huxley formulierte: „Man remaining man, but transcen-

ding himself by realizing new possibilities of and for his human nature” ist es bei weitem nicht. Schließlich maßen wir es uns an, selbst zum Schöpfer zu werden. Dies ist etwas gänzlich anderes, als Schöpfer unserer selbst - „plastes et fictor“ in den Worten Pico della Mirandolas - zu sein.

Debatte geht weiter Selbst wenn man diese Gedanken als Fehlschluss ansieht, das Prinzip der Menschenwürde als „useless concept“ betrachtet und einen utilitaristischen - auf die Nützlichkeit abstellenden - Ansatz wählt, werden Fragen der Gerechtigkeit in den Vordergrund treten. Im Zusammenhang mit der Gerechtigkeit stehen schließlich auch Probleme des Patentrechts. Darf es Patente auf Erfindungen, die gerade therapeutische Zwecke verfolgen, geben? Sind andererseits Patente notwendig, um gerade einen Anreiz zur Forschung zu setzen? Auch hier ist trotz des EuGH-Urteils zur Patentierung von Stammzellen aus dem Jahr 2011 nicht das letzte Wort gesprochen. Im Ergebnis ist die Debatte um die Stammzellforschung nicht einfacher, sondern weitaus schwieriger als zuvor. Dies hat zuletzt das Klonen eines lebensfähigen menschlichen Embryos durch US-Forscher im Mai dieses Jahres gezeigt. Auch wenn der Embryo nicht in eine Gebärmutter implantiert wurde, erfolgte doch ein Experiment mit Leben. Ein Experiment, das in Deutschland aufgrund der geltenden Gesetze schlechterdings unmöglich gewesen wäre.

SEBASTIAN C. DEWALDT

Sebastian C. Dewaldt absolviert gerade sein erstes juristisches Staatsexamen und studiert Angewandte Ethik im Zweitstudium. Er ist Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung

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WEISSER RING nur an die Trickbetrügereien, den Einbruchsdiebstahl, den Handtaschenraub auf offener Straße oder den körperlichen Angriff im Bus oder Bahn, wofür oftmals schon ein falscher oder falsch gedeuteter Blick ausreicht. Aber auch schwere Gewaltdelikte können nahestehende Menschen treffen, wenn sich etwa die Tochter mit einem falschen Mann angefreundet hat, der nach der Trennung zum Stalker oder Gewalttäter wird.

Kriminalitätsopfer sind Mitbürger, denen Unrecht geschehen ist. Der Rechtsstaat und die Gesellschaft haben die Pflicht, sie mit den Folgen nicht allein zu lassen

Schon ein Ausgleich der materiellen Schäden ist meist schwierig oder aussichtslos. Körperliche Wunden wiegen schwer, verheilen aber meistens irgendwann. Das Erlebnis einer Straftat, eines direkten Angriffs oder eines Eingriffs in die private Wohnung beeinträchtigt jedoch viele Menschen so stark, dass wesentliche Lebensbereiche dauerhaft eingeschränkt sind. Das Sicherheitsgefühl in der Wohnung geht verloren, man verbarrikadiert sich oder zieht gar um. Die Benutzung von Bus oder Bahn ist mit krankmachenden Ängsten verbunden, man sucht Umwege, meidet bestimmte Orte, schränkt seine Aktivitäten ein. Viele leiden körperlich unter Zittern, Schweißausbrüchen und Schlaflosigkeit bis hin zur Arbeitsunfähigkeit.

Es kann jeden treffen

KRIMINALITÄTSOPFER BRAUCHEN SOLIDARITÄT 3.000 ehrenamtliche Mitarbeiter des WEISSEN RINGS stehen den Betroffenen zur Seite Von Roswitha Müller-Piepenkötter Man mag sich nicht vorstellen, dass es einen selbst, Verwandte oder Freunde treffen kann. Aber es ist so. Jeder kann Opfer einer vorsätzlichen Straftat werden. Alle Zeitungen berichten über die steigenden Einbruchszahlen. Die Übergriffe in Bussen und Bahnen alarmieren die Öffentlichkeit. Die polizeiliche Kriminalstatistik belegt den Umfang des Problems: Im Jahr 2012

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wurden in Deutschland 2.100 Menschen Opfer einer vorsätzlichen Tötung, 8.000 Opfer einer Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung, 48.000 Menschen Opfer eines Raubdelikts, 380.000 Opfer einer vorsätzlichen Körperverletzung und 144.000 Opfer eines Einbruchsdiebstahls. Dazu kommen die zahllosen einfachen Körperverletzungen und Betrugsdelikte. Mögen manche Delikte milieu- oder altersspezifisch sein, so können die meisten doch jeden treffen. Man denke

Finanzielle Hilfen, Unterstützung und Begleitung Der WEISSE RING gibt Opfern Unterstützung und eine Stimme. Fast 3.000 ehrenamtliche Helfer in 342 Außenstellen und ca. 100 ehrenamtliche Ansprechpartner am bundesweit unter der Telefonnummer 116 006 erreichbaren Opfertelefon bringen ihre Kenntnisse und ihre Lebenserfahrung ein und unterstützen und beraten nach vereinsinterner Aus- und Fortbildung. Oft geht es um erste finanzielle Hilfen z.B. bei der Wohnungssicherung, der Beschaffung neuer Kleidung oder einer neuen Wohnung und Möblierung. Bedürftige erhalten Beratungsschecks für anwaltliche Beratung oder für eine Erstberatung durch einen Traumapsychologen.


WEISSER RING Kriminalitätsopfer werden von den Mitarbeitern des WEISSEN RINGS über ihre Ansprüche beraten, bei der Antragstellung unterstützt und bei Gerichts- und Behördengängen begleitet. Gerade die persönliche Begleitung ist besonders wichtig. Kriminalitätsopfer erleben in unserer auf Erfolg und Leistungsfähigkeit programmierten Gesellschaft oft genug Geringschätzung und Missachtung. „Du bist ein Opfer! Kein Player! kein Rapper, kein Mann!“ – so höhnt ein Berliner Rapper auf YouTube, andere bezeichnen Menschen mitleidig als Opfertyp. In dieser Umgebung – in der Schule, wo Verletzlichkeit zu zeigen so ziemlich das Schlimmste ist, oder am Arbeitsplatz, an dem man ständig beweisen muss, dass man es schafft – ist es für ein Kriminalitätsopfer ganz wichtig, jemanden zu haben, dem er/sie sich anvertrauen kann, der nicht nur mitleidig zuschaut, sondern die Probleme und Ängste ernst nimmt und Solidarität beweist.

durchsetzen können. Dafür kämpft der WEISSE RING seit nunmehr fast 40 Jahren erfolgreich. So trägt das am 01.10.2009 in Kraft getretene 2. Opferrechtsreformgesetz die Handschrift des Weißen Rings. Es stärkt die Rechte von Opfern im Strafprozess, erweitert das Recht auf anwaltlichen Beistand im Ermittlungs- und Strafverfahren. Das Opferentschädigungsgesetz bietet finanzielle Absicherung von Therapien und Renten bei dauernder Arbeitsunfähigkeit. Das ist unverzichtbar, gilt aber leider erst seit 1976. Den vielen jetzt erst in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangten Opfern von Kindesmisshandlung und sexuellem Kindesmissbrauch stehen Ansprüche aus diesem Gesetz leider nicht zu. Und es gilt nur für einen engen Kreis von Opfern tätlicher Angriffe, so fällt Stalking nicht darunter. Für den Erhalt und die Weiterentwicklung setzt sich der WEISSE RING gegen oft hartnäckige Widerstände ein. An der Opferrechterichtline der EU vom 25.10.2012 hat der WEISSE RING maßgeblich mitgearbeitet. Im Zuge ihrer Umsetzung werden die Informationsrechte von Kriminalitätsopfern und damit ihr Anspruch auf Respekt und Akzeptanz ihrer Rechte weiter wachsen.

Der Weisse Ring berät Kriminalitätsopfer und bietet ihnen Hilfe und Unterstützung an

Ganz wichtig: Rechtspolitik und Prävention Dieser Beistand ist unverzichtbar. Ebenso wichtig ist es aber, dass Opfer im Strafverfahren und bei der Entschädigung Rechte haben und diese auch

Der beste Opferschutz ist aber die Vermeidung von Straftaten. Deshalb ist dem WEISSEN RING Prävention und Prophylaxe ebenso wichtig wie die Hilfe. Darum ist der Verein ständiger Veranstaltungspartner des Deutschen Präventionstages, er führt Vorbeugungsprojekte wie „Sportler setzen Zeichen – für eine gewaltfreie Jugend“ durch und fördert die Forschung über Ursachen und Folgen von Verbrechen. Ganz aktuell hat die Uni Heidelberg eine vom WEISSEN RING geförderte Forschung zu Stalking abgeschlossen, die belegt, dass Stalking zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen

führen kann. Das ist für den Einsatz für Stalking-Opfer ganz wichtig. In Präventionsprojekten vor Ort bringen die Mitarbeiter des WEISSEN RINGS die Opferperspektive ein. Filmbeiträge ermöglichen Lehrern die Gefahren von Cybermobbing, Stalking, Kindesmisshandlung und sexuellem Missbrauch zu verdeutlichen und Präventionsstrategien zu entwickeln. Durch Aufklärung über Risiken und ihre Vermeidung in Broschüren und im Internet kann jeder erfahren, wie er sich etwa vor Einbruch und Trickbetrügereien schützen kann.

Ehrenamtlich und unabhängig Die Arbeit des WEISSEN RINGS lebt vom Engagement der ehrenamtlichen Mitarbeiter und von der Förderung durch die zahlreichen großen und kleinen Spender. Unseren Finanzbedarf von ca. 14 Mio. EURO pro Jahr deckt der Verein allein aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Erbschaften. Geldauflagen der Strafjustiz kommen der Opferhilfe leider nur zu einem ganz geringen Teil zugute. Auf staatliche Förderung verzichtet der Verein bewusst, um den bürgerschaftlichen Charakter zu erhalten und seine Unabhängigkeit zu bewahren.

ROSWITHA MÜLLER-PIEPENKÖTTER

Roswitha Müller-Piepenkötter, Jahrgang 1950, war von 2005 bis 2010 Staatsministerin für Justiz des Landes NordrheinWestfalen. Seit 2010 ist die Rechtsanwältin Vorsitzende der Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer Weisser Ring

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SOCIAL MEDIA

Wie SOCIAL MEDIA die Politik verändert Neue Möglichkeiten für Bürger, Aktivisten, Politiker und Public Affairs-Manager

Jens Spahn, MdB im Gespräch mit Axel Wallrabenstein

von Axel Wallrabenstein Die Regierungsbildung zieht sich in die Länge, doch der Deutsche Bundestag steht schon in den Startlöchern. 631 Abgeordnete sind gewählt, mehr als ein Drittel von Ihnen ist neu dabei. Diese Verjüngungskur ist nicht nur für Online-Bilderstrecken oder Statistiker interessant. Durch jeden Generationenwechsel wächst der Einfluss des Internets auf die Politik: Die Digitalisierung der Gesellschaft hat handfeste Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Abgeordnete Politik gestalten und wie sie mit ihren Wählern kommunizieren. Ein Thema also, das nicht nur unter der Berliner Glocke im Regierungsviertel von Bedeutung ist.

Für manchen gestandenen Mandatsträger ist das Internet ein fremdes Medium, um das sich Referenten im Bundestagsbüro oder der Fraktion kümmern. Mitarbeiter stellen Pressemitteilungen auf die Webseite, sortieren die digitale Post und drucken wichtige Emails für die Tagesmappe aus. Dass manche Parlamentarier viel Poten-

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zial ungenutzt lassen und von Nachhilfeunterricht profitieren würden, haben jüngere Abgeordnete längst erkannt. Der Social Media-Leitfaden des Gelnhausener Unionsabgeordneten Peter Tauber ist ein Beispiel dafür, wie der Nachwuchs versucht, die unerfahreneren Fraktionskollegen fit zu machen für Politik im digitalen Zeitalter. Tauber ist einer der Erklärbären, die den altgedienten Mandatsträgern die Scheu vor der digitalen Welt nehmen wollen. Es heißt, auch die Kanzlerin interessiere sich für seinen Rat.

Digital Natives gewinnen an Einfluss Im Alltag von immer mehr Abgeordneten spielt das Internet eine wesentliche Rolle: Sie hatten nie Berührungsängste mit dem Social Web - sie sind mit ihm sozialisiert worden. Umso selbstverständlicher nutzen sie Facebook, Twitter und Youtube auch in wahlkampffreien Zeiten als alltägliches Kommunikationsinstrument. Eine Prognose liegt somit auf der

Hand: In drei bis vier Wahlperioden wird jeder Bundestagsabgeordnete ein Digital Native sein und Social Media-Tools verinnerlicht haben. Der Typus des Internetausdruckers ist vom Aussterben bedroht. In Zukunft wird die digitale Sphäre Gesetzesdiskurse verstärkt beeinflussen. Nicht nur, weil viele Themen auch die Online-Welt betreffen, sondern auch weil Gesetzesvorhaben im Netz von Bürgern und Politikern diskutiert werden. Interessenvertreter von Unternehmen, Verbänden und Nichtregierungsorganisationen müssen deshalb wachsam für ihre Berührungspunkte mit der digitalen Welt sein und mögliche Issues frühzeitig erkennen, um ihre Anliegen auf Augenhöhe mit der Politik kommunizieren zu können. Im Netz werden schließlich nicht nur Datenschutz und Urheberrechte, also Netzpolitik, diskutiert. Auch Gesundheitspolitik ist ein heißes Thema. Online gibt es sowohl den Verbraucher, der sich – wie die Agentur MSL Germany in ihrer Gesundheitsstudie 2012 herausfand - über Therapien und Arztpraxen in der Umgebung informiert, als auch zahlreiche politisch interessierten Bürger, denen natürlich auch Gesundheitsthemen wichtig sind. Wer öfter einen Blick auf die “Meist geteilt”-Sektionen deutscher Tageszeitungen riskiert, ahnt, was Deutschland bewegt.

Interessenvertreter sind (noch) zurückhaltend Bisher verläuft die Professionalisierung im Umgang mit digitaler Kommunikation unter Berliner Lobbyisten eher schleppend. Vor allem Unternehmen, deren Kerngeschäft vom netzpolitischen Dialog betroffen ist, gehen auf diesem Feld voran. Sie nutzen die neuen Möglichkeiten der Public Affairs-Kommunikation im Netz, bieten Informationen über OnlineKanäle an, beobachten Debatten im Netz, fahren Kampagnen on- und offline und vernetzen sich natürlich auch mit wichtigen Stakeholdern. Public Affairs-Manager anderer Unternehmen und Verbände wagen dagegen häufig nur vorsichtige Versuche, aber aufgrund mangelnder Erfahrungswerte bleibt es häufig bei halbherzigen Testballons und einer Rückkehr in die Passivität.


SOCIAL MEDIA wichtige Informationen, z. B. aus Gremiensitzungen gelangen, die von Abgeordneten ins Netz geschickt werden. Auch die Kontaktaufnahme ist nicht mehr nur auf das klassische Netzwerken bei parlamentarischen Abenden oder an bestimmte Treffpunkte der Politszene beschränkt.

Der Kulturwandel verändert, wie Politik gemacht wird In Zeiten als Fernsehen und Printpresse die uneingeschränkt reichweitenstärksten Medien waren, herrschte One-Way-Kommunikation: Der Politiker verkündete, die

Kernelement der Kommunikation im Social Web ist dagegen das Dialogische: Bürger und gut organisierte Netzaktivisten wenden sich direkt und öffentlich an ihre Abgeordneten. Politiker wiederum werden immer stärker selbst zum Medium und entscheiden, welche Inhalte sie unters Volk bringen. So werden sie auch für Interessenvertreter greifbarer. Denn Lobbyisten können nicht nur schneller an

Mit dem Eintauchen der politischen Sphäre in das Social Web ist die Bühne für politische Auseinandersetzungen und für Gesetzesdebatten um ein Vielfaches größer geworden. In Zukunft wird es immer mehr politische Kontroversen geben, bei denen der Diskurs zu einem Großteil online ausgetragen wird. In dieser Legislaturperiode werden wir ähnliche Debatten wie beispielsweise beim Leistungsschutzrecht erleben, das im Netz unter reger Beteiligung der Politik heftig diskutiert wurde. Die Intensität wird zunehmen, weil immer mehr Fachpolitiker, Interessenvertreter und Bürger im Social Web Fuß fassen. Viele Aktivisten sind z. B. bei Verbraucherschutzthemen bereits schlagkräftig aufgestellt. Vermeintliche Nischenthemen werden online auf viel mehr Interesse stoßen als zuvor: sie werden nicht mehr von Journalisten vorgefiltert und auf 6-zeilige Meldungen beschränkt. Außerdem sind die Hürden, um sich am Diskurs zu beteiligen, online deutlich geringer. Die Verjüngungskur des Deutschen Bundestags ist somit ein weiterer Schritt in der Verschmelzung von Social Web und politischen Bühne.

AXEL WALLRABENSTEIN

LUTZ MACHE

TOBIAS HEYER

SPD Generalsekretärin Andrea Nahles beim Politischen Salon von MSL

MSL Germany geht in der jährlichen Public Affairs-Umfrage Trends der politischen Kommunikation wie dem Einsatz von Social Media-Instrumenten auf den Grund. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: nur 26 Prozent der Kommunikationsmanager von Unternehmen und Verbänden sind dauerhaft im Social Web aktiv, 20 Prozent betreiben projektbezogene Social Media-Kommunikation. Über die Hälfte sind gar nicht vertreten.

Journalisten wählten die interessantesten Passagen aus, sendeten O-Töne und Reportagen, schrieben Artikel und kommentierten. Dem Wähler blieb die Rolle des Empfängers mit spärlichen Möglichkeiten, seine Meinung gegenüber den politischen Entscheidungsträgern kundzutun.

Axel Wallrabenstein ist Chairman der MSLGroup Germany. Der bekennende Unions-Anhänger hat den Text gemeinsam mit seinen Mitarbeitern Lutz Mache (Mitte, einem Sozialdemokraten) und Tobias Heyer (rechts, einem Grünen) verfasst. Beide sind Berater bei der PR-Agentur MSL Germany und insbesondere auf Digital Public Affairs und Gesundheitspolitik spezialisiert

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Foto: Joachim Kirchner/ pixelio.de

ROAMING

Roaminggebühren passen nicht zu einem einheitlichen Binnenmarkt in Europa

Abschaffung der Roaminggebühren ist in Sicht Von Paul Rübig, MdEP Kein Thema bewegt die Gemüter der Europäer so wie die Kosten bei der Benutzung des Mobiltelefons in einem anderen EULand. Laut Eurobarometerumfrage 2013 sehen die Österreicher noch vor Frieden die wichtigsten Errungenschaften und Vorteile der EU in der Aufhebung der Grenzkontrollen beim Reisen und in der Senkung der Roaminggebühren bei der Benützung von Mobiltelefonen im EUAusland!

Auslöser für die Senkung der Roamingtarife war eine junge Frau aus Linz, die sich bei mir nach einem Aufenthalt in Brüssel über ihre enorm hohe Handyrechnung beklagt hatte! Nach ausgiebigen Telefonaten mit ihrem Freund in Österreich während ihres Brüsselaufenthaltes hat sie die Bitterkeit der hohen Roaminggebühren erfahren. Für mich war das der Auslöser, die damals zuständige Kommissarin auf diese Pro-

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blematik aufmerksam zu machen - und bereits nach sieben Monaten wurde die erste einschlägige Verordnung beschlossen. Seit 2007 werden auf dieser Basis die Gebühren für Telefonieren, SMS schreiben und Daten herunterladen im EU-Ausland kontinuierlich gesenkt und um Konsumentenschutzmaßnahmen, wie beispielsweise die verpflichtende Informations-SMS über die Roamingentgelte erweitert. Die Tarife für aktive Telefonate mussten zwischen 2007 bis 2013 beispielsweise um 51 Prozent, jene für - passive Telefonate sogar um 71 Prozent gesenkt werden!

Preisunterschiede bis zu 774 Prozent Für die beiden ersten Roaming-Verordnungen habe ich als Vertreter des Europaparlaments die Verhandlungen mit dem EU-Rat und der Kommission über die Senkung der Gebühren, die

Öffnung des Marktes und kundenfreundlichere Regelungen geleitet. Die teilweise horrenden Preisunterschiede von bis zu 774 Prozent bei Handytarifen innerhalb der Europäischen Union widersprachen dem Gedanken des Binnenmarktes und waren keineswegs durch unterschiedliche Servicequalität, die Kosten für die Erbringung der Dienstleistungen oder die Kaufkraft der Verbraucher in den betreffenden Ländern zu erklären. Bei keinem anderen Produkt oder Dienstleistung können wir solche Preisunterschiede beobachten. Der Preis für einen Liter Milch schwankt zum Beispiel um 43 Prozent. Bei Produkten, die nur gelegentlich angeschafft werden, wie beispielsweise iPads, beträgt der Preisunterschied innerhalb der EU lediglich elf Prozent.

Digitale Agenda Die Kommissarin für die Digitale Agenda, Neelie Kroes, sieht hier noch weiteren Handlungsbedarf auf europäischer Ebene, denn „es ist für die Verbraucher nicht von Vorteil, dass es in Europa heute 28 nationale Telekommunikationsmärkte statt eines Binnenmarktes gibt“ und schlägt dazu Maßnahmen innerhalb der sogenannten Digitalen Agenda vor. Es ist erwiesen, dass die digitale Wirtschaft und Gesellschaft unglaubliche Potenziale birgt und siebenmal so schnell wie die übrige Wirtschaft wächst. Daher müssen Normung und Interoperabilität, Zugang zu ultraschnellem Internet und barrierefreien Onlinediensten weiterentwickelt und ausgebaut werden. Die vollständige Umsetzung der Digitalen Agenda würde laut Kommission das BIP der EU in den kommenden acht Jahren um fünf Prozent oder 1.500 Euro pro Person steigern. Die Hindernisse dabei sind vor allem die häufig unterschiedlichen Standards, die verschiedene Umsetzung des EU-Regelwerks in den einzelnen Mitgliedsstaaten und die unterschiedliche Gestaltung der nationalen Regulierungsbehörden. Außerdem müssen dringend die Marktzugangs-


Foto: Joachim Kirchner/ pixelio.de

ROAMING 7 Cent pro Minute und für einen selbst getätigten Anruf 24 Cent betragen. Höhere Telefongebühren im Ausland passen nicht zu den offenen Grenzen im EU-Binnenmarkt und zur Reisefreiheit. Die Kommissarin hat dazu nun einen Vorschlag auf den Tisch gelegt: Es sollte keinen Unterschied machen, von welchem Ort aus in Europa man in Zukunft ein Telefonat führt oder Daten herunterlädt oder verschickt. Die Zeit für die vollständige Abschaffung der Roaminggebühren ist gekommen!

DR. PAUL RÜBIG Europäer wollen europaweit ohne Zusatzgebühren mobil sein

bedingungen verbessert und der europaweite Wettbewerb zugelassen werden. Ansonsten drohen Europa weitere Arbeitsplatzverluste und ein massiver Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Rest der Welt.

Mehr Wettbewerb Ein wesentlicher Schritt zur Vollendung dieser Strategie ist daher die Umsetzung der dritten Roaming-Verordnung, die 2012 in Kraft getreten ist. Damit wurde Telefonieren im EUAusland sowie das Surfen im Internet weiter verbilligt und „Missbrauchstarife“ wurden abgestellt. Wir haben mehr Wettbewerb in den Markt gebracht und die bisherige Abzocke beim

Roaming beendet. Besonders beim mobilen Datendownload waren die Tarife sehr hoch und sachlich überhaupt nicht gerechtfertigt. Seit 1. Juli 2013 betragen die Preise für das mobile Herunterladen von Daten jenseits der Landesgrenze um 25 Cent pro Megabyte weniger. Statt bisher 0,70 €/MB zuzüglich MWSt. darf der neue Tarif künftig nur noch 0,45 €/ MB plus MWSt. betragen. Eine SMS darf seit Juli 2013 für das Verschicken aus einem anderen EU-Land nur noch maximal 8 Cent plus Mehrwertsteuer kosten und auch die Gesprächstarife müssen sinken: Seit Juli 2013 darf der Preis für ein angenommenes Telefonat zuzüglich Mehrwertsteuer nur noch

Dr. Paul Rübig, geboren in Wels, ist seit 1996 Mitglied des Europäischen Parlaments und gehört der Europäischen Volkspartei an. Er ist Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie, sowie Vollmitglied im Haushaltskontrollausschuss und Ersatzmitglied im Haushaltsausschuss. Paul Rübig setzt sich seit Jahren auf europäischer Ebene für die Durchsetzung der Anliegen der österreichischen Wirtschaft ein

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Foto: Rainer Sturm/ pixelio.de

GESUNDHEITSPOLITIK

FAHRPLAN

der großen Koalition Das Megathema bei den Koalitionsverhandlungen war die Krankenhausfinanzierung nach dem Motto: Krankenhäuser am Tropf?

Von Dr. Sandra Busch-Janser Mit dem Überraschungserfolg der Unionsparteien bei der Bundestagswahl und dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag ist die 18. Legislatur unter den Vorzeichen einer großen Koalition gestartet. Gesundheitspolitisch sind einige Themen in der Pipeline – doch nicht überall ist eine Annäherung zwischen Union und SPD möglich. Während die SPD beispielsweise mit ihrem Steckenpferd „Bürgerversicherung“ in die Koalitionsverhandlungen gestartet ist, stehen die Unionsparteien hinter der Dualität

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des Systems und zur privaten Krankenversicherung. Gesprächsbereitschaft gibt es allerdings hinsichtlich einiger Details wie den Wechselmodalitäten oder der Beitragssteigerungen für ältere Privatversicherte.

Dieser alte Antagonismus ist jedoch angesichts der guten Kassenlage in diesem und im nächsten Jahr für die beiden Verhandlungsführer Jens Spahn und Prof. Dr. Karl Lauterbach, beide gesundheitspolitischer Sprecher ihrer Fraktionen, kein Grund zum Pessimismus: „Wir können zum ersten Mal in eine Legislatur

starten, ohne gleich ein Kostendämpfungsgesetz machen zu müssen. Das gibt uns die Chance, in Ruhe über gute Versorgung in Deutschland zu reden“, so Spahn. Dennoch werden viele Entscheidungen in der Detailarbeit, die erst nach dem Koalitionsvertrag beginnt, davon abhängen, wie sich die Finanzlage der Kassen künftig entwickelt.

Priorität Pflege Bereits bei der ersten Sitzung der Arbeitsgruppe Gesundheit hatte sich abgezeichnet, dass die Reform der Pflege in der großen Koalition Priorität haben wird. So hieß es beispielsweise in den SPD-Kernforderungen zu den Koalitionsverhandlungen, es sei das Ziel, die „Situation der Pflegebedürftigen, von Angehörigen und Menschen, die in der Pflege arbeiten, zu verbessern“. Im Wahlprogramm der SPD wird eine „umfassende Pflegereform“ gefordert. Gleichzeitig soll der Pflegebedürftigkeitsbegriff Anwendung finden. Die CDU möchte den einzelnen Bürger dabei jedoch nicht aus seiner eigenen Verantwortung entlassen und schlägt eine besser abgestufte Bestimmung der Pflegebedürftigkeit vor, die auch den Grad der Selbstständigkeit der Betroffenen berücksichtigt. Konsens herrscht zwischen CDU/CSU und SPD darüber, dass künftig in diesem Bereich mehr Geld in die Hand genommen werden muss. „Megathema“ Krankenhausfinanzierung Auch die Reform der Krankenhausfinanzierung ist gesetzt. Von Jens Spahn einst als „Megathema der kommenden Legislatur“ bezeichnet, warten hier einige Baustellen auf die künftige Bundesregierung. So geben die Krankenkassen für keinen anderen Bereich soviel Geld aus, wie für die Kliniken: 62 Milliarden Euro waren es 2012. Aus Sicht der Krankenkassen sollen dabei die vielen kleinen Häuser in den Ballungszentren auf den Prüfstand, die Deutsche Krankenhausgesellschaft hingegen warnt unter diesen Umständen vor einer Verschlechterung der Versorgung. Die Frage, wie hier ein Ausgleich in der Bedarfsplanung geschaffen werden kann, wird die Gesundheitspolitiker künftig sicherlich beschäftigen. Eine bessere Abstimmung der Leistungs-


GESUNDHEITSPOLITIK angebote, die Versorgung in ländlichen Regionen, Trägervielfalt und Qualität sind hier die relevanten Stichworte. Wie der Faktor Qualität künftig berücksichtigt werden kann und wie man diesen neben der Menge auch bei der Abrechnung von Fallpauschalen einbeziehen kann, wird politisch diskutiert werden müssen. Dies gilt auch für die Investitionsfinanzierung der Bundesländer, die dieser Aufgabe jüngst immer weniger nachkamen. Eine Unterstützung durch den Bundesrat ist bei diesem Thema für die große Koalition nicht selbstverständlich, denn zum einen gehen Bundes- und Landesinteressen bei der Finanzierung auseinander, zum anderen verfügt auch die große Koalition derzeit nicht über eine eigene Mehrheit im Bundesrat.

Neuer Anlauf für ein Präventionsgesetz Nachdem das Präventionsgesetz mit dem Ende der 17. Legislatur dem Diskontinuitätsprinzip zum Opfer gefallen ist, heißt es hier wohl „Neues Spiel, neues Glück“. Dazu muss die große Koalition einen Kompromiss finden, der auf beiden Seiten mitgetragen wird. Diesmal stehen die Vorzeichen für eine gemeinsame Lösung besser, doch der Versuch der großen Koalition aus dem Jahr 2007 zeigt, dass Gespräche nicht immer zum Ziel führen müssen. Damals war hatte die SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die Einrichtung einer Stiftung

Allergologie Allgemeine Laboruntersuchungen Anti-Aging Arbeitsmedizin Erbkrankheiten/Humangenetik Individuelle Gesundheitsleistungen Patientenschulungen Umweltmedizin

Prävention und Gesundheitsförderung vorgeschlagen, die unter anderem nationale Präventionsziele erarbeiten und für diese auch werben sollte. Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion lehnte diesen Ansatz damals ab und setzte sich für die Einrichtung eines Nationalen Rates für Prävention ein. Das Präventionsgesetz der schwarz-gelben Koalition ist wiederum am Widerstand der SPD-geführten Länder im Bundesrat gescheitert.

Gesundheitswirtschaft Die Gesundheitswirtschaft hat sich in der vergangen Legislatur als eigner Schwerpunkt-Bereich im BDI organisiert und präsentiert sich seitdem als wichtiger Wirtschaftsfaktor in Deutschland. Nun wäre es an der Politik diesen Wirtschaftszweig in Deutschland wachsen zu lassen – wäre da nicht die Kassenlage... Ab 2015 zeigt die Hochrechnung wieder ein Defizit bei den Krankenkassen, so dass bereits bei den Koalitionsverhandlungen diskutiert wurde, wie diesem Defizit zu begegnen sei. Klar ist, dass die Arzneimittelhersteller einen Beitrag leisten (müssen). Das Preismoratorium und ein Herstellerabschlag von sieben Prozent werden bleiben – zumindest bis auf weiteres. Ob man zudem die Hersteller von Arzneimitteln oder auch von Medizinprodukten mit weiteren Nutzenbewertungen belastet, ist umstritten – nicht nur innerhalb einer schwarz-roten Koalition. Offene Fragen gibt es auch noch zum

Labor

Thema Freiberuflichkeit: Ein traditioneller Fürsprecher und erste Anlaufstelle für die Interessen der Freiberufler ist mit dem Ausscheiden der FDP aus dem Deutschen Bundestag gefallen und so wird das Aus der FDP von dieser Seite aus so manchem Mund bedauert.

DR. SANDRA BUSCH-JANSER

Dr. Sandra Busch-Janser (35) ist verheiratet und Herausgeberin des Berliner Informationsdienstes zur Gesundheitspolitik. Die promovierte Politikwissenschaftlerin ist Mutter dreier Kinder und hat in München und Duisburg studiert. Nach Stationen bei der Berliner Beratungsgesellschaft dimap communications und als Leiterin des Berliner Büros der int. Politikberatung Kovar & Köppl führt sie seit 2011 die Geschäfte des think tanks polisphere

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ZUR ZUKUNFT DER KOMMUNEN

Mit dem Programm „Ländliche Räume, regionale Vielfalt“ liegt ein 105 Einzelmaßnahmen umfassendes Aktionsbündel auf dem Tisch

Von Ingbert Liebing, MdB CDU und CSU haben in der vergangenen Legislatur für die größte finanzielle Entlastung der Kommunen seit Jahrzehnten gesorgt. Auch das Regierungsprogramm 2013 bis 2017 der Union enthält zahlreiche Maßnahmen, die zur weiteren Konsolidierung der Kommunen beitragen. Aus kommunaler Sicht sind die wesentlichen Punkte für diese Legislaturperiode eine zukunftssichere Finanzausstattung, Entlastungen im Sozialbereich und Investitionen in die Infrastruktur für Städte, Gemeinden und Landkreise.

Eingliederungshilfe für behinderte Menschen Durch die künftige vollständige Kostenübernahme für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bedeutet dies allein bis 2020 eine Entlastung um 50 Milliarden Euro. Das ist die größte Kommunalentlastung in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Gesamtbilanz der kommunalen Haushalte weist seit dem vergangenen Jahr wieder Überschüsse, erstmals wieder schwarze Zahlen aus. In den nächsten vier Jahren wird die Union die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung weiterentwickeln und in ein Bundesleistungsgesetz für Menschen mit Behinderung überführen. Wir wollen, dass der Bund sich schrittweise an den Kosten beteiligt und die Kommunen auf diesem Weg wirksam und dauerhaft entlastet werden. Das stärkt die Finanzkraft der Kommunen und verschafft ihnen finanzielle Handlungsspielräume.

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Gütesiegel für Kindergärten? Der Ausbau von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren ist bislang hervorragend gelaufen. Seit 2007 hat sich die Zahl der Kita - Plätze verdoppelt. Die befürchtete Klagewelle von Eltern, die ab dem 1. August 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz haben, blieb aus. Das zeigt, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam viel erreichen können. Rund 5,4 Milliarden hat der Bund für die Schaffung von Betreuungsplätzen in die Hand genommen und ab 2015 noch mal eine Schippe draufgepackt. Für den laufenden Betrieb der neugeschaffenen Plätze werden jährlich 845 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt. Eine gute Betreuung und Förderung sind wichtige Voraussetzungen dafür, dass alle Kinder in unserem Land gute Zukunftschancen haben, deshalb reicht es nicht aus, nur ausreichend Plätze zu haben. Es muss auch um die Qualität der Angebote gehen. Die Kindergärten brauchen ein gutes Qualitätsmanagement. Kindgerecht eingerichtete Räume, pädagogische Konzepte und natürlich ausreichend Fachkräfte. Wer Kinder liebevoll betreut und erzieht, muss zwar über entsprechende Fähigkeiten verfügen, aber nicht unbedingt ein Hochschulstudium vorweisen. Der Gesetzgeber hat im Kinder- und Jugendhilferecht in mehreren Paragraphen im SGB VIII eine qualitätsvolle Kindertagesbetreuung gefordert. Dies müssen die Länder jetzt so umsetzen, dass Qualität auch messbar ist. In Restaurants, beim Einkauf oder bei Hotelübernachtungen finden wir überall Siegel, Zertifikate

oder Plaketten, die Qualität oder gutes Management belegen. Nachweise für eine gute pädagogische Arbeit sind auch gut für Kinder, Eltern und Einrichtungen im zunehmenden Wettbewerb um die Kinder.

Ländlichen Raum fördern Rund die Hälfte der Menschen in Deutschland lebt auf dem Land. Doch viel zu selten wird die Entwicklung der ländlichen Räume in den Fokus der Politik gerückt, obwohl der überwiegende Teil unserer 3,5 Millionen Betriebe aus Gemeinden und kleinen Städten kommt. Wir leben in und von unserer regionalen Vielfalt. Das spiegelt sich auch in der Wirtschaft wider, die vom Mittelstand geprägt wird. Mit dem im vergangenen November vom Bundestag verabschiedeten Antrag „Ländliche Räume, regionale Vielfalt“ liegt ein 105 Einzelmaßnahmen umfassendes Aktionsbündel auf dem Tisch. Bereits zehn Prozent mehr Breitbandausbau schafft 1,5 Prozent mehr Wirtschaftswachstum. Deshalb sind die Ausbauziele der Bundesregierung, bis 2014 für 75 Prozent und bis 2018 für 100 Prozent der Haushalte Breitbandanschlüsse mit Übertragungsraten von mindestens 50 Megabit/Sekunde verfügbar zu haben, so wichtig. Mit einem uneingeschränkten Zugang zu Kabelverzweigern und Schaltverteilern muss es mehr Wettbewerb im Markt geben. Dies ist das entscheidende Thema für die Zukunft auf dem Lande. Doch ohne eine verstärkte öffentliche Förderung wird dies nicht gelingen. Deshalb setzen wir uns für

Foto: Wonnsche/ pixelio.de

KOMMUNALPOLITIK


KOMMUNALPOLITIK ein gemeinsames Infrastruktur-Förderprogramm Breitbandausbau für die Kommunen und Telekommunikationsunternehmen gemeinsam mit den Ländern ein. Dies können Zuschüsse zum Schließen von Wirtschaftlichkeitslücken, Kredite oder Bürgschaften sein. Wichtig sind Partner vor Ort, Kommunen, die regionale Wirtschaft oder Bürgergesellschaften. In meinem Wahlkreis in Nordfriesland sind gerade derartige Projekte mit Glasfaserausbau in jedem Haus gestartet. Wenn Bürgermeister oder Gemeindevertreter von Tür zu Tür gehen und erklären warum das schnelle Internet wichtig für die Gemeinschaft ist, dann können auch Anschlussraten von über 80 Prozent erreicht werden.

Kommunalen Klimaschutz voranbringen Klimaschutz kann nur vor Ort gelingen, deshalb brauchen wir gute Projekte in unseren Kommunen, um zu zeigen, wie wir unser Klima retten, wie wir die Schöpfung bewahren können, ohne unseren Wohlstand zu gefährden. In den Jahren 2008 bis 2012 wurden nach Angaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit rund 3.200 Projekte in 2.200 Kommunen gefördert und mit rund 3.000 Anträgen hat sich die Antragszahl im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Gefördert wurden Klimaschutzkonzepte und insbesondere Maßnahmen der Energieeffizienz. Gerade die Kommu-

nen haben mit ihrem großen Bestand an öffentlichen Gebäuden viel Potential, Energie einzusparen und so einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Dieses Bewusstsein wächst in immer mehr Kommunen. Die Bundesregierung unterstützt diese kommunalen Bemühungen mit mehr Geld. Das für 2013 beantragte Fördervolumen liegt zurzeit bei 135 Mio. Euro (im Vorjahr rund 74 Mio. Euro). Dies ist ein echtes Signal, dass der kommunale Klimaschutz richtig Fahrt aufnimmt. Diesen Weg wollen wir fortsetzen.

Medizinische Versorgung sichern Wir brauchen eine gute medizinische Versorgung, auch im Hinblick auf den demografischen Wandel, also einer alternden Gesellschaft. Der Ärztemangel auf dem Lande ist ein Problem. Die Verbesserung der Vergütungsstruktur für Landärzte ist ein erster Schritt. Wir müssen jetzt prüfen, ob wir beispielsweise den Aufbau von medizinischen Versorgungszentren stärker fördern müssen. Auch die Telemedizin bietet Möglichkeiten, wenn Spezialisten nicht vor Ort sind.

Mobilität fördern Ein weiteres Hauptanliegen für die Förderung des ländlichen Raumes ist die Mobilität. Sie ist wichtig, um den Jugendlichen eine berufliche Perspektive auf dem Land zu bieten, aber auch für eine älter werdende Bevölkerung. Wir fordern beispielsweise, dass der Mopedführerschein mit 15 in Modellversuchen getestet wird. Der Bund hat dafür die Voraussetzung geschaffen, nun müssen die Länder handeln. Zudem ist eine angemessene Berücksichtigung der Mittel des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs (ÖPNV) für einwohnerschwache Regionen nötig. Einen ersten Schritt haben wir mit der Novelle des Personenbeförderungsgesetzes getan. In den Verhandlungen mit den Ländern über die Mittel nach dem Entflechtungsgesetz müssen weitere Sicherungen für den ÖPNV folgen.

INGBERT LIEBING

Ingbert Liebing (50) ist Bundesvorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung der CDU und CSU Deutschlands (KPV) und kommunalpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Bei den Koalitionsverhandlungen vertritt Liebing in der Arbeitsgruppe „Energie“ die Interessen der Kommunen

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Foto: Erich Westendarp/ pixelio.de

TABAKGESETZE

Strengeres EU-Tabakgesetz kommt Hintergründe und Ziele der geplanten Maßnahmen Viele andere Staaten haben rigorosere Anti-Tabak-Gesetze als die Länder der EU (unser Foto zeigt das EU-Parlament in Strassburg)

te der Zigarettenschachtel einnehmen sollen, und eine strengere Regulierung der Tabakzusatzstoffe (Verbot von Aromen und gefährlichen Chemikalien). Auch dem Zigarettenschmuggel möchte die EU den Kampf ansagen. Die politische Diskussion ist jedoch alles andere als einfach. Dabei ist ganz klar: Ziel der Gesetzgebung ist nicht, Menschen das Rauchen zu verbieten, sondern junge Menschen davon abzuhalten, überhaupt erst mit dem Tabakkonsum anzufangen. Studien und Umfragen bestätigen, dass Menschen vorwiegend in jungen Jahren mit dem Rauchen beginnen. 70 Prozent der Raucher waren jünger als 18 Jahre alt. Leider raucht fast ein Drittel der 15- bis 24-Jährigen in Europa. Mit den neuen verschärften Regelungen möchte die EU nun genau hier ansetzen und den Anteil an rauchenden Kindern und Jugendlichen in Zukunft deutlich senken.

Problematische Zusatzstoffe Von Karl-Heinz Florenz, MdEP

Tabakwaren gibt es bereits seit Hunderten von Jahren. Doch erst im letzten Jahrhundert wurde bekannt, welche gesundheitsschädigenden Auswirkungen der Tabakkonsum – und insbesondere das Rauchen – mit sich bringt. Dem Nichtraucherschutz wurde daher in den vergangenen Jahrzehnten erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. Um das Gut „Gesundheit“ besser zu schützen, wurden strengere Tabakgesetze nicht nur in Europa, sondern weltweit erlassen. Beim bestimmungsgemäßen Gebrauch von Tabakerzeugnissen treten regelmäßig Gesundheitsschädigungen auf, die auch tödlich sein können. Auch die Beeinträchtigung und Schädigung Dritter durch Passivrauchen rechtfertigen daher, dass Tabakerzeugnisse strenger reguliert werden als andere Konsumgüter. Laut Berechnungen der Europäischen Kommission kostet der EU-weite Ta-

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bakkonsum 700.000 Menschen das Leben. Pro Jahr! Dies entspricht neun Mal der Kapazität des Westfalen-Stadions oder einmal der Stadt Frankfurt am Main. Obwohl der Tabakkonsum in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt – auch dank der bereits verabschiedeten EU-Regelungen – gesunken ist, sterben in Deutschland nach wie vor ca. 110.000 Menschen jährlich aufgrund des Rauchens. Daher ist es nur folgerichtig, dass sich die Mehrheit der EU-Bürger, Gesundheitsorganisationen, anerkannte Krebsforscher und Wissenschaftler sowie die EU-Mitgliedsstaaten und Abgeordneten im Europäischen Parlament einig sind, die derzeitige EU-Tabakproduktrichtlinie zu verschärfen.

Keine einfache Diskussion Und dabei sind wir auf einem guten Weg: Die im derzeit laufenden Verfahren geplanten Maßnahmen beinhalten größere Warnhinweise, die 65 Prozent der Vorder- und Rücksei-

Im Bereich der Tabakzusatzstoffe besteht in diesem Zusammenhang besonderer Handlungsbedarf. Viele Substanzen, die krebserregende, fortpflanzungsschädigende oder erbgutverändernde Eigenschaften haben, werden von der Tabakindustrie beigemischt, um den Tabakrauch angenehmer und genießbarer zu machen. Ist es moralisch vertretbar, das Geschmackserlebnis dieser gefährlichen Erzeugnisse auch noch bewusst zu verbessern? 13 Millionen Europäer – das ist mehr als die Einwohnerzahl Belgiens – leiden an tabakbedingten Erkrankungen. Die dadurch entstehenden Belastungen für die europäischen Volkswirtschaften und Gesundheitssysteme sind enorm. Die Kosten für Pflege, Medikamente, Krankenhausaufenthalte, Operationen, Arbeitsausfälle oder Frühverrentung belaufen sich jährlich auf mehrere Milliarden Euro. Bereits seit Jahren setze ich mich daher auf europäischer Ebene dafür ein,


Foto: Fine-Art.de/pixelio.de

TABAKGESETZE

dass Tabakzusatzstoffe strenger reguliert werden. Zusatzstoffe sollen nur dann eingesetzt werden dürfen, wenn sie die suchterzeugende oder toxische Wirkung der Erzeugnisse nicht erhöhen. Die Tabakindustrie mischt bis zu 100 verschiedene Zusatzstoffe in jede einzelne Zigarette ein. Jeder Hersteller hat lange an der „richtigen Mischung“ an Inhaltsstoffen gearbeitet, mit dem Ziel, den von Natur aus unangenehmen und beißenden Tabakgeschmack abzumildern, die Abhängigkeit zu erhöhen und den Einstieg in den Tabakkonsum zu erleichtern.

Auch Menthol wird wohl verboten Tabak sollte meiner Ansicht nach nach Tabak schmecken und nicht nach Schokolade, Erdbeere oder Vanille. Auch der Zusatzstoff Menthol sollte langfristig verboten werden. Er macht Tabakerzeugnisse bekömmlicher und attraktiver. Er wird vielfach eingesetzt und von der Tabakindustrie auch gezielt beworben. Viele Verbraucher schreiben Menthol eine positive gesundheitliche Wirkung zu und meinen, dass Mentholzigaretten weniger schädlich seien als herkömmliche Zigaretten. Doch das Gegenteil ist der Fall: Der Körper wird länger den gesundheitsschädlichen Zigarettendämpfen ausgesetzt, da Menthol durch seine kühlende, schmerzlindernde und hustenunterdrückende

die USA bereits seit Jahren strengere Tabakgesetze als die EU – und daher weniger Raucher. Langfristig kann also auch davon ausgegangen werden, dass das neue Tabakgesetz dazu führen würde, dass die Raucherzahlen in der EU zurückgehen werden.

Rauchen ist der größte einzelne Risikofaktor für die Krebsentstehung und er ist vermeidbar! Europa macht beim Thema Rauchen leider mit einem Negativrekord auf sich aufmerksam: Es ist weltweit die Region mit dem größten Raucheranteil. Dieser liegt bei knapp 30 Prozent. Das neue EUTabakgesetz möchte daher verhindern, dass eine neue Generation an Rauchern geschaffen wird. LangfriWirkung eine tiefere und längere Instig soll der Tabakkonsum in der EU weiter zurückgehen. Abschreckende halation ermöglicht. Schockbilder statt Der Vergleich mit anderen Ländern Die EU möchte dafür verführerische Verzeigt allerdings, dass strengere Repackungen ist die Sorge tragen, dass die geln auf Packungsebene oder im BeBürger bewusste und inDevise. Für den reich der Zusatzstoffe Wirkung zeigen. formierte KaufentscheiGesundheitsschutz Kanada führte bereits 2001 als ersdungen treffen können und gegen todbrintes Land weltweit Bildwarnhinweise und nicht durch Wergende Krankheiten. auf Zigarettenschachteln ein. bung irregeführt und verführt werden. Die Tabakindustrie behauptet, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen keine Wirkung zeigen würden. Dennoch warnt sie KARL-HEINZ FLORENZ vor massiven Arbeitsplatzverlusten, wenn das neue Gesetz in Kraft tritt. Widerspricht sich die Industrie hier nicht selbst? Ohne Wirkung der Maßnahmen hätte sie auch nichts zu befürchten. Wieso dann dieser große Widerstand?

Vermeidbarer Krebsfaktor Der Vergleich mit anderen Ländern zeigt allerdings, dass strengere Regeln auf Packungsebene oder im Bereich der Zusatzstoffe Wirkung zeigen. Kanada führte bereits 2001 als erstes Land weltweit Bildwarnhinweise auf Zigarettenschachteln ein. Diese und weitere Maßnahmen haben dazu geführt, dass die Raucherzahlen in Kanada von 25 Prozent im Jahr 1999 auf 16 Prozent 2012 gesunken sind. Neben Kanada haben auch Australien, viele lateinamerikanische Länder und

Karl-Heinz Florenz, Jahrgang 1947, ist verheiratet und hat drei Kinder. Seit 1989 ist er für den Niederrhein Mitglied des Europäischen Parlaments. Der CDU-Politiker ist Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit, dessen Vorsitzender er 2004-2009 war

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AMD-NETZWERK

Netzwerke im Gesundheitswesen:

DAS AMD-NETZ Buchstaben verspringen, Linien verzerren, die Mitte des Gesichtsfeldes wird unscharf – über vier Millionen Menschen leben in Deutschland mit verschiedenen Formen der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD). Doch die Zusammenarbeit zwischen den Versorgern ist oft verbesserungswürdig – zum Leidwesen der Erkrankten. Dies haben Studien der Universität Münster nachgewiesen. Ein gemeinnütziges Netzwerk hat sich zum Ziel gesetzt, Brücken zu schlagen und so die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Seit 2011 in NRW, ab 2014 bundesweit.

Augenärzte und -kliniken, spezialisierte Augenoptiker, Mobilitäts- und Reha-Trainer, soziale Berater, Selbsthilfegruppen und Sehbehindertenverbände – eine Vielzahl von Akteuren dreht sich um die AMD-Patienten, agiert dabei jedoch oft fragmentiert. Das Resultat: Viele Betroffene fühlen sich orientierungslos. Das AMD-Netz möchte die Koordination und Kooperation an den Schnittstellen des Versorgungsprozesses verbessern, durch patientenorientierte Informationsleistungen Transparenz schaffen und zu einer effektiven und effizienten Versorgung beitragen. Damit widmet sich das Netzwerk sowohl dem vom Bundesmi-

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nisterium für Gesundheit beschlossenen nationalen Gesundheitsziel „Gesund älter werden“ als auch der Förderung der Teilhabe (seh)behinderter Menschen in der Gemeinschaft. Die namhaften Partner der Initiative kommen aus allen Bereichen der Versorgung: beispielsweise der Berufsverband der Augenärzte (BVA), der Bundesverband Deutscher Ophthalmochirurgen (BDOC), die BARMER GEK, die Selbsthilfevereinigung PRO RETINA Deutschland oder zahlreiche Universitäts-Augenkliniken.

Persönliches Schicksal als Anstoß Anstoß für die Initiative war zunächst ein persönliches Schicksal: Als der emeritierte Marketing-Professor Heribert Meffert im Jahre 2005 die Diagnose AMD bekam, machte er die Erfahrung, auf eigene Faust Informationen suchen zu müssen – und zunächst nicht zu wissen, wie es weitergeht. So entstand gemeinsam mit Augenärzten wie Professor Daniel Pauleikhoff, leitender Arzt der Augenabteilung am St. FranziskusHospital Münster, die Idee zum AMDNetz. Es folgte eine Bestandsanalyse der

Situation und Wünsche der AMD-Patienten. Im Rahmen dieser Versorgungsforschung wurden Doktorarbeiten betreut, die nachweisen konnten, dass nur 20 Prozent aller AMD-Patienten wissen, wohin sie sich mit Fragen zum Umgang mit der Erkrankung wenden können. Zwar belegten Befragungen von Patienten eine hohe Gesamtzufriedenheit mit der augenärztlichen Versorgung – ein Großteil fühlte sich jedoch nicht ausreichend über soziale Angebote informiert und nutzte sie entsprechend wenig. Diejenigen, die sie nutzen, waren jedoch nachweislich besser informiert. 84 Prozent der befragten Augenärzte sagten zudem aus, sie empfänden es als hilfreich, stärker über soziale Organisationen informiert zu sein. Erkenntnisse, die die Notwendigkeit eines besseren Netzwerkens und einer Optimierung der Zusammenarbeit belegen. Weitere Initiativen zur Erforschung der Versorgung der AMD-Patienten sowie einer Bündelung und Vernetzung dieser Forschungsrichtung in Deutschland hat das AMD-Netz bereits in Angriff genommen.

Personenbezogene Informationen Über die Moderation zwischen allen medizinischen und sozialen Versorgern hinaus bietet das AMD-Netz diverse Leistungen an. Hierzu zählt beispielsweise das sogenannte „Patientenhandout“, eine situations- und stadienabhängige Patienteninformation. Unter www.amd-netz. de können Augenärzte für ihre Patienten ein individuell auf ihre Erkrankung zugeschnittenes Informationsheft erstellen und ihnen an die Hand geben. So haben Patienten und Angehörige alle medizinischen Details zu ihrer Diagnose auf Papier. Außerdem enthält das Patientenhandout optional eine Liste mit Hilfsangeboten im lokalen Umfeld. Dass das Handout einen Mehrwert im Praxisalltag darstellt, bestätigen Augenärzte, die es in die Behandlung integriert haben.

Schulungen für medizinische Fachangestellte Gut angenommen wird auch ein Angebot des AMD-Netz, das gemeinsam mit dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund und OcuNet, einem Zu-


AMD-NETZWERK die nächste Selbsthilfegruppe. Ein neuer Kontakt ist hergestellt, eine Brücke geschlagen – und das AMD-Netz seinem Ziel ein Stück näher gekommen.

Patienten sind oft mit den verschiedenen Anlaufstellen überfordert

sammenschluss von Augenarztpraxenund Kliniken, entwickelt wurde. Ursula Witt, die seit 14 Jahren Sehbehinderte berät, bietet spezielle Schulungen für medizinische Fachangestellte an. „Oft fallen den Patienten viele Fragen, besonders die nicht-medizinischen, erst nach dem Arztgespräch ein. Dann wenden sie sich an die ArzthelferInnen, die aber auch nicht immer weiter wissen.“ Hier setzen die Fortbildungen an: In Kleingruppen schulen Witt und die Partner das Praxispersonal in der besonderen Betreuung von sehbehinderten Menschen. Mit Simulationsbrillen erfahren die Teilnehmer zunächst, wie man sich fühlt, wenn auf einmal der „Durchblick“ fehlt. Sie bekommen mit auf den Weg, welche praktischen Tipps man den Patienten unter anderem zu optischen Hilfsmitteln, Training von lebenspraktischen Fähigkeiten oder Fragen finanzieller Unterstützung geben kann. „Das Feedback der Patienten ist durchweg positiv. Denn sie erwarten von einer Augenarztpraxis heute mehr als nur medizinische Versorgung.“

Informationen im Web und am Telefon Was die Erfahrungen aus dem Praxisalltag andeuten, bestätigt auch die Nachfrage nach den Informationsangeboten des AMD-Netz: Die meisten AMD-Patienten wünschen sich mehr Informationen zur Erkrankung und zu Hilfsangeboten. Die interaktive Website des Netzwerks

hat ihre monatlichen Nutzerzahlen im letzten Jahr um mehr als 250% steigern können. Auf der Internetseite ist beispielsweise das Forum beliebt, in dem Patienten ihre Erfahrungen rund um die AMD austauschen und Fragen von Experten beantwortet bekommen können. Die weniger internet-affinen Patienten oder Angehörigen bekommen telefonisch Hilfe und Beratung: Bei der Patienten-Hotline werden die Fragen der Anrufer entweder direkt beantwortet oder sie werden an den richtigen Ansprechpartner vor Ort vermittelt, z. B.

Mit seiner Arbeit teilt das AMD-Netz ein Ziel mit der Politik: Die Steigerung der Effizienz der Prozesse in einem komplexen Versorgungssystem – sowohl aus wirtschaftlicher, aber auch und insbesondere aus sozialer Perspektive. Aufgrund der bisherigen Erfolge und der positiven Resonanz der Beteiligten wird sich die bisher auf Nordrhein-Westfalen fokussierte Initiative ab 2014 räumlich und inhaltlich erweitern und bundesweit präsentieren. Die Pilotphase wurde hauptsächlich durch Stiftungen, insbesondere die Dr. Werner Jackstädt-Stiftung aus Wuppertal, finanziert. In Zukunft muss das Netzwerk weitgehend auf eigenen Beinen stehen und seine Weiterentwicklung mit einem den Zielen angepassten Betreiberkonzept angehen. Ohne die Unterstützung von Sponsoren, Spendern und der öffentlichen Hand wird es dem AMD-Netz dabei nicht möglich sein, seine anspruchsvollen Ziele weiterhin zu erreichen und einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten zu können.

Sie gründeten das AMD-Netzwerk: der emeritierte Marketing-Professor Heribert Meffert (rechts) und Professor Daniel Pauleikhoff (links), Augenarzt in Münster

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Foto: Lise Spreckelmeyer/ pixelio.de

ENERGIEWENDE

ENERGIEWENDE: Entschlossenes Eingreifen notwendig Bei der Förderung der Erneuerbaren Energien ist ein konsequenter Paradigmenwechsel notwendig

Von Hildegard Müller

Um die Energiewende zu einem Erfolg werden zu lassen, muss die neue Bundesregierung schnell handeln. Fest steht, dass beim Umbau unserer Energieversorgung hin zu einem System, das zu einem Großteil aus den Erneuerbaren Energien besteht, etwas aus dem Lot geraten ist. Die Politik ist gut beraten, entschlossen einzugreifen.

Allein ein Blick auf die aufgelaufenen Kosten macht den Handlungsbedarf deutlich. Die Kosten, die sich durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz ergeben, erreichen im kommenden Jahr zum wiederholten Male eine neue Rekordmarke. Die Belastungen für Stromkunden durch die Öko-Umlage werden von derzeit 20,4 auf etwa 23,6 Milliarden Euro in 2014 ansteigen. Mit diesem Kostenanstieg wird bei vielen Verbrauchern die Grenze der Belastbarkeit erreicht; und auch die Akzeptanz für die

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Energiewende bei den Bürgern gefährdet. Über 52 Prozent von jedem Euro, die der Bürger für Strom zahlt, sind Steuern und Abgaben.

Ökologisch genügt nicht Auf Grund dieser horrenden Kosten ist bei der Förderung der Erneuerbaren Energien ein konsequenter Paradigmenwechsel notwendig: Heute erwarten wir von den Erneuerbaren nur, dass sie ökologisch Strom produzieren. Künftig müssen sie dies aber auch zuverlässig und ökonomisch tun. Das sind zwei neue Anforderungen, ohne die die Erneuerbaren keine Zukunft haben werden. Die Energiewirtschaft hat bereits eine grundlegende Reform der Erneuerbaren-Förderung vorgeschlagen. Für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende muss der Rollentausch zwischen den Erneuerbaren Energien und

konventionellen Kraftwerken gelingen. Nur so werden die Ziele der Energiewende erreicht. Aus passiven Subventionsempfängern müssen aktive Kaufleute werden. Außerdem sollen die Betreiber neuer Anlagen künftig Verantwortung sowohl im Markt als auch unter technischen Gesichtspunkten übernehmen. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat eine Pflicht zur Direktvermarktung von Strom aus neuen Erneuerbaren-Anlagen vorgeschlagen. Sie soll zum Kern einer EEG-Reform werden. In einem ersten Schritt soll die Direktvermarktung mit einer gleitenden Marktprämie verpflichtend eingeführt werden. Daneben soll die Förderung der Erneuerbaren Energien von einer zeitlich befristeten auf eine im Hinblick auf die Strommenge begrenzte Förderung der Erneuerbaren Energien umgestellt werden. Ziel ist, dass der Strom


ENERGIEWENDE dann eingespeist wird, wenn er wirklich gebraucht wird und dass die Anlagenbetreiber ökonomische Verantwortung übernehmen.

Es hat sich in der letzten Zeit immer dringender die Frage gestellt: Wie können bestehende, konventionelle Kraftwerke, die wir für die Versorgungssicherheit brauchen, in Zukunft noch wirtschaftlich betrieben werden, wenn sie mit drastisch sinkenden Laufzeiten und sinkenden Erträgen konfrontiert sind?

hört aber zum Beispiel auch ein entschlossenes Handeln auch in anderen Bereichen. Beispiel Wärmemarkt: 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa ein Drittel der CO2-Emissionen in Deutschland entfallen auf den Wärmemarkt. Von den ca. 18,1 Millionen Wohngebäuden in Deutschland sind rund zwei Drittel energetisch sanierungsbedürftig, die jährliche SanieMit der abnehrungsrate liegt aber nur Es hat sich in der letzten Zeit immenden Wirtbei einem Prozent. Rund mer dringender die Frage gestellt: schaftlichkeit Wie können bestehende, konven- 75 Prozent der Heizungsder Kraftwer- tionelle Kraftwerke, die wir für die anlagen im Gebäudebeke steht nach Versorgungssicherheit brauchen, in stand sind nicht auf dem Analyse der Zukunft noch wirtschaftlich betrie- Stand der Technik. Auch Branche das ben werden, wenn sie mit drastisch im Bereich Mobilität gibt es wichtige Gut sinkenden Laufzeiten und sinken- große Potenziale. Vor allem brauchen wir ein koordi´ ge s i c h e r t e den Erträgen konfrontiert sind? Leistung´, und niertes Vorgehen von Bund damit die Versorgungssicherheit selbst, und Ländern. Das dies bisher fehlt, stellt nicht mehr selbstverständlich zur Vereines der größten Hindernisse für das fügung. Deshalb soll dafür gesorgt werGelingen der Energiewende dar. den, dass konventionelle Kraftwerke Trotz aller zum Teil problematischen künftig auch ihre Reservekapazitäten Entwicklungen unterstützen wir als als eigenes Angebot vermarkten könBranche die Ziele der Energiewende. nen. Wir wollen nicht nur einfach auf Missstände hinweisen, sondern vor allem Ziel: funktionierender Markt Lösungen anbieten. Die Energiewirtschaft will ihren Beitrag zur effizienten Auf diesem ‚dezentralen LeistungsUmsetzung der Energiewende leisten. markt‘ würden gesicherte Kapazitäten von Kraftwerken in Form sogenannHILDEGARD MÜLLER ter Versorgungssicherheitsnachweise gehandelt. Marktpartner sind auf der einen Seite die Vertriebe, die damit auch bei weiter zunehmenden Anteilen volatiler Erneuerbarer Energien ihren Kunden Versorgungssicherheit anbieten können. Auf der anderen Seite bieten die konventionellen Kraftwerke, aber auch Speicherbetreiber, virtuelle Kraftwerke und regelbare Erneuerbare-Energien-Anlagen, ihre Kapazitäten an, die im Bedarfsfall abgerufen werden können. Ziel dieses Konzeptes ist es, die für die Versorgungssicherheit notwendigen Kapazitäten nicht durch Subventionen zu sichern, sondern durch einen Hildegard Müller ist seit Oktober 2008 Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung unbürokratisch organisierten und dedes Bundesverbandes der Energie- und zentral funktionierenden Marktplatz.

Hinzu kommt die Verunsicherung bei Investoren, die neue Kraftwerke bauen wollen. Viele Projekte liegen auf Eis. Aufgrund des stetig wachsenden

Die hier dargestellten Lösungswege adressieren insbesondere den hohen Handlungsdruck im Strommarkt. Zu einer erfolgreichen Energiewende ge-

Auch Verantwortung für das Netz Außerdem sieht die Branchenlösung vor, dass die Erneuerbaren zunehmend auch Verantwortung für das technische Funktionieren des Stromversorgungssystems übernehmen. Anlagen sollen beispielsweise verpflichtend mit einer Fernsteuerung ausgerüstet werden. Schließlich gehören zum Reformmodell Vorschläge zur Synchronisierung des Ausbaus der Erneuerbaren mit dem Ausbau des Netzes. Denn der Netzausbau kann trotz aller Anstrengungen nicht mehr mit dem Ausbau der Erneuerbaren Schritt halten. Immer häufiger müssen ErneuerbareEnergien-Anlagen aus Gründen der Systemsicherheit abgeregelt werden. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien hat aber auch noch weitere Auswirkungen. Er führt dazu, dass vor allem Gas-, aber auch Kohlekraftwerke zunehmend unwirtschaftlich sind. Wir brauchen aber diese Kraftwerke noch für lange Zeit als Backup – wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Weitere erhebliche Auswirkungen auf die Stromerzeugung haben die Preisentwicklungen für Kohle und Gas auf den internationalen Märkten und die anhaltend niedrigen Preise für CO2-Emissionszertifikate in Europa.

Verunsicherung der Investoren

Anteils der schwankenden Stromeinspeisung aus Erneuerbaren Energien muss auch immer öfter in den Netzbetrieb eingegriffen werden. Dies ist nötig, um eine gleichbleibende Spannung im System und damit die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten. Der Aufwand hierfür ist in den vergangenen zwei Jahren enorm gestiegen.

Wasserwirtschaft (BDEW). Die gelernte Bankkauffrau und Diplom-Kauffrau war von 2002 bis 2008 Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Von 2005 bis 2008 war sie zur Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin

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KOMMENTAR

Voraussetzung für ein leistungsfähiges Gesundheitssystem ist eine solide Finanzierung Liebe Leserinnen und Leser, in den letzten Wochen ist viel passiert. Am 22. September 2013 war Bundestagswahl, welche wir als CDU/CSU mit großartigen 41,5 Prozent gewonnen haben. Es wurden erfolgreich Sondierungsgespräche geführt und die Koalitionsverhandlungen mit der SPD sind in vollem Gange. Sollten die Gespräche mit der SPD weiterhin positiv verlaufen, gilt für eine mögliche große Koalition auch, eines der besten Gesundheitswesen der Welt aufrecht zu erhalten. An 365 Tagen im Jahr, sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag ist flächendeckend eine durchgängige medizinische Grundversorgung sichergestellt, die es in dieser Breite in keinem anderen Land der Welt gibt. Herausforderung ist dabei insbesondere weiterhin die Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung. Mit dem Versorgungstrukturgesetz haben wir die Weichen in die richtige Richtung gestellt. Jetzt kommt es darauf an, den beschrittenen Weg erfolgreich weiter zu beschreiten, dass alle Menschen gut versorgt werden. Aufgrund der erfolgreichen Politik der letzten Jahre haben wir die Chance und in dieser Legislaturperiode intensiv den Versorgungsthemen zu widmen und nicht mit neuen Kostendämpfungsgesetzen zu starten. Dennoch gilt: Voraussetzung für ein leistungsfähiges Gesundheitssystem ist eine solide Finanzierung. Wir müssen uns daher auch in Zukunft mit einer nachhaltigen Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen auseinander setzen - trotz einer guter Finanzlage der Krankenkassen aus heutiger Sicht, denn die gesetzliche Krankenkasse muss für uns alle auf Dauer bezahlbar bleiben.

Aus unserem bestehenden System und der guten Konjunktur ergeben sich Schätzungen zufolge Ende dieses Jahres die Liquiditätsreserve im Gesundheitsfonds von 13,3 Mrd. Euro. Diese gute Ausgangssituation für eine Weiterentwicklung des Gesundheitswesens ergibt sich unter anderem aus verschiedenen Instrumenten, die die christlich-liberale Koalition in den vergangenen vier Jahren eingeführt hat. Es gilt nun in den Koalitionsverhandlungen, auch die SPD von den Vorteilen des Zusatzbeitrags zu überzeugen. Denn nur der Zusatzbeitrag sorgt für eine bessere und transparentere Information über Leistungen und Kosten der gesetzlichen Krankenkasse. JENS SPAHN Es grüßt Sie herzlich Ihr

Jens Spahn, MdB

Jens Spahn, MdB, wurde 1980 in Ahaus geboren. Seine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der WestLB führte ihn auch nach Luxemburg. Der studierte Politikwissenschaftler gehört seit 2002 dem Deutschen Bundestag an. Seit 2009 ist er gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion und stellvertretender Landesvorsitzender des Gesundheitspolitischen Arbeitskreises der CDU Nordrhein-Westfalen.

Impressum Herausgeber und Verlag GK Mittelstands Magazin Verlag GmbH Günter F. Kohl Gärtnerkoppel 3 24259 Westensee/ Kiel Tel. 04305-992992 / Fax 04305-992993 E-Mail: gkprkiel@t-online.de

Redaktion Tim A. Küsters

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Am Puls

04 | 2013

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Internet: www.issuu.com/ampuls Satz und Layout: Walter Katofsky, Kiel Druck: cw Niemeyer Druck, Hameln

Das Magazin am puls erscheint viermal im Jahr jeweils zur Mitte eines Quartals.


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