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Die IPPNW in Russland Ein Gespräch mit Sergej Kolesnikov

Die Basilius-Kathedrale am Roten Platz in Moskau, Russland. Bild: Bearbeitete Version des Orignals von A. Savin (Wikimedia Commons/WikiPhotoSpace), CC BY-SA 3.0

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Jahre deutsche Wiedervereinigung – Grund genug, einen Blick zurück in die Geschichte zu werfen, auch die der IPPNW, die so eng mit dem Kalten Krieg verknüpft ist. Wie begann das gleich noch mal? Wenn man diese Frage stellt, fallen immer sofort zwei Namen: Bernard Lown und Evgenij Chazov, ein amerikanischer und ein russischer Kardiologe, die sich 1980 in Genf trafen, um die Gründung einer Organisation von Ärzt*innen zu besprechen, die sich für die Verhütung eines Atomkriegs einsetzen sollte. Ein Wunder: Dass diese beiden Menschen, geprägt von gegensätzlichsten politischen Ideologien, in ihrer gemeinsamen Profession doch eine Basis fanden, um für ein gemeinsames, höheres Gut zu kämpfen: Die Abwendung der Bedrohung der gesamten Menschheit durch Atomwaffen. Für dieses Aufeinander-Zugehen trotz aller Widerstände bekam die IPPNW 1985 den Friedensnobelpreis. Ende gut, alles gut? Halt, da fehlt doch noch was! Was geschah eigentlich nach dem Kalten Krieg? Dass die amerikanische Sektion „Physicians for Social Responsibility“ weiterhin eine der größten ist, wissen viele. Aber was passierte mit der IPPNW in den Ländern des ehemaligen Ostblocks? Diese Frage beschäftigte mich, seit ich im letzten Jahr ein Krankenhauspraktikum in Wladimir, Russland,

absolvierte. Dort schien die IPPNW nahezu unbekannt zu sein … Umso mehr freute ich mich, als sich im Frühjahr diesen Jahres Sergej Kolesnikov, der ehemalige Vize-Präsident der IPPNW und noch stets aktives Mitglied der russischen Sektion, zu einem Skype-Gespräch mit mir bereit erklärte. Vorweg sei bemerkt: Natürlich ist seine Sicht der Dinge nicht repräsentativ für alle Sektionen der ehemaligen Ostblock-Länder. Aber das Gespräch mit ihm hat mir klargemacht, was für diverse Perspektiven wir innerhalb der IPPNW noch immer haben, dass unsere Sichtweisen auf die Welt weiter unterschiedlich und oft kontrovers sind – und dass wir gerade deswegen umso mehr den Dialog suchen sollten. Aber von vorne: Die IPPNW in den Ländern des Ostblocks wurde von Beginn an von staatlicher Seite unterstützt und gefördert, das sowjetische Gesundheitsministerium stellte Mittel bereit und die IPPNW war auch personell eng verknüpft mit der Regierung – so wurde Evgenij Chazov als berühmtes Beispiel später sowjetischer Gesundheitsminister. Diese Aufstellung führte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu einer großen finanziellen, aber auch ideologischen Krise:

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