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Jahrgang 11

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5,00 Euro

MAGAZIN FÜR

POLITIK UND GESUNDHEIT Hans Härting Patientensicherheit ein Luxus? S. 12

ACHILLESVERSE

Gesundheitsversorgung

Michael Schierack Gesundheitspolitik in Brandenburg

S. 16

Elisabeth Roegele Anwälte erster und zweiter Klasse?

S. 20


Caring and curing Caring and curing Leben retten und Gesundheit

Leben retten und ist Gesundheit verbessern – das unser Ziel. verbessern – das ist unser Ziel.

Die Entwicklung bahnbrechender neuer Medikamente steht für Novartisbahnbrechender an erster Stelle. neuer Sie schaffen neue Die Entwicklung Medikamente Behandlungsmöglichkeiten für bislang unerfüllte steht für Novartis an erster Stelle. Sie schaffen neue medizinische Bedürfnisse der Patienten Behandlungsmöglichkeiten fürPatienten. bislang unerfüllte und ihre Bedürfnisse können sehrPatienten medizinische Bedürfnisse derjedoch Patienten. unterschiedlich sein. Deshalb bietet Novartis neben und ihre Bedürfnisse können jedoch sehr innovativen Medikamenten auch Möglichkeiten zur unterschiedlich sein. Deshalb bietet Novartis neben Krankheitsvorbeugung sowie Generika an und verbessert innovativen Medikamenten auch Möglichkeiten zur den Zugang zu medizinischer Versorgung. Krankheitsvorbeugung sowie Generika an und verbessert den Zugang zu medizinischer Versorgung.

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EDITORIAL

Skeptiker überzeugt Als Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren damaligen Generalsekretär Hermann Gröhe zum neuen Bundesgesundheitsminister ernannte, waren die Verwunderung und Skepsis bei den Gesundheitsexperten deutlich zu spüren. Selbst in der öffentlichen Wahrnehmung war Hermann Gröhe als Gesundheitspolitiker bis dato eher unauffällig. Knapp zehn Monate ist der Bundesgesundheitsminister nun im Amt, und die Skeptiker reiben sich verwundert die Augen. Sein Ministerium hat Hermann Gröhe optimal aufgestellt, seine Arbeit wird überall gelobt und seine Fachkenntnis geschätzt. Schaut man sich eine erste Arbeitsbilanz an, so fällt diese rundum positiv aus. Die Pflegereform wurde ein ganzes Stück nach vorne gebracht und die ersten Entwürfe waren bereits kurz nach Amtsantritt auf den Beratungstischen. Auch in der öffentlichen Diskussion werden die Veränderungen in diesem Bereich durchweg lobend zur Kenntnis genommen. Mit Karl Josef Laumann als neuen Pflegebeauftragten der Bundesregierung ist Bundeskanzlerin Angela Merkel und Hermann Gröhe ein absoluter Glücksgriff gelungen.

Die im Koalitionsvertrag festgelegten gesundheitspolitischen Themen werden sachlich und vor allem ruhig abgearbeitet. Hermann Gröhe und sein Ministerium arbeiten geräuschlos und sehr effizient. Selbst bei unerwarteten und kurzfristigen Problemen packt der Bundesgesundheitsminister schnell an. Bereits 4 Wochen nach der ersten öffentlichen Wahrnehmung der Probleme der Hebammen wurden Ergebnisse vorgelegt und dann zügig umgesetzt. Auch bei kritischen Themen wie der schnellen Vergabe von Facharztterminen lässt sich Hermann Gröhe nicht von seinem Weg abbringen. Hier wird es nach der Sommerpause bereits einen ersten Gesetzesentwurf geben. Die zweite Stufe der Pflegereform ist ebenfalls für 2017 terminiert, Eckpunkte dazu sind bereits festgelegt. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch die unaufgeregte Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Gesundheit unter Leitung von Jens Spahn. Auch dies trägt sicherlich zum insgesamt positiven Erscheinungsbild bei und ist Bestandteil des Erfolgs der bisherigen Arbeit.

INHALT 4 Familienbande

Unser Autor Mark Never rückt Geschwister behinderter oder chronisch kranker Kinder in den Focus

6 Der GPA im Dialog

Fotoimpressionen vom Jahresempfang des Gesundheitspolitischen Arbeitskreises der CDU NRW (GPA)

7 European Democratic Students

Als offizielle Organisation der Europäischen Volkspartei (EVP) gehören dem EDS derzeit über 40 politische Studentenverbände aus rund 37 Staaten Europas an. Unsere Autorin Silvie Rohr stellt ihn vor

8 Datenschutz in der Medizin

Der Datenschutz darf keine Bevormundung der Bürger bezwecken schreibt CDU-MdB Volker Ullrich

10 Gesundheits-Kompromisse

Die Große Koalition hat bereits zahlreiche Kompromisse zustande gebracht, auch in der Gesundheitspolitik wie SPD-MdB Bärbel Bas aufzeigt

12 Qualitätssicherung

Flugkapitän Hans Härting vergleicht das Qualitätsniveau in der Medizin mit demjenigen in der Luftfahrt und kommt dabei zu einem für die Medizin wenig schmeichelhaften Ergebnis

14 Sorgen der Dermatologie

In der hautärztlichen Versorgung hat die seit nahezu zwei Jahrzehnten andauernde Kostendämpfungspolitik in der Grundversorgung von Hautkranken tiefe Bremsspuren hinterlassen berichtet Klaus Strömer

16 In Brandenburg wird gewählt

Ein Fazit der Gesundheitspolitik zieht für uns der CDU-Spitzenkandidaten und Arzt Michael Schierack

18 Treffen der Gesundheitspolitiker

Bei einem Treffen der CDU-Gesundheitspolitiker aus Bund und Ländern wurden die Ziele in der Großen Koalition definiert. Es berichtet Gottfried Ludewig

20 Syndikusanwälte wehren sich

Die 40.000 Syndikusanwälte in unserem Land wehren sich gegen eine drohende Diskriminierung gegenüber ihren selbstständigen und angestellten Kollegen in Praxen. Elisabeth Roegele klärt die Sachverhalte

22 Die Kolumne zur Gesundheitspolitik

schreibt wie immer der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn, MdB

Dr. Mathias Höschel und Frank Rudolph, Herausgeber

22 Impressum

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Foto: Stephanie Hofschlaeger/ pixelio.de

FAMILIENBANDE bar zu machen. Das Ziel ist, dass auch Geschwisterkinder gesund aufwachsen und sich ungestört entwickeln können. Früh erkennen, wenn eine Belastung vorliegt Mit dem LARES-Früherkennungstool bietet FamilienBande ein erstes praxisnahes Instrument zur Unterstützung der Geschwisterarbeit im Alltag von Fachkräften und Ärzten. Mittels spezieller Fragebögen für Kinder und Eltern lassen sich der Belastungsgrad sowie der individuelle Bedarf an Hilfestellungen ermitteln.4 Das Modell beschreibt drei unterschiedlicher Belastungsgrade und formuliert möglicher Hilfen: A bei gering belasteten Kinder (70%) helfen Information, Aufklärung oder auch Training sowie Schulungen A Mittelgradig belastete Kinder (20%) brauchen zusätzlich spezielle Angebote A Hoch belastete Kinder (10%) benötigen darüber hinaus therapeutische Angebote. In Deutschland wachsen rund zwei Millionen Kinder mit schwer chronisch erkrankten oder schwer behinderten Geschwistern auf

Gemeinsam für Geschwister: Stiftung FamilienBande Geschwister chronisch kranker oder behinderter Kinder rücken in den Fokus – Relevantes aber unbeachtetes Thema Jungen und Mädchen mit chronisch kranken oder behinderten Geschwistern nehmen oftmals eine Nebenrolle in der Familie ein. Viele wachsen an der besonderen Verantwortung, aber nicht alle. Laut in den USA erhobenen Untersuchungen haben gesunde Geschwisterkinder ein 2-3fach erhöhtes Risiko, psychosoziale Auffälligkeiten bis hin zu Depressionen zu entwickeln.1

In Deutschland wachsen rund zwei Millionen Kinder mit schwer chronisch erkrankten oder schwer behinderten Geschwistern auf.2 Neun von zehn kommen mit der Situation klar. Sie und ihre Familien brauchen vor allem eines: Hilfe zur Selbsthilfe.

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Hier setzt die Novartis-Stiftung FamilenBande3 an: Sie bietet ein übergreifendes Informationsangebot und einen niedrigschwelligen Zugang zu Hilfen in einem bundesweiten Netzwerk von Angeboten speziell für Geschwisterkinder und ihre Familien. Die Stiftung hat drei Aufgabenfelder: Fachkreise und die Öffentlichkeit für das Thema Geschwisterkinder zu sensibilisieren und über die besondere Familiensituation aufzuklären, gemeinsam mit Experten aus Praxis, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft Angebote für Geschwister zu entwickeln und zu vernetzen sowie Knowhow und wissenschaftliche Erkenntnisse auch zur Qualität der Geschwisterversorgung verfüg-

Schwere Belastung durch Prävention verhindern FamilienBande konzentriert sich auf die neun von zehn Geschwisterkindern mit geringer und mittlerer Belastung, die ihre Situation ohne therapeutische Hilfe bewältigen können. Prävention – also helfen, bevor eine Belastung auftritt - ist der Ansatz, die Stiftung will Hilfe zur Selbsthilfe geben. Wichtig ist dabei, dass Betroffene möglichst in erreichbarer Nähe Unterstützung finden, dass Kinder-, Allgemein- und Fachärzte wissen, wohin sie Familien schicken können, die Unterstützung suchen. Hochqualifizierte Angebote wurden entwickelt In den vergangenen drei bis vier Jahren hat sich mit der Unterstützung von FamilienBande das Angebot für Geschwisterkinder zum einen zahlenmäßig vergrößert – es wurden aber vor allem qualitativ wichtige Entwicklungen erzielt. Der FamilienBande-Qualitätszirkel hat z.B. in zwei Jahren eine standardisierte Dokumentation erarbeitet, in der die Themen der Angebote, ihre Zie-


FAMILIENBANDE halten. Darüber hinaus wird FamilienBande unterstützt von prominenten Persönlichkeiten aus der Politik wie Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig.

le, Inhalte und Methoden in einer einheitlichen Sprache beschrieben wurden. Dies dient als Grundlage für die weitere Qualitätsentwicklung. Einheitliche Standards sind auch die Basis für das Institut für Sozialmedizin in der Pädiatrie Augsburg, das mit dem GeschwisterCLUB eine Reihe von Gruppenund Einzelangeboten entwickelt hat, die modular aufgebaut und für unterschiedliche Belastungsgrade ausgerichtet und übertragbar in verschiedene Settings sind. Dazu gehört z.B. das Präventionsangebot SuSi (Supporting Siblings), das sich an niedrig belastete Geschwister richtet und den Fokus auf Stressbewältigungsfähigkeiten, Entspannung und Selbstsicherheit legt. Dieses Modul steht kurz vor der Erstattungsfähigkeit durch Krankenkassen.

Online-Suchmaschine schafft niedrigschwelligen Zugang Damit die Informationen und Hilfen für Geschwisterkinder und ihre Familien auffindbar sind, hat FamilienBande-Services im Internet unter www.stiftung-familienbande.de eine Plattform geschaffen. Eine Online-Suchmaschine ermöglicht einen leichten Zugang zu 1

inzwischen 230 Hilfsangeboten im gesamten Bundesgebiet und zu zahlreichen Informationen. Die FamilienBande-Infoline (07762 – 81 99 000) bietet eine erste Anlaufstelle für Betroffene (Geschwister, Eltern und Angehörige), Ärzte und Fachpersonal. Speziell geschulte Mitarbeiter vermitteln zu bedarfsgerechten Angeboten vor Ort. Ausführliches Informationsmaterial kann direkt online heruntergeladen oder über info@stiftung-familienbande.de bestellt werden. FamilienBande veranstaltet außerdem regelmäßig Fachtagungen und regelmäßig den FamilienBande-Förderpreis.

Gesellschaftliche Unterstützung ist wichtig Die Ergebnisse einer GfK-Studie unterstützt die Bedeutung des Themas. 90 % der befragten Kinderärzte und 40 % der Allgemeinärzte gaben an, dass die Geschwisterkind-Thematik in der täglichen Praxis angesprochen werde. Für eine systematische Präventions-Arbeit stimmen 91 % der Pädiater und 60 % der Hausärzte. Ein weiteres Ergebnis zeigt, dass vier von fünf Kinder- und Hausärzten nach der GfK-Studie ein Instrument zur Früherkennung des Belastungsgrades bei gesunden Geschwistern für sinnvoll

Shape & Rossiter, 2002; Williams 1997; Metanalyse USA Statistisches Jahrbuch 2007 3 2012 gegründet, unterstützt von allen Novartis-Gesellschaften in Deutschland 4 Entwickelt wurde ‚LARES Geschwisterkinder‘ vom Institut für Gesundheitsforschung und Versorgungsförderung (IGV) Bochum, einer gemeinnützigen, wissenschaftlichen Einrichtung der Ruhr-Universität. 2

Damit sind die ersten wesentlichen Schritte getan, um der Situation von Geschwisterkindern in Deutschland die Aufmerksamkeit zu verschaffen, die sie benötigen. Dieses Ziel kann FamilienBande aber nur mit breiter gesellschaftlicher Unterstützung erreichen. Auch Gesundheitspolitik und Krankenkassen können ihren Teil hierzu leisten, indem sie beispielsweise ihr Engagement im Bereich der Prävention, Information und Aufklärung der Familien erhöhen. Ein wichtiger Baustein: Die Regierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag bereits klar für Prävention ausgesprochen und will ein Präventionsgesetz auf den Weg bringen.

MARK NEVER

Mark Never ist Vorsitzender der Geschäftsführung Novartis Deutschland GmbH und Vorstandsvorsitzender der Novartis Stiftung FamilienBande. Er begann seine Karriere bei Novartis im Jahr 2000 als Leiter Marketing & Sales der Region Europa. Anschließend verantwortete er als Chief Operating Officer das operative Geschäft von Novartis in Deutschland bevor er Chef der Commercial Operations Emerging Growth Markets wurde. Von 2008 bis Oktober 2011 leitete er die Italienische Landesund Pharmaorganisation. Seit November 2011 ist er Vorsitzender der Geschäftsführung von Novartis Deutschland und Novartis Pharma

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GPA-EMPFANG

GPA-EMPFANG Als Gründungsmitglied des GPA NRW genoss Bundesgessundheitsminister Gröhe sichtlich den gesundheitspolitischen Treffpunkt in der CDU Parteizentrale in Düsseldorf. Die Vorsitzenden des GPA NRW, Dr. Mathias Höschel und Frank Rudolph, hatten alles, was im Gesundheitspolitischen Netzwerk in NRW „Rang und Namen“ hat, zu einer Diskussion mit dem Bundesgesundheitsminister eingeladen. Und er enttäuschte nicht. Nach den Chefs von Techniker Krankenkasse, Günter van Aalst, und Kassenärztlicher Vereinigung NR, Dr. Peter Potthoff, skizzierte Hermann Gröhe die Schwerpunkte seiner Gesundheitspolitik.

Der Nutzen für die Patienten und die Verlässlichkeit des Gesundheitssystems für den Bürger beschreibe seine realistische Gesundheitspolitik, ganz im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft. Neben der zentralen Aufgabe einer Reform der Pflegeversicherung, stehe ein Neuverhältnis stationärerambulanter Versorgung und die Zukunftsfähigkeit der Medizinischen Versorgung im ländlichen Raum im Mittelpunkt. Die Aufhebung der Residenzpflicht, die Öffnung bisher begrenzter Berufsausübungsstrukturen, neue Vergütungsmodelle und Strategien zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zeigten nur einige beeinflussbare Rahmenbedingungen für die Sicherstellung medizinischer Versorgung. In Modellprojekten zur Delegation und Substitution wünsche sich Gröhe mehr Initiative der Ärzteschaft, ebenso im Wachstumsbereich e-HEALTH. Er sichere dagegen die Dualität der Finanzierungssysteme zu, setze sich für die Novellierung der GOÄ ein und er befürworte die subsidiäre Verantwortung der Selbstverwaltung. Von dem neu geschaffenen Institut für Qualität verspreche er sich bereits ab 2016 erste Ergebnisse in grundsätzlichen qualitativen Messergebnissen medizinischer Leistungen.

Mathias Höschel (rechts) begrüßt Bundesminister Hermann Gröhe und Günter van Aalst

Hermann Gröhe erläutert seine Gesundheitspolitik

Ein Blick ins Publikum

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Peter Potthoff bei seinem Grußwort


JUNGE GENERATION

EDS-Arbeitsgruppe „Politik für Europa“

Politik muss erlebbar sein EIN BERICHT ÜBER DIE EUROPEAN DEMOCRAT STUDENTS Von Silvie Rohr Als europaweiter Zusammenschluss christlichdemokratischer, konservativer und liberaler Studentenverbände sind die European Democrat Students (EDS) der größte europäische Dachverband politischer Studentenorganisationen. Als offizielle Organisation der Europäischen Volkspartei (EVP) gehören den EDS derzeit über 40 politische Studentenverbände aus rund 37 Staaten Europas an. Deutsches Mitglied ist der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS). Geführt wird der Verband derzeit von Eva Majewski (RCDS), welche kürzlich mit einer überwältigenden Mehrheit von 85 Prozent als Vorsitzende im Amt bestätigt wurde.

Die EDS versuchen Politik für und mit der jungen Generation zu machen. Dies beschränkt sich jedoch nicht nur auf die regelmäßigen Ratssitzungen, bei denen Anträge und Stellungnahmen zu diversen politischen Themen erarbeitet und verabschiedet werden. Vielmehr fördern die EDS auch den politischen sowie kulturellen Dialog zwischen den Ländern. Dieser wird regelmäßig von dem Austausch mit nationalen und internationalen Politikern sowie Interessensvertretern

begleitet. Daneben setzt man sich auch für eine gelebte europäische Integration und den sprichwörtlichen „Blick über den Tellerrand“ ein. Exemplarisch sei in diesem Zusammenhang die Unterstützung der Euromaidan-Bewegung in der Ukraine genannt. Hier nutzen die EDS die Möglichkeit ihre Worte an die Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz „Maidan“ zu richten und sich mit örtlichen Politikern auszutauschen. Auch durch Projekte, wie der „Mission Balkan 6.1“, bei sechs nicht-EU Staaten des Balkans innerhalb von einer Woche bereist wurden, soll die Politik hautnah erlebbar gemacht werden. Inhaltlich sind die EDS breit aufgestellt. Die Basisarbeit findet in den ständigen Arbeitsgruppen „Higher Education and Research“, „Policies for Europe“ und „Human Rights“ statt. Zudem haben die Mitgliedsorganisationen die Möglichkeit eigene Anträge einzureichen. Thematische Schwerpunkte waren zuletzt,

die Schaffung einer europaweiten digitalen Universität, die Förderung von Jungunternehmern sowie die Stärkung der partizipatorischen Demokratie innerhalb der EU. Die erarbeiteten Positionen werden von den EDS in verschiedene europäische und internationale Gremien getragen. EDS-Positionen lassen sich zum Beispiel in der Beschlusslage der EVP wiederfinden. Daneben engagieren sich die EDS auch in anderen studentischen Dachorganisationen wie zum den Beispiel der International Young Democrat Union (IYDU). Durch all diese Beteiligungsplattformen und Initiativen versuchen die EDS den Spagat zwischen nationaler, europäischer und internationaler Ebene zu meistern. So soll auch den ganz normalen Studenten die Möglichkeit geboten sein, durch das eigene Engagement die Weichen für Morgen zu stellen und ein Teil von gelebter Politik zu werden.

EDS-Vorsitzende Eva Majewski vom RCDS

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Foto: Q.pictures| pixelio.de

DATENSCHUTZ

Datenschutz im Internet

Der Datenschutz darf keine Bevormundung der Bürger bezwecken

Als ordentliches Mitglied im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages für die CDU/CSU-Fraktion befasse ich mich oft mit dem wichtigen Thema Datenschutz im Internet und weise in diesem Zusammenhang immer wieder darauf hin, wie wichtig der Schutz unserer Daten, der Privatsphäre und der dazugehörigen Grundrechte ist.

Datenschutz und Privatsphäre Doch wie bekämpfen wir die Feinde unserer Freiheit im Internet am besten, ohne dass wir den Datenschutz verletzen und ohne dass wir zu sehr in die Freiheit und die Grundrechte der Bürger eingreifen. Aus meiner Sicht mag da eine Mindestspeicherdauer der Daten ein richtiger und gesetzgeberisch überlegenswerter Ansatz sein. Denn es geht dabei einzig und allein darum, wie staatliche Behörden bei der Bekämpfung schwerster Straftaten innerhalb einer kurzen Frist

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auf Daten, die ohnehin gespeichert sind, zugreifen können. In dem Zusammenhang möchte ich auf die jetzige Rechtslage hinweisen: Im Augenblick ist es so, dass der Staat nach richterlichem Beschluss sehr wohl die Möglichkeit des Zugriffs auf die Verbindungsdaten hat, es aber vom Zufall abhängig ist, ob die Verbindungsdaten noch vorhanden sind oder schon gelöscht wurden. Ich meine, eine rechtsstaatliche Aufklärung kann nicht allein eine Frage des Glücksspiels sein, sondern es braucht dazu klare rechtsstaatliche Regelungen. Dennoch gilt es, vor dem Hintergrund des Schutzes der Grundrechte besonnen und sehr überlegt zu handeln. Gesetzgeberisches Handeln im Kernbereich der Grundrechte verlangt kluges Nachdenken, hohe Sensibilität und eine umfassende Abwägung. Der Bürger soll nicht das Gefühl haben, sein Privatleben ist Gegenstand einer ständigen Überwachung. Wir

dürfen aber auch nicht vor dem Hintergrund des Schutzes von Grundrechten und unserer Privatsphäre vergessen, dass der Rechtsstaat auch dann verteidigt und unsere Freiheit verteidigt wird, wenn wir Opfer schützen und die Täter schwerster Kriminalität nach rechtsstaatlichen Maßstäben ihrer Strafe zuführen.

Gefahrenabwehr kontra Freiheit Aufgabe der Politik ist es, sich nicht nur mit der Gefahrenabwehr zu begnügen, sondern auch die Freiheit im Internet zu schützen. Das Internet ist ein Raum zur freien Persönlichkeitsentfaltung und genießt damit einen besonderen Schutz. Unsere moderne Gesellschaft lebt inzwischen in, mit und von der digitalen Selbstverständlichkeit. Unser Alltagsleben wird durch Surfen, Mailen und Chatten begleitet und auch das komplette Wirtschaftsleben sowie weite Teile der öffentlichen Daseinsvorsorge stützen sich heute auf das Internet und IT-Strukturen. Neben den vielen Vorteilen der neuen digitalen Kommunikation birgt aber auch der Missbrauch dieser Technik Risiken. Unsere Verpflichtung ist es daher, vor einem zu sorglosem Umgang mit dem Netz zu warnen. Denn vor noch nicht allzu langer Zeit ist darüber gesprochen worden, dass jeder Mensch eine Art digitalen Fingerabdruck hinterlässt und dass die Daten, die von ihm im Internet auftauchen, eine Art Profil des Menschen darstellen können. Wir müssen heute aber davon ausgehen, dass die Wahrheit noch viel tiefgreifender ist. Die digitale Sphäre eines Menschen ist mittlerweile Teil seiner Identität. Wenn die digitalen Daten eines Menschen angegriffen oder missbraucht werden, dann werden auch die Würde und die Persönlichkeit dieses Menschen angegangen. Deswegen müssen wir uns auf den Weg machen, die Integrität der Daten weiter zu schützen und den Datenschutz voranzutreiben. Profilbildung im Internet Insofern begrüße ich das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Mai 2014 zur Stärkung des Datenschutzes im Internet. Das höchste EU-Gericht legt darin dem US-amerikanischen Unternehmen Google Inc. weitreichende Pflichten für das Betreiben seines Suchmaschinen-


DATENSCHUTZ dienstes „Google Search“ auf. Das Gericht stellt unmissverständlich klar, dass das Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten uneingeschränkt auch für das Internet gilt und durch die großen Internetkonzerne auch dann zu beachten ist, wenn diese zwar außerhalb der EU ihren Sitz haben, aber im Rahmen ihres Geschäftsmodells die personenbezogenen Daten europäischer Bürger verarbeiten. Das Gericht weist auf die Tragweite und Gefährlichkeit der Profilbildung im Internet hin, die nicht alleine mit dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers gerechtfertigt werden könne. Hintergrund des Urteils ist das Begehren eines spanischen Bürgers auf Löschung eines Internetlinks, der bei Eingabe seines Namens in der Google-Suchmaschine erschien. Der Europäische Gerichtshof stellte fest, dass in einem solchen Fall ein Löschungsanspruch auch unmittelbar gegen den Suchmaschinenbetreiber bestehen kann. Im Regelfall, so der Europäische Gerichtshof, würden die Interessen des Betroffenen am Schutz sensibler Informationen gegenüber dem Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu diesen Informationen überwiegen. Je nach Rolle der betreffenden Person im öffentlichen Leben könne diese Abwägung aber auch zu einem anderen Ergebnis kommen.

dem Eigenverantwortung jedes Einzelnen gefragt.

Vertrauen wiederherstellen Der Datenschutz darf aber auch keine Bevormundung der Bürger bezwecken. Aufgabe ist es vielmehr, Transparenz und Informiertheit sicher zu stellen und denjenigen, die dies wünschen, Hilfestellungen beim Schutz ihrer personenbezogenen Daten zu geben. Ein effektiver Datenschutz im Internet setzt daher international anerkannte Standards voraus. Diese müssen die Transparenz und die Datenhoheit der Betroffenen gewährleisten und den Aufsichtsbehörden wirksame und vor allen Dingen durchsetzbare Sanktions- und Eingriffsbefugnisse geben. Die Reform des europäischen Datenschutzrechts kann hier entscheidende Akzente setzen und eine globale Vorreiterrolle spielen. Darüber hinaus ist das Datenschutzrecht um die Datenschutztechnik zu ergänzen. Das Datenschutzrecht kann einen verbindlichen Rahmen für die Implementierung des technologischen Datenschutzes durch die verantwortlichen Stellen vorgeben – so wie es die Datenschutzgrundverordnung etwas für den „eingebauten“ Datenschutz (Privacy by Design) und datenschutzfreundliche Voreinstellung (Privacy by Default) macht. Es versagt allerdings dort, wo jeder Einzelne dazu aufgerufen ist, für die technische Sicherung seiner Daten zu sorgen oder zumindest den Zugriff auf diese wenigstens deutlich zu erschweren. Insofern ist zu-

Im Ergebnis bin ich sehr zuversichtlich, dass wir effektiven Datenschutz mit der europäischen Datenschutz-Grundverordnung und mit dem IT-Sicherheitsgesetz erreichen werden. Das durch staatliches Handeln auf der einen Seite und dem privatwirtschaftlichen Datensammeln verloren gegangene Vertrauen ins Internet werden wir somit wiederherstellen.

VOLKER ULLRICH

Dr. Volker Ullrich (38) ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages für den Wahlkreis Augsburg-Stadt. Der promovierte Volljurist und Diplom-Kaufmann war 2005 bis 2011 als Rechtsanwalt tätig. 2011 wurde er zum berufsmäßigen Stadtrat und Leiter des Ordnungsreferats der Stadt Augsburg gewählt

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Foto: Guenter Hamich/pixelio.de

GESUNDHEITSPOLITIK

GESUNDHEITSPOLITIK

im Zeichen des Kompromisses? Auch die Große Koalition kann sich dem immerwährenden gesundheitspolitischen Handlungsdruck nicht entziehen

Seit einem guten halben Jahr regiert die Große Koalition. Auch sie kann sich dem immerwährenden gesundheitspolitischen Handlungsdruck wenig überraschend nicht entziehen: Bis zur Sommerpause 2014 veränderte sie den Arzneimittelmarkt und die hausärztliche Versorgung, befasste sich mit der GKV-Finanzstruktur, gründete ein neues Qualitätsinstitut, legte die erste Stufe der Pflegereform auf, bereitet mit den Ländern eine Krankenhausreform vor, während sie parallel ein Präventionsgesetz und ein Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen erarbeitet.

Politikwechsel am Beispiel der Hausärzte Aus Platzgründen will ich mich auf wenige, exemplarische Gesetzesvorhaben beschränken. Zum Beispiel das 14. SGB V-Änderungsgesetz: Mit ihm haben wir begonnen, gesundheitspolitische Feh-

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ler der letzten Wahlperiode zu beheben. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte 2010 die Vergütung in der Hausarztzentrierten Versorgung beschränkt. Ein fatales Signal in Zeiten des Hausarztmangels. Hausärzte lotsen den Patienten durch das System. Gerade diese Funktion braucht gute Rahmenbedingungen. Hier reicht es nicht, nur für den Beruf zu werben oder das Studium attraktiver zu machen. Wir müssen ihn auch finanziell attraktiver machen. Deshalb haben wir die Beschränkungen aufgehoben. Im GKVStrukturstärkungsgesetz werden wir über weitere Schritte nachdenken müssen. Das betrifft neben den Arbeitsbedingungen auch die Vertretung der Hausärzteschaft in den Vertreterversammlungen. Finanzarchitektur versichertenfreundlich weiterentwickelt Ähnliches gilt für das GKV-Finanz-

und Qualitätsweiterentwicklungsgesetz (GKV-FQWG): Schwarz-Gelb konstruierte einen einkommensunabhängigen Zusatzbeitrag – die kleine Kopfpauschale – und schraubte den allgemeinen Beitragssatz so hoch, dass die Kopfprämie nie griff, aber die Versicherten tief in die Tasche greifen mussten. Beides haben wir korrigiert: Der allgemeine Beitragssatz sinkt und der Zusatzbeitrag wird einkommensabhängig berechnet. Damit aber die Kassen keinen Wettbewerb um Gutverdienende beginnen, nehmen alle Kassen mit Zusatzbeiträgen an einem Einkommensausgleich teil. Sicherlich ein Kompromiss: Ich hätte es begrüßt, wenn die Kassen ihre volle Beitragssatzautonomie zurückerhalten hätten und die Beiträge wieder paritätisch finanziert würden. Diese Forderung konnten wir in diesem Gesetz nicht unterbringen und es bleibt fraglich, ob


Foto: Andrea Damm/ pixelio.de

GESUNDHEITSPOLITIK wir mit der Union eine solche Veraber auch nicht weniger. Das zeigte besserung für die Versicherten auch dieses kleine gesundheitspolidurchsetzen können. Die 18. Wahltische Resümee. Letztlich ist mir periode werden wir deswegen nutwichtig: Schon jetzt konnte diese zen, um die Versorgungsstruktur Koalition – gesundheits- und gezu verbessern. Hier eint SPD und samtpolitisch – mehr für die MenUnion vieles. Ein gutes Beispiel ist schen in diesem Land bewegen als das neugeschaffene Qualitätsinstitut. CDU/CSU und FDP in vier Jahren. In den kommenden Monaten werEinkommensabhängige Zusatzbeiden wir zunächst weitere Sünden träge entschärfen den Preiswettbeder Vorgängerregierung beheben werb. Sie sind aber noch kein Schritt müssen, wie etwa das Urteil des hin zu einem ausgewogeneren VerSachverständigenrates zur Beguthältnis zwischen Qualitäts- und achtung der Entwicklung im Gesundheitswesen über das GKVPreiswettbewerb. Dafür errichten wir ein wissenschaftliches Institut Solange Kompromisse die Situation der Versicherten auch Versorgungsstrukturgesetz zeigt. für Qualitätssicherung und Trans- nur minimal verbessern, hat diese Koalition eine gesund- Dann werden wir an den Punkt parenz im Gesundheitswesen. Das heitspolitische Zukunft kommen, wo wir nicht mehr nur Institut wird den Patienten zeigen, reparieren, sondern auch gestalten wie es um die Qualität ihrer Behandzu beziehen. Nicht nur beim Morbi-RSA können. Auch hier werden wir Komprolung steht. Es wird genau dort Licht ins wurde und wird solche Politik – schneller misse eingehen und abwägen müssen. Dunkel bringen, wo es zurzeit im Geals sie selbst denkt – von den EntscheiSolange diese Kompromisse die Situation sundheitswesens noch am düstersten ist: dungen der Gerichte eingeholt. Ich bin der Versicherten aber auch nur minimal Wie messen wir Qualität, wie bilden wir Politikerin, weil ich gestalten will. Dieverbessern, hat diese Koalition eine gesie ab – und wie vermitteln wir sie Pasen Gestaltungsanspruch gebe ich nicht sundheitspolitische Zukunft. tienten? Hier wird das Qualitätsinstitut gerne an Gerichte ab. Das hat Schwarzin den kommenden Jahrzehnten viel für Gelb damals versäumt und das Thema die Patienten erreichen. dann auf die lange Bank geschoben – wie so oft, erinnert sei nur an das „Jahr BÄRBEL BAS Und wie weiter mit dem der Pflege“. Finanzausgleich? Bereits das GKV-FQWG verändert den Ein spezielles Thema, mit dem ich mich Morbi-RSA. In zwei Bereichen führen in der 17. Wahlperiode besonders intenwir Übergangsmodelle ein, die die Übersiv auseinandergesetzt habe, steht ebenund Unterdeckungen reduzieren werden. falls auf der Tagesordnung der Koalition: Darauf aufbauend werden uns GutachDie Reform des morbiditätsorientierten zeigen, ob weiterer Handlungsbedarf ten Risikostrukturausgleiches (Morbibesteht. Diesem werden wir uns annehRSA). Andere Reformen erregen mehr men – auch gegen den Widerstand aus Aufmerksamkeit, aber der Finanzausdem Kassenlager. Denn dieser ist nicht gleich entscheidet über die Existenz ganentscheidend für eine Reform des Morzer Kassen. bi-RSA: Der Morbi-RSA ist kein Instrument, um bestimmte Kassenarten zu Das Bundesversicherungsamt (BVA) subventionieren. Er soll vielmehr solBärbel Bas, MdB (Jahrgang 1968), seit hat die noch vor zwei Jahren hochumche Patienten schützen, die ansonsten im 2013 Parlamentarische Geschäftsfühstrittene Annualisierung der Ausgaben Wettbewerb der Kassen verlieren – chrorerin der SPD-Bundestagsfraktion. Seit für Verstorbene auf Grundlage eines nisch erkrankte, und ältere Versicherte. 2009 für den Wahlkreis Duisburg I direkt gewähltes Mitglied des Deutschen BunUrteils des Landessozialgerichtes Esdestags (SPD) und von 2009 bis 2013 sen umgesetzt. Ich halte es bis heute für Gesundheitspolitik Mitglied im Bundestagsausschuss für Geeinen Fehler, dass die Empfehlungen des in der Großen Koalition sundheit. Seit 2011 Mitglied im Vorstand der SPD-Bundestagsfraktion, seit 2006 Wissenschaftlichen Beirats des BVA da stellv. Vorsitzende des SPD-Unterbezirks mals nicht umgesetzt wurden. Gerade Auch ich gehöre zu denjenigen, die einer Duisburg und seit 2010 Vorsitzende des bei einem so zentralen Thema ist es die Großen Koalition kritisch gegenübersteLandesparteirates der NRW SPD. Bis Pflicht legislativer und exekutiver Enthen. Die Gründe lassen sich in dem Fa2009 Krankenkassenbetriebswirtin und Personalmanagement-Ökonomin einer Bescheidungsträger, nicht erst auf die Judizit zusammenfassen, dass diese Koalitriebskrankenkasse in Duisburg kative zu warten, sondern selbst Position tion eine Vernunftehe ist – nicht mehr,

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Foto: Petra Schmidt| pixelio.de

QUALITÄTSMANAGEMENT

Ist Sicherheit als Patient ein Luxus in unserer Gesellschaft?

Sebastian Kurz hat ein Ministerium geschaffen, das für Europa, Integration und Äußeres zuständig ist

Einen so geringen Sicherheitsstandard wie in der Medizin könnten wir uns in der Luftfahrt nicht leisten

Mehr Passagiere haben ein flaues Gefühl beim Einsteigen in ein Flugzeug als man denkt. Dabei ist die Luftfahrt eines der sichersten Systeme, die es gibt. Ein System, das von gut ausgewählten, gut ausgebildeten, gut weitergebildeten und gut trainierten Teams betrieben wird.

Warum ist uns als Gesellschaft Sicherheit in der Luftfahrt wichtiger als in der Medizin? Es macht für mich als Staatsbürger keinen Unterschied, ob ich als Passagier oder als Patient zu Schaden komme. Für mich ist wichtig, wie hoch mein persönliches Risiko ist, Schaden in einem System zu erleiden. Eine Kennzahl dafür ist, wie viele Personen wie oft zu Schaden kommen. Die Luftfahrt wird mit einem Sicherheitsstandard von 1:10.000.000 betrieben, die Medizin hingegen mit einem Sicherheitsstandard von bestenfalls

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1:100. Das heißt, dass ein Passagier von 10.000.000 Passagieren zu Schaden kommt, in der Medizin hingegen ein Patient von 100.

penibel überwacht. Wenn sich jemand über diese Regeln hinwegsetzt, wird die Betriebsgenehmigung entzogen oder ein Flugverbot ausgesprochen.

Patientensicherheit Das ist viel zu teuer, die Sicherheit der Luftfahrt können wir uns in der Medizin nicht leisten. Studien aus den USA haben errechnet, dass die zwei wichtigsten Einsparungspotenziale in der Medizin die Reduzierung von Überbehandlungen betrifft und die Reduzierung von Schaden am Patienten. In den USA gibt es mittlerweile „Patient Safety Science“. Aus dem Thema Patientensicherheit wurde eine Wissenschaft. In den deutschsprachigen Ländern gibt es Aktionsbündnisse für Patientensicherheit. Für Flugsicherheit gibt es eine europäische Instanz (EASA), die alle Regeln und Bestimmungen, die für die Sicherheit von Flugpassagieren wichtig sind,

Ein Krankenhaus wird für Frequenz bezahlt. Sicherheit und Qualität spielen in den Vergütungssystemen derzeit praktisch keine Rolle. Wenn in deutschen Intensivstationen pro zwei beatmeten Patienten dringend eine Pflegekraft empfohlen ist, wir aber nur für drei beatmete Patienten eine Pflegekraft zur Verfügung stellen können, haben wir ein Sicherheitsproblem für alle Patienten, die auf einer Intensivstation liegen. Das könnte jeder von uns bereits morgen sein. Würde ein Flugzeug mit zu wenig Besatzung abheben dürfen, weil nicht genug Personal verfügbar ist? Nein, es müsste am Boden bleiben, die Airline würde sich strafbar machen. Macht sich


QUALITÄTSMANAGEMENT ein Krankenhaus mit zu wenig Personal strafbar? Die Schäden, die im System Medizin passieren, sind in ihrer volkswirtschaftlichen Auswirkung – die amerikanischen Zahlen verwendend – so teuer, dass wir es uns leisten könnten, sie als Volkswirtschaft im Interesse aller Beteiligten (Patienten, Angehöriger, Krankenhäuser, Krankenkassen, Versicherungen, Pensionskassen) zu vermeiden. Warum erheben wir im deutschsprachigen Raum keine Daten?

Wir haben Fehlermeldesysteme, wir haben Risiko – Management und ein Qualitätsmanagement Kein Stakeholder des Systems Medizin hat einen Vorteil, die Hauptursachen der Sicherheitsproblematik zu beseitigen. Bereits 2/3 der Krankenhäuser bilanzieren negativ. Krankenhäuser können sich Sicherheitsmaßnahmen einfach

nicht leisten. Zum Teil muss auf Sicherheitsmaßnahmen verzichtet werden, weil man bereits die Haftpflichtprämien nicht mehr bedienen kann, die immer höher werden, weil wir keine Mittel haben, die Sicherheitssituation zu verbessern. Es gibt kein Geld Patientenschäden im Vorhinein zu vermeiden, weil wir Geld zurückstellen müssen, um die Folgen der Schäden im Nachhinein zu finanzieren. In unzähligen Gesprächen mit Chefärzten, Pflegedirektoren und Krankenhausgeschäftsführern wurde deklariert, dass sehr viele gerne mehr für die Sicherheit von Patienten und Mitarbeitern tun würden. Der budgetäre Situation lassen diesen finanziellen Aufwand aber nicht zu. Die Konkurrenz stellt diese Themen zurück und verschafft sich damit einen Konkurrenzvorteil – zu unser aller Schaden. Der Vorteil einer Verbesserung der Sicherheitssituation wäre ein volkswirt-

Luftfahrt

Medizin & Pflege

Personalauswahl mittels Selektionen

Man ist überwiegend froh, ausreichend Personal zu finden Es ist kein Minimum – Personalstand festgelegt Wenn möglich, werden diese eingehalten, aber nicht zwingend Die Fortbildung ist über Punkte geregelt. Aktuelle Kenntnisse und Fähigkeiten müssen von Ärzten nicht nachgewiesen werden

Es ist Minimum – Personalstand gesetzlich vorgeschrieben Dienstzeiten und Ruhezeiten sind einzuhalten Piloten müssen Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten 2 x pro Jahr auf Simulatoren nachweisen, um die Berufsberechtigung zu verlängern Flugbegleiter müssen jährlich Prüfungen Es gibt keine Pflicht zur jährlichen Überüber Ihre Kenntnisse ablegen. prüfung von Kenntnissen für Pflege, MTAs und Hebammen. Training auf Simulatoren im Team ist zwin- Training auf Simulatoren kann freiwillig gend zu absolvieren absolviert werden Simulatoren kosten bis zu Simulatoren kosten bis zu 15 Millionen 80.000.Sicherheitstrainings (CRM Trainings) im Sicherheitstrainings (Medical Team TraiTeam sind zwingend jährlich zu absolvieren nings) werden nur vereinzelt absolviert. Es gibt weltweit standardisierte Phraseo- Abkürzungen werden in einem Krankenhaus logie und einheitliche Abkürzungen, um bereits auf verschiedenen Abteilungen und Missverständnisse und Verwechslungen Stationen unterschiedlich gehandhabt. zu vermeiden Es gibt eine festgelegte Minimum – Erfah- Eine Minimum Erfahrung ist nicht festgerung des Piloten. Unterschreitet er diese, legt. Jeder Operateur hat z. B. das Recht, muss er mit Fluglehrer fliegen. alles zu operieren Überschreitet die berufliche Abwesenheit Lange Abwesenheit vom Beruf ist nicht an von Flugbegleitern 6 Monate, muss eine eine verpflichtende Neueinschulung geEinschulung vor dem ersten Einsatz er- bunden. folgen „Sichere Kommunikation“ ist verpflichten- „Sichere Kommunikation“ kommt in den der Lehrinhalt. Lehrplänen nicht vor.

schaftlicher. Aber kein Stakeholder im Gesundheitswesen ist für die Volkswirtschaft verantwortlich. Weder der Träger, noch die Kassen, noch die Versicherer, noch sonst jemand.

Was könnte man tun? Folgende Tabelle soll elementare Unterschiede zwischen den beiden Systemen anschaulich machen. Es geht um die Basis von Sicherheit und Effizienz im Gesundheitswesen und der Luftfahrt und nicht um Details, mit denen derzeit versucht wird, Sicherheit als Kompromiss leistbar, aber nicht als systemische Voraussetzung gewährleistbar zu machen. Einige dieser Unterschiede, wie zum Beispiel Medical Team Trainings (MTT) als Gegenstück von Crew Resource Management (CRM) Trainings in der Luftfahrt, wären sehr leicht umsetzbar. Dafür bräuchten wir aber Gesetze und Mittel, sonst werden diese Trainings nicht in die Praxis umgesetzt - wie sie in der Luftfahrt nicht umgesetzt worden wären. Darüber gibt es keinen Zweifel.

HANS HÄRTING

Hans Härting ist als Flugkapitän auf A320 bei Austrian Airlines tätig. Als Head of Human Factors Training ist er für Crew Resource Management Trainings, für Flight Safety und Security Trainings und für die Pilotenauswahl von Austrian Airlines verantwortlich. Seit 2002 arbeitet er gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Norbert Pateisky daran, das wesentliche Know-how des Hochsicherheitssystems Luftfahrt in der Medizin anwendbar zu machen. Härting ist zudem seit 2004 im Vorstand von AssekuRisk AG, medical safety partners und als solcher im Projektmanagement in der Medizin tätig.

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DERMATOLOGIE

Lösungsansätze für Versorgungsprobleme in der Dermatologie Es gibt erste Hinweise, dass das Screening die Sterblichkeit beim „schwarzen Hautkrebs“ senkt

Es gibt erste Hinweise, dass das Screening die Sterblichkeit beim „schwarzen Hautkrebs“ senkt

Die gesetzliche Krankenversicherung steht in den kommenden Jahren vor einer Vielzahl neuer Herausforderungen: Mit der längeren Lebenserwartung steigt die Morbidität und damit die Kosten. Prävention wird immer wichtiger, um die Gesundheit möglichst lange zu erhalten. Gleichzeitig stehen nicht mehr genug junge Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung, die hohe Zahl ausscheidender Kollegen in der ambulanten wie in der stationären Versorgung zu ersetzen.

In der hautärztlichen Versorgung kommen Altlasten hinzu. Die nahezu zwei Jahrzehnte andauernde Kostendämpfungspolitik hat in der Grundversorgung von Hautkranken tiefe Bremsspuren hinterlassen. Die vom Sachverständigenrat im Gesundheitswesen vor über einem Jahrzehnt festgestellte Unter- und Fehlversorgung chronisch Kranker ist in der Dermatologie bis heute nicht überwunden. Das betrifft Patienten mit Neurodermitis oder Schuppenflechte – das sind jeweils rund zwei Prozent der Bevölkerung – ebenso wie Allergiker. Auch sie warten schon mehr als zehn Jahre darauf,

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dass die vom „Aktionsbündnis Allergieprävention“ geschmiedeten Pläne einmal Wirklichkeit werden. Dabei wurde dieses auf Initiative der damaligen Bundesregierung ins Leben gerufen. Bei Hauterkrankungen geht es nicht um kosmetische Hautprobleme. Eine Schuppenflechte mittelschwerer bis schwerer Ausprägung verkürzt, wie Studien zeigen, die Lebenserwartung um Jahre. Hinzu kommen starke Einschränkungen in der Lebensführung und eine belastende Stigmatisierung, die auch in unserem aufgeklärten Zeitalter noch nicht überwunden ist.

Hautkrebsvorsorge als Bevölkerungsscreening Die Präventionsleistungen stehen aus Kostengründen neu zur Debatte. Das Konzept zum Hautkrebsscreening hat die Fachgruppe entwickelt, lange bevor es als Leistung der GKV eingeführt wurde. Damals mussten es die Patienten aus der eigenen Tasche bezahlen. Die Arbeitsgemeinschaft der amtlichen deutschen Krebsregister verzeichnet

aktuell eine Viertel Million neue Hautkrebsfälle jährlich – und nicht nur deshalb, weil wir heute die Bevölkerung in Deutschland vorsorglich umfassend untersuchen. Überall in der Welt steigen die Hautkrebszahlen. Und sie werden in den nächsten zwei Jahrzehnten weiter steigen, nach Expertenschätzung um den Faktor zwei bis drei. Es gibt erste Hinweise namentlich aus Schleswig-Holstein, dass das Screening die Sterblichkeit beim „schwarzen Hautkrebs“ senkt. Im europäischen Vergleich wird der Erfolg des Hautkrebsscreenings noch deutlicher. Schon in den benachbarten Niederlanden ist das Risiko an einem malignen Melanom („schwarzer Hautkrebs“) zu sterben, bei vergleichbarer Hautkrebshäufigkeit 30 Prozent höher als bei uns in Deutschland. Bei der weit überwiegenden Zahl der Fälle von hellem Hautkrebs hingegen steht nicht das schiere Überleben, sondern noch weit mehr die Vorverlagerung des Diagnosezeitpunkts im Vordergrund. Eine nachfolgend notwendige weitere Tumorbehandlung kann dank des früh-


Foto: Jörg Brinckheger/ pixelio.de

DERMATOLOGIE zeitigen Screenings weit weniger aufwendig und damit erheblich kostengünstiger gestaltet werden.

Entzündliche Hauterkrankungen und Allergien – lebenslänglich Erhebliche Ressourcen hat namentlich der Berufsverband der Deutschen Dermatologen auch in die Verbesserung der Therapie von Schuppenflechtekranken gesteckt. Im Jahr 2008 ließ der Gemeinsame Bundesausschuss auf der Grundlage einer Studie des BVDD die ambulante Balneo-Phototherapie neu für die Versorgung von Psoriatikern zu. Negativ wirkt sich bis heute eine Neuregelung im Arzneimittelgesetz aus, nicht verschreibungspflichtige Medikamente generell von der Erstattungsfähigkeit durch die Krankenversicherung auszunehmen. Dies betrifft auch hoch dosierte UreaPräparate, die unsere Patienten im Rahmen einer Intervalltherapie benötigen, um den nächsten Schub ihrer Erkrankung möglichst lange hinauszuzögern. Leitlinien und Versorgungsziele geben Orientierung Wir haben Lehren aus unseren ersten Erfahrungen im Umgang mit dem Institut zur Förderung der Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen und dem Gemeinsamen Bundesausschuss gezogen. So entstand eine erste so genannte S3-Leitlinie zur Psoriasis, um die wissenschaftlich belegte Wirksamkeit der unterschiedlichen Therapieoptionen zu dokumentieren und daraus Empfehlungen für eine indikationsgerechte ärztliche Verordnung abzuleiten. Weil Studiendaten nur selten hinreichend die Versorgungswirklichkeit darstellen, haben Berufsverband und wissenschaftliche Gesellschaft in der Dermatologie als eine der ersten im deutschen Gesundheitswesen überhaupt vor 10 Jahren eine eigene Versorgungsforschung aufgebaut –– das renommierte Competenzzentrum für Versorgungsforschung in der Dermatologie und Venerologie (CVderm), Hamburg, mit Prof. Matthias Augustin an der Spitze. Flankiert wird diese empirische Arbeit von der Registerarbeit zur Wirkung von Arzneimitteln nach der Zulassung für die medizinische Versorgung. Hinzu kommt aktuell

Bei Hauterkrankungen geht es nicht um kosmetische Hautprobleme

auch eine Informationsstelle zur Anwendung von Medikamenten außerhalb der Zulassung. Hintergrund für sdieses Projekt ist die Tatsache, dass in der Dermatologie insgesamt rund 4.000 – darunter zahlreiche sehr seltene Formen – Hautkrankheiten zu versorgen sind. Die Ausarbeitung von ärztlich definierten Versorgungszielen und eines FünfJahresplanes zur – empirisch darstellbaren – Verbesserung der Lebensqualität Betroffener sowie die Gründung von regionalen Psoriasisnetzen waren weitere Schritte auf diesem Weg. Ähnliche Bemühungen laufen mit Blick auf die Unterversorgung von Allergikern fachgruppenübergreifend mit Kinderärzten, Hals-Nasen-Ohren-Ärzten und Lungenfachärzten im „Forum Allergologie“. Nach dem Regierungswechsel 2013 sind erste, allerdings noch sehr zögerliche Bemühungen einzelner Krankenkassen zu beobachten, für Patienten mit rheumatoider Arthritis oder auch für Allergiker Sonderregelungen zu treffen, die über die bisherige Basisversorgung hinausgehen. Bislang ist es uns allerdings noch nicht gelungen, mit Krankenkassen über einen Modellversuch im größeren Rahmen ins Gespräch zu kommen, der die vielfach

beschriebenen Mängel und die Fehlversorgung bei chronischen Hauterkrankungen für die Masse der Versicherten einer Kasse nachhaltig beseitigen könnte.

Ohne Nachwuchs geht es nicht Für die Zukunftssicherung einer ambulanten hautfachärztlichen Versorgung unverzichtbar ist angesichts der demografischen Entwicklung die Sicherung des dermatologischen Nachwuchses. Hier sind wir mit einigem Erfolg dabei, ein Tutorensystem aufzubauen, das an der Dermatologie interessierte junge Medizinerinnen und Mediziner schon an der Hochschule erreicht und auf dem weiteren Weg möglicherweise bis hin zur Niederlassung begleitet. Die Kommunikationsplattform für den Nachwuchs hat die Adresse www.juderm.de. Um es auf eine plakative Formel zu bringen: Wir Dermatologen, wir tun was… Die Fachgruppe der Dermatologen hat sich den Herausforderungen an der Versorgungsfront frühzeitig gestellt und ist nicht an der Klagemauer stehen geblieben. Wir haben Konzepte entwickelt. Jetzt benötigen wir zur weiteren Umsetzung Unterstützung: durch die Krankenkassen und durch informierte Gesundheitspolitiker, soweit es um grundsätzliche Änderungen im System geht.

KLAUS STRÖMER

Dr. Klaus Strömer, Jahrgang 1954, seit 1993 in eigener Praxis niedergelassen in Mönchengladbach, ist seit April 2013 Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen, dem Vorstand des Verbandes gehört er bereits seit dem Jahr 2000 an, ebenso seit 2008 dem Präsidium der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft

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MEDIZINISCHE VERSORGUNG

Die medizinische Versorgung im Flächenland Brandenburg sicherstellen Im Land Brandenburg wird am 14. September ein neuer Landtag gewählt

Wie auch andere Bundesländer leidet insbesondere Brandenburg unter einem zunehmenden Ärztemangel. Im ambulanten und stationären Bereich fehlen inzwischen ca. 300 Ärzte. Besonders schwierig zu kompensieren ist der Mangel an Hausärzten, von denen inzwischen mehr als 60 fehlen. Hinzu kommt, dass viele der derzeit noch praktizierenden Ärzte bereits das 60. Lebensjahr überschritten haben. Diese Situation erschwert die Betreuung insbesondere in den ländlich geprägten Regionen bereits jetzt und wird sie weiter verschärfen, wenn nicht zügig gehandelt wird. Die älter werdende Bevölkerung muss bereits heute oft weite Wege zum Facharzt und zunehmend auch zum Hausarzt zurücklegen.

RegioMed-Zentren Es gilt aber, nicht nur die ambulante, sondern auch die stationäre Versorgung sicherzustellen. Seit der Wende hat sich die Krankenhauslandschaft in Brandenburg stark verändert. Während es 1990 noch 73

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Krankenhäuser mit fast 25.000 vollstationären Betten gab, sind es heute 52 Krankenhäuser mit gut 15.000 Betten. Weitere Umstrukturierungen, wie beispielsweise die Einrichtung geriatrischer Abteilungen, sind notwendig. Die enge Verzahnung ambulanter und stationärer Kapazitäten wird in Brandenburg durch sogenannte RegioMed-Zentren umgesetzt. Hier wird aktiv und flexibel auf die Bedürfnisse vor Ort reagiert, d. h. stationär tätige genauso wie ambulant tätige Ärzte können hier unproblematisch, Sektor übergreifend, in derselben Einrichtung arbeiten, so wie es jeweils vor Ort erforderlich. Damit können krankenhausähnliche Strukturen erhalten bleiben. Flankiert werden kann dieses Arbeiten durch AGNES II, die dem Arzt vor Ort sämtliche administrativen Aufgaben abnimmt. Dadurch kann sich der niedergelassen aber auch der stationär tätige Arzt stärker auf die medizinische Betreuung konzentrieren.

Perspektiven bieten Ähnlich wie bei den Ärzten, verschärft sich der Fachkräftemangel auch beim Pflegepersonal, wie die gemeinsame Fachkräftestudie für die Länder Berlin und Brandenburg zeigt. Die Zahl der Schulabgänger ist rückläufig und die Zahl der Auszubildenden für Pflegeberufe sinkt gleichfalls, während die Zahl der Pflegebedürftigen deutlich steigt. Um mehr Auszubildende für den Pflegeberuf zu gewinnen, müssen wir das Berufsbild durch verschiedene begleitende Maßnahmen attraktiver machen. Eine Verbesserung der Pflegekennzahlen, eine Steigerung der Wertschätzung des Berufes in der Öffentlichkeit und eine angemessene Bezahlung sind beispielsweise Instrumente, mit denen sich wieder mehr Menschen für eine berufliche Perspektive in der Pflege begeistern lassen. Hilfsorganisationen, wie das Deutsche Rote Kreuz mit zahlreichen, ehrenamtlich tätigen Menschen, können eine zusätzli-


Der brandenburgische CDU-Spitzenkandidat Michael Schierack arbeitet als niedergelassener Arzt in Cottbus

che sinnvolle Ergänzung zur Sicherstellung der „vormedizinischen“ Versorgung sein und die soziale Betreuung der Bewohner in den kleinen abgelegenen Orten gewährleisten. Gespräche mit dem Deutschen Roten Kreuz zur Entwicklung einer haupt- und ehrenamtlichen Basishilfeleistungsstruktur laufen bereits sehr erfolgreich.

Junge Ärzte fehlen Unverzichtbar ist in diesem Zusammenhang auch der öffentliche Gesundheitsdienst. Als dritte Säule in der gesundheitlichen Versorgung kommt ihm schon auf Grund der Entwicklung des Infektionsgeschehens und zunehmender Umweltprobleme eine wachsende Bedeutung zu. Wenn es gelingt, dieses Gesamtpaket an möglichen Angeboten gut aufeinander abzustimmen, können sich daraus beispielgebende zukunftsweisende Strukturen der medizinischen Versorgung und sozialen Betreuung entwickeln. Mit der Entwicklung der RegioMed-Zentren, AGNES II, der Basishilfeleistungsstruktur und des öffentlichen Gesundheitswesens könnte Brandenburg zu einem Modellland in der medizinischen Versorgung werden. Als besonders schwierig erweist sich bisher die Ansiedlung junger Ärzte im ländlichen Raum. Dies gemeinsam anzugehen, ist eine Aufgabe vieler Akteure, wie

der Kassenärztlichen Vereinigung, der Krankenkassen, der Kommunen und des Landesparlaments sowie der Landesregierung. Brandenburg verfügt als einziges Flächenland bisher über keine eigene medizinische Hochschule. Damit fehlt dem Land eine wichtige Steuerungsmöglichkeit. Deshalb haben sich zwei private Initiativen aufgemacht, eine private medizinische Hochschule zu gründen, wobei gerade gegenwärtig die „Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane“ in Gründung begriffen ist. Ab dem Wintersemester 2015/2016 sollen junge Mediziner, insbesondere in Brandenburg an der Havel und Neuruppin, praxisnah Humanmedizin studieren können. Diese Initiative für die private Hochschule wurde dabei von der Union seit Jahren unterstützt. Eine eigene medizinische Hochschule bietet die Chance, Ärzte für den unmittelbaren „Versorgungsbereich“ auszubilden. Durch die Kooperation mit den örtlichen Krankenhäusern können so bevorzugt Brandenburger Abiturienten zum Studium zugelassen werden, die vielleicht nicht den Abiturschnitt von 1,0 haben, aber dafür eine hohe soziale Kompetenz vorweisen und sich bereit erklären, nach dem Studium für einen vorher definierten Zeitraum in Brandenburg tätig zu sein. Hier gäbe es auch einige Möglichkeiten im Hinblick auf eine Unterstützung durch die Kommunen oder ein von der Landesregie-

rung zentral koordiniertes Stipendiensystem, um diese Medizinstudenten zielgerichtet finanziell zu unterstützen.

Demografischer Wandel Darüber hinaus bietet auch die enge Zusammenarbeit mit der Charité in Berlin noch viel Potential. Hier eine verbindliche Regelung zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg zu schaffen, wäre ein positives Beispiel für die Zusammenarbeit von zwei Bundesländern bei einem gravierenden Problem. Weil der demografische Wandel entscheidend für die Zukunft unseres Landes ist, muss er in der Politik an erster Stelle stehen. Alle Ressorts der Landesregierung müssen auf die Herausforderungen der Zukunft ausgerichtet werden. In diesem Zusammenhang wollen wir als Union die wichtigsten Zuständigkeiten in einem bereits heute bestehenden Ministerium bündeln. Im Verantwortungsbereich dieses Demografie-Ministeriums können in einer „Zukunftswerkstatt“ kreative Ideen, konkrete Lösungsvorschläge und Beispiele aus der Praxis hinsichtlich ihrer weiteren Anwendungsmöglichkeiten diskutiert und dann umgesetzt werden.

MICHAEL SCHIERACK Foto: Laurence Chaperon

Foto: Sebastian Frenzel

MEDIZINISCHE VERSORGUNG

Professor Dr. Michael Schierack (47) ist verheiratet und hat zwei Kinder. Von 2002 bis 2004 war er leitender Arzt der Klinik für Gesundheit und Sport bei der Reha Vita GmbH in Cottbus, bis er schließlich ab 2005 als niedergelassener Arzt für Orthopädie in Cottbus arbeitete. Seit 2009 gehört er dem Landtag von Brandenburg an. Als Fraktionsvorsitzender ist er Spitzenkandidat der CDU bei der Landtagswahl am 14. September.

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GESUNDHEITSPOLITIK

Tagung der Gesundheitspolitischen Sprecher des Bundes und der Länder aus den Reihen der CDU/CSU mit Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe

PFLEGE NEU DEFINIEREN Bis ins hohe Alter vital und gesund durchs Leben gehen – wer möchte das nicht? Entscheidend ist hierbei die Frage, wie wir eine möglichst hohe Lebensqualität im Prozess des Älterwerdens garantieren können. Dies gilt insbesondere auch im Bezug auf den Lebensabschnitt, in dem man auf Pflege angewiesen ist. Diese Fragestellung war ein Schwerpunkt, dem sich die Gesundheitspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktionen aller Bundesländer während einer zweitägigen Tagung Anfang Juli in Berlin gewidmet haben.

Bereichert wurde die Tagung durch spannende Diskussionen mit prominenten Bundes- und Landespolitikern. Unter anderem durften wir Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und Jens Spahn, den Gesundheitspoli-

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tischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie Mario Czaja, Senator für Gesundheit und Soziales des Landes Berlin, begrüßen. Am Ende der Tagung wurde die „Berliner Erklärung“ mit einem Fahrplan für den Bereich Pflege für die kommenden Jahren verabschiedet.

Pflege neu definieren Aufgrund des demographischen Wandels wird die Zahl der Pflegebedürftigen in den kommenden Jahren erheblich zunehmen. Bis zum Jahr 2050 wird sie auf etwa 4,5 Millionen in Deutschland gewachsen sein. Deutlich wird schon heute, dass Pflegebedürftigkeit viele Formen annehmen kann. Daher muss an erster Stelle eine klare, an-

erkannte und allgemeingültige Definition des Begriffs „Pflegebedürftigkeit“ stehen, die sowohl körperlich Pflegebedürftige als auch diejenigen mit kognitiven Erkrankungen wie Demenz oder mit psychischen Störungen umfasst. Mit diesem neuen Begriff der Pflegebedürftigkeit können zudem alle Betroffenen einheitlich in das Leistungssystem der gesetzlichen Pflegeversicherung aufgenommen werden.

Individuellere Versorgung durch ausdifferenzierte Pflegegrade Pflegebedürftige sollen ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend versorgt werden. Dazu ist es notwendig, den Pflegebedürftigkeitsbegriff stärker als bislang auszudifferenzieren. Künftig geben fünf Pflegegrade die Bedürftigkeit an, die sich auch in einer neuen Bemessungssystematik bemerkbar machen. Diese Neuerung ermöglicht es genauere Schlüsse auf Rehabilitations- und Präventionsbedarfe zu-


GESUNDHEITSPOLITIK zulassen. Damit liefert sie auch eine verbesserte Grundlage für die Versorgungsberatung- und planung und stellt eine umfassende und nachhaltige Leistungsverbesserung für alle Pflegebedürftigen dar.

Demographiereserve einrichten Um den gestiegenen Anforderungen in der Qualität der Pflege aber auch dem höheren Bedarf an Pflegenden gerecht werden zu können, ist eine Anhebung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode um 0,2 Prozent nötig. Weiterhin unterstützen wir die Pläne der Bundesregierung das gesamte Leistungsvolumen der Pflegeversicherung bis zum Ende der Legislaturperiode um 20 Prozent zu steigern und die damit verbundene weitere Anhebung des Pflegeversicherungssatzes um 0,3 Prozent – durch beide Erhöhungen stehen der Pflege pro Jahr rund fünf Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Die Schaffung einer Demographiereserve - 0,1 Prozent der Anhebung fließen in einen Pflegevorsorgefonds stellt eine zukunftsweisende Ergänzung zur bestehenden Struktur der Pflegeversicherung dar. Sie soll künftige Beitragszahler entlasten und eine gemeinschaftliche und langfristige Versorgung sicherstellen.

Vorhandene Pflegeangebote bündeln und vernetzen Pflegebedürftige sind häufig nur ein-

geschränkt mobil. Dennoch muss eine möglichst flächendeckende und individuelle Versorgung gewährleistet werden, Angehörige sollen bei der Pflege entlastet werden. Dazu ist es notwendig, vorhandene Ressourcen zu bündeln und sinnvoll zu vernetzen. Bestehende Strukturen können beispielsweise als Basishilfe für Patienten genutzt werden. Kleinteilige Unterstützung könnten ehrenamtliche Mitarbeiter von Rettungsnotdiensten vor Ort (Deutsches Rotes Kreuz, Samariter etc.) leisten.

Pflegeberufegesetz: Anreize schaffen Damit der zunehmenden Zahl an Pflegebedürftigen genügend Pflegepersonal gegenübersteht, müssen Pflegeberufe an Attraktivität gewinnen. Erreicht werden soll dies mit einer generalistischen Grundausbildung und darauf aufbauender Spezialisierung für die Alten-, Kranken- und Kinderpflege. Diese Novellierung in der Ausbildung macht das Tätigkeitsfeld vielfältiger und reizvoller. Es vereinfacht den Wechsel zwischen den Pflegeberufen und schafft so neue Karrieremöglichkeiten. Positiv ergänzt werden soll dieser Ansatz durch eine transparentere und durchlässigere Gestaltung des Aus- und Weiterbildungssystems im Bereich der Pflege. Schulgeld in der Altenpflege abschaffen In einigen Bundesländern ist es bereits Realität, in anderen müssen Al-

tenpfleger in Ausbildung ein monatliches Schuldgeld zahlen. Diese Tatsache stellt ein Hemmnis dar, den Beruf zu erlernen. Vor dem Hintergrund des steigenden Fachkräftemangels wollen sich die Gesundheitspolitischen Sprecher aller CDU/CSU-Landtagsfraktionen dafür einsetzen, dass das Schulgeld in der Altenpflege in allen Bundesländern abgeschafft wird. Die Berliner Erklärung im genauen Wortlaut http://www.gottfriedludewig.de/wpcontent/uploads/2014/07/140701_ Berliner_Erklaerung.pdf

GOTTFRIED LUDEWIG

Dr. Gottfried Ludewig, Jahrgang 1982, ist Mitglied des Abgeordnetenhaus von Berlin. Der promovierte Gesundheitsökonom ist gesundheitspolitischer Sprecher und stellvertretender Vorsitzender seiner Fraktion

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Foto: lillysmum| pixelio.de

SYNDIKUSANWÄLTE

Der Syndikusanwalt – Anwalt zweiter Klasse? 40.000 Syndikusanwälte auf dem Weg zu „Anwälten zweiter Klasse“? - ein Auftrag für den Gesetzgeber

Jüngst ergangene Entscheidungen des Bundessozialgerichts legen den Schluss nahe, dass der Syndikusanwalt kein vollwertiger Rechtsanwalt ist. Die Folgen der Kasseler Urteile sind enorm. Sie spalten die deutsche Rechtsanwaltschaft und bergen enorme finanzielle Belastungen für die deutsche Wirtschaft.

Syndikusanwalt ist ein Beruf mit Tradition. Seit über 100 Jahren schon gibt es diesen Rechtsanwalt, der eine Festanstellung im Unternehmen besitzt. Er berät seinen Arbeitgeber in juristischen Fragen, er gestaltet, schlichtet, vermittelt, informiert und trifft Entscheidungen. Und leistet somit einen wichtigen Beitrag zur – neudeutsch – Compliance und guten Corporate Governance der Wirtschaftsunternehmen. Deutschland-

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weit gibt es insgesamt rund 40.000 Syndikusanwälte, das sind 25 Prozent der gesamten Anwaltschaft. Leider gab es in den vergangenen Jahren eine Reihe an Vorkommnissen, die es dem Syndikusanwalt erschweren, seiner Arbeit ordnungsgemäß nachzugehen. Ende 2010 etwa entschied der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Akzo/Acros (C-550/07 P), dass die Korrespondenz der Unternehmensrechtsabteilung nicht der Beschlagnahmefreiheit unterläge. Den Unternehmensanwälten wurde somit im Handstreich das Zeugnisverweigerungsrecht – ein Grundpfeiler der Rechtsstaatlichkeit – abgesprochen. Auch die Tatsache, dass von Unternehmensjuristen durchgeführte Fallbearbeitungen von den Rechtsanwaltskammern bei der Berücksich-

tigung praktischer Fälle bezüglich der Fachanwaltszulassung nicht mehr anerkannt werden, stellt eine Diskriminierung im Vergleich zu den Kollegen, die bei anwaltlichen Arbeitgebern tätig sind, dar. Der vorläufige Höhepunkt der Ungleichbehandlung ereignete sich am 3. April 2014, als das Bundessozialgericht mit drei Urteilen (B 5 RE 13/14 R und andere) entschied, dass sich Syndikusanwälte fortan nicht mehr von der Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien lassen können. Die Kasseler Richter kippten somit eine rechtlich ausdifferenzierte und jahrzehntelang durchgeführte Praxis, wonach die Syndikusanwälte als Pflichtmitglieder der Rechtsanwaltskammern für ihre eigene Altersvorsorge aufkommen beziehungsweise mit Gründung


SYNDIKUSANWÄLTE der berufsständischen Versorgungswerke in diese einzahlen mussten.

anwaltlichen Arbeitgeber angestellten Rechtsanwalts, denn auch dieser trifft keine Umsetzungsentscheidung, sondern sein Mandant.

Syndikusanwälte sind unabhängig Wenngleich die Veröffentlichung der Urteilsgründe auch vier Monate nach Finanzielle Belastungen sind enorm dem Gerichtstermin noch auf sich Die Urteile vom 3. April kamen für warten lässt, hat das BundessozialgeSyndikusanwälte unerwartet und haricht in der mündlichen Verhandlung ben dramatische Auswirkungen: Bei bereits ausgeführt, warum es so enteinem Wechsel des Arbeitgebers oder schieden hat: Die Tätigkeit als Syndikus des Tätigkeitsfeldes müssen Syndikusstehe einer Tätigkeit als Rechtsanwalt anwälte ihre Altersvorsorgebeiträge zwar nicht entgegen, künftig in die staatso der Vorsitzen- Die Urteile des BSG gefährden die liche Rentenversichede Richter des zu- Vielfältigkeit der anwaltlichen Tä- rung entrichten. Was ständigen 5. Senats, tigkeit, ein auch für den Nachwuchs auf den ersten Blick sie sei ihr aber auch wichtiger Aspekt des Anwaltsberufs. nicht weiter vernicht zuzurechnen. wunderlich oder gar Und es gefährdet die Möglichkeiten bedenklich klingt, Wer eine im Sinne des Arbeitsrechts der Unternehmen, für ihre Rechts- führt im Ergebnis zu abhängige Beschäf- abteilung stets die qualifiziertesten einem drastischen tigung als Angestell- Kräfte zu gewinnen. Bruch in der eigeter im Unternehmen nen Versorgungsbionachgehe, könne demnach kein Rechtsgrafie. Lebensplanungen und im Veranwalt sein, so der Kasseler Richter. Leitrauen auf den Bestand der bisherigen der verkennen die Kasseler Urteile die Praxis getroffene berufliche wie auch private Entscheidungen werden durch juristische Arbeitsweise im Unternehmen vollständig. Sie legen ein anwaltdie Urteile nachträglich zunichte geliches Berufsbild zugrunde, das es so macht. Darüber hinaus entstehen Anheute längst nicht mehr gibt. Der Synsprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung erst nach einer Wartezeit von dikusanwalt ist eindeutig ein zentraler Bestandteil der Rechtsanwaltschaft. Be60 Monaten, die oft geforderte Flexisonders enttäuschend ist die Tatsache, bilität im Arbeitsmarkt ist somit mit dass das Bundessozialgericht das innereinem Schlag hinfällig. Auch verliert betriebliche Weisungsrecht offensichtder Syndikus bei einem Wechsel seine lich völlig missverstanden hat. Denn für durch das Anwaltsversorgungswerk gaeine anwaltliche Tätigkeit im Unternehrantierte Absicherung im Falle verminmen kann es nicht von Relevanz sein, derter Erwerbsfähigkeit. Der Beruf des ob etwa ein Urlaubsantrag genehmigt Syndikusanwalts droht somit unattrakwerden muss; entscheidend ist vielmehr tiv zu werden. Das gefährdet die Vieldie Tatsache, wie weisungsgebunden fältigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, ein die juristische Tätigkeit ausgestaltet ist. auch für den Nachwuchs wichtiger AsUnd hier steht zweifelslos fest: Der Synpekt des Anwaltsberufs. Und es gefährdikusanwalt ist (erst recht im Vergleich det die Möglichkeiten der Unternehzum festangestellten Rechtsanwalt in men, für ihre Rechtsabteilung stets die einer Kanzlei) in seinem rechtlichen qualifiziertesten Kräfte zu gewinnen. Rat nicht weisungsgebunden. Das entHinzu kommen die Probleme, die den spricht nicht nur den Grundsätzen des Syndikusanwälten bereits jetzt, ohne anwaltlichen Berufsrechts, sondern liegt einen weiteren Wechsel des Arbeitgebereits in der Natur der Sache. Ob und bers oder des Tätigkeitsfeldes, drohen: wie der Arbeitgeber den juristischen Ungeklärt ist nämlich die Frage, wie es Rat seines Unternehmensanwalts umum den Bestandsschutz derjenigen Kolsetzt, ist dann dessen unternehmerilegen steht, die ihren Wechsel bereits sche Entscheidung. Insofern unterscheiin der Vergangenheit vollzogen haben, det sich die Tätigkeit eines Syndikus in ohne – wie es gelebte Rechtspraxis war keiner Weise von der eines bei einem – einen erneuten Antrag auf Befreiung

zu stellen. Hier schlummern für Syndikusanwälte wie auch für Unternehmen enorme finanzielle Nachzahlungsrisiken (bei einer Verjährungsfrist von vier Jahren bis zu 66.000 Euro. Pro Arbeitnehmer!), die bereits jetzt die gesamte Branche und auch Personalabteilungen in Aufruhr versetzen.

Gesetzgeber in der Pflicht Dass es zu dieser unerfreulichen Entwicklung überhaupt erst kommen konnte, liegt daran, dass der Status des Syndikusanwalts nach wie vor ungeklärt ist. Zwar erwähnt Paragraf 46 Absatz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) den Rechtsanwalt, der „aufgrund eines ständigen Dienstverhältnisses für einen Auftraggeber“ tätig wird. Ein klares Bekenntnis jedoch, dass auch den im Unternehmen tätigen Rechtsanwalt alle Rechte und Pflichten eines Rechtsanwalts treffen, sucht man in der BRAO vergeblich. Wichtig ist daher, dass der Gesetzgeber eine gesetzliche Klarstellung herbeiführt, die unzweifelhaft besagt, dass auch der Syndikusanwalt in seiner Tätigkeit beim Unternehmen als Rechtsanwalt tätig ist. Die deutschlandweit 40.000 in Unternehmen tätigen Rechtsanwälte benötigen Rechtssicherheit. Syndikusanwälte sind keine Anwälte zweiter Klasse!

ELISABETH ROEGELE

Elisabeth Roegele, Jahrgang 1967. Die Rechtsanwältin ist Chefsyndikus der DekaBank Deutsche Girozentrale in Frankfurt am Main und Präsidentin des Bundesverbandes der Unternehmensjuristen e.V. (BUJ)

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KOLUMNE KOMMENTAR

GESUNDHEITSPOLITIK IST AUCH WIRTSCHAFTSPOLITIK Liebe Leserinnen und Leser, knapp neun Monate regieren wir mit den Sozialdemokraten in der dritten Großen Koalition. Gesundheitspolitisch war es ein guter Start. Die Weiterentwicklung des AMNOG, das GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz und die erste Stufe der Pflegereform sind umgesetzt beziehungsweise auf dem Weg. Der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen über unterschiedliche Zusatzbeitragssätze bleibt erhalten, wir haben zudem die Preistransparenz erhöht und eine Bürgerversicherung á la SPD ist endgültig vom Tisch. Klar ist aber auch: Wir müssen uns schon heute Gedanken darüber machen, wie wir das hohe Niveau unseres Gesundheitssystems in einer alternden Gesellschaft dauerhaft sichern können. Die Ausgaben steigen mit jedem Jahr stärker als die Einnahmen und Sozialbeiträge belasten Arbeitnehmer und Arbeitgeber vom ersten Euro an. Und im Gegensatz zu Steuern werden sie auch nicht von allen bezahlt, die in Deutschland leben und arbeiten. Damit es nicht zu einseitigen Überforderungen kommt, müssen wir uns mit der Frage auseinandersetzen, wie wir unser Sozialsystem dauerhaft finanzieren wollen. Denn: Gesundheitspolitik ist auch Wirtschaftspolitik. Die Gesundheitswirtschaft zählt zu den innovativsten Branchen in Deutschland. Gesundheitswirtschaft und Gesundheitsversorgung müssen besser miteinander verzahnt werden. Jeder achte Arbeitnehmer arbeitet im Gesundheitswesen, hier werden fast zwölf Prozent des Bruttoinlandsproduktes umgesetzt und jährliche Zuwachsraten von bis zu drei Prozent erzielt. Damit ist die Gesundheitswirtschaft die größte Wirtschaftsbranche in Deutschland. Allein in den letzten zehn Jahren sind über 800.000 neue Jobs entstanden. Angesichts des medizinisch-technischen Fortschritts, einer alternden Bevölkerung und eines zunehmenden Gesundheitsbewusstseins wird dieser Wirtschaftszweig auch künftig auf Wachstums- und Beschäftigungskurs bleiben. Gesundheit, Prävention und Pflege dürfen nicht immer nur als Kostenfaktor gesehen werden. Vielmehr sollten wir sie auch als Bereich betrachten, der dank einer hohen Wert-

schöpfung und Exportorientierung auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag zum Wohlstand in unserem Land leisten wird. Dazu gehört auch, die Vorteile der Elektronischen Gesundheitskarte endlich ausspielen zu können. Der Gesundheitsminister hat deshalb noch für dieses Jahr ein E-HealthGesetz angekündigt. Entsprechend unserer Zusage im Koalitionsvertrag wollen wir mit diesem Gesetz durch elektronische Kommunikations- und Informationstechnologien die Leistungsfähigkeit in unserem Gesundheitswesen weiter verbessern – und zwar so, dass alle Beteiligten davon profitieren. Telemedizinische Leistungen wie z. B. das Medikamenten-Managementsystem sollen weiterentwickelt werden. Klar ist, dass der Datenschutz bei all diesen Dingen großgeschrieben wird. Vor allem sollen Patientinnen und Patienten durch eine bessere Nutzung dieser Technologien künftig noch JENS SPAHN mehr Sicherheit und Komfort im Behandlungsalltag erfahren dürfen. Und wir können in einem besonders sensiblen Bereich deutlich machen, dass ein strenger Datenschutz und innovative Technologie sehr wohl zusammenpassen. Es grüßt Sie herzlich Ihr Jens Spahn, MdB, wurde 1980 in Ahaus

Jens Spahn, MdB

geboren. Seine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der WestLB führte ihn auch nach Luxemburg. Der studierte Politikwissenschaftler gehört seit 2002 dem Deutschen Bundestag an. Seit 2009 ist er gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion und stellvertretender Landesvorsitzender des Gesundheitspolitischen Arbeitskreises der CDU Nordrhein-Westfalen.

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Redaktion Tim A. Küsters

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Am Puls

03 | 2014

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Das Magazin am puls erscheint viermal im Jahr jeweils zur Mitte eines Quartals.


Südsudan +++ Flüchtlingslager Batil +++ Gandhi Pant (47) +++ Krankenpfleger aus Australien +++ 2.Mission +++ 300 Patienten pro Tag +++ © Nichole Sobecki

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