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Jahrgang 12

20348

5,00 Euro

MAGAZIN FÜR

POLITIK UND GESUNDHEIT Frank Bergmann Versorgung bei psychischen Erkrankenungen S. 4

DER BUND UND DIE LÄNDER Was kommt 2015?

Julia Klöckner Nachhaltig leben – Lebensqualität bewahren S. 10

Annette Widmann-Mautz Verbesserung der Hospiz- und Palliativbetreuung S. 12


Caring and curing Caring and curing Leben retten und Gesundheit

Leben retten und ist Gesundheit verbessern – das unser Ziel. verbessern – das ist unser Ziel.

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EDITORIAL

Die besondere Bedeutung der Freiberuflichkeit Die besondere Bedeutung der Freien Berufe für Deutschland steht außer Frage. Neben der ökonomischen Relevanz steht diese Berufsgruppe nicht zuletzt auch unter dem Schutz des Deutschen Grundgesetzes, das die freie Berufsausübung, und damit auch die Ausübung eines freien Berufes, in Art. 12 Abs. 1 normiert. Die Besonderheit besteht gegenüber anderen Berufsgruppen darin, dass der Freiberufler, im Austausch gegen hohe Eigenverantwortung und Entscheidungsfreiheit für die Ausübung seiner Tätigkeit persönlich in vollem Umfang haftet. Dies zeichnet ihn überdies als Sinnbild für Subsidiarität im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft aus. Darüber hinaus stellt die Freiberuflichkeit mit ihrer Orientierung der Tätigkeiten am Gemeinwohl eine enorme gesellschaftliche Stütze dar, die sich auch in der persönliche Beziehung und dem besonderen Vertrauensverhältnis des Bürgers zum Freiberufler äußert. Zu Beginn des Jahres 2013 waren insgesamt 1.229.000 Angehörige der Freiberuflichkeit in Deutschland tätig. Dies bedeutet eine Stei-

gerung um 3,1 Prozent zum Vorjahr. Der Anteil der Heilberufe stieg im Vergleich um 3,6 Prozent auf nun insgesamt 377.000 Freiberufler in Deutschland. Von insgesamt 4.473.000 Beschäftigten im Umfeld der freien Berufe gingen 2.876.000 einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach; somit stellen die freien Berufe einen wichtigen Arbeitgeber am Wirtschaftsstandort Deutschland. Mit 10,1 Prozent Anteil am Bruttoinlandsprodukt und knapp 112.000 Auszubildenden stellen die Freiberufler eine wichtige Stütze am Wirtschaftsstandort Deutschland dar. Diese Stütze muss auf dem hohen Niveau, auf dem sich die freien Berufe derzeit befinden, erhalten bleiben. Dabei sind insbesondere auf Entwicklungen im Steuerrecht und den stets nötigen Abbau der Bürokratie hinzuwirken. Um eine Schwächung des Wirtschaftsstandortes unbedingt abzuwenden, müssen freie Berufe auch in Zukunft der Freiheit, die sie im Namen tragen, gerecht werden.

INHALT 4

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Neustrukturierung nötig

Unser Autor Frank Bergmann fordert Änderungen bei der Versorgung neurologisch und psychiatrisch Erkrankter

Update zur BASYS-Studie

Die „Pharmainitiative Bayern“ ist eine informelle Gruppe von innovativen pharmazeutischen Unternehmen mit Standort in Bayern. Sie gibt diese Studie heraus

Versorgungsstärkungsgesetz

Ihre Schwerpunkte in der Gesundheitspolitik hat die Große Koalition auf Pflege und Krankenhausstrukturreform gelegt. Martin Degenhardt beleuchtet dies in seinem Artikel

10 Nachhaltig leben

und Lebensqualität bewahren heißt eine Kommission der CDU, in der auch die Gesundheit eine große Rolle spielt, wie unsere Autorin Julia Klöckner erläutert

12 Hospiz- und Palliativversorgung

Die CDU-Gesundheitspolitikerin Annette Widmann-Mautz spricht sich für eine deutliche Verbesserung dieser Versorgung durch Vernetzung und Kooperation aus

14 Gesundheitspolitische Reformagenda Die Koalition hat zwar schon viele ihrer gesundheitspolitischen Vorhaben abgearbeitet, doch das Restprogramm ist anspruchsvoll, meint Autor Stephan Woznitza

16 Nichts Gutes zu erhoffen

Rolf Koschorrek, Zahnarzt und ehemaliges CDU-MdB, erwartet von der Gesetzgebung der Koalition im Gesundheitsbereich nichts wirklich Gutes

18 Politikwechsel nötig

Es sieht zwar nicht danach aus, aber Bremen täte ein Politikwechsel bei der Wahl am 10. Mai gut, meint CDU-Spitzenkandidatin Elisabeth Motschmann

20 Quo vadis NRW?

fragt unser Autor und Landtagsabgeordneter Peter Preuß und bezieht sich dabei auf die Gesundheitspolitik der rot-grünen Landesregierung, die er zwischen Stagnation und Ideologie sieht

22 Digitale Gesundheitsangebote

befürwortet unser Kolumnist Jens Spahn – auch zur Verbesserung der Patientenversorgung

22 Impressum Dr. Mathias Höschel und Frank Rudolph, Vorsitzende des GPA / NRW

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Foto: Lutz Stallknecht/ pixelio.de

PSYCHIATRISCHE ERKRANKUNGEN

Warum eine Neu-Strukturierung der Versorgung von Patienten mit neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen? Von Dr. Frank Bergmann

Es besteht unter Experten und Akteuren des Gesundheitswesens Konsens über einen insgesamt hohen Versorgungsstandard in Deutschland. Qualitätsanforderungen und -sicherungsmaßnahmen beziehen sich jedoch meist auf einzelne Einrichtungen, nicht auf den gesamten Versorgungsweg von der Prävention über Akutbehandlung stationär und ambulant bis zur Rehabilitation und Nachsorge. Einigkeit besteht aber auch darin, dass insbesondere in der Vernetzung vorhandener Versorgungsstrukturen und in der Optimierung der Übergänge zwischen den Sektoren Verbesserungs-

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potentiale bestehen. Starre Sektorengrenzen mit fehlenden Behandlungspfaden, undefinierte Schnittstellen und fehlende Anreize für eine strukturierte und kooperative Organisation der Versorgung prägen die Versorgungslandschaft.

Diese ist auch für manchen Experten kaum überschaubar: Psychisch Kranke finden Anlaufstellen beim Hausarzt, beim Fachärzten für Nervenheilkunde, für Psychiatrie und Psychotherapie, für psychosomatische Medizin sowie bei ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten, nicht zu vergessen die Angebote der Kinderund Jugendpsychiatrie sowie der Kin-

der- und Jugendlichen-Psychotherapeuten sowie eine Vielzahl ärztlicher bzw. psychologischer Beratungsstellen. Hinzu kommen die (teil-)stationären, und zunehmend ambulanten Versorgungsangebote durch stationäre Einrichtungen. Ähnlich komplex und mit einer großen Schnittmenge verhält es sich bei Patienten mit Erkrankungen des Gehirns und Nervensystems, die aufgrund einer Vielzahl körperlicher, neuropsychologischer und geistiger Einschränkungen einen multiprofessionellen, interdisziplinären und multimodalen Therapiebedarf haben.


PSYCHIATRISCHE ERKRANKUNGEN Probleme der Unter- und Fehlversorgung

ten ist die Behandlungsrate bei Alkoholmissbrauch mit nur ca. 26 %.

Gesundheitspolitiker sehen die Problematik der Unter- und Fehlversorgung von Patienten mit Erkrankungen des zentralen Nervensystems bzw. psychischen Erkrankungen häufig ausschließlich unter dem Aspekt von Wartezeiten auf Psychotherapieplätze. Dies wird der Problematik in der Versorgung neurologischer und psychischer Erkrankungen jedoch in keiner Weise auch nur annähernd gerecht. Der Zugang zu präventiven, diagnostischen und therapeutischen Angeboten sowie zu Rehabilitation in Neurologie und Psychiatrie weist eklatante Mängel auf. Erwartungen an Verbesserungen in der hochspezialisierten neurologischen Versorgung, die z. B. durch die Einführung der ambulanten spezialärztlichen Versorgung geweckt wurden, haben sich aufgrund der langen und holprigen Einführung bislang nicht erfüllt.

Die regionale Verteilung von ärztlichen, insbesondere fachärztlichen und psychotherapeutischen Versorgungsangeboten ist höchst unterschiedlich und weist eine hohe Verdichtung in attraktiven Städten bzw. Stadtteilen auf, aber auch Dysbalancen in der Versorgung, die u. a. auf Interaktions- und Kommunikationsbarrieren beruhen, auf ökonomischen Ungleichheiten und ethnischen bzw. genderspezifischen Faktoren. Eine Vielzahl von Studien belegt, dass die Quoten der Inanspruchnahme in der gesundheitlichen Versorgung sektorenübergreifend einen sozialen Gradienten aufweisen, d. h. dass mit dem Ansteigen des sozio-ökonomischen Status auch die Bereitschaft und Fähigkeit wächst, gesundheitliche Dienstleistungen zu nutzen. Dies gilt nicht zuletzt auch für den Bereich der psychotherapeutischen Versorgung. Das Prinzip des „inverse care law“. Mit einfachen Worten: Die depressive Studentin wird wesentlich besser in der Lage sein, einen Psychotherapieplatz für sich zu „organisieren“ als der alkoholkranke Bauarbeiter.

Die Zahlen der Deutschen Rentenversicherung mit stetig ansteigenden Frühberentungen aufgrund psychischer Erkrankungen oder die stetig ansteigende Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage, die die GKV jedes Jahr erneut vermeldet, sind alarmierend. Auch die wissenschaftlichen Studien, unter anderem der Forschungsgruppe um Wittchen und Jacobi in Dresden, die im Übrigen europaweit ein erhebliches Ausmaß an Unter- und Fehlversorgung psychischer Erkrankungen festgestellt haben, geben Anlass zu Besorgnis. Nur zehn Prozent der Therapien werden nach diesen Untersuchungen als „minimal adäquat“ eingeschätzt, höchstens ein Drittel aller von psychischen Krankheiten Betroffenen in der EU erhalten irgendeine Therapie, Behandlung startet meist erst Jahre nach Beginn einer psychischen Erkrankung. Auch wenn nicht jede psychische Störung zwingend zur Aufnahme einer Behandlung mit Medikamenten oder einer Psychotherapie führen muss: Nur ein Drittel der Betroffenen in Europa und in Deutschland haben jedoch aufgrund ihrer Beschwerden überhaupt einen Kontakt zum Versorgungssystem. Am niedrigs-

Stigmatisierung durch psychische Krankheiten Die Berichterstattung der letzten Jahre hat zu einer besseren Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung für psychische Erkrankungen beigetragen. Gleichzeitig wurden jedoch die Koordinaten innerhalb des Systems verschoben: Die umfassende Stigmatisierung psychischer Erkrankungen findet nicht mehr statt, hat sich aber verlagert. Während Depression, vielmehr noch „Burn-out“, gesellschaftsfähig geworden sind, sind andere psychische Erkrankungen wie z. B. Psychosen weiter eher mit irrationalen Vorurteilen versehen. Dies gilt auch für die angewendeten Behandlungsverfahren. Akzeptiert und favorisiert sind i. d. R. jegliche Formen von Psychotherapie. Eine Behandlung mit Psychopharmaka ist nach wie vor vielen Menschen unheimlich und weckt Assoziationen von An-

staltspsychiatrie. Dieses – häufig auch medial geförderte – Schwarz-WeißDenken verhindert aber nicht selten adäquate und leitlinienorientierte Therapien.

Die umfassende Stigmatisierung psychischer Erkrankungen findet nicht mehr statt, hat sich aber verlagert. Während Depression, vielmehr noch „Burnout“, gesellschaftsfähig geworden sind, sind andere psychische Erkrankungen wie z. B. Psychosen weiter eher mit irrationalen Vorurteilen versehen. Psychische Erkrankungen nehmen nicht zu, sondern werden besser und differenzierter diagnostiziert, zudem steigt die Inanspruchnahme von Patienten aufgrund psychischer Erkrankungen. Gleichzeitig entwickelt sich jedoch zunehmend eine Unwucht in der Versorgung. Besonders schlecht versorgt sind Patienten mit Alkoholund anderen Suchtproblemen. Auch Patienten mit Migrationshintergrund und sprachlichen Problemen haben häufig nur schwer Zugang zum psychotherapeutischen Versorgungssystem. Ein besonderes Problem stellt die Versorgung mit Psychotherapie mit forensischem Hintergrund dar. Auch die häufig viel zu spät einsetzende Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen wird besonders kritisch bewertet, v. a. wegen der möglichen Chronifizierung und Verschlechterung der Behandlungsprognose im Erwachsenenalter.

Sind DMP die Lösung? Die Vielzahl der in Deutschland zur Verfügung stehenden Versorgungsangebote für neurologisch und psychisch erkrankte Patienten bietet die einmalige Chance, Versorgung sehr individuell, passgenau und morbiditätsgerecht zu gestalten. Disease-Management-Programme bieten eine Vielzahl von Chancen, gehen aber gerade aufgrund ihres Indikationsbezuges hier

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PSYCHIATRISCHE ERKRANKUNGEN auch mit Risiken einher. So könnte ein DMP „Depression“ die Behandlungsmöglichkeiten für Patientinnen und Patienten mit Depressionen deutlich verbessern. Durch gezielte ökonomische Anreize würden alle an dem DMP beteiligten Fachgruppen depressiven Patienten Vorfahrt in ihren Institutionen und Praxen einräumen. Dies geht allerdings mit dem kaum kalkulierbaren Risiko einher, dass Patienten mit anderen psychischen Erkrankungen, für deren Behandlung keine vergleichbaren exklusiven Anreize geschaffen werden, noch schlechter als jetzt versorgt werden. Dies spricht dafür, für die Versorgung psychisch Erkrankter keine DMP mit Indikationsbezug auszuwählen, sondern die Versorgung von Patienten mit neuropsychiatrischen Erkrankungen indikationsunabhängig zu organisieren, auch weil sich psychische Erkrankungen häufig mehrdimensional darstellen. In dieser Hinsicht sind insofern somatische DMP wie beispielsweise das DMP „Diabetes“ nicht mit Versorgungsnotwendigkeiten psychischer Erkrankungen vergleichbar. Zudem treten psychische Störungen häufig komorbid mit somatischen Erkrankungen auf. Als Beispiel sei genannt die post-stroke-depression, also eine depressive Symptomatik nach Schlaganfällen. Weitere Beispiele wären große Bereiche wie Psychokardiologie oder Psychoonkologie. Demenzielle Symptome einer beginnenden AlzheimerErkrankung und depressive Symptome sind häufig nicht nur differenzialdiagnostisch schwer voneinander abgrenzbar, sondern nicht selten auch vergesellschaftet.

Die Antwort der Experten und der KBV Fachärzte sowie ärztliche und psychologische Psychotherapeuten haben zusammen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ein Modell für strukturierte Versorgung von Patienten mit neurologischen und psychischen Erkrankungen entwickelt, welches den Besonderheiten qualifi-

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zierter gestufter neuropsychiatrischer Versorgung Rechnung trägt. Dieses Modell beschreibt Aufgaben der Koordination sowie der konsiliarischen und kooperativen Versorgung, und zwar nicht nur abhängig von der jeweiligen Krankheitsentität, sondern auch Kriterien geleitet. So stellen z. B. Gefährdungsaspekte (Eigen- oder Fremdgefährdung), längere Arbeitsunfähigkeit oder eine drohende Krankenhauseinweisung, ebenso „red flags“ dar wie beispielsweise drohender Verlust der Erwerbsfähigkeit. Die Einbeziehung aller (!) Leistungsanbieter vor Ort – als conditio sine qua non – inklusive weiterer z. B. auch sozialpsychiatrischer Angebote, macht aber auch die präzisere Formulierung von Versorgungsaufträgen erforderlich. Dies muss im Weiteren auch die stationären, teilstationären und ambulanten Leistungen der Krankenhäuser miteinbeziehen, nur dann kann Versorgung in den Regionen „aus einem Guß“ gelingen und nur dann wird der Paradigmen-Wechsel von einer anbieterorientierten zur patientenorientierten Versorgung möglich sein. Transparente regionale Behandlungspfade und strukturierte Kommunikation und Dokumentation sind als Grundvoraussetzungen eines solchen Modells auch die Basis für (messbare) Qualitätsverbesserung.

Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) ebenso wie die neuropsychiatrischen Berufsverbände, sehen die Gesundheitspolitik dringend dazu aufgefordert, entsprechende Forderungen an die ärztliche Selbstverwaltung gesetzlich zu konkretisieren. Folgende Resolution wurde auf der Mitgliederversammlung der DGPPN im November 2014 dazu verabschiedet: „Die Selbstverwaltung (DKG, GKVSpitzenverband, KBV) entwickelt zeitnah Regelungen zur Strukturierung sektorenübergreifender Versorgungsangebote zur Verbesserung der Versorgung von Menschen mit psychischen und neurologischen Erkrankungen. Die Überarbeitung der Psychotherapierichtlinie soll Eingang in dieses strukturierte Versorgungsprogramm finden.“ Der Ball liegt jetzt im Spielfeld der Politik bzw. der ärztlichen Selbstverwaltung.

DR. FRANK BERGMANN

Was ist zu tun Erforderlich ist zeitnah ein unmissverständlicher Auftrag von der Politik an die ärztliche Selbstverwaltung neuropsychiatrische Versorgung strukturiert und mit vorgegebenen Versorgungsaufträgen zu gestalten. Die Gelegenheit ist insofern günstig, da ein Teilstück des Versorgungsystems, nämlich die Psychotherapierichtlinie, noch in diesem Jahr durch den G-BA überarbeitet werden soll. Dies ist eine gute Gelegenheit nicht nur Richtlinienpsychotherapie neu zu gestalten, sondern neuropsychiatrische Versorgung insgesamt neu zu strukturieren. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), ferner die

Dr. med. Frank Bergmann, Aachen, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Forensische Psychiatrie, Vorsitzender Spitzenverband ZNS, Vorsitzender der Vertreterversammlung der KV Nordrhein


BASYS UPDATE ZUR BASYS-STUDIE ZU DEN FOLGEN DER KOSTENDÄMPFUNG BEI PHARMA

Auch in der Gesundheitspolitik gilt: Keine Therapie ohne Nebenwirkungen Ein Euro-Zwangsrabatt verursacht über zwei Euro volkswirtschaftlichen Verlust. Auf diesen einfachen Nenner kam 2013 die vom Augsburger BASYS-Institut veröffentlichte Studie zur gesundheitswirtschaftlichen Bedeutung der Pharmazeutischen Industrie in Bayern. Erstmals lag damit eine auf Fakten basierte Einordnung dieser Hightech-Branche vor, die auch die Auswirkungen der Kostendämpfungspolitik im Bund berücksichtigt.

Darauf aufbauend veranlasste die „Pharmainitiative Bayern“, ein Zusammenschluss forschender Arzneimittelhersteller mit Standorten in Bayern, Ende 2014 ein Update. Dieses bestätigt die zentralen Ergebnisse des ersten Gutachtens: 1. Der Pharmastandort Bayern bietet gute Voraussetzungen für Forschung, Produktion und Vertrieb. So ist die Bruttowertschöpfung der 24.000 Beschäftigten etwa doppelt so hoch wie der Durchschnittswert aller Beschäftigten. Allerdings werden die vorhandenen Potenziale nicht ausgeschöpft: Bayern liegt beispielsweise beim Export nur im Mittelfeld aller Bundesländer. 2. Die Kostendämpfung (Zwangsrabatte, Preismoratorium etc.) schlägt sich negativ auf die Produktion und Beschäftigung nieder. Aufaddiert rich-

tet sie deutlich mehr Schaden an, als dass sie der Gesetzlichen Krankenversicherung Ausgaben erspart. Bundesweit kostete sie bisher etwa 15.000 Arbeitsplätze in der Pharmazeutischen Industrie; in vor- und nachgelagerten Branchen entfielen weitere knapp 85.000 Arbeitsplätze.

3. Die in Bayern ansässigen Pharmaunternehmen fokussieren sich vor allem auf den deutschen Binnenmarkt. Dadurch wird der Standort deutlich stärker durch die Kostensenkung auf Bundesebene belastet als andere Bundesländer. Gleichzeitig zeigt die aktuelle Studie, dass sich die im Jahr 2013 erhobenen Abschläge und Rabatte auf über 50 Prozent der Unternehmensüberschüsse der bayerischen Pharmaindustrie summierten. Erschwerend kam hinzu, dass die Kosten für Forschung und Entwicklung im Arzneimittelsektor jährlich zusätzlich um sieben bis acht Prozent zur Inflation anstiegen. Die Bereitschaft für zusätzliche Investitionen war dadurch nicht mehr gegeben. Ein Effekt, der dadurch verstärkt wird, dass der Verbraucherpreisindex in den Jahren 2008 bis 2013 zwar um sieben Prozent zulegte, der Arzneimittelpreis-

index allerdings im selben Zeitraum um drei Prozent sank. Die Arzneimittelpreise in Deutschland sind mittlerweile so niedrig, dass sich Hersteller eher auf das Auslandsgeschäft konzentrieren. Mit teilweise gravierenden Folgen: So verteuern sich einerseits die Importe, andererseits sinken die Exportpreise von in Deutschland produzierten Arzneimitteln. Der so genannte „Parallel-Export“ ins Ausland steigt an, was bereits zu ersten negativen Auswirkungen auf die Patienten-Versorgung hierzulande führte. Entwicklungen, denen sich die Pharmazeutische Industrie in Bayern gemeinsam mit der Bayerischen Staatsregierung unter Federführung der Staatsministerien Gesundheit und Wirtschaft stellen will. Gemeinsam sollen Lösungen erarbeitet werden. Der Grundstein dafür wurde Anfang Dezember 2014 mit dem „Bayerischen Pharmagipfel“ gelegt. Weitere Treffen folgen in den nächsten Monaten. Ergebnisse sind für die zweite Jahreshälfte 2015 angekündigt.

Die Pharmainitiative Bayern Die „Pharmainitiative Bayern“ ist eine informelle Gruppe von innovativen pharmazeutischen Unternehmen mit Standort in Bayern. Ihr gehören derzeit die Unternehmen Amgen, Baxter, Biogen Idec, Bristol-Myers Squibb, Celgene, Daiichi-Sankyo, GlaxoSmithKline, MSD, Novartis und Roche an. Das aktuelle Update steht unter http://www.basys.de/aktuelles/2014/ pharma_by_2008-2012.pdf zum Download bereit.

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Foto: Andreas Morlok/pixelio.de

GKV-VERSORGUNGSSTÄRKUNGSGESETZ

Was bewegt die Ärzte in den FALK KVen?

Von Martin Degenhardt Bereits zu Beginn dieser Legislaturperiode war absehbar, wo die Große Koalition den Schwerpunkt ihrer Arbeit im Bereich der Gesundheitspolitik setzen wird. Zuallererst ist dabei das Thema Pflege zu nennen, gefolgt von der lange angekündigten Krankenhausstrukturreform. Das der ambulante Bereich und die Belange der niedergelassenen Ärzte nicht im Zentrum der Großen Koalition stehen, war also absehbar. Umso wichtiger ist hier das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG), ist es doch das mit Abstand wichtigste Gesetzgebungsverfahren für den ambulanten Bereich. Folgerichtig ist das GKV-VSG derzeit das bestimmende politische Thema für die niedergelassenen Ärzte. Mit diesem Gesetzentwurf

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werden die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags zur ambulanten Versorgung weitestgehend umgesetzt – außer den Festlegungen, die Eingang in das E-Health-Gesetz oder das Präventionsgesetz finden.

Versorgungsstärkungsgesetz Leider finden auch im Gesetzentwurf zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz die Belange und Anliegen der Ärzteschaft kaum Berücksichtigung. Das Bekenntnis zur Freiberuflichkeit, das sich noch im Koalitionsvertrag findet, sucht man im GKV-VSG vergeblich. Das Gesetz, das eigentlich die Stärkung der Versorgung zum Thema haben sollte, stellt gerade nicht den Arzt und die Bedingungen seiner Tätigkeit

in den Mittelpunkt. Anstatt die Voraussetzungen für die ärztliche Tätigkeit zu verbessern und den Arztberuf wieder attraktiver zu machen und dadurch wieder mehr Ärzte zu gewinnen, werden andere, nichtärztliche Akteure durch den Entwurf gestärkt. So bekommen Krankenhäuser eine stärkere Rolle in der ärztlichen Versorgung, die Kommunen können künftig über MVZ Träger der ambulanten Versorgung werden und die Delegation ärztlicher Leistung wird gestärkt. Verbesserung der Grundlagen ärztlicher Tätigkeit – weitgehend Fehlanzeige! Auch bei den beiden am stärksten diskutierten Themen, dem Abbau von Überversorgung und der Wartezeiten-


GKV-VERSORGUNGSSTÄRKUNGSGESETZ regelung fehlt eine grundlegende Ursachenforschung. Stattdessen wird versucht mit gesetzlichen Regelungen die Symptome zu kurieren, die entstehen, weil durch einen Attraktivitätsverlust der Tätigkeit als niedergelassener Arzt zunehmend Ärzte fehlen. So ist es letztlich gar nicht so entscheidend, wie viele Arztsitze durch diese Neuregelung abgebaut werden, oder wie viele Patienten aufgrund mangelnder Facharzttermine künftig im Krankenhaus behandelt werden. Entscheidend ist, dass einige Politiker zunehmend versuchen die ambulante Praxis zum Auslaufmodell zu machen.

Mehr junge Mediziner gewinnen Dabei könnten beide Probleme, punktuelle Terminschwierigkeiten und die Bekämpfung von Unterversorgung mittelfristig dadurch gelöst werden, dass die Bedingungen für die freiberufliche Tätigkeit als niedergelassener Arzt wieder verbessert werden, etwa durch eine Befreiung vom Budgetdeckel oder den Abbau von Bürokratie. Bei zwei kleinen Beispielen geht die Politik dabei in die richtige Richtung. Zum einen gibt es eine echte Verbesserung bei der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin. Hier werden die Bedingungen für die Ärzte in Weiterbildung und die anstellenden Praxen deutlich verbessert. Ein kleiner aber wichtiger Schritt, um wieder mehr junge Mediziner für die Niederlassung zu gewinnen. Leider wurde bisher die Chance verpasst, diese Förderung der ambulanten Weiterbildung auch auf grundversorgende Facharztgruppen auszuweiten. Ein weiterer Schritt zur Verbesserung der ärztlichen Rahmenbedingungen ist die Abschaffung der Richtgrößenprüfung und die Regionalisierung der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Beide bieten die Möglichkeit künftig Regresse zu vermeiden, ein entscheidender Fortschritt, um junge Ärzte zu gewinnen und die ärztliche Tätigkeit von patientenfernen Erwägungen zu befreien.

Zusammenfassend lässt sich feststellen: die Tendenz des GKV-VSG ist bedenklich. Ein Mehr an Vorgaben und Bürokratie und die Stärkung von Krankenhäusern in der ambulanten Versorgung – all dies zeigt die Misstrauenskultur, die sich in unserem Gesundheitswesen etabliert hat. Dabei sind die freie Arztwahl und die freiberuflich tätigen niedergelassenen Ärzte mit ihrer Therapiefreiheit die Gewähr für eine hervorragende ambulante medizinische Versorgung in Deutschland. Die Bundesregierung hätte gut daran getan, dies zum Grundpfeiler des neuen Gesetzes zu machen. Die Verbesserungen bei Weiterbildung und Wirtschaftlichkeitsprüfung lassen aber hoffen, dass sich noch bei weiteren Themen etwas ändert. Die flächendeckende ambulante Versorgung ist langfristig nur durch attraktive Rahmenbedingungen für niedergelassene Ärzte zu sichern. Diese Daueraufgabe muss die Politik künftig wieder in den Fokus rücken!

liche Kriminalisierung der ärztlichen Sterbebegleitung aus. Stattdessen ist ein massiver Ausbau der Palliativmedizin in Deutschland unerlässlich, um den Menschen ein Sterben in Würde zu ermöglichen und die Angst vor unerträglichem Leid zu nehmen. Alles in allem gilt: die Ärzteschaft wird auch künftig an den gesundheitspolitischen Debatten teilnehmen und die Versorgungslandschaft in Deutschland aktiv mitgestalten. Voraussetzung dafür ist, dass man uns die Möglichkeiten dazu lässt. Es bleibt zu hoffen, dass die Stimme der Ärzteschaft im Konzert der politischen Auseinandersetzung künftig wieder mehr Gehör findet.

Ausbau der Palliativmedizin Die Chance dafür bietet das neue EHealth-Gesetz. Der Entwurf bietet einige ermutigende Entwicklungen. So wird eine langjährige Forderung der Ärzteschaft erfüllt, dass die vorhandenen Netze auch in der Telematikinfrastruktur weiterbetrieben werden können. Auch die Aufnahme vergüteter telemedizinischer Leistungen und die Öffnung der Telematikinfrastruktur für weitere Anwendungen des Gesundheitswesens zeigen, dass die Hinweise aus der Ärzteschaft Gehör fanden. Schließlich beschäftigen sich Ärzte in besonderer Weise mit der aktuellen gesellschaftlichen Diskussion über die Sterbehilfe. Schon immer sind Ärzte die natürlichen Begleiter von Menschen in ihrer letzten Lebensphase und das Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient spielt hier eine besonders große Rolle. Daher sprechen sich führende Ärztevertreter gegen eine mög-

MARTIN DEGENHARDT

Martin Degenhardt ist Diplom Politikwissenschaftler. Seit 2010 ist er Fachreferent Politik der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Zudem ist er seit 2011 Hauptstadtrepräsentant der Freien Allianz der Länder KVen (FALK)

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NACHHALTIG LEBEN

Wir wollen neue Wege in der Parteiarbeit gehen und aus alten Denkschienen ausbrechen. Wir wollen diskutieren, Standpunkte austauschen und freuen uns dabei über eine kreative Unruhe

GESUNDHEIT

Wichtiges Thema der Kommission „Nachhaltig leben – Lebensqualität bewahren“ Von Julia Klöckner, MdL Die Kommission „Nachhaltig leben – Lebensqualität bewahren“ ist Teil der Zukunftsstrategie der CDU. Als Volkspartei sind wir immer wieder aufs Neue gefordert, auf der Basis unserer Grundwerte eine Politik zu entwerfen, die den Entwicklungen der Zeit in ihrer ganzen Breite und damit dem Leben der Menschen gerecht wird. Der Bundesvorstand der CDU hat dafür drei Kommissionen eingesetzt, die sich mit der Zukunft der Arbeit im Zeitalter der Digitalisierung, dem Zusammenhalt der Gesellschaft und mit dem „Guten Leben“ beschäftigen.

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Aus vielen Studien wissen wir, dass nicht allein das Einkommen und materieller Besitz für die Lebenszufriedenheit der Menschen wichtig sind. Deshalb können wir unsere Politik nicht nur am Wachstum des Bruttoinlandsproduktes ausrichten. Das brauchen wir auch, aber unsere Politik muss weit darüber hinaus reichen. Sie muss einen Rahmen setzen und Maßnahmen ergreifen, die den Menschen ermöglichen, so zu leben, wie es gut und richtig für sie ist, und so, dass ihr Handeln nicht auf Kosten anderer und der nachfolgenden Generationen geht.

Worum geht es uns? Wir wollen neue Wege in der Parteiarbeit gehen und aus alten Denkschienen ausbrechen. Wir wollen diskutieren, Standpunkte austauschen und freuen uns dabei über eine kreative Unruhe. Deshalb haben wir in die Kommission sehr unterschiedliche sachkundige Mitglieder berufen: Politiker, Bürgermeister von Städten und Gemeinden, nachhaltig wirtschaftende Unternehmer, Konsumund Umweltexperten, die Vertreterin eines Kreisbauernverbandes und auch zwei Mediziner. Der eine ist der Europaabgeordnete Dr. Peter Liese, der andere ein Praktiker aus dem Krankenhaus. Wir haben Men-


NACHHALTIG LEBEN schen zusammengebracht mit unterschiedlichem Hintergrund, mit unterschiedlichen Erfahrungen, aus verschiedenen Berufen und Altersstufen. In der ersten Phase der Arbeit haben wir die Themen identifiziert. Dafür haben wir Experten befragt, z. B. Bundesminister Dr. Peter Altmaier, der die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung verantwortet, und Wissenschaftler, die über Lebenszufriedenheit, Glück und Zeitwohlstand forschen. Wir haben einen Open-Space veranstaltet – ein neues Format, bei dem sich nach einem Impulsvortrag aus dem Publikum heraus Arbeitsgruppen bilden und selbstgewählte Themen diskutieren. Auf unserem Parteitag in Köln hatten wir ein Forum mit dem bekannten Arzt und Kabarettisten Dr. Eckart von Hirschhausen und Matthias Hebeler, der ökologisch korrekte Business-Hemden herstellt. In Intranet CDUplus gab es eine lebhafte Diskussion unter unseren Mitgliedern und viele Bürger haben uns ihre Vorstellungen auch unter unserer Mail-Adresse nachhaltig-leben@cdu.de dargelegt.

So haben sich folgende Schwerpunkte und Fragestellungen herauskristallisiert: Wir müssen uns als CDU noch einmal vergewissern: Was meinen wir, wenn wir den inzwischen zum Modewort gewordenen Begriff Nachhaltigkeit verwenden? Wie wollen wir konsumieren und wie können wir unseren Konsum ökologisch und sozial korrekt gestalten? Hier reicht das Spektrum von der Schaffung eines Kleiderlabels, über gesunde Ernährung bis zum nachhaltigen und sorgfältigen Umgangs mit Daten und Finanzen. Wie gelingt es, dass Nachhaltigkeit von den Unternehmen nicht nur als Pflicht gesehen wird, einen Bericht vorzulegen, sondern als echter Business-Case. Und was bringen uns neue Geschäftsmodelle, wie z. B. die Share-Economy, die auf dem Teilen von Gütern und Dienstleistungen beruht. Ganz wichtig ist den Menschen ihr unmittelbares Lebensumfeld in den Städten und Regionen. Stichworte sind die grüne smarte Stadt mit aufeinander abgestimmtem Familientakt, der Erhalt lebendiger Dörfer im ländlichen Raum, Breitband- und Ärzteversorgung und altengerechtes Wohnen.

Sicherheit und Verlässlichkeit sind für fast alle Menschen grundlegend. Das betrifft nicht nur die Sicherheit im polizeilichen Sinne, sondern auch stabile Rahmenbedingungen und die Langfristigkeit von politischen Entscheidungen. Unsere Kommission verfolgt also einen sehr breiten Ansatz. Julia Klöckner mit dem ehemaligen rheinland-pfälzischen SozialGleichwohl sind so- politiker Heiner Geissler wohl bei unseren Aktivitäten einige Themen immer wieder nächsten Bundesparteitag der CDU ergenannt worden. Gesundheit ist eins diestellt wird. Unser Politikansatz dabei ist ser Topthemen. Gesundheit ist ein ganz klar: Wir werden keinem vorschreiben, wesentlicher Faktor von Lebensqualität. wie er zu leben hat. Plakativ ausgedrückt: Das ist ein großer Auftrag an die Politik, von uns wird kein Veggie-Day verordnet die Menschen in Gesundheitsberufen, die und keine Zwangsbeglückung erfolgen, wie Arbeitgeber und an jeden einzelnen selbst. die Grünen das versuchen. Vielmehr wolDie Bürger wünschen sich – so die Beiträlen wir den Menschen durch Befähigung, ge beim Open-Space und in der OnlineInformation und Anreize ermöglichen, Diskussion – bessere Informationen über ein selbstbestimmtes, nachhaltiges Leben Medikamente, Therapien, gesunde Ernähzu führen. Das ist das Angebot der CDU rung und Prävention sowie mehr Gesundund der Auftrag der Kommission „Nachheitsforschung. Auf dem Land steht die Sihaltig leben – Lebensqualität bewahren“. cherung der medizinischen Versorgung im Vordergrund. Anreize für Ärzte, in ländliche Regionen zu gehen, mobile Praxen, Versorgungseinrichtungen, Sicherung der JULIA KLÖCKNER Notfallversorgung stehen deshalb richtigerweise schon auf der Agenda unserer Politik. Aber die Bürger haben uns noch mehr gesagt: Sie wünschen sich neben der guten Versorgung eine ganzheitlichere Betrachtung von Gesundheit. Sie möchten, dass in der Medizin auch Homöopathie und alternative Methoden mit berücksichtigt werden. Dr. Eckart von Hirschhausen hat uns auf dem Parteitag aufgerufen, in Prävention, in Gesundheitsstrukturen und soziale Innovationen zu investieren und dabei auch Pflegekräfte und junge Ärzte nicht zu vergessen. Aus all den gesammelten Vorschlägen und Themen wird die Kommission in den nächsten Monaten Positionen erarbeiten und Politikmaßnahmen vorschlagen. Ziel ist es, im Sommer einen Bericht vorzulegen, aus dem ein Leitantrag für den

Julia Klöckner, 42, gehörte von 2002 bis 2011 dem Deutschen Bundestag an. 2011 wechselte sie nach Rheinland-Pfalz und wurde CDU-Landesvorsitzende und Vorsitzende der Landtagsfraktion. Klöckner ist stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU

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Foto: Albrecht E. Arnold/ pixelio.de

HOSPIZ-VERSORGUNG

VERBESSERUNG

der Hospiz- und Palliativversorgung Die angestrebten Verbesserungen stärken die Möglichkeiten der Patientinnen und Patienten, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse für die letzte Lebensphase wirksam umzusetzen

Von Annette Widmann-Mautz, MdB Sterben und Tod sind Teil des Lebens. Sterbende Menschen gehören in die Mitte der Gesellschaft. Deshalb hat die Regierungskoalition bereits im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass die Hospiz- und Palliativversorgung gestärkt und weiterentwickelt werden soll. Denn wir wollen, dass alle Menschen in ihrer letzten Lebensphase die bestmögliche menschliche Zuwendung, Versorgung, Pflege und Betreuung erhalten. Wir wollen, dass alle Menschen an den Orten, an denen sie ihre letzte Lebensphase verbringen, auch im Sterben gut versorgt und begleitet sind. Hierzu bedarf es des Ausbaus und der gezielten Weiterentwicklung der bestehenden hospizlichen und palliativen Versorgungsangebote und gleichzeitig auch einer umfassenden Information der Betroffenen über die vielfältigen Möglichkeiten der medizinischen, pflegerischen und hospizlichen Begleitung in der letzten Lebensphase.

Zur Stärkung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland haben Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und ich – zusammen mit den ge-

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sundheitspolitischen Experten der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD – Eckpunkte vorgelegt, die auf verschiedenen Ebenen Maßnahmen deutliche Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung in Deutschland beschreiben. Sie reichen von der ambulanten ärztlichen Versorgung und Pflege über die Vernetzung verschiedener Angebote und Kooperation zwischen den beteiligten Leistungsanbietern bis hin zu gezielter Information über Hilfen und Versorgungsangebote. Sie stärken damit nicht zuletzt auch die Möglichkeiten der Patientinnen und Patienten, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse für die letzte Lebensphase wirksam umzusetzen.

Ziel ist ein flächendeckendes Angebot Ziel ist es, dass in Deutschland ein flächendeckendes Angebot an Hospiz- und Palliativversorgung verwirklicht wird – auch in strukturschwachen und ländlichen Regionen. Insgesamt haben wir in Deutschland bereits in den letzten Jahren große Fortschritte im Auf- und Ausbau der ambulanten Palliativversorgung und wichtige Verbesserungen in der ambulanten Hospizarbeit und für stationä-

re Hospize erreicht. Nun geht es darum, auf dieser Grundlage mit Blick auf alle Regionen Deutschlands den Auf- und Ausbau weiter zu befördern. Im ländlichen Raum müssen Anreize für einen Ausbau der Leistungsangebote und dafür geschaffen werden, dass ausreichend Ärzte und Pflegekräfte mit der erforderlichen Qualifikation und Berufserfahrung zur Verfügung stehen. Dort fehlt es noch an ausreichenden Hospiz- und Palliativangeboten sowohl durch ambulante Dienste als auch in stationären Einrichtungen. Deshalb sollen beispielsweise stationäre Hospize finanziell besser gefördert werden. Mit gezielten regulatorischen Maßnahmen und finanziellen Anreizen wollen wir sowohl die allgemeine ärztliche Palliativversorgung als Teil der Regelversorgung stärken, als auch den Ausbau der sogenannten spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) und den Abschluss entsprechender Versorgungsverträge der gesetzlichen Krankenkassen in den Regionen befördern, in denen es noch „weiße Flecken“ in der Versorgung gibt.


HOSPIZ-VERSORGUNG Vernetzung der Versorgung Wir brauchen insgesamt auch mehr Anreize dafür, dass die vielfältigen bestehenden Versorgungsangebote der ambulanten Dienste und stationären Einrichtungen besser vernetzt werden. Die Hilfsbedürftigkeit der Menschen ist höchst unterschiedlich und verändert sich auch individuell im Verlauf der letzten Lebensphase. Daher ist eine vernetzte Versorgung so wichtig, die ein reibungsloses Ineinandergreifen verschiedener Hilfsangebote und deren Anpassung an die Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen gewährleistet. Vor allem in Flächenregionen müssen Vernetzung und Kooperation von medizinischer und pflegerischer Versorgung sowie hospizlicher Begleitung vorangebracht werden. Hierfür setzen wir gezielte strukturelle Anreize – auch finanzieller Art. Auch in den Einrichtungen der Altenpflege muss die Hospizkultur weiter gestärkt werden, denn viele Menschen verbringen ihre letzten Lebensmonate dort. Dabei geht es darum, eine qualifizierte Sterbebegleitung sicherzustellen, die an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet ist – sei es in Form einer intensiven hospizlichen Begleitung oder auch der Begleitung durch Angehörige und Vertrauenspersonen. Auch die palliativmedizinische Versorgung gilt es voran-

zubringen. Wir sehen ein ganzes Bündel von Maßnahmen vor und setzen auch hier auf finanzielle Anreize, um Vernetzungen und Kooperationen zwischen den behandelnden Ärzten und den Pflege- und Hospizdiensten mit den stationären Pflegeeinrichtungen zu verbessern.

Wir planen eine weitere Verbesserung der medizinischen, pflegerischen und hospizlichen Betreuung und Begleitung. Die Menschen sollen sich darauf verlassen können, dass sie bis zuletzt die Hilfe erhalten und die menschliche Fürsorge erleben werden, die sie benötigen. Die Eckpunkte zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung, auf deren Grundlage nun entsprechende gesetzliche Regelungen erarbeitet werden, weisen hierfür den Weg.

Ganzheitliche Beratung Neu einführen werden wir – natürlich auf freiwilliger Basis für alle Beteiligten – ein Beratungsangebot in stationären Pflegeeinrichtungen zur individuellen gesundheitlichen Versorgungsplanung zum Lebensende. Ein solches ganzheitliches Beratungsangebot über die medizinische, pflegerische, psychosoziale und seelsorgerische Betreuung und Versorgung am Lebensende kann Ängste schwerstkranker Patientinnen und Patienten und Pflegebedürftiger vor Unbekanntem und schwerem Leid in der Sterbephase mindern. Zugleich können eine gute Koordination und die gemeinsame Kooperation aller Beteiligten dem häufigen Wunsch der Betroffenen nach weitestgehender Selbstbestimmung bis zuletzt und der Vermeidung ungewollter medizinischer Eingriffe besser Rechnung tragen. Gleichzeitig wird damit ermöglicht, dass den an der Versorgung Beteiligten die Wünsche des jeweiligen Pflegeheimbewohners bekannt sind und sie dementsprechend handeln können.

ANNETTE WIDMANN-MAUTZ

Annette Widmann-Mautz, 48, ist seit 2009 Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit. Dem Deutschen Bundestag gehört sie seit 1998 an. Seit 2002 wurde sie dabei stets als Direktkandidatin in Tübingen gewählt

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Foto: Dieter Schütz/ pixelio.de

GESUNDHEITSPOLITIK

Die gesundheitspolitische Reformagenda Die von Union und SPD bereits abgearbeiteten gesundheitspolitischen Vorhaben ist lang, das „Restprogramm“ dafür umso anspruchsvoller

Von Stephan Woznitza Die Liste der aus dem Koalitionsvertrag von Union und SPD bereits abgearbeiteten gesundheitspolitischen Vorhaben ist lang, das „Restprogramm“ dafür umso anspruchsvoller. In diesem Jahr rücken die größten Reformbaustellen des Gesundheitswesens in den Fokus. Behält die Regierung ihr bisheriges Tempo bei, hat man Ende 2015 die Vorhaben des Koalitionsvertrages schon weitgehend abgearbeitet.

Diskussion ums Versorgungsstärkungsgesetz Um langfristig eine qualitativ hochwertige und effiziente medizinische Versorgung flächendeckend gewährleisten zu können, soll bis Mitte des Jahres das „Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-VSG) verabschiedet werden. Eine entsprechende Vorlage hat das Kabinett im Dezember beschlossen.

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Mit dem ersten Durchgang im Bundesrat Anfang Februar begann der parlamentarische Diskussionsprozess, der bis Mitte Juni abgeschlossen werden soll. Widerstand formiert sich dabei vor allem auf Seiten der Ärzteschaft, denn die geplante Neuregelung zum Praxisaufkauf und zur ausbleibenden Nachbesetzung von Arztsitzen in überversorgten Regionen stößt ebenso auf Kritik, wie die angekündigte Einrichtung von Terminservicestellen. Von allen Seiten begrüßt wird dagegen der im Gesetzentwurf vorgesehene Innovationsfonds.

Das Präventionsgesetz – was lange währt, …? Nach drei gescheiterten Anläufen in den Jahren 2004, 2007 und 2013 soll in diesem Jahr die Verabschiedung eines „Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention“ (PrävG) gelingen. Mit dem Kabinettsbeschluss wurde die erste Hürde im

Dezember bereits gemeistert. Eine öffentliche Anhörung des Gesundheitsausschusses ist für April oder Mai, die zweite/dritte Lesung im Bundestag für Juni geplant, bevor der Bundesrat im Juli den Gesetzgebungsprozess zum erfolgreichen Abschluss bringen soll. Während Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe auf einen „breiten Konsens“ setzt, um gesundheitsförderndes Verhalten in allen Lebenswelten und -altern zu stärken, zeigt der Bundestag wenig Begeisterung. Kritische Stimmen aus beiden Koalitionsfraktionen äußern erneut Vorbehalte gegenüber dem effektiven Nutzen eines solchen Gesetzes. Die Bundesratsausschüsse haben bereits substanziellen Nachbesserungsbedarf angemeldet. Gröhe wird also eine Antwort darauf finden müssen, wie der Gesetzesvorschlag auch in den Lebenswelten der Volksvertreter verankert wird.


GESUNDHEITSPOLITIK Neuer Antrieb durch E-Health-Gesetz Ins neue Jahr gestartet ist der Gesundheitsminister mit dem guten Vorsatz, den seit Jahren stagnierenden Ausbau des technischen Fortschritts und der Digitalisierung im Gesundheitswesen wieder zu beschleunigen. Den Referentenentwurf eines „Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen“ (E-Health) schickte er Mitte Januar in die weitere Ressortabstimmung. Der Kabinettsbeschluss soll Ende April folgen, das Gesetz Anfang 2016 in Kraft treten. Eine kleine Anschubfinanzierung bei den Anwendern soll die Motivation für eine schnellere Einführung und Nutzung medizinischer Daten mithilfe der elektronischen Gesundheitskarte steigern. Am Ende sollen alle von einer besseren Vernetzung der Leistungserbringer durch eine vielfältig einsetzbare Telematikinfrastruktur profitieren. Finanzielle Anreize gibt es auch für die, die bisher nur verhalten mitgemacht haben – sie werden bei fehlender Kooperation mit Sanktionen belegt.

Krankenhausreform als Großprojekt Das Krankenhaus vor Ort steht einerseits für Bürgernähe und andererseits für Kosten, die oft niemand übernehmen will. Wie man angesichts der ganz unterschiedlichen Interessen der Beteiligten eine Reform der Krankenhausversorgung und -finanzierung hinbekommt, diskutierte im letzten Jahr eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Herausgekommen ist im Dezember 2014 ein 24-seitiges Eckpunktepapier, das den Rahmen für einen Gesetzentwurf liefert, der noch im Februar erwartet wird. Klar ist aber schon jetzt, dass die Reform der Krankenhausversorgung und -finanzierung die Agenda der gesundheitspolitischen Debatte über das gesamte Jahr hinweg maßgeblich mitbestimmen wird. Vorgesehen sind u.a. die Einführung einer qualitätsorientierten Vergütung mit Zu- und Abschlägen für

au ßerordentlich Wie man angesichts der ganz det werden soll das gute bzw. schlech- unterschiedlichen Interessen der Gesetz, mit dem te Leistungen in Beteiligten eine Reform der Kran- „Bestechlichkeit den Kliniken so- kenhausversorgung und -finan- und Bestechung im wie die Einrichtung zierung hinbekommt, diskutierte Gesundheitswesen“ eines gemeinsamen im letzten Jahr eine Bund-Länder- künftig unter Strafe Strukturfonds von stehen, noch in dieBund und Ländern, Arbeitsgruppe. Herausgekommen sem Jahr. Das Kabimit dem der Abbau ist im Dezember 2014 ein 24-seiti- nett wird sich aber von Überkapazitä- ges Eckpunktepapier, das den Rah- erst Ende Mai mit ten, die Konzen- men für einen Gesetzentwurf liefert, der Vorlage befastration von Kran- der noch im Februar erwartet wird. sen. kenhausstandorten sowie die Umwandlung von Kliniken Vom BMG ist darüber hinaus ein Gein nicht akut stationäre Versorgungs- setz zur Steigerung der Attraktivität einrichtungen finanziert werden soll. von Pflegeberufen angekündigt, um Letztlich soll es im Ergebnis „zu we- dem akuten Fachkräftemangel in der niger Operationen, weniger Kranken- Branche zu begegnen. Ein „Masterhäusern und mehr Qualität“ kommen, plan medizinische Ausbildung“ wartet so Jens Spahn, gesundheitspolitische ebenfalls noch auf seine Ausgestaltung. Sprecher der CDU/CSU-BundestagsIn der zweiten Hälfte der Legislaturpefraktion. riode wird der gesundheitspolitische Reformeifer maßgeblich von der FiZweite Stufe der Pflegereform nanzlage der Kassen abhängen. Falls Mit dem ersten Pflegestärkungsgesetz, die Kassen wie derzeit prognostiziert das zum Jahreswechsel in Kraft getre- bereits Ende des Jahres wieder rote ten ist, sind die Leistungen für Pfle- Zahlen schreiben, könnten ab 2016 gebedürftige und pflegende Angehö- Forderungen nach neuerlichen Kosrige ausgeweitet worden. Jetzt wartet tendämpfungsgesetzen deutlich laudie weitaus größere Herausforderung ter werden. – mit dem zweiten Pflegestärkungsgesetz sollen der neu definierte PflegeSTEPHAN WOZNITZA bedürftigkeitsbegriff und ein individuelleres Begutachtungssystem folgen. Nach zwei gescheiterten Versuchen in der Vergangenheit ist der politische Handlungsdruck hoch. Der Gesundheitsminister hat angekündigt, aufs Tempo zu drücken und bereits im Sommer einen Gesetzentwurf vorzulegen. Ausgangsbasis sind zwei abgeschlossene Modellstudien, in deren Rahmen die Funktionalität des neuen Begutachtungsverfahrens geprüft wurde.

Was steht außerdem auf der Agenda? Nach langer Diskussion hat das Bundesjustizministerium inzwischen den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen vorgelegt. Verabschie-

Stephan Woznitza schreibt als Analyst für Gesundheits- und Verbraucherpolitik beim Tagesspiegel Politikmonitoring wöchentlich über aktuelle politische Entwicklungen in der Gesundheitspolitik. Zuvor war der studierte Politikwissenschaftler in einem Abgeordnetenbüro des Deutschen Bundestages als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig

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Gesetzgebung im Gesundheitsbereich lässt nichts Gutes erhoffen

Die flexiblen Strukturen des Mittelstands sind zur Lösung dieser Problematik nahezu ideal geeignet. Nur der Mittelstand kann schnell, flexibel und innovativ auf die neuen Herausforderungen des demografischen Wandel reagieren – und das sicher nicht nur in der Gesundheitswirtschaft

Von Dr. Rolf Koschorrek Die aktuelle Gesetzgebung im Gesundheitsbereich lässt für den Mittelstand, den selbstständigen, freiberuflichen Arzt, Zahnarzt oder Apotheker für die Zukunft nichts Gutes erhoffen. Die Reglementierungen werden weiter ausgebaut, die Kultur des Misstrauens verstärkt, die Entmündigung vorangetrieben. Beleg für diese These ist bestens durch das in der Entstehung befindliche Anti-Korruptions-Gesetz. Nichts davon wird gebraucht, schon heute sind in diesem Land kriminelle Machenschaften ausreichend unter Strafe gestellt. Einen gesamten, extrem innovativen Bereich der deutschen Wirtschaft unter Generalverdacht zu stellen, in dem behauptet wird, die Missstände erforderten gerade hier entschlossenes Einschreiten der Staatsmacht ist eine einmalige Form von hektischer, populistischer Übertherapie einer bisher nicht aufgetretenen Krankheit – nicht zu verwechseln mit sinnvoller Prophylaxe, die es ja heute schon gibt.

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Mittelstand – tragende Säule im Gesundheitssystem Ähnlich verhält es sich mit den Bestimmungen im sogenannten Versorgungsstärkungsgesetz – gestärkt werden Vorschriften, Bürokratie und Restriktionen – die Versorgung der Patienten wird dieses Gesetzeswerk nicht oder nur marginal beeinflussen. Statt die höchst effektiven der mittelständisch-freiberuflichen Aktiven zu stärken, werden Ihnen weitere Hürden in den Weg gestellt. Der Mittelstand, die Freiberuflichkeit, das selbstständige, verantwortliche Unternehmertum bildet die tragende Säule der Gesundheitsversorgung und der Gesundheitswirtschaft in Deutschland. Arztpraxen, medizinische Versorgungszentren, Zahnärzte, unzählige Gesundheitshandwerker, kleine und mittlere Pharmaunternehmen, Hersteller von Medizinprodukten, EDV-Systemhäuser, Softwareprovider und viele mehr - fast alle gehören dem Mittelstand an.

Sie erwirtschaften einen großen Teil der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung und bringen einen erheblichen Teil der dringend erforderlichen Innovationen in unser Gesundheitssystem.

Preisdiktat und Reglementierung Die Rahmenbedingungen in diesem extrem regulierten und reglementierten Bereich werden allerdings immer schwieriger. Planungssicherheit und Verlässlichkeit der Vertragspartner – vor allem am langen Ende – wird immer mehr zum Problem für den Mittelstand. Genehmigungs- und Zulassungsverfahren in der Selbstverwaltung dauern nicht selten Jahre, Übernahme in die Erstattungskataloge der gesetzlichen Krankenversicherung oft noch einmal so lang – mit Ergebnissen, die keiner Verhandlungslösung, sondern oft einem Preisdiktat gleichen. Anpassungen der privaten Gebührenordnungen bemessen sich ja mittlerweile in Dekaden – neue Versorgungsformen, Therapiekonzep-

Foto: Bernd Kasper/ pixelio.de

GESUNDHEITSWIRTSCHAFT


GESUNDHEITSWIRTSCHAFT Fortschritt und viele andere Faktoren haben wir es geschafft, vor kurzem noch schnell tödlich verlaufende Krankheiten in lange chronische Verläufe zu überführen, die Patienten bekommen dann sehr häufig noch weitere chronische oder akute Erkrankungen, werden multimorbid. Genau dafür sind wir in unserem sehr sektorierten System nicht vorbereitet. Multimorbidität ist als Um vernünftige Strukturen zu ermöglichen, braucht es nur Schlagwort in aller MunMut. Mut zur Deregulierung. Mut, bestehende gesetzlich-rede – nur wird nicht viel gulatorische Übertherapie zurückzufahren. Vermutlich mehr zur Verbesserung der BeMut, als immer neue Bestimmungen zu erlassen handlung dieser Patienten te, moderne Technik, kreative Koopegetan. Wo bleibt denn der hier dringen ration lässt sich oft nur mit dubiosen erforderliche umfassende Zugang zu den Hilfskonstruktionen über Analogziffern Diagnosedaten der Patienten? Wo ist die berechnen mit der damit unmittelbar Richtlinie, die verpflichtend ein qualivorhandenen Rechtsunsicherheit. Hier tätsgesichertes Medikationsmanagement müsste Tempo gemacht werden, müsvorschreibt und bezahlt? Der Patient ersen Politik und Selbstverwaltung Druck wartet heute in einem Land wie unsemachen, hier brauchen wir den Elan der rem, dass mit seinem Einverständnis, andernorts in unsinnigen Paragrafenmit dem medizinischen Knowhow und findungen gegen vermeintliche Korrupden modernen technischen Mitteln, der tionsauswüchse an den Tag gelegt wird. behandelnde oder beratende Arzt, der Apotheker, der Therapeut, das Team im Und selbst wenn es zu guten Verträgen Krankenhaus über alle diagnostischen zwischen Krankenkassen und UnternehDaten verfügt, die Bilddaten sieht, die men zur besseren Versorgung der PaMedikation vollständig kennt und diese tienten kommt, werden diese vom BunDinge zu einer angemessenen Therapie desversicherungsamt nicht genehmigt, vereint. Erst dann ist doch eine wirklich wenn sie sich nicht innerhalb weniger gute Behandlung möglich. Falsch verstanQuartale „rechnen“, will sagen Kosten denes Besitzstandsdenken, mutlose Polidämpfen. Innovation, gerade vor dem tik und Selbstverwaltungsstrukturen, die Hintergrund unserer, sich extrem wansich in Selbstbeschäftigung perfekt orgadelnden Gesellschaft muss man aber nisiert haben, bremsen seit Jahrzehnten auch am langen Ende, in Perspektiven die Fortschritte auf diesem Gebiet aus. von fünf oder zehn Jahren planen dürEs darf keine Tabus aus Gründen eigefen und in Verträgen vereinbaren können. Hier sind gemeinsame Anstrenner Besitzstandswahrung mehr geben. gungen aller in diesem Bereich tätigen Die ärztliche Versorgung in der Fläche Mittelständler erforderlich. Partikularinwird nicht mehr nur durch Einzelpraxen teressen, die das deutsche Gesundheitsgewährleistet werden können. Neue Kowesen seit Jahrzehnten prägen, sollten operationsformen müssen möglich sein. der Vergangenheit angehören. Gemeinschaftspraxen, auch fachübergreifend, Medizinische VersorgungszenMutlose Politik tren, Kooperationen von niedergelasseUnser deutsches System ist perfekt in nen Ärzten und Krankenhäusern sind eine große Chance für den Mittelstand Diagnose und Therapie einzelner Erkrankungen – durch die Alterung der und nur dann eine Bedrohung, wenn Bevölkerung, durch medizinischen man sie nicht selbst mitgestaltet.

Wettbewerb fast nur beim Preis Auch engere Partnerschaften zwischen Herstellern von Pharmaprodukten und Medizintechnik und Krankenkassen sind ganz einfach geboten in der immer komplexer werdenden Versorgungswelt einer alternden Gesellschaft mit immer besserer medizinischer Versorgung. Wir reden viel von Wettbewerb. Bisher haben wir ihn fast ausschließlich um den Preis. Warum nicht auch um die Qualität? Warum dürfen Krankenkassen und Hersteller nicht Verträge zur besseren Versorgung schließen? Das Dogma des „entweder einheitlich für alle oder gar nicht“ hat sich überlebt. Wenn die Versicherten einer Kasse von der Kooperation profitieren, dann wird sich sehr schnell ein Wettbewerb der anderen entwickeln, auch einen ähnlichen Vertrag zu erreichen. Wenn sich ein Vertrag als nicht tauglich erweist, wird er sehr schnell auslaufen. Das lässt sich alles qualitätsgesichert und antikorruptionsfest organisieren. Es reichen Leitplanken, hier vernünftige Strukturen zu ermöglichen. Es braucht nur Mut. Mut zur Deregulierung. Mut, bestehende gesetzlich-regulatorische Übertherapie zurückzufahren. Vermutlich mehr Mut, als immer neue Bestimmungen zu erlassen.

DR. ROLF KOSCHORREK

Dr. Rolf Koschorrek, 58, wurde 2005 und 2009 als Direktkandidat in den Deutschen Bundestag gewählt. Bis zu seinem Ausscheiden im Herbst 2013 gehörte Rolf Koschorrek über beide Legislaturperioden dem Gesundheitsausschuss an. Von 2009 bis 2013 war er Obmann der CDU/CSU-Fraktion, stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion und Beisitzer im Fraktionsvorstand. Heute leitet er das Verbindungsbüro des HNO Verbandes

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Foto: H.D. Volz/ pixelio.de

BREMEN GESUND MACHEN

POLITIKWECHSEL IN BREMEN MEHR ALS NÖTIG Die GeNo ist ein Sanierungsfall. Scheitert die Sanierung, kommen nicht tragbare finanzielle Lasten auf Bremen zu

Von Elisabeth Motschmann, MdB

Imageschaden für Bremen

Die GeNo ist mit etwa 7.500 Mitarbeitern einer der größten kommunalen Krankenhausgesellschaften in Deutschland. An vier Standorten werden in 3.000 Planbetten 60 Prozent aller Patienten behandelt. Als medizinisches Oberzentrum versorgt die Hansestadt Bremen zudem weite Teile des niedersächsischen Umlandes. Rund 40 Prozent aller in Bremen stationär behandelten Patienten kommen aus Niedersachsen.

Trotz eines Sanierungsprozesses, der bereits seit 2008 andauert, schreibt die GeNo derzeit pro Jahr ein Minus von etwa 20 Mio. Euro im operativen Geschäft. Hinzu kommen Zins- und Darlehensverträge, die zu bedienen sind. Ein Sonderbericht des Landesrechnungshofes (Stand: Januar 2014) kommt dennoch zu dem Schluss, dass die GeNo sanierungsfähig sei. Doch bisher ist nicht viel passiert. Nach einer Finanzspritze Bremens konnte der rot-grüne Senat zwar eine Insolvenz vor der Bürgerschaftswahl am 10. Mai 2015 abwenden, aber ein nachhaltiges Sanierungskonzept und der politische Mut, dieses auch umzusetzen, fehlen. Ein von der CDU-Bürgerschaftsfraktion beauftragtes Gutachten stellt fest, dass der bisherige Sanierungsplan nicht dazu geeignet sei, das geplante Sanierungsziel zu erreichen. Der Rechnungshof schätzt das Risiko, das dem Steuerzahler in Bremen bis 2033 durch die verschleppte Sanie-

Wie alle Krankenhäuser in Bremen und Bremerhaven leidet auch die GeNo daran, dass der rot-grüne Senat seinem gesetzlichen Investitionsauftrag seit Jahren nicht adäquat nachkommt. Bauvorhaben, die Modernisierung der Medizintechnik und weitere Neuerungen müssen deshalb aus dem laufenden Budget der Häuser finanziert werden. In einzelnen Häusern der GeNo ist so ein erheblicher Investitionsstau entstanden. Eine finanzielle Nachjustierung ist deshalb dringend erforderlich.

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rung der GeNo entsteht, auf 660 Mio. Euro. Der Imageschaden für die Krankenhäuser und die Verunsicherung der Beschäftigten werden jedoch nicht in diese Risikoberechnung miteinbezogen. Diese verschärfen die finanzielle Notlage noch. Für den schleppenden Sanierungsprozess und die steigenden finanziellen Risiken sind neben Struktur- und Steuerungsproblemen momentan zwei Faktoren ausschlaggebend: Die Kostensteigerungen und Bauverzögerungen beim Teilersatzneubau (TEN) am Klinikum Bremen Mitte (KBM) und der fehlende politische Rückhalt für die Umsetzung des Sanierungskonzeptes. Bei der Planung und dem Bau des TEN sind dem rot-grünen Senat von Anfang an schwere Fehler unterlaufen. Während der Bauphase hat das fehlende Management des Gesundheitsressorts zu einer Kostensteigerung von bisher rund 40 Prozent auf 281 Mio. Euro und zeitli-


BREMEN GESUND MACHEN werden. Dies ist eine Frage der politischen Schwerpunktsetzung. Effizienzsteigerungen im Bereich der Personalund Sachkosten sind unabwendbar, um die Versorgung für die Patientinnen und Patienten sicherzustellen und 7.500 Arbeitsplätze auch langfristig zu sichern.

Politikwechsel am 10. Mai

Elisabeth Motschmann: „In der nächsten Legislaturperiode wird es darauf ankommen, die GeNo tatsächlich wieder „gesund“ zu machen und vom halbherzigen Kurs des rot-grünen Senats Abschied zu nehmen“

chen Verzögerungen von vier Jahren geführt. Der rot-grüne Senat versucht die katastrophalen Zustände, wie zum Beispiel die auf der Baustelle verschenkten Millionen, trotz der eindeutigen Berichte von Transparency International, bis nach dem Wahltag unter den Teppich zu kehren. Eine transparente Aufarbeitung der Fehler, u.a. im Planungs- und Bauprozess, wäre dringend notwendig. Diese Aufarbeitung wird aber in dem dafür eingerichteten parlamentarischen Untersuchungsausschuss von der rotgrünen Mehrheit blockiert.

Mangelnde politische Vorgaben Im bisherigen Sanierungsprozess sind von 70 vorgesehenen Maßnahmen bisher nur sieben umgesetzt worden. Die Umsetzung scheitert an politischen Vorgaben. Beispielhaft sind dabei die zu hohen Personal- und Sachkosten. Dazu wurden bereits 2008 Regelungen vom rot-grünen Senat festgeschrieben Der Verzicht auf Tarifabsenkungen und betriebsbedingte Kündigungen, eine weitreichende Besitzstandswahrung für die Beschäftigten und der Vorsatz mög-

lichst keine Leistungen out zu sourcen, führten zu Personal- und Sachkosten, die heute weit über dem Bundesdurchschnitt der kommunalen Häuser liegen. So stellte der Rechnungshof fest, dass die GeNo pro Vollzeitkraft im patientennahen Bereich jährlich 3730 Euro mehr bezahlt, als andere Häuser. Im Verwaltungsbereich belaufen sich die Mehraufwendungen sogar auf 14.060 Euro. Auch wenn gerade die Pflegenden und das medizinische Personal in den Häusern der GeNo hervorragende Arbeit bei der Versorgung der Patientinnen und Patienten leisten, so sind Mehrkosten in dieser Höhe nicht zu rechtfertigen, wenn es um den Erhalt der Häuser der geht und somit auch um weit mehr Arbeitsplätze. Diese müssen gesichert werden, das ist mein Ziel. In der nächsten Legislaturperiode wird es darauf ankommen, die GeNo tatsächlich wieder „gesund“ zu machen und vom halbherzigen Kurs des rot-grünen Senats Abschied zu nehmen. Zudem muss die Krankenhausfinanzierung neu aufgestellt werden und verlässlich mit finanziellen Mitteln hinterlegt

Bremen muss den Sanierungskurs der kommunalen Kliniken gewährleisten können. So stellte auch der Landesrechnungshof in seinem Sonderbericht unmissverständlich fest: „Die GeNo ist ein Sanierungsfall [...]. Scheitert die Sanierung, kommen nicht tragbare finanzielle Lasten auf Bremen zu. Dann könnten Maßnahmen erforderlich werden, die noch tiefere Einschnitte sowohl für die Beschäftigten der Krankenhäuser als auch für das Angebot der öffentlichen Krankenhausversorgung in Bremen mit sich bringen würden.“ Vor diesem Hintergrund ist ein Politikwechsel und damit eine Regierungsbeteiligung der CDU am 10. Mai 2015 mehr als nötig! www.neuesvertrauen.de

ELISABETH MOTSCHMANN

Elisabeth Motschmann, 62, gehörte von 1991 bis 1999 der Bremischen Bürgerschaft an. 1999 wurde sie Staatsrätin beim Senator für Inneres, Sport und Kultur. Von 2003 bis 2007 war sie als Staatsrätin beim Senator für Kultur. Ab 2007 war sie wieder Mitglied der Bremischen Bürgerschaft. Seit 2013 gehört sie dem Deutschen Bundestag an. Motschmann ist Spitzenkandidatin der CDU Bremen für die Bürgerschaftswahl am 10. Mai 2015

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QUO VADIS NRW?

Quo vadis NRW? Gesundheitspolitik zwischen Stagnation und Ideologie In Nordrhein-Westfalen ist die hausärztliche Versorgung akut gefährdet, auch die Krankenhausversorgung erscheint verbesserungsfähig (unser Foto)

Von Peter Preuß MdL Nach gut der Hälfte der Legislaturperiode muss die Regierungsarbeit von SPD und Grünen einer kritischen Bewertung unterzogen werden. Insbesondere die Gesundheitspolitik muss auf den Prüfstand.

Eine tragende Säule des Gesundheitssystems mit über einer Million Beschäftigten in Deutschland sind die Krankenhäuser. So wichtig die Krankenhäuser sind, so schlecht stehen viele Einrichtungen wirtschaftlich da. Ende 2014 hat die BundLänder-Arbeitsgruppe Eckpunkte für eine Krankenhausreform 2015 veröffentlicht. Basierend hierauf sollen neue Rahmenbedingungen für eine hochwertige, gut erreichbare und sicher finanzierte Krankenhausversorgung gestaltet werden.

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Strukturfonds Qualität ist die Basis für eine sichere und transparente Versorgung und soll zukünftig nach spezifischen Indikatoren gesetzlich in den Ländern geregelt werden. In diesem Jahr wird das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen die Arbeit aufnehmen und einen wichtigen Beitrag zur Sicherung eines hohen Standards leisten. Diskutiert werden auch finanzielle Zuschläge bei guter Qualität oder Abschläge bei Mängeln. In diesem Zusammenhang werden Kritikpunkte wie mangelnde Hygiene, zu wenig Personal oder unnötige Operationen noch stärker in den Focus rücken. Die verantwortungsvolle Finanzierung der Krankenhäuser ist ein weiterer Schwerpunkt. Mit Einzelmaßnahmen sol-

len zukünftig Fehlsteuerungen vermieden und Gelder zielgenauer eingesetzt werden. Maßnahmen zu Mengensteuerung, die Fallpauschalenkalkulation oder auch die Notfallvergütung sowie die Förderung von Pflege werden Inhalte der Reform sein. Darüber hinaus soll ein Strukturfonds eingerichtet werden, um den Umstrukturierungsprozess und eine Verbesserung der Versorgungsstruktur voranzubringen. Einmalig sollen hierfür je 500 Millionen Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und von den Ländern zur Verfügung gestellt werden.

Sonderfonds Krankenhäuser auf Null Grundsätzlich haben Krankenhäuser die notwendigen Investitionskosten aus den laufenden Betriebseinnahmen zu finan-


QUO VADIS NRW? zieren. Die Investitionskostenförderung wiederum ist Sache der Länder. Doch in diesem Punkt läuft in NRW etwas schief. Hatte sich Rot-Grün im Koalitionsvertrag ausdrücklich zum ¾Sonderfonds Krankenhäuser¾, der die pauschale Förderung ergänzen soll, bekannt, wird dieser zu einer globalen Minderausgabe und schrumpft um 1,6 Millionen Euro auf 0 Euro für 2015. Trotzdem wird NRW von den Ergebnissen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe und der Krankenhausreform profitieren. Doch um die medizinische Versorgung der Menschen in Zukunft sicherstellen zu können, müssen weitere Probleme angepackt werden. Die rot-grüne Landesregierung liegt hierbei weit hinter ihren, im Koalitionsvertrag formulierten Zielen zurück. Konzepte, um das Gesundheitssystem fit für die Zukunft zu machen, lassen sich weder in der Tagespolitik noch im Landeshaushalt 2015 finden. So beim Thema Ärztemangel, dessen Lösung erklärtes Ziel im Koalitionsvertrag ist. Die aktuelle Situation ist alarmierend. Insbesondere im ländlichen Raum fehlen Hausärzte. Das Gesundheitsministerium hat im Frühjahr 2014 festgestellt, dass in 92 Gemeinden in NRW eine Gefährdung der hausärztlichen Versorgung droht und in 48 weiteren Gemeinden diese Gefährdung zumindest auf mittlere Sicht möglich ist. Es gehen mehr Ärzte in den Ruhestand als nachwachsen. Folgerichtig muss über die Einrichtung einer weiteren medizinischen Fakultät nachgedacht werden. Auch der Numerus Clausus als Regelung für den Studienzugang und die Inhalte des Medizinstudiums müssen überdacht werden. Es ist unerlässlich, für einen ausreichenden medizinischen Nachwuchs zu sorgen, denn immer mehr ältere Menschen werden eine immer höhere Behandlungsintensität benötigen und mit dem medizinischen Fortschritt steigt auch der Bedarf an Gesundheitsleistungen. Allen Notwendigkeiten zum Trotz zeigt sich die Landesregierung gegenüber Vorschlägen zur Problemlösung grundsätzlich resistent. Ob zum Ärztemangel oder zur Schlaganfallversorgung, die CDU hat konzeptionelle Vorschläge zur Optimierung der medizinischen Versorgung vorgelegt, die alle ignoriert wurden.

Es gibt zahlreiche Beispiele für gesundheitspolitische Aufgaben, bei denen aktiv eingegriffen werden müsste. So ist seit einiger Zeit in Teilen der Bevölkerung eine wachsende Impfmüdigkeit und sogar radikale Impfablehnung zu beobachten. Viele Menschen werden durch teilweise obskure Verschwörungstheorien, die vor allem durch das Internet geistern, verunsichert, ob sie ihre Kinder gegen hochansteckende Infektionskrankheiten wie beispielsweise Masern impfen lassen sollen. Es wäre Aufgabe des Ministeriums, die Menschen sachgerecht über die Folgen von unterlassenen Impfungen aufzuklären und entsprechend zu sensibilisieren. Selbstverständlich ist es wichtig, sich um die gesundheitliche Versorgung von Menschen mit Behinderung, Menschen in prekären Lebenslagen und Frauen und Mädchen zu kümmern. Auch ist es das erklärte Ziel der Koalition, dass insbesondere die gesundheitliche Versorgung von Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien verbessert wird¾. Doch diese Ziele können nur in einem insgesamt funktionierenden Gesundheitssystem erreicht werden. Es wird nicht erwartet, dass alle Probleme auf einen Schlag gelöst werden. Aber eine Landesregierung muss Probleme erkennen, auf Entwicklungen reagieren, den Dialog suchen und für Problemlösungen sorgen.

Ambulant vor stationär Es ist nicht ausreichend, auf ausgesuchte Schwerpunkte wie den Nichtraucherschutz oder die Entwicklung von Quartierslösungen für eine älter werdende Gesellschaft zu setzen und alle anderen Belange zu ignorieren. Diese Themen sind ein Beispiel dafür, wie versucht wird, eine ganz eigene Ideologie durchzusetzen. Im Bereich der Pflege konnte durch eine gute überfraktionelle Zusammenarbeit die Richtung des neuen Pflegegesetzes GEPA korrigiert werden. Auch für die CDU gilt der Leitsatz ¾ambulant vor stationär¾, doch darf dies nicht um jeden Preis und über die Köpfe der Menschen und der Kommunen hinweg durchgesetzt werden. In diesem Punkt konnte

sich die CDU mit ihrer Forderung nach einer kommunalen Steuerung durchsetzen. Zukünftig kann der Bedarf stationärer Pflegeplätze von den Kommunen selbst ermittelt werden. Mit diesem Steuerungsinstrument wird auch den regional oft sehr unterschiedlichen Bedarfen Rechnung getragen werden können. Ein Armutszeugnis ist es aber, wenn eine Gesundheitsministerin dann den Bund in die Pflicht nehmen will und Gelder für die Quartiersentwicklung aus der Pflegeversicherung einfordert. Die Aufgabe der medizinischen Versorgung ist wichtiger Bestandteil der Daseinsvorsorge und der Lebensqualität. Jeder ist betroffen und die Diskussion darüber wird sehr emotional geführt. Da reicht es nicht aus, Zahlen und Fakten zu erheben, dann aber wie im Fall des Ärztemangels zu ignorieren. Es bedarf eines intensiven, unvoreingenommenen und ideologiefreien Dialogs aller Beteiligten im Gesundheitswesen, um gemeinsam Konzepte für die Zukunft zu erarbeiten. Die Politik muss sich aktiv beteiligen und die Ergebnisse umsetzen. Sie muss aber auch den Entwicklungen immer schon einen Schritt voraus sein, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Kreative und innovative Ansätze lässt die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin vermissen.

PETER PREUSS

Peter Preuß, 63, ist Rechtsanwalt in Düsseldorf. Er gehört dem Landtag von Nordrhein-Westfalen seit 2005 an. Preuß ist Sprecher der CDU-Landtagsfraktion für Arbeit, Gesundheit und Soziales

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KOLUMNE KOMMENTAR

VERBESSERUNG DER PATIENTENVERSORGUNG DURCH DIGITALE GESUNDHEITSANGEBOTE Liebe Leserinnen und Leser, tragen Sie ein Fitnessarmband? Oder haben sie schon mal mit der App Runtastic Ihre tägliche Joggingstrecke aufgezeichnet? Vielleicht haben Sie auch schon mal eine Zweitmeinung über Dr. Ed eingeholt oder Hautveränderungen durch Klara, einer Hautarzt-App, bewerten lassen. Fest steht: Immer mehr Menschen nutzen onlinebasierte Angebote, um sich fit zu halten oder ihren Gesundheitszustand zu beurteilen. Nicht als Ersatz zum klassischen Arztbesuch, sondern als Ergänzung. Es stimmt: Aus Sicht des Datenschutzes ist vieles sicher fragwürdig, aber jeder bestimmt selbst, was mit seinen Daten passiert. Und bei den digitalen Gesundheitsangeboten ist der Mehrwert offensichtlich sehr hoch. Das machen die Nutzerzahlen deutlich. Auch wenn wir wollten: Diese Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten. Ich persönlich finde es gut, wenn Kreativität ohne Grenzen zu einer besseren Versorgung von Patienten führt und hilft, Kosten im Gesundheitswesen zu sparen. Unser Ziel muss sein, diesen tiefgreifenden Wandel zu gestalten. Neue Angebote müssen hier entstehen. Deutschland hat einen einzigartigen Standortvorteil: Die Herausforderung der alternden Gesellschaft auf der einen Seite, eines der besten Gesundheitssysteme der Welt und

mit der Telematik-Infrastruktur hoffentlich bald ein System, dass es erlaubt, sensible Patientendaten sicher und geschützt zu behandeln. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die digitale Gesundheit zum neuen deutschen Exportschlager wird. Herzliche Grüße

JENS SPAHN

Ihr Jens Spahn“

Jens Spahn, MdB, wurde 1980 in Ahaus geboren. Seine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der WestLB führte ihn auch nach Luxemburg. Der studierte Politikwissenschaftler gehört seit 2002 dem Deutschen Bundestag an. Seit 2009 ist er gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion und stellvertretender Landesvorsitzender des Gesundheitspolitischen Arbeitskreises der CDU Nordrhein-Westfalen. Spahn ist Mitglied im CDU-Präsidium

Impressum

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Herausgeber und Verlag GK Mittelstands Magazin Verlag GmbH Günter F. Kohl Gärtnerkoppel 3 24259 Westensee/ Kiel Tel. 04305-992992 / Fax 04305-992993 E-Mail: gkprkiel@t-online.de

Redaktion Dr. Mathias Höschel Tim A. Küsters redaktion-ampuls@gmx.de

Anzeigenverkauf: Über den Verlag

Druck: UBG Rheinbach

Anzeigenschluss: 20. April 2015

Titelfoto: Clipdealer.de

Am Puls

05 | 2015

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Internet: www.issuu.com/ampuls Satz und Layout: Walter Katofsky, Kiel

Das Magazin am puls erscheint viermal im Jahr jeweils zur Mitte eines Quartals.



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