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Jahrgang 11

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5,00 Euro

MAGAZIN FÜR

POLITIK UND GESUNDHEIT Maria Michalk Qualitätssicherung – eine Einbahnstraße? S. 10

NUR WER SÄT, KANN AUCH ERNTEN

Peter Tauber Die CDU in der GroKo

Was macht die GroKo?

Ingrid Fischbach Impulse für die Pflege S. 14

S. 12


Caring and curing Caring and curing Leben retten und Gesundheit

Leben retten und ist Gesundheit verbessern – das unser Ziel. verbessern – das ist unser Ziel.

Die Entwicklung bahnbrechender neuer Medikamente steht für Novartisbahnbrechender an erster Stelle. neuer Sie schaffen neue Die Entwicklung Medikamente Behandlungsmöglichkeiten für bislang unerfüllte steht für Novartis an erster Stelle. Sie schaffen neue medizinische Bedürfnisse der Patienten Behandlungsmöglichkeiten fürPatienten. bislang unerfüllte und ihre Bedürfnisse können sehrPatienten medizinische Bedürfnisse derjedoch Patienten. unterschiedlich sein. Deshalb bietet Novartis neben und ihre Bedürfnisse können jedoch sehr innovativen Medikamenten auch Möglichkeiten zur unterschiedlich sein. Deshalb bietet Novartis neben Krankheitsvorbeugung sowie Generika an und verbessert innovativen Medikamenten auch Möglichkeiten zur den Zugang zu medizinischer Versorgung. Krankheitsvorbeugung sowie Generika an und verbessert den Zugang zu medizinischer Versorgung.

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EDITORIAL

Bundesgesundheitsministerium wieder in Unionshand Nach 16 Jahren wird das Bundesgesundheitsministerium wieder von einem Unionspolitiker geführt. Zuletzt war dies Horst Seehofer, der das Amt bis zum Jahr 1998 ausübte. Nun wurde mit Hermann Gröhe der langjährige CDU-Generalsekretär in dieses schwierige Ressort berufen. Ihm zur Seite stehen die beiden parlamentarischen Staatssekretärinnen Annette Widmann-Mauz und Ingrid Fischbach. Der frühere NRWGesundheitsminister Karl Josef Laumann wurde ebenfalls nach Berlin berufen. Der bisherige CDU-NRWFraktionsvorsitzende wurde beamteter Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit und dort als Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigter für Pflege verantwortlich sein. Lutz Stroppe, bisher beamteter Staatssekretär im Familienministerium, ist seit dem 07.01.2014 ebenfalls im Leitungsstab des BMG. Neu im Amt ist die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, Bundestagsabgeordnete aus Bayern, die ihre Tätigkeit am 15.01.2014 antrat. Auf die neue Führungsspitze wartet sicherlich viel Arbeit. Gerade im Bereich der Gesundheit gibt es dringende Aufgaben zu erledigen. Die Pflegereform muss weiterentwickelt werden und auch der Krankenhaussektor bedarf sicherlich einer gründlichen

Überarbeitung. Auch die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland erhoffen sich u.a. eine rasche Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und eine verlässliche Vergütung innerhalb des KV-Systems. Letztlich ist es aber wie bei allen anderen neuen Gesundheitsministerinnen und -ministern. Die Liste der Wünsche ist lang und wird mit jedem Tag länger. Da es aber seit vielen Jahren eben nur begrenzte Mittel gibt, wird der neue Gesundheitsminister den Spagat zwischen dem Möglichen und dem Nötigen machen müssen. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, wird das nicht immer einfach sein. Man muss aber auch festhalten, dass man mit dem Beginn der neuen Legislaturperiode einen Luxus vorfand, den bisher noch kein neuer Gesundheitsminister hatte, nämlich ausgeglichene und stabile Finanzen der Krankenkassen und die Tatsache, nicht gleich mit einem Kostendämpfungsgesetz starten zu müssen. Dies war und ist Ergebnis der Gesundheitspolitik der letzten vier Jahre und daran haben gerade die CDU-Politikerinnen und -Politiker um den Gesundheitspolitischen Sprecher Jens Spahn einen großen Anteil gehabt. Solide Finanzen und eine verantwortungsvolle zukunftsorientierte Gesundheitspolitik muss auch in den kommenden Jahren das oberste Ziel sein.

Dr. Mathias Höschel und Frank Rudolph, Herausgeber

INHALT 4

Seltene Erkrankungen Vier Millionen Menschen in Deutschland leiden unter „Seltenen Erkrankungen“. Christoph Nachtigäller setzt sich für die Erkrankten ein

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Organspende Zwei junge Frauen, Annika Auer und Anna Barbara Sum, sind die Köpfe des Vereins „Junge Helden e.V.“, der für eine offene und vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit der Organspende eintritt

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Novellierung der GOÄ Bis Ende 2014 wollen die Bundesärztekammer und der PKV-Verband der Bundesregierung einen gemeinsamen Gesamtentwurf der GOÄ-neu vorlegen

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Qualitätssicherung Maria Michalk, Obfrau der Union im Bundestags-Gesundheitsausschuss, erläutert, was im Koalitionsvertrag zur Qualitätssicherung im Gesundheitswesen steht

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Die CDU und die GroKo Der neue CDU-Generalsekretär Peter Tauber äußert sich in einem Namensartikel zu den Vorstellungen und Erwartungen im Zusammenhang mit der Koalition aus Union und SPD

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Die neue Pflegelandschaft In Sachen Pflegereform hat die neue Koalition Großes vor. Die neue Parlam. Staatssekretärin Ingrid Fischbach erläutert die wichtigsten Punkte

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Europawahl 2014 Nach der Aufhebung der Drei-Prozent-Klausel in Deutschland sorgen sich die Europapolitiker um eine Zunahme von Abgeordneten aus antieuropäischen Parteien im EP, schreibt HansGert Pöttering

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Inklusion Unser Autor Uwe Schummer macht sich Gedanken, wie man den sperrigen Begriff der Inklusion mit Leben erfüllen kann

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AOK-Krankenhausreport 2014 Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat empört auf den AOK-Report reagiert und fordert eine Entschuldigung

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BASYS-Studie Die Pharmazeutische Industrie Bayerns ist mit ihren 24.000 Mitarbeitern eine Schlüsselbranche des 21. Jahrhunderts

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Kommentar Jens Spahn erläutert die Pläne der Koalition zur Palliativversorgung

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Impressum

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Foto: Sebastian Karkus/ pixelio.de

SELTENE ERKRANKUNGEN land dar. Jetzt sind die 52 beschriebenen Maßnahmen aber auch umzusetzen. Da der Plan kein eigenes Budget und viele verschiedene Verantwortliche hat, ruft die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) zum Tag der Seltenen Erkrankungen alle, die auf das Gelingen dieses Plans Einfluss nehmen können, dazu auf sich gemeinsam für eine bessere Versorgung stark zu machen. Einige konkrete Beispiele, wo die Politik, Selbstverwaltung und andere Akteure im Kurzen Fortschritte erreichen könnten, werden hier aufgeführt. 3-stufige Zentrumstruktur

Etwa vier Millionen Menschen sind in Deutschland von Seltenen Erkrankungen betroffen

Gemeinsam für eine bessere Versorgung … war das Motto 2014 des Tages der Seltenen Erkrankungen

Am letzten Tag im Februar machen Menschen, die mit einer Seltenen Erkrankung leben, alljährlich auf ihre Lebenssituation aufmerksam. Betroffene suchen oft jahrelang nach der richtigen Diagnose, es gibt nicht genügend gute Informationen und nur sehr wenige Behandlungsmöglichkeiten, zudem wird zu wenig geforscht. Gemeinsame Anstrengungen für eine bessere Versorgung werden deshalb unbedingt gebraucht. Im

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August 2013 wurde der Nationale Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen der Öffentlichkeit vorgestellt und von der Bundesregierung zustimmend zur Kenntnis genommen. Dieser Plan wurde von 28 wichtigen Akteuren des deutschen Gesundheitswesens in einem zweijährigen Arbeitsprozess aufgestellt. Der Plan findet breite Unterstützung bei allen Beteiligten und stellt einen großen Fortschritt für die etwa 4 Millionen Betroffenen in Deutsch-

Eine qualitativ hochwertige Versorgung braucht interdisziplinär arbeitende Zentren und eine gute Vernetzung zwischen den verschiedenen Behandlern. Die im Nationalen Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE) entwickelte dreistufige Zentrumstruktur, der meist örtlichen „Kooperationszentren“, eher regionalen „Fachzentren“ und überregionale meist an Universitätskliniken angesiedelte „Referenzzentren“ sollte so schnell wie möglich im bestehenden Finanzierungssystem abgebildet und im Gesundheitssystem etabliert werden. Vertreter der Leistungserbringer und der Kostenträger sind zurzeit unter Beteiligung der Patientenseite in konstruktiven Verhandlungen. Eine Arbeitsgruppe im NAMSE erarbeitet zeitgleich operationalisierte Qualitätskriterien und entwickelt ein Anerkennungsverfahren. Dieses Prozedere muss unbedingt schneller ablaufen als die parallel stattfindende Erarbeitung der neuen Konkretisierungen nach § 116b SGB V. Die spezialärztliche Versorgung ist eine der wichtigsten Möglichkeiten, eine qualitativ hochwertige Zentrumstruktur zu etablieren. Seit der Verabschiedung des neuen § 116b liegt


SELTENE ERKRANKUNGEN allerdings erst eine Konkretisierung vor. Die Betroffenen dieser schwerwiegenden, regelmäßig progredienten und oft lebensverkürzenden Erkrankungen haben keine Zeit zu verlieren! Den Weg zur Diagnose verkürzen Der Weg zur Diagnose ist für die Betroffenen oft eine Odyssee, die Suche dauert vielfach mehrere Jahre. Erst nach Erhalt einer Diagnose sind jedoch eine zielgerichtete Behandlung sowie eine Krankheitsbewältigung möglich. Auch können die Patienten nur mit einer gesicherten Diagnose Teil der Forschung sein. Im „Handlungsfeld Diagnose“ führt der Nationale Aktionsplan wichtige Maßnahmen auf, die diesen Leidensweg der Betroffenen verkürzen sollen: Forschung nach den Ursachen der Verzögerungen auf dem Diagnoseweg, Entwicklung von technischen Hilfsmitteln – Datenbanken, bessere Praxissoftware, ein webbasiertes Diagnosetool – sowie die bessere Nutzung der neuen Verfahren der Genomanalyse (Next Generation Sequencing – NGS). Diejenigen, die über die Erstattung bzw. Finanzierung dieser Maßnahmen entscheiden, können große Fortschritte für die Betroffenen Menschen anstoßen. Behandler und Betroffene brauchen bessere Informationen und Beratung Zu vielen Fragen der Seltenen – Wie wird die Erkrankung verlaufen? Gibt es eine Behandlung? Wer ist Experte für meine Erkrankung? – gibt es wenige Informationen und keine befriedigenden Antworten. Deshalb sind aus Sicht der ACHSE die verschiedenen vom NAMSE vorgeschlagen Maßnahmen zur Verbesserung der Informationen zwar sehr begrüßenswert (z. B. Entwick-

Im August 2013 wurde der Nationale Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen der Öffentlichkeit vorgestellt und von der Bundesregierung zustimmend zur Kenntnis genommen. Dieser Plan wurde von 28 wichtigen Akteuren des deutschen Gesundheitswesens in einem zweijährigen Arbeitsprozess aufgestellt. lung eines Informationsportals, Stärkung der Fortbildung von Ärzten), was aber fehlt, ist ein so enorm bedeutendes zentrales Beratungstelefon. Wenn Menschen jahrelang nach einer Diagnose suchen oder eine niederschmetternde Diagnose gerade erfahren haben, bietet ihnen ein Informationsportal nicht die Hilfe und Empathie, die sie in dieser Lebenslage brauchen. Um die vorhandenen Informationen und offenen Fragen zu sortieren und zu entscheiden, was jetzt als nächstes zu tun ist – Zu welchem Arzt soll ich gehen um eine Diagnose zu finden? Wie wird mein Leben oder das Leben meines Kindes sich durch diese Erkrankung ändern? – brauchen die Betroffenen einen Ansprechpartner, den sie in der Regel nicht in der Klinik oder bei ihrem Arzt erhalten. Informationen im Internet werden dieses Bedürfnis niemals befriedigen können. Die Betroffenen- und Angehörigenberatung der ACHSE bietet eine solche Beratung seit 2006 an. Dieses Angebot wird ausschließlich mit Spenden finanziert. Die Nachhaltigkeit ist nicht gesichert. Stärkung der Selbsthilfe Die Selbsthilfe steht den Betroffenen im Alltag zur Seite. Bei fast allen 52 Maßnahmen soll die Selbsthilfe der Seltenen sich außerdem struk-

turell und inhaltlich beteiligen. Die enorme Arbeit der Selbsthilfe kann nicht ohne finanzielle Unterstützung geleistet werden. Die Selbsthilfeförderung soll deshalb verstärkt als Strukturförderung verfügbar gemacht werden. Die stetig neue Entwicklung von vielen verschiedenen Projekten, um Finanzierung für die ständig anfallenden Aufgaben zu erhalten, ist insbesondere für die kleineren Selbsthilfeorganisationen zermürbend und unproduktiv. Info: www.rarediseaseday.eu

CHRISTOPH NACHTIGÄLLER

Christoph Nachtigäller ist seit 2008 Vorstandsvorsitzender der ACHSE, der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen e.V. Als Mitbegründer des Arbeitskreises Seltene Erkrankungen innerhalb der BAG SELBSTHILFE ist Nachtigäller bereits Mitinitiator der ACHSE. Während seiner Tätigkeit bei der BAG SELBSTHILFE als Bundesgeschäftsführer platzierte Nachtigäller jahrzehntelang Anliegen, Erfahrungen und Kenntnisse der Selbsthilfe in den Gremien des Gesundheitswesens. Auf diese Weise gestaltete er die Gesundheitspolitik aktiv mit: Ein wichtiger Erfolg für Menschen mit Behinderungen ist u.a. die strukturierte Patientenbeteiligung im Gesundheitswesen und die Ergänzung von Artikel 3 des Grundgesetzes: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Nachtigäller ist als Vorsitzender der ACHSE maßgeblich an der Erarbeitung des ersten Nationalen Aktionsplans für Seltene Erkrankungen beteiligt, der im August 2013 durch das Bundesgesundheitsministerium, das Bundesforschungsministerium und ACHSE vorgestellt wurde

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Foto: Oliver Rath

ORGANSPENDE

Das Team der Jungen Helden

TRENDWENDE THEMA „ORGANSPENDE“ Über die Zukunft der Organspende „Wir möchten erreichen, dass Menschen sich ehrlich mit dem Thema auseinandersetzen.“ So beschrieb Claudia Kotter, die Gründerin von Junge Helden e.V., das Ziel und die Motivation unseres Vereins. Als sie vor zehn Jahren selbst mit der Frage nach einer möglichen Organspende konfrontiert wurde, merkte sie schnell, dass sie und ihr Umfeld nicht genügend darüber wussten. Zudem war es schwerer als gedacht, an Informationen zu gelangen, die für eine erste Auseinandersetzung mit dem Thema geeignet waren und die weder zu sehr gegen noch zu sehr für Organspende warben.

Durch die nähere Auseinandersetzung mit diesen Themen wurde innerhalb unseres Freundeskreises schnell klar, dass wir diese Informationslücke schließen wollen. Wir beschlossen, einen eigenen Verein zur Aufklärung insbesondere

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von jungen Menschen zu gründen: Junge Helden war geboren. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, über Organspende aufzuklären und Informationen zum Thema bereitzustellen – und zwar auf eine positive Weise, ohne Betroffenheitspathos. Wir wollen das Thema von einer lebensbejahenden Seite beleuchten, indem wir die Menschen aus einer passiven Haltung ins aktive Handeln führen. Daher finden unsere Aufklärungsaktionen dort statt, wo Leben ist: auf Partys und Festivals, auf Sportveranstaltungen und Podiumsdiskussionen, in Schulen und an Universitäten.

Spende – ja oder nein? Dabei legen wir unserer Arbeit immer das Motto „Entscheidend ist die Entscheidung“ zugrunde. Unser Ziel ist es also, dass sich mit unserer Hilfe möglichst viele

Menschen die Frage beantworten können: Möchte ich meine Organe spenden oder nicht? Dabei ist ein „nein“ am Ende des Entscheidungsprozesses genauso wichtig wie ein „ja“. Junge Helden e.V. gibt den Anstoß, auf der Basis von Wissen eine individuelle Entscheidung zu treffen und diese zu dokumentieren. Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass die Menschen Organspende grundsätzlich gut finden und sich durchaus vorstellen können, ihre eigenen Organe zu spenden. Aber einen Organspendeausweis ausgefüllt haben nur die wenigsten. Woran liegt das? Es gibt einen ganz pragmatischen Grund. Viele Menschen werden im Alltag zu wenig mit dem Thema Organspende konfrontiert. Die Beschaffung des Ausweises ist dann eine zusätzliche Hürde. Dabei wissen die wenigsten, dass man seine Entscheidung auch auf einem einfachen Zettel vermerken kann. Am besten ist es, seine Angehörigen über seine Entscheidung zu informieren, damit diese im Falle des eigenen Ablebens eine Entscheidung nach dem persönlichen Wunsch und Willen des Verstorbenen treffen können. Ein weiterer Grund für


ORGANSPENDE

Die Entscheidungslösung All dem wollen wir entgegentreten und das Thema Organspende unverkrampft auf die Bühne der öffentlichen Wahrnehmung heben. Uns geht es darum, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Ein Held ist damit für uns jeder, der den Mut hat, sich mit seinem eigenen Ende auseinanderzusetzen und eine persönliche Entscheidung für oder gegen Organspende zu treffen. Wir sind uns jedoch bewusst, dass es mehr braucht als uns, um die Organspendezahlen langfristig und nachhaltig zu erhöhen. Das wissen natürlich auch die politischen Entscheidungsträger. Durch die Gesetzesänderung zur „Entscheidungslösung“, die am 01.11.2012 in Deutschland in Kraft getreten ist, sind die Krankenversicherungen dazu verpflichtet, alle Versicherten, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, in regelmäßigen Abständen über Organspende zu informieren. Die Versicherer versenden Informationsmaterialien und Organspendeausweise an ihre Mitglieder und fordern dazu auf, eine Entscheidung zur Organ- und Gewebespende zu treffen. Ob sich diese Gesetzesänderung positiv auf die Organspenden auswirkt, lässt sich noch nicht sagen. Negativ hat sich aber mit Sicherheit der sogenannte “Transplantationsskandal“ aus dem Jahr 2012 auf die Zahl der Organspender ausgewirkt, bei dem mehrere Ärzte aus Transplantationskliniken in Deutschland, Patienten-Akten manipuliert haben, um bestimmten Patienten eine schnellere Transplantation zu ermöglichen.

Zugegeben – bei der Auseinandersetzung mit der Organspende kommen wie bei jedem komplexen Thema viele unterschiedliche Fragen auf. Sicherlich gibt es einige Punkte, mit denen man sich lieber nicht auseinandersetzen will und deren Klärung man lieber verschiebt. Aber auf wann?

Transplantationsbeauftragte Will man die Zahl der Organspenden wieder erhöhen, muss man sich fragen, woran ein derartiger Rückgang liegen könnte. Offensichtlich hängt der Transplantationsskandal damit zusammen, der das Vertrauen in das System der Organvergabe massiv erschüttert hat. Aber sind es wirklich nur die potentiellen Organspender bzw. ihre Angehörigen, die sich aus Angst vor Missbrauch gegen eine Organspende entscheiden?

ANNIKA AUER

Annika Auer, 33, Gründungsmitglied von Junge Helden e.V., unterstützt den Verein seit 2003. Sie ist verantwortlich insbesondere für die Bereiche Öffentlichkeitsarbeit und Projektmanagement

Wir denken, man sollte sich auch mit den nicht ganz so leichten Dingen im Leben lieber heute als morgen auseinandersetzen. Oder um es mit Claudia Kotters Worten zu sagen: „Das Leben findet jetzt statt, man kann es nicht verschieben.“ Beide Fotos: kikephotography

die mangelnde Auseinandersetzung mit einer möglichen Organspende ist die Vermeidung der Themen Krankheit und Tod.

Der Präsident von Eurotransplant und Leiter der Transplantationsmedizin am Klinikum Großhadern, Bruno Meiser, sieht die Gründe dafür bei einer anderen Gruppe, nämlich den Ärzten. Er schildert, dass die für die Organspende nötigen Spendermeldungen der Kliniken deutlich gesunken seien: „So hatte die Zahl der Spendermeldungen in den vergangenen Jahren noch stabil bei fast 1900 pro Jahr gelegen; 2012 gab es dann aber bereits einen ersten großen Einbruch, 2013 sank die Zahl dann um ganze 14 Prozent auf 1370 ab.“ Die Zustimmungsquote der Angehörigen aber sei bei 60 Prozent geblieben wie in den Jahren zuvor. Als Konsequenz daraus fordert er den Einsatz von Transplantationsbeauftragten in den Kliniken, die die Ärzte entlasten und sich für die Organspende bei den Angehörigen einsetzen.

Erschreckender Rückgang Am 15. Januar diesen Jahres gab die DSO eine Pressemitteilung heraus, deren Inhalt erschreckend ist: “Die Zahl der Organspender ist bundesweit um 16,3 Prozent von 1.046 Spender in 2012 auf lediglich 876 gesunken. Dies entspricht einem Durchschnitt von 10,9 Spendern pro eine Million Einwohner, in 2012 waren es noch 12,8 Spender pro eine Million Einwohner. Die Summe der gespendeten Organe sank von 3.511 im Jahr 2012 auf 3.034 in 2013 (-13,6 Prozent). Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 3.247 Spenderorgane aus dem Eurotransplant-Verbund in Deutschland transplantiert, im Jahr 2012 waren es noch 3.706.” Zwar sind die Zahlen noch vorläufig, vergleichsweise niedrig werden sie aber bleiben.

ANNA BARBARA SUM

Anna Barbara Sum, 29, ist seit 2004 bei Junge Helden e.V. Sie hilft bei verschiedenen Projekten mit und ist verantwortlich für die Internetseite des Vereines: www.junge-helden.org

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Bundesärztekammer und PKV-Verband einigen sich auf gemeinsames Konzept

Novellierung der GOÄ

Die aus dem Amt geschiedene schwarzgelbe Bundesregierung hatte sich in ihrem Koalitionsvertrag „Wachstum. Bildung. Zusammenhalt.“ vom 26. Oktober 2009 noch darauf verständigt, die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) an den aktuellen Stand der Wissenschaft anzupassen und dabei die Kostenentwicklungen zu berücksichtigen. Diese Bundesregierung hat dann die Novellierung der GOÄ hinter die Novellierung der zum 01.01.2012 abgeschlossenen Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) zurückgestellt, und eine vorherige Einigung zwischen der Bundesärztekammer und dem Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) auf ein gemeinsames Konzept zur Voraussetzung einer Novellierung der GOÄ gemacht. Nachdem die Einigungsversuche zwischen der Bundesärztekammer und dem PKV-Verband im Jahr 2012 noch ohne Erfolg geblieben waren, hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) erklärt, dass die Inkraftsetzung einer neuen GOÄ bis zum Ende der 17. Legislaturperiode im Jahr 2013 nicht mehr möglich sei. Zugleich hat das BMG seine Aufforderung an die Bundesärztekammer und den PKV-Verband zur Einigung auf einen gemeinsamen Masterplan für die GOÄ-Novellierung erneuert und bekräftigt. Dieser Aufgabe sind beide Institutionen mit der Ratifizierung ihrer Rahmenvereinbarung zur Novellierung der GOÄ am 11. November 2013 nun gerecht geworden. Die Rahmenvereinbarung umfasst im Wesentlichen folgende Inhalte:

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0 das Ziel einer umfassenden Novellierung der GOÄ in 2014 und deren anschließende stetige Weiterentwicklung und Pflege in einer den Verordnungsgeber unterstützenden gemeinsamen Gremien- und Beschlussstruktur auf Selbstverwaltungsebene unter gleichberechtigter Einbeziehung der Beihilfe auf Kostenträgerseite, 0 die für die Novellierung und künftige Weiterentwicklung der GOÄ notwendige gemeinsame Datenhaltung und Analyse, 0 die Einigung auf die Grundsätze des Bewertungsverfahrens und die Nutzung des Entwurfes des Gebührenverzeichnisses GOÄneu der Bundesärztekammer als Basis für die Entwicklung einer von beiden Seiten getragenen „Integrationsversion“ der GOÄ neu, 0 die Einigung über die Anwendung und Weiterentwicklung wesentlicher Stellgrößen für die Abrechnung und Interpretation der GOÄ neu (z. B. Instrumente der Analogbewertung und des Gebührenrahmens, wahlärztliche Leistungen im Krankenhaus, Erprobung neuer Versorgungselemente) sowie 0 die Einigung auf gemeinsame Maßnahmen zur Stärkung der Qualität in der privatärztlichen Versorgung Die Novellierung der GOÄ und deren anschließende kontinuierliche Weiterentwicklung und Pflege soll nach gemeinsamer Ansicht der Vereinbarungspartner folgenden Zielen dienen:

Ablösung der in Teilen 31 Jahre alten GOÄ (letzte Teilrevision 1996, letzte Gesamtrevision 1982) durch eine moderne, dem aktuellen Stand der medizinischen Versorgung entsprechende Gebührenordnung 0 Stärkung der Transparenz, Abrechnungssicherheit und Verständlichkeit der GOÄ 0 Kontinuierliche Weiterentwicklung und Pflege, damit Innovationen künftig frühzeitig aufgenommen werden und 0 Gewährleistung eines fairen und angemessenen, inhaltlich, medizinisch und ökonomisch plausiblen Interessenausgleiches zwischen den Betroffenen unter Erhaltung der in § 11 Satz 3 BÄO festgeschriebenen Doppelschutzfunktion für Patienten und Ärzte: 0 keine ökonomische Überforderung der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten 0 angemessene Vergütung der ärztlichen Leistungen. Zur Umsetzung ihrer Vereinbarung wollen die Bundesärztekammer und der PKVVerband unter gleichberechtigter Einbeziehung der Beihilfe auf der Kostenträgerseite eine „Gemeinsame Kommission zur Pflege und Weiterentwicklung der GOÄ“ mit Gastrecht für das BMG und die Bundesländer mit einer gemeinsamen Datenstelle gründen. Die noch gesetzlich zu fundierende Kommission soll sich die Weiterentwicklung und Pflege der ärztlichen Gebührenordnung zur kontinuierlichen Aufgabe machen und dem in der Letztverantwortung für den Erlass von Vorgaben zur GOÄ bleibenden BMG bzw. Gesetz- und Verordnungsgeber diesbezügliche Empfehlungen geben (Abbildung). Die Kommis-

Foto: Petra Bock/ pixelio.de

NOVELLIERUNG DER GOÄ


NOVELLIERUNG DER GOÄ sion soll ihre Beschlüsse einvernehmlich fassen. Im Falle der Uneinigkeit sehen die Vereinbarungspartner die Option eines Vermittlungsverfahrens beim BMG sowie

Abbildung: Von Bundesärztekammer und PKV-Verband geplante Selbstverwaltungslösung für die Weiterentwicklung und Pflege der GOÄ

Allergologie Allgemeine Laboruntersuchungen Anti-Aging Arbeitsmedizin Erbkrankheiten/Humangenetik Individuelle Gesundheitsleistungen Patientenschulungen Umweltmedizin

den Letztentscheid durch das BMG als Lösung an. Unerwünschte bzw. unbegründete Honorarentwicklungen – ob nach oben oder nach unten – sollen insbesondere in der auf 36 Monate angelegten Einführungsphase der neuen GOÄ durch ein vereinbartes Monitoring auf Basis eines gemeinsamen Regelwerks vorabgestimmter Wenn-Dann-Analysen der geplanten gemeinsamen Datenstelle frühzeitig identifiziert und korrigiert werden.

gemeinsamen Gesamtentwurf der GOÄneu inklusive eines vollständig überarbeiteten Gebührenverzeichnisses vorzulegen.

Die Vereinbarungspartner haben sich zum Ziel gesetzt, der Bundesregierung möglichst bis zum Ende des Jahres 2014 einen

Die Bundesärztekammer und der PKVVerband sind sich sicher, mit der vorliegenden Vereinbarung die geeigneten Voraussetzungen für eine in einem fairen Interessenausgleich stattfindende Novellierung der GOÄ geschaffen zu haben. Sie haben sich daher gemeinsam an die politisch Verantwortlichen der neuen Bundesregierung mit der dringenden Bitte gewandt, die Novellierung der GOÄ auf die Regierungsagenda zu setzen und mit Priorität zu behandeln.

DR. BIRGIT KÖNIG

DR. BERNHARD ROCHEL

Dr. Birgit König, Jahrgang 1964, ist promovierte Biochemikerin. Seit 2012 ist sie Vorsitzende des Vorstands der Allianz Private Krankenversicherung AG und seit Mitte 2012 auch Mitglied des Vorstands der Allianz Deutschland AG

Dr. Bernhard Rochel, Jahrgang 1966, ist seit Januar 2012 Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer. Stationen führten ihn als Unfallchirurgen an das UK Münster und zur kassenärztlichen Bundesvereinigung

Labor

Diagnostik

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Foto: CDU Deutschlands

QUALITÄTSSICHERUNG

QUALITÄTSSICHERUNG – EINE EINBAHNSTRASSE? Der Koalitionsvertrag stellt höchste Anforderungen an Qualität und Personal im Gesundheitswesen

Erst zum Zeitpunkt einer eingetretenen Erkrankung begreifen wir Menschen ernsthaft, was uns fehlt und welchen herausgehobenen Wert Gesundheit für unser Dasein hat. Der gesunde Mensch nimmt die Gesundheit als Selbstverständlichkeit wahr. Anders ist manche Missachtung einer gesunden Lebensführung nicht zu erklären. Im Falle einer Erkrankung aber erwartet jeder eine sofortige und allumfassende medizinische Hilfe und damit eine schnelle Genesung. Nicht zuletzt aus dieser Lebenseinstellung ergibt sich einerseits die Notwendigkeit, sich in Zeiten der Gesundheit mit ihr auseinander zu setzen und Vorsorge in jeder Hinsicht zu treffen. Das schließt die gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung ebenso ein, wie die Vorsorge in Form von Vorsorgeuntersuchungen und letztlich auch die Patientenverfügung.

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Mehr Eigenverantwortung gefragt Jeder kann und sollte selbst sehr viel für seine eigene Gesundheit tun. Andererseits ist oftmals bei guter Gesundheit die Einstellung und der Glaube daran, dass bei Verlust oder Einschränkung der Gesundheit das Leben weiter lebenswert bleibt, nicht immer vorhanden. Hieraus erwächst oftmals Angst. Sie aber ist gerade im Gesundheitsprozess nicht hilfreich. Sie ist auch nicht begründet, weil in all den Jahren ein Gesundheitswesen in Deutschland aufgebaut wurde, das seinesgleichen sucht. Die optimale Versorgung mit Medikamenten oder Heil- und Hilfsmitteln, die Nutzung modernster Operationsmethoden für jedermann, ein flächendeckendes Netz von Haus- und Fachärzten und vieles mehr garan-

tieren eine qualitative medizinische Versorgung. Wesentlich bleibt dabei in jedem Lebensalter die Einstellung zur und der eigene Umgang mit der Gesundheit. Das ist der wichtigste Ansatz für gute Qualität in der Gesundheitsversorgung. Arzt-Patientenverhältnis wichtig Damit Heilung oder Stabilität des Gesundheitszustandes gelingt, ist ein gutes, offenes und vertrauensvolles Arzt-Patientenverhältnis wichtig. Allein dieser Fakt garantiert eine qualitativ hochwertige Behandlung und Versorgung. Natürlich gibt es für dieses Verhältnis aufgeschriebene Empfehlungen, Leitlinien für eine hohe Qualität dieses Prozesses. Leisten und leben müssen es aber Arzt und Patient jedes Mal aufs neue, bei


QUALITÄTSSICHERUNG jedem Behandlungs- oder Begegnungstermin. Diese grundsätzliche Betrachtung macht schon deutlich, dass Qualität im Gesundheitswesen niemals eine einseitige Betrachtung sein kann. Qualitätsoffensive Der Koalitionsvertrag stellt höchste Anforderungen an Qualität und Personal im Gesundheitswesen. Auch die Unterrichtung durch die Bundesregierung zum Jahreswirtschaftsbericht 2014 (BT-Drs. 18/495) geht auf Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Gesundheitsversorgung ein. Es wird eine Qualitätsoffensive in der stationären Versorgung angekündigt. In diesem Kontext steht auch die Ankündigung im Koalitionsvertrag, dass die Bundesländer bei der Weiterentwicklung der Krankenhausplanung von einer standortbasierten hin zu einer erreichbarkeitsorientierten Versorgungsplanung unterstützt werden sollen. Klinikkapazitäten sind stärker an die Qualität zu koppeln, was mit einer sektorübergreifenden Bedarfsplanung besser gelingt als bei einer separaten Betrachtung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Neue Qualitätsparameter Und noch ein weiterer Aspekt zeigt auf, dass Qualität im Versorgungsmanagement eingefordert wird und weiter ausgebaut werden muss. Seit zwölf Jahren wird mit Hilfe von strukturierten Behandlungsprogrammen die Versorgung chronisch Kranker nachhaltig verbessert. Die DMP helfen, Über-, Unter- und Fehlversorgung abzubauen. Sie werden bisher bei sieben sogenannten Volkskrankheiten angewandt. Der Koalitionsvertrag sieht die Entwicklung von zwei neuen Programmen für Rückenleiden und Depressionen vor, denn Untersuchungen zeigen, dass DMP-Teilnehmer eine höhere Lebensqualität und Lebenserwar-

Die optimale Versorgung mit Medikamenten oder Heil- und Hilfsmitteln, die Nutzung modernster Operationsmethoden für jedermann, ein flächendeckendes Netz von Haus- und Fachärzten und vieles mehr garantieren eine qualitative medizinische Versorgung. tung haben. Deshalb lohnt es, diese Programme noch besser zu evaluieren und kontinuierlich weiter zu entwickeln. Auch in der Versorgung pflegebedürftiger Menschen spielt dies seit Jahren sowohl in der stationären, als auch in der häuslichen Pflege eine große Rolle. Trotzdem werden aktuell neue Qualitätsparameter diskutiert. Und nicht zuletzt ist auch die Weiterentwicklung der Qualitätssicherung in der medizinischen Rehabilitation notwendig. Sind die bisher genutzten Instrumente, z. B. Fragebögen, dem aktuellen Wissensstand angepasst? Gerade in diesem Bereich ist leicht erkennbar, dass Qualitätssicherung mit Gesundheitsbildung einhergeht. Das neue Qualitätsinstitut Die besten Lösungen für die Patienten zu finden und trotzdem den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gerecht zu werden ist ein sehr hoher Anspruch. Nur wenn sich gute Qualität auch auszahlt, wird sie sich durchsetzen. Die vorhandenen gesetzlichen Regelungen und Richtlinien zur Qualitätssicherung sollen künftig im neuen eigenständigen Qualitätsinstitut münden. Die Dauerhaftigkeit des Ansatzes ersetzt die regelmäßigen, neuen Ausschreibungen im bisherigen Prozess und garantiert allein schon dadurch mehr Kontinuität. Das Institut ermittelt unabhängig und Sektor übergreifend die Qualität der ambulanten und stationä-

ren Versorgung und liefert somit dem Gemeinsamen Bundesausschuss Entscheidungsgrundlagen. Krankenkassen werden verpflichtet, dem Institut geeignete pseudonymisierte Routinedaten zur Verfügung zu stellen. Die vom Institut gesammelten Daten werden ausgewertet und einrichtungsbezogen veröffentlicht. Eine Vergleichsliste der Qualitätsberichte der Krankenhäuser wird letztlich Patienten in ihrem Recht stärken, sich für eine Einrichtung zu entscheiden, und das vor allem auch dadurch, dass ausdrücklich im Gesetz festgeschrieben werden soll, die Veröffentlichung in einer für die Allgemeinheit verständlichen Form im Internet zu organisieren. Das Institut hat ferner die Aufgabe, Kriterien zur Bewertung von in der ambulanten und stationären Versorgung verbreiteten Zertifikaten und Qualitätssiegeln zu entwickeln.

MARIA MICHALK

Maria Michalk, Jahrgang 1949, ist verheiratet und hat drei Kinder. Sie gehörte dem Deutschen Bundestag von 19901994 und wieder seit 2002 an. Michalk ist Obfrau der CDU/CSU-Fraktion im Gesundheitsausschuss

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Foto: CDU/Tobias Koch/tokography.com

GROSSE KOALITION

Die CDU will den Erfolg dieser Koalition – und keinen „Rosenkrieg“

Die CDU in der großen Koalition „GroKo“ – im Dezember 2013 wurde der Begriff von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres gekürt. Begründung: Das Wort zeige in seinem Anklang an „Kroko“ beziehungsweise „Krokodil“ eine halb spöttische Haltung gegenüber der sehr wahrscheinlichen Koalition. Ob die Deutschen der Koalitionsvariante „GroKo“ tatsächlich mit Spott begegnen, darf angezweifelt werden. In Umfragen wird das Modell der Großen Koalition sehr häufig für gut und wünschenswert befunden. Denn die Bürger versprechen sich von ihr Stabilität, Berechenbarkeit und das gemeinschaftliche Lösen der entscheidenden Probleme. Das war in der letzten Großen Koalition vor allem eines: Die Finanz- und Wirtschaftskrise. Und hier schaffte die Große Koalition Sicherheit in einer Situation, die von Ängsten geprägt war. Und die unionsgeführten Regierungen nahmen die richtigen Weichenstellungen vor.

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Die Volkspartei lebt

Rekordbeschäftigung, Wachstumsmotor in Europa, Einkommenszuwächse – Deutschland steht heute besser da als vor der Finanz- und Wirtschaftskrise. Daran haben viele Anteil – auch unser früherer Koalitionspartner FDP, die leider nicht im aktuellen Bundestag vertreten ist. 41,5 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben am 22. September 2013 die Union gewählt. Das ist für eine Volkspartei ein großer Erfolg. 7,7 Prozentpunkte hinzugewonnen – ein Zuwachs, der seit 1953 unerreicht geblieben war. 236 von 299 Direktmandaten gewonnen – ein starkes Zeichen für die regionale Verwurzelung. Stärkste Kraft auf dem Land und in den Städten, bei Frauen und Männern, Jung und Alt, in allen gesellschaftlichen Gruppen bis auf die Gruppe der Arbeitslosen. Noch bis zum Wahlsonntag um 17:59 Uhr galt für Kommentatoren: Die Volksparteien sind tot. Politikwissenschaftler schrieben zum Beispiel nach der Bundestagswahl 2009: „Objektiv betrachtet gibt es für Union und

SPD keine Chance, das Ziel 40 Prozent plus x zu erreichen.“ [Franz Walter, Frankfurter Rundschau, 29.09.2009]

Union steht für Gemeinwohl

Für die Union erwächst aus diesem Erfolg der Auftrag, als Partei – und damit auch als gesellschaftliche Organisation – für möglichst viele Menschen attraktiv zu bleiben. Es ist der Auftrag, in einem sich permanent verändernden Umfeld; in einer „bunteren“ Gesellschaft integrierend zu wirken. Volkspartei – und „Union“ – zu sein heißt, sich nicht an die eine oder andere Gruppe zu wenden, nicht für dieses oder jenes Interesse zu stehen. Nein, die „Union“ steht für das Gemeinwohl, den Ausgleich der Interessen und kümmert sich um die Menschen. Der Mensch steht im Mittelpunkt. Tatsächlich den politischen Handlungsauftrag wahrzunehmen bedeutet für die CDU, auf Basis der Grundwerte, gesellschaftliche Veränderungen und neue Herausforderungen zu identifizieren und Antworten zu formulieren. Das ist auch Maßstab für das Regie-


GROSSE KOALITION

Erstens: Wir müssen Europa weiter stärken und den Euro sichern. Wir sind gut vorangekommen, aber es liegt noch eine ordentliche Wegstrecke vor uns, um die europäische Staatsschuldenkrise zu bewältigen. Wir brauchen in den betroffenen Ländern Reformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit – sonst greifen auch die Hilfsprogramme nicht. Dafür werden wir auch im anstehenden Europawahlkampf eintreten. Zweitens: Wir müssen den Wirtschaftsstandort Deutschland zukunftsfest machen. Das heißt zunächst, dass wir die Erfolge des starken Mittelstands und der Industrie nicht durch falsche Maßnahmen gefährden. Deshalb bleibt es dabei: Mit der CDU gibt es keine Steuererhöhungen! Es wird allzu leicht vergessen, dass unser Koalitionspartner bei der Bundestagswahl mit einem Steuererhöhungsprogramm angetreten ist: Die Einkommensteuer, die Erbschaftsteuer und die Abgeltungsteuer wollte die SPD erhöhen. Die Vermögensteuer wieder einführen. Das Ehegatten-Splitting abschaffen. Das wird es nicht geben. Die CDU bleibt der Garant für ein wirtschaftlich starkes Land – und damit auch für gute Arbeitsplätze. Drittens: Ich bin aber auch überzeugt, dass die CDU in den kommenden vier Jahren

und darüber hinaus eine neuere Entwicklung durchdringen und Antworten bieten muss. Ich meine vor allem die rasante internationale Vernetzung und neue Formen der internetbasierten Kommunikation und Produktion, die unsere Wirtschaft und den Berufs- und Lebensalltag verändern. Wir sind in der Industrie 4.0 – der Kombination von IT und klassischer Industrie – in Deutschland gerade in größeren Betrieben schon vergleichsweise gut aufgestellt. Die CDUgeführte Bundesregierung fördert die Industrie 4.0 bereits mit mehreren Programmen. Diesen Weg müssen wir weiter gehen. Viertens: Wer sich darauf beruft, den Mensch in den Mittelpunkt zu stellen, muss vor allem dann handeln, wenn der Mensch Schutz und Hilfe benötigt. Am Umgang mit den Schwachen zeigt sich die Menschlichkeit der Gesellschaft. Ältere und kranke Mitbürger brauchen die bestmögliche medizinische und pflegerische Versorgung. Und jeder Mensch muss in Würde sterben können. Die CDU setzt sich in der Großen Koalition für eine Verbesserung der medizinischen Versorgung ein. Wir setzen uns ein für eine bessere Versorgung mit Fachärzten, damit jeder gut und schnell behandelt werden kann; vor allem auch auf dem Land. Im Bereich der Pflege wird die CDU-geführte Bundesregierung dafür sorgen, dass die Leistungen in den kommenden vier Jahren um 25 Prozent gegenüber heute steigen. Mit diesen Mitteln sollen die Pflegeleistungen und die Ausbildung und Bezahlung von Pflegekräften verbessert sowie eine demographische Reserve aufgebaut werden. Auch Hospize und die Palliativmedizin sollen ge-

stärkt werden. Das Thema Pflege werden wir als CDU auch mit einer erstmals eingerichteten „digitalen Fachkommission“ unter Leitung von Jens Spahn behandeln. Dabei wird es unter anderem um zusätzliche Pflegeleistungen, Ausbildung von Pflegepersonal, den Pflegebedürftigkeitsbegriff sowie die Qualität in der Pflege gehen. Die Große Koalition hat sich viel vorgenommen. Wir wollen gemeinsam Deutschlands Zukunft erfolgreich gestalten. Die CDU will den Erfolg dieser Koalition – und keinen „Rosenkrieg“. Trotzdem war die Große Koalition keine Liebesheirat. Union und SPD sind eine Vernunftehe eingegangen. Aber auch in einer Vernunftehe lässt sich manches erreichen.

DR. PETER TAUBER Foto: Tobias Koch

rungshandeln der CDU in der Großen Koalition. Wir wollen, dass es den Menschen 2017 noch besser geht als heute. Deshalb setzt sich die CDU in den kommenden vier Jahren insbesondere für die Bewältigung folgender Herausforderungen ein:

Dr. Peter Tauber, 39, ist seit Dezember 2013 Generalsekretär der CDU Deutschlands. Der promovierte Historiker gehört dem Deutschen Bundestag seit 2009 an. Tauber ist Mitglied des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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Impulse für die Gestaltung einer neuen Pflegelandschaft

Die zukunftsfähige Gestaltung der Sozialen Pflegeversicherung ist eine der zentralen Herausforderungen dieser Wahlperiode

Das Ziel der Pflegereform in dieser Legislaturperiode ist eindeutig: Es ist wichtig, dass sich alle Menschen im Falle der Pflegebedürftigkeit unserer Fürsorge sicher sein können. Menschen, die über viele Jahre ihren Beitrag für die Familie, im Rahmen ihres Berufs oder eines Ehrenamts geleistet haben, verdienen unser aller Dank und Respekt. Es geht mir um Menschlichkeit, um Qualität und um Bezahlbarkeit pflegerischer Hilfe-, Betreuungsund Unterstützungsstrukturen. Deshalb ist es gut, dass die Pflegeversicherung auf guten finanziellen Beinen steht: Im vergangenen Jahr hat die soziale Pflegeversicherung einen Überschuss von 625 Mio. verzeichnet. Die Wachstumsperspektiven für die Wirtschaft sind positiv. Das ist eine gute Basis für die anstehenden Reformen.

Mehr Leistung für Demente Dabei starten wir nicht von Null. Seit Beginn des letzten Jahres wurden mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz die Leistungen der Pflegeversicherung um fünf Prozent erhöht. Das bedeutet na-

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hezu eine Milliarde Euro mehr allein für die ambulante Versorgung. Dies hat bereits zu spürbaren Verbesserungen insbesondere für an Demenz erkrankte Menschen und für pflegende Angehörige geführt. Von den verbesserten Leistungen profitieren derzeit schon etwa 500.000 Pflegebedürftige; etwa 70.000 Personen davon haben einen Pflegebedarf unterhalb der Pflegestufe I. Die zukunftsfähige Gestaltung der Sozialen Pflegeversicherung ist eine der zentralen Herausforderungen dieser Wahlperiode. In der anstehenden Reform sind konkrete Verbesserungen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen unabdingbar, wichtig sind zudem gute Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte. Wir werden zum 1. Januar 2015 die Beiträge um 0,3 Prozentpunkte erhöhen. Davon stehen zwei Beitragszehntel, also 2,4 Mrd. Euro, für kurzfristig wirkende Leistungsverbesserungen zur Verfügung. Die Einnahmen aus einem weiteren Beitragszehntel verwenden wir für den Aufbau eines Vorsorgefonds, um die Finanzierung der Pflegeversicherung generationengerechter auszuge-

stalten. In einem weiteren Schritt wird der Beitragssatz um weitere 0,2 Prozentpunkte erhöht, um im Rahmen der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs die Leistungen der Pflegeversicherung nochmals zu verbessern. Insgesamt werden damit rund fünf Mrd. Euro zusätzlich pro Jahr für bessere und höhere Leistungen zur Verfügung stehen. Das ist eine Leistungsausweitung um 20 Prozent, und dies muss natürlich sinnvoll ausgestaltet werden.

Für mich persönlich sind dabei einige Grundsätze zentral: Pflegebedürftige haben immer auch erhebliche Gesundheitsprobleme. Wir können und sollten mehr tun, damit sich der Gesundheitszustand der Pflegebedürftigen verbessert. So kann Pflegebedürftigkeit vermieden oder zumindest herausgezögert werden. Deswegen werde ich mich für die Verbesserung der Rehabilitation, insbesondere der geriatrischen Rehabilitation einsetzen. Wir müssen zeitgleich die Strukturen der medizinischen Versorgung Pflegebedürftiger, die zu Hause oder im Heim leben, verbessern und die Struktur der

Foto: Gerda Mahmens/ pixelio.de

PFLEGEREFORM


PFLEGEREFORM

Eine ganz zentrale Bedeutung für mich hat weiterhin die Stärkung der Pflege zu Hause. 70 Prozent der Pflegebedürftigen - rund 1,8 Mio. Menschen - werden zu Hause gepflegt, davon wiederum knapp 70 Prozent durch Angehörige. Wir müssen deshalb pflegende Angehörige noch besser unterstützen. Hier geht es zum einen um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Geplant ist daher das Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz unter einem Dach mit einem Rechtsanspruch zusammenzuführen und weiterzuentwickeln. Außerdem wollen wir die zehntägige „Auszeit“ für pflegende Angehörige mit einer Lohnersatzleistung vergleichbar dem Kinderkrankengeld koppeln. Dies wird eine schnelle und angemessene Hilfe gerade zu Beginn einer Pflegebedürftigkeit. Ein weiteres zentrales Anliegen ist für mich die Fachkräftesicherung. Als Gründe für ein frühzeitiges Ausscheiden aus dem Pflegeberuf werden immer wieder die körperlichen und seelischen Belastungen sowie die Enttäuschung über die zu starke Ausrichtung auf die somatische Pflege genannt. Mehr Zeit für die pflegebedürftigen Menschen, weniger Bürokratie, eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und eine ange-

messene Vergütung - diese Punkte stehen auf der Wunschliste der Pflegeberufe ganz oben. Und auch hier werden wir ansetzen.

auch Praktiker und Experten haben sich in den vergangenen Jahren hiermit schwer getan. Diese Koalition will die unterschiedlichen Facetten von Pflegebedürftigkeit besser anerkennen und die somatischen und kognitiven Einschränkungen der von Pflegebedürftigkeit Betroffenen gleichberechtigt berücksichtigen.

Wir brauchen einerseits eine Fachkräfteinitiative. Bereits Ende des Jahres 2012 hat die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern und Verbänden die Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege beschlossen. Ziel der darin getroffenen Vereinbarungen ist es insbesondere, den Altenpflegeberuf attraktiver zu machen. Auch die Möglichkeiten von Fortbildungen und Umschulungen sollen verbessert und erleichtert werden. In der Folge sollen bis zum Jahr 2015 die Ausbildungszahlen in der Altenpflege stufenweise um jährlich zehn Prozent, also insgesamt um 30 Prozent, gesteigert werden. Darüber hinaus werden Umschulungsmaßnahmen zur Altenpflegefachkraft befristet wieder über den vollen Ausbildungszeitraum von drei Jahren durch die Arbeitsagenturen und Jobcenter gefördert.

INGRID FISCHBACH, MDB Foto: Laurence Chaperon

medizinischen Versorgung bei Multimorbidität ausbauen.

Dass es gerade unter den Bedingungen eines Teilleistungssystems, das zum Teil eine erhebliche Eigenbeteiligung einfordert, wichtig ist, den Unterstützungsbedarf gerecht zu erfassen, ist nachvollziehbar. Es ist schwierig, die richtige Definition für „Pflegebedürftigkeit“ zu finden. Nicht nur die Politik, sondern

Ingrid Fischbach, Jahrgang 1957, ist Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesgesundheitsminister seit Dezember 2013. Von 2009 bis 2013 war Fischbach stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSUBundestagsfraktion. Dem Deutschen Bundestag gehört sie seit 1998 an

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HANDELN, MITMACHEN, BEWEGEN

Europa hat die Wahl

Wegen der Aufhebung der Drei-Prozent-Sperrklausel ist eine hohe Wahlbeteiligung besonders wichtig, um zu verhindern, dass aus Deutschland radikale Splittergruppen ins Europäische Parlament einziehen

In der Zeit vom 23. bis 25. Mai wählen über 375 Millionen wahlberechtigte EUBürgerinnen und -Bürger in 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein neues Europäisches Parlament. Wie viele Wahlberechtigte letzten Endes teilnehmen ist ungewiss. Seit den ersten Direktwahlen im Jahr 1979 hat sich das Europäische Parlament immer mehr Rechte und Kompetenzen erstritten, die in den Verträgen von Maastricht, Amsterdam, Nizza und zuletzt 2009 im Vertrag von Lissabon verankert wurden. Die Wahlbeteiligung ist im selben Zeitraum jedoch kontinuierlich gesunken. Gaben im Jahre 1979 noch 63 Prozent aller Wahlberechtigten ihre Stimme ab, so waren es bei den letzten Europawahlen im Jahre 2009 lediglich 43 Prozent, die von ihrem Stimmrecht Gebrauch machten. Dass laut der aktuellsten Umfrage des Eurobarometers das Vertrauen der EU-Bürgerinnen und -Bürger in die Institutionen der Europäischen Union von knapp 50 Prozent im Jahr 2009 auf weniger als ein Drittel gesunken ist, stellt die Kandidatinnen und Kandidaten im Wahlkampf vor große Herausforderung.

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Richtungsentscheidung Gerade jetzt ist es besonders wichtig zur Wahl zu gehen! Es ist eine Richtungsentscheidung, denn die verschiedenen Parteien bieten für die uns bevorstehenden Herausforderungen unterschiedliche Lösungswege an. Die Staatsschuldenkrise ist da nur ein Beispiel. Während Sozialdemokraten auf eine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa abzielen, vertreten Christdemokraten die Auffassung, dass Solidarität immer auch eine Gegenleistung erfordert, seien es politische Reformen, Schuldenbremsen oder verantwortungsvolle Haushaltspolitik. Es ist auch die erste Europawahl nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon, durch den das Europäische Parlament in nahezu allen Bereichen gemeinsam mit dem Rat zum gleichberechtigten Mitgesetzgeber wurde. Insbesondere bei der Haushaltskontrolle ist das Europäische Parlament auf gleicher Stufe mit dem Ministerrat und kann somit über die Ausgaben der Europäischen Union wachen. Außerdem wurde

mit dem Vertrag von Lissabon die Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamenten verstärkt, um darauf zu achten, dass der Grundsatz der Subsidiarität eingehalten wird.

Unverständliches Urteil Im Vorfeld der Europawahl muss es gelingen, den Bürgerinnen und Bürgern europäische Antworten auf die wichtigen Fragen zu liefern, um Populismus und Nationalismus, wie wir ihn gegenwärtig in einigen Mitgliedsstaaten der EU erleben, als Irrweg zu entlarven. Mit dem unverständlichen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Abschaffung der 3-Prozent-Sperrklausel, bekommen in Deutschland radikale Splittergruppen die Chance, ins Europäische Parlament einzuziehen. Ihre Entscheidung begründeten die Verfassungsrichter mit der fehlenden Notwendigkeit, aus der Mitte des Parlaments eine Regierung zu wählen. Diese Feststellung ist falsch. Das Europäische Parlament wählt den Präsidenten der Kommission und erteilt in einer zwei-

Foto: fotolia.de

EUROPAWAHL


EUROPAWAHL ten Abstimmung der gesamten Kommission – alle Kommissionsmitglieder müssen sich einer Anhörung (Hearing) stellen – das Vertrauen oder aber verweigert es. Auch das Europäische Parlament ist daher auf eine stabile Mehrheit angewiesen. Nur so kann eine erfolgreiche parlamentarische Arbeit gewährleistet werden. Viele kleine Gruppen zeigen bereits jetzt im Wahlkampf durch verantwortungslosen Populismus, dass sie die europäische Idee nicht verstanden haben. Bei aller berechtigter Kritik an einzelnen Entscheidungen, wie sie es überall gibt, wird allzu oft das große Ganze aus dem Blick verloren. Dabei ist die Europäische Union eine einzigartige Gemeinschaft von Staaten, die einen von Kriegen zerrütteten Kontinent in Frieden geeint hat und dafür zu Recht im Jahre 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Dieser historischen Entwicklung müssen wir uns stets bewusst sein. Konrad Adenauer hat dazu einmal gesagt: ,,Erfahrungen sind wie die Samenkörner, aus denen die Klugheit emporwächst.“ Denn nur wenn man weiß, woher man kommt, kann man wissen, wohin man will. Die Europäische Union ist mehr als ein bloßer Zweckverbund von Staaten. Sie ist eine Wertegemeinschaft. Sie gründet auf der Würde des Menschen, den Menschenrechten, auf Freiheit, Demokratie, Rechtsordnung begleitet von den Prinzipien der Solidarität und Subsidiarität. Diese Werte in einer globalisierten Welt zu schützen, kann nur gemeinsam gelingen.

Große Herausforderungen Das neu gewählte Europäische Parlament wird sich großen Herausforderungen gegenübersehen. Noch immer sind in einigen Ländern die Auswirkungen der Schuldenkrise deutlich zu spüren. Durch wirtschaftliche Entwicklung müssen neue Arbeitsplätze entstehen, um die EU-weite Arbeitslosigkeit von derzeit 10,7 Prozent zu senken. Besondere Aufmerksamkeit sollten wir der Jugendarbeitslosigkeit schenken, die im EU-Durchschnitt bei 23,2 Prozent, in Portugal bei 36,3 Prozent und in Griechenland sogar bei alarmierenden 59,2

Prozent liegt. Es ist auch Aufgabe des Europäischen Parlaments, sich dafür stark zu machen, der europäischen Jugend Perspektiven zu eröffnen. Insbesondere in den alternden Gesellschaften Europas spielen junge Menschen eine entscheidende Rolle für unsere Zukunft. Ebenso bedeutsam ist für uns Christdemokraten die Bewahrung der Schöpfung. Dieser Aufgabe müssen wir uns in dieser Generation gemeinsam mit allen Staaten der Erde widmen. In diesem Bewusstsein müssen wir uns weiterhin für eine international abgestimmte Klimapolitik und eine nachhaltige Entwicklung einsetzen. Die Europäische Union ist nach aktuellen Berechnungen für 14 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Schon vor dem Jahr 2020 werden die Emissionen der Entwicklungsländer die der Industrieländer übersteigen. China ist bereits die weltweit größte CO2Emissionsquelle. Europa wird die Last nicht alleine tragen können. Die Europäische Union kann bei der Bekämpfung des Klimawandels für ihre internationalen Partner ein Beispiel geben, dass es möglich ist, steigendes Wirtschaftswachstum von steigenden CO2-Emissionen zu entkoppeln. Die Europäische Union hat unter maßgeblicher Beteiligung des Europäischen Parlaments weltweit die Führung beim Kampf gegen den Klimawandel übernommen. Diese Führungsaufgabe müssen wir weiter verantwortlich wahrnehmen. Die europäischen Christdemokraten können stolz darauf sein, durch ihr Engagement in Europa zu einer Wirklichkeit beigetragen zu haben, von der vor einigen Jahrzehnten nur zu träumen war. Heute sind wir in der Europäischen Union, wie es in der Berliner Erklärung vom 25. März 2007 so schön heißt, „zu unserem Glück vereint“. Die Bedeutung der Errungenschaften, die heute über 500 Millionen Menschen aus 28 Ländern ein friedliches Zusammenleben auf der Grundlage gemeinsamer

Werte machen, ist jungen Menschen, die Krieg und Hunger nicht erlebt haben, nicht mehr selbstverständlich bewusst. Die Bewahrung unseres historischen Gedächtnisses, die Vermittlung der Geschichte gerade an jüngere Menschen, die die Zukunft gestalten werden, ist von besonderer Bedeutung. Ohne die Erfahrungen aus der Vergangenheit, werden wir den Weg in eine gute und friedliche Zukunft nicht finden. Es bleibt zu wünschen, dass die Wählerinnen und Wähler dies an den Wahlurnen beherzigen.

HANS-GERT PÖTTERING

Dr. Hans-Gert Pöttering, MdEP ist der einzige Europaabgeordnete, der dem Europäischen Parlament seit der ersten Direktwahl im Jahr 1979 ununterbrochen angehört. Er war Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Volkspartei / Europäischer Demokraten (1999-2007) und Präsident des Europäischen Parlaments (2007-2009). Heute ist er Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung

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Foto: Bernd Bast/ pixelio.de

BEHINDERTE

SEHGEWOHNHEITEN ÄNDERN Wie zum Beispiel können wir den sperrigen Begriff der Inklusion mit Leben füllen?

In meinem Berliner Büro hängt ein buntes Ölgemälde, dass eine unheimliche Lebensfreude ausstrahlt. Es ist das beeindruckende Werk eines behinderten Künstlers, dass ich im vergangenen Jahr gekauft habe. Gemeinsam mit der Lebenshilfe e.V. habe ich damals eine Ausstellung im Deutschen Bundestag initiiert und organisiert. Unter dem Titel ‚Tieftaucher und Überflieger – Werke von Künstlern mit Behinderung‘ stellten die Mitglieder der Lebenshilfe-Kunstgruppen ‚Sirius‘ aus Nettetal und ‚will so sein‘ aus Aachen ihre Werke aus. Der Ausstellung vorangegangen waren Besuche in den jeweiligen Kunstwerkstätten. Schon dort haben mich die Zeichnungen, Gemälde und auch Texte aus dem eigenen täglichen Erleben sehr beeindruckt. Von einer Behinderung war dort nichts zu spüren, sondern vielmehr von Begeisterung und Können. Nicht nach den Defiziten zu schauen, sondern die Stärke, die Kreativität, die Willenskraft im Umgang mit der eigenen Situation und die Chance

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im Miteinander zu erkennen, ist hier der richtige Blick. Als neuer Beauftragter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Menschen mit Behinderungen, wird mir diese Botschaft bei meiner Arbeit besonders wichtig sein. Hinzu kommen aber auch die ‚klassischen‘ Themen: Wie zum Beispiel können wir den sperrigen Begriff der Inklusion mit Leben füllen? Dabei ist die Herausforderung schon in der Bildung überaus groß. Von den baulichen Maßnahmen bis zur besonderen personellen Betreuung und Förderung, die alle der gemeinsamen Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen bedürfen. Wie barrierefrei sind unsere Bahnhöfe, Sportstadien und Kulturangebote? Auch bei den betreuten Werkstätten muss man fragen, ob die Beschäftigung nicht stärker integrativ möglich ist. So haben wir in meinem Heimatkreis am Niederrhein gute Erfahrungen damit, dass beispielsweise Mitarbeiter mit Downsyndrom in Jugendherbergen,

im Gartenbau, an Krankenhäusern oder in Schulmensen tätig sind. Wir haben zu lange die Augen geschlossen, wenn es um Menschen mit Behinderungen ging und ihre Stärken nicht mehr gesehen. Inklusion kann bedeuten, dass wir alle unsere Sehgewohnheiten ändern.

UWE SCHUMMER

Uwe Schummer, MdB, ist Beauftragter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Menschen mit Behinderungen


Foto: Berggeist/pixelio.de

KRANKENHAUSREPORT

DKG zu fragwürdigen Zahlen des AOK-Krankenhausreport 2014

Krankenhäuser erwarten Entschuldigung Die DKG kommt zu dem Ergebnis, dass die im AOK-Report behauptete Zahl nur eine wissentliche Falschangabe sein kann

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) fordert den AOK-Bundesverband auf, sich für die Behauptung im aktuellen Krankenhausreport zu entschuldigen, in den Krankenhäusern würden 18.800 Menschen durch vermeidbare Behandlungsfehler zu Schaden kommen. Nach ausführlicher Prüfung der Daten über Schadenshäufigkeiten bei Krankenhausbehandlungen kommt die DKG zu dem Ergebnis, dass die im AOK-Report behauptete Zahl nur eine wissentliche Falschangabe sein kann. Denn:

0 Ein eigener Report des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen nennt insgesamt 8.600 Fälle vermuteter Behandlungsfehler für den Krankenhausbereich (8.600 im Gegensatz zu dem im AOK-Report behaupteten 188.000!) Angaben zu Todesfällen werden darin überhaupt nicht gemacht.

0 Von allen bearbeiteten Anträgen zu mutmaßlichen Behandlungsfehlern bei den Schlichtungsstellen der Ärztekammern entfallen 82 auf Todesfälle.

0 Die Annahme, jeder zehnte der im Report behaupteten 188.000 Behandlungsfehler sei so gravierend, dass Patienten zu Tode kämen, ist unseriös. Aus leider geschehenen, kleineren Behandlungsfehlern wie Medikamentenverwechslungen oder leichteren Infektionen ist dies nicht zu folgern.

0 Aus Schadendatenbanken von Haftpflichtversicherern können zirka 1.200 Schadensansprüche mit Todesfallhintergrund hochgerechnet werden.

Die DKG kritisiert grundsätzlich, dass seitens der AOK Schätzungen (schon damals keine Fakten) aus den Jahren 1996 – 2006 „fortgeschätzt“ wurden. Alle Experten aber wissen, dass in den

letzten Jahren fundamentale Weiterentwicklungen bei der Installierung von Vorkehrungen und Instrumenten zur Verbesserung der Patientensicherheit und der Qualität der Krankenhausleistungen erfolgt sind. Die von der AOK angegebene Höhe der Todesfälle infolge von Behandlungsfehlern in Krankenhäuser erweist sich vor dem Hintergrund der Faktenanalysen als nicht haltbar. Leider ist festzustellen, dass offensichtlich in unverantwortlicher Weise das Ziel verfolgt wird, die Leistungen der Krankenhäuser und ihrer über eine Million engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu verunglimpfen und die Patienten zu verunsichern.

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KOSTENDÄMPFUNG

Quelle: BASYS; Datenquelle: BASYS/RHA

Aktuelle BASYS-Studie zur Auswirkung von Kostendämpfungsgesetzen

Die andere Seite der Medaille Rund 24.000 Mitarbeiter. Eine Bruttowertschöpfung pro Mitarbeiter, die rund das Doppelte der Gesamtwirtschaft und rund das Dreifache der durchschnittlichen Wertschöpfung der Gesundheitswirtschaft ausmacht. Jährliche Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) in Milliardenhöhe: Mit diesen Eckwerten gehört die Pharmazeutische Industrie in Bayern schon heute zu den Schlüsselbranchen des 21. Jahrhunderts – und weiteres Wachstum ist möglich. Das zeigt die aktuelle BASYS-Studie über „Die gesundheitswirtschaftliche Bedeutung der Pharmazeutischen Industrie in Bayern“, die zum

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ersten Mal eine faktenbasierte Einordnung der Pharmazeutischen Industrie Bayerns als Teil der bayerischen Wirtschaft vornimmt. Für die „Pharmainitiative Bayern“ – einem Zusammenschluss innovativer Arzneimittelhersteller mit Deutschlandzentrale oder großen Standorten in Bayern – sind dafür veränderte Rahmenbedingungen nötig, deren Weichen jetzt gestellt werden müssen.

Volkswirtschaftlicher Kontext

Die wirtschafts- und gesundheitspolitische Diskussion über gesetzliche Eingriffe in den pharmazeutischen Markt ist nicht neu. Neu dagegen ist die umfangreiche Daten-

sammlung aus Bayern – und deren wissenschaftlicher Ansatz: Denn statt wie üblich rein auf die Kostenaspekte der Branche zu fokussieren, setzt die Studie auch den volkswirtschaftlichen Rahmen. So nimmt die BASYS-Studie nicht nur die Daten zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der pharmazeutischen Produktion, sondern auch die zum Außenhandel, zur Beschäftigung und zur Preisentwicklung unter die Lupe. Demnach ist Bayern mit aktuell 24.000 Beschäftigten (2012) nicht nur einer der wichtigsten Pharmastandorte in Deutschland – vielmehr ist die Wertschöpfung dieser hoch-


KOSTENDÄMPFUNG qualifizierten Arbeitsplätze doppelt so hoch wie die der Gesamtwirtschaft (vgl. Grafik). Anders gesagt: Die 24.000 Arbeitsplätze in der Pharmazeutischen Industrie in Bayern entsprechen rund 50.000 bis 70.000 Arbeitsplätzen in anderen Branchen. Dieses Potential gilt es weiter zu heben und auszubauen. Denn die BASYS-Studie zeigt auch, dass die Beschäftigungszahlen und die Höhe der Anlageinvestitionen in Bayern – anders als im bundesweiten Durchschnitt – weiter zunimmt, wobei die Produktions-, Wertschöpfungs- und Beschäftigungsanteile, gemessen am Bevölkerungsanteil, noch nicht ausgeschöpft sind. Außerdem zeigt die Studie, dass die Pharmazeutische Industrie weitgehend krisenfest ist: So kam sie in den wirtschaftlich schwierigen Jahren 2009/10 ohne staatliche Stützung und Subventionen aus. Anders die Auswirkungen der Kostendämpfungsgesetze des Bundes. Diese haben die Pharmazeutische Industrie in Bayern überproportional belastet, weil diese Unternehmen hierzulande stärker inlandsorientiert arbeiten als Mitbewerber mit Sitz in anderen Bundesländern. Die Folge: In den letzten vier Jahren gingen allein in Bayern 2.400 Arbeitsplätze in der Pharmazeutischen Industrie und 15.700 Arbeitsplätze in der Gesamtwirtschaft verloren.

Einsparungen teuer erkauft

Rechnet man die unterlassenen Investitionen in FuE sowie die geringere Produktion mit ein, ergibt sich laut der Studie unter dem Strich Folgendes: Jeder zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherungen eingesparte Euro verursacht einen volkswirtschaftlichen Verlust von zwei Euro. Anders ausgedrückt, ohne die gesetzlichen Abschläge hätten den Unternehmen zusätzlich rund 800 Millionen Euro für Investitionen in FuE und zur Expansion zur Verfügung gestanden. Berücksichtigt man zusätzlich die direkten und in-

direkten Wertschöpfungseffekte, ergibt sich aus der Summe von 800 Millionen Euro eine Wachstumsminderung von 1,009 Milliarden Euro. Gelder, die für das Wachstum der Pharmazeutischen Industrie zwingend nötig sind: Die Entwicklungszeiten in der Pharmazeutischen Industrie sind lang, die Investitionen entsprechend hoch. Und auch wenn die Forschungsausgaben für medizinische Forschung im Freistaat im Zeitraum 2005 bis 2011 jährlich um über sechs Prozent gestiegen sind, summiert sich die Höhe für unterlassene FuE-Aufwendungen und Anlageinvestitionen auf über 5 Milliarden Euro, so die BASYSStudie. Hiermit sei eine Chance für den weiteren Ausbau des Forschungs- und Produktionsstandorts Bayern und Deutschland vergeben worden. Das Fazit der Pharmainitiative Bayern ist daher ernüchternd: Um im weltweiten Innovations-Wettbewerb zu bestehen, sind steigende Investitionen in FuE der Pharmazeutischen Industrie am Forschungsstandort Deutschland und Bayern erforderlich und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen notwendig. Nötig sei daher eine grundsätzliche Weichenstellung, wie eine ressort- und branchenübergreifende Gesundheitswirtschaftsstrategie in Bayern und auf nationaler Ebene.

Markus Schneider

Die gesundheitswirtschaftliche Bedeutung der Pharmazeutischen Industrie in Bayern Gutachten für eine zukunftsorientierte Standortpolitik

DAS BASYS-GUTACHTEN

Das Gutachten „Die gesundheitswirtschaftliche Bedeutung der Pharmazeutischen Industrie in Bayern“ wurde von Markus Schneider, Geschäftsführer BASYS-Institut 2013 im Auftrag der Pharmainitiative Bayern erstellt. Das vollständige Gutachten (ISBN 3-930077-21-3) kann im Buchhandel oder direkt beim BASYS Institut (www.basys.de) in Augsburg bezogen werden, eine pdf-Version steht unter www.basys.de/aktuelles/2013/pharma-bayern-buch.pdf zum Download bereit.

DIE PHARMAINITIATIVE BAYERN Die „Pharmainitiative Bayern“ ist eine informelle Gruppe von innovativen pharmazeutischen Unternehmen mit Deutschlandstandort in Bayern. Der „Pharmainitiative Bayern“ gehören derzeit die Unternehmen Amgen, Baxter, Biogen Idec, Bristol-Myers Squibb, Celgene, Daiichi-Sankyo, GlaxoSmithKline, MSD, Novartis und Roche an. Sie wirbt für die Stärkung des Pharmastandortes Bayern. Gemeinsam haben sie bei der Beratungsgesellschaft BASYS eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben.

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KOMMENTAR

Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine gute und flächendeckende Palliativversorgung Liebe Leserinnen und Leser, die Große Koalition hat ihre Arbeit aufgenommen – und unser neuer Gesundheitsminister Hermann Gröhe stößt bereits wichtige Debatten an. Denn richtigerweise beschäftigt uns das Für und Wider zur Sterbehilfe inner- und außerparlamentarisch wieder intensiv. Dabei zeigt sich, dass Fragen des Lebensschutzes im Parlament einmal mehr nicht mit der Maßgabe der Fraktionsdisziplin, sondern fraktionsübergreifend geführt werden. Ich habe mehrfach Hospize besucht und intensive Gespräche mit sterbenskranken Patienten über ihre Wünsche und Ängste geführt. Mein Eindruck aus diesen Gesprächen war stets, dass viele Betroffenen Angst vor einem qual- und leidvollen Tod haben. Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Schwerstkranke und sterbende Menschen benötigen in dieser letzten Lebensphase eine liebevolle Zuwendung, Schmerzlinderung und die bestmögliche Pflege, um sich würdevoll und friedlich von dieser Welt verabschieden zu können. Die adäquate Antwort auf diese Sorge kann in erster Linie nur sein, dass wir die Rahmenbedingungen für eine gute und flächendeckende Palliativversorgung so verbessern, dass niemand in Deutschland beim Sterben unter unnötigen Schmerzen leiden muss. Gleichwohl äußern viele Menschen darüber hinaus den Wunsch, Sterbehilfe als weitere Option zu eröffnen. Allerdings halte ich nichts davon, dass der Tod bei kommerziellen oder organisierten Anbietern eine Ware wie jede andere wird, die auch noch beworben werden kann. Das setzte gesellschaftlich das völlig falsche Zeichen. Nicht umsonst äußern viele Menschen mit Behinderung oder schweren Erkrankungen die Sorge, dann möglicherweise unter Rechtfertigungsdruck zu gelangen nach dem Motto: „Warum beendest Du Dein Leben nicht, ist doch ganz easy?“. Da kommen wir schnell auf eine ganz schiefe Bahn, denn wem stünde es zu, die Frage nach der Lebenswertigkeit jedes einzelnen Lebens zu entscheiden? Die Aufgabe der Ärzte ist es ebenfalls nicht, bei der Selbsttötung mitzuwirken. So steht es auch bereits in der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer. Davon unbenommen bleibt selbstverständlich der zulässige Behandlungsabbruch. Aktive Sterbehilfe muss weiterhin strafbar bleiben. Patienten dürfen nicht zur Selbsttötung überredet werden, egal von wem.

Hier ist die Achtung vor dem Leben zu wahren. Daher begrüße ich außerordentlich den Beschluss der Bundesärztekammer in ihren Richtlinien die aktive Mitwirkung an der Selbsttötung zu verurteilen. Gleichwohl gibt es Möglichkeiten, selbstbestimmt auch die letzte Lebensphase mit zu entscheiden. Die Patientenverfügung ist ein sehr sinnvolles Instrument. Sie ermöglicht es den letzten Willen schriftlich zu fixieren, sobald man nicht mehr dazu in der Lage ist, sich selbst äußern zu können. Sie ist dank einer fraktionsübergreifenden Initiative seit September 2009 gesetzlich verankert. Ich kann nur dafür werben, dass jeder Mensch für sich klar regelt, wann z. B. Maschinen abgestellt oder die Ernährung eingestellt werden sollen, wenn sie im Koma liegen. Das wäre insbesondere auch für die nahestehenden Angehörigen eine wertvolle JENS SPAHN Entlastung und würde schmerzvolle Entscheidungen ersparen. Wichtig wäre übrigens auch, wenn sich alle behandelnden Ärzte dann auch an die Patientenverfügung hielten. Das scheint mir zu oft in der Realität nicht der Fall. Es grüßt Sie herzlich Ihr

Jens Spahn, MdB

Jens Spahn, MdB, wurde 1980 in Ahaus geboren. Seine Ausbildung zum Bankkaufmann bei der WestLB führte ihn auch nach Luxemburg. Der studierte Politikwissenschaftler gehört seit 2002 dem Deutschen Bundestag an. Seit 2009 ist er gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion und stellvertretender Landesvorsitzender des Gesundheitspolitischen Arbeitskreises der CDU Nordrhein-Westfalen.

Impressum Herausgeber und Verlag GK Mittelstands Magazin Verlag GmbH Günter F. Kohl Gärtnerkoppel 3 24259 Westensee/ Kiel Tel. 04305-992992 / Fax 04305-992993 E-Mail: gkprkiel@t-online.de

Redaktion Tim A. Küsters

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Titelfoto: berwis pixelio.de

Anzeigenschluss: 25. März 2014

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Abonnement Einzelheft: 24,- Euro pro Jahr bei 4 Ausgaben

Internet: www.issuu.com/ampuls Satz und Layout: Walter Katofsky, Kiel Druck: Printmedienpartner GmbH, Hameln

Das Magazin am puls erscheint viermal im Jahr jeweils zur Mitte eines Quartals.


5 Mio. Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Zwei Drittel der Flüchtlinge sind Frauen und Kinder! Aktion Deutschland Hilft leistet Nothilfe. Gemeinsam, schnell und koordiniert. Helfen Sie den Menschen - mit Ihrer Spende! Spendenkonto 10 20 30, Sozialbank Köln (BLZ 370 205 00) Stichwort: Syrien/Nahost, Charity-SMS: Senden Sie ADH an die 8 11 90 (5€*) Oder online: www.Aktion-Deutschland-Hilft.de

© REUTERS, * 5€ zzgl. Kosten einer normalen SMS. 4,83€ gehen direkt an ADH.

Flüchtlingsdrama Syrien Jetzt spenden!


füR EIN ENtSPANNtES vERhÄLtNIS zWISchEN ARzt uND PAtIENt Wir entlasten Ärzte von allen administrativen Arbeiten, die bei der Privatabrechnung entstehen. Dadurch versetzen wir sie in die Lage, sich ihren Patienten ungestört widmen zu können.

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