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Was heißt die Corona-Krise für Dich?

Wir fragten verschiedene Menschen, wie die Corona-Pandemie sich auf ihr Leben und ihre Arbeit auswirkt Was heißt Corona-Krise für Dich persönlich? Was hat sich für Dich durch die Pandemie verändert? Was hoffst Du, haben wir aus Corona gelernt?

Paul Esser, Landesamt für Soziales, Saarland, Coronahotline:

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Aktuell bedeutet die Krise vor allem Ungewissheit. Niemand weiß genau, wie sich die Lage entwickelt, welche Einschränkungen noch gebraucht werden. Oft ist morgens nicht klar, wie die Situation am Abend aussieht – weil das niemand wissen kann.

Im März hat sich – wie bei allen – alles auf den Kopf gestellt. Bei mir persönlich vor allem im Arbeitsleben. Die Floskel ‚jetzt wirds ernst‘ habe ich hautnah miterlebt. Auch Verantwortung spielt während meiner Arbeit eine größere Rolle, vor allem am Telefon. Die Bürgerinnen und Bürgern müssen sich auf unsere Antworten verlassen können. Ich hoffe, dass wir lernen, auf manches zu verzichten, das wirklich Wichtige wirklich wertzuschätzen, und um ganz pathetisch zu werden: besser aufeinander aufzupassen.“

Brigitte Hornstein, Psychotherapeutin:

Corona hieß für mich vor allem ‚Entschleunigung‘, weil alle nicht-beruflichen Termine plötzlich entfielen. Dadurch hatte ich ungewohnt viel Zeit, was ich sehr angenehm fand. Corona zwang mich geradezu, weniger zu machen. Statt mich für abendliche Termine abzuhetzen und dort womöglich noch inhaltlich stark zu engagieren, konnte ich endlich einmal gute Filme im Fernsehen genießen – wofür ich normalerweise keine Zeit habe bzw. sie mir nicht nehme.

In meiner Arbeit spielte die Pandemie – anders als jetzt, wo ich sehr viel Verunsicherung bei meinen Patient*innen beobachte – eigentlich so gut wie keine Rolle. Ich habe normal weitergearbeitet, fast alle Patient*innen kamen wie gewohnt zu ihren Terminen; ein oder zwei wollten erst einmal abwarten, zwei oder drei bevorzugten, dass ich sie anrufe.

Abstand habe ich zu meinen Patient*innen in der Arbeit eigentlich sowieso – lediglich das sonst normale Händeschütteln habe ich durch eine freundliche Verbeugung ersetzt.

Wünschen würde ich mir, dass wir daraus gelernt hätten, dass wir behutsam miteinander umgehen müssen; dass unsere Welt, wie wir sie kennen, fragil ist, dass wir voneinander abhängen und uns brauchen – und, dass wir spätestens deshalb daran interessiert sein sollten, dass es allen anderen Menschen auf diesem Planeten auch gut geht … und ich hoffe, wir würden gelernt haben, dankbarer zu sein für das, was wir haben … mehr Wertschätzung, auch gegenseitig, mehr Rücksichtnahme, mehr Respekt …“

Kai Echtermeyer, Seenotretter auf der Alan Kurdi (Sea-Eye e. V.):

Für mich persönlich bedeutet die Corona-Krise Umgewöhnen und Umdenken. Dinge, die bisher selbstverständlich waren, sind nicht mehr möglich. Das bedeutet zum einen eine starke Einschränkung, zum anderen aber auch die Chance, bisherige Gewohnheiten zu überdenken. Leider beobachte ich, dass wir in vielen Dingen in unsere alten Marotten zurückfallen, sobald das wieder möglich ist. Dabei wäre Corona die Chance, um insbesondere unseren Umgang mit Ressourcen und unserem Planeten zu überdenken.

Die Corona-Krise hat Seenotrettung extrem erschwert. Zum einen sind die Menschenrechtsverletzungen, die im Mittelmeerraum von der EU geduldet oder sogar unterstützt werden, noch weniger in den Medien präsent. Zum anderen nutzen insbesondere Malta und Italien die Corona-Krise, um NGOs daran zu hindern, auszulaufen und Menschenleben zu retten. So wird zum Beispiel jeder NGO nach Anlandung in Italien eine zweiwöchige Quarantäne an Bord des Schiffes verordnet, während Handelsschiffe, die Menschen retten, sofort wieder auslaufen dürfen. Ich hoffe, dass wir endlich lernen, nachhaltig mit der Erde umzugehen. Dafür müssten wir unser gesamtes Wirtschaftssystem überdenken. Außerdem hoffe ich, dass Berufe wie Krankenschwester, Verkäufer*in im Supermarkt und Altenpfleger*in mehr wertgeschätzt, aber vor allem besser bezahlt werden.“

Emanuele Russo, Pharmaziestudent aus Sant’ Antonio Abate (Kampanien, Italien):

Die Coronavirus-Krise ist eines der überraschendsten Ereignisse der letzten Jahre, viele Menschen haben leider ihr Leben verloren und die Bevölkerung hat sich einer bisher unbekannten Krise gegenübergesehen. Von einem Tag auf den anderen mussten Millionen von Menschen sich zuhause einschließen, um die Ausbreitung zu begrenzen und für einige ist das überhaupt nicht einfach gewesen; diejenigen, die am meisten gelitten haben, sind Arme, Kranke, Alleinstehende, Alte und Kinder. Inzwischen hat sich die Situation verbessert, aber dieser ‚unsichtbare Feind‘ ist immer noch eine Bedrohung, die uns davon abhält, zur Normalität zurückzukehren.

Für mich haben sich viele Dinge verändert: Ich erinnere mich noch, dass ich, als mir die Möglichkeit einer Quarantäne bewusst wurde, nicht daran dachte, dass diese wirklich umgesetzt würde, da ich dies unter dem Aspekt der Kontrolle der Menschen für unmöglich hielt; dann allerdings, von einem Tag auf den anderen, konnte man nicht mehr aus dem Haus und ich musste leider meine Aktivität als Youth Worker in unserem Gemeindezentrum unterbrechen, die Vorlesungen der Universität online verfolgen und konnte mich nicht mehr mit meinen Freunden treffen. Am Anfang war es nicht leicht, aber nachdem ich mich daran gewöhnt hatte, wurde es immer einfacher, die Zeit, die ich zuhause eingeschlossen verbrachte, zu nutzen. Ich hatte auch viel Zeit zum Nachdenken und diese Pandemie hat mich sicherlich gelehrt, jeden Moment meines Lebens intensiver zu erleben und meine Beziehungen zu meinen Mitmenschen besser zu gestalten.

Ich hoffe, dass die Gesellschaft gelernt hat, derartige Situationen nicht mehr zu unterschätzen: Es ist notwendig, schnell und effektiv zu handeln, ohne dabei zu viel Alarmismus zu erzeugen. Unsere Skepsis hatte diesmal einen teuren Preis, einen Preis, den wir nicht alle gleichermaßen bezahlt haben und der leider viele Menschen von ihren Lieben getrennt hat. Ich hoffe wirklich, dass die Situation sich weiter bessert und dass die Menschen verantwortungsvoll und aufmerksam sind, nicht für sich selbst, sondern für das Gemeinwohl.“