75 Jahre HfMDK: Jubiläumsausgabe der Frankfurt inTakt

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Frankfurt in Takt

75 JAHRE

1938–2013 BEGEISTERN FÜR DIE KÜNSTE.

Frankfurt in 2013 Takt FESTWOCHE 21. April

Festakt

Musik, Theater, Tanz! Die HfMDK präsentiert ihr künstlerische Vielfalt. Festrede Prof. Heiner Goe 24. April

Symposium „Zukunft der Künste“

Benefizkonzer mit Christoph Prégardien und Udo Samel 27. April

Tag des offene Unterrichts für alle Interessierten

12. Jahrgang, Nr. 1 Sommersemester 2013

Hochschulnac

Kunst überall und parallel

Kunstausbildung im Wandel – Zukunft der Künste


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Kunstausbildung im Wandel – Zukunft der Künste

75 JAHRE HOCHSCHULE FÜR MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST FRANKFURT AM MAIN FRANKFURT IN TAKT – DAS JUBILÄUMSHEFT

12. Jahrgang, Nr. 1 Sommersemester 2013 1

www.hfmdk-frankfurt.de


Inhalt 6 Editorial 8 Grußwort der Hessischen Ministerin für Wissenschaft und Kunst Eva Kühne-Hörmann 9 Grußwort des Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann 10 Grußwort des Vorsitzenden der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main e.V. Prof. Dr. Clemens Börsig 14 Der lange Weg zur Gründung der Frankfurter Musikhochschule von Dr. Eva Hanau 36 Ein unbekanntes musikpädagogisches Dokument von 1927: Hindemiths Konzeption einer Musikhochschule von Prof. Dr. Peter Cahn 48 Die Hochschule in Zahlen 50 „Wir wollen Studierenden den Raum geben, sich zu starken Persönlichkeiten zu entwickeln“ Interview mit den drei Dekaninnen Catherine Vickers, Henriette Meyer-Ravenstein und Marion Tiedtke sowie dem Hochschulpräsidenten Thomas Rietschel 58 Statements – Was mir die HfMDK bedeutet 60 Das macht uns so besonders 62 „Eine Hochschule ist kein Durchlauferhitzer“ Die Professoren Jörg Widmann und Martin Lücker im Interview über das Reifen der künstlerischen Persönlichkeit im Laufe eines Musikstudiums 70 Statements – Was mir die HfMDK bedeutet 74 „Für Kunst gibt es keine Patentrezepte“ Interview mit Lucas Fels , dem neuen Professor für Interpretatorische Praxis und Vermittlung Neue Musik 76 Unsere Kooperationspartner 78 Nachhaltige Musikvermittlung oder die kreative Suche nach den „happy new ears“ Interview mit der Musikerin und Musikvermittlerin Catherine Milliken und dem HfMDK-Musiktheorie-Professor Ernst August Klötzke 86 Statements – Was mir die HfMDK bedeutet 88 „Begeisterung für die Kunst sollte unser gemeinsames Zentrum sein“ Dekanin Marion Tiedtke und Regisseur Laurent Chétouane erörtern den Konflikt zwischen Kreativität und Handwerk in den Ausbildungsbereichen Schauspiel und Regie 96 Statements – Was mir die HfMDK bedeutet 100 Impressum 2


Ein Füllhorn sEit 2007

Die 2007 gegründete Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main e. V. fördert die Studierenden der HfMDK und sorgt für exzellente Ausbildungsbedingungen. Sie finanziert Starterstipendien, DAAD-Stipendien und individuelle Stipendien, Gastprofessuren für Lied und Schauspiel, Gastdirigenten, seltene Instrumente, Opern- und Regieprojekte, Symposien, Spitzenschuhe, Exkursionen, Reisekosten, Publikationen, neue Saiten und vieles mehr! Werden Sie Mitglied und helfen Sie mit, die Ausbildung junger Musiker, Tänzer, Sänger und Schauspieler nachhaltig zu unterstützen! Mehr Informationen zu den Förderprojekten der GFF finden Sie hier: www.hfmdk-freunde.de3

Spendenkonto der Freunde und Förderer der HfMDK: Deutsche Bank Frankfurt BLZ 500 700 24 Kontonummer 806 50 70


„Mond. Finsternis. Asphalt“ – Zeitgenössisches Musiktheater-Projekt der HfMDK mit Aufführungen im Bockenheimer Depot im Jahr 2010

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PROGRAMM DER FESTWOCHE Sonntag, 21. April 2013, 11 Uhr, Großer Saal

FESTAKT UND ERÖFFNUNG DER JUBILÄUMSWOCHE Festrede: Prof. Heiner Goebbels Künstlerisches Programm: Lehrende, Studierende und Alumni der HfMDK

Mittwoch, 24. April 2013, 10 bis 18 Uhr, Kleiner Saal und diverse Räume der HfMDK

SYMPOSIUM Zukunft der Künste – künstlerische Ausbildung im Wandel Vorträge: 10 bis 12.45 Uhr, Kleiner Saal Prof. Dr. Christoph Menke (Goethe-Universität Frankfurt am Main), Prof. Dr. Erika Fischer-Lichte (Freie Universität Berlin), Roland Diry (Ensemble Modern), Prof. Dr. Peter Röbke (Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien)

PODIUMSDISKUSSION 16.30 bis 18 Uhr, Kleiner Saal Podiumsteilnehmer: Prof. Dr. Clemens Börsig (Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde und Förderer der HfMDK), Dr. Heike Hambrock (Vorsitzende des Kulturausschusses der Stadt Frankfurt), Simon Möllendorf (Studierender der HfMDK), Thomas Rietschel (Präsident der HfMDK), Karsten Wiegand (Designierter Intendant am Staatstheater Darmstadt ab der Spielzeit 2014/2015) Moderation: Dr. Ruth Fühner (hr2-kultur) Konzeptionelle Leitung: Prof. Axel Gremmelspacher

Mittwoch, 24. April 2013, 19.30 Uhr, Großer Saal

BENEFIZKONZERT Erhabene Trümmer Ein Abend im Gespräch mit Goethe – von und mit Christoph Prégardien (Tenor), Udo Samel (Lesung) und Michael Gees (Klavier). Texte von Johann Wolfgang von Goethe, Vertonungen von Franz Schubert, Ludwig van Beethoven, Edvard Grieg, Hugo Wolf, Franz Liszt, Othmar Schoeck und Michael Gees.

Samstag, 27. April 2013, 18 bis 24 Uhr, HfMDK

HOCHSCHULNACHT Unfassbare Romantik Eröffnung mit dem Hochschulorchester. Anschließend bis Mitternacht 40 Kurzprogramme aus Musik, Schauspiel und Tanz mit mehr als 200 Studierenden, Lehrenden und Gästen. Künstlerische Leitung: Prof. Angelika Merkle

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Editorial

1938 wurde unsere Hochschule aus dem Dr. Hoch´s Konservatorium gegründet. Auf diese Gründungsjahre der Hochschule schauen wir mit zwiespältigen Gefühlen. Denn die jüdischen Lehrenden, die in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts den guten Ruf des Konservatoriums international entscheidend mitgeprägt hatten, waren bei der Hochschulgründung 1938 nicht mehr dabei: Sie wurden durch die neuen Machthaber schon im April 1933 in einer schändlichen Aktion aus dem Haus gejagt. Sie und ihre Geschichte gehören zu uns und dürfen nicht vergessen werden. Wir gedenken ihrer, indem wir in dieser Festschrift ihre Kurzbiografien als „Stolpersteine“ in die Darstellung der Gründungsgeschichte der Hochschule eingesetzt haben.

Unser Blick geht jetzt jedoch nach vorne. „Kunstausbildung im Wandel – Zukunft der Künste“ – unter diesem Motto stellen wir in der Jubiläumswoche vom 21. bis 27. April die Frage nach der Zukunft unserer Hochschule. Wie notwendig das ist, zeigen die großen Veränderungen in unserem Umfeld, von denen ich nur einige ansprechen möchte. Die Krise der öffentlichen Haushalte stellt in ganz Europa die Kulturinstitutionen vor neue Herausforderungen. Wir müssen uns verstärkt legitimieren, wenn die Entwicklung der Künste weiterhin durch die Allgemeinheit finanziert werden soll. Die Globalisierung hat den Blick geweitet und einen Prozess der Internationalisierung eingeleitet, und nicht zuletzt sind es Entwicklungen in den Künsten selbst wie die Entgrenzung der Sparten, die uns zum Nachdenken über die Inhalte und Ziele unserer Ausbildung veranlassen.

Bei den Vorbereitungen zu diesem Jubiläum haben wir entschieden, die Gründungsgeschichte der Hochschule aufzuarbeiten und zu veröffentlichen, wie das in diesem Heft mit den Beiträgen von Dr. Eva Hanau und Prof. Dr. Peter Cahn geschieht. Das Jubiläum sollte jedoch keine Feier vergangener Erfolge werden, auch wenn es dazu reichlich Anlass gibt. Die HfMDK hat eine stolze Tradition, viele bedeutende Künstler, Pädagogen und Wissenschaftler wurden hier ausgebildet, viele großartige Lehrpersönlichkeiten haben hier gewirkt.

Vor allem aber spornt die Verantwortung für unsere Studierenden uns zur Auseinandersetzung mit der Zukunft an. Denn sie werden in wenigen Jahren die handelnden Akteure im Kulturleben sein, als Künstler, als Pädagogen, als reflektierende Wissenschaftler oder in administrativer Funktion. Um unsere Studierenden bestmöglich auf die Zukunft vorzubereiten, müssen wir eine Position dazu entwickeln, wie das Kulturleben in zwanzig Jahren aussehen sollte oder könnte.

In den letzten zehn Jahren hat die HfMDK sich von einer kameralistisch, von oben gesteuerten Institution zu einer autonomen Hochschule mit eigenem Budget und weitreichenden Entscheidungsspielräumen entwickelt. Sie hat sich der Stadt, der Region und der Gesellschaft geöffnet. Mit 450 Veranstaltungen im Jahr bereichert die HfMDK das Kulturleben in Frankfurt und der Rhein-Main-Region; als „vernetzte“ Hochschule kooperiert sie regional und überregional mit allen wichtigen Kulturinstitutionen. Neue Studiengänge auf höchstem Niveau wurden etabliert und gleichzeitig engagierte sich die Hochschule erfolgreich mit Bildungsprojekten wie „Primacanta – Jedem Kind seine Stimme“, die jetzt von anderen Kommunen und Bundesländern übernommen werden. Diese rasante Entwicklung verdanken wir dem Engagement unserer Lehrenden und unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung. Äußerst hilfreich war in den letzten Jahren auch das Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger, Stiftungen und Unternehmen für die Hochschule.

Ohne den Debatten vorgreifen zu wollen, möchte ich vor diesem Hintergrund das seit langem angedachte Projekt des Kulturcampus Frankfurt als ein Zukunftsprojekt vorstellen, das eine Antwort auf die oben skizzierten Probleme geben könnte. Denn hierin vermittelt sich die Idee einer Hochschule der Zukunft. Das pulsierende Herz des Kulturcampus auf dem alten Standort der Goethe-Universität mitten in Frankfurt bilden neun international positionierte Kulturinstitutionen, die hier eine neue Form der Zusammenarbeit leben wollen. Die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main wird auf dem Gelände ihr neues Gebäude errichten – gemeinsam mit der The Forsythe Company und dem Ensemble Modern, mit dem Frankfurt LAB und der Hessischen Theaterakademie, dem Hindemith-Institut Frankfurt

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und der Jungen Deutschen Philharmonie. Bereits jetzt sind diese Institutionen durch vielfältige Kooperationen eng miteinander verbunden. Auch das Senckenberg Naturmuseum sowie das Institut für Sozialforschung werden das gemeinsame Konzept des Kulturcampus Frankfurt mitgestalten. Das Bockenheimer Depot ist dort als Spielstätte von Oper und Schauspiel Frankfurt seit Jahren etabliert.

Durch die Öffnung zum Stadtteil und die geplante Verbindung von Wohnen, Arbeiten und Kultur wird sich auch die Frage der Legitimation künstlerischer Tätigkeit und Ausbildung ganz neu beantworten lassen. Nicht die Vermittlung der „schwer vermittelbaren“ Künste soll in Zukunft das Thema sein. Das Ziel ist ein selbstverständliches Mit- und Gegeneinander und die Kunst als selbstverständlicher Teil städtischen Lebens für alle Bürgerinnen und Bürger.

Alle Partner machen die Ergebnisse und Produktionsprozesse ihrer Arbeit in ihren Sälen und Ausstellungsräumen öffentlich zugänglich; 1500 Künstler und Wissenschaftler werden hier arbeiten, studieren und forschen und den Kulturcampus zum attraktiven und lebenswerten Stadtviertel gestalten. Diese Verbindung von Weltniveau und Bürgernähe ist einzigartig.

Noch ist der Kulturcampus eine große Vision, und Zeiten knapper Kassen waren nie gute Zeiten für hochfliegende Pläne. Das soll uns aber nicht schrecken: Nur wer die Zukunft groß denkt, wird auch eine große Zukunft haben. Wir sind froh darüber, dass das Land Hessen einen ersten konkreten Schritt wagt und eine Studiobühne auf dem Kulturcampus als ersten Bauabschnitt der neuen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst errichten wird. Damit setzt Hessen ein mutiges Zeichen, dem die Stadt Frankfurt hoffentlich bald folgen wird.

„Renommierte Künstler und Studierende aus aller Welt werden, angezogen von den neuen Möglichkeiten, den Weg nach Frankfurt suchen“, prophezeit William Forsythe. Der Zusammenschluss solch international etablierter Institutionen macht aus dem Kulturcampus ein schöpferisches Zentrum der Musik, der darstellenden Kunst und der Wissenschaft. Der Vergleich mit großen internationalen Vorbildern – Southbank Centre in London, Lincoln Center in New York City – ist deshalb nicht zu hoch gegriffen. Und alle Institutionen werden gemeinsam an der Ausbildung einer neuen Künstlergeneration arbeiten, die aus aller Welt nach Frankfurt kommt, um sich hier auf die Kunst von morgen vorzubereiten.

Die machtvolle Idee des Kulturcampus verdeutlicht, dass wir uns nicht davon abhalten lassen, stets nach vorne zu denken. Für uns ist das eine Frage der Haltung, und mit dieser Haltung weiß ich unsere Hochschule auf einem guten Weg. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre unserer Festschrift und lade Sie herzlich ein, die Hochschule tatkräftig auf ihrem Weg in die Zukunft zu begleiten.

Der Hochschule geben wir mit diesem visionären Vorhaben eine Perspektive, die viele der oben gestellten Fragen beantwortet. Durch die enge Zusammenarbeit mit Künstlern wie den Mitgliedern des Ensemble Modern oder William Forsythe wird die HfMDK ihre Ausbildung mit den aktuellen Entwicklungen der Kunst verbinden. Sie wird vom Netzwerk ihrer Partner profitieren und als zentrale Institution im Kulturcampus große internationale Sichtbarkeit und Attraktivität für herausragende Studierende und Lehrende erlangen. So wird sie zum einzigartigen Ausbildungsort in den Künsten. Zugleich eröffnet die Zusammenarbeit mit den wissenschaftlichen Instituten eine aufregende Begegnung zwischen Kunst und Wissenschaft und schafft die notwendige reflektierende Distanz zur künstlerischen Produktion und Ausbildung.

Ihr

Thomas Rietschel Präsident der Hochschule für Musik und Darstellenden Kunst Frankfurt am Main

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Grußworte

Verehrte Leserinnen und Leser,

Der Aufbruch in eine neue Gründerzeit hat daher bereits begonnen, und das Land Hessen geht diesen Weg gemeinsam mit der

Jubiläen und runde Geburtstage sind immer ein willkommener Anlass zu feiern und sich feiern zu lassen. Zu beidem hat die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main nach 75 Jahren ihres Bestehens neben dem passenden Anlass heute ja auch allen Grund.

Hochschule: Noch in diesem Jubiläumsjahr soll der Startschuss für den Neubau einer Studiobühne am Campus Bockenheim fallen und gemeinsam mit der Stadt Frankfurt soll dort die weitere bauliche Entwicklung ermöglicht werden, eingebettet in die konkrete Vision eines Kulturcampus, dessen Nukleus die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst bildet.

Wir sehen und erleben heute eine Hochschule, die das gesamte Spektrum der Musik und der darstellenden Kunst auf zum Teil auch international herausragendem Niveau repräsentiert und weiterentwickelt und dabei gleichzeitig ein fester Bestandteil des künstlerischen und kulturellen Lebens der Stadt und der Region geworden ist. Dass der Zeitpunkt der Gründung der Hochschule 1938 in eine auch für die Künste und vor allem für zahllose Künstler grauenvolle Epoche fiel, das kann und soll dabei nicht verschwiegen werden, und ich begrüße es daher außerordentlich, dass die Hochschule diese Festschrift auch zum Anlass nimmt, ihre Gründungsgeschichte, die ebenso den Neubeginn 1947 nach der Zerstörung im Krieg mit umfasst, historisch zu beleuchten.

Ich gratuliere zum 75jährigen Bestehen und wünsche der Hochschule, ihren Studierenden und Lehrenden auch weiterhin Erfolg. Ihre

Eva Kühne-Hörmann Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst

Jubiläen sind aber auch dazu prädestiniert, aus dem Kontext der Rückschau einerseits und der Visionen für die Zukunft andererseits den Blick auf die ansonsten im Zeitkontinuum flüchtige Gegenwart zu fixieren und damit zur eigenen „Standortbestimmung“ beizutragen. Über die Doppeldeutigkeit des Begriffs des Standorts bin ich mir dabei durchaus im Klaren: Denn der Erfolg, die Dynamik, das Wachstum und die zunehmende Vernetzung mit anderen Kulturinstitutionen der einzigen hessischen Hochschule für Musik, Theater und Tanz unterstreicht und festigt ihren künstlerischen, wissenschaftlichen und kulturellen Standort in ihrem Umfeld sowie in der bundesweiten und internationalen Hochschullandschaft und stellt dabei zugleich ihren räumlichen Standort mit seinen gegebenen Beschränkungen in Frage.

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Dass Hessens Hochschule für Musik, Tanz und Theater in Frankfurt beheimatet ist und Frankfurt in ihrem Namen trägt, kann für unsere Stadt nur von Vorteil sein: Künstler, die in Frankfurt an der HfMDK studiert haben, tragen über Stadt und Land hinaus weiter, was den Geist der Institution, aber auch unserer Metropole prägt: visionäre Weitsicht, internationale Vielfalt und große Offenheit, die sich nicht hinter den Mauern eines Elfenbeinturms abschottet, sondern aktiv in ihre Umgebung hineinwirkt. Das von der Hochschule initiierte Projekt „Primacanta“, dessen Schirmherr ich sein darf, ist ein exzellentes Beispiel dafür, wie die HfMDK ihrem Auftrag nicht nur als Ausbildungsinstitution, sondern auch als Gestalterin eines zukünftigen Kulturlebens gerecht wird. Gemeinsam mit der Crespo Foundation nimmt die Hochschule hier alle Kinder in den Blick und ist inzwischen in fast allen Frankfurter Grundschulen präsent. Alle Kinder Frankfurts sollen sagen können: „Ich kann singen und ich singe gern!“ Die Früchte werden wir in der Zukunft ernten, wenn diese Kinder als Erwachsene ihre Begeisterung für die Musik weitertragen, als Aktive in den Vereinen, als Publikum, in ihren Familien und ihrem Alltag.

An der HfMDK werden alle wesentlichen Kunstsparten unter einem Dach gelehrt; dies garantiert künstlerische Querverbindungen und damit zukunftsweisende Ansätze, wie interdisziplinär verstandene Kunst gelebt werden kann. Doch die Hochschule blickt weiter über ihren Tellerrand hinaus, ist vielfach vernetzt und geht spannende Kooperationen mit anderen Kulturträgern der Stadt ein. Ihre jüngst zu Ende gegangene Konzertreihe „Bestiarium“ fand nicht nur in den Räumen des Senckenberg Naturmuseums statt, sondern verband zugleich künstlerische Visionen mit naturwissenschaftlichem Wissen und Forschergeist. Genau dieser Geist ist es, der die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main in 75 Jahren ihrer Existenz jung und zeitgemäß gehalten hat. Sie kann getrost von sich behaupten, dass Kunst von morgen in ihren Mauern schon heute stattfindet – mit Mut zum Experiment und einer Neugier auf ungeahnte Darstellungsformen. Dass sie bei all dem nicht ihr „Kerngeschäft“ vernachlässigt, beweisen die Namen vieler HfMDK-Absolventen in den Besetzungslisten unserer Orchester und Theater weit über Frankfurt und Hessen hinaus. Ich gratuliere der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main zu ihrem 75-jährigen Bestehen als Staatliche Hochschule und wünsche den Menschen, die an ihr studieren, lehren und arbeiten, dass sie ihre gestalterischen Möglichkeiten zur Bereicherung des Lebens auch in unserer Stadt weiterhin mit so viel Hingabe und Überzeugungskraft zu nutzen verstehen.

Mit über 300 Veranstaltungen jährlich – Konzerten, Theaterabenden, Tanzperformances und Vorträgen – hat sich die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main zudem zu einem der größten Veranstalter in unserer Stadt etabliert. Zwar vertritt sie aus ihrem Selbstverständnis als Ausbildungsstätte nicht den Anspruch, den Konzert- und Theaterhäusern in der Stadt wirtschaftliche Konkurrenz zu machen, ist aber im Bewusstsein des Frankfurter Publikums längst kein Geheimtipp mehr. Angehenden Künstlern in ihren „Werkstätten“ über die Schulter schauen zu dürfen, hält die Kulturszene einer Stadt jung. Die kreative freie Musik- und Theaterszene in Frankfurt wird durch die Absolventen und Studierenden der HfMDK immer wieder neu belebt und trägt wesentlich zu dem guten Ruf Frankfurts als lebendiger Metropole bei.

Peter Feldmann Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main

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Grußworte

Seit 2007 darf ich als Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde und Förderer die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main begleiten. In dieser – gemessen an den 75 Jahren des Bestehens der HfMDK – kurzen Zeitspanne habe ich viel Erfreuliches miterlebt: Innovative Studiengänge mit großer Strahlkraft wie der Masterstudiengang Zeitgenössische Tanzpädagogik und die Internationale Ensemble Modern Akademie sind entstanden. Die erste Stiftungsprofessur der HfMDK wurde ausgeschrieben. Die Hochschule erhielt bedeutende Preise, darunter gleich zweimal, 2011 und 2012, den „Hessischen Hochschulpreis für Exzellenz in der Lehre“, der das große Engagement verdeutlicht, mit dem an dieser Institution gelehrt wird. Die Hochschule gestaltet das Kulturleben in der Region maßgeblich mit und ist hier nicht mehr wegzudenken. Auch die attraktive Perspektive, in naher Zukunft auf dem Kulturcampus in FrankfurtBockenheim ein neues Quartier für die Hochschule zu bauen, ist jüngst entstanden.

All das und viel mehr in knapp sechs Jahren! Verdeutlicht das nicht die große Kraft und den Willen der HfMDK Frankfurt am Main, zu den exzellentesten Kunsthochschulen zu gehören? Dass die HfMDK sich zu einer besonderen, ja außergewöhnlichen Hochschule entwickelt – hieran möchte ich gemeinsam mit einer immer größer werdenden Zahl von Freunden und Förderern, Privatleuten und Unternehmen mitwirken. Und so ermöglichen heute 250 Mitglieder mit einem Fördervolumen von über 200.000 Euro im Jahr im Schnitt 30 Projekte der HfMDK – von der großen Opernproduktion über Stipendien bis zu besonderen Instrumenten, Meisterkursen mit renommierten Künstlerpersönlichkeiten und Semesterarbeiten Studierender. Diese Hochschule auf ihrem Weg zu begleiten und ihre so begabten und ambitionierten Studierenden nach Kräften zu fördern, erscheint mir als großes Privileg. Ich bin zuversichtlich, dass die HfMDK auch die nächsten 75 Jahre mit Bravour gestaltet! Herzlichen Glückwunsch, HfMDK!

Prof. Dr. Clemens Börsig Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main e.V.

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Foto: Andreas Reeg

Harfenistin Isabelle M체ller w채hrend einer HfMDK-Orchesterprobe

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Foto: Udo Hesse Foto: Andreas Reeg

Szene aus einer Performance im Rahmen des Symposiums „The Artist`s Body“ im Oktober 2009 mit der Flötistin Kerstin Fahr.

HfMDK-Studentin Larissa Nagel in der Cellogruppe während einer Hochschulorchester-Probe. 12


Foto: Valentin Fanel

Der Ausbildungsbereich Zeitgenössischer und Klassischer Tanz/ZuKT kooperiert mit dem Ballett Frankfurt (seit 1999), The Forsythe Company (seit 2004) und William Forsythe, der eine Honorarprofessur innehat. Zum ZuKT-Dozententeam gehören Prof. Marc Spradling, Prof. Andrea Tallis, Nora Kimball-Mentzos und Allison Brown, die alle jahrelang mit William Forsythe gearbeitet haben. Bisher haben über 30 Mitglieder von The Forsythe Company/ Ballett Frankfurt mit ZuKT-Studierenden Ausschnitte aus Repertoirestücken von William Forsythe eingearbeitet, eigene Choreographien entwickelt oder Workshops gegeben. Die drei ZuKT-Studiengänge kooperieren außerdem aktiv mit dem mehrjährigen Forschungsprojekt The Forsythe Company – Motion Bank.

Richard Oberscheven (BAtanz) in „Enemy in the Figure“ Choreographie: William Forsythe

Szenisches Liederprogramm des vierten Jahrgangs Schauspiel im Jahr 2012

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DER LANGE WEG ZUR GRÜNDUNG DER FRANKFURTER MUSIKHOCHSCHULE Von Dr. Eva Hanau

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Foto: wikimedia

ie Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main ist hervorgegangen aus Dr. Hoch’s Konservatorium, das im 60. Jahr seines Bestehens, am 1. April 1938, in eine Staatliche Musikhochschule überführt wurde. Entstanden 1878 aufgrund einer Stiftung des Frankfurter Bürgers Dr. Joseph Paul Johannes Hoch, effizient geführt von einem Kuratorium geschäftserfahrener Frankfurter Honoratioren, erfreute sich das Konservatorium dank renommierter Lehrer (Clara Schumann, Joseph Joachim Raff, Julius Stockhausen, Engelbert Humperdinck, Iwan Knorr) eines internationalen Rufs. Schon früh hatte man erkannt, dass das eigentliche Konservatorium, das laut Eröffnungsprospekt „eine möglichst allgemeine Ausbildung in Musik und deren nächsten Hülfswissenschaften“ bezweckte, nicht genügend auf einen musikalischen Brotberuf vorbereitete, und ihm bereits 1884 ein Seminar für angehende Privatmusiklehrerinnen und eine Vorschule für die Kinder angeschlossen, an denen die Seminarschülerinnen ihr pädagogisches Talent erproben konnten. 1908 folgte eine Klasse für angehende Orchestermusiker, 1918 das „Seminar für Schulgesang“, das in einem zweijährigen Lehrgang auf die Staatliche Prüfung für „Gesangslehrer an Höheren Lehranstalten“ hinarbeitete, ohne diese Prüfung jedoch abnehmen zu können. Erstmals erwies sich hier das Fehlen staatlicher Anerkennung für das Hochsche Konservatorium als empfindlicher Mangel. Dies und die noch gravierendere Tatsache, dass das Stiftungsvermögen durch die Inflation dahingeschmolzen und das Institut plötzlich auf Subventionen der öffentlichen Hand angewiesen war, verwickelte das Konservatorium seit 1920 in eine zwischen dem Stiftungskuratorium, der Stadt und dem Preußischen Kultusministerium kontrovers geführte Diskussion um eine Neuorganisation, die erst 1938 mit seiner Zwangsumwandlung in die Staatliche Hochschule für Musik endete.

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„GEBRAUCHSMUSIK“ BRAUCHT FACHKRÄFTE Der im Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung zuständige Musikreferent war Leo Kestenberg. Als überzeugter Sozialist betrieb er eine Musikpolitik, die breiteste Volksschichten erreichen sollte. Private Musikinstitutionen, denen der Ruch des Elitären anhaftete und denen er unterstellte, in erster Das Konservatoriumsgebäude Linie Virtuosen zu züchten, hielt er nicht für förderungswürdig. in der Eschersheimer Landstraße 4 Vielmehr erschien es ihm für die praktische Durchführung seiner aus dem Jahr 1888, Reform der Schulmusik zweckmäßig, zusätzlich zu den bereits ab 1938 Hochschulgebäude existierenden Schulmusik-Seminaren in Berlin, Köln, Königsberg und Breslau auch noch im Südwesten Preußens einen musikalischen Ausbildungsschwerpunkt zu schaffen durch Verstaatlichung des Hochschen Konservatoriums. Diese Hochschule sollte an Fortschrittlichkeit und Breitenwirkung die bestehenden Institute übertreffen und Fachkräfte für „Gebrauchsmusik“ (Unterhaltungsmusik, Musik in Kino und Rundfunk, Vereinsmusik) ausbilden. Insoweit war er sich mit dem Frankfurter Oberbürgermeister Ludwig Landmann einig, der sich von einem Ausbau höherer Bildungsanstalten in Frankfurt eine Stärkung von dessen kultureller Mittelpunkt-Funktion in der Region erhoffte. Gleichwohl nahm er eine abwartende Haltung ein, weil er den in Aussicht gestellten jährlichen Staatszuschuss von 25.000 RM als unzureichend und als Zurücksetzung gegenüber der doppelt so hoch dotierten Musikhochschule in Köln empfand. Ohnehin stieß die Verwirklichung dieses Konzepts in Frankfurt auf juristische, organisatorische, psychologische und vor allem finanzielle Schwierigkeiten. Die Verstaatlichung oder Kommunalisierung – beides wurde erwogen – und die musikpolitischen Ziele Kestenbergs ließen sich nicht mit dem Stifterwillen und dem konservativ-individualistischen Geist des Konservatoriums vereinbaren, der vom Kuratorium noch immer nachdrücklich vertreten wurde. Natürlich divergierten auch die personalpolitischen Vorstellungen von Staat/Stadt und Kuratorium. Kestenberg favorisierte als Direktor eines reorganisierten Hochschen Konservatoriums den Musikforscher Hans Mersmann, der seiner Reform nahestand. Im Gespräch zwischen Kestenberg und Landmann bzw. Landmann und seinem Musikdezernenten Karl Langer waren aber auch Hermann Scherchen, Ernst Kurth, Karl Straube, Heinrich Kaminski und Licco Amar, der beim Magistrat 1927 eine bemerkenswerte, wahrscheinlich r i w n nner von Hindemith inspirierte musikpädagogische Studie ein“ eri n e r e h n ie Le rstei an d rreichte (siehe dazu den Beitrag von Peter Cahn ab S.eite 36). tolpe e n S s e „ n t i e ’s Ko e sen en S In di Keiner dieser Kandidaten hatte jedoch eine reale Chance, Hoch . gend r l o s D f en 3 au er an auf d en t 193 solange das Hochsche Konservatorium selbstständig und Lehr h s c u d i l g n d nu ein 1. Au denf rinne die Auswahl des Direktors Sache des Kuratoriums blieb. um 3 frem m, z riu und n. vato chen urde mitis e s en w i s t s a an l t en den Grün


D i e G r ü n d u n g d e r S t a a t l i c h e n H o c h s c h u l e f ü r M u s i k F r a n k f u r t a. M.

Scheitern am „engen Lokalpatriotismus“

1923–1933: Die Ära Bernhard Sekles Nach der im April 1923 erfolgten Entlassung des Direktors Waldemar von Bauszern, der sich permanent und streitbar mit der „altmodischen und unfähigen“ Herrschaft der Administratoren des Stiftungskuratoriums angelegt hatte, betraute das Konservatorium den Komponisten und langjährigen Kompositionslehrer am Institut Bernhard Sekles mit der künstlerischen Leitung der Anstalt. Kestenberg war über die Blockierung dieses Postens durch einen als bürgerlich-liberal geltenden und den Traditionen des Hochschen Konservatoriums verpflichteten Mann verärgert. Er entwickelte nun zu der bisher geplanten grundlegenden Umorganisation des Hochschen Konservatoriums die Alternative, „unabhängig von dem bestehenden Hochschen Konservatorium zunächst ein Musikseminar in Frankfurt ins Leben zu rufen“. Dies stieß auf Ablehnung bei dem Musikdezernenten Langer, der konservativ dachte und überdies dem Kuratorium des Hochschen Konservatoriums in privater Eigenschaft angehörte, während Landmann, an der Hochschule als solcher interessiert, sich notfalls auch mit einer Neugründung abgefunden hätte. Dass auch er sich nicht hinter Sekles stellte, ergibt sich aus der leicht ironischen Reserve, mit der er auf das engagierte Eintreten Wilhelm Furtwänglers für Sekles als Direktor der künftigen Hochschule reagierte. Zwar lief die offizielle Planung schließlich auf eine vom Hochschen Konservatorium abgetrennte, am 1. 4. 1928 zu eröffnende Städtische Hochschule hinaus, aber es scheint so, als habe der Musikdezernent Langer Schwierigkeiten beim Interessenausgleich zwischen Berlin und Frankfurt eher herausgestrichen als heruntergespielt und so die Sache eher gebremst als vorangetrieben. Der vorgesehene Eröffnungstermin wurde weiter hinausgeschoben: diesmal auf den 1. April 1929. Inzwischen hatten sich die Aussichten für eine Finanzierung der Hochschulpläne drastisch verschlechtert – aus allgemein finanzpolitischen wie auch aus spezifisch kulturpolitischen Gründen. Die Stadtverordnetenversammlung hatte den Magistrat gerügt wegen seiner allzu unbedenklichen Ausgabenpolitik bei der Ausstellung „Musik im Leben der Völker“ und dem „Sommer der Musik 1927“, die mit einem Defizit von 1,6 Millionen RM abgeschlossen hatten, und die SPD-Fraktion hatte signalisiert, dass sie nicht bereit sei, die Mittel für ein weiteres kostspieliges Projekt auf musikalischem Gebiet zu bewilligen. 1929 begrub das Preußische Kultusministerium die Frankfurter Hochschulpläne, de s Sohn i, indem es aus seinem –?), 9 ansk 7 8 r Flo y nn (1 w a la . m s d h y Etat die seit 1924 lad i Ko ailan nton ors W nd M n A u e rde T n u li jährlich dafür uf w chen , Ber olnis lem R akau p r a K n io m in ausgewiesenen riu nat ier te inter r vato stud onse r von egen 25.000 RM strich. änge che K ch w

Die Stadt konnte nicht umhin, das noch immer private Hochsche Konservatorium mit jährlich wachsenden Zuschüssen zu unterstützen, die von 24.000 RM im Jahr 1925 auf 50.000 RM im Jahr 1928 wuchsen. Als Gegenleistung verlangte sie eine angemessene Vertretung im Stiftungskuratorium. Zu dem von jeher dem Gremium angehörenden Oberbürgermeister traten 1927 der Stadtverordnetenvorsteher und schließlich 1932 der Kulturdezernent Michel, dem der langjährige Kuratoriumsvorsitzende Oswald Feis durch Rücktritt von seinem Amt den Platz freimachte, um eine Satzungsänderung zu vermeiden. Die Stadt hatte nun drei von acht Kuratoriumssitzen inne: Die Unabhängigkeit des Hochschen Konservatoriums war in einem schleichenden Prozess verlorengegangen, ohne dass sich sein Status verbessert hatte. In seinen Lebenserinnerungen führt Kestenberg mit einiger Erbitterung das Fehlschlagen der Frankfurter Hochschulgründung auf „engen Lokalpatriotismus“ zurück, „der an dem altbewährten Namen des Hochschen Konservatoriums festhielt“. Aus heutiger Sicht ist ihm insofern recht zu geben, als eine Stadt vom Range Frankfurts, die es – aus welchen Gründen auch immer – nicht fertigbrachte, ihrem musikalischen Nachwuchs die gleichen Ausbildungschancen zu verschaffen wie beispielsweise Köln oder Breslau, sich eines Versäumnisses schuldig gemacht hat.

Inhaltlicher Fortschritt in alten Strukturen Das starre Festhalten an der althergebrachten Organisations- und Leitungsstruktur des Hochschen Konservatoriums stand indes in bemerkenswertem Kontrast zu der fortschrittlichen inhaltlichen Neuausrichtung, die das Institut in der zehnjährigen Amtszeit des Direktors Bernhard Sekles (1923 bis 1933) erfuhr. Dieser bemühte sich am Hochschen Konservatorium um ein breit gefächertes, zeitgemäßes Ausbildungsangebot für künftige Musiker. Sekles, eine für die Frankfurter Musikszene vor 1933 und ihre Teil-Fortsetzung danach im Jüdischen Kulturbund wichtige Figur, war Musiker, Frankfurter und Jude in spezifischer Verschmelzung. Die im folgenden auszugsweise zitierte Charakteristik, die Hans Sekles 1961 von seinem Vater gab, sagt, vielleicht etwas überpointiert, doch Bezeichnendes über den Menschen, Komponisten und Lehrer Sekles und seine existenzielle Bindung an seine Vaterstadt aus und wohl auch etwas über die Bedeutung von Heimat für deutsche Juden überhaupt:

„Die Treue zu […] Frankfurt lag tief in meines Vaters Wesen begründet. Man kann wohl von einer seelischen Verwandtschaft sprechen […]. Was mir selbst an Frankfurt und seinen Leuten besonders lieb gewesen ist, konnte ich in Vaters Naturell sowohl als Mensch wie als Künstler stets wiederfinden: eine gewisse gemächliche Fortschrittlichkeit, die an der Vergangenheit hängt, s li h wenn sie auch sich bemüht, den Weg in eine organisch c in . o e Als S n h e ns H tlass ahrsc 19 a g en n 33 w erwachsende Zukunft zu bahnen; daneben bei aller selbstveru 9 er 19 1 m nd stam fen u n Ab e ständlichen Ruhe den Sinn für fremde Art und die Fähigkeit, h beru c is r poln diese zu würdigen; und einen gewissen still beobachtenden seine Humor.“ 16


Sekles´„Sinn für fremde Art“ Rückschlüsse auf Sekles´ kompositorisches Werk, seine romantische Rückbesinnung und „stilisierte Volkstümlichkeit“ (bei gleichzeitigem kunstvollen Einsatz auch moderner Techniken) bieten sich an. Der ihm attestierte „Sinn für fremde Art“ und ein ausgeprägtes pädagogisches Talent machten ihn zum bedeutenden Lehrer bedeutender Schüler (Paul Hindemith, Rudi Stephan, Theodor W. Adorno, Ottmar Gerster). Sekles trug der Notwendigkeit, die musikalische Ausbildung stärker auf die berufliche Praxis auszurichten, Rechnung durch Gründung einer Opernschule (1924), die mit den Städtischen Bühnen zusammenarbeitete, und eines Kirchenmusikalischen Instituts im Benehmen mit der Evangelischen Landeskirche. Die Umwandlung der Orchesterklasse in eine am Lehrplan der Staatlichen Musikhochschule Berlin-Charlottenburg orientierte Orchesterschule deutet auf das Bemühen hin, die sachlichen Voraussetzungen für eine staatliche Anerkennung zu schaffen. Ein erster Schritt in diese Richtung gelang immerhin, als 1929 das Seminar zur Vorbereitung auf die Staatliche Musiklehrerprüfung offiziell anerkannt wurde. Als spektakulärste Neuerung erwies sich die Einrichtung einer Jazzklasse 1928. Noch schockierender als die Tatsache selbst wirkte Sekles´ etwas provokant formulierter Kommentar:

Bernhard Sekles, Direktor des Hochschen Konservatoriums von 1923 bis 1933

„Im Schaffen unserer Tage tritt immer mehr ein abstrakt-spekulatives Element zu Tage. Hier kann eine von einem taktvollen Musiker vermittelte Transfusion unverbrauchten Niggerbluts wirklich nur nützen, denn eine Musik ohne jede Triebhaftigkeit verdient den Namen Musik nicht mehr.“

Leo Kestenberg, 1922–1932 Musikreferent am Preußischen Ministerium für Wissenschaft,

Die Erregung weitester Kreise gipfelte in einer kleinen Anfrage im Preußischen Landtag, ob das Ministerium bereit sei, „die Schülerschaft [des Hochschen Konservatoriums] vor den Erziehungskünsten des ‚triebhaft‘ undeutschen Leiters zu schützen.“ Indessen bedeutete die Jazzklasse unter dem Kodály-Schüler Matyas Seiber eine Bereicherung des praxisbezogenen Ausbildungsangebots am Hochschen Konservatorium und seiner Ausstrahlung auf die Öffentlichkeit: Die Jazzklasse wirkte 1928/29 bei der Aufführung der Dreigroschenoper im Neuen Theater und bei Rundfunksendungen mit und erzielte 1929 mit Gershwins Rhapsody in Blue und Virginia Stomp sowie Strawinskys Suite Nr. 2 einen durchschlagenden Publikumserfolg. Einen ähnlichen Vorstoß in die musikalische Avantgarde unternahm die Opernschule 1931 mit der Frankfurter Erstaufführung des Lehrstücks von Brecht/Hindemith im Schauspielhaus unter der musikalischen Leitung von Ernst Wolff. Sekles baute aber auch die älteren Abteilungen des Konservatoriums im Hinblick auf höheren technischen Standard und erweiterten geistigen Horizont aus.

Kunst und Volksbildung

Foto: Internationale Leo-KestenbergGesellschaft

Ludwig Landmann, Frankfurter Oberbürgermeister von 1924 bis 1933

Foto: Jüdisches Museum der Stadt Frankfurt am Main

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D i e G r ü n d u n g d e r S t a a t l i c h e n H o c h s c h u l e f ü r M u s i k F r a n k f u r t a. M.

„Konservatorium für Musikhörende“ Der Forderung der Zeit nach musikalischer Stimulierung und Unterweisung des Laien entsprach die Direktion durch die Einrichtung des „Konservatoriums für Musikhörende“, dem Wunsch der Musikpädagogik nach Entwicklung musikalischer Fähigkeiten schon bei kleineren Kindern durch Kurse für musikalische Früherziehung. Auf große öffentliche Resonanz stießen Konzerte der Orchesterschule in Zusammenarbeit mit dem Bund für Volksbildung. Sie hatten sich, während der Besuch der meisten musikalischen Veranstaltungen in stetem Sinken begriffen war, eine Gemeinde geschaffen, die ständig größer wurde. Mag Bernhard Sekles auch versäumt haben oder durch ständigen Geldmangel daran gehindert worden sein, seinem Lehrerkollegium in ausreichendem Maße neue und attraktive Kräfte zuzuführen – sein pädagogisches Gesamtkonzept stand auf der Höhe der Zeit und besitzt in Teilen Gültigkeit bis heute.

Matyas Seiber, von 1928 bis 1933 Leiter der Jazzklasse am Hochschen Konservatorium

Foto: Philipps-Universität Marburg

Antisemitische Angriffe nehmen zu

Foto: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main

In der Ära Sekles sah sich Dr. Hoch’s Konservatorium chauvinistischen und antisemitischen Angriffen der nationalsozialistischen Frankfurter Stadtverordneten ausgesetzt. 1928 votierte Jakob Sprenger, der spätere Gauleiter von Hessen-Nassau, gegen die Bewilligung einer Spende der Stadt in Höhe von 10.000 RM zum fünfzigjährigen Bestehen der Anstalt, „solange die Sekles im Verein mit den anderen Juden: Sulzbach, Friedleben, Stiebel, Hirsch, Hahn usw., solange die Rassefremden an der Spitze dieses Instituts stehen“. Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung verstärkten sich die Angriffe massiv. Am 12. März 1933 wurde der Oberbürgermeister Ludwig Landmann aus seinem Amt vertrieben und der Abgeordnete der NSDAP im Preußischen Landtag Friedrich Krebs zu seinem kommissarischen Nachfolger bestimmt. Am 3. April veröffentlichte das Frankfurter Volksblatt eine anonyme, „Die Pg. der NSDAP“ gezeichnete Zuschrift, die die Schriftleitung der Zeitung dem neuen Oberbürgermeister zur Kenntnis brachte. In rüdem Ton, holprigen Deutsch und zweifelhafter Rechtschreibung werden die Ablösung des Direktors Sekles und der jüdischen Lehrer gefordert. Der letzte Absatz sei als Stilprobe, aber auch deshalb zitiert, weil hier bereits die Hochschulpläne anklingen, die in den nächsten Monaten hektisch betrieben werden sollten:

Friedrich Krebs, Frankfurter Oberbürgermeister

Foto: wikimedia

von 1933 bis 1945

„Unklar bleibt das Zögern des Aufsichtsrates [gemeint ist wohl das Kuratorium], nicht endlich reine Verhältnisse an Dr. Hoch’s Konservatorium zu schaffen. Auf was wartet man noch!? Die Abteilungen für ‚jüdische Jazzmusik‘, ‚Opernschule‘, ‚Seminar für Kirchenmusik‘ müßen [sic] verschwinden! Die Vorschule muß vom Konservatorium scharf getrennt werden! Den [sic] Lebensnerv für die Zukunft dieser Anstalt kann nur ‚Hochschule und Orchesterschule‘ sein!! Allerdings ohne ‚Juden und Ausländer‘. Also handeln tut dringend und umgehend Not!! Wählt Männer der ‚nationalen Erhebung‘ in den Aufsichtsrat und in den Lehrerrat! ‚Heil Adolf Hitler‘!“

Hans Hinkel, ab 1933 Staatskommissar und Geschäftsführer der zur Gleichschaltung der deutschen Kultur neu eingerichteten Reichskulturkammer

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) war 1958 – 1 9 norr. an K n (18 on Iw lomo v a r S le illy t und Schü Dr. W Pianis zten t r e le er t r r de ersie htete einer ein v terric n ig u it , e r hz ftle und Gleic scha ung sen issen rbild ö w h ik e s ntlas G e Mu hre, 933 le 1 ie e tier t . r n d r o depo r wu E Harm ld . a e r enw ach enleh Buch m, n Form nach e s ih 8 g 3 n 9 1 r gela und päte ren . ahr s J in igrie E zu em n o Lond

der Entlassung, im Fall der übrigen Lehrer unter dem Vorbehalt eines neuen Vertragsabschlusses. Den endgültig zu Entfernenden sollte zum 31. 8. 1933 gekündigt werden – „im Ein„Reinigung des Lehrkörpers“ verständnis mit dem Betriebsrat“ und mit der Maßgabe, dass sie ihre dienstliche Tätigkeit sofort Die „Säuberung“ des Hochschen Konservatoriums als einer privaten einstellten und, „auch in ihrem eigenen Interesse“, die Anstalt nicht Anstalt, deren Personalentscheidungen vom Kuratorium getroffen mehr beträten. Dem Zweck, die nicht mehr Erwünschten so spurwurden, bereitete den neuen Machthabern etwas mehr Umstände und reibungslos wie nur möglich von der Bildfläche verschwinden als die an kommunalen Einrichtungen wie etwa den Städtischen Bühnen. Aber die Stadt besaß ja bereits drei Stimmen im Kuratori- zu lassen, diente auch die Empfehlung, ihnen die mitten in den Osterferien beschlossenen Kündigungen nicht sofort, sondern erst um, die nun, nach der Entlassung der jüdischen bzw. sozialdemounmittelbar vor Ferienende zuzustellen, um „die Gefahr von Verhetkratischen städtischen Vertreter, durch Oberbürgermeister Krebs, zung von Schülern“ in der Zwischenzeit auszuschließen. Von den einen vermutlich fügsamen Stadtrat und Willi Stöhr, den persönEntlassungen betroffen waren außer dem Direktor Bernhard Sekles lichen Adjutanten des Gauleiters, ausgeübt wurden. Vorsitzender wurde – wohl auf Betreiben von Krebs – der Rechtsanwalt Dr. Hans noch 13 Lehrer, darunter Matyas Seiber, der Leiter der Jazzklasse, und der Regisseur Herbert Graf, der Leiter der Opernschule. Um Rumpf, der später von sich sagte, er sei „im Winter 1932/33 formaljuris-tische Korrektheit bemüht, trugen die AusschussmitMitglied des Kuratoriums geworden und glaube, die Aufgabe der gründlichen Reinigung des Lehrkörpers von Dr. Hoch’s Konservato- glieder der Regelung Rechnung, die, dem jüdischen Anteil an der deutschen Bevölkerung von 1% entsprechend, einen gleichhohen rium erfüllt zu haben“. Der Tod eines alten Kuratoriumsmitglieds Anteil an der Lehrerschaft gestattete, im Fall des Hochschen und der Austritt des „Nichtariers“ Alfred Merton schufen Platz für Konservatoriums einen Lehrer. Der Oberbürgermeister sollte entWilly Renner, einen ehemaligen Schüler und Klavierlehrer am scheiden, ob dieser „Bonus“ dem Geiger Adolf Rebner zukommen Hochschen Konservatorium und zuverlässigen Nationalsozialisten, wie seine Ernennung zum Musikberater des Regierungspräsidenten sollte, der als Leiter des Rebnerquartetts und als Solist überregionales Renommee besaß und, wie der Ausschuss einräumte, sich in Wiesbaden (als Nachfolger von Bernhard Sekles) im Juni 1933 in 35-jähriger Zugehörigkeit zum Konservatorium „Verdienste nicht zeigt. Von den alten Kuratoren waren im Spätsommer 1933 nur gewöhnlicher Art“ erworben hatte, der aber angeblich unbeliebt noch der ehemalige Vorsitzende Professor Dr. Heinrich Richartz war, oder ob dem Korrepetitor Paul Meyer der Verbleib am Konservaund der Staatsanwalt Dr. Walter Knögel im Amt. Der langjährige Kuratoriumsvorsitzende Oswald Feis allerdings nahm als Ehrenmit- torium gestattet werden sollte, dem besondere fachliche und menschliche Qualitäten attestiert wurden. Man verfuhr den Empfehglied noch im Frühjahr 1935 an Beratungen des Kuratoriums teil, lungen des Reorganisationsausschusses entsprechend und verals er längst der „Arbeitskommission für Musik“ im Jüdischen schickte die Kündigungsschreiben am 19. 4. 1933. Sekles hatte Kulturbund angehörte. Rumpf und Knögel traten am 3. April 1933 sein Amt allerdings schon vorher zur Verfügung gestellt. Die Stadt dem „Ausschuß zur Reorganisation des Dr. Hoch’schen bemühte sich, wo sie zwar nicht de jure, aber de facto die finanziKonservatoriums“ bei, dem außerdem die Lehrer ellen Folgen zu tragen hatte, die Ansprüche der Entlassenen Dr. Ligniez, Breidenstein und Racky iep s u Scha 5 4), herabzudrücken. Dem verdienten Direktor Sekles versuchte man und ein Vertreter der st 9 h 1 c – ä e zun (1873 rach Unregelmäßigkeiten in seiner Amtsführung nachzuweisen, was Verwaltung lvier t e b o s r s n e b o ’s K d Au ller, a Alfre Hoch zwar nicht gelang, ihn aber anscheinend so zermürbte, dass er angehörten. In iftste . r r it h D m c n nd S mble r er a ler u und Ense einer einmaligen Abfindung von 12.000 RM zustimmte, obwohl einem ausführlichen r bevo s a , e e s w r u r Leh ielha te. E eine er Anspruch auf lebenslängliche Pensionszahlungen in Höhe Bericht, der in seiner ausp udier r vato t h e s c s S n ium r ter s Ko vator nkfu g de von 6.000 RM jährlich gehabt hätte. Mischung aus s Fra d teilun bürokratischer Umsicht und Zynismus ein exemplarisches Zeitdokument ist, wurde die Kündigung sämtlicher Lehrverträge vorgeschlagen, und zwar im Fall der Juden und Ausländer mit dem Ziel

de erab en un glied A. he at tlass ie U S 3 en die T 3 e t 9 e 1 r in d e e t leit d ä r p u w re s der. s . Er e Jah t nie rium einig ttgar e u t t r S ie r in emig r sich ließ e 1 5 9 1

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D i e G r ü n d u n g d e r S t a a t l i c h e n H o c h s c h u l e f ü r M u s i k F r a n k f u r t a. M.

Schnellstmögliche UmWandlung in Städtische Musikhochschule im Blick

Nebenamtliche Leitung des Konservatoriums

Als Nachfolger für Bernhard Sekles empfahl der Geschäftsführer Vordringliches Anliegen der neuen kulturpolitischen Führungsder Reichskulturkammer und spätere Staatskommissar Hans Hinkel schicht in Frankfurt war die schnellstmögliche Umwandlung von im Einvernehmen mit dem neuen Direktor der Staatlichen MusikDr. Hoch’s Konservatorium in eine Städtische Musikhochschule, hochschule Berlin, Fritz Stein, Karl Hasse aus Tübingen. In Frankfurt was eine augenfällige Übertrumpfung der Administration Landmann bestand aber von vornherein die Absicht, das Direktorenamt nur bedeutet hätte. Es war aber auch klar, dass dieses Prestigeobjekt nebenamtlich, sei es durch einen Kapellmeister am Opernhaus, Kosten verursachen würde, zumal sich die wirtschaftliche Situation sei es durch den ständigen Dirigenten der Museumsgesellschaft, des Konservatoriums noch verschlechterte. Der „Reorganisationswahrnehmen zu lassen. Die Stadt konnte so wieder ihre Sparsamausschuß“ hatte bereits darauf hingewiesen, dass die entlassenen keit unter Beweis stellen und traf eine Personalentscheidung, jjüdischen üdischen Lehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit die sich, falls sich dies im Zuge der geplanten grundlegenden zumindest einen Teil ihrer Schüler ns, n a Umgestaltung des Konservatoriums als erforderlich mitnehmen würden. Deshalb beabsichm - Her olde etri in H P erweisen sollte, verhältnismäßig leicht revidietigte Krebs von Anfang an, „das a n d o Hei ei Eg nistin r te b he ia ie ic ren ließ. Hans Meissner, seit 1933 GeneralintenHoch‘sche Konservatorium bzw. die P d e r u t Die r folg 95) s ine e n mit e e 6–19 dant der Städtischen Bühnen, äußerte später, Hoch’sche Stiftung in irgendeiner g n 0 n n 9 ie (1 ga fahru r te s d be ch Er ände n un a der Idealkandidat, der ausübender Künstler, Form auf die Stadt zu überführen“, li g N r n . e B t in inieru rriere krim chmid er tka is s z Komponist, bewandert in Musikliteratur und d. h. ihr das Stiftungsvermögen n D ld m o r o K sie a en G ische Nam emit htete is n ic -pädagogik und außerdem verwaltungserfahren zuzuschanzen. Er erwirkte einen t r e r n h a tlic e unte eigen wurd 1933 ie – hätte sein sollen, habe nicht zur Verfügung gestanMagistratsbeschluss, der die S 1 3 . ihren . 19 orium in anns er vat e sie s s t den (Bernhard Sekles allerdings hatte alle diese zuständigen Ämter anwies, d k n Herm n o ir u nK ch w lturb sche Dana n Ku . e Qualifikationen vorweisen können). Aus diesen Wege zur Verfolgung seines in n h Hoch e c 6 ss üdis 193 entla de s J te sie r n Erwägungen heraus wurde der Erste Kapellmeister an Plans zu erarbeiten, „damit e 1933 ie n r g e t un mig nhat nstalt ann e r Ma . M e e der Oper Bertil Wetzelsberger zum 1. September 1933 insbesondere bei der VerVera d t m e t an re rrich letzt Mit ih unte ie zu k mit . r nebenamtlich mit der Leitung von Dr. Hoch’s Konservatostadtlichung des Instituts s o o wY S A, w in Ne ic s die U rium betraut. Zugleich mit Wetzelsberger wurden neu als Begleiterscheinungen, die eine u M ol of Scho Lehrer verpflichtet: Gerhard Frommel und Kurt Hessenberg Verteuerung der Betriebsführung […] verursa(Theorie und Komposition), Gustav Lenzewski und Joseph chen, vermieden werden“. Die beiden städtischen Ziele – Peischer (Violine), Helmut Walcha (Kirchenmusik), Maria Umwandlung des Konservatoriums in eine Hochschule und Zugriff Gluck (Gesang) und Heinrich Goy (Gehörbildung). Da über die auf ihr Vermögen – ließen sich jedoch erst nach einer entspreEntlassung der jüdischen und ausländischen Lehrer hinaus weitere chenden Änderung der Anstaltsstatuten erreichen. Tatsächlich acht der am 19. 4. 1933 erfolgten Kündigungen aus Gründen beschloss das willfährige Stiftungskuratorium, unterstützt von des Alters oder der Unterbeschäftigung aufrechterhalten blieben, dem „interimistischen künstlerischen Beirat“ Breidenstein, Ligniez bestand im Schuljahr 1933/34 das Kollegium zu mehr als 50 Pround Racky, der mit dem „Reorganisationsausschuß“ identisch zent aus neuen, überwiegend jüngeren Kräften. gewesen sein dürfte, in der Sitzung vom 22. Juni 1933 das Gewünschte. „Im Falle der Auflösung der Stiftung“ sollte ihr Vermögen an die Stadt fallen mit der Auflage, dass es weiter dem Stiftungszweck gemäß verwendet und der Name „Dr. Hoch’s Konservatorium“ beibehalten werde. Außerdem wurde der Stadt das Recht eingeräumt, die Hälfte der Kuratoriumsmitglieder zu benennen. An den Stifterwillen, der künstlerische Unabhängigkeit aus weitestgehender wirtschaftlicher und struktureller Autarkie erwachsen lassen wollte, verschwendete wohl niemand mehr einen Gedanken – im Gegensatz zu dem ehemaligen Kuratoriumsmitglied und städtischen Musikdezernenten Langer, dessen Respekt vor Geist und Buchstaben der Hochschen Stiftung fünf Jahre früher vielleicht reaktionär, jedenfalls aber honorig gewesen war.

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Momentaufnahme w채hrend des Stummfilm-Projekts der HfMDK im Dezember 2012 mit der Orchestergeigerin Julia Seiwert

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D i e G r ü n d u n g d e r S t a a t l i c h e n H o c h s c h u l e f ü r M u s i k F r a n k f u r t a. M.

Umwandlungsversuch gerät zur Farce

er Seib tyas a M ei onist e st b omp udap B che K is zin r n a e ng e s Ta dier t r Der u ) stu d ein e 0 mpfe li 6 a g 9 5-1 ntikd ls Mit la A t r (190 . a e s ly dá Tran musik n Ko Jazz inem r e e f Zoltá u o sa rk, w e ster er an w Yo orch itete h Ne le c a 8 n ltw eit 2 9 er ie w e Ab 1 d kam . adio e m t n von R atoriu enler n zer te nser v kenn n o o K r K t age eren och‘s über d H n , . r r e e D end klass d Jazz ren S en un ande erste tlass d n n e u er fur t 1933 , wo Frank urde nnien w a r it r E en . roßb wurd ach G tete. r te n ie r rrich emig unte n io it und pos Kom

Der jetzt unternommene Versuch einer „spontanen Hochschulgründung“ geriet durch Schlamperei im Regierungspräsidium in Wiesbaden, Anmaßung des Staatskommissars Hinkel und Trübung des Realitätssinns bei den Frankfurter Kulturfunktionären zu einer Farce. Mit einer Eingabe vom 3. August 1933 an den Regierungspräsidenten in Wiesbaden suchte das Kuratorium um Genehmigung der Satzungsänderung der Bezeichnung als „Hochschule für Musik und Theater der Stadt Frankfurt am Main“ nach. Dieser Antrag scheint weder bearbeitet noch an das Preußische Kultusministerium weitergeleitet worden zu sein. Ohne in Wiesbaden noch einmal nachzufragen, ließ die Stadt am 27. August folgende Presseerklärung erscheinen:

rium geführte Opern- und Opernchorschule, die bisherige Schauspielschule der Bühnengenossenschaft und die aus der Oper auszugliedernde Tanzschule zusammengefasst werden. Eine Bereicherung und Verjüngung des Lehrkörpers wurde versprochen. Zur juristischen Situation hieß es:

„Verhandlungen mit den Regierungsstellen, insbesondere mit Herrn Staatskommissar Hinkel, haben dazu geführt, daß die neue Hochschule für Musik und Theater staatlich anerkannt wird. Das Abschlußzeugnis für Schüler der Hochschule für Musik und Theater hat staatlichen Charakter.“

„Im Zuge der Neugestaltung des Frankfurter Musiklebens wird Dr. Hoch’s Konservatorium, das bisher als private Stiftung lediglich in einer losen Verbindung zur Stadtgemeinde Frankfurt gestanden hat, aus dieser Isolierung herausgelöst und in den Arbeitskreis der Frankfurter Kunstinstitute eingegliedert. Die Stadt Frankfurt hat nun maßgebenden Einfluß im Kuratorium und erhebt die Anstalt zu einer Hochschule für Musik und Theater der Stadt Frankfurt.“ Im Folgenden wurde ausgeführt, dass die Hochschule für Musik das Seminar zur Vorbereitung auf die Staatliche Privatmusiklehrerprüfung, die Abteilung für Schulmusik, die Orchesterschule und das Kirchenmusikalische Institut umfasse. Die Vorschule sollte auf die Hochschule vorbereiten, aber auch „die Grundlagen zu einer lebendigen Pflege der deutschen Hausmusik schaffen“. In der Hochschule für Theater, deren Leitung der neue Generalintendant der Städtischen Bühnen Meissner selbst af übernehmen wollte, sollten die rt Gr erb e H . r ls a D bereits vom Konservatoatte gner

Im Preußischen Kultusministerium ließen die Zeitungsmeldungen aufhorchen, da ein entsprechender Vorgang unbekannt war. Mit Erlass vom 12. September erbat es vom Regierungspräsidium in Wiesbaden Bericht. Das Regierungspräsidium forderte aus Frankfurt nähere Erklärungen an. In zwei Antwortschreiben vom 18. 9. und 2.10.1933 gab der Magistrat noch einmal Erläuterungen zu den vom Kuratorium beschlossenen Satzungsänderungen und ließ durchblicken, er rechne fest mit ihren Genehmigungen. Zur Hochschulgründung hieß es lapidar: „Dem Wunsch des Magistrats entsprechend ist die Bezeichnung des Dr. Hoch’schen Konservatoriums erweitert worden und es heißt nun Hochschule für Musik und Theater der Stadt Frankfurt am Main.“

Verhandlungen über die staatliche Anerkennung ihrer Erhebung zum gleichen Rang wie die Kölner Musikhochschule seien eingeleitet. Staatskommissar Hinkel habe „auf das h ren, d Wa bestimmteste die amtliche Anerkennung der Hochschule ch gebo ichar a R n n „ r ie r übe In W vor e die 973) für Musik und Theater sowie auch die Unterstützung r t, be 1 0 ie – 3 v 3 9 o (190 nen 1 ete. prom derselben in Aussicht gestellt“. Im Klartext sollte das s leit eur“ statio s n m e is iu h g c Re ator r die Zwis nser v r te e wohl heißen, Hinkel repräsentiere das Kultusministerio ie K reren n h s e e e m insz Von ule d Oper . per „ um hinlänglich, um den Dienstweg über das Regierungsnsch n r r O e e e t s r p g s O ber ntla ankfu chön 33 e er Fr präsidium überflüssig zu machen. der S die de 19 An d r ung 33 in r wu fführ n“. E er 19 Urau opoli orge ier te r m f ig Metr u r m a e e e d t iz 0 heu e an 196 chw e Jahr war. die S r te gier t r viele a Über ü g f n zenie r e e d ins York n , wo u A w k S e U in N zurüc len . pera ropa stspie h Eu tan O c a n er Fe r g e r e u t alzb kehr en S bei d u. a.

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Foto: wissenmedia

GrüSSe ohne Absender

Hermann Reutter,

Am 17. Oktober wurde die „Hochschule für Musik und Theater“ offiziell eröffnet. Staatskommissar Hinkel nahm an dem Festakt teil und bestellte „Grüße der Regierung“. Das Preußische Kultusminsterium, das diese Grüße offenbar nicht in Auftrag gegeben hatte und noch immer ohne Bescheid aus Wiesbaden war, forderte am 25.10. in scharfem Ton vom Regierungspräsidenten einen Bericht binnen 10 Tagen an. Vor allem begehrte es Auskunft darüber, mit welchem Recht die neu gegründete Anstalt die Bezeichnung „Hochschule“ führe. Der Bericht des Regierungspräsidenten vom 9.11. ist nicht erhalten. Er dürfte kaum überzeugender ausgefallen sein als die erneut von Wiesbaden eingeforderte Frankfurter Stellungnahme vom 3. November, in der Oberbürgermeister Krebs auf die bereits vorliegenden städtischen Ausführungen Bezug nahm und in fast beschwörendem Ton auf die Zusagen Hinkels verwies. Am 6.1.1934 übersandte das Kulturamt Hinkel den Schriftwechsel mit Wiesbaden „mit ergebenster Bitte um geeignete Veranlassung bei den zuständigen Stellen“. Hinkel aber, der erkannt hatte, dass er sich zu weit vorgewagt hatte, hielt sich nun in dieser Angelegenheit zurück. So entlud sich der Unmut des preußischen Kultusministeriums rückhaltlos in einem Erlass an den Regierungspräsidenten in Wiesbaden vom 26. Februar 1934. Es äußerte sein Befremden darüber, dass die Frankfurter „Hochschule“ schon gefeiert und als Bezeichnung geführt wurde, während in Berlin von entsprechenden Verhandlungen oder gar Zusagen nichts bekannt sei, und untersagte diese Art der Firmierung. Es bemängelte auch Unstimmigkeiten innerhalb der geänderten Satzung und das Fehlen der Rechtsgrundlage. Das Verbot der Bezeichnung als Hochschule wurde vom Regierungspräsidenten an Krebs und von dort an das Kuratorium weitergegeben. Die staatliche Anerkennung des Hochschen Konservatoriums als Hochschule, obwohl schließlich ordnungsgemäß beantragt und von Kuratorium, Krebs und Meissner immer wieder beschworen und in Wiesbaden, Kassel (Oberpräsident) und Berlin angemahnt, verzögerte sich noch jahrelang mit wechselnden Begründungen: Neuverteilung der Kompetenzen in den Ministerien, Geldmangel, Zweifel, ob wirklich Bedarf an einer Musikhochschule in Frankfurt bestehe. Die Stadt sah sich in der Zwangslage, das Interesse des preußischen Staates am Konservatorium durch die Pflege eines anspruchsvollen und entsprechend kostspieligen „Image“ aufrechtzuerhalten, während es in Wahrheit für Schüler nicht wirklich attraktiv und damit rentabel werden konnte, solange es nicht als Hochschule anerkannt war. Umso sorgloser verfuhr man mit dem Stiftungsvermögen. Ein Wohnhaus, das die Stiftung in einem Zwangsversteigerungsverfahren erworben hatte, veräußerte das an Juristen nicht gerade arme Kuratorium zu günstigen Bedingungen an einen Rechtsanwaltkollegen. Es verstieß damit unverfroren gegen §9 des noch immer gültigen Statuts von 1875, wonach das Grundvermögen der Stiftung nicht verringert werden durfte. Die einzige institutionelle Verbesserung, die für das Hochsche Konservatorium in diesen Jahren erzielt werden konnte, war die Erhebung des kirchenmusikalischen Instituts zur Hauptausbildungsstätte für Kirchenmusiker der Landeskirche Hessen-Nassau im Sommer 1934.

ab 1936 Direktor des Hochschen Konservatoriums und Gründungsdirektor

Foto: HfMDK

der Musikhochschule

Helmut Walcha, seit 1933 Leiter einer Orgelklasse am Hochschen Konservatorium, ab 1938 als Professor für Orgel an die Musikhochschule übernommen

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Foto: Andreas Reeg

Foto: Andreas Reeg

Eine Schiller-Szene aus dem Schauspielunterricht von Prof. Werner Wรถlbern in Vorbereitung des Vordiploms im Wintersemester 2012/13

Bratschenunterricht bei Prof. Roland Glassl

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D i e G r ü n d u n g d e r S t a a t l i c h e n H o c h s c h u l e f ü r M u s i k F r a n k f u r t a. M.

Brisantes Arbeitsklima

Sinkende Schülerzahlen

Bertil Wetzelsberger hatte als Direktor des Hochschen Konservatoriums mit einer Fülle von Schwierigkeiten zu kämpfen. Ohne Verwaltungserfahrung und zusätzlich zu dem Direktorat mit den Aufgaben eines Opernkapellmeisters belastet, musste er einem Lehrerkollegium vorstehen, das zur Hälfte ebenso neu war wie er selbst und sich aus unterschiedlichen Gründen in einem Zustand erhöhter Reizbarkeit befand. Die Verunsicherung der gerade noch von der Entlassung Verschonten harmonierte schlecht mit dem hochfliegenden Ehrgeiz der Neulinge, von denen einige die feste Anstellung am Konservatorium als die Krönung einer bis dahin mühe- und wechselvollen, von Arbeitslosigkeit bedrohten Musikerlaufbahn betrachten mussten, teilweise auch als Belohnung politischen Wohlverhaltens. In diesem Klima gediehen Eifersüchteleien, Streit und Denunziation und bildeten Tagesordnungspunkte in fast jeder Kuratoriumssitzung der Jahre 1933, 1934 und 1935, an denen jetzt auch der Direktor teilnahm. Wetzelsberger bemühte sich stets um Ausgleich, fand aber auch über die ihm nachgerühmte Konzilianz hinaus zu Festigkeit gegenüber notorischen Störern. So setzte er Ende 1933 die fristlose Kündigung des Klavierlehrers Rudolf Racky durch, der im Frühjahr dem „Reorganisationskomitee“ angehört und im Konservatorium „einen Herd von Streit und Unruhe“, vermutlich politischer Art, gebildet hatte. Kündigungsgrund war Rackys Beanspruchung einer höheren Besoldungsstufe, weil er angeblich in der „Systemzeit“ als alter Nationalsozialist benachteiligt worden sei, während er in Wirklichkeit bis 1933 SPD-Mitglied gewesen war. Als die Reichsmusikkammer Wetzelsberger aufforderte, Racky wieder einzustellen, lehnte er ab mit der vielsagenden Begründung: „Der mühsam zustandegekommene Frieden der Anstalt kann diese Belastung keinesfalls ertragen.“

Wie berechtigt die wirtschaftlichen Sorgen waren, ergibt sich aus Berichten Wetzelsbergers und Dr. Rumpfs an den Oberbürgermeister sowie des städtischen Revisions- und Organisationsamts im Herbst 1933. Danach war die Schülerzahl seit dem 1. Februar 1932 kontinuierlich von 509 auf 340 zurückgegangen. Der Revisionsbericht konstatierte den ersatzlosen Wegfall der Jazzklasse und die Tatsache, dass sich für die Opernschule keine Schüler und für den Einführungskurs keine Kinder angemeldet hätten. Die Herabsetzung des Schulgeldes um 10 bis 15 Prozent und die Bezahlung der hauptamtlichen Lehrer auf dem Niveau der Musikhochschulen von Berlin und Köln habe ein Defizit von 10.000 bis 12.000 RM ergeben und mache höhere Subventionen erforderlich, als die Stadt vorgesehen habe. Der Bericht Wetzelsbergers und Rumpfs vermerkt ausdrücklich das Ausscheiden nichtarischer Schüler. Einige scheinen jedoch am Institut geblieben und von Wetzelsberger vorurteilsfrei und fair behandelt worden zu sein. Entsprechende Denunziationen blieben nicht aus. Wetzelsberger berief sich demgegenüber auf die staatlichen Vorschriften, die die Aufnahme von Nichtariern bis zu 1 Prozent des Schülerbestandes erlaubten. Die jüdische Schülerin, um die es ging, konnte noch im Juni 1936 die staatliche Musiklehrerprüfung ablegen. Auch ein zweiter Fall ist namentlich bekannt. Hier war dem Prüfungszeugnis vom 10. Februar 1934 der Zusatz beigefügt, die Inhaberin könne von der für die Erteilung des Unterrichtsscheins zuständigen Regierung nur die Unterrichtserlaubnis für nichtarische Schülerinnen und Schüler erhalten. Die damalige Studentin berichtet heute, am Hochschen Konservatorium keinerlei antisemitischen Äußerungen, vielmehr Verwunderung darüber begegnet zu sein, dass sie das Institut von sich aus so schnell war wie möglich 9 42) ische 00 –1 9 ythm (1 h n r verlassen wollte. o h . c m ssen Salo as Fa entla für d 3 Hede Natürlich sind ach in 3 r n 9 o sie rde 1 petit rier te ie wu Korre ig s S das individuelle e m . g e nastik s Krie sung nd Gym d de ntlas n r E Eindrücke, die auch e a r r e w u h r nier t ie wä r s ach ih e t o N gew dadurch relativiert ern in n aus eich, n Lag örde e rankr h F n e e itz B d werden, dass sich hen schw rschie eutsc h Au c d in ve a n ie d die Ausbildung zum urde r an det . Sie w rmor späte rde. or t e u d Privatmusiklehrer weit w 2 t 4 liefer d 19 r t un gehend im Einzelunterpor tie

Weitere Schwierigkeiten für den Betrieb des Instituts erwuchsen aus einem Magistratsbeschluss vom 3. Juli 1933, der – im Zuge einer Kampagne des Gauleiters Sprenger gegen das Doppelverdienertum – zehn Mitgliedern des Opernhausorchesters, die bis dahin Instrumentalunterricht am Konservatorium erteilt hatten, jegliche Nebentätigkeit verbot. Zwar wurde diese unsinnige Anordnung auf den Protest des Kuratoriums hin schon am 24. August bezüglich des Hochschen Konservatoriums wieder aufgehoben, aber den Orchestermusikern blieb weiterhin die Unterrichtung privater Schüler untersagt. Die Stadt glaubte, auf diese Weise Konkurrenz vom Konservatorium fernhalten zu können. Erst auf die Intervention des Fachverbandes Reichsmusikerschaft der Reichsmusikkammer im Mai 1934 hin wurde den Orchestermitgliedern wieder gestattet, ihr Hauptinstrument privat zu unterrichten, wobei das Honorar die Gebühren des Konservatoriums nicht unterschreiten durfte. Protektionistische Bestrebungen zugunsten des Hochschen Konservatoriums waren schon im Bericht des „Reorganisationsausschusses“ vom 10.4.1933 erkennbar gewesen. Dort war vorgeschlagen worden, den Einnahmenrückgang, der infolge des Ausbleibens nichtarischer Schüler zu erwarten sei, dadurch aufzufangen, dass dem Konservatorium ein Monopol für den Instrumentalunterricht innerhalb der städtischen Schulen eingeräumt und der Kreis konkurrierender Privatmusiklehrer durch Einzug von Unterrichtserlaubnisscheinen verkleinert werde.

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D i e G r ü n d u n g d e r S t a a t l i c h e n H o c h s c h u l e f ü r M u s i k F r a n k f u r t a. M.

) 1967 in 876 – (1 r und e Wien Rebn t f d l a o Ad atst r der eiger Heim eiste atoer tm Der G einer z s n o in nser v K ier te e er m Ko d a r r u er vastud e w Lehr Kons 896 d 1 m n . a u is er lern Par ls r Op schü ith . A fur te dem Violin in n Frank e H tier te r l in e konz h Pau Zu se c . s t u t m a e 933 riu uar t hör te rde 1 ner- Q r wu m ge b E iu e . r nd R s o t a nd u de s urop tschla arius ern E u e d in n D Prim ä nL ß er 1938 viele o er verlie w 4 h n 3 er in c o 9 na .1 n, v ssen 1950 h Wie entla ehr te einen k nac k c r ü e E t r . h s zu brac rier te r ging e ig v m und SA e rück den . die U nd zu richt abspielte. n- Ba la h d c s a B e in Deut d Immerhin mag das aben s n e Leb

Hermann Reutter wird neuer Direktor

Klima am Hochschen Konservatorium davon profitiert haben, dass es an dieser Privatanstalt keine studentischen Korporationen gab, die üblicherweise „die Speerspitze des Antisemitismus“ bildeten. Aber auch hier ging es nicht ohne politische Schulung ab. In einem ausführlichen Bericht vom 8.1.1935 weist das Kuratorium unter anderem darauf hin, dass für alle Studierenden über 17 Jahren das Pflichtfach „Staats- und kulturpolitische Erziehung“ bestehe, für das der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund (NSDStB) zuständig sei. Er unterhalte einen eigenen Fachgruppenführer am Institut. Die Akten vermerken mehrere patriotische Feiern: des Reichsgründungstages am 18. Januar 1934, des Tages der nationalen Erhebung am 30. Januar 1935, der Saarrückgliederung am 27. Februar 1935. Wie sie – über den Einsatz von Chor und Orchester und (am 30. Januar 1935) eines Festredners von der NS-Kulturgemeinde hinaus – im Einzelnen und mit welcher ideologischen Verve sie gestaltet wurden, lässt sich heute nicht mehr ermitteln. Die Vereinnahmung des Orchesters für Parteiveranstaltungen wehrte Wetzelsberger ab mit der Begründung, es komme nicht ständig, sondern nur zur Vorbereitung bestimmter institutsgebundener Projekte zusammen, da viele Mitglieder auswärts wohnten. Ein Werbeprospekt für das Schuljahr 1935/36 vermerkte stolz die Gleichschaltung der Frankfurter Kunstanstalten und lässt stilistisch auf Meissner als Autor zumindest der Einleitung schließen. Immerhin führte diese Informationsschrift unter den prominenten Lehrern und Schülern des Konservatoriums Juden wie Joseph Rubinstein, Bernhard Cossmann, Karl Friedberg und Bernhard Sekles und den bereits verfemten Paul Hindemith auf. Im März 1934, als Hindemith im Allgemeinen noch als tragbar galt, machte Wetzelsberger den Vorschlag, ihn und Pfitzner für Gastkurse in Komposition zu gewinnen. Diese Anregung, die eher für Wetzelsbergers Qualitäts- als für seinen Realitätssinn spricht, zeigt, dass er sich trotz der zermürbenden Verwaltungsarbeit, die ihm das Direktorat einbrachte, noch Gedanken über die Profilierung seines Instituts machte. Sicherlich ist es in hohem Maße seinen menschlichen Qualitäten zuzuschreiben, dass das Hochsche Konservatorium in einer Zeit, in der es Spielball administrativer Experimente war, seinen Lehrbetrieb aufrechterhalten konnte.

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1936 wurde Bertil Wetzelsberger als Direktor des Hochschen Konservatoriums abgelöst. Ausschlaggebend dafür waren seine Doppelbelastung und die Überzeugung des Generalintendanten Meissner, dass an die Spitze des Instituts eine „schöpferische“ Persönlichkeit gehöre. Ihr Prestige sollte dazu beitragen, im preußischen Kultusministerium endlich die Erhebung des Hochschen Konservatoriums zur Musikhochschule und damit das Projekt durchzusetzen, mit dem die Frankfurter Kulturverwaltung einer bildungspolitischen Notwendigkeit begegnen und gleichzeitig ein Versäumnis der Ära Landmann korrigieren wollte. Über die Person des künftigen Direktors herrschte jedoch Uneinigkeit. Der Kuratoriumsvorsitzende Rumpf bestand auf Hermann Zilcher (1881–1948), der Schüler und Lehrer am Hochschen Konservatorium gewesen war und als Leiter des Würzburger Konservatoriums Leitungserfahrung besaß. Meissner jedoch qualifizierte Zilcher ab als zu alt, zu teuer und zu wenig zugkräftig. Er bevorzugte Hermann Reutter (1900 –1985), dessen Oper Dr. Johannes Faust er im Mai 1936 erfolgreich aufgeführt hatte und in dem er „einen der wenigen führenden Tonsetzer unserer Zeit“ und einen Hoffnungsträger sah. Meissner stand mit dieser Ansicht nicht allein. Die Reichsmusikkammer war bereits mit Reutters Der große Kalender eröffnet worden, und der Kritiker des Völkischen Beobachter, Hugo Rasch, hatte danach zu dem Komponisten gesagt, dies könne das Oratorium des Dritten Reiches werden. Reutter war im April 1933 in die Partei eingetreten – nach späterer Darstellung auf Anraten ausländischer Freunde und in Form einer reinen Listen-Mitgliedschaft. Auch der Oberbürgermeister war von den Qualitäten Reutters beeindruckt, und im Juli 1936 wurden Verhandlungen mit ihm aufgenommen. Die Frankfurter Position war für Reutter doppelt verlockend. Zum einen wurde sein Fortkommen in Stuttgart durch Otto zur Nedden blockiert, damals Oberregierungsrat im Innenministerium von Württemberg-Hohenzollern und mit Reutter verfeindet. Zum anderen zeichnete sich inzwischen die Erhebung des Hochschen Konservatoriums zur Musikhochschule ab. Reutter legte der Stadt als Erstes ausführliche „Vorschläge zur Bildung einer Staatlichen Hochschule für Musik in Frankfurt am Main“ vor. Sie basierten auf einer „gründlichen Reorganisation des Lehrkörpers“, denn „im Mittelpunkt einer für das In- und Ausland zugkräftigen Anstalt muß ein Gremium von Lehrern stehen, die Träger weithin bekannter Namen sind“. Unter Berufung auf das Leistungsprinzip wurden überaus kritische Beurteilungen der vorhandenen Lehrer hinsichtlich ihrer künstlerischen und pädagogischen Fähigkeiten abgegeben, die Entlassung der „überflüssigen“ und die Umgruppierung der verbleibenden empfohlen bei generell erhöhten Gehältern. „Denn am Golde hängt auch hier alles“, wie Reutter den Stadtvätern bedeutete. Diesem radikalen Revirement standen in der Praxis die laufenden Lehrverträge entgegen. Hingegen fand sich die Stadt zur weiteren Erhöhung der Zuschüsse für das Konservatorium bereit. Auch die von Reutter gewünschten Personaleinstellungen wurden weitgehend realisiert, wie noch darzustellen sein wird. Die aus heutiger Sicht interessanteste Idee Reutters war die Berufung Carl Orffs. Er sollte die Vorschule seinem „Schulwerk“ entspre-


Foto: cyberpaddock

Alma Moodie, ab 1937

chend organisieren und leiten und zusammen mit dem Musikpädagogen Friedrich Scherber die Volksmusikabteilung ausbauen. Über die Entwicklung dieser Angelegenheit findet sich im Protokoll der Kuratoriumssitzung vom 29. 9.1936 folgender Vermerk:

Leiterin einer Meisterklasse für Violine am Hochschen Konservatorium, ab 1938 als Professorin

„Herr Reutter berichtet über die Verhandlungen mit Herrn Dr. Paul Friedrich Scherber. Durch die Verpflichtung des Herrn Dr. Scherber kann die ebenfalls in Aussicht genommene Berufung des Herrn Orf [sic] eingespart werden, da beide Herren das gleiche Fach vertreten.“ Diese Sparsamkeit auf Kosten des Mannes, der im Begriff war, sich einen wirklich „weithin bekannten Namen“ zu machen, kann als Kurzsichtigkeit der Verantwortlichen interpretiert werden, vielleicht aber auch als Taktik Reutters, der sich den Konkurrenten nun doch nicht ins eigene Haus holen wollte. Dem Vertragsabschluss mit Hermann Reutter am 28. September 1936 war der Rücktritt des Kuratoriumsvorsitzenden Rumpf vorausgegangen. Er, der „Säuberung“ und „Reorganisation“ des Hochschen Konservatoriums tatkräftig betrieben und die Interessen der neuen Männer im Frankfurter Musikleben vertreten hatte, fühlte sich von ihnen übergangen und zog sich enttäuscht zurück. Meissner wurde sein Nachfolger als Unterschriftberechtigter im Kuratorium. Am 1. Oktober 1936 wurde Reutter in Anwesenheit von Vertretern des Staates, der Stadt, der Partei und der Kirche feierlich in sein Amt eingeführt. Die Festansprache hielt Meissner, und Reutter bekräftigte seine Absicht, die Anstalt wieder auf die Höhe ihrer Glanzzeit zu heben und „zu einer Pflanzstätte neuen Musikgeistes im Sinne der Forderungen des Staates zu machen“. Mittlerweile war in einem langwierigen Prozess die schon 1933 in Angriff genommene neue Satzung des Hochschen Konservatoriums ausgearbeitet und am 16.10.1936 endlich vom Reichs- und Preußischen Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung genehmigt worden. In dieser Fassung waren auch die letzten Reste von Selbstbestimmung und -verwaltung getilgt. An die Stelle des Kuratoriums trat ein von der Stadt ernannter, vom Staat bestätigter Vorsitzender mit einem Beirat, dessen vier Mitglieder zur Hälfte vom Oberpräsidenten, zur anderen Hälfte vom Oberbürgermeister berufen werden sollten (§5). Vorsitzender wurde Stadtrat Keller, assistiert von Meissner und dem Gauamtsleiter als städtischen sowie zwei Regierungsbeamten als staatlichen Beiräten. Professor Richartz als letzter Vertreter des alten, bürgerlichen Kuratoriums der Zeit vor 1933 und Willy Renner als Relikt der „Kampfzeit“ wurden nicht mehr benötigt und erhielten rDankschreiben des OberbürgerKlavie ) war ? rde – meisters für die u 1 w 89 . Sie m (1 i m e iu h r dem Konservatoriihr, r vato e Len g es onse Mari gelan am K 6 um geleisteten 3 in r 9 1 lehre sen . ren . igrie ntlas Dienste. 33 e u em 19 nd z Engla nach

für Violine in die Musikhochschule übernommen

Bertil Wetzelsberger, nebenamtlicher Direktor des Hochschen Konservatoriums von 1933 bis 1936


D i e G r ü n d u n g d e r S t a a t l i c h e n H o c h s c h u l e f ü r M u s i k F r a n k f u r t a. M.

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Verwirrende Konstruktion Durch Stadtrat Keller vertreten, schloss die Stiftung Dr. Hoch’s Konservatorium am 19. Oktober 1937 einen Vertrag mit der Stadt Frankfurt am Main, vertreten durch den Oberbürgermeister, über die Gründung einer Hochschule: ein Kontrahieren der Stadt mit sich selbst, bei dem die Interessen der Stiftung nicht angemessen vertreten waren und dessen Rechtswirksamkeit bezweifelt werden kann. Die Stiftung verpflichtete sich, „mit der Eröffnung der Hochschule […] den Betrieb des Dr. Hoch’s Konservatorium mit seinen ganzen Einrichtungen und Beständen in die zu errichtende Hochschule für Musik zur kostenfreien dauernden Nutzung für Zwecke der Hochschule“ zu überführen (Stück 2 des Vertrages). Auch die Kapitalerträge der Stiftung sollten, „soweit sie nicht im Einverständnis mit der Stadt zu anderen Zwecken Verwendung finden“, der Finanzierung der Hochschule dienen (Stück 3). Die privatrechtliche Stiftung Dr. Hoch’s Konservatorium blieb also erhalten, während die Hochschule ausdrücklich als juristische Person des öffentlichen Rechts anerkannt wurde. Diese unübersichtliche rechtliche Doppelkonstruktion drückte sich in der umständlichen Benennung der neuen Hochschule aus: „Staatliche Hochschule für Musik in Frankfurt am Main – Dr. Hoch’s Konservatorium“. Zu weiterer Verwirrung trug bei, dass die Vorschule, die im Vertrag ausdrücklich von der Hochschule abgegrenzt worden war (Stück 6c), etwas später als „Musikschule Dr. Hoch’s Konservatorium“ bezeichnet wurde und niemand mehr genau wusste, wie und wo das Hochsche Konservatorium eigentlich weiterexistierte. Praktische Auswirkungen hatten diese juristischen Winkelzüge und Halbherzigkeiten erst nach dem Krieg. Hier werden sie erwähnt, um zu beleuchten, wie die Stadt mit allen Mitteln ihr brennendes Interesse an der Errichtung der Hochschule verfolgte und dabei doch einen Schein von Legitimität und den traditionsreichen Namen einer in Wahrheit ausgehöhlten Frankfurter Institution zu bewahren suchte.

Subventionen mag das verdeutlichen: 1933 36.000 RM 1935 70.000 RM 1936 90.000 RM 1937 150.000 RM 1940 163.000 RM Der auffallende Sprung von 1936 auf 1937 hing natürlich mit den Forderungen zusammen, die Hermann Reutter für die zukünftige Hochschule erhoben hatte. Die Stadt hatte daraufhin die für 1937 zunächst eingestellten 110.000 RM um 40.000 RM erhöht. Krebs versuchte bei den Gemeinderäten, die ihn ohnehin nur beraten durften, dafür Verständnis zu erwecken: „Die Behauptung und Steigerung der Stellung, die Frankfurt auf dem Gebiet der Musikpflege und Musikerziehung hat, ist der erhöhten Opfer wert.“ Mit der gleichen generösen Einstellung trat er Bedenken des Preußischen Finanzministeriums entgegen, das zwar keine staatliche Verantwortung für die Unterhaltung der Musikhochschule übernehmen, aber offenbar die stark verschuldete Stadt Frankfurt warnen wollte. Krebs erklärte, die finanzielle Last „in aller Gewißheit als tragbar verantworten zu können“. Die als allzu großzügig verschriene Finanzpolitik des Oberbürgermeisters Landmann bezüglich des Hochschulprojekts war sehr viel vorsichtiger gewesen als die seines Nachfolgers Krebs, die der Stadt erhebliche und bis weit in die Nachkriegszeiten fortwirkende Verpflichtungen hinterließ. Zunächst aber hatte Krebs mit seinen finanziellen Zugeständnissen das letzte Hindernis auf dem Weg zur Errichtung der Staatlichen Hochschule für Musik ausgeräumt. Der ersehnte Beschluss des Reichs- und Preußischen Ministers für Erziehung, Wissenschaft und Volksbildung erging am 22. Dezember 1937. Gleichzeitig wurde der neuen Hochschule eine Satzung verliehen, die auf dem Vertrag vom 19. Oktober 1937 fußte.

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Foto: Valentin Fanel

Lisa Rykena, Yejin Kwon, David Bauer, Fanni Varga, Chris Jäger in „Revisiting concepts and materials from Hypothetical Stream“ – Neubearbeitung der Choreographie „Hypothetical Stream“ von William Forsythe (1997) durch Regina van Berkel


D i e G r ü n d u n g d e r S t a a t l i c h e n H o c h s c h u l e f ü r M u s i k F r a n k f u r t a. M.

Eröffnung der Hochschule am 1. April 1938 Am 1. April 1938 wurde die Hochschule eröffnet. Am 15. und 16. Die neue Hochschule umfasste die Abteilungen für künstlerische Mai folgte eine offizielle Feier mit mehreren Akten. Im speziell für Ausbildung, das Seminar für Privatmusikerzieher und die Abteilung diesen Tag renovierten Festsaal des Instituts fand am Abend des für Kirchenmusik; angegliedert waren die Orchesterschule, die 15. Mai eine studentische Feier statt, ausgerichtet von den Opernchorschule und der Chorleiterlehrgang. Der dringende und Kameradschaften des NS-Studentenbundes bei der Frankfurter berechtigte Wunsch der Stadt nach einer Abteilung für Schulmusik Universität und beim Hochschen Konservatorium und soldatischwar vorerst nicht erfüllt worden, weil das Kultusministerium die patriotisch aufgezogen. Am nächsten Tag vereinigte ein akadeentsprechende Ausbildungsmöglichkeit an der Kölner Musikhochmischer Festakt Vertreter des Staates, der Partei und der Wehrschule als für Westdeutschland ausreichend ansah. Der mit macht mit städtischer Kulturprominenz und den Lehrern und Hermann Reutter am 18. 9.1936 geschlossene Dienstvertrag Schülern der neuen Hochschule. In Gruß- und Dankadressen wurde sicherte ihm weitgehende Kompetenzen bei der Verwaltung der der Geist der deutschen Musik beschworen. Auch Direktor Reutter Hochschule, insbesondere bei der Berufung und Entlassung der berief sich darauf, wandte sich gegen die „unheilvolle artfremde Lehrer. Die Hochschulsatzung gewährte ihm einen Anspruch auf Zersetzung“ in der Weimarer Zeit und verlangte von einer neuen sachkundige Hilfe bei der Administration, nämlich auf das „erforMusik, die „dieser großen Gegenwart verhaftet ist“, „Klarheit, derliche Verwaltungspersonal“ und einen ständigen Vertreter. Einfachheit, Monumentalität“. Reutter hatte diesen Forderungen bei So konnte Reutter den Typus des Künstlers in der Position eines seiner Vertonung von Hölderlins Gesang des Deutschen, einer Kanta- Direktors repräsentieren, dem die Kärrnerarbeit weitgehend te für Chor, Orchester und Solostimmen, die er eigens für das abgenommen wird. In Haushalts- und Berufungsfragen hatte er laut abendliche Festkonzert geschrieben hatte, weitgehend entsprochen. Satzung den Hochschulbeirat zu konsultieren, der sich zusammen„Ohne alle kleinliche Malerei rahmt und unterstützt das Orchester setzte aus dem Oberbürgermeister, dem Vorstand der Stiftung den Chor und die Solostimmen und formt mit ihnen zusammen Dr. Hoch’s Konservatorium, also Stadtrat Keller, Vertretern des den einfachen, großen und klaren Stil der ernsten, würdigen Oberpräsidenten in Kassel und des Regierungspräsidenten in Hymne“, so nimmt der Rezensent der Frankfurter Zeitung Karl Holl Wiesbaden, Vertretern der Kirchenbehörden und vier „musiklieden Komponisten beim eigenen Wort. Er fährt fort: „Das Ganze ist benden“ Mitgliedern, die zu gleichen Teilen vom Oberpräsidenten nicht auf epigonale Art, sondern in einem durch die Krise gehärund vom Oberbürgermeister ernannt wurden (Stück 7). Auf diese teten und erweiterten Sinn tonal stilisiert.“ Ein Leser, der gewohnt Weise gelangten wieder Hans Meissner und der Gauamtsleiter, war, Holls Kritiken „gegen den Strich“ zu lesen, könnte vermuten, außerdem der Generalmusikdirektor Konwitschny in das Gremium, dass hier das Wort „epigonal“, wenn auch harmlos verpackt, fallen das Reutter bei der Verwirklichung seiner Hochschulpläne keine sollte, zumal kurz darauf „das Vorbild von Brahms“ beschworen nennenswerten Schwierigkeiten bereitet zu haben scheint. Reutter wird. Auch die beiden anderen zeitgenössischen Programmpunkte war entschlossen, die Gunst der Stunde, nämlich Ehrgeiz und des Festkonzertes, die Erstaufführung von Gerhard Frommels finanzielle Großzügigkeit der Frankfurter MusikverantwortKonzert in h-Moll für Klavier, Solo-Klarinette und lichen, für den Aufbau eines Instituts von hohem, weithin Streichorchester und Karl Höllers Konzert ausstrahlenden Prestige zu nutzen. h c s Hir en . ( auch für Violine und Orchester in tlass n n h e a H d 1933 Rosy ollan Uraufführung, erfuhren eine urde ltistin ach H 9) w n 6 t 9 s 1 Die A 8– uer ss sorgfältige, positive Würdisie z , 188 achla rier te Hahn Ihr N siig . d m n iv e gung, die jedoch gewisse n er ch Engla ter U r h u Dana c f a k n ran Vorbehalte Holls ahnen lässt. 19 4 4 der F und h in ic s t e Immerhin bewies die neue Hochd befin hek . ibliot schule, dass sie einen Konzertb s t ä t abend mit Werken überregional bekannter Komponisten aus der eigenen Lehrerschaft und mit eigenem Chor, Orchester und eigenen Solisten (Alma Moodie, Violine; Eduard Liebhold, Klarinette; Georg Kuhlmann, Klavier) gestalten konnte: eine repräsentative Visitenkarte.

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Quelle: Institut fĂźr Stadtgeschichte Frankfurt am Main

Programm der Feierlichkeiten zur ErĂśffnung der Musikhochschule am 15./16. Mai 1938

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Reutters Personalpolitik Entsprechend gestaltete sich seine Personalpolitik. Aus Stuttgart hatte er Hugo Holle mitgebracht, einen Regerschüler und Chorleiter, der ihn als fähiger stellvertretender Direktor von der Verwaltungsarbeit entlastete. Bei Instrumentallehrern und Gesangspädagogen setzte er, wie angekündigt, auf Namen und Qualität. So bemerkte er in seinen „Vorschlägen zur Bildung einer Staatlichen Hochschule für Musik“ von 1936 über den bekannten, bereits am Hochschen Konservatorium lehrenden Pianisten Alfred Hoehn: „Natürlich beizubehalten unter Betonung einer absolut autoritären Stellung“. Weniger renommierte Künstler übernahm er nur mit Vorbehalt, so den Geiger Gustav Lenzewski, der als Leiter des Lenzewski-Quartetts immerhin kein Unbekannter war: „Beizubehalten oder mit Herrn Peischer ab 1937 evtl. zu entlassen, dafür ein 1. Geiger zu engagieren“. Was er für Mittelmaß hielt, qualifizierte er unbarmherzig ab. Im Frühjahr 1937 verfügte er die Entlassung der Musikpädagogin Cilla Geis, die bisher angehende Schulmusiker auf die Staatsprüfung in Berlin vorbereitet und mit der Streichung jeglicher schulmusikalischen Ausbildung in Frankfurt ihr Aufgabengebiet verloren hatte. Den zahlreichen Interventionen dankbarer Schüler blieb Reutter ebenso unzugänglich wie dem Protest des Gaupropagandaleiters, der sich ebenfalls für die schwärmerische Alt-Nationalsozialistin einsetzte. Den Vorschlag, ihr wenigstens die Leitung des Hochschulchors zu überlassen, wies er zurück: „Ich wiederhole nochmals, daß es eine Dirigentin von Rang bis zum heutigen Tag niemals gegeben hat“. Dabei spielte er geschickt das nationalsozialistische Frauenbild aus, bei dem Kreativität und Führungsqualitäten bewusst ausgespart blieben. So machte er die Bahn frei für den namhaften Chordirigenten Hugo Holle und entsprach seinem eigenen Erfolgsrezept „Breiteste Wirkung nach innen und außen“. Diesem Prinzip folgte er auch mit der Verpflichtung der bekannten Solisten Alma Moodie (Violine), Rudolf Metzmacher (Violoncello) und Erich Riebensahm (Klavier), die einem leistungsfähigen und von Reutter konsequent ergänzten und verbesserten Lehrerkollegium den erwünschten überlokalen Glanz verliehen.

Welche Gesichtspunkte Reutter im Umgang mit Kompositionslehrern leiteten, liegt weniger offen zu Tage. Mit Karl Höller (geb. 1907) verpflichtete er einen bereits anerkannten Komponisten als Kompositionslehrer und Leiter des Seminars für katholische Kirchenmusik. Offensichtlich schätzte er ihn höher ein als die bereits im Institut lehrenden Komponisten Gerhard Frommel und Kurt Hessenberg. In seinen „Vorschlägen“ empfahl er, Frommel „beizubehalten, jedoch nicht in der bisherigen Vorzugsstellung als 1. Kompositionslehrer“. Für den introvertierten Hessenberg fehlte dem weltläufigeren Reutter offensichtlich das Verständnis. Zunächst war er für seine Entlassung eingetreten, beschäftigte ihn dann aber doch als „außerordentlichen künstlerischen Lehrbeauftragten“ für Gehörbildung und allgemeine Musiklehre bei Sängern, Ballettschülerinnen und in der Vorschule, also mit untergeordneten, unbefriedigenden Aufgaben. Seine Besoldung hielt sich jahrelang an der untersten Grenze. In einem Aufsatz, in dem Reutter ziemlich ausführlich über den Aufbau der Hochschule sowie Qualifikation und Einsatz der Lehrer berichtete, blieb Hessenberg unerwähnt. Dabei setzten 1937 dessen Erfolge als Komponist ein. Seinen Durchbruch erzielte er mit seinem Concerto grosso (Konzert Nr.1) für Orchester op. 18, das 1939 beim Internationalen Musikfest in Baden-Baden zum ersten Mal gespielt, danach mehrfach von Furtwängler mit den Berliner Philharmonikern aufgeführt und von mehreren namhaften Dirigenten im In- und Ausland bekanntgemacht wurde. Aber selbst als Hessenberg 1940 zusammen mit Max Trapp und seinem Institutskollegen Karl Höller den von Goebbels gestifteten und zum ersten (und einzigen) Mal vergebenen Nationalen Komponistenpreis erhielt, verbesserte sich seine Einstufung innerhalb der Frankfurter Musikhochschule nicht. Schließlich intervenierte sein Schwiegervater, Franz Volhard, einer der bedeutendsten Internisten seiner Zeit und bekannt als Mann direkter, unkonventioneller Vorgehensweisen, bei der Gauleitung. Auf Druck von oben leitete Reutter, wenn auch ohne besondere Eile, Hessenbergs Beförderung zum beamteten Dozenten ein, die ihn mit den beiden anderen Komponisten Höller und Frommel gleichstellte und sein Gehalt verdoppelte. Hessenberg erhielt nun auch den Gaukulturpreis. Seine Gegenleistung bestand in einem späten Antrag auf Aufnahme in die Partei, der jedoch nicht mehr zur Mitgliedschaft führte. Mag Reutters Zurücksetzung Hessen) bergs anfänglich noch aus dem Gegensatz ihres Charakters 1 4 6–19 l (188 a erklärlich gewesen sein, so steht sein Verhalten dem plötzlich h t osen rium na ) R r vato n e arrivierten Kollegen gegenüber in so eklatantem Gegensatz zu s A n : ch chen m Ko i ( au Jüdis rin a e s r seiner sonstigen Gepflogenheit, „Träger bekannter Namen“ e Aenn h . d n le sse e ster eigen entla h Orch ie c s war G in seinem Kollegium zu fördern und herauszustellen, dass sich li im e in e wurd sche spielt t wahr d 1933 , und a . z hier der Verdacht des Konkurrenzneides aufdrängt. Auch die t s d s d ann ch Lo rbun Litzm ie na dem Kultu o s t r t befremdliche Entscheidung, letzten Endes doch von der e o e d v h wur eG tion . disch 19 41 iente ensta d h jü c Einstellung Carl Orffs abzusehen, könnte hier ihr Motiv r e e is or tig ls Zw gslag ins d htun das a ic , haben. Die Bevorzugung Paul Friedrich Scherbers vor Orff t n r r e r tie er V depo em d pur. in S als Leiter des Privatmusikseminars verwundert umso e e r ih e in h End r t sic verlie t r o D

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mehr, als Scherber Reutters hohen Qualitätsansprüchen eigentlich in keiner Weise gerecht werden konnte. Dokumente und Zeitgenossen bestätigen übereinstimmend die Fragwürdigkeit seiner „Einheitlichen Musiklehre“ und seinen Mangel an persönlicher und künstlerischer Ausstrahlung. Reutters kritischem Blick dürfte das kaum entgangen sein. Für Scherber sprachen aber wichtige politische Gesichtspunkte: Er war alter Parteigenosse, SA-Mann und Musikreferent der HJ, und er wurde vom Universitätsmusikdirektor, dem Musikwissenschaftler Joseph MüllerBlattau, empfohlen. Möglicherweise bedachte Reutter Paul Friedrich Scherber mit der Rolle des ideologischen Aushängeschilds, hinter dem er einigermaßen ungestört die künstlerischen Interessen seines Instituts und seiner eigenen Person verfolgen zu können hoffte. Indem er Scherber bei jeder Gelegenheit herausstrich, konnte er es sich leisten, ein anderes gläubig-nationalsozialistisches Mitglied seines Kollegiums, den Theorielehrer Heinrich Goy, Parteimitglied und Dozentenführer des NSD-Dozentenbundes an der Musikhochschule, in jeder Beziehung kurz zu halten. Goys bewegte Klagen gegenüber dem Gaudozentenführer, er werde trotz politischer Tätigkeit nicht ins Dozentenverhältnis berufen und könne sich an der Musikhochschule künstlerisch, musikwissenschaftlich und erzieherisch nicht entfalten, fruchteten ebenso wenig wie die Anzettelung einer Intrige gegen Hugo Holles Nachfolger als stellvertretender Direktor und der Versuch, in seiner Eigenschaft als Dozentenführer in den Hochschulbeirat aufgenommen zu werden. Wie eine erhaltene Liste belegt, waren von 30 Lehrern zehn sowohl Mitglied der NSDAP als auch des Dozentenbundes, also um ein tadelloses politisches Erscheinungsbild bemüht. Eine Minderheit von sieben gehörte keiner der beiden Organisationen an, unter ihnen Helmut Walcha, dessen Politikferne auf diese Weise bestätigt wird, aber auch zwei Lehrer, die ihrer ehemaligen Logenzugehörigkeit wegen nicht aufgenommen wurden. Der Rest war entweder in der Partei oder im Dozentenbund, ließ es also bei einer Loyalitätsgeste bewenden. Die Akten weisen den Dozentenbund als einen Bespitzelungs- und Disziplinierungsmechanismus aus, den der Dozentenführer gegen seine Kollegen in Gang hielt. In Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst des Reichsführers SS wurden Schwachpunkte aus ihrer Intimsphäre, ihrer Vergangenheit und

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ihrem Familienkreis gesammelt und gegen politisches Wohlverhalten verrechnet („Früher Freimaurer, aber eifrig in der Wehrbetreuung“), wurden Pauschalurteile über Persönlichkeit und berufliche Qualifikation abgegeben. Augenfällig werden der ständige Gesinnungsterror und der gesellschaftspolitische Rechtfertigungsdruck an Entschuldigungszetteln, mit denen angesehene Klavierpädagogen ihr Fernbleiben von einer Straßensammlung begründeten. Dennoch war der Dozentenbundführer mit dem „politischen Gesamtbild“ der Hochschule unzufrieden: „Viele fachlich hervorragende Lehrkräfte, in den meisten Fällen unpolitische Künstlernaturen, jedoch kein positives Verhältnis zur NS-Weltanschauung und zur völkischen Lebenshaltung.“ Dass dieses aus heutiger Sicht erfreuliche Übergewicht künstlerischer über politische Aktion eng mit Reutters Führungsstil zusammenhängt, zeigt ein Gutachten des Dozentenführers über den Hochschuldirektor. Goys Nachfolger Julius Maurer, der zusammen mit Karl Höller die Dirigentenklasse leitete und offenbar weniger Ressentiments abzureagieren hatte als sein Vorgänger, gibt einen sachlichen Überblick über Reutters bisheriges kompositorisches Schaffen, das bei „Klärung, Vereinfachung, Verinnerlichung in den letzten Jahren“ und „einem Zug zur Monumentalität“ nun auch „bei nationalpolitischen Veranstaltungen brauchbar“ sei. Er findet „verständlich und bedauerlich“, dass Reutters Tätigkeit als Pädagoge und Hochschulleiter hinter seine künstlerischen Aktivitäten zurücktrete, hebt sein Interesse an guten Lehrkräften hervor, bemängelt aber, dass er einzelne bevorzuge, keine „echte Gemeinschaft“ bilde und sich persönlich abschotte. Politisch habe er sich nie betätigt, auch wenn er sich als überzeugten Nationalsozialisten bezeichne. Trotz Mitgliedschaft im Dozentenbund lege er wenig Wert auf Zusammenarbeit mit ihm. Diese Charakterisierung bestätigt den Eindruck, der sich aus den angeführten Beispielen seiner Personalführung ergibt: den Eindruck imposanter, elitärer Selbstbezogenheit. Sie war offenbar so festgefügt, dass sie durch die offizielle Ungnade, die Reutter eine Zeitlang traf, nur vorübergehend erschüttert wurde. Sein alter Feind Otto zur Nedden hatte im Verein mit Hans Severus Ziegler und Heinz Drewes, dem Leiter der Abteilung Musik im Propagandaministerium, auf dem Tonkünstlerfest in Weimar 1936 Goebbels gegen Reutter aufgehetzt und beinahe ein generelles Aufführungsverbot seiner Faustoper erreicht. Auf der Düsseldorfer Ausstellung Entartete Musik holten sie zu einem neuen Schlag aus und setzten Reutter auf „eine Namenstafel der Komponisten in ihrer international-jüdischen Verflechtung während der Nachkriegs-Musikfeste des Allgemeinen Deutschen Musikvereins und der berüchtigten Musikfeste in Baden-Baden“. Oberbürgermeister Krebs geriet daraufhin in Zorn und veranlasste, dass die inkriminierenden Hinweise auf Reutter und den ebenfalls angeprangerten Gerhard Frommel aus der Ausstellung verschwan-


D i e G r ü n d u n g d e r S t a a t l i c h e n H o c h s c h u l e f ü r M u s i k F r a n k f u r t a. M.

„Kurze Glanzzeit“ den. Reutters überschwängliche Dankbarkeitsbekundungen gegenüber Krebs zeigen, dass ihn der Vorfall außerordentlich schockiert und verunsichert hatte. Weit entfernt davon, die Rolle eines Systemgegners zu akzeptieren, bemühte er sich um seine Rehabilitierung und wurde dabei unterstützt von Krebs, Meissner, Friedrich Bethge und nicht zuletzt dem Reichs- und Preußischen Kultusministerium, das Reutter und seiner Hochschule wohlgesonnen war. Schallplatten mit Musik von Reutter sollten Hitler davon überzeugen, dass sie durchaus nicht kulturbolschewistisch sei, aber es verlautete, sie seien im Propagandaministerium vernichtet worden. Zu den Düsseldorfer Reichsmusiktagen im Mai 1939 indessen erhielt Reutter eine persönliche Einladung von Goebbels. Was diesen Klimawechsel im Propagandaministerium bewirkt hatte, bleibt offen. Im Oktober 1939 bestätigte Hitler nach monatelanger

Für die Leitung einer aufstrebenden Musikhochschule im nationalsozialistischen Deutschland war ein Mann vom persönlichen und künstlerischen Zuschnitt Hermann Reutters sicherlich eine vorteilhafte Besetzung. Die Jahre seines Direktorats, in denen die gute finanzielle Ausstattung und die Qualität seines Lehrerkollegiums volle Wirkung entfalten konnten, ohne dass sie durch Kriegseinflüsse bereits wieder abgeschwächt worden wäre, kann man als eine „kurze Glanzzeit“ der Hochschule bezeichnen. Aus den Ausbildungsklassen gerade dieser Jahre gingen eine Reihe namhafter Instrumentalsolisten und Dirigenten, vor allem aber zahlreiche Mitglieder der Frankfurter Orchester und Lehrer an der Musikhochschule in der Nachkriegszeit hervor. Gemäß Reutters Prinzip der größtmöglichen Effizienz in alle Richtungen traten die prominenten Lehrer stärker in den Hochschulkonzerten hervor, als dies bisher üblich gewesen war. Ein geeignetes Forum bildete die „Woche der Musik“, die auf Anordnung des Kultusministeriums seit 1939 alljährlich von den Musikhochschulen veranstaltet werden sollte. Zwischen dem 4. und dem 10. Juni 1939 gab es ein Programm mit Orgel- und Kammermusik des 17. und 18. Jahrhunderts und anlässlich des 70. Geburtstages von Hans Pfitzner ein Konzert mit seinen Werken (Cellosonate op. 1 mit Rudolf Metzmacher und Georg Kuhlmann, Klaviertrio op. 8 unter Hinzuziehung des Geigers Joseph Peischer, Lieder, vorgetragen von der Gesangsdozentin Marga Iff-Koch). Am folgenden Tag wurde Joseph Haas, der in diesem Jahr 60 Jahre alt geworden war, mit einer Morgenfeier geehrt. Bei einem Beethovenabend des Hochschulorchesters traten Alfred Hoehn und Alma Moodie solistisch hervor. Die Woche schloss mit der Winterreise von Schubert, gesungen von dem Bariton Ludwig Druschel aus der Gesangsklasse von Rudolf Ligniez und begleitet von Hermann Reutter. Hermann Reutter trat in Frankfurt auch außerhalb der Hochschule als Begleiter bekannter Liedinterpreten, aber auch von Instrumentalsolisten wie Alma Moodie auf.

Verzögerung die offizielle Ernennung Reutters zum Hochschuldirektor und Professor. Es ist bemerkenswert, dass Reutter sich im Kampf um die verlorene Gunst der NS-Führung künstlerischer Mittel zu bedienen versuchte anstatt der politischen Intrige oder Anbiederung. Wenn man von einem Hochschulkonzert absieht, das Reutter zu Ehren von Kultusminister Bernhard Rust im Sommer 1939 oder 1940 veranstaltete der oder zu veranstalten titor rrepe o K tet, e ach ), als beabsichtigte, ochg 91–? h 8 d er (1 t n er zeigt seine 3 „ un ätzt u Mey e sch t 193 g s Paul eu b le r g u Amtsführung auch 1. Au w eite nsch ium em 3 r Oper d r o t e h a er v e nac ch ein in den Monaten Kons wurd er na m . t a ä n e p “ s s s ehalt seiner Diffamierung enig entla Vorb gen nd ber w e a u ll , t h o ftig reic es K keine Anzeichen schä Frank n ein nach ziatio n 6 u 3 n besonderer politischer 9 De . r te 1 USA igrie in die Beflissenheit. Er em 938 or t von d

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Walcha und Bach Starke Impulse innerhalb und außerhalb der Hochschule vermittelte auch der Organist Helmut Walcha (1907–1991). An der nach seinen Anweisungen und den Grundsätzen der Orgelbewegung 1936 umgebauten Orgel des Hochschen Konservatoriums veranstaltete er Orgelabende mit Werken von Bach und seinen Vorgängern, von 1938 an die „Frankfurter Bachstunden“, mit denen er Bach in Frankfurt erst wirklich populär machte. Karl Holl weist auf den „besinnlich-feierlichen Charakter“ dieser Veranstaltungen hin, auf das besondere, sich als Gemeinde fühlende Publikum und das Fehlen des Beifalls. Ein Zug von Ideologisierung ist hier unübersehbar, eine Flucht in „ewige Werte, zu denen die schlechte Gegenwart in Konflikt geraten war“.

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Ambivalente Modernisierung Die nationalsozialistische Stadtverwaltung hatte zwar nicht, wie erhofft, im Handstreich, jedoch in langem, zähen Ringen erreicht, was in der „Systemzeit“ unter Kestenberg und Ludwig Landmann misslungen war: aus dem traditionsreichen, bürgerlich geprägten Privatinstitut Dr. Hoch’s Konservatorium, dessen wirtschaftliche und rechtliche Verfassung nicht mehr den Anforderungen genügte, eine moderne Musikhochschule zu machen. Dies gelang allerdings nur unter gründlicher Missachtung des in den Statuten festgeschriebenen Stifterwillens und Aushöhlung des alten Hochschen Konservatoriums, dessen geschützter Name nur noch als Appendix und als Bezeichnung der Vorschule eine Alibiexistenz weiterführte. Hier lag eine der ambivalenten Modernisierungen vor, die kennzeichnend für den Nationalsozialismus sind; ambivalent wegen der Gewaltsamkeit und Widerrechtlichkeit ihrer Durchsetzung einerseits und ihrer vorteilhaften Auswirkungen andererseits. Dass die Hochschulgründung die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllte, verdankt sie in hohem Maße dem Direktor Hermann Reutter, der die institutionellen und finanziellen Chancen zu nutzen verstand und der Hochschule eine Position als wichtiger kultureller Faktor

innerhalb Frankfurts und als musikpädagogischer Anziehungspunkt für Südwestdeutschland verschaffte. Sein selbstbewusster, leistungsorientierter Führungsstil schirmte das Arbeitsklima innerhalb seines Instituts weitgehend gegen politische Zumutungen ab. Die neue Hochschule stellte einen ansehnlichen Aktivposten des damaligen kulturellen Frankfurts dar. Autorisierte Wiederveröffentlichung aus: Eva Hanau, Musikinstitutionen in Frankfurt am Main 1933 bis 1939, Köln: Studiopunkt-Verlag 1994, S. 11f., 27ff., 39, 51ff., 71ff., 112.ff., 150f.; Literaturund Quellennachweise siehe dort.

Das Hochschulorchester bei einer Probe im Großen Saal der HfMDK

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EIN UNBEKANNTES MUSIKPÄDAGOGISCHES DOKUMENT VON 1927: HINDEMITHS KONZEPTION EINER MUSIKHOCHSCHULE Von Prof. Dr. Peter Cahn

Schon während der zwanziger Jahre hat Paul Hindemith mehrfach zu musikalischen Zeitfragen öffentlich Stellung bezogen. Die Thematik dieser programmatischen Äußerungen ergab sich aus den Problemen, mit denen er sich als Instrumentalist und Komponist konfrontiert sah. Erinnert sei etwa an die gemeinsam mit Reinhold Merten proklamationsartig verbreitete Kritik am Konzertbetrieb von 1922, an den Aufsatz Über mechanische Musik von 1927 und an die Forderungen an den musikalischen Laien von 1930. Vergleichbare Thesen Hindemiths zu dem spätestens ab 1927 für ihn wichtigen Thema der Ausbildung von Berufsmusikern, speziell von Komponisten, sind dagegen erst in der Einleitung zur Unterweisung im Tonsatz und in den Vorschlägen zur Neuorganisation des türkischen Musiklebens aus der Mitte der dreißiger Jahre bekannt geworden. Eine zusammenfassende Behandlung findet der Komplex Pädagogik erst im 9. Kapitel von A Composer´s World (1952). Sollte der originellen Form des Unterrichts, wie Hindemith ihn in Berlin erteilte, tatsächlich keine Darlegung seiner Konzeption von pädagogischem Wirken vorausgegangen sein, in einer an pädagogischen Ideen so reichen und zugleich bedürftigen Zeit? Wenn nicht alles täuscht, so hat Hindemith seine 1950 in Harvard vorgetragenen Gedanken über Musikpädagogik im Kern schon vor der Übersiedlung nach Berlin im Frühjahr 1927 niedergelegt, und zwar in Gestalt einer kritischen Stellungnahme zum Satzungsentwurf für eine Staatliche Musikhochschule, deren Gründung damals in Frankfurt geplant war, aber nicht zustande kam. Als Autor der Stellungnahme figuriert Licco Amar, der Primarius des nach ihm benannten Streichquartetts, dem Paul Hindemith als Bratschist angehörte. Dass es sich dabei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine Fiktion handelt, wird darzulegen sein. Zunächst jedoch sei auf den Ablauf der Ereignisse eingegangen, die Hindemith alias Amar veranlassten, Eingaben an den Frankfurter Magistrat zu richten. Es handelt sich dabei um Vorgänge, die auch in Frankfurt unbekannt geblieben sind. Die Satzungskritik Hindemiths hat trotz der inzwischen verstrichenen Jahrzehnte nur wenig von ihrem Aktualitätswert verloren. Nie hat er sich engagierter zu musikpädagogischen Fragen geäußert.

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Die mit dem Namen Leo Kestenberg verknüpfte Reform des musikalischen Unterrichtswesens in Preußen ging auch an Frankfurt nicht spurlos vorüber. Zur Ausbildung von Musiklehrern nach den neuen Prüfungsbestimmungen wurden Staatliche Prüfungsausschüsse und Hochschulen benötigt. Die Absicht des Ministeriums, die privaten Konservatorien in Köln und Frankfurt am Main in Staatliche Hochschulen umzuwandeln, führte 1925 in Köln zum Erfolg; in Frankfurt hingegen erwies sich die Tradition des als Stiftung verfassten Hochschen Konservatoriums als hartnäckiges Hindernis. Angesichts der beschränkten verfügbaren Mittel forderte Kestenberg eine drastische Reduzierung des Lehrkörpers und die völlige Abtrennung jeglicher Laienausbildung von der geplanten Hochschule; außerdem für die Berufung des Direktors und der Professoren maßgeblichen Einfluss des Ministeriums bei vergleichsweise bescheidener finanzieller Beteiligung. Mit dem Statut der Stiftung Dr. Hoch‘s Konservatorium waren solche Pläne unvereinbar. Aber nicht nur dort stießen sie auf Widerstand, sondern auch beim Frankfurter Magistrat, der die auf ihn zukommende Subventionslast durch höhere Staatszuschüsse gemindert sehen wollte und deshalb hinhaltend taktierte. Kestenberg suchte daher ab 1924, nachdem das Stiftungskuratorium mit der Ernennung von Bernhard Sekles zum Direktor vollendete Tatsachen geschaffen hatte, die Gründung einer vom Hochschen Konservatorium unabhängigen Hochschule zu erreichen. Das Institut sollte der Ausbildung von Schulmusikern und Privatmusiklehrern im Sinne der neuen Prüfungsordnung dienen. Es gelang ihm, nach mancherlei Schwierigkeiten den Frankfurter Oberbürgermeister für diesen Plan zu gewinnen. Da die Geltung der alten Prüfungsbestimmungen bis 1927 unbefristet war, arbeitete die Zeit für Kestenbergs Idee eines Schul- und Privatmusikseminars in Frankfurt. Im August 1926 beschloss der Magistrat, die Hochschule spätestens 1928 zu eröffnen. Damit traten inhaltliche und personelle Fragen in den Vordergrund.


Kestenbergs Vorstellungen gingen dahin, dass in Frankfurt nicht lediglich ein Parallelinstitut zu Berlin und Köln entstehen sollte; vielmehr sollte die Frankfurter Hochschule betont fortschrittlich gestaltet werden, unter anderem durch Ausbildungsmöglichkeiten für Bereiche wie Rundfunk-, Film- und Unterhaltungsmusik sowie für Chorleitung. Durch Einbeziehung dieser Musikzweige erhoffte er sich eine Hebung des Geschmacks der breiten Masse.

Frankfurt am Main, den 8. Januar 1927 Herrn Oberbürgermeister zur gefl. Kenntnisnahme vorzulegen Herr Hindemith hat mich heute besucht und mit mir über verschiedene Fragen (Donaueschinger Musiktage, Musikerausbildung, Hochschule) gesprochen.

Ein Widersacher Kestenbergs war und blieb der Frankfurter Musikdezernent Heinrich Langer. Kestenberg hat ihn gelegentlich intern als „reaktionär“ bezeichnet. Langer erarbeitete einen Satzungsentwurf für die Hochschule, der im Februar 1927 dem Ministerium zugeleitet wurde. Gegen Kestenbergs Plan einer Hochschulgründung ohne Beteiligung des Hochschen Konservatoriums, der selbst der Presse verborgen blieb, opponierte Langer jedoch weiterhin. Die nachstehend zitierten Quellen sind vor dem Hintergrund von drei Sachkomplexen bzw. Interessenlagen zu sehen, die sich teilweise überschneiden:

Die Frage der Donaueschinger Musiktage wurde zunächst nur gestreift. Wir unterhielten uns dann länger über die Musikerausbildung, über die Herr Hindemith der Auffassung ist, daß sie zur Zeit sowohl von den Hochschulen als auch vom Konservatorium falsch vorgenommen würde. Man dränge bei der Erziehung in der Richtung auf das Virtuosentum, ohne daß ein entsprechender Bedarf und ohne daß auch die nötige Zahl entsprechend veranlagter Individuen vorhanden sei. Er redete einer systematischen energischen Gebrauchsmusikerausbildung das Wort. In dieser Beziehung konnte ich mich mit ihm identifizieren. Ich wies auch auf den von ihm anerkannten Widerspruch hin, daß die Berliner Zentralstellen einerseits die höchstqualifizierten Lehrer, die selbst Virtuosen seien, verlangen, andererseits aber offenbar die mit einem so qualifizierten Lehrpersonal nicht zu vereinbarende Gebrauchsmusikerausbildung tendieren. Ich schlug Herrn Hindemith dann vor, bei dem Versuch des von ihm aufgestellten soeben skizzierten Programms in Frankfurt am Main mitzuwirken. Er erklärte aber, auf die Errichtung der Hochschule nicht warten zu können, er habe auch in Berlin bereits fest abgeschlossen. Die Mitarbeit an dem Hoch-schen Konservatorium, das ihm begreiflicherweise kein Aequivalent für die Berliner Hochschule bietet, lehnte er ziemlich offensichtlich ab. Dagegen schlug er vor, im Anschluß an die Donaueschinger Musiktage in Frankfurt am Main einen etwa dreimonatigen Kompositionskurs abzuhalten. Da ich mir hiervon nicht viel versprach, versuchte ich wieder auf die erste Idee – Mitarbeit am Hochschen Konservatorium, später an der Frankfurter Musikhochschule – zurückzukommen.

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dem Versuch Hindemiths, die Donaueschinger Kammermusikfeste nach Frankfurt bzw. nach Bad Homburg zu ziehen;

2. der Zukunft des Amar-Quartetts, das mit Hindemiths Berufung nach Berlin vor schwerwiegenden Entscheidungen stand. Licco Amar, Walter Caspar und Maurits Frank sahen – zweifellos im Einverständnis mit Hindemith – Chancen für eine weitere Existenz des Quartetts in ihrer Berufung an die zu gründende Hochschule in Frankfurt; 3. dem Bemühen Kestenbergs, Langers Widerstand gegen seine Frankfurter Pläne zu überwinden. Als Teil dieses Bemühens wird man wohl auch einen Besuch Hindemiths bei Langer im Januar 1927 ansehen dürfen, der wahrscheinlich auf Wunsch oder Anregung Kestenbergs hin erfolgte. Im Verlauf dieses Gesprächs zwischen Hindemith und Langer kam es jedoch zu einer hitzigen Auseinandersetzung, die damit endete, dass Hindemith die musikalischen Beziehungen zu dem Frankfurter Musikdezernenten abbrach. In diesem Bruch dürfte auch der Grund dafür liegen, dass Hindemith seine Stellungnahme zur Hochschulsatzung nicht mehr unter eigenem, sondern unter Amars Namen laufen ließ. Von dem „Krach“ mit Hindemith informierte Langer den Oberbürgermeister Ludwig Landmann noch am gleichen Tag. Ausbrüche Hindemiths wie der in dem folgenden Bericht geschilderte sind auch anderweitig bezeugt; nicht nur in dieser Beziehung erscheint der Bericht Langers durchaus glaubhaft.

Nunmehr aber nahm das Gespräch eine etwas kritische Wendung. Herr Hindemith verbreitete sich über allgemeine Musikfragen und stellte die Behauptung auf, daß die Musik seit 150 Jahren im Niedergang begriffen sei. Ich gestattete mir zu widersprechen und erbat eine Beweisführung, indem ich zugleich auf eine Reihe nicht ganz unbeachtlicher musikalischer Phänomene, die in den letzten 150 Jahren gelebt haben, hinwies. Ich hatte aber in ein Wespennest gestochen und erfuhr von Herrn H. nicht die Begründung seiner Ansichten, die mich sehr interessiert

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Hindemiths Konzeption einer Musikhochschule

hätte, sondern lediglich eine Reihe weiterer Thesen, die Herr H. nicht ohne persönliche Ausfälle vortrug. Da ich mich gegen die persönlichen Ausfälle entsprechend zur Wehr setzte, befanden wir uns bald im schönsten Zank, aus dem wir uns zwar mit Händedruck, dennoch aber mit einem von Herrn H. vollzogenen Abbruch der musikalischen Beziehungen trennten.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister! Gestatten Sie mir, daß ich heute auf unser Gespräch bezüglich der Musikhochschule zurückkomme. Es ist nämlich inzwischen ein neues Problem aufgetaucht, das m. E. in einem gewissen Zusammenhang mit dem Frankfurter Musikleben, also auch mit der Hochschule steht. Sie haben möglicherweise davon gehört, daß durch die Berufung Paul Hindemiths nach Berlin und den Austritt Rudolf Hindemiths unser Quartett in seinem Bestehen gefährdet ist. Wir hätten auch angesichts dieser Schwierigkeiten unsere Tätigkeit im Laufe des Sommers eingestellt, wenn uns nicht für die nächste Zeit einige künstlerisch sehr lockende Angebote gemacht worden wären. Es ist uns u. a. von der russischen Regierung der Vorschlag gemacht worden, in Moskau und Leningrad eine Reihe von Konzerten mit moderner Musik zu veranstalten. Auch sonst hat die Nachricht vom Aufhören unseres Quartetts einen bedauernden Widerhall gefunden, so daß wir uns entschlossen haben, nach einem anderen Cellisten Ausschau zu halten. Es ist uns auch gelungen, unseren früheren Kollegen Maurits Frank wieder zu gewinnen. Nun aber steht Herr Frank mit Berlin in Unterhandlungen bezüglich einer gewissen Stellung und auch Herr Caspar, unser zweiter Geiger, hat Aussicht dort angestellt zu werden, so daß die Gefahr besteht, daß der Schwerpunkt unseres Quartetts in Zukunft nach Berlin gravitieren wird. Dadurch wäre auch meine Situation sehr erschwert, denn ich müßte meine Zeit zwischen Berlin und Frankfurt teilen. Es wäre aber auch ein schlechter Beginn für die Musikhochschule (welche ja auch einer Konsolidierung des Musiklebens dienen soll), wenn kurz vor der Eröffnung dieser Anstalt eine sehr bekannte Vereinigung tüchtiger Musiker abwandern würde.

Unter diesen Umständen wird es notwendig sein, daß die Verhandlungen wegen der Heranziehung des Donaueschinger Musikfestes nach Frankfurt am Main von anderer Seite als von mir aufgegriffen werden. Langer Der Bericht lässt erkennen, dass Hindemith schon Anfang Januar 1927 den an ihn ergangenen Ruf als Kompositionsprofessor an die Berliner Musikhochschule angenommen hatte. Bemerkenswert sind auch die Anhaltspunkte für tatsächliche oder vorgebliche, jedenfalls aber verspätete Überlegungen des Musikdezernenten, Hindemith ans Hochsche Konservatorium zu ziehen, dessen Administration Langer angehörte. In unserem Zusammenhang interessiert aber vor allem, dass Hindemith in jenem Gespräch seine Vorstellungen über die Ausbildung von Musikern mündlich vorgetragen hat und daraufhin von Langer zur Realisierung seiner Konzeption in Frankfurt aufgefordert wurde. Wäre eine solche Aufforderung früher an ihn herangetragen worden, so hätte Hindemith ihr vermutlich gerne Folge geleistet. Da sie aber nach seiner Berliner Zusage erging, bot sie eher einen Anlass zur Verärgerung, weil ihre Aufrichtigkeit damit in Frage gestellt war. Dass Hindemith nach wie vor an Frankfurt hing, geht aus dem bisher unbekannten Projekt eines dreimonatigen Kompositionskurses in Frankfurt hervor. Dass Langer – wie er selbst formuliert – „sich davon nicht viel versprach“, und das heißt ja wohl, dass er nicht einmal auf den Plan einging, muss dann jenes Gewitter heraufbeschworen haben, das in dem Bericht an den Oberbürgermeister so treffend beschrieben ist.

Um diese Nachteile zu verhindern, erlaube ich mir Ihnen folgenden Plan zu unterbreiten. Ich glaube sicher, daß Herr Frank, der schon früher hier gelebt hat, gerne eine Berliner mit einer Frankfurter Position vertauschen würde; außerdem wird es doch nötig sein, für die Hochschule einen Cellisten von auswärts zu berufen, denn hier ist kein Vertreter dieses Instruments, der höheren Anforderungen genügen würde. Daß Herr Frank, der zuletzt Professor am Konservatorium in Prag war, ein ausgezeichneter Cellist und Musiker ist, brauche ich wohl nicht besonders zu betonen. Was Herrn Caspar anbelangt, so würde es wohl auch unschwer möglich sein, für ihn eine Tätigkeit an der Hochschule zu finden, denn wir sind auch an Geigern nicht reich, besonders nicht an solchen, die das Ensemble- und Kammermusikspiel beherrschen, was bei Herrn Caspar selbstverständlich durchaus der Fall ist. Die Durchführung dieses Planes hätte gleicherweise für uns wie für die Stadt Frankfurt den Vorteil, daß unser Quartett nach wie vor

Nach diesem Zerwürfnis trat der zweite der drei oben genannten Komplexe in den Vordergrund: die Zukunft des Amar-Quartetts. Langer hätte das Quartett (in veränderter Zusammensetzung) gern in Frankfurt gehalten. In einem Gespräch mit Amar operierte er zu diesem Zweck mit Andeutungen über die Hochschule. Als Amar darin konkrete Angebote erkennen wollte, suchte Langer sich gegen dieses „Missverständnis“ mit dem Hinweis zu verwahren, dass die Zeit für feste Absprachen noch nicht gekommen sei. Darauf richtete Amar am 23. April 1927 folgendes Schreiben an Ludwig Landmann:

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Foto: Schott Music GmbH & Co. KG

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Paul Hindemith Ende der zwanziger Jahre


Foto: Andreas Reeg

Die Kontrabassistin Nicola Vock wähend einer Orchesterprobe im GroĂ&#x;en Saal der Hochschule

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Hindemiths Konzeption einer Musikhochschule

seinen Sitz hier behält (denn in diesem Falle würde auch Paul Hindemith seinen Wohnsitz und Wirkungskreis teilweise hier beibehalten) und ferner, daß wir, unbehindert von technischen Schwierigkeiten, unsere doppelte Tätigkeit als Lehrer und konzertierende Künstler mehr als bis jetzt in den Dienst des Frankfurter Musiklebens stellen könnten.

liches Interesse haben; aus diesem Grunde darf ich wohl auch der Hoffnung Ausdruck geben, in nächster Zeit über eine mögliche Lösung dieser Schwierigkeiten persönlich mit Ihnen sprechen zu dürfen.

Diese Fragen habe ich kürzlich auch mit Herrn Stadtrat Langer durchgesprochen, der mir aber sagte, daß die Hochschule erst am 1. April 1928 eröffnet werden soll und daß es in Anbetracht einer Reihe verwaltungstechnischer Schwierigkeiten zur Zeit noch nicht möglich sei, irgendwelche bindenden Entschlüsse zu fassen. Bei dieser Gelegenheit habe ich auch Herrn Dr. Langer erklärt, daß ich, um im Sinne meiner künstlerischen Überzeugung an der Hochschule wirken zu können, wenigstens innerhalb meines engeren Bereiches auf die Einrichtung und Leitung der Anstalt einen gewissen Einfluß haben müßte. Auch erscheint es mir unbedingt notwendig, daß ich längere Zeit vor Beginn meiner eigentlichen Tätigkeit einerseits das gesamte für mein Fach in Betracht kommende Lehrmaterial gründlich revidiere und auf seine Brauchbarkeit prüfe, andererseits mit den Lehrern benachbarter Gebiete Fühlung nehme, um gemeinsam einen möglichst einheitlichen Gesamtplan festzulegen. Ein solcher ist zum großen Schaden der Studierenden bis jetzt noch an keiner Anstalt in Betracht gezogen worden. Diese Fragen müssen noch vor Eröffnung der Anstalt bearbeitet und geklärt werden, um sofort ein in künstlerischer und pädagogischer Hinsicht richtiges Funktionieren des Unterrichts zu ermöglichen. Ich habe mir erlaubt, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, im Vorstehenden einige die zukünftige Hochschule, unser Quartett und meine Person betreffende Probleme darzulegen, welche alle in einem gewissen Zusammenhang stehen. Leider befinde ich mich in folgendem Dilemma: Während die Lösung eines Teiles dieser Fragen (besonders der mich und das Quartett betreffenden) eine dringliche ist, scheint nach der Darstellung des Herrn Stadtrat Langer der Zeitpunkt, an dem konkrete Verhandlungen möglich sein werden, noch ziemlich entfernt zu sein. Durch diese Unsicherheit bin ich daran gehindert, gewisse Entschlüsse, die ich mit Rücksicht auf mich und meine Familie ins Auge fassen muss, jetzt schon in die Tat umzusetzen. Aber auch die von mir angestrebte geradlinige Entwicklung der Dinge scheint mir gefährdet. Aus diesem Grunde erlaube ich mir Sie zu fragen, ob nach Erwägung der Sachlage vielleicht irgendwelche Entschlüsse wenigstens prinzipieller Art vorweggenommen werden könnten, um die oben geschilderten Nachteile zu vermeiden. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich annehme, daß Sie, Herr Oberbürgermeister, an der Klärung der Fragen, welche das künstlerische Leben Frankfurts betreffen, ein gewisses persön-

Ihr sehr ergebener Licco Amar

Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, den Ausdruck meiner ausgezeichneten Hochachtung

Der Brief ist hier vollständig wiedergegeben worden, um neben den sachlichen Informationen, die er vermittelt, einen Eindruck von Amars Sprachstil zu geben, der als Kriterium für die Frage der Autorschaft der Satzungskritik nicht unwesentlich sein dürfte: eine überaus gewandte, zuweilen in ihrer Förmlichkeit gewundene Sprache, wie sie einem Berufsdiplomaten eher als einem Musiker zuzutrauen wäre. Von der Plastik und floskellosen Direktheit des Hindemithschen Sprachstils hebt sie sich deutlich ab. Auf die raffinierte Taktik, mit der der Brief abgefasst ist, soll nicht weiter eingegangen werden. Ludwig Landmann musste ihn seinem Musikdezernenten vorlegen. Dessen Stellungnahme war eindeutig ablehnend: Da die Anstalt noch nicht bestehe, könnten keine Zusagen gegeben werden; es sei zudem das Verfehlteste, was man tun könnte, wenn man sich durch irgend jemand … nach irgend einer Richtung festlegen lassen wollte. Das müßte unterbleiben, selbst auf die Gefahr des Verlustes des ganzen Amar-Quartetts hin … Eine Hochschule, die von vornherein im Schlepptau des Amar-Quartetts segelte und die beinahe nur um des Amar-Quartetts willen gegründet zu sein schiene, hätte ihren Beruf von vornherein verfehlt. Am 31. Mai 1927 wandten sich Licco Amar und der Musikreferent der Frankfurter Zeitung, Dr. Karl Holl, gemeinsam an den Oberbürgermeister: Mit größtem sachlichem Interesse verfolgen die Unterzeichneten die Angelegenheit der Gründung einer Hochschule für Musik in Frankfurt am Main. Sie sind der Meinung, daß diese Gründung nur dann eine besondere Bereicherung des Musiklebens bedeutet, wenn bei der Organisation die Erfüllung derjenigen Forderungen angestrebt wird, die das veränderte Bedürfnis der neuen Zeit bezüglich der Ausbildung von Musikern an eine solche Anstalt stellt. Es müßten nach unserer Meinung von vornherein konstruktive Richtlinien festgelegt werden, die eine Arbeit der Anstalt in der bezeichneten Weise garantieren. Wir haben als Fachleute den Wunsch, zur Sache gehört zu werden und stellen unserer Kräfte zur Verfügung.

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Hindemiths Konzeption einer Musikhochschule

Als Antwort erhielt Amar am 10. Juni ein Exemplar der Satzung mit der Bitte, sie auch Karl Holl zugänglich zu machen. Schon am 15. Juni sandte Amar eine ausführliche Stellungnahme an den Magistrat, der er ein handschriftliches Begleitschreiben beifügte:

3. … Stadtverordnete, 4. Förderer der Hochschule, die auf die Dauer von 4 Jahren vom Oberbürgermeister berufen bzw. von der Stadtverordnetenversammlung gewählt werden. b Mit beratender Stimme:

Beiliegend erlaube ich mir meine Bemerkungen zu dem Entwurf einer Satzung für die Hochschule für Musik zu übersenden. Ich bitte darum, dieselben so bald wie möglich auch dem Herrn Oberbürgermeister vorzulegen. Zu weiteren schriftlichen oder mündlichen Ausführungen bin ich jederzeit gern bereit. Herr Dr. Holl ist bis Ende dieser Woche verreist; nach seiner Rückkehr werde ich ihn bitten auch seinerseits in dieser Angelegenheit Stellung zu nehmen.

1. Der Direktor 2. … ein Vertreter des Provinzialschulkollegiums 3. … je ein Vertreter der Kirchen … soweit Fragen der Kirchenmusik zur Erörterung stehen.

§5 Der Lehrkörper … Die Pflichtstundenzahl der Hauptfachlehrer beträgt grundsätzlich 18–24 Wochenstunden.

Mit vorzüglicher Hochachtung, Licco Amar

§6 Die Lehrer haben den ihnen übertragenen Unterricht nach den vom Direktor aufgestellten allgemeinen Richtlinien und nach Maßgabe des Stundenplans zu erteilen und hierin, wie in allen übrigen dienstlichen Beziehungen den Anordnungen des Direktors sich zu fügen. …

Dem Text der Stellungnahme seien zunächst diejenigen Paragraphen vorangestellt, auf die Bezug genommen wird.

§1

§ 11

Die Hochschule für Musik in Frankfurt am Main bezweckt die allseitige höhere Ausbildung für sämtliche Gebiete der Musik wie der darstellenden Kunst. Die Hochschule zerfällt in:

Aufnahmeprüfung … Theorie: Aussetzen eines schwierigen bezifferten Basses; Harmonisieren einer gegebenen Melodie. …

a eine Abteilung für Kirchenmusik für die Ausbildung von Organisten und Chordirigenten, b eine Abteilung für Schulmusik für die Vorbereitung auf das künstlerische Lehramt an höheren Lehranstalten, c eine Ensembleschule für die Heranbildung von Orchester- und Kammermusikern aller Instrumente d eine Abteilung für Musiktheorie, Komposition, Stilgeschichte der Musik, Musikinterpretation, e eine Abteilung für Kapellmeisterausbildung, f eine Abteilung für Instrumentalmusik mit Unterabteilung für 1 2 3 4

Hauptfach Violine: Studienwerke von Rode und Kreutzer sowie Konzerte etwa in der Schwierigkeit von Mozart G-Dur und der leichteren Viotti-Konzerte ohne wesentliche Verstöße zu spielen …

§ 14 Die Schüler sind verpflichtet, bei den Aufführungen der Hochschule mitzuwirken …

Klavier, Cembalo, Orgel Violine Violoncello Sonstige Orchesterinstrumente

Die Stellungnahme hat folgenden Wortlaut: Der vorliegende Entwurf unterscheidet sich in keiner Weise von den Satzungen anderer Anstalten und besagt nichts über das Wesen einer Musikhochschule mit „neuen Zielen“. Es wäre bestimmt vorteilhafter gewesen, zuerst von den interessierten Fachleuten neue künstlerische und pädagogische Richtlinien feststellen zu lassen und dann auf Grund dieser Ideen die äußere Gliederung der Anstalt vorzunehmen. Angesichts dieses Versäumnisses bleibt nichts anderes übrig, als an den einzelnen Paragraphen nachzuweisen, inwiefern die vorliegenden Satzungen im Widerspruch zu den heute als zweckentsprechend geltenden Erziehungsprinzipien stehen.

g eine Abteilung für Gesang, h eine Abteilung für darstellende Kunst (Opernschule), rhythmische Bewegung und Musik. In allen Abteilungen wird sowohl für ausübende Kunst wie für Lehrberuf ausgebildet.

§4 Dem Kuratorium gehören an: a 1. Der Oberbürgermeister als Vorsitzender, 2. … Magistratsmitglieder,

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ad § 1

führt, welches unseren veränderten Anschauungen auf dem Gebiet der Musik entspricht. Bis heute werden alle Musikstudierenden durch das Überwiegen der rein instrumentalen Leistungen zu mehr oder weniger fähigen Virtuosen herangebildet, nicht zu Musikern.

Es wäre zu erwägen ob die Errichtung einer besonderen Kirchenmusikabteilung notwendig ist angesichts des Umstandes, daß das Bedürfnis in dieser Hinsicht durch bereits anderweitig bestehende Anstalten gedeckt wird. Kapellmeisterklassen als solche sind vollkommen unzweckmäßig. Die Ausbildung des Kapellmeisters muß genauso erfolgen, wie die eines jeden anderen Musikers; lediglich auf einer sehr hohen Stufe kann eine diesbezügliche Spezialisierung in Betracht gezogen werden. Daher erübrigt sich eine besondere Abteilung, es kommt höchstens der eine oder andere Spezialkurs in Frage. Die wahre Schule des Kapellmeisters ist das Theater, wo er sich als Korrepetitor die nötigen praktischen Kenntnisse aneignen muß. Überdies ist kein Zweig des Musikbetriebs so überfüllt von Unberufenen wie dieser. Es soll übrigens grundsätzlich jeder Studierende zur Leitung größerer oder kleinerer Ensembles herangezogen werden. Opernschulen gehören nicht an eine Musikhochschule sondern an eine Theaterschule. In der Kunstgattung Oper ist die Musik eine „angewandte“ Kunst.

Aus diesen kurzen, grundsätzlichen Bemerkungen folgt schon, daß die Lehrer der musikalischen Praxis und Theorie auf die engste Zusammenarbeit angewiesen sind. Bis jetzt haben sie ohne einander, ja gegen einander gearbeitet, was schließlich für unsere gesamte Musikanschauung verhängnisvoll wurde. Neben diesem zentralen Lehrgang, der die praktische und theoretische Erfassung aller wesentlichen musikalischen Fragen zum Ziele hat, geht parallel einerseits die instrumentale Ausbildung, die rationell umgestaltet werden muß, um Umwege zu vermeiden und Kraft zu sparen; andererseits der spezielle Theorieunterricht, der natürlich in seinen Methoden und Zielen gleichfalls der Denkungsart unseres Zeitalters angepaßt werden muß. Je nach der Veranlagung des Schülers wird das Hauptgewicht mehr auf eine praktische (instrumentale) oder theoretische Ausbildung gelegt, Spezialisierungen werden erst spät in Betracht gezogen, um später sich rächende Einseitigkeit in der Ausbildung zu vermeiden. Selbstverständlich kommen neben diesem Hauptlehrgang noch Nebenfächer in Frage. Weitere Konsequenzen dieses Unterrichts folgen an anderer Stelle.

Was nun die Trennung der Ensemble-Abteilung von der Instrumental-Abteilung betrifft, ebenso die isolierte Stellung der Theorie, so ist zu bemerken, daß eine solche Trennung in der Praxis nicht durchführbar ist. Es gibt keinen Instrumentalisten, der vom Ensemble-Unterricht ausgeschlossen werden kann, und umgekehrt. Die getrennte Handhabung des theoretischen Unterrichts ist sogar der größte Schaden, den unser heutiges Erziehungswesen aufweist. Der von vornherein getrennte Unterricht dieser Wissensgebiete hat nicht nur im Erziehungswesen, sondern auch im gesamten Musikbetriebe zu den verhängnisvollen Zuständen geführt, die es zu ändern gilt. Diese Fächer müssen im Unterricht so kombiniert werden, daß sie sich sämtlich in einem Brennpunkt treffen. Der auf diese Art zu Stande kommende Lehrplan sieht ungefähr so aus: Den Rückgrat des Unterrichts bilden alle Arten von Ensemble-Übungen, welche zu gleicher Zeit praktisch und theoretisch durchgeführt werden. Da zu allen Zeiten sämtliche musikalischen Erscheinungsformen durch das Zusammenwirken mehrerer musikalischer Einzelstimmen bedingt werden und, rein äußerlich gesehen, die überwältigende Mehrzahl aller Werke für kleinere oder größere Instrumental- oder Vokalgruppen geschrieben worden sind, so können umfassend fundierte musikalische Kenntnisse nur auf dem Wege des Zusammenspiels erworben werden. Zu gleicher Zeit mit der praktischen Bewältigung erfolgt die theoretische Beleuchtung der jeweiligen Materie. Denn ohne die geistige Erkenntnis der Struktur der Werke ist eine sinngemäße Interpretation und die Schulung des musikalischen Denkens, auf die es beim Unterricht ankommt, unmöglich. Mit der Einführung dieses Unterrichtsprinzips wird ein neues Bildungsideal einge-

Die äußere Gliederung der Anstalt ergibt sich in obigem Sinne automatisch. Eine Anzahl ungefähr auf derselben Stufe stehender Schüler (Geiger, Pianisten, Cellisten, Bläser) werden unter der Leitung eines praktischen und theoretischen Lehrers zu einer Klasse zusammengeschlossen. Die Gruppierung im einzelnen geschieht je nach dem zur Verfügung stehenden Schülermaterial. Gelegentlich können sich auch mehrere Klassen zu gemeinsamen Übungen (Orchester) zusammenschließen.

ad § 4

sub a 4. Es ist zu erwägen, ob den „Förderern“ nicht anderweitige ehrende Kompensationen für materielle oder andere Opfer gewährt werden können. Der Einfluß nicht beamteter Laien, die im Gegensatz zu den Magistratsmitgliedern usw. keinerlei Verantwortung tragen, äußert sich innerhalb derartiger Körperschaften oft verhängnisvoll durch eine allzu persönliche Einflußnahme auf den Gang der Dinge. zu b Die Stellung des Direktors bzw. stellvertretenden Direktors ist in dieser Hinsicht auch nach außen zu stärken, denn sie tragen ja die volle Verantwortung für das Gedeihen der Anstalt. Eine beratende Stimme, die vom Kuratorium unter Umständen außer Acht gelassen werden kann, genügt nicht.

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Foto: Hindemith Institut Frankfurt

Das Amar-Quartett Ende der zwanziger Jahre: Licco Amar, Walter Caspar, Maurits Frank, Paul Hindemith (v.l.n.r.)

ad § 5

Schülers Rechnung tragende Form des Unterrichts findet seine Begrenzung nur in der Anzahl der Schüler. Auf dem Gebiete der bildenden Kunst wird dieses Prinzip gleichfalls wieder angewendet (Meisterateliers). Bis zu den letzten Konsequenzen ist es durchgeführt in den Landschulheimen, wo Lehrer und Schüler in sogenannten „Familien“ vollkommen zusammenleben. Hier sei noch folgendes bemerkt: Das engere Zusammenwirken zwischen Theorielehrer und praktischem Lehrer einerseits und dem Schülerkreise andererseits wird eine weitere Konsequenz zeitigen, nämlich die allmähliche Schaffung eines vollständig neuen, zeitgemäßen Studienmaterials. Das bisherige ist für uns unbrauchbar geworden. Wir sind in Zukunft größtenteils auf ad hoc, aus der gegebenen Situation heraus konstruierte theoretische sowohl wie praktische Beispiele und Übungen angewiesen. Dieses von den Lehrern zusammen mit den Schülern hervorgebrachte Übungsmaterial ergibt, gesichtet und geordnet, die Studienliteratur der späteren Zukunft.

Was die Pflichtstundenzahl betrifft, so ist es durchaus falsch, eine solche festzusetzen. (Wie sollen übrigens im Hauptfach 24 Wochenstunden zusammenkommen, wenn jeder Schüler nur 1 Stunde wöchentlich erhält?) Es muß jedem Lehrer freistehen, sich so lange mit seinen Schülern zu beschäftigen, wie deren Eigenart und die Art des betreffenden musikalischen Lehrstoffes es erfordert, und zwar ebenso einzeln wie klassenweise. Die Einhaltung eines bestimmten Stundenplanes ist trotzdem möglich. Bei dem in spärliche Stunden eingeteilten Unterricht begibt sich der Lehrer jedes persönlichen Kontaktes, obwohl dieser doch Anfang und Ende aller pädagogischen Weisheit ist. Der möglichst ausgedehnte persönliche Einfluß zeitigt die besten Ergebnisse so wie auch alle bedeutenden wissenschaftlichen und künstlerischen „Schulen“, angefangen bei den alten Stoikern des alten Griechenland, bis zu Busoni und Schönberg und vielen anderen aus den oben erwähnten „Klassen“ entstanden sind. Diese höchst persönliche und der Individualität des

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Hindemiths Konzeption einer Musikhochschule

ad § 6 Allgemeine Richtlinien für den Unterricht können nur durch die kollektive Arbeit der Lehrer festgestellt werden. Angesichts der Mannigfaltigkeit der musikalischen Wissensgebiete und der fortschreitenden Spezialisierung ist es unmöglich, daß eine einzelne, noch so vielseitige Persönlichkeit auch nur allgemeine Richtlinien für alle Fälle aufstellt. Dagegen empfiehlt es sich, daß die Lehrer der verschiedenen Fächer sich über die Art der Zusammenarbeit im vorhinein und periodisch wiederholt verständigen. Damit würde der unhaltbare Zustand, den wir heute haben, nämlich das Fehlen eines einheitlichen Planes in der Durchbildung des Schülers, verschwinden. Dieser Lehrplan kann, wie gesagt, nicht dem Kopfe eines einzelnen entspringen und dauernd von ihm reguliert werden.

ad § 11 Sämtliche in diesem Paragraphen aufgeführte Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeiten und Kenntnisse des aufzunehmenden Schülers sind verfehlt. Es ist hier nicht möglich aufzuführen, warum bezifferte Bässe, Auswendigspielen, die Beherrschung dieser oder jener Etüden und Werke von höchst zweifelhaftem Wert, für uns heute unwichtige, ja sinnlose Dinge geworden sind. Es ist überhaupt fraglich, ob es mit Hilfe noch so sorgfältiger Stichproben möglich ist, die wirkliche Eignung eines Schülers festzustellen. Man bedenke überdies, wie unzureichend die allermeisten Schüler überhaupt vorgebildet sind. An die Stelle dieses allgemein verworfenen Verfahrens muß treten: 1) eine eingehende und wohlwollende persönliche Beschäftigung der beteiligten Lehrer mit dem Schüler; 2) eine zwei- bis vierwöchige Probezeit, nach deren Ablauf erst die Entwicklungsfähigkeit beurteilt werden kann.

ad § 14 Die Gefahr öffentlicher Schüleraufführungen besteht darin, daß sie in eine mindere Nachahmung des Konzertbetriebs ausarten. Das „konzertreife“ Einstudieren einzelner Werke hat mit dem eigentlichen Unterrichtszweck nichts zu tun, raubt eine lange Zeit und gibt überdies kein wahres Bild von dem Können eines Schülers. Am besten ist diese Frage zu lösen, indem die Einrichtung getroffen wird, daß die Schüler mit oder ohne Mitwirkung der Lehrer periodisch vor ihren Kollegen, der Lehrerschaft und einer kleineren Zahl anderweitiger Interessierter musizieren. In vorstehenden notgedrungen kurzgefaßten Ausführungen sind die Paragraphen fast nur insofern berücksichtigt worden, als sie mit dem Geiste des Musikunterrichts selbst zu tun haben. Der Stand des musikalischen Bildungsideals, dem die vorliegenden Satzungen entsprechen, ist der von 1880 und in jeder Hinsicht vollkommen überholt und für unsere Bedürfnisse in keiner Weise zweckentsprechend. Soll auf dem Gebiete der Musikerziehung ein

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Schritt vorwärts getan werden, so ist es unumgänglich nötig, in dem oben kurz angeführten Sinne eine grundlegende Änderung aller diesbezüglicher Tendenzen vorzunehmen, da andernfalls die dringende Gefahr eines Zusammenbruchs unserer Musikkultur innerhalb der nächsten 20 Jahre besteht. Frankfurt am Main, 12. Juni 1927 Licco Amar Der zentrale Gedanke dieser Kritik, aus dem sich alle Details ergeben, ist die Ablehnung des Spezialistentums in der musikalischen Ausbildung, das sich in der Trennung von Theorie und Praxis, aber auch in der Trennung von Instrumentalspiel und Dirigieren etabliert hat. An seine Stelle soll eine musikalische Werkstattarbeit treten, in der jeder an allem teilhat. Dass dies der Gedanke ist, nach dem Hindemith selbst unterrichtet hat, ist allgemein bekannt. Schon daraus wird man zumindest auf seine Beteiligung an der Niederschrift dieser Themen schließen dürfen. Es gibt aber darüber hinaus Grund genug, Hindemith nicht nur als Mitautor, sondern als Autor anzusehen. Der lapidare, vor allem gegen Ende geradezu rücksichtslose Ton dieser Kritik hat mit der formvollendeten Höflichkeit, in der Amar an den Oberbürgermeister schreibt, nichts mehr gemein. Einzelne Passagen kehren überdies fast wörtlich in späteren Schriften Hindemiths wieder. Dem auf § 1 bezüglichen Satz „Den Rückgrat des Unterrichts bilden alle Arten von Ensemble-Übungen, welche zu gleicher Zeit praktisch und theoretisch durchgeführt werden“ entspricht folgende Formulierung im 9. Kapitel von Komponist in seiner Welt: „Die Übung in der praktischen Musik würde dann wieder zum Rückgrat der Unterweisung werden, eine Kompositionslehre als abgesonderten Unterrichtszweig würde es dann nicht mehr geben“ … Bei engster inhaltlicher Beziehung zu späteren einschlägigen Äußerungen Hindemiths wird jedoch auch ein gegensätzliches Moment spürbar: Gegenüber dem optimistischen Elan, mit dem Hindemith hier sein Bild von der Ausbildung junger Musiker zeichnet, wirkt die Einleitung zur Unterweisung im Tonsatz eher nüchtern, das 9. Kapitel von Komponist in seiner Welt geradezu skeptisch-pessimistisch. Von der Ernüchterung jahrzehntelanger pädagogischer Erfahrung, wie sie sich in den irrealen Konjunktiven des letzten Zitats ausspricht, ist der Zweiunddreißigjährige noch frei. Das Feld der Pädagogik liegt offen vor ihm. Von daher rührt wohl auch der große Zug, in dem der Text niedergeschrieben zu sein scheint, und der Schwung, mit dem Hindemith seine Kritik an altmodischen Satzungsbestimmungen ins Positive wendet und zum Entwurf einer neuen Hochschulpädagogik gestaltet.


Hindemiths Konzeption einer Musikhochschule

führten 1929 zur vorläufigen Aufgabe des Projekts. Der Preußische Kultusminister strich in diesem Jahr jene 25.000 Mark aus seinem Etat, die er seit 1924 vergeblich bereitgestellt hatte, um sich an den Kosten einer Frankfurter Musikhochschule zu beteiligen.

Gibt es einen Anteil Licco Amars an diesem Dokument? Selbst wenn man voraussetzt, dass er aus Gesprächen Hindemiths musikerzieherische Intentionen kannte und sie sich vielleicht sogar teilweise zu eigen machte, wird man bezweifeln müssen, dass er sie in derart profilierter Form hätte vortragen können, zumal in der Stellungnahme für Amar relativ abseits liegende, für Hindemith aber zentrale Fragen wie das Verhältnis von Theorie und Praxis, die Schulung des Komponisten am Ensemble-Musizieren oder gar Kompositionsschulen wie die Busonis oder Schönbergs erörtert werden. Für Hindemiths Autorschaft spricht ferner die Erwähnung der „Familien“ von Schülern und Lehrern in den Landschulheimen. Sie fußt zweifellos auf den Eindrücken, die Hindemith wenige Monate zuvor auf Schloss Bieberstein in der dortigen Hermann-Lietz-Schule gewonnen hatte. Die Gründe ließen sich vermehren; erwähnt sei hier nur noch, dass Amar bekannt war als ein Mensch, der zur „Raubeinigkeit“ Hindemiths eine spürbare Distanz hielt. Der heftige Ton, in dem die Stellungnahme schließt, passt schlechterdings nicht zu der ausgesuchten Höflichkeit, in der Amars Briefe an den Magistrat sonst abgefasst sind; er konnte auch seiner Kandidatur für die Stelle des Direktors bzw. für eine Violinprofessur an der Frankfurter Hochschule kaum förderlich sein. Wenn es aber zutrifft, dass Amar mit nicht (oder allenfalls zu geringen Teilen) von ihm selbst verfassten Schriftstücken gegenüber dem Magistrat operierte, so stellt sich die Frage, ob er dies aus freien Stücken – etwa im Interesse seiner Bewerbung – tat oder auf Drängen Hindemiths oder eines Dritten. Der weitere Verlauf der Ereignisse scheint zu bestätigen, dass Amar die Rolle eines „Strohmannes“ spielte. Anfang Juni 1927 regte er bei Oberbürgermeister Landmann eine Konferenz führender musikalischer Persönlichkeiten an, die Richtlinien für die geplante Hochschule entwickeln sollte. Teilnehmer des Gespräches vom 28. Juli waren Ernst Toch, Hugo Holle, Licco Amar, Karl Holl, Leo Kestenberg und als Vertreter der Stadt Ludwig Landmann und Heinrich Langer. Nicht erschienen waren Alfred Einstein und Günter Ramin. Das knappe, von Heinrich Langer verfasste Protokoll verzeichnet Einhelligkeit darüber, dass der Neuen Musik in der Hochschule Raum gegeben werden müsse. Es schließt mit einem Satz, aus dem man vielleicht entnehmen kann, dass Heinrich Langer sich der Scheinrolle Amars klar war: „Weitere Einzelwünsche konnte der Anreger der Konferenz trotz Aufforderung nicht vorbringen.“ Der Unterschied zwischen der inhaltsreichen Satzungskritik und einer offenbar wesentlich geringeren mündlichen Beredsamkeit ihres vorgeblichen Verfassers scheint demnach aufgefallen zu sein. Von einer Kandidatur Amars war nach dieser Konferenz nicht mehr die Rede. Damit war ein Plan gescheitert, an dem Hindemith sicher maßgeblich beteiligt war – zumindest mit der Kritik an der Hochschulsatzung. Aber auch Leo Kestenbergs Kandidat, Hans Mersmann, kam nicht zum Zuge. Die wachsende Verschuldung der Stadt und die Wirtschaftskrise

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Zu ergänzen bleibt, dass sich noch eine weitere Denkschrift über die Gestaltung der Frankfurter Musikhochschule bei den Magistratsakten findet, die gleichfalls Licco Amar zugeschrieben wird. In diesem Falle ist es jedoch offenkundig, auf wen diese Zuschreibung zurückgeht. Das 13 Schreibmaschinenseiten umfassende Dokument trägt auf seiner ersten Seite von der Hand Paul Hindemiths die Bleistifteintragung „Amar-Vorschläge“. Da es weder datiert noch unterzeichnet ist und Begleitschreiben wie Bestätigung fehlen, dürfte es dem Oberbürgermeister persönlich übergeben worden sein. Bearbeitungsvermerke mit der Paraphe Landmanns stammen vom 3. und 4. März sowie vom 4. Juni (1927). Musikgeschichtliche Erwägungen spielen in dieser Denkschrift eine erhebliche Rolle. Daraus und aus dem Umstand, dass sie auf der gleichen Schreibmaschine wie der oben erwähnte gemeinsame Brief von Licco Amar und Karl Holl geschrieben ist, darf man vielleicht auf Holl als Autor (oder Mitautor) schließen. Obwohl gedankliche Beziehungen zu Hindemiths Satzungskritik gelegentlich anklingen, stammt die Formulierung des Textes mit Sicherheit nicht von ihm. Dass er ihn als „Amar-Vorschläge“ ausgab, entspricht dem bei der Satzungskritik angewandten Verfahren. Mit beiden Schriftstücken sollte Licco Amar ein Platz an der Frankfurter Musikhochschule geschaffen werden – nach Möglichkeit die Stelle des Direktors. Wenn auch diese Absicht ebenso scheiterte wie Kestenbergs Frankfurter Hochschulpläne, so verdanken wir ihr doch eine der fesselndsten und wichtigsten Äußerungen Hindemiths zur Musikpädagogik. Sie verdient, dem Aktenstaub entrissen zu werden. Autorisierte Wiederveröffentlichung aus: Hindemith-Jahrbuch 1977/VI, Mainz: Schott-Verlag 1978, S. 148–172; Literatur- und Quellennachweise siehe dort.


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Die Hochschule in Zahlen

942 56

362 9 über 8.000 800.000 23 250 10.000 450 42 593 130 65 12 80 350 501 34.659 13,5 115.000 2.000 6.229 827 Studierende, Stand: WS 2012/13

Aufgaben

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Professoren

Lehrbeauftragte

Nationalitäten in der Studentenschaft

Grundschulkinder, die die HfMDK über ihr Singpro-

Euro Fundraising-Volumen jährlich

jekt „Primacanta“ bislang erreicht hat

Mitglieder der Gesellschaft der Freunde und Förderer der HfMDK

pflichtigen Veranstaltungen

Veranstaltungen der HfMDK jährlich

Presseveröffentlichungen im Jahr 2012

Einzelunterrichts am Gesamtunterrichtsvolumen

Flügel

Mio. Euro Jahresetat 2011

Eintrittskarten in jährlich 100 eintritts-

zeitgleich laufende Promotionen

Klaviere

Orgeln

Prozent-Anteil des

ausgegebene warme Mahlzeiten in der

Medien in der Bibliothek

Neuanschaffungen von Bibliotheksmedien jährlich

Hochschule

Studiengänge

Vermittlungen von „Muggen“ durch die hochschuleigene Künstlerbörse jährlich

Bewerber auf 8 Schauspiel-Studienplätze (WS 2012/13)

Mensa in 2012

Lehrkräfte für besondere

Quadratmeter fehlender Raum in der jetzigen

absolvierte Aufnahmeprüfungen insgesamt für das Wintersemester 2012/13

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1938

Gründung der Staatlichen Hochschule für Musik Frankfurt a.M.

1947 1956 1960 1990

Zerstörung des Hochschulgebäudes durch Bombenangriffe

1954

Gründung der Opernschule

Rundfunks am heutigen Standort

1989 1993

Umzug der Hochschule in das ehemalige Funkhaus des Hessischen

Gründung der Schauspielabteilung

1961

Gründung der Tanzabteilung

Der Neubau, heutiges Hauptgebäude, wird seiner Bestimmung

Fertigstellung des Neubaus der Hochschulbibliothek

Bereich der Lehre neu und konstituiert drei Fachbereiche

2003

Schließung der Hochschule nach

Wiederaufnahme des Lehrbetriebs der Hochschule

Die HfMDK erlangt Promotionsrecht

übergeben

1944

2002

2001

Die Hochschule strukturiert den

Die Hessische Theaterakademie wird gegründet

Die Hochschule gründet einen Hochschulrat als beratendes Gremium

2007 2008

Die Gesellschaft der Freunde

und Förderer der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main e.V. wird gegründet

Die HfMDK

erweitert ihr Lehramts-Studienangebot um die Bereiche Grundschul-, Real- und Hauptschullehramt sowie Sonderpädagogik

2011 2013

Die HfMDK erhält den Hessischen Hochschulpreis für Exzellenz in der Lehre für das Unterrichtskonzept der Gesangs-

abteilung

Die HfMDK setzt den 2012 gestarteten LEITBILD_prozess fort und feiert ihr 75-jähriges Bestehen

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„WIR WOLLEN STUDIERENDEN DEN RAUM GEBEN, SICH ZU STARKEN PERSÖNLICHKEITEN ZU ENTWICKELN“ Interview mit den drei Dekaninnen Catherine Vickers, Henriette Meyer-Ravenstein und Marion Tiedtke sowie dem Hochschulpräsidenten Thomas Rietschel

I

experimentierfreudigen und spartenübergreifenden Miteinanders, an dem die Hochschule zentral beteiligt ist. Von uns gehen viele Impulse aus, die die Zukunft unseres Kulturlebens im Blick haben.

m Jubiläumsjahr stehen drei Professorinnen den drei Fachbe-

reichen der Hochschule vor: Die Pianistin Catherine Vickers ist Dekanin für den Fachbereich 1, der die Studiengänge Künstlerische Ausbildung (Instrumentalausbildung und Dirigieren), Instrumentalund Gesangspädagogik, Kirchenmusik und Historische Interpretationspraxis umfasst. Die Sängerin Henriette Meyer-Ravenstein steht dem Fachbereich 2 – Lehrämter, Wissenschaft und Komposition – vor, während die Dramaturgin Marion Tiedtke als Dekanin und Ausbildungsdirektorin im Fachbereich 3 – Darstellende Kunst – tätig ist. Sie stellten sich gemeinsam mit Hochschulpräsident Thomas

FiT Der künstlerische Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert. Die Öffnung des Ostens, die zunehmende Globalisierung, aber auch die Ökonomisierung in allen Bereichen haben unter anderem dazu beigetragen. Welche Konsequenzen hatte und hat dies für die Ausbildung an der Hochschule?

Rietschel in einem Interview den Fragen, welchen Chancen und

Wir unternehmen große Anstrengungen, um unsere Studierenden in den Beruf zu bringen. Die Gesangsabteilung beispielsweise veranstaltet Vorsing-Termine für die Studierenden vor Intendanten und Kantoren und bietet Professionalisierungsseminare an – weitere Beispiele ließen sich aber auch in allen anderen Ausbildungszweigen finden. Darüber hinaus kann jeder Studierende ein Seminar in Marketing und Selbstmanagement besuchen; dazu gehören auch Einzelberatungen durch Profis aus dem Kulturleben, damit die Studierenden eigene Konzepte für ihre Berufsperspektive entwickeln können. Das Spektrum an Wissen, das hier vermittelt wird, geht von der einfachen Frage, wie ich einen adäquaten Lebenslauf schreibe, bis hin zum Businessplan für jemanden, der eine eigene Musikschule gründen möchte.

Herausforderungen sich die Hochschule im Jahr ihres 75-jährigen

Rietschel

Bestehens gegenübersieht. Frankfurt in Takt Herr Rietschel, beschreiben Sie Eigenschaften, die die Hochschule im Jahr 2013 auszeichnen und lebendig halten. Thomas Rietschel Zunächst einmal: Unsere Hochschule bildet sehr erfolgreich aus – das belegen nicht nur die beiden 1. Preise im hessischen Exzellenzwettbewerb für herausragende Lehre, die 2011 und 2012 an Lehrende der HfMDK vergeben wurden. Bei diesen Preisen, die höchstdotierten Lehrpreise in Deutschland, konnte sich die HfMDK gegen alle hessischen Universitäten und Fachhochschulen durchsetzen, die sich ebenfalls beworben hatten. Ein weiteres objektives Kriterium für unsere gute Arbeit ist die Vermittlung der Absolventen auf feste Stellen bzw. in eine berufliche Sicherheit und ihre Vielzahl an Preisen und Erfolgen bei Wettbewerben und Stipendien. Zudem ist die Hochschule inzwischen ein wichtiger Teil des Kulturlebens in Hessen: Sie ist an ganz vielen Stellen, wo perspektivisch nach vorn gedacht wird, mit dabei. Zwei passende Beispiele dafür sind die Hessische Theaterakademie, die ihren Sitz an der HfMDK hat, und das Frankfurt LAB als ein Ort mutigen,

FiT Auch die Schauspielabteilung der Hochschule kann in den letzten Jahrgängen auf eine hohe Vermittlungsquote ihrer Absolventen in ein festes Erstengagement verweisen; in den letzten Jahren haben sogar alle Schauspielabsolventen unmittelbar nach ihrem Studienabschluss ein festes Erstengagement bekommen. Frau Tiedtke, Sie sind nicht nur Dekanin im Fachbereich 3, sondern auch Ausbildungsdirektorin für Schauspiel. Wie gelingt Ihnen diese Traumquote?

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Regina Vogel im Frankfurt LAB in der Inszenierung von „Böse Märchen“, einer Produktion des Regie-Studiengangs mit dem Studiengang Schauspiel im Jahr 2012

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Fotos: Andreas Reeg

Chorleitungsstudent Jonathan Hofmann bei einer Probe des Hochschulchors in Vertretung von Chorleitungsprofessor Winfried Toll

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Interview

Ob wir das so halten können, sei dahingestellt, zumal wir sehen, dass wesentlich größere Schauspielschulen – wir sind in Deutschland eine der kleinsten – Probleme haben, ihre Absolventen zu vermitteln. Auf den steigenden Marktdruck haben wir reagiert, indem wir die herkömmlichen Ausbildungsfelder um ein einjähriges Mikrofonsprechen und eine intensive Arbeit vor der Kamera als gesonderte Ausbildungskomponenten erweitert haben. Für die Schauspielstudierenden bieten wir zudem ein spezielles Coaching, das ihnen zeigen soll, wie sie sich selbst auf dem Markt glaubwürdig darstellen können. Auf sich als Künstlerpersönlichkeit in den neuen Medien aufmerksam zu machen, ist zu einer unabdingbaren Notwendigkeit geworden.

Musikpädagogik und der Aufbau des weiterführenden dritten Zyklus´ in Form einer Graduiertenschule.

Prof. Marion Tiedtke

FiT Was macht die Balancierung der Lehramtsstudiengänge für die spezifischen Schulformen so komplex?

Das extreme Spannungsfeld zwischen der eigenen Entwicklung der Studierenden zu einem auch künstlerisch tätigen Menschen und dem, was sie später pädagogisch vermitteln wollen und sollen. Es ist auf der sachlichen Ebene ein ewiges Gerangel: Wie viel Einzelunterricht sollen Lehramtsstudierende bekommen? Was ist überhaupt innerhalb eines sechssemestrigen Studiums für das Grundschullehramt leistbar? Diese Zeit ist für eine Musikausbildung viel zu knapp bemessen – dabei sind gerade Grundschullehrer so existenziell wichtig für die kulturelle Zukunft der Gesellschaft.

Meyer-Ravenstein

Ich möchte ergänzen: Ein erfolgreiches Vorbereiten auf den Berufsweg erschöpft sich allerdings nicht in dem Ziel, den Absolventen innerhalb der nächsten zwei Jahre in ein festes Engagement im Theater oder Orchester oder als Lehrer an einer Schule zu bringen. Vielmehr geht es uns darum, dass wir dabei helfen wollen, dass sich kreative Persönlichkeiten entwickeln können, die so gefestigt und motiviert sind, dass sie selbst Neues und Ungewöhnliches voranbringen können. Als Dekanin für den Fachbereich 2, in dem die Schulmusiker und Komponisten ihre Ausbildung erhalten, fällt mir auf, dass viele unserer Studierenden in ihren künstlerischen Fähigkeiten so breit aufgestellt sind, dass sie neben der Schule oder stattdessen eben freischaffend unheimlich pfiffige Dinge zustande bringen, die die Gesellschaft wiederum voranbringen und sich nicht nur am bestehenden Markt orientieren. Diejenigen, die nach dem Studium keine feste Stelle bekommen, sind nicht automatisch die Verlierer: Ohne Festengagement ganz auf sich selbst und das eigene Potenzial geworfen zu werden, kann Kräfte freisetzen und Wege eröffnen, von denen man gar keine Vorstellung hatte. Das kann unglaublich befriedigend sein.

Prof. Henriette Meyer-Ravenstein

FiT Frau Vickers, derlei Fragen sind sicherlich im Fachbereich 1, dem Sie als Dekanin vorstehen, leichter zu beantworten, oder? Ihre angehenden Orchestermusiker müssen schlichtweg viel üben, um schließlich Probespiele für feste Stellen zu bestehen ... Prof. Catherine Vickers Ganz so einfach ist es nicht: Wir sind auch in unserem Fachbereich mit ähnlichen Problemen konfrontiert, dabei rede ich also vom Fachbereich der künstlerisch-solistischen, kammermusikalischen, instrumentalpädagogischen und Kirchenmusikausbildung sowie der Ausbildung in Historischer Interpretationspraxis. Zusätzlich sehen sich unsere Orchester- und Kammermusiker sowie Solisten einer ungleich größeren Konkurrenz ausgesetzt, was mit der bereits angesprochenen Globalisierung zu tun hat. Begabungen aus Asien sind in den letzten Jahren auf den internationalen Bühnen und auch in unseren Studiengängen sehr präsent. Wir bilden Künstler umfassend und intensiv aus, die später zum Beispiel als Lehrende oftmals nicht in einen besonders gut bezahlten Beruf hineinkommen. Das ist eine große Diskrepanz, die mit der gesellschaftlichen Wertschätzung von Kunst zu tun hat: Berufe, die nicht besonders gut bezahlt werden, werden auch nicht hoch geachtet. Inwieweit die Gesellschaft ihre Musiker und Künstler überhaupt so unterstützen will, dass sich dies auch in adäquater Bezahlung niederschlägt, bleibt abzuwarten. Umso mehr unterstütze ich unser Anliegen als Lehrende, mit unseren Studierenden wirklich starke Persönlichkeiten auszubilden, die widerstandsfähig sind, und zwar kulturell widerstandsfähig. Sie sollen einen Blick für die Entwicklung der Gesellschaft bekommen und ihr mit ihrer Überzeugung und ihrem Können standhalten. Ich unterstütze daher alle Coaching-Angebote, die die Hochschule bereitstellt, wobei ich die Gefahr sehe, dass zu viel Direktive bei manchen Studierenden die Kreativität einengen kann. Wir dürfen nie aus den Augen verlieren, dass unsere Absolventen außergewöhnliche Individuen sind.

FiT Seit 2008 bildet die HfMDK in Frankfurt Studierende für alle musikalischen Lehrämter aus, also nicht mehr nur für Gymnasien, sondern auch für Grund-, Haupt-, Real- und Förderschulen. Welche Herausforderungen brachte und bringt diese Erweiterung des Studienspektrums mit sich?

Anfangs ging es um die Integration der für uns neuen Studiengänge in einen bis dahin fast ausschließlich künstlerisch ausgerichteten Lehrapparat, was natürlich Probleme bereitete. Jetzt sind wir dabei, die Studiengänge vollkommen umzustrukturieren. Ein großer Zugewinn ist, dass das Musikpädagogische Institut, das vorher an der Goethe-Universität angesiedelt war, nun komplett an der HfMDK zuhause ist. Das bietet enorme Möglichkeiten für die Verbindung von Kunst, Vermittlung, Wissenschaft und Forschung. Da ist jetzt so viel Forschung, Bildungsdenken und Schulerfahrung mit nun drei Musikpädagogik-Professuren unter einem Dach, dass neue Strukturen möglich werden: die Weiterentwicklung der Lehramtsstudiengänge an den Schnittpunkten von Musik, künstlerischer Kompetenz und Bildung der Persönlichkeit, der Master

Meyer-Ravenstein

FiT Herr Rietschel, Sie haben schon einmal geäußert, dass Sie es an der Hochschule mit vielen Verrückten zu tun haben. Wie meinen Sie das?

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Interview

Ganz positiv. Unsere Hochschulmitglieder sind durchdrungen von einer ungeheuren Begeisterung für ihre Sache. Ja, in der Tat, Beispiel Schauspieler: Wer Schauspiel studiert, der tut dies nicht, um später gutes Geld zu verdienen. Er lässt sich auf etwas ein, das keine Sicherheit bietet, denn er ist auf der Suche nach der Erfüllung, die künstlerische Tätigkeit bieten kann. Um Künstler oder Künstlerin zu werden, muss man sehr hart an und mit sich arbeiten, von daher steht ja neben der Vermittlung der handwerklichen Grundlagen die Ausbildung der künstlerischen Persönlichkeit im Zentrum unserer Lehre. Wir wollen unseren Studierenden den Raum geben, sich zu starken, eigenwilligen Persönlichkeiten zu entwickeln, Persönlichkeiten, die ihre Energie aus der Begeisterung für die Kunst ziehen. Und Hochschulpräsident Thomas Rietschel Neues in der Kunst entsteht oft dort, wo Normen hinterfragt und Grenzen überschritten werden. Und genau in diesem Sinne sind viele bei uns verrückt – sie entsprechen nicht der „Norm“, sie suchen immer die Grenze, sie sind eigenwillige Individualisten, die für ihre Kunst leben. Diese „Verrücktheit“ trägt unsere Institution. Und was ich sehr wichtig finde: Dahinter steckt ein Menschenbild, für das es sich lohnt, in unserer immer mehr durch die Ökonomie bestimmten Gesellschaft zu kämpfen. Bei uns findet man viele Idealisten – „Verrückte“ –, die unsere Welt nicht nach dem materiellen Wert beurteilen und die für eine Sache leben, von der sie überzeugt sind.

eine Bühne betreten, auch Repräsentanten einer Gesellschaft sind. Es reicht für ihre Arbeit nicht aus, nur den Horizont des eigenen Kinderzimmers im Hinterkopf zu haben; vielmehr muss ein gesellschaftliches und politisches Bewusstsein vorhanden sein, aus dem heraus sie sich selbst zu befragen haben: „Warum spiele ich heute noch Don Carlos?“ oder „Warum trete ich als Antigone auf die Bühne?“. Nur eine Auseinandersetzung damit und eine Antwort auf diese Fragen machen es möglich, ein Publikum für das zu interessieren, was wir darstellen wollen. Die Schulung eines gesellschaftlich verantwortlichen Denkens ist eine wichtige Aufgabe des Studiums.

Rietschel

Vickers Das wäre dann eine Legitimation der Kunst sowohl nach außen als auch nach innen? Was die Legitimation nach außen, also gegenüber der Gesellschaft betrifft, setze ich noch viele Hoffnungen auf Forscher wie zum Beispiel Neurologen, die weiter spannenden Fragen nachgehen wie: Was ist eigentlich das Wesen der Materie Musik? Was für Botenstoffe tragen diese Wellen, die uns so berühren? Ich bin überzeugt, dass erforscht werden wird, dass diese Phänomene ganz notwendig für das Menschsein sind – wir können es derzeit nur behaupten, aber nicht beweisen.

Was aber schon jetzt sehr offensichtlich ist, ist der Gewinn für die Persönlichkeitsentwicklung: Die Auseinandersetzung mit Kunst impliziert, sich ganz existenziell mit sich selbst auseinanderzusetzen. Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen sind es doch meistens die Musiker, die gezwungen sind, sich immer wieder neu zu hinterfragen, und zwar ein Leben lang. Der Konflikt zwischen innerer Zartheit und vom Berufsleben geforderter äußerer Dickhäutigkeit erfordert das. Man geht sonst unter. Diese notwendige Auseinandersetzung macht einen Teil des Wertes unserer Absolventen aus, selbst wenn sie nachher nicht mit dem ihr Geld verdienen sollten, was sie bei uns studiert haben.

Meyer-Ravenstein

Vickers Sie haben zwar recht, aber: Das sagen wir! Doch wie lange wird es noch dauern, bis das jemand anderes von außen genauso erkennt?!

Sie haben recht: Wir sind an der Hochschule von leidenschaftlichen Menschen umgeben. Die Menschen, die bei uns studieren, schauen nicht zuerst darauf, wie die materiellen Perspektiven nach dem Studium für sie aussehen. Einem Studenten wurde kürzlich nahegelegt, sich für ein Probespiel in einem Orchester vornehmer anzuziehen. Darauf antwortete er: „Wenn es darauf ankommt, verzichte ich lieber auf die Stelle.“ Wir kennen so viele junge Menschen, die so leidenschaftlich bei der Sache sind, dass es deren rationale Vorstellung übersteigt, was diese Tatsache für die nächsten 40 oder 50 Jahre bedeuten kann und muss.

Das ist ja genau das, was Künstler können: anderen Menschen einen Zugang zu Kunsterfahrungen ermöglichen – erleben lassen, was Kunst bewirken kann. Ich glaube, das ist das stärkste Argument, das wir haben: künstlerisch tätig zu sein. Und es geht darum, die Bedingungen zu schaffen, damit möglichst viele Menschen diese Erfahrung einmal machen können – also durch Musik berührt zu werden, dass einen ein Schauspiel tagelang in Gedanken weiter beschäftigt, dass tänzerische Bewegungen ein Echo in mir finden usw.

Vickers

Rietschel

FiT Dafür ist „Primacanta“ ein gutes Beispiel – das von der HfMDK angeschobene Singprojekt, das bei Grundschülern die Begeisterung am Singen und damit an der Musik wecken will, oder?

Die Frage der Legitimation von Kunst verknüpft mit der, welchen Nutzen die Kunst für eine Gesellschaft hat, ist ein Thema, das bei uns unmittelbar an die Studieninhalte geknüpft ist. Wir vermitteln den Studierenden, dass sie in dem Moment, in dem sie

Tiedtke

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„Primacanta“ hat gleich mehrfachen Wert: Natürlich ist das Projekt ein wunderbares Argument für die Legitimation einer Institution – weil es uns in der Stadt verankert, indem wir an den Grundschulen alle Kinder einer Stadt erreichen und ihnen ermöglichen, die Erfahrung zu machen, wie schön es ist, gemeinsam lustvoll zu singen. Das ist viel. Diese Erfahrung werden die Kinder nicht vergessen. Zum anderen steckt in „Primacanta“ auch eine originäre Hochschulaufgabe: die Vermittlung eines sehr fundierten Unterrichtskonzeptes – das Prinzip des „Aufbauenden Musikunterrichts“, das im Kern von Lehrenden unserer Hochschule entwickelt wurde.

FiT Welche Illusionen soll ein Studium überhaupt offenlegen, möglicherweise den Studierenden rauben, und welche soll es pflegen?

Das sind Modelle von sozialem Handeln, die wir hier entwickeln und die man durchaus in andere Lebensbereiche hineintragen kann.

stützen.

Rietschel

Vielleicht kann man es folgendermaßen umschreiben: Wenn jemand sein Musikstudium beginnt, will er nichts anderes als Musik machen und wird getragen von dem Traum, später als großer Künstler erfolgreich auf der Bühne zu stehen. Und im Laufe des Studiums ist es Aufgabe der Hochschule, Stück für Stück die Realität einsickern zu lassen – je weiter einer kommt, umso mehr.

Rietschel

Vickers Tiedtke

Illusionen können für eine begrenzte Zeit die Motivation

Tiedkte Wir gehen im Schauspiel so damit um, dass wir im ersten Ausbildungsjahr vor allem die Fremd- und Selbstwahrnehmung schulen. Bei szenischen Improvisationen spielt ein Student nicht nur, sondern schaut zu und beschreibt die anderen: Was hat funktioniert, was nicht? In dieser Diskrepanz von Fremd- und Selbstwahrnehmung entsteht das eigene Lernen. Prof. Marion Tiedtke Der Student bildet sich einen Begriff von Professionalität durch die Erfahrungen, die er macht. Diese Professionalität verbindet sich im Laufe des Studiums mit dem Wissen um Tradition. Aus der Kombination beider Kompetenzen kann der Studierende mithilfe seiner Kreativität schließlich seine eigene Künstlerpersönlichkeit entwickeln. Das ist zumindest unser Ziel. Auf diesem Weg ist die Kritikfähigkeit eine unabdingbare Voraussetzung. In keinem anderen Beruf wie dem des Künstlers muss man so kritikfähig sein können; in keinem anderen Beruf muss man sich trauen, vorgefertigte Muster zu verlassen, immer wieder bei Null anzufangen und bereit sein zu lernen. Gesicherte Ergebnisse verfliegen und gelten nur für den Moment. Den sich verflüchtigenden Moment des gemeinsamen Erlebens muss man immer wieder neu herstellen, und das ist wahnsinnig hart.

FiT Pro Semester finden im Schnitt über 100 öffentliche Veranstaltungen an der Hochschule statt – Konzerte, szenische Abende und Tanz-Performances. Diese Fülle an öffentlichen Angeboten für Zuschauer und Zuhörer übersteigt den Spielplan so manches kleinen Theaters …

Das mag sein, aber wir verstehen uns in erster Linie nicht als Konzertveranstalter, sondern als Ausbildungsinstitution. Wenn wir öffentlich zu Veranstaltungen einladen, verstehen wir sie primär als Möglichkeiten für unsere Studierenden, ihre Erfahrungen für die spätere Berufspraxis zu machen.

Rietschel

Vickers Ich verstehe unsere Veranstaltungen auch eher als einen „Einblick in unsere Arbeit“. Diese Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit finde ich wichtig. Zugleich denke ich als Lehrende darüber nach: Wie sehr sind derartige Konzerte für den Studierenden schon jetzt eine Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit, und in welchem Maß soll die Hochschule Prof. Catherine Vickers ihm während des Studiums noch einen Schutzraum bieten? Ganz gefährlich finde ich es in jedem Fall, den Studierenden durch ein solches Konzert die Illusion zu vermitteln: „Das ist das Leben. Wenn ihr hier Erfolg habt, seid ihr ganz toll.“ Vor diesem Trugschluss müssen wir unsere Studierenden schützen.

FiT Herr Rietschel, Ihnen war und ist es spürbar wichtig, die Hochschule gut nach außen zu vernetzen. Wie sieht die Vernetzung heute aus und warum ist sie aus Ihrer Überzeugung so unabdingbar?

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Interview

Viele Vernetzungen, die es heute gibt, entstammen der Initiative von Lehrenden der Hochschule, so zum Beispiel die Gründung der Hessischen Theaterakademie und die Vernetzung der Hochschule mit dem Tanzplan Deutschland. Wer gut vernetzt ist, hat auch viele Freunde, und es gibt Zeiten, in denen man Freunde braucht. Unsere Vernetzungen sind auch Bündnisse, die wir schließen. Und in der gesellschaftlichen Situation, in der wir stehen, sind die anderen Kulturinstitutionen unsere Bündnispartner. Vor allem aber ist es für eine gute Ausbildung notwendig, dass sie eng mit dem späteren Berufsfeld verbunden ist. Die Hessische Theaterakademie ist dafür ein vorzügliches Beispiel.

Der Kulturcampus ist die Vision einer Struktur, in der eine zukunftsweisende Ausbildung stattfinden kann. Die Hochschule wird dann in ein Umfeld von professionellen Ensembles und in ein wissenschaftliches Umfeld eingebettet sein, mitten in der Stadt und mit dem Anspruch, dass sie das, was sie tut, auch nach außen vermittelt. All dies strahlt dann natürlich auf die Ausbildung zurück. Wer hier studiert, wird sozusagen in das Zentrum des lebendigen Kulturcampus geworfen; er wird mitbekommen, was Vermittlung heißt, er wird mitbekommen, dass alle führenden Dirigenten innerhalb von drei Jahren beim Ensemble Modern, mit dem die Hochschule dann Tür an Tür lebt, zu Gast waren; zum Kulturcampus gehört dann auch das Institut für Sozialforschung, das an prominenter Stelle über die Rolle von Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft nachdenkt und was dies in der globalisierten Welt bedeutet. Wir werden von wissenschaftlichen Instituten wie der Senckenberg Naturforschenden Gesellschaft flankiert sein, die Fragestellungen aus der Hirnforschung oder zur Entwicklung des Menschen einbringen wird. In solch einem Umfeld auszubilden, wird dann weltweit für die interessantesten Studierenden attraktiv, nämlich für die, die offen und neugierig sind. Das ist die Klientel von Studierenden, die alle Hochschulen gerne bei sich hätten. Wir können uns als Hochschule dann an vorderster Stelle international positionieren. Und nicht zuletzt wird der Kulturcampus ein Ort sein, von dem Impulse ausgehen und bei dem die Hochschule nicht nur den Markt – also unser Kulturleben – bedient und reproduziert, sondern die Zukunft dieses Kulturlebens gestaltet. Das ist unser Traum.

Rietschel

Rietschel

Meyer-Ravenstein

Stichwort Bündnispartner: Erwähnen möchte ich die seit Jahren gut funktionierende Kooperation der Hochschule mit dem Ensemble Modern, die sich als international begehrter Studiengang „Internationale Ensemble Modern Akademie“, kurz IEMA, etabliert hat. Der Studiengang ist in dieser Form sicherlich ein exzellenzbildendes Prof. Henriette Meyer-Ravenstein Alleinstellungsmerkmal unserer Hochschule. Und gute Studierende anzuziehen, ist ja das, was in unser aller höchstem Interesse ist.

FiT Ein erster Schritt, sich auf dem Gelände des zukünftigen Kulturcampus niederzulassen, ist mit der Planung einer Studiobühne in Arbeit.

In diesem Jahr beginnt der Wettbewerb für eine neue Studiobühne, die dort errichtet werden wird. Wir brauchen sie dringend und sind bereit, damit den ersten Schritt für den Kulturcampus zu tun. Das Land Hessen steht hinter uns, die finanziellen Mittel aus dem Heureka-Programm stehen bereit.

Rietschel

Vickers Von Vernetzungen profitieren wir auch – ich denke an die jüngste Kooperation mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester mit Mahlers 3. Sinfonie, die Kooperation mit der Polnischen Kammerphilharmonie, die Prof. Wojciech Rajski den Dirigierstudierenden ermöglicht, oder das Probespieltraining mit der Rheinischen Philharmonie Koblenz. Außerdem nehme ich an der Hochschule eine steigende Anzahl von Erasmus-Studierenden wahr, also internationalen Austauschstudenten, die für ein oder zwei Semester nach Frankfurt kommen, um hier ihren Erfahrungshorizont international zu erweitern. Kooperationen mit dem Dr. Hoch`s Konservatorium und der Frankfurter Musikschule bestehen und werden stetig erweitert.

FiT

Warum braucht die Hochschule diese Bühne so dringend?

Tiedtke Wir sind die einzige Hochschule in Deutschland, die im Fachbereich Darstellende Kunst keine eigene Aufführungsbühne hat. Mit unserem Konzept der Studiobühne wollen wir zugleich die Raumnot auffangen. Zur Aufführungsbühne für alle Ausbildungsbereiche – Tanz, Musiktheater, Schauspiel, Regie – sollen noch drei Proberäume gehören. Dem Studiengang für Zeitgenössische Tanzpädagogik könnten wir damit erstmals einen eigenen Proberaum zur Verfügung stellen, und auch Schauspiel und Regie hätten weitere Proberäume, da die vorhandenen in den Räumlichkeiten der Hochschule nicht ausreichen. Daher ist die Studiobühne kein Luxus, sondern dringend notwendig.

FiT Herr Rietschel, Sie kämpfen seit zwei Jahren dafür, dass die Hochschule einen Neubau bekommt, der auf dem zukünftigen „Kulturcampus Frankfurt“ in Bockeneim stehen soll. Damit möchten Sie nicht nur der immer größer werdenden Raumnot der HfMDK begegnen, sondern auch inhaltlich neue Meilensteine setzen. Welche könnten dies sein?

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Tiedtke Es ist faszinierend, an dieser Hochschule zu arbeiten. Sie ist zwar klein, aber die Mitarbeiter der Verwaltung wie auch die Lehrenden aller drei Fachbereiche sind unprätentiös immer an der Sache dran. Hier arbeiten viele Kollegen, die – hochkompetent und hochengagiert – sich nicht scheuen, die Ärmel hochzukrempeln. Das zeichnet die Hochschule aus. So klein sie auch ist, so intensiv ist auch der Austausch sowohl unter den Studierenden und Lehrenden wie unter den einzelnen Fachbereichen. Das hat zur Folge, dass hier immer wieder viele gemeinsame Initiativen und neue Formen der kritischen Selbstbefragung entstehen – das ist sehr befruchtend.

FiT Der sogenannte Bologna-Prozess zwingt auch die Kunsthochschulen, ihre bisherigen Studienordnungen so zu überarbeiten, dass sie in Bachelor- und Masterformate passen, also mit Credit Points belegt werden und damit international neuen Standards entsprechen. Ein sicher mühsames Geschäft, oder? Vickers Der Bologna-Prozess und die damit einhergehende Modularisierung von Studiengängen bedeutet für uns alle einen enormen Mehraufwand. Diskussionen finden seit mehr als zehn Jahren statt, die letzten vier der reellen Umstrukturierung waren und sind weiterhin hart. Doch alle Lehrenden wissen, dass pädagogische Reformprozesse nie als „beendet“ betrachtet werden dürfen! Und seien wir doch behutsam optimistisch, denn Europa spricht zum ersten Mal in der Geschichte von einem „europäischen Bildungsraum“. Das verlangt Pioniergeist!

Ich möchte ergänzen, dass die schon genannten strukturellen Schwierigkeiten wie Raumnot und Vorgabe von Regelstudienzeiten mehr als ausgeglichen werden durch ein enormes Engagement der Lehrenden und ihren nicht endenden Ideenreichtum in Lehrangebot und Projekten. Die Hochschule kann ein so buntes Angebot an Aktivitäten vorweisen, dass sich jeder, der möchte, innerhalb der gesetzten Grenzen trotzdem reich entfalten kann. Ich habe noch nie so viel gelernt wie in den sieben Jahren, die ich jetzt als Professorin hier arbeite.

Meyer-Ravenstein

FiT Der Arbeitsaufwand einer administrativen Selbstverwaltung, in der der künstlerische Professor zugleich als Dekan einem Fachbereich vorsteht, unumgängliche Umstrukturierungen von Studienplänen und die drangvolle Enge im jetzigen Hochschulgebäude klingen nach viel Kraftanstrengung im Alltag. Woraus speist sich dennoch die offenkundige Lebendigkeit der HfMDK?

Foto: Andreas Reeg

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Prof. Henriette Meyer-Ravenstein bei der Vorbereitung eines szenischen Liederabends ihrer Gesangsklasse

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Statements

Dr. Stephan Pauly ist Intendant und Geschäftsführer der Alten Oper Frankfurt.

Ulrike Crespo

Bernd Loebe

Foto: Maik Scharfscheer

ist Intendant und Geschäftsführer der Oper Frankfurt.

Aus dem kulturellen Leben der Mainmetropole ist die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main nicht mehr wegzudenken. Das hohe künstlerische Niveau des Ausbildungsinstituts ist einer der Gründe, warum die Oper Frankfurt immer wieder Kooperationen mit diesem traditionsreichen Haus eingeht. Dabei geht es nicht nur um Nachwuchsförderung, sondern auch um frische Impulse, die von den Studierenden der verschiedenen Fächer ausgehen. 75 Jahre des Bestehens sind ein schöner Anlass, um die vorbildliche Arbeit dieser Hochschule zu würdigen.

Es ist ein großes Glück, eine Institution wie die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst gleichsam direkt vor der Tür zu wissen, weil hier vor Ort ganz hervorragende junge Künstlerinnen und Künstler ausgebildet werden. Wir in der Alten Oper Frankfurt geben herausragenden jungen Musikerinnen und Musikern gerne ein Podium – etwa in der Vergangenheit schon mehrfach den Pianistinnen und Pianisten der Klasse von Prof. Lev Natochenny. Auch in unserem Kinder- und Jugendprogramm PEGASUS – Musik erleben! ist es uns eine Freude, mit der HfMDK zusammenzuarbeiten, in der laufenden Saison zum Beispiel innerhalb der neuen Reihe „Rabauken und Trompeten“ und in der kommenden Saison beim Response-Projekt der HfMDK, dessen Abschlusskonzert nach vielen erfolgreichen Jahren wieder einmal in der Alten Oper stattfinden wird. Ich freue mich auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit und gratuliere der jung gebliebenen Hochschule ganz herzlich zum 75-jährigen Jubiläum!

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ist Gründerin der Crespo Foundation. Die Stiftung mit Sitz in Frankfurt ist gemeinsam mit der HfMDK Initiatorin des erfolgreichen Projektes „Primacanta – Jedem Kind seine Stimme“. „Primacanta“ hat bislang bereits über 8.000 Grundschulkindern die Freude am Singen vermittelt. Über 200 Lehrer haben durch das Projekt das pädagogische Prinzip des Aufbauenden Musikunterrichts kennengelernt.

Es gibt vielfältige wissenschaftliche und praktische Belege dafür, dass das Künstlerische als Bildungsprinzip wesentliche Beiträge zur Verbesserung unserer Schulen liefern kann. Aus diesem Grunde engagiert sich die Crespo Foundation stark in Bildungsprojekten, in denen der aktive Umgang mit Kunst und Kultur konzeptionell fest verankert ist. Ihre besondere Kompetenz auf diesem Gebiet macht die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main zu einem unserer wichtigsten Kooperationspartner. Abgesehen davon: Gelungene Kooperationen gründen immer auf Vertrauen und wechselseitiger Sympathie – und an beidem hat es zwischen der Hochschule und uns noch nie gemangelt!


Was mir die HfMDK bedeutet

Felix Koch Prof. Dr. Felix Semmelroth ist Kulturdezernent der Stadt Frankfurt am Main.

Die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main feiert in diesem Jahr ihr 75-jähriges Bestehen, und die Stadt Frankfurt darf sich stolz schätzen, dass sie diese Kunsthochschule mit herausragender Reputation beheimatet. Seit ihrer Gründung macht sie sich um die Exzellenz der Lehre und der kulturellen Bildung in all ihren Facetten verdient. Die Hochschule engagiert sich am Kulturleben der Stadt und vertieft durch ihre Vernetzung das Verständnis für gesellschaftliche Fragen. Die zahlreichen Konzerte und Veranstaltungen der Hochschule bereichern Frankfurt um ein hochkarätiges, lebendiges Kulturprogramm.

ist Professor für Alte Musik/Barockcello sowie Konzertpädagogik/Musikvermittlung an der Hochschule für Musik Mainz und Alumnus der HfMDK. Zudem war er über mehrere Jahre lang musikalischer Leiter von „Primacanta – Jedem Kind seine Stimme“, das die HfMDK gemeinsam mit der Crespo Foundation initiiert hat, und verantwortlich für die „MusiKuss“-Konzerte der Hochschule. Im vergangenen Jahr erhielt er für sein Engagement als Musikvermittler den Schumann-Preis der Robert-SchumannGesellschaft Frankfurt am Main e.V.

Ins Orchester! Unbedingt ins Orchester wollte ich. Nach meinen wichtigen Orchesterstudien an den Musikhochschulen Mannheim und Karlsruhe habe ich durch meine Studienzeit und spätere Lehrtätigkeit an der HfMDK aber erst meinen eigentlichen Platz im professionellen Konzert- und Musikleben gefunden. Die hervorragende künstlerische Ausbildung am Institut für Historische Interpretationspraxis (Violoncello) sowie die umfangreichen Möglichkeiten des Instituts für Musikpädagogik haben mir die Welt der Konzertpädagogik eröffnet, in der Musizieren auf höchstem Niveau und professionelle Musikvermittlung gemeinsam unabdingbar sind, um Kinder, Jugendliche und Erwachsene in der heutigen Zeit für Musik zu begeistern. Diese Erfahrungen gebe ich heute mit großer Begeisterung an meine Studierenden weiter und kämpfe darum, den wichtigen Dialog zwischen künstlerischer Ausbildung und Musikpädagogik zu intensivieren.

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Ruth Wagner ist ehemalige hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst und Mitglied im Kuratorium der Gesellschaft der Freunde und Förderer der HfMDK.

Ich unterstütze die Hochschule, weil sie in der Lehre, der künstlerischen Ausbildung und der Forschung, mit der Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten an die Studierenden in Disziplin, Nachhaltigkeit und Begeisterung das tut, was Heiner Goebbels „Ermächtigung der Studierenden zu eigener Ästhetik“ genannt hat. Ich unterstütze die Hochschule auch, weil die Studierenden sich mit Neugier, Risikobereitschaft und Ehrgeiz auf künstlerische Arbeit einlassen und weil alle Mitglieder dieser Hochschule in den letzten Jahren Kommunikationsformen entwickelt haben, die Selbsterfahrung und Fremdbespiegelung individuell und in gemeinsam organisierter Kommunikation als konstitutives Element dieser Hochschule begreifen.


Das macht uns so besonders

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ie Hessische Theaterakademie (HTA) ist ein in Deutschland einmaliger Studien- und Produktionsverbund von zwölf Theatern in Hessen und allen staatlichen Ausbildungsinstituten für Theater in Hessen. Vielfältige Querverbindungen unter den Sparten der darstellenden Künste eröffnen den Studierenden neue Möglichkeiten, sich auf die Komplexität ihrer künstlerischen Laufbahn vorzubereiten. Die HTA hat ihren Sitz an der HfMDK.

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ie Internationale Ensemble Modern Akademie (IEMA) und die HfMDK bieten einen einjährigen Masterstudiengang „Zeitgenössische Musik“ an. Durch die Förderung der Kulturstiftung des Bundes, der Kunststiftung NRW und des Kulturfonds Frankfurt RheinMain können junge Künstler ein Jahr lang mit den Mitgliedern des Ensemble Modern am Repertoire der Moderne arbeiten. Kooperationen z. B. mit dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe und dem Institut für Angewandte Theaterwissenschaft (ATW) in Gießen ermöglichen u.a. interdisziplinäre Projekte. Zudem sind regelmäßig namhafte Komponisten- und Dirigentenpersönlichkeiten zu Gast.

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er Studiengang Kronberg Academy Master ist eine Kooperation der HfMDK mit der Kronberg Academy und soll musikalische Höchstbegabungen auf eine internationale Karriere als Solokünstlerin oder Solokünstler für die Instrumente Geige, Bratsche oder Cello vorbereiten. Daher erhalten die Studierenden Unterricht von international renommierten Künstlerinnen und Künstlern der Kronberg Academy, während sie ihre theoretischen Fächer an der HfMDK absolvieren.

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er Masterstudiengang Zeitgenössische Tanzpädagogik (MAztp) wendet sich an professionelle Tanzschaffende, die die Fundamente ihrer Arbeit erforschen und vermitteln möchten. Die Konzeption ist an den wachsenden Anforderungen und aktuellen künstlerischen Entwicklungen im Berufsfeld orientiert. Das Programm wird im Verbund der Hessischen Theaterakademie und in enger Kooperation mit Tanzlabor_21/ Tanzbasis Frankfurt_Rhein_Main und The Forsythe Company/Motion Bank durchgeführt.

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er Master-Studiengang Theater- und Orchestermanagement (TheO) ist bundesweit der einzige dieser Art. Er bereitet Absolventen verschiedener Fachrichtungen auf Berufe in Theatern, Orchestern, Festivals, Einrichtungen und Gruppen der freien Szene vor. Mit seinen Schwerpunkten „Zukunft des Theaters“ und „Analyse deutscher und internationaler Theatersysteme“ trägt der Studiengang zugleich zu einer der wichtigsten Reformdebatten der deutschen Theaterlandschaft der letzten Jahre bei.

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as Institut für zeitgenössische Musik (I z M ) arbeitet beständig daran, einen Mittelweg zu finden, auf dem möglichst viele Lehrende und Studierende mitgehen können. Inzwischen erfreuen sich die vom I z M initiierten Projekte großer Beliebtheit und zahlreicher Unterstützer. Viele Studierende kommen auf diese Weise erstmals mit Neuer Musik in Berührung, andere können eine schon begonnene Spezialisierung erfolgreich ausbauen. 60

ie Stiftungsprofessur Interpretatorische Praxis und Vermittlung Neue Musik wird zum Sommersemester 2013 erstmals besetzt und soll in praktisch ausgerichteten Unterrichtsveranstaltungen musikgeschichtliches sowie interpretatorisches und spieltechnisches Wissen vermitteln und miteinander verbinden.

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HE ARTIST´S BODY steht für Tagungen, Workshopangebote zur „Musikspezifischen Bewegungslehre“ und zum Thema „Körper im Theater“ sowie interdisziplinär orientierte, täglich stattfindende Bewegungsangebote. Es ist ein facettenreiches Konzept zur Implementierung neuer Ansätze von Körperforschung und Bewegungslehre in alle Studiengänge. Es bietet die Basis und den Rahmen für vielseitigen Austausch, gegenseitige Inspiration und Bereicherung in der Querschnittsaufgabe „Körper und Bewegung in der Künstlerischen Ausbildung“.

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as Weiterbildungsprojekt Primacanta – Jedem Kind seine Stimme ist eine Kooperation der HfMDK und der Crespo Foundation. Sein Ziel ist die Förderung der Singkompetenz von Grundschulkindern. Dazu werden Grundschullehrkräfte aus Frankfurt, Offenbach und dem Taunus nach dem Prinzip des Aufbauenden Musikunterrichts weitergebildet. Es wird angestrebt, Musikunterricht nach dem PrimacantaPrinzip an möglichst vielen Grundschulen nachhaltig zu implementieren.


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m Proben- und Aufführungsort Frankfurt LAB in ehemaligen Produktionshallen im Frankfurter Stadtteil Gallus kooperieren das Künstlerhaus Mousonturm, The Forsythe Company, das Ensemble Modern, die Hessische Theaterakademie und die HfMDK. Es versteht sich als Laboratorium zeitgenössischer Kunst. Hier sind interdisziplinäre Begegnungen, Eigenarbeiten und die Entwicklung neuer Ästhetiken Zielsetzung des Programms.

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as Festival der jungen Talente! findet seit 2000 alle zwei Jahre an unterschiedlichen Orten in Frankfurt und Offenbach statt, wird durch den Verein für Kunstförderung Rhein-Main e.V. getragen und legt den Schwerpunkt auf die Produktion spartenübergreifender kooperativer Projekte durch die Studierenden verschiedener Hochschulen, unter anderem der HfMDK.

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er LEITBILD_prozess von unten nach oben, der in der HfMDK seit September 2012 läuft, bietet jedem Hochschulangehörigen die Chance, unser neues Leitbild aktiv mitzugestalten. Dieser offene Prozess ist in der Hochschullandschaft nicht selbstverständlich – zumal die Beteiligung möglichst vieler Hochschulangehöriger entschieden mehr Zeit, Raum und Kraft beansprucht als eine Leitbildentwicklung von oben nach unten. Allerdings kann ein Leitbild nur erfolgreich sein, wenn es von möglichst vielen getragen wird. Und hierfür ist die gemeinsame Erarbeitung der beste Garant.

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ie HfMDK ist mit zwei professionellen Fundraiserinnen die Benchmark in Deutschland für strategisches Fundraising an einer Kunsthochschule für Musik, Theater und Tanz.

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it der Hessischen Film- und Medienakademie haben sich 13 Hochschulen zusammengeschlossen, um Hessen als Medienstandort zu stärken. Die hFMA ermöglicht Kooperationsprojekte für höhere Semester (ab Hauptstudium) zwischen den angeschlossenen Hochschulen. Dies gilt für Projekte von Studierenden und/oder Professoren.

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it dem Projektfonds Tanz der Künste fördert die HfMDK seit 2006 interdisziplinäre, studiengangsübergreifende Projekte, die von Studierenden eigenverantwortlich durchgeführt und von einem frei wählbaren Mentor individuell begleitet und betreut werden. Im Rahmen des Projektfonds werden ergänzend Lehrveranstaltungen und Workshopprogramme angeboten, die für alle Studierenden der HfMDK offen sind.

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usik Monat Mai! ist eine Initiative der HfMDK, bei der sich alle großen Musikinstitutionen Frankfurts an einer alljährlichen Musikprojektwoche beteiligen. Dabei veranstalten sie Konzerte in Schulklassen oder laden Schülerinnen und Schüler zu Konzerten ein, um allen Jugendlichen ein musikalisches Live-Erlebnis zu ermöglichen. In diesem Rahmen findet auch der 1822-Musikwettbewerb Frankfurt klingt statt, den die HfMDK mit Förderung der 1822-Stiftung der Frankfurter Sparkasse veranstaltet. In ihm können Schulklassen und -kurse ihren themenspezifischen musikalischen Beitrag präsentieren, in diesem Jahr zum Motto „Frühlingsgefühle“.

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er Masterstudiengang für Historische Interpretationspraxis bietet in konzentrierter Form neben Hauptfachunterricht bei international renommierten Lehrkräften ein „Paket“ an Studieninhalten, wie sie für die Qualifikation in einer zumeist freiberuflichen Berufstätigkeit im Bereich der Alten Musik unverzichtbar sind: Aufführungspraxis, Cembalo, Generalbass, Kammermusik, Ensemble, Orchester und Opernprojekte, Musik vor 1600.

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it dem Fach Physiodrama hat die HfMDK seit 2008 als einzige Hochschule in Deutschland im Ausbildungsbereich Schauspiel eine gleichnamige Professur eingerichtet, die der Betonung des körperlichen Ausdrucks im zeitgenössischen Sprechtheater Rechnung tragen soll. Statt einem bloß körperlichen Training geht es um die Entwicklung neuer körperlicher Ausdrucks- und Spielweisen.


„EINE HOCHSCHULE IST KEIN DURCHLAUFERHITZER“ Die Professoren Jörg Widmann und Martin Lücker im Interview über das Reifen der künstlerischen Persönlichkeit im Laufe eines Musikstudiums

W

New York verbringen durfte, war für mich ein ganz schwieriges, aber auch intensives Jahr, in dem ich mich am eigenen Schopfe aus dem Sumpf der Unsicherheit gezogen habe und dadurch unendlich viel profitieren konnte. Dieses Krisenjahr hat mich vorangebracht, weil genau dieser Findungsprozess stattfinden konnte. Ich habe keine Allheilmittel und Rezepte zur Hand, wie eine ideale Hochschule, die es niemals geben wird, aussehen könnte. Aber im Rahmen meiner Möglichkeiten möchte ich als Hochschullehrer versuchen, den Studierenden den Rücken freizuhalten, damit sie sich fokussieren können auf das, was ihnen wirklich wichtig ist. Dieser Freiraum macht sie einerseits viel selbstbewusster und sorgt andererseits für neue Verunsicherungen – beides stelle ich fest. Viele spielen im Sommer in den großen Jugendsinfonieorchestern unter den großen Dirigenten mit und merken dabei, wie nah sie daran sind, in ein großes Orchester zu kommen. Und dann kommen sie aus den Semesterferien zurück und denken: „Nein, ganz so ist es doch noch nicht.“ Diese Unsicherheit nimmt meiner Ansicht nach genauso zu wie ein manchmal überproportionales Selbstbewusstsein. Beides sollte in eine Balance kommen, und das braucht eben Zeit.

ährend sich die Berliner Philharmoniker in den Nebenräumen

für Jörg Widmanns Komposition „Flute en suite“ einspielen, trifft sich der Komponist und Klarinettist vor Konzertbeginn des „Auftakt“-Festivals in der Alten Oper in einem Salon mit dem HfMDK-Orgelprofessor Martin Lücker. Ein gemeinsames Nachdenken über die „Kunstausbildung im Wandel“ führt Jörg Widmann, Professor für Komposition und Klarinette an der Hochschule für Musik Freiburg, und Martin Lücker, Professor für Künstlerisches Orgelspiel an der HfMDK Frankfurt am Main, für ein Gespräch unter Kennern zusammen. Eine gute Gelegenheit für „Frankfurt in Takt“, die beiden Musikerpersönlichkeiten im Dialog darüber zu erleben, wie ein künstlerisches Studium gerade im Angesicht veränderter Marktbedingungen und höher geschraubter Erwartungen an die Absolventen zu einer glücklichen Reifungszeit werden kann.

Welche Rahmenbedingungen sollte eine Hochschule bieten, um Studierenden zu helfen, ihre Fähigkeiten, ihre Identität als Künstler und Perspektiven so zu entwickeln, dass sie sich angemessen auf ihr späteres Berufsleben vorbereiten können?

Frankfurt in Takt

Bei den Fragen „Wer bin ich? Wo möchte ich hin? Und wo bin ich jetzt gerade?“ finde ich persönlich wichtig, dass die Hochschulausbildung ein Raum sein darf und muss, in dem der Studierende auch einmal einen Irrweg geht. Niemand sollte unter einem solchen Zeitdruck studieren, dass so ein Umweg nicht möglich wäre. Was ich als Hochschulprofessor wahrnehme, ist gegenwärtig die Gefahr in vollkommen durchstrukturierten Studiengängen, dass nicht etwa eine Vertiefung der Beschäftigung mit dem Hauptgegenstand, nämlich der Musik, stattfindet und die Möglichkeit fehlt, einen Raum für Menschen zu schaffen, die sich doch universell bilden möchten. Es sollte aber nicht nur darum gehen, zu einem Spezialistentum gedrängt zu werden, indem Studierende möglichst viel Stoff in möglichst kurzer Zeit wie in einem Durchlauferhitzer schnell durchlaufen, um dann bitte sofort in den Beruf zu gehen, dort Nutzen zu bringen und Geld abzuwerfen. Diese effizienzorientierte Tendenz macht mich sehr traurig, und ich glaube, dass sie dem Menschen, aber auch unserem Fach zuwiderläuft. Das Jahr Auslandsstudium, das ich als Student in

Prof. Jörg Widmann

Wie erleben Sie den quantitativen und qualitativen Leistungsdruck bei Ihren Studierenden, Professor Lücker?

FiT

Prof. Martin Lücker Aus meiner eigenen Biografie heraus weiß ich, dass für Instrumentalisten der Berg an Repertoire, durch den sich Studierende über Jahre hinweg „fressen“ sollen, mit fortschreitender Musiktradition immer größer wird. Auf der anderen Seite werden die Zeitzwänge auch immer größer. Folglich raten manche oftmals zu einer frühzeitigen Spezialisierung, was ich aber für ganz falsch halte. Ich bin überzeugt, dass jeder genügend Zeit haben muss, ein gewisses Repertoire für sein Instrument kennenzulernen. Insofern heißt Wandel für mich strukturiertes Wachstum. Was die Persönlichkeitsbildung angeht: Wir sind Musikhochschulen, keine Persönlichkeitsbildungsschulen. Man bildet eine Persönlichkeit, indem man sich mit einem Gegenstand auseinandersetzt und sich an ihm reibt. Manchmal schwimmt man mit dem Gegenstand,

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Foto: Andreas Reeg

Fagottist Nadav Cohen, Stipendiat der Internationale Ensemble Modern Akademie, während einer Orchesterprobe im GroĂ&#x;en Saal der HfMDK.

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Interview

Die individuelle Sprachfindung ist dadurch eigentlich schwerer geworden.

Lücker

Ja, sie wird schwerer, aber ich finde trotzdem, dass es aufregend ist, heute zu wirken, zu leben, Kunst zu machen. In der Instrumentalausbildung bedeutet dies: Auf eine Orchesterstelle bewerben sich heute so unglaublich viel mehr fantastisch ausgebildete Leute als noch vor wenigen Jahren. Entsprechend selbstverständlich müssen sie die Literatur beherrschen und präsentieren. Das ist etwas, das mich aber auch mit ein wenig Traurigkeit erfüllt, dass Die beiden Hochschulprofessoren Jörg Widmann, Komponist und Klarinettist (links), und Martin Lücker, Organist (rechts), es diese toll ausgebiltrafen sich in der Alten Oper Frankfurt zum gemeinsamen Gespräch. deten Leute gibt, die sicher nicht einmal annähernd alle eine manchmal hat man das Gefühl, in eine andere Richtung zu feste Orchesteranstellung bekommen werden. Das ist ein Dilemma. schwimmen. Damit umgehen zu lernen, stärkt die Persönlichkeit; Ich komme gerade von einer Probe mit dem SWR-Sinfonieorchessich mit einem Gegenstand dauerhaft zu befassen, der sich einem ter Baden-Baden, dem ich sehr verbunden bin und ohne das es zunächst versperrt. Wer sich eingehend, aber auch liebevoll mit uns moderne Komponisten gar nicht geben würde. Mittlerweile ist ihm weiter beschäftigt, dem wird er sich irgendwann auf einmal klar: Es wird mit dem Stuttgarter Radio-Sinfonieorchester fusionieöffnen. Es gehört auch zu unserer Professionalität, dass wir uns ren und damit seine Eigenständigkeit aufgeben müssen. Eine alle mit Fug und Recht die Zeit nehmen und den Willen entwickeln, schlimme Vorstellung, auf der einen Seite drängen in den Hochin einen Gegenstand wirklich einzudringen und danach unser schulen grandios ausgebildete junge Leute nach, die in ein solches Urteil zu bilden. Ich glaube, ich habe es leichter gehabt als Sie, Orchester fantastisch hineinpassen würden. Auf der anderen Seite Herr Widmann: Ich bin ein Kind des Kalten Krieges. Und den Kalten wird ein so großartiges Orchester in einer so musikalischen Stadt Krieg gab es natürlich auch in der Kunst nach dem Motto „Cluster wie Freiburg geschlossen. Das bedeutet für unsere Freiburger gut, Dur-Akkord böse“. In den 70er Jahren erlebte ich den ParadigHochschule auch Gravierendes: Da bricht die ganze Infrastruktur menwechsel auch durch die Beschäftigung mit historisch auseinander, weil wir eine Kooperation mit dem Orchester haben. informierter Praxis: Das Sich-Reiben an scheinbar festgefügten Das Orchester probt bei uns für Donaueschingen, und wir bieten Kategorien kann etwas sehr Produktives sein. den Studierenden mit den Musikern Kurse für bestimmte Spieltechniken an – das bricht alles weg. Eine solche Entwicklung betrübt Widmann Stimmt. Und im Komponieren war und ist es genauso. mich sehr. Noch vor Jahren konnten sich Komponisten positionieren, indem sie gegen oder für etwas waren. Das ist heute in der Tat komplexer: FiT Wie kann dann Hochschule ein Schonraum sein, wenn sie In einer Zeit, in der ich tatsächlich alles darf, muss ich umso angesichts steigender Konkurrenz mehr denn je auf Spitzenleisdeutlicher eigene Pflöcke einrammen und Gesetzmäßigkeiten tungen vorbereiten muss? selber schaffen. Widmann

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Grandioso. Seit 75 Jahren Wir gratulieren der Hochschule f체r Musik und Darstellende Kunst zu ihrem 75-j채hrigen Bestehen.

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Diese Leistungen sind mit und ohne Schonraum vorhanden, sogar mehr als früher. Wenn damals fünf Fagottisten zum Probespiel kamen, wurde der Beste von ihnen genommen und hat bis heute diese Orchesterstelle. Heute ist es so, dass da eine Vielzahl von Leuten kommt. Man muss ja schon Vorauswahlen machen, teilweise schon mit Videoband. Trotzdem fordere ich, dass ich als Hochschullehrer nicht nur den Markt bedienen kann. Übrigens will heute auch nicht mehr jeder Instrumentalist ins Orchester, auch das hat sich gewandelt. Man spürt: Die Hochschulen sind in der Tat im Wandel und bereiten sich insgesamt gut darauf vor.

Je länger der Mensch weiß, dass er nichts weiß, umso besser – drastisch formuliert. Dieses permanente Suchen ist etwas ganz Wichtiges in unserem Künstlerberuf, und auch etwas ganz Schmerzhaftes, weil man sich permanent häuten muss. Wenn man glaubt, etwas gefunden zu haben – in der Interpretation, was Tempo anbelangt –, kann das in fünf Jahren schon wieder ganz anders sein. Und wenn man sich dieser Offenheit versperrt, wäre dies nicht intelligent. Wenn der ideale Weg, der funktioniert, zur Routine führt und zum Glauben, ich hätte alles gefunden, ist dies eigentlich das Allertraurigste, was passieren kann. Es gibt ja diese berühmten drei Sekunden, in denen man jemanden eine Interpretation spielen hört, in denen sich offenbart, ob jemand sein Instrument absolut beherrscht und gut ausgebildet ist und trotzdem von der Musik nichts versteht – vielleicht, weil er eine Stille oder Spannung gar nicht empfindet und lebt. Das hat, glaube ich, damit zu tun, ob sich jemand tatsächlich auch ein bisschen für die anderen Bereiche um sich herum interessiert – für die anderen Künste, für die anderen Instrumente. Das zu erwähnen, ist mir natürlich wichtig, weil ich beide Fächer unterrichte – Klarinette und Komposition. Ich habe in meinen ersten Jahren als Unterrichtender gemerkt, dass da kein wirklicher Austausch zwischen den Disziplinen stattfand. Mittlerweile gehen bei uns die Komponisten in die Instrumentalklassen und umgekehrt. Stücke schreiben meine Kompositionsstudierenden nicht abstrakt, sondern für ganz bestimmte Kommilitonen, mit denen sie von Anfang an das Stück gemeinsam erarbeiten. Für diesen Interpreten wiederum ist das dann auch nicht mehr das „böse“ Neue-Musik-Projekt, das er laut Studienordnung halt absolvieren muss, sondern wirklich „sein eigenes“ Stück. Dabei konnte ich mehrmals beobachten, wie jemand vor diesem Hintergrund ganz anders auf die Bühne geht, wenn es „sein Stück“ ist. Solche Momente sind ganz wichtig.

Widmann

Widmann

FiT Probespiele zu bestehen, setzt voraus, im richtigen Moment vorher festgelegte Probespielstellen vorzüglich abzuliefern. Welche Gefahr sehen Sie darin? Widmann Die Gefahr der Einengung und Verdummung. Schlimm finde ich es, wenn jemand die Coda des dritten Satzes von Mozarts Klarinettenkonzert nicht übt, weil er weiß, dass sie im Probespiel nicht abgefragt wird. In meinem Selbstverständnis sollte man das Konzert natürlich erst einmal in seiner Gänze studiert haben, bevor man mit ihm zum Probespiel aufbricht. Eine Einengung erlebe ich auch in technischen und stilistischen Fragen, wenn Studierende so zu spielen versuchen, wie sie glauben, dass man es im Probespiel von ihnen erwartet, ohne dass sie wirklich dazu stehen. Da sind wir wieder bei unserer Eingangsfrage: Wer bin ich als Spieler? Und bin ich nicht am ehrlichsten, wenn ich eine Phrase innig empfunden spiele und nicht so, wie ich denke, dass sie von mir erwartet wird?

FiT

Herr Lücker, wie gehen Sie mit derlei Einengungen um?

Was ich als Lehrer an künstlerischem Ethos vorlebe, was ich also nicht nur behaupte, sondern was ich in meiner musikalischen und Unterrichtspraxis wirklich bewahrheite, finde ich sehr wichtig. Eigene künstlerische Entscheidungen müssen über scheinbare Sachzwänge erhaben sein, damit Musiker nicht zu „dummen Usern“ werden, die einfach nur noch bestimmte Handlungsanweisungen ausführen, die sie von außen aufnehmen. Wenn ein Studierender von mir auf einen Wettbewerb oder zu einer Bewerbung fährt, kennt man oft die Vorerwartungen von bestimmten Leuten in der Jury – das kann helfen, aber auch gefährlich sein. In meinem eigenen Werdegang habe ich mich von derlei Vorerwartungen nicht beeindrucken lassen, hielt vielleicht sogar bewusst dagegen und hatte immer Erfolg damit. Auch wenn ich selbst heute in Kommissionen sitze, finde ich immer erfrischend, wenn jemand nicht so spielt, wie man es erwartet hat, und damit trotzdem überzeugt. Es gibt ja andererseits auch Interpretationen, bei denen man nach dem dritten Ton weiß, wie sich die nächste halbe Stunde gestalten wird – so etwas finde ich gähnend langweilig.

Lücker

FiT

Herr Lücker, können Sie von ähnlichen Erfahrungen berichten?

Lücker Ich kann das in jederlei Hinsicht unterstützen. Hans Zenders einstige Frankfurter Kompositionsklasse nahm sich damals beispielsweise zwei Tage Zeit, um die Orgel mit ihren spieltechnischen und kompositorischen Möglichkeiten kennenzulernen. Das Problem ist der Zeitfaktor, weil natürlich all diese Dinge Zeit brauchen. Ich bringe es gern auf die Formel: Eine musikalische Ausbildung ist keine Geflügelzucht, wo ich sagen kann: 36 Tage Aufzucht und dann ist das Schlachtgewicht von 837 Gramm erreicht. Ausbildung muss auch immer ein geschützter Raum sein, wo Irrtümer möglich sind, wo auch nicht-lineare Entwicklungen möglich sind.

Wobei ja aus meiner Erfahrung künstlerische Entwicklung in den seltensten Fällen linear verläuft.

Widmann

Lücker Und dann sehe ich meine Aufgabe als Lehrer vor allem darin, zunächst bei jemandem zu bleiben, also wirklich auch im menschlichen Sinne seine Hand zu halten in dem Moment, wenn er vielleicht das Geländer loslassen will, sozusagen die „Oberkurve“ zu beobachten, wie eine Entwicklung voranschreitet.

FiT In Teilen haben Sie diese Frage schon beantwortet – würden Sie der These zustimmen: Je früher ein Mensch genau weiß, was er will, desto besser ist es für seine berufliche Entwicklung?

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Fotograf: Hans Jörg Michel

W ir s uchen


Foto: Andreas Reeg Foto: Andreas Reeg

Hornist Salgueiro Garcia während einer HfMDK-Orchesterprobe im GroĂ&#x;en Saal der Hochschule

Valentina Busso absolvierte im Wintersemester 2012/13 ihr Konzertexamen an der HfMDK. 68


Interview

Früher betrug bei uns die Regelstudienzeit für eine Künstlerische Ausbildung zehn Semester. So wenig, wie man in acht Jahren Gymnasium dasselbe Resultat haben kann wie in neun Jahren – sowohl qualitativ wie auch quantitativ –, so wenig kann man heute sagen, dass jemand mit dem Bachelor-Studium genauso weit kommen kann wie ein Diplom-Absolvent mit einem Jahr mehr. Ich kann auch nicht zu einem Baum hingehen und sagen: „Eigentlich wächst du 30 Jahre, aber du tust das jetzt mal in 20.“ Wir wissen, dass, wenn es doch so war, es zu schlimmen Eingriffen geführt hat – durch künstliche Düngung. Wir wissen zudem, dass manchmal gerade die letzten Studienjahre exponentielle Entwicklungskurven aufzeigen. Und da müsste die Hochschule in Zukunft eine kluge Filterfunktion haben – eine Filterfunktion auch in dem Sinne, dass sie nun die ewigen Einflüsterungen der Globalisierung und Digitalisierung nicht so in den Vordergrund stellt und einfach vermittelt: „Vielleicht wirst du dich eines Tages mal damit beschäftigen müssen. Aber zunächst dreht es sich um dich und dass du weiterkommst.“ Jede Beschäftigung mit Kunst sperrt sich tendenziell gegen eine zeitliche Regelung. Kunst, und besonders Musik, gestaltet immer ihre eigene Zeit. Und diese Zeit, die Musik gestaltet, kann eine halbe Stunde wunderschönste Ewigkeit, aber auch zehn Minuten blanken Horrors sein.

bare „Schlachtreife“ gibt es nicht. Ich bringe die Begrenztheit des eigenen Schaffens gern auf folgende Formel: „Was ich leisten kann, sind Präzision und Gottvertrauen.“ Das ist ein ganz wichtiger Punkt: Ich muss ein Stück als Bläser so geübt haben, dass es auch gut funktioniert, wenn mein Puls deutlich erhöht ist und ich weniger Luft zur Verfügung habe als noch beim Üben. Da muss ich Grenzen überschreiten und ausloten. Schön ist es, wenn ich Studierende vor mir habe, die diese Bereitschaft mitbringen, an ihre Grenzen zu gehen. Ich glaube, dass sich Karrieren oft auch genau daran entscheiden.

Widmann

FiT In dieser Hinsicht ist sicher auch die Motivationsfähigkeit und Geduld des Lehrenden gefragt.

Wichtig ist es, als Lehrer zu beharren, auch wenn beim Schüler gerade noch nicht der Erkenntnisknoten platzt. Wenn der Knoten eines Tages platzt, ist das ja für uns Lehrer der schönste Punkt, wenn solche Momente geschehen. Auch in meiner eigenen Ausbildung waren die Inputs von meinen Lehrern für mich ganz wichtig. Ich möchte mit meinem Begriff vom „Schutzraum Hochschule“ übrigens nicht missverstanden werden: Ich behaupte nicht, dass man Studierende nur peppeln und von der Realität fern halten sollte, im Gegenteil. Aber es muss auch möglich sein, jemanden, bei dem gerade der Knoten noch nicht platzt, in seinem Prozess zu begleiten und ihm klarzumachen, dass er Vertrauen haben soll und wissen kann, dass die Hochschule hinter ihm steht.

Widmann

FiT Dennoch müssen die aktuellen Marktströmungen – Stichwort Globalisierung, Digitalisierung, größere Konkurrenz, steigender Vermarktungsdruck – in das Bewusstsein der Studierenden Eingang finden, oder?

Grundsätzlich möchte ich all diese Dinge gar nicht verteufeln, weil sie zu unserer Realität gehören; insofern soll die Hochschule auch darauf vorbereiten. Aber sie haben in den letzten Jahren ein Übergewicht bekommen. Klar muss sein: Am Ende des Studiums brauche ich nicht zu wissen, wie ich mich vermarkte, wenn ich nicht mein Instrument gelernt habe. Ich habe früher für die Münchner Kammerspiele Schauspielmusiken gemacht. Dort sagte Regisseur Dieter Dorn einmal in einem ver-zweifelten Moment zu seinen Schauspielern: „Ich bin der schlechteste Regisseur der Welt, wenn ihr mir nichts anbietet. Bietet mir was an, und dann kann ich auch reagieren.“ Heißt für uns: Ein Student, der nur erwartet, „der Lehrer wird‘s mir schon sagen“, ist letzten Endes auch gar kein intelligenter Student; der intelligente Student hinterfragt tatsächlich selbst aktiv. Wenn die jungen Leute sich dann nicht nur selbstbewusst auf die Bühne stellen, sondern zugleich so sehr an die Sache glauben, dann kommt dieser Zauber auch wieder über die Bühne, dann kann ein Publikum auch daran glauben.

FiT

FiT Ist ein künstlerisches Studium nicht auch die Auseinandersetzung mit den eigenen Grenzen?

Lücker

Widmann

Was wünschen Sie sich für die Hochschule der Zukunft?

Ganz einfach: dass in ihr wieder mehr über Musik geredet wird. Ich habe neulich mal zu einer Künstlerkollegin in einem Funktionsposten gesagt: Es ist das erste Mal seit drei Jahren, dass wir über Musik sprechen und nicht über irgendwelche Studienpläne!

Lücker

Da haben Sie allerdings recht. Ich möchte das mal mit der Hoffnung verbinden, dass der Übergangsprozess hin zur kompletten Modularisierung unserer Studiengänge irgendwann abgeschlossen sein wird. Manche Initiativen dieser Art sind sicherlich richtig, nachdem sich die Studierenden in den Hochschulen früher vielleicht wirklich zu einseitig nur mit ihrem Instrument beschäftigt haben und weniger mit der Frage, wie sie damit später in den Beruf kommen. Zwischen den Polen wird sich eine neue Normalität hoffentlich gut einpendeln – irgendwo in der Mitte, so dass endlich wieder über die Musik geredet wird.

Widmann

Oder Musik gemacht wird!

Widmann

Durchaus. Meine Erfahrung als junger Musiker war einfach die, dass zwei Jahre nach meiner Hochschulausbildung 30 Prozent der Inhalte, die ich gelernt hatte, Makulatur waren. Ich war aber in der Lage, mich in Neues hineinzufinden. Wie gesagt: Eine definier-

Lücker

bjh

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Oder gemacht wird, das ist das Allerwichtigste.


Statements

Bettina Kessler studiert Violoncello an der HfMDK.

Michael Sanderling

Foto: Andreas Kessler

ist Professor für Violoncello an der HfMDK.

Ausschlaggebend für mein Studium an der HfMDK war natürlich der Wunsch, bei Prof. Michael Sanderling zu studieren, einem der vielseitigsten Musiker der heutigen Zeit, der seine Studenten zu großer künstlerischer und methodischer Selbstständigkeit erzieht und als gefeierter Solist, Orchestermusiker und Dirigent allen ein großes Vorbild ist. Nach kurzer Zeit an der HfMDK wird zudem deutlich, was, was die Hochschule als solche zu bieten hat, beispielsweise Korrepetitoren/Assistenten wie Anna Naretto, die weit über die Aufgabe eines Korrepetitors hinaus die Studierenden fordern und fördern, ihnen ein künstlerisches Leitbild sind und dadurch einen großen Anteil an der außerordentlichen Qualität des Studiums haben; interessante fächerübergreifende Seminare; einen offenen Dialog zwischen Lehrenden und Studierenden und nicht zuletzt eine Verwaltung, die sich mit bestem Bemühen um unsere Belange kümmert.

Hernando Leal Gomez studiert an der HfMDK Flöte im Masterstudiengang Historische Interpretationspraxis. Damit ergänzt er vorangegangene Studien in Flötenspiel, Dirigieren und Pädagogik.

Die Frankfurter Abteilung für Historische Interpretationspraxis, kurz „HIP“, ist klein und groß zugleich – klein, was die beengten Räumlichkeiten betrifft, aber groß in den reichlichen Auftrittsmöglichkeiten, die uns das Haus bietet – mehr als an manch anderer Hochschule mit größeren Abteilungen. So ist die HfMDK ein ideales Forum, um in verschiedenen Besetzungen Erfahrungen zu sammeln und Kontakte aufzubauen. Als Musiker, der ursprünglich von der „modernen“ Flöte kommt, wünsche ich mir, dass sich die Welten zwischen „alt“ und „neu“, historisch und zeitgenössisch, an der Hochschule noch mehr miteinander mischen. Mein Studium in Alter Musik hat mir viele Türen geöffnet, auch die jüngere Literatur besser zu begreifen.

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Jungen Menschen und angehenden Musikern zu helfen, sich ihren Traum vom Leben für die, mit der und im Dienste der Musik zu verwirklichen, ist für mich nicht nur eine Herausforderung, sondern bedeutet mir größte Genugtuung. Meine Arbeit als Lehrer an der Hochschule gehört somit zum Wichtigsten in meinem eigenen musikalischen Leben. Dass ich durch eine wunderbare Atmosphäre an unserem Haus auch im Austausch zu meinen geschätzten Kollegen stehen kann und über die musikalische Arbeit hinaus wunderbare persönliche Freundschaften entstanden sind, macht mich zusätzlich sehr glücklich! Musik selber machen: wunderbar! Musik gemeinsam erleben, erlebbar machen und vermitteln: die Krönung!!!!


Was mir die HfMDK bedeutet

Laura Ruiz Ferreres ist Professorin für Klarinettenspiel an der HfMDK.

Dr. Julia Cloot

Michael Schneider ist als Professor für Blockflöte und Historische Interpretationspraxis Direktor der gleichnamigen Ausbildungsabteilung im Fachbereich 1.

Vor genau 30 Jahren bin ich nach vorherigen Hochschultätigkeiten in Köln und Berlin an die HfMDK Frankfurt gekommen und damit unversehens jetzt einer der dienstältesten Lehrenden am Hause. Ich habe sehr unterschiedliche Zeiten unseres Instituts erlebt, darunter auch äußerst kritische. Heute betrachte ich die HfMDK Frankfurt am Main als eine sehr gute Hochschule und einen angenehmen Arbeitsplatz. Hier gehe ich gerne täglich meiner Unterrichtstätigkeit nach, wobei das überaus angenehme kollegiale Arbeitsklima sicher eine wichtige Rolle spielt. Unsere Hauptaufgaben lauten: Bei jungen Menschen Leidenschaft und Verständnis für Musik und Kunst zu fördern und sie mit handwerklichen Fähigkeiten für das Bestehen im harten Berufsalltag eines Musikers auszustatten. Unsere Hochschule bietet gute Bedingungen, dass dies gelingen kann.

Als Professorin an der Hochschule zu arbeiten, heißt für mich, eine Begleiterin zu sein bei der persönlichen Entwicklung von jungen Künstlern. Ich möchte sie darin stärken, ihre Ausdrucksmöglichkeiten zu entdecken und ihre Gefühle musikalisch authentisch umzusetzen. In meiner Klasse möchte ich einen Geist befördern, in dem gegenseitige Hilfe selbstverständlich ist, aber auch die Offenheit für neue Ideen und Vorstellungen, sei es künstlerisch oder menschlich. Ständig dazuzulernen und sich zu verbessern, ist mein eigenes Leitmotiv, das ich auch meinen Studierenden nahelege, denn so kann musikalische Reife entstehen. Die Frankfurter Hochschule bietet dafür beste Voraussetzungen.

leitet das Institut für zeitgenössische Musik I zM an der HfMDK seit 2005. Seit 2011 ist sie Präsidentin derDeutschen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (auf dem Foto bei den „Urviechern“ der Konzertreihe „Bestiarium“, die das I zM gemeinsam mit dem Senckenberg Naturmuseum veranstaltet hat).

Ein tönendes Haus Wie eine riesige Spieluhr Schlaflieder – eher selten Wer dreht die Kurbel? Zum 75.? Ein Gedicht und alles Gute! Was alle eint? Feuer für die Sache. Das Foyer? Ein Cluster aus Anliegen, Freistunden und kleinem Dienstweg. Sitzungen? Oft genug ein Tristanakkord – das strebt nach allen Seiten auseinander, lässt mehrere Deutungen zu und löst sich am Ende in ein ganz neues Tonsystem. Projekte? Gern auch zertierende Konzerte. Das Institut? Immergleiches Übegeräusch und mehr Lust als Angst bei Neuer Musik. Die HfMDK? Unentbehrlich.

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Statements

Silke Altmannsberger arbeitet in der Abteilung Personalservice und Organisation der HfMDK.

Daniela Kabs ist Leiterin des Künstlerischen Betriebsbüros an der HfMDK.

Matthias Markus Kowalczyk

Foto: Jürgen Friedel

ist Studierender der HfMDK und Solotrompeter des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters.

Als 18-jähriger Jungstudent durfte ich bereits am Hochschulleben der HfMDK teilhaben. Das gesunde Verhältnis zwischen freundschaftlicher Gemeinschaft und unvermeidlicher Konkurrenz hat mich von Beginn an fasziniert und einen erheblichen Teil zu meiner musikalischen, künstlerischen, vor allem auch menschlichen Entwicklung beigetragen. Ausschlaggebend für meine Entscheidung hier zu studieren, waren das hohe Niveau jedes Einzelnen, vor allem aber der unermüdliche und grenzenlose Einsatz der hervorragenden Dozenten, von denen ich mich stets persönlich und individuell betreut gefühlt habe. Dabei wurde sehr viel Wert darauf gelegt, möglichst oft über den Tellerrand der eigenen Hochschule hinauszuschauen und externe Dozenten mit Rang und Namen für Meisterkurse einzuladen. Schließlich haben mich Kurse für Mentales Training optimal auf ein erfolgreiches Probespiel und den darauf folgenden Berufsalltag vorbereitet.

Ich kam von der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung in die Hochschulwelt der Musik und der Darstellenden Kunst. Seit meinem Wechsel vor neun Jahren hierher haben sich viele Dinge und Strukturen im Hause verändert: Die Hochschule ist internationaler geworden und in allen Bereichen gewachsen. Damit wuchsen auch die Aufgaben und stiegen die Anforderungen. Unverändert geblieben ist aber das, was mir bei der Arbeit schon immer besonders wichtig war und ist: das Miteinander und der Kontakt mit den unterschiedlichsten Menschen mit den unterschiedlichsten Lebenswegen, Talenten, Begabungen und Karrieren. Und dies erlebe ich nun wirklich und täglich bei der Betreuung der inzwischen 360 Lehrbeauftragten und der heute gut 80 studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräfte. Für das Jubiläumsjahr wünsche ich der HfMDK, dass wir, mit ausreichenden Mitteln und Räumen ausgestattet, die Chance bekommen, unter einem gemeinsamen Dach zu arbeiten und sichtbar werden zu lassen, was in ihr steckt, in allen Ecken und Winkeln der Musik, der Kunst – und der Verwaltung.

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Eine Elternzeitvertretung im Veranstaltungsbüro der Hochschule: nicht das, was ich mir eigentlich vorgestellt hatte, aber nach den zehn Monaten konnte ich mich ja nach einem „richtigen“ Job umschauen. Aus den zehn Monaten sind nun neun Jahre geworden, in denen ich die Aufgaben des Künstlerischen Betriebsbüros an einer Kunsthochschule immer mehr zu schätzen gelernt habe. Mit und für junge Künstler zu arbeiten und die Entwicklung der Hochschule im Bereich Veranstaltungen mitgestalten zu können, etwa 450 Veranstaltungen im Jahr zu organisieren, Konzertreihen zu konzipieren und die Künstlerbörse zu betreuen, erfordert eine hohe Flexibilität und ein großes Engagement vom ganzen Team. Dafür werden uns fast jeden Abend interessante Programme geboten, und wir erleben täglich die Entwicklung der Studierenden zu Künstlerpersönlichkeiten.


Was mir die HfMDK bedeutet

Doris Greiner arbeitet seit neun Jahren in der Bibliothek und kümmert sich unter anderem um die neu erworbenen Medieneinheiten.

Bernd Distler arbeitet seit 13 Jahren im Hausteam der HfMDK.

Sabine Rosenberger ist Verwaltungsangestellte im Prüfungsamt der HfMDK.

Mich fasziniert es immer wieder, über mehrere Jahre hinweg die Entwicklung einzelner Studierender mitzuerleben – sowohl künstlerisch als auch menschlich. Das wird mir vor allem bei den alljährlichen Akademischen Feiern deutlich, bei denen sich die Absolventen von der Hochschule in ihr Berufsleben verabschieden. Wenn mich die Arbeit im Büro mal wieder aufzufressen droht, besuche ich nach Feierabend ein Hochschulkonzert, um mir wieder darüber klarzuwerden, warum ich eigentlich hier arbeite und worum es im Zentrum aller bürokratischen Mühlen geht – um kreative Menschen!

Warum ich gern an der HfMDK arbeite? Dafür kann ich viele Gründe nennen: „Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“, stellte schon Friedrich Nietzsche fest. Außerdem fühle ich mich wohl zwischen Stapeln von Büchern und Noten: mich faszinieren sowohl die Möglichkeiten, die darin stecken, als auch die handwerkliche Arbeit daran. In unserem Bibliotheks-Team arbeite ich unglaublich gern. Ich mag die Lebendigkeit der Hochschule, erlebe sie als Mischung aus Beständigkeit und Wechsel. Der tägliche Kontakt mit jungen Menschen verhindert sicher „vorzeitige Vergreisung“. Die Möglichkeit, hier laufend Neues zu entdecken und mich weiterzubilden, erfahre ich als große Bereicherung. Durch die Möglichkeit, so viele Konzerte und Veranstaltungen der Hochschule zu besuchen, fühle ich mich reich beschenkt.

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Ich staune immer wieder, wie sehr sich die Hochschule in den letzten Jahren weiterentwickelt hat – technisch wie logistisch und damit auch in den Ansprüchen, denen wir als Haustechniker gegenüber den Studierenden, Lehrenden und den Verwaltungsmitarbeitern gerecht werden wollen. So bleibt die Arbeit vielseitig und abwechslungsreich. Was ich am Hausteam der HfMDK besonders schätze, ist der Teamgeist, der unter uns Mitarbeitern so gewachsen ist, dass sich alle gemeinsam für einen reibungslosen Ablauf verantwortlich fühlen.


„FÜR KUNST GIBT ES KEINE PATENTREZEPTE“ Interview mit Lucas Fels, dem neuen Stiftungsprofessor für Interpretatorische Praxis und Vermittlung Neue Musik

D

Studienkollegen das „ensemble recherche“ ins Leben, mit denen ich mich auch mit alten Meistern wie Thomas Tallis beschäftigt habe. Mich interessierte damals eigentlich das Repertoire jeglicher Art und Herkunft.

ie HfMDK besetzt zum Sommersemester 2013 ihre erste Stiftungs-

professur. Ermöglicht wird die dreijährige Stiftungsprofessur Interpretatorische Praxis und Vermittlung Neue Musik von der Dr. Marschner Stiftung, der Aventis Foundation und der Ernst Max von Grunelius-Stiftung. Fels war Mitbegründer und Mitglied des ensemble recherche aus

Freiburg. Seit 2006 ist er Mitglied des Arditti Quartett und unterrichtet regelmäßig bei den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt. In beiden Ensembles hat Fels einige hundert Uraufführungen im Bereich der zeitgenössischen Kammermusik mitgestaltet. Die enge

Foto: Martin Geier

Inhaber der Professur ist der international renommierte Cellist Lucas Fels.

Zusammenarbeit mit Komponisten wie Isabel Mundry, Rebecca Saunders, Beat Furrer, Helmut Lachenmann, Wolfgang Rihm, Salvatore Sciarrino, Mathias Spahlinger und vielen mehr führten zu zahlreichen

Dann ist Ihre Biografie ein Beispiel dafür, dass sich Musiker Prof. Lucas Fels gewöhnlich lange mit der Musik vergangener Jahrhunderte beschäftigen, bevor sie zu Spezialisten für Neue Musik werden? FiT

ihm gewidmeten Werken. Fels Das ist ein möglicher Weg, doch ich kenne viele Biografien von Musikerkollegen, die sich aus gänzlich unterschiedlichen Richtungen der Zeitgenössischen Musik angenähert haben. Wichtig ist die Art der Herangehensweise an Musik, egal welcher Herkunft der Interpret oder das Stück sind.

Herr Fels, Sie haben bereits mehrere hundert Uraufführungen im Laufe Ihres Lebens musiziert. Das lässt vermuten, dass Ihnen die Beschäftigung mit Neuer Musik in die Wiege gelegt worden ist.

Frankfurt in Takt

Ganz und gar nicht – meine Eltern sind keine Musiker, und auch meine ersten Cellolehrer waren stilistisch eher konservativ geprägt und mochten die Avantgarde ganz und gar nicht. Erst als ich in den 70er Jahren in der musikalischen Metropole Basel, wo alle großen Namen der damaligen klassischen Musikszene aus und ein gingen, unzählige Konzerte erleben durfte, wurde auch die Begegnung mit Neuer Musik für mich immer mehr zur Selbstverständlichkeit. Während meines Cellostudiums in Freiburg bin ich gleichsam in die praktische Beschäftigung mit Zeitgenössischer Musik hineingerutscht, als dort für ein Projekt Streicher gebraucht wurden – unter anderem für Anton Weberns Streichtrio opus 20 –, außerordentlich schwer, aber für mich damals sehr prägend.

Prof. Lucas Fels

FiT

Welche Herangehensweise ist das?

Fels Die Haltung, sich so unvoreingenommen wie möglich einer Partitur zu nähern. Damit meine ich vor allem die Bereitschaft, sich auf ein Stück wirklich einzulassen, ohne es kategorisch abzulehnen oder im anderen Extrem überinterpretieren zu wollen. Nur mit dieser Offenheit kann es uns gelingen, für jede Musik, letztlich für jedes Werk eine ihm adäquate Art des Musizierens zu finden. Bezeichnenderweise habe ich diese Herangehensweise, die mir heute in der Beschäftigung mit Neuer Musik so wichtig geworden ist, vor allem von meinem Lehrer Anner Bijlsma in Den Haag gelernt. So kann das Musizieren zum Abenteuer werden.

FiT

War seitdem klar, dass Ihr Repertoire fortan vor allem aus Neuer Musik bestehen würde?

FiT Und genau diese Haltung ist es, die Sie fortan auch den Studierenden an der HfMDK nahelegen wollen? Das klingt nach einem Kampf gegen Widerstände und Ängste.

Fels Nicht direkt – es folgte eine Zeit in Den Haag, in der ich Historische Aufführungspraxis studieren durfte. Damals rief ich mit

Fels In der Tat – es gibt immer noch viele Mythen und Märchen rund um die Neue Musik – beispielsweise, dass man sich mit

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dem einen oder anderen Werk mindestens ein halbes Jahr beschäftigen müsse, um es überhaupt spielen zu können. Das gilt für einzelne Stücke. Aber meist lässt sich die Notation schnell entschlüsseln und umsetzen – da kann ich den Studierenden möglicherweise einige Türen öffnen. Und ich möchte der Mär begegnen, dass Neue Musik kaum noch interpretatorische Spielräume biete. FiT

Wie werden Sie methodisch arbeiten?

Die HfMDK-Konzertreihe „Bestiarium“ fand im Jahr 2012 im Senckenberg Naturmuseum statt und verband Naturwissenschaft und Neue Musik auf spannende Art und Weise.

Fels Zunächst bin ich gespannt darauf, mit welcher Offenheit und Diskussionsfreudigkeit mir die Studierenden in Frankfurt begegnen werden. Sicher wird es anfangs darum gehen, mit der Klärung von Begrifflichkeiten wie Spektralmusik, Mikrotonalität, Befreiung des Rhythmus, Musik und Gesellschaft sowohl theoretisch als auch praktisch ein Basiswissen aufzubauen. Darüber hinaus wird mein Unterricht wohl aber vornehmlich praktischer Natur sein. Dabei wünsche ich mir eine intensive Zusammenarbeit mit der Internationalen Ensemble Modern Akademie (IEMA) , der Kompositionsabteilung und dem HfMDK-Institut und dem HfMDK-Institut für zeitgenössische Musik IzM mit seiner Leiterin Julia Cloot, deren Arbeit weit über Frankfurt hinaus in die Szene der Neuen Musik hineinstrahlt. Auch mit dem Musiktheorie-Professor Ernst August Klötzke werde ich – genau was die Klärung oben genannter Begrifflichkeiten betrifft – eng zusammenarbeiten. Und sehr wichtig erscheint es mir, immer wieder externe Gäste – Musiker und Komponisten – einzuladen, die mein Unterrichtsangebot ergänzen und bereichern werden.

Publikum vorleben – entgegen aller Bequemlichkeit eines erbaulichen Konzertabends? Natürlich hat auch der seine Berechtigung. Eine meiner Aufgaben an der HfMDK wird es sein, das Interesse an einer unvoreingenommenen Beschäftigung mit Neuer Musik zu wecken, damit sie wieder mehr denn je gespielt wird. Jeder ernsthafte Musiker müsste doch ein brennendes Interesse daran haben, dass die Gesellschaft auch in 50 Jahren immer noch über ein umfangreiches musikalisches Repertoire verfügt. Eine Mission, in der Musiker gegen viele Widerstände ankämpfen müssen ...

FiT

Fels Aber auch mit ungeheuren Möglichkeiten – zum Beispiel dann, wenn Interpreten und Komponisten zusammenarbeiten. Wie viel Gutes und Spannendes da passieren kann, beweist die Arbeit Helmut Lachenmanns: Stieß er vor 20 Jahren noch bei Profiorchestern auf erbitterten Widerstand, wenn er ihnen erklären wollte, wie er ein „Kratzen“ auf dem Streichinstrument gespielt wissen wollte, lieben die Orchestermusiker Lachenmann heute. Diese durchaus erfreuliche Entwicklung in der Neuen Musik schlägt sich heutzutage in fast jeder Persönlichkeit junger Musiker nieder: Die Instrumentalisten sind technisch fitter und schneller in der Umsetzung moderner Spieltechniken. Zugleich sind sie auch weniger ideologisch – Musiker vor 20 Jahren kämpften und standen für derlei Musik ein. Heute ist ein gewisses Repertoire an unkonventionellen Spieltechniken für junge Musiker zur Selbstverständlichkeit geworden.

FiT Die an der HfMDK nun mit Ihnen besetzte Professur für Interpretatorische Praxis und Vermittlung Neue Musik ist unseres Wissens nach in dieser Form deutschlandweit einmalig. Was hat Sie gereizt, sich auf diese Aufgabe einzulassen? Fels Ganz grundsätzlich betrachtet, möchte ich der heutzutage handfest spürbaren Gefahr begegnen, dass sich Musik auf die Funktion eines Unterhaltungsmediums im besten Sinne beschränkt, wie es die Spielpläne vieler Konzerthäuser suggerieren, in denen das Repertoire aus dem 20. oder gar 21. Jahrhundert immer seltener in Programmen Platz findet. Mit dieser Tendenz verbinde ich die Befürchtung, dass Musik als ernstzunehmende Kunstform nach und nach aus dem Bewusstsein der heutigen Konzertbesucher verschwindet. Dabei kann und muss Musik auch die Funktion haben, als eine gesellschaftskritische Stellungnahme zur heutigen Zeit verstanden zu werden. Das ist in den bildenden Künsten doch auch nicht anders. Nie vergessen werde ich meinen Museumsbesuch in Basel, als ich als Kind mit meinen Eltern vor den in Fett getränkten Rattenköpfen von Joseph Beuys stand: Aus ästhetischer Sicht fand ich sie fürchterlich, aber die Konfrontation mit ihnen hat mich nachhaltig beeindruckt und zum Nachdenken gebracht. Damit auch Neue Musik dazu in der Lage ist, braucht es jedoch eine gewisse Offenheit bei den Zuhörern, sich darauf einzulassen. Wer sonst als wir Musiker können diese offene Haltung unserem

FiT Sie haben eben Joseph Beuys und die bildenden Künste genannt. Für wie wichtig halten Sie außermusikalische Einflüsse auf Musiker und ihr Interpretationsvermögen? Fels Kurz gesagt: Es lohnt sich immer, in Frankfurt ins Städel zu gehen oder sich für Politik zu interessieren. Natürlich verändert sich durch vielseitige Eindrücke von außen unser Spiel und Klang nicht unmittelbar. Doch alles, was unser Denken verändert und uns sensibilisiert, fördert uns auch in der Fähigkeit, als Musiker Differenzierungen wahrzunehmen und wiederzugeben. Diese ständige implizite Einflussnahme ist genau der Grund, warum es für musikalische Interpretationen keine allgemeingültigen Patentrezepte gibt – gäbe es sie, wäre Musik sicher keine Kunst mehr.

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Unsere Kooperationspartner

AG Schulmusik der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen | Akademie für Tonkunst Darmstadt | Albert und Barbara von Metzler-Stiftung | Altana Kulturstiftung gGmbH | Alte Oper Frankfurt | Anna-Schmidt-Schule | Anton Bruckner Privatuniversität Linz | Arbeitsamt Frankfurt | Arbeitsgemeinschaft der Leitenden musikpädagogischer Studiengänge in Hessen Arbeitsgemeinschaft der Musikhochschulbibliotheken | Arbeitskreis für Schulmusik e.V., Landesverband Hessen | Arbeitskreis Initiative Musikland Hessen | Augustinum Bad Soden | Ausbildungskonferenz Tanz | Aventis Foundation | Bach-Vespern Bad Hersfelder Festspiele | Badisches Staatstheater Karlsruhe | Bechstein Centrum Frankfurt | Betriebsgesellschaft Schloss Erbach gGmbH | BHF-Bank-Stiftung | Bide – Barcelona International Dance Exchange | Bundesfachgruppe Musikpädagogik e.V. Bundesjugendorchester | Bundesverband Tanz in Schulen | Bündnis für Musikunterricht in Hessen | Burgfestspiele Bad Vilbel C. F. Peters Musikverlag | Commerzbank-Stiftung | con moto foundation | Cornelsen Verlag Scriptor | Crespo Foundation Deutsche Bank AG | Deutsche Bank-Stiftung | Deutsche Gesellschaft für Neue Musik | Deutsche Stiftung Musikleben | Deutscher Akademischer Austausch Dienst | Deutscher Bibliotheksverband | Deutscher Chorverband | Deutsches Historisches Institut in Rom | Donaueschinger Musiktage | Dr. Hoch `s Konservatorium | Dr. Marschner Stiftung | DZ BANK AG | DZ BANK Stiftung EKHN-Stiftung | Elisabethenschule | Ensemble Modern | Ernst Max von Grunelius-Stiftung | European Association of Conservatoires | Evaluationsagentur des Landes Baden-Württemberg | Fachhochschule Frankfurt | Fachhochschule Mainz | Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Wettbewerb | Festival Junger Talente | Filmhochschule Ludwigsburg | Fluxus-Festival | Förderverein ZuKT e.V. Frankfurt LAB | Frankfurter Bürgerstiftung im Holzhausenschlösschen | Frankfurter Gesellschaft für Neue Musik | Frankfurter Kantorei | Frankfurter Kultur Komitee | Frankfurter Museums-Gesellschaft | Frankfurter Sparkasse 1822 | Franz Grothe-Stiftung Freiherr-vom-Stein-Schule | Freunde junger Musiker Deutschland e.V. | Freundeskreis young euro classic | Fürstenbergerschule | Gallus Theater | Galluskonzerte Flörsheim | Gesellschaft der Freunde der Alten Oper Frankfurt | Gesellschaft der Freunde und Förderer der HfMDK Frankfurt am Main e.V. | Gesellschaft für Musikforschung | Goethe-Haus | Goethe-Institut | Golfclub Lindenhof Bad Vilbel | Gotisches Haus Bad Homburg | Hans Franke-Stiftung | Haus am Dom | Hebling-Verlag | Hertie-Stiftung | Hessische Bologna-Berater | hessische Film- und Medienakademie (hFMA) | Hessische Theaterakademie | Hessischer Bibliotheksverbund HEBIS | Hessischer Rundfunk | Hessisches Kultusministerium | Hessisches Landestheater Marburg | Hessisches Staatstheater Wiesbaden | Hindemith-Institut | Historisches Museum Frankfurt | Hochschule für Gestaltung Offenbach | Hochschule für Musik Detmold | Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar | Hochschule für Musik Trossingen | Hochschule für Musik und Tanz Köln Hochschul-Informations-System GmbH | Hochschulleitertagung | Hochschulrektorenkonferenz | Hollins University, USA Holzhausenschule | hr Bigband | hr-sinfonieorchester | HZT – Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz Berlin | I. E. LichtigfeldSchule | ID_Frankfurt/Independent Dance | IGS Herderschule Frankfurt | IGS Schillerschule Offenbach | IHK Frankfurt am Main Ikonenmuseum | Initiative Kinder zum Olymp der Kulturstiftung der Länder | Inner Wheel Club Frankfurt am Main | Instituto Cervantes | Institut für Neue Musik und Musikerziehung | Institut für Sozialforschung an der Goethe-Universität | internationales Tanzfestival Kassel | International Association of Music Libraries | International Musicological Society | International Society for the Philosophy of Music Education | Internationale Ensemble Modern Akademie | Internationales Musikinstitut Darmstadt Jacques-Offenbach-Gesellschaft | Joblinge gAG Frankfurt | Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt | Jugendmusik-

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er rer aft d e llsch nd Fördür e s e u f G e e l u nd Freu Hochsch arstel- rt der ik und D Frankfu Mus e Kunst llend ain schu am Mte Hoch Privaerung förd raising Fund

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Interview

NACHHALTIGE MUSIKVERMITTLUNG ODER DIE KREATIVE SUCHE NACH DEN „HAPPY NEW EARS“ Interview mit der Musikerin und Musikvermittlerin Catherine Milliken und dem HfMDK-Musiktheorie-Professor Ernst August Klötzke

D

Das Projekt war sehr komplex. Es fand in Harlem (New York) statt; zum einen wurde es als Tanzstück präsentiert, außerdem wurden in drei verschiedenen Schulen Schulchöre gebildet, um eigene Werke zu texten und zu komponieren und schließlich im Crystal Palace Washington Heights vor einem Publikum von dreitausend Menschen aufzuführen. Davor lag ein schöner und längerer gemeinsamer Weg. Über vier Wochen hinweg fanden intensive Workshops statt. Die eigene Fantasie der Jugendlichen stand wie immer im Mittelpunkt. Strawinsky galt als „stiller Mentor“. Wir haben das Thema „Gangs and Initiation Rites“ diskutiert und reflektiert und ausprobiert, bis daraus ein ganzes Chorwerk und Gesangstücke geworden sind. Der erste Effekt war, dass wir zusammen musiziert haben, Profis wie Laien, was alle Beteiligten innerlich größer hat werden lassen und deren Augen zum Funkeln brachte. Aber der musikalische Eindruck, die Auseinandersetzung mit Musik, die gemeinsame Diskussion und schließlich der Moment des gemeinsamen Musizierens waren nachhaltig.

ie Australierin Catherine Milliken gehörte seit 1980 zum

Milliken

„Urgestein“ des Ensemble Modern, das seinen Sitz in Frankfurt hat und durch die „Internationale Ensemble Modern Akademie“ mit der Hochschule eng verbunden ist. Von 2005 bis 2011 initiierte die Oboistin und Komponistin gemeinsam mit den Berliner Philharmonikern wegweisende Education-Projekte wie das Projekt SONGS –

Ritual Rhythms zu Strawinskys Le Sacre du Printemps. Ernst August Klötzke, HfMDK-Professor für Musiktheorie, traf Catherine Milliken an der Hochschule, um mit ihr über den nachhaltigen Wert von Musikvermittlung und deren Geist in einer Hochschulausbildung ins Gespräch zu kommen. Prof. Ernst August Klötzke Cathy, hast du nicht manchmal die Sorge gehabt, dass bei den Education-Projekten die Musik instrumentalisiert wird, um bestimmte Ziele zu erreichen, wie beispielsweise die Sozialkompetenz zu steigern?

Eine gute Frage. Muss man die Kunst erklären? Was tut man eigentlich, wenn man solche Education-Projekte veranstaltet? Geht es wirklich primär um die Musik, oder erfüllt sie einen anderen Zweck? Wenn solche Projekte zusammen mit Musikinstitutionen und Schulen stattfinden, sind die Rahmen ja definiert, weil der jeweilige Klangkörper und sein Repertoire den Ausgangspunkt für die kreativen Begegnungen bilden – das sogennante Response-Projekt. Doch ob Response oder sonstige Herangehensweisen, man stellt immer wieder fest: Was man zurücklässt, sind in jedem Fall eine Aufgewecktheit der Beteiligten, eine große Neugier, Erfahrungswerte, eine Stärkung der eigenen Kreativität. Emotional würde ich einfach sagen: Es lässt glänzende Augen für die Musik zurück. Die bindende und mitteilende Kraft von Musik ist enorm.

Catherine Milliken

Klötzke Hast du in Berlin mit dem „Danach“, also der Zeit nach beendeten Projekten, Erfahrungen gemacht und festgestellt, dass du ein echtes, dauerhaftes Interesse an Musik wecken konntest? Milliken Nach jedem Projekt werden die Kinder zu ihren Erfahrungen befragt. Die daraus gewonnenen Vorschläge fließen in zukünftige Projekte ein. Ein Ziel solcher Begegnungen liegt natürlich darin, im Anschluss weitere Möglichkeiten des Musik-Erlebens zu eröffnen. Wenn die Kinder beispielsweise später erneut im Konzert sitzen, sind sie von einer ganz anderen Aufgewecktheit erfüllt als noch vor dem Projekt und der aktiven Auseinandersetzung mit der Musik: Sie fühlen sich zu Hause und kennen den Saal. Und die Kinder kennen bereits die Rituale eines Konzerts, die sie aber nicht mehr abschrecken, weil sie sich in ihm wohlfühlen. Wenn dies geschieht, hat man Großartiges erreicht. Ich erinnere mich aber auch an ältere Kinder, die in einem Projekt mit neuer Musik ganz aktiv mitgemacht haben, sich dann aber irgendwann beim gemeinsamen Cluster-Singen doch wünschten, auch mal einen ganz „normalen“ Dur-Akkord singen zu können. Das war bei einem Stockhausen-Projekt der Fall. Später erhielten wir aus der betreffenden Schule Briefe, aus denen wir erfuhren, dass dort erneut

Klötzke Wenn ich an dein Projekt SONGS – Ritual Rhythms zu Strawinskys Le Sacre du Printemps gemeinsam mit den Berliner Philharmonikern zurückdenke, habe ich dennoch Sorge: Die Kinder haben zwar glänzende Augen und bestätigen die tolle Gemeinschaft, die sie darin erlebt haben, sie fanden die Proben so toll und die Musiker so nett, aber mein Gedanke dazu war: Wo bleibt eigentlich die Musik?

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Foto: Andreas Reeg

Momentaufnahme aus einer Probe f端r einen szenischen Liederabend der Gesangsklasse Prof. Henriette Meyer-Ravenstein, im Bild: Torben Binding

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Interview

ein Stockhausen-Projekt stattfand und die Startvoraussetzungen dafür bei den Jugendlichen einfach hervorragend waren. In diesem Feedback bestätigten uns die Pädagogen, dass ihnen erst jetzt wirklich klargeworden war, was im anfänglichen Stockhausen-Projekt alles an Wertvollem passiert ist. Frankfurt in Takt

Über diese Aussage wundere ich mich: Meine beiden Kinder sind in der Grundschule, und da gibt es ein Schulorchester. Da herrscht das Gefühl: „Ich gehöre dazu, bin Teil des Orchesters und habe etwas Wichtiges zu tun.“ Das ist schon eine Tendenz, die sich gerade abzeichnet, oder?

Klötzke

Welche Erfahrungen haben Sie mit Ritualen rund

Aber siehst du, das ist doch genau die Antwort auf die Eingangsfrage: Wenn man Kinder zum Musizieren zusammenbringt, dann spielt da natürlich eine soziale Komponente eine Rolle. Gehört die nicht immer dazu, und warum soll das anders sein, wenn so etwas in den Hochtürmen der Musiklandschaft stattfindet?

Milliken

um ein Konzert? Ich erinnere mich an ein Konzert im Rahmen des Projektes „move@school“ mit dem Hessischen Staatsorchester im Hessischen Staatstheater Wiesbaden. Da hatte ich im dritten Rang vor einem Elternpaar Platz genommen und hörte zufällig, wie die Frau zu ihrem Ehemann sagte: „Das ist ja ganz schön, was da passiert, aber der Mann mit diesem Stock stört, man sieht ja die Leute gar nicht musizieren.“ Das war für mich ein ganz spannender Moment im Bezug auf Rituale: Ich denke schon, dass diese Kunsttempel wie ein Theater oder eine Philharmonie, die mit ihren massiven Mauern und ihrer oft aggressiven Architektur die Anmutung einer Burg haben, ein eher abschreckendes Moment darstellen. Da fragt sich vielleicht mancher: Möchte ich da wirklich hinein? Cathy, du warst lange Zeit fester Bestandteil des Ensemble Modern, hast dich dann als Komponistin weiterentwickelt und bist später nach Berlin gegangen, um Education-Projekte zu leiten. War das für dich die logische Konsequenz einer eigenen Entwicklung?

Klötzke

Klötzke Ich komme dennoch auf meine etwas überspitzt formulierte Anfangsfrage zurück, ob Musik nicht instrumentalisiert wird, um Kindern soziale Kompetenzen nahezubringen, während die Musik auf der Strecke bleibt. Die Begegnung innerhalb eines EducationProjektes bleibt womöglich exemplarisch, es fehlt die Kontinuität in der musikalischen Beschäftigung und Entwicklung.

Natürlich sollten wir auf Nachhaltigkeit setzen. Dennoch finde ich, dass hervorragend ausgeführte „One off Education“Projekte – also Projekte, die nicht in einen langfristigen Kontext eingebettet sind, sondern einmalig stattfinden – durchaus ihre Berechtigung und einen großen pädagogischen Wert haben. Das Miteinander von musikalischen Laien und professionellen Musikern, bei dem alle gemeinsam etwas schaffen, bleibt einfach ein genialer Ansatz. Die Erfahrung zeigt: Beide Seiten profitieren davon. Natürlich sollten dann die Institutionen auf Nachhaltigkeit setzen, indem zum Beispiel Orchester versuchen, die jungen Menschen für regelmäßige Konzertbesuche zu begeistern und einzuladen. Aber die Nachhaltigkeit entwickelt sich möglicherweise woanders weiter, zum Beispiel in der Schule oder beim Instrumentalunterricht. Diese Projekte können jedoch niemals den Musikunterricht ersetzen. Im Übrigen finde ich es durchaus erstrebenswert, mit Laien auf Exzellenz hinzuarbeiten – eine Exzellenz in der Herangehensweise und in der Konsequenz, mit der man gemeinsam nach kreativen Lösungen sucht.

Milliken

Auf jeden Fall sind mit diesem Schritt viele Fäden in meinem Leben zusammengelaufen. Die wundervolle Zeit beim Ensemble Modern als Oboistin und Mitbegründerin, der Anfang des Komponierens, die Formation der Gruppe HCD-Productions mit Kollegen Hermann Kretzschmar und Dietmar Wiesner, die Education-Arbeit, die ich in Response-Projekten fünf Jahre lang in England im National Youth Orchestra of England und anschließend beim Ensemble Modern gestalten durfte – all dies sind verschiedene Fäden, die aber irgendwie auch zusammengehören. Der jüngst zu Ende gegangene Berufsabschnitt in Berlin als Leiterin der Education-Programme der Berliner Philharmoniker war eine lehrreiche Zeit, gekennzeichnet von Aufbau und viel Fleißarbeit; außerdem ist Berlin ein sehr spannendes Umfeld. Mit Menschen Musik zu machen und zu erleben, wie aufgeweckt sie darüber nachdenken, wie sie für Problemstellungen Lösungen finden und dann vielleicht auch wieder die Lösung verwerfen, um eine neue zu suchen – das ist etwas, das mich sehr glücklich macht.

Milliken

Spielt dabei nicht auch immer ein bisschen die Attraktion des Laienhaften eine Rolle?

Klötzke

Da möchte ich dir widersprechen. Ich denke an Projekte wie Rimini Protokoll, die ich faszinierend finde, weil sie eine starke Echtheit mit sich bringen. Es gibt Momente in der musikalischen Arbeit mit Laien, in denen diese auf geniale Lösungen kommen – Lösungen, die stark sind und echt. Und dann führen sie ihre eigenen Werke mit einer souveränen Ruhe auf, weil sie so überzeugt davon sind, beispielsweise den geeignetsten Klang gefunden zu haben. Das sind Momente, die tief beeindrucken. Man muss nicht unbedingt eine hohe Komplexität konstruieren, um einen starken Ausdruck zu erzeugen. Man darf nicht vergessen, dass solche Projekte für die Beteiligten anspruchsvoll sind: Sie sind

Milliken

Für wie wichtig erachten Sie, dass Kinder möglichst früh mit dem Musizieren beginnen?

FiT

Ich finde es wichtig, dass man schon sehr jungen Kindern die Möglichkeit gibt, zusammenzuspielen. Meiner Meinung nach fängt diese Form des Musizierens hier in Deutschland zu spät an: Schon mit Sechsjährigen kann man kleine Ensembles bilden, sei es mit Instrumenten oder in Form gemeinsamen Singens.

Milliken

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Erziehung mit Diplom abgeschlossen und alle methodischen und didaktischen Fächer nachgeholt. Zudem lag mir Education irgendwie im Blut, weil auch die ganze Familie immer damit zu tun hatte. In der Education-Arbeit muss man sich selbst ständig hinterfragen und prüfen, ob man seinem Gegenüber genügend Freiraum für dessen Fantasie lässt, während man ihn in seinen Ideen unterstützt. Das ist eine spannende Interaktion. Wenn du den Auftrag bekämst, die Studiengänge an der Hochschule zu gestalten, die etwas mit Vermittlung zu tun haben, was wäre aus deiner Sicht für die nächste Generation wichtig?

Klötzke

Prof. Ernst August Klötzke

Ausführende und Komponisten zugleich. So sollte der Rahmen der Präsentation dieser Arbeit auch würdevoll sein. FiT Wie gestaltet sich die Kommunikation in der Erarbeitungsphase eines Education-Projektes?

Bei den Education-Projekten darf es nicht bei einem vordergründigen „Wohlfühl-Moment“ bleiben. Hinzukommen muss eine offene Redesituation. Es geht darum, gemeinsam eine Diskussionskultur gekonnt aufzubauen. Das braucht Zeit und Können, diesen Freiraum zu ermöglichen und Vertrauen herzustellen. Der erste Fehler, den man als Leiter eines Projektes macht, ist, dass man zu viel doziert. Der Projektleiter hält oft den Moment der Suche nicht aus. Ich finde es wichtig, Menschen in leitenden Funktionen darin zu stärken, solche Momente auszuhalten. Was man eigentlich braucht, sind offene, glückliche Ohren – „happy new ears“.

Milliken

Milliken Wichtig ist – und das ist ganz generell gesprochen –, dass Hochschulen ihr Lehrangebot nicht so sehr in Fächer aufspalten und damit so scharfe Trennlinien ziehen. Sie spalten ja schon mit dem Angebot der Studiengänge: dass man entweder Lehrer wird oder Orchestermusiker. Die Frage, ob man später ins Orchester geht oder als Musiklehrer arbeitet, ist damit schon absolut vorgegeben – möglicherweise auch die Frage, ob man sich für Neue Musik interessiert oder nicht. Natürlich liegt es in der Natur der Sache, dass man als Instrumentalist sehr viel üben muss. Aber das war schon immer zugleich eine Entschuldigung dafür, dass man die anderen Fächer vernachlässigen konnte. Trotz permanenten Übens müssen wir als Musiker ganz weit werden. Vermitteln zu können und zu wollen, sollte immer Teil des Selbstverständnisses sein, auch bei Orchestermusikern und Solisten. FiT Das Sich-Ausprobieren als Musikvermittler wird im Laufe des Studiums nicht unbedingt vereinfacht dadurch, dass uns der Bologna-Prozess eine Modularisierung der Studiengänge beschert hat.

FiT Inwiefern sollte Musikvermittlung eine Aufgabe für jeden sein, der musiziert?

Milliken Es ist wie beim Komponieren: Da muss man einfach nach kreativen Lösungen suchen.

Alle Musiker, die wir an der HfMDK ausbilden, haben im Studium und sicher auch im späteren Berufsleben etwas mit Vermittlung von Musik zu tun; jeder, der Orchestermusik studiert, hat seine Schüler; jeder, der Komposition studiert, muss lernen, sehr komplexe musikalische Phänomene zu vermitteln. Und ich merke, dass der Vermittlungsgedanke, der in der Lehrerausbildung in unserem Fachbereich 2 so wichtig ist, in viele weitere Bereiche der Hochschule hineinstrahlt, und darüber bin ich sehr froh. Die Hochschule ist in Bewegung; es hat sich vieles geändert. Damals, als ich mich selbst in der Ausbildung befand, vermisste ich die wertvollen Zwischenräume zwischen den Vorgaben und Richtlinien, nach denen ich Musik zu studieren hatte. Genau diese Fixiertheit ist in der Beschäftigung mit Musik tödlich. Cathy, welche pädagogische Ausbildung hast du durchlaufen und was treibt dich dauerhaft an, Musik zu vermitteln?

FiT Wie würden Sie die eben erwähnte Weite im Studium ermöglichen, die nicht spaltet, sondern integriert?

Klötzke

Milliken Nach dem Musikstudium in Australien habe ich neben dem Instrumental-Aufbaustudium die Rhythmisch-Musikalische

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Catherine Milliken


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Interview

Milliken Es sollte immer einen Austausch der Jahrgänge verschiedener Ausbildungszweige geben – zum Beispiel die Lehramtsstudierenden mit den Instrumentalisten in Form eines Chor- und Orchesterprojektes; und ich finde es wichtig, dass Instrumentalisten singen! Darüber kann man viel von der Musik verstehen, was auf instrumentalem Wege oft viel länger braucht. Es braucht Projekte und Momente, in denen man eincheckt: Wo sind wir, was brauchen wir, wo können wir voneinander lernen – die Instrumentalisten von den Komponisten, die Komponisten von den Musikpädagogen, die wiederum von den Instrumentalisten? Ich wünsche mir übergreifende Problemstellungen, an deren Antworten man gemeinsam tüfteln kann.

Zum einen geht es darum, bei ihnen die Neugier auf andere Welten anzuregen. Wenn Studenten diese verspüren und sie das, was sie tun, lieben, ist der Schritt zur Weitergabe nur noch ein ganz kleiner. Zum anderen müssen die Künstler mit den nötigen „Werkzeugen“ ausgerüstet sein, damit sie die Sicherheit im Umgang mit der Materie ausstrahlen.

Milliken

Klötzke Zum methodischen Handwerkszeug gehört die Fähigkeit, den eigenen Anspruch in ein Verhältnis zu setzen zu dem, was man von seinem Gegenüber erwarten kann. Es ist falsch, Laien auf das eigene Niveau ziehen zu wollen. Wohl müssen sie ein Gefühl für den Anspruch bekommen, den wir haben, aber sie müssen auch merken, wie weit sie sich dem annähern können.

FiT Herr Klötzke, wie erleben Sie unsere Hochschule in dieser Hinsicht?

Milliken Aber die Vermittlung von etwas Schwierigem an Laien ist eine wichtige Aufgabe. Dabei geht es nicht um Vereinfachung, sondern darum, dass man selber kreativ ist, etwas so genial zu erklären, dass nicht nur eine Simplifizierung dabei herauskommt. Der Moment des Vermittelns ist ein Moment der gleichwertigen Gegenseitigkeit.

Klötzke Als Cathy schilderte, was sie sich vorstellt, habe ich gedacht: Wie schön, das haben wir hier doch alles! Hier findet der Austausch bereits permanent statt. Wenn Lehramtsstudenten beispielsweise in Kooperation mit der Hessischen Film- und Medienakademie Stummfilmmusiken schreiben, müssen sie zu den Instrumentalisten gehen und fragen, wie sich dies und jenes auf einem Instrument realisieren lässt. Das ist ein gutes Beispiel, wie unsere Studierenden über den Tellerrand ihrer eigenen Disziplin schauen.

FiT Welche neuen Methoden und Praktiken der Vermittlung erfordert der gesellschaftliche Geist der letzten Jahre von unseren Lehramtsstudenten, um zeitgemäß zu unterrichten? Klötzke Was unsere Hochschule gerade macht, nämlich die Stärkung der Pädagogik, entspricht genau meinen Vorstellungen. Es ist eine erfreuliche Offenheit bei den Studierenden spürbar – geradezu eine Lust an der Sache –, man könnte sagen: traumhafte Zustände. Genauso sollte eine Ausbildung sein – mit einer Offenheit der Entwürfe. Es gibt kein Tunneldenken in irgendeinem Bereich, sondern es gilt der Blick in die weite Landschaft, und es wird zugelassen, dass man sich mit anderen Sichtweisen auseinandersetzt. Alles Totalitäre und den erhobenen Zeigefinger habe ich hier in den letzten Jahren nicht mehr gespürt. Heutzutage muss beispielsweise jeder eine Lehrprobe halten, der an diesem Haus als Dozent arbeiten möchte. Unsere Hochschule prägt seit einigen Jahren eine erfreuliche Transparenz und Durchlässigkeit.

Das ist fantastisch, und ich muss sagen: Man betritt die Hochschule und bemerkt diese Atmosphäre. Milliken

Klötzke Als ich hier im Jahr 2001 als Lehrbeauftragter angefangen habe, war es diesbezüglich eine völlig andere Zeit. Ich sehe die gute Entwicklung der Hochschule mit dem Anliegen, den Menschen so viel wie möglich mitzugeben, damit sie an möglichst viele Impulse aus Nachbardisziplinen andocken können. Die Schwierigkeit liegt darin, dass dieses „Viel“ nie ein „Zu viel“ sein darf. Der Fokus muss erkennbar bleiben, aber genau der hat auch immer eine gewisse Unschärfe um sich herum, und diese Unschärfe verbindet den Fokus mit Welt. Als Musiktheoretiker am Haus habe ich es mit Studenten aller musikalischer Ausbildungsbereiche zu tun und bin im Gespräch mit Kollegen aller Fachbereiche. Im vergangenen Sommersemester habe ich ein Seminar zum Thema Schauspielmusik in Zusammenarbeit mit unserem Regieprofessor Hans-Ulrich Becker angeboten, in dem Regie- und Musikstudenten zusammengearbeitet haben.

FiT Was wünschen Sie der Hochschule als Ausbildungsort der Zukunft? Klötzke Manchmal noch mehr von dieser schon vorhandenen Durchlässigkeit, noch mehr interne Kommunikation und noch mehr „An einem Strang-Ziehen“. Andererseits wird hier im Haus auf hohem Niveau miteinander gestritten, und ich finde: Es kann, in konstruktiver Weise an der Sache orientiert, noch mehr sein. Ich merke, dass ich in dem einen Jahr, in dem ich nun als Professor hier tätig bin, am Haus einiges mit bewegen konnte. Das ist für mich die originäre Aufgabe, der ich mich wie jeder Professor gerade zu stellen habe und der ich mich gerne stelle: die Dinge in Bewegung zu halten und alles immer neu zu befragen.

Das ist wunderbar, denn der Austausch mit anderen Künstlern ist für Musiker so wichtig.

Milliken

FiT Mit welchem Handwerkszeug müssen wir unsere Studierenden ausstatten, damit sie die Begeisterungsfähigkeit, den Funken der Vermittlung in sich tragen und weitergeben?

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Lehramtsstudent Michael Meininger bei einem Schulbesuch der HfMDK-Posaunenklasse von Joachim Tobschall im Rahmen des Projekts „Musik Monat Mai!“

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Statements

Ralph Abelein ist Professor für Schulpraktisches Instrumentalspiel (im Bild mit der Lehramtsstudentin Imke Schoberwalter).

Jonathan Granzow hat Lehramt für das Gymnasium (L 3) studiert und ist Masterstudent für Komposition.

Verena Schwenk studiert Grundschullehramt (L1) an der HfMDK mit Hauptfach Flöte. Die Boomwhackers, die sie auf dem Foto in der Hand hält, gehören zum wichtigen Instrumentarium für kreatives Musizieren im Grundschul-Musikunterricht.

Die HfMDK entwickelt bei uns Schulmusikern die größte Vielfalt musikalischer Fähigkeiten. In jedem Bereich können wir unseren Schwerpunkt wählen und uns darüber hinaus um ein Aufbaustudium bewerben. Diese Möglichkeiten zeigen, wie sehr unsere Professoren und Dozenten an unserer persönlichen und künstlerischen Entwicklung interessiert sind – und das fordert und stärkt gleichermaßen.

Die Tatsache, dass die HfMDK eine Garantie auf Instrumentalunterricht im Lehramtsstudium geben konnte, war für mich 2009 ausschlaggebend, ein Schulmusikstudium in Frankfurt zu beginnen – dieser Anspruch ist nicht an allen Ausbildungsstätten selbstverständlich. Mit Unterricht in Klavier, Gesang und Schulpraktischem Instrumentalspiel bietet die Hochschule ein maximal praxisorientiertes Studium an. Außerdem finde ich gut und wichtig, dass die Hochschule auch von zukünftigen Grundschullehrern einen künstlerischen Horizont einfordert. Im Vergleich zu den Grundschulfächern Mathe, Deutsch und Physik, die ich zeitgleich an der Uni studiere, ist Musik das zeitaufwendigste Studium – allerdings auch jenes, von dem man für das praktische Lehrerdasein am meisten profitiert.

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Ich bin immer wieder begeistert von der Vielgestaltigkeit der Begabungen unserer Lehramtsstudierenden. Sie in ihrer Entwicklung – singend, spielend, improvisierend, darstellend, komponierend und anleitend – begleiten und meinen Teil beitragen zu können, ist ein sehr befriedigendes und motivierendes Gefühl. Es ist toll, zu sehen, wie Studierende „ihr Ding“ finden und sich künstlerisch profilieren. Ich glaube, das hilft ihnen, später als Lehrende von ihren Schülerinnen und Schülern als authentisch wahrgenommen zu werden.


Was mir die HfMDK bedeutet

Fani Girizoti

Katrina Szederkenyi

ist Angestellte für Lehr- und Studienangelegenheiten im Fachbereich 2 und zugleich Assistentin der Geschäftsführung im Fachbereich 3.

ist Absolventin der HfMDK und seit 2012 Soloharfenistin des Gewandhausorchesters Leipzig.

Christoph Schulte ist Tonmeister an der HfMDK.

Nach jahrelanger Beschäftigung im großen Verwaltungsapparat der benachbarten Goethe-Universität habe ich mich vor vier Jahren richtig entschieden, an die Hochschule zu wechseln – die Arbeitsbereiche hier sind überschaubarer, aber eben auch persönlicher und damit herzlicher. Für gleich zwei Fachbereiche eine Ansprechpartnerin zu sein, habe ich ebenso als eine logistische Herausforderung empfunden wie seinerzeit den Umzug meines Arbeitsplatzes in die Dependance in der „Leimenrode“. Es ist angenehm zu erleben, wie mir die Hochschule den Freiraum lässt, an neuen Aufgaben zu wachsen. Täglich von Künstlern umgeben zu sein, verspricht immer wieder spannende Begegnungen.

Der konsequente und disziplinierte Unterricht von Prof. Françoise Friedrich hat mich optimal auf das Berufsleben vorbereitet. Die Hochschule für Musik war für mich ein Zentrum an mitreißender musikalischer Kreativität.

Auch nach über 20 Jahren kommt mir immer noch „Unerhörtes“ vor die Mikrofone und zu Ohren. Ich arbeite mit allen Fachbereichen und allen Abteilungen zusammen und genieße diese stilistische Vielfalt, die wohl kein anderer mir bekannter Arbeitsplatz zu bieten hat. Neben musikalischen Spitzenleistungen begeistert mich auch immer wieder die Kreativität, die unsere Schulmusik-Studierenden in Projekte einbringen.

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Interview

„BEGEISTERUNG FÜR DIE KUNST SOLLTE UNSER GEMEINSAMES ZENTRUM SEIN“ Dekanin Marion Tiedtke und Regisseur Laurent Chétouane erörtern den Konflikt zwischen Kreativität und Handwerk in den Ausbildungsbereichen Schauspiel und Regie

Reflektieren in mir, wie ich es denn machen würde oder warum ich es gern anders machen würde. Wenn man die Hochschule als einen Ort der Angebote versteht, wo die Lehrenden offen genug sind, um Diskussionspartner zu sein, dann ist es für einen Regiestudenten sehr spannend. Es geht darum, dass der Regiestudent sich selbst entdeckt: Was ist seine Art, die Bühne zu verstehen? Ich finde es falsch zu sagen, es gebe ein Regiehandwerk, das man vermitteln muss – das ist Ideologie. Es gibt ein Regiehandwerk ab dem Punkt, wo man behauptet, Regie sei genau so oder so zu machen, genauso wie wenn man sagen würde: Schauspiel ist Stanislawski, also muss man Stanislawski lernen. Das kann man machen, aber man soll dann nicht sagen, dass das Regie sei: Es ist eine Richtung, wie man Regie machen kann. Zur Ausbildung gehören Fragen der Psychologie, Gruppendynamik, auch der Machtverhältnisse, also all das, was einem später die Probe ein bisschen vereinfacht. Ein sehr wichtiger Unterricht für mich war Kunstgeschichte, weil ich da gelernt habe, zu sehen. In der bildenden Kunst sind die Fragen des Blicks und der Betrachtung wichtig – wie schaut man auf etwas? Wenn ich auf einen Mensch schaue, stelle ich nicht sofort die Frage „Wie schaue ich auf einen Menschen?“; wenn ich aber ein Gemälde betrachte, muss ich diese Frage stellen. Dadurch habe ich wirklich gelernt, was es heißt, einen Menschen anzuschauen, den ich als Regisseur sozusagen „konstruiere“ und in eine bestimmte Richtung führe. Grundkenntnisse in Philosophie und Psychoanalyse finde ich für die Studierenden ebenfalls unglaublich wichtig.

Der Regisseur Laurent Chétouane, Absolvent des Studiengangs Regie an der HfMDK, ist inzwischen ein vielgefragter Regisseur sowohl im Schauspiel als auch in der Tanzszene. Als Franzose hat sein Empfinden für die deutsche Sprache zu einer besonderen Sprachbehandlung in seinen Inszenierungen geführt und seinen eigenen Regiestil geprägt. Er arbeitet an renommierten Theatern und ist mit seinen Aufführungen auf vielen internationalen Festivals vertreten. An den Münchner Kammerspielen haben Marion Tiedtke, Dramaturgin, Dekanin im Fachbereich Darstellende Kunst sowie Ausbildungsdirektorin des Schauspiels, und Laurent Chétouane in zwei Produktionen zusammengearbeitet. Im folgenden Gespräch erörtern sie am Beispiel der Ausbildungsbereiche Regie und Schauspiel, wie zeitgemäß die Ausbildung der Darstellenden Kunst an der Frankfurter Hochschule wirklich ist.

Laurent, glaubst du, dass das Wissen, das dir im Studium vermittelt wurde, für die heutige Ausbildung angesichts eines veränderten Arbeitsmarktes noch relevant ist?

Prof. Marion Tiedtke

Laurent Chétouane Ich weiß nicht genau, wie die Regieabteilung in Frankfurt heute arbeitet. Damals fand ich es gut, dass ich mir im Studium „nehmen“ konnte, was ich wollte. Die ersten Jahre bestanden mehr oder weniger aus Pflichtveranstaltungen, und ich würde jetzt provokant sagen: Ganz wenige Unterrichtsstoffe konnte ich direkt anwenden. Der Unterricht war aber trotzdem ein Ort, wo ich über meine Vision von Theater nachdenken konnte – entweder laut mit den Dozenten oder für mich selbst in Reaktion darauf. Ich habe demnach die Hochschule nicht als einen Ort in Erinnerung, wo mir ein positivistisches Wissen vermittelt wurde, das mir sagte, wie mein Job funktionieren soll, sondern eher als einen Ort des Dialogs, der Auseinandersetzung, der Konflikte und der Diskussion, wo ich die Möglichkeit hatte herauszufinden, was mich wirklich treibt. Die Art und Weise, wie unser damaliger Professor Hans Hollmann Regie führte, war weit entfernt von der Art, wie ich heute Regie führe. Aber dadurch, dass ich ihn bei seiner Arbeit beobachtete, konnte ich mir darüber klarwerden, dass ich so nicht arbeiten möchte. Das ging und geht nicht gegen ihn, sondern um das

Tiedtke Gibt es aus der Erfahrung deines Berufslebens einen Aspekt, den du der Ausbildung heute gern hinzufügen würdest?

Ja – nämlich die Auseinandersetzung mit dem Körper außerhalb des Textes, also das Verhältnis von Körper und Raum außerhalb des gesprochenen Wortes. Man versteht ja Regie immer in Verbindung mit einem Text. Und wenn der Text einfach ein Schweigen oder eine lange Stille ist, stellt sich die Frage, wie man dann mit Körper und Raum umgehen muss. Das fand ich damals notwendig für mich. Damals war ich ohne Text sehr schnell

Chétouane

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Foto: Valentin Fanel

Kaho Kishinami und Jamie Mejeh in „a thin line“, Choreographie: Marc Spradling

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Interview

verloren, und das finde ich schade. Wichtig ist, dass ich Regie nicht nur verstehe, indem ich den Text lese und daraus eine psychologische Figur konstruiere. Bevor ein Text gesprochen wird, gibt es doch tausend Dinge auf der Bühne, die stattfinden. Damit umgehen zu lernen, hätte ich mir mehr gewünscht.

Solche hätte ich mir damals mehr gewünscht, und zwar nicht nur als Option, bei der man zu Contact Improvisation gehen kann, wenn man will. Das ist noch nicht interdisziplinär. Vielmehr müsste es jedes Jahr ein interdisziplinäres Projekt geben! Welchen Unterricht haben Schauspieler und Tänzer gemeinsam, wo die Dozenten auch aufeinandertreffen, um zu überlegen, was die einen von den anderen lernen können? Wie schaffen wir ein hybrides System zumindest für eine Stunde pro Woche? Ich erinnere mich an mein erstes Tanzprojekt, „Bildbeschreibung“ von Heiner Müller, gemeinsam mit dem Tänzer Frank Willems: Frank hat mir beigebracht, wie ich mich aus mir heraus bewegen kann – ich habe ihm beigebracht, wie er sprechen kann. Das war eine großartige Erfahrung, einem Tänzer das Sprechen beizubringen, und ein Tänzer, der mir beibringt, mich zu bewegen. Mindestens eine Freiheit in meinem Körper zu spüren, damit ich mich bewegen kann, meinen Raum und Körper entdecke – das ist interdisziplinär. Wir beide wussten nicht, wohin das führt, und das ist ein Riesenunterschied zu dem Ansatz: Wir nehmen an deinem Unterricht teil, der sowieso läuft.

Chétouane

FiT Hat Ihr Regielehrer Hans Hollmann Ihnen seinerzeit auch diese Offenheit vermittelt, dass Sie in dieser Art und Weise – also gleichsam ex negativo – von ihm lernen konnten?

Ich will es an einem Beispiel erläutern: Hans Hollmann war ein unglaublich begabter Regisseur für Timing: Wann das Wort fällt, wann die Tür geschlossen werden muss, damit Spannung entsteht – das funktionierte wunderbar. Aber das ist schon

Chétouane

FiT Frau Tiedtke, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Laurent Chétouane schildert, wie er sein Studium damals erlebt hat?

Die zentrale Frage ist: Was bedeutet heute noch Handwerk? Welche Fähigkeiten müssen wir unseren Schauspielstudierenden mitgeben, damit sie in der Lage sind, Anforderungen, die an sie gestellt werden, so zu lösen, dass sie mit ihrem Beruf auch Geld verdienen können? Andere Aspekte sind die künstlerische Freiheit und die Kreativität: Wie fördern wir über das Handwerk hinaus Kreativität? Wir haben in den letzten fünf Jahren versucht, diesen Handwerksbegriff zu erweitern. Die Studierenden erhalten zunächst den schauspielerischen Grundlagenunterricht, der nicht nur geprägt ist von Stanislawski oder Brecht, sondern ebenfalls von zeitgenössischen Auftrittsformen und Spielweisen, wodurch sie zunächst ein Fundament bekommen, wie man Raum und Zeit auf der Bühne erlebt. Diese Spielkompetenz haben wir erweitert im Hinblick auf die Medienkompetenz: Bei uns lernen die Schauspieler, vor der Kamera zu spielen und als Sprecher vor dem Mikrofon zu arbeiten. Im Bereich der Kreativität versuchen wir, das Prinzip der Bandenbildung zu ermöglichen, so dass Schauspielstudenten mit unseren Regiestudenten und den Dramaturgiestudenten der Goethe-Universität an eigenen Projekten arbeiten können. Im ersten Jahr sind Schauspiel und Regie in der Ausbildung sogar nahezu identisch. In den folgenden Jahren bieten wir ihnen die Möglichkeit, mindestens einmal im Jahr ein Projekt mit Regie- und Dramaturgiestudenten zu machen. Auch mit den Tänzern und Gesangstudierenden arbeiten wir interdisziplinär im ersten Studienjahr zusammen: Alle Erstsemester treffen sich zur Contact Improvisation bei Dieter Heitkamp. Und alle Studierenden des Masterstudiengangs Theater- und Orchester-

Tiedtke

Laurent Chétouane

Ideologie, und zwar gegenüber einer Art der Wahrnehmung, gegenüber einer Art der Spannung. Dahinter steckte ein gewisses System, und ich wollte für mich wissen: Wie durchbreche ich dieses System? Wie kann ich da andere Zeitlichkeiten öffnen, einen anderen Zeitbegriff als nur eine normale generelle SpannungsfeldZeit? Hans Hollmann hat mich immer – und das muss ich ihm hoch anrechnen – frei gelassen. Er hat, glaube ich, immer gespürt, dass ich eine eigene Form entwickle, und hat das unterstützt. Er hat nie versucht, etwas dagegen zu sagen – er hat es sich angeschaut, es kommentiert, manchmal versucht mir zu helfen, genauer zu sein, aber er hat es atmen lassen. FiT Hatten Sie während Ihres Studiums interdisziplinäre Begegnungen, also beispielsweise mit dem Tanz?

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management begleiten eigenverantwortlich alle Projekte unseres Fachbereichs als Produktionsleiter. Das ist eine hervorragende Zusammenarbeit. Unsere Verbindungen zur Hessischen Theaterakademie (HTA) sorgen schließlich dafür, dass die Studenten schon rechtzeitig mit der Arbeitsrealität konfrontiert werden, weil sie innerhalb des Studiums Gastverträge an der Hessischen Theaterakademie wahrnehmen können. Darüber hinaus habe ich mit den Absolventen zusammen unsere Websites, Auftritte und Broschüren weiterentwickelt, in denen wir sie sehr ausführlich mit Fotos, Projektdokumentationen, Hörproben und Demobändern vorstellen. Da viele Intendanten heute leider nicht mehr die Zeit haben, zu reisen und sich die Leute anzuschauen, versuchen wir, viel Material ins Netz zu stellen.

mal das Handwerk und Wissen für den Berufseinstieg mitgeben. Die Zeit für eine eigene künstlerische Autorenschaft ist einfach zu kurz. Es gibt, glaube ich, einen entscheidenden Unterschied zwischen Gießen und Frankfurt: Gießen bildet Leute aus, die eine kritische Position gegenüber Darstellung haben, während eine Hochschule wie Frankfurt zuerst für eine traditionellere Position gegenüber einem Repräsentationstheater steht, das glaubt, dass die Welt und seine Probleme sich problemlos darstellen lassen. Gießen würde vor dem philosophischen und theoretischen Hintergrund zuerst Nein sagen zu Repräsentation und auf die Suche gehen nach neuen Formen und einer kritischen Auseinandersetzung. Deren Erfolg liegt auch darin, dass die freie Szene, wo

Chétouane

Wie viel Platz für Kreativität bleibt denn da noch angesichts des umfangreichen Unterrichtsangebotes?

FiT

Tiedtke Es bleibt leider sehr wenig Zeit für das, was du, Laurent, eben beschrieben hast, nämlich sich selbst einen inneren Freiraum zu erarbeiten, aus dem Kreativität entstehen kann. Deswegen wünsche ich mir, dass wir neben den Bachelor-Studiengängen, die wir jetzt entwickelt haben, noch Master-Studiengänge einrichten. In dem ganzen Dilemma zwischen Handwerk und Kreativität habe ich einen Traum: einen Master-Studiengang des Zeitgenössischen Theaters aufzubauen, wo man junge Theaterkünstler von Seiten der Regie, des Schauspiels und vielleicht auch des Tanzes oder der Performance nach den ersten Arbeitsjahren noch einmal durch eine künstlerische Aufnahmeprüfung schickt und ihnen einen zweijährigen Freiraum bietet, in dem sie ein Ensemble auf Zeit bilden und eigene künstlerische Projekte initiieren – möglicherweise in Zusammenarbeit mit der Hessischen Theaterakademie und vielleicht sogar einem Theater in Deutschland, das Renommee hat und auch die Kapazitäten, dies zu unterstützen. Die Erfahrung zeigt, dass viele Absolventen nach zwei oder drei Berufsjahren durch neue Anfänger ersetzt oder aber gar nicht von anderen Theatern gesehen werden, weil niemand mehr Zeit hat herumzufahren. Dann befinden sie sich in einer Situation, die ihnen zu wenig Möglichkeit bietet, sich noch einmal anders zu entdecken. Dieses Aufbaustudium nach ersten beruflichen Erfahrungen würde ich gern mit einem Master-Studiengang verbinden. Dass Gießen als Angewandte Theaterwissenschaft so erfolgreich ist, liegt natürlich nicht nur, aber auch daran, dass deren Studierende grundsätzlich mehr Zeit haben und weniger belastet sind durch technische Fächer wie Sprechen, Gesang, Bühnenkampf etc. Die Ausbildung dort dauert in der Regel fünf bis sechs Jahre und schließt mit einem Master ab. Da bleibt genügend Zeit, viel Wissen zu vermitteln und zugleich einen kreativen Freiraum zu schaffen. Aber mit einer Ausbildung wie der unsrigen, die als grundständiger Studiengang eigentlich schon nach drei Jahren zu Ende ist, kann man gerade

Prof. Marion Tiedtke

üblicherweise mehr von solchen kritischeren Positionen zu finden waren, jetzt immer mehr in die „In-Szene“ kommt. Und deswegen werden die Gießener Theaterwissenschaftler plötzlich so wichtig, weil sich die Theater daran gewöhnt haben, auch ihren René Pollesch zu haben, der mit der Repräsentation kritisch umgeht – oder zumindest behauptet. Das ist für die freie Szene vielleicht kein Gewinn und bedeutet den Verlust der kritischen Position. Man findet eine Form für die Repräsentation der Nicht-Repräsentation. Aber vielleicht ist das ein anderes Thema. Tiedtke Es ist kein anderes Thema. Die Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen hat in gewisser Weise einen Teil des zeitgenössischen Theaters geprägt, und die Frage ist, wie wir es prägen können. Unsere Stärke liegt eigentlich in der totalen Offenheit

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Foto: Andreas Reeg

„Die Räuber“ von Friedrich Schiller. Szenisches Vordiplom des zweiten Jahrgangs Schauspiel mit Josia Krug, Henning Kallweit, Sebastian Volk und Simone Müller

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Interview

Ich glaube, dass wir mit einem gewissen Widerspruch kämpfen müssen. Das Studium müsste einfach mehr Zeit bieten. Bei uns gibt es wöchentlich die Beschäftigung mit einer „Wahlrolle“, bei der Studenten selbstständig ihre Rolle erarbeiten. Und es gibt Eigenprojekte, die sie leisten müssen, zum Beispiel im Physiodrama-Vordiplom: Hier entwickeln sie ganz allein nonverbal ein „physical theatre“. Doch das reicht als Zeit für die Suche nach dem eigenen Ausdruck längst nicht aus. Momentan diskutieren wir, ob wir einen freien Eigenarbeitstag in der Woche anbieten. Das ginge jedoch nur auf Kosten von anderen Fächern. Oder aber man müsste die Ausbildung prinzipiell um ein Jahr verlängern und damit mehr Zeit für den selbstständigen Künstler bieten. Der Abschluss sollte dann gleich ein Master sein, um konkurrenzfähig gegenüber den anderen 17 deutschsprachigen Schulen zu bleiben. Bisher läuft es so: Drei Jahre kompaktes Studium, es folgt ein Studienjahr der Arbeitsvermittlung, und in diesem Jahr sind unsere Studenten schon mit Gastverträgen an den Theatern tätig, was ihnen ein unheimliches Selbstbewusstsein gibt – ein Standing, die Bühnenerfahrung eben. Eigentlich bräuchten sie noch ein Jahr Kreativität, bevor es ans Geldverdienen geht. Auf diese Weise könnten sie sich selber ein Berufsfeld aufbauen und müssten nicht nur daran denken, sich in fertige Theatersysteme einzuspeisen. Sie könnten Wege und Mittel schon an der Hochschule entwickeln, um etwas Eigenes auf die Beine zu stellen und längerfristig Verbindungen zu knüpfen. Die Zukunft des schrumpfenden Stadttheaters mit all seinen finanziellen Kürzungen verlangt, dass ich als Regisseur oder Schauspieler selber kreativ werden muss für das, was ich auf der Bühne erzählen möchte – womöglich eben ohne ein fest subventioniertes Haus.

gegenüber den Spielweisen und Theateransätzen. Die Ausbildung des Schauspielers ist längst nicht mehr nur von Formen des Repräsentationstheaters bestimmt. Wir schließen diese nicht aus und beschäftigen uns trotzdem zugleich mit anderen Spielweisen. Nur wer die Tradition kennt, kann sie auch in Frage stellen. Die Zukunft der Darstellenden Kunst in Frankfurt liegt für mich in der Gretchenfrage: Wie können wir hier an der Hochschule Raum und Zeit für Innovationen schaffen?

Tiedtke

FiT Was war genau mit René Pollesch, den Sie als Beispiel für einen streitbaren Regisseur angeführt haben?

Der junge Regisseur René Pollesch wurde zwar in Gießen ausgebildet, aber konnte von dieser Qualifikation jahrelang überhaupt nicht leben. Und plötzlich, nach einigen Jahren, hat seine Art, Theater zu sehen, einen Nerv der Zeit getroffen. Eine Hochschule kann, so glaube ich, nicht gleichzeitig mit der Zeit gehen. Und ich glaube nicht, dass es eine Aufgabe der Schule ist, genau zu treffen, was der aktuelle Markt gegenwärtig braucht. Vielmehr müssen wir auf die Persönlichkeiten setzen, die wir ausbilden. Die Studierenden sind diejenigen, die in Resonanz mit der Zeit stehen. Wir sollten uns überlegen, wie wir ihnen helfen, sich zu entfalten – so treffen wir eher die Zeit. Aber vielleicht nicht morgen, sondern in fünf Jahren oder in zehn. Ein Künstler kann jahrelang total allein und unverstanden sein, und auf einmal – durch geschichtliche Ereignisse oder eine Entwicklung in der Gesellschaft – will man seine Ideen auf der Bühne sehen. Es ist schwierig für eine Schule, sich die Aufgabe vorzunehmen, auf der Höhe der Zeit zu sein, dann macht sie eigentlich nur Marketing, nämlich vorher zu sagen, was die Menschen sehen wollen. Das finde ich, sollten wir den Marketingleuten und der Industrie und der Wirtschaft überlassen. Eine öffentliche „Hoch-Schule“ sollte den Leuten etwas anderes vermitteln als nur die Voraussetzungen, um einen Job zu bekommen. Zumindest sollte der Geist einer Schule weit über dieses Ziel hinausreichen. Man sollte an etwas in den Studierenden glauben – als Präsident der Hochschule, als Dekanin, als Dozent –, und es wird vielleicht, vielleicht auch nicht die Zeit treffen. Andererseits sind die künstlerischen Richtungen heutzutage so unterschiedlich, dass man nicht einmal von einem Paradigma oder einer Richtung sprechen kann. Auch die heutigen Regie-Handschriften sind so verschieden, dass man überhaupt nicht von einer Generation reden kann. Die Balance zwischen Effizienz und dem Freiraum für künstlerische Entfaltung ist sehr schwer.

Chétouane

FiT Hat sich die Theaterlandschaft in den letzten Jahren so verändert, dass sich Studierende heute neue Schlüsselkompetenzen aneignen müssen? Chétouane Eine schwierige Frage. Ich kann nur ein Beispiel geben: Ich glaube, mit dem, was ich heute im Theater mache und was jetzt als Richtung akzeptiert ist – unabhängig davon, ob die Leute es mögen oder nicht –, würde ich heute als Absolvent kein Engagement finden.

FiT

Warum nicht?

Weil ich glaube, dass die Theater heute nicht mehr den gleichen Mut haben für zunächst unlesbare, komplexere und fragilere Formen. Heute verlangt man von Regisseuren einen hohen Grad an Effizienz und Fertigkeit. Man hört es oft: Die Studierenden müssen vor allem lernen, wie man eine gute Szene macht, und dann sieht man weiter. Ich entgegne dem: „Die gute Szene“ als solche gibt es im Theater aber gar nicht. Ich höre von vielen

Chétouane

FiT Wie hat die Hochschule eine Chance, eine solche Balance herzustellen und damit beiden Forderungen gerecht zu werden: einer adäquaten Vorbereitung auf den Berufsmarkt und einem Freiraum für Kreativität und Experiment?

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Interview

Studierenden die Frage: „Wie können wir heute mit unseren künstlerischen Ansprüchen und dem Wunsch nach Intellektualität und Reflexion des Theaters überhaupt einen Job bekommen?“ Sie wissen wohl, dass sie bloß nicht zu viel denken sollten, sonst ist das schwierig für den Beruf. Für mich steht fest: Um „effizient zu sein“, darf der Regisseur heutzutage nicht zu komplex denken. FiT

und der Fähigkeit der Szene, diese Innovation zu erkennen und anzuerkennen, ist auch für die Hochschule in Fragen der Ausbildung eine Herausforderung, oder? Es ist ein Traum zu glauben, dass man seine Studierenden sofort im ersten Jahr auf die Höhe ihres Erfolges begleiten kann. Will die Hochschule Absolventen, die hochschießen wie eine Rakete, die man aber nach drei Jahren wieder vergessen hat, oder will sie Künstler hervorbringen, die sich über 40 Jahre halten? Ich werde natürlich dafür plädieren, dass man auf langen Atem und Nachhaltigkeit setzt. Ich finde die Regiestudenten, die ich derzeit, vor allem in Oslo, über mehrere Jahre begleiten kann, spannend: Man merkt, da „kocht“ etwas, man weiß noch nicht genau, was das ist. Aber sie wachsen, es entwickelt sich. Es ist unglaublich schön zu sehen, wie ein Student nach drei Jahren immer mehr realisiert, was er sich eigentlich wünscht. Aber zuerst muss man auf diesen Wunsch hören können, ihn spüren und verstehen. Andere, die mir sofort tolle Szenen bauen, deren Persönlichkeit dahinter ich aber nicht entdecken kann, finde ich nicht so spannend.

Chétouane

Was dem Vermarktungsdruck geschuldet ist?

Absolut. Und auch einer Angst vor dem Denken, die es in der Gesellschaft gibt.

Chétouane

FiT

Stimmt einen das traurig oder zumindest nachdenklich?

Leider sehen sich die Stadt- und Staatstheater mehr und mehr gezwungen, wie andere Wirtschaftsbetriebe sich an Effizienz zu orientieren: Die Ensembles werden immer kleiner, die Zahl der Produktionen jedoch immer größer. Viele Schauspieler erarbeiten sechs neue Rollen in einer Spielzeit zusätzlich zu ihrem Repertoire, was eigentlich ein Unding ist. Die Ensembles werden immer jünger und preisgünstiger, Bühnenberufe wie Kostümbildner oder Souffleusen werden weggespart. Ähnlich wie im Radio und Fernsehen werden die Aufführungen kleiner, journalhafter, es entstehen „Konsumhappen“, die man den Zuschauern mundgerecht anbieten will. Im Moment hat kaum jemand den Mut, ein Profil zu behaupten, das womöglich scheitert. Folglich würde nämlich die unbefriedigende Platzausnutzung einen Strudel von Kürzungen der Öffentlichen Hand nach sich ziehen. Das will man vermeiden, und deswegen werden die Theater so mutlos. Die Hochschulen müssen übrigens aufpassen, dass ihnen nicht das gleiche passiert. Kunst ist ja per definitionem ein zweckfreier Raum – das hat Kant so treffend formuliert: Kunst ist der Zweck ohne Zweck, also der Zweck an sich. Sich diesen Raum zu erhalten, ist auch die Aufgabe einer Hochschule. Künstler zu fordern und zu fördern heißt, ihnen einen zweckfreien Raum zu bieten. Wir stehen unter der Aufsicht des Ministeriums und sind ebenfalls von Geldern abhängig. Es wird immer geschaut, wie effizient wir sind, welche Berufsvermittlungen und Erfolge wir zu vermelden haben. Das ist der Widerspruch, mit dem wir umzugehen haben. Wir aber müssen die Hüter des Anderen sein: Es geht nicht bloß um Funktionstüchtigkeit, es geht nicht um die Erfüllung von Effizienz und es geht nicht um das pure Bedienen eines Arbeitsmarktes. All das führt nämlich letztlich nicht zu Kreativität, sondern nur zum Einspeisen des bestehenden Arbeitsmarktes. Doch im Kern der Kreativität geht es um Innovation, und die können wir nicht vorausberechnen. Innovation können wir nur stiften, indem wir einen Freiraum für Kreativität schaffen, der auch ein Scheitern zulässt.

Tiedtke

FiT Braucht es bei den Lehrenden auch die prophetische Gabe, ein Potenzial zu erahnen, das erst entdeckt werden muss?

Das gehört zu Kunstschulen absolut dazu – diese Lust, Leute auf einem Weg zu begleiten. Eine Aufnahmeprüfung ist eigentlich nichts anderes als ein Pokerspiel, bei dem man als Lehrender darauf setzt, dass es da bei dem Studierenden etwas gibt – sonst wäre es auch ein langweiliger Beruf.

Chétouane

Tiedtke Ich würde nicht sagen, dass wir bei der Aufnahmeprüfung Visionäre sind. Die Visionen müssen ja von denen kommen, die die neue Generation bilden – wir sind ja schon ein Teil der Tradition. Deswegen finde ich schön, was Laurent über Hans Hollmann erzählt hat, der ihm genügend Freiheit in der Ausbildung ließ, obgleich er nicht immer alles verstand. Wir müssen die Freiheit haben, von uns und unserer eigenen Art, Kunst zu betreiben und zu verstehen, selbst abzusehen, um etwas Neues zu ermöglichen. Wir müssen ein Gespür dafür haben, ob jemand genügend Mut, Interesse und Kreativität besitzt, um für sich und seine Kunst einzustehen. Für mich persönlich ist es als Lehrende wichtig, neben den Inhalten der Ausbildung den Studierenden eine Arbeitshaltung zu vermitteln, eine Betrachtung des eigenen Metiers, Werte mitzugeben, die auf ein Ziel hinweisen, welches man vielleicht nicht mit jeder Produktion erfüllen kann. Wenn man eine Idealvorstellung von dem, was Kunst sein könnte, nicht hat, dann hat man über kurz oder lang auch nicht die Kraft und Energie, diesen schwierigen Weg als Künstler einzuschlagen. Die Begeisterung für die Kunst sollte zwischen Studierenden und Lehrenden das gemeinsame Zentrum sein und bleiben.

FiT Die Zeitverschobenheit, von der Sie, Herr Chétouane, eben gesprochen haben, nämlich zwischen der Innovation des Künstlers

bjh

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Szene aus A. Stradellas „San Giovanni Battista“, einer HfMDK-Produktion in Kloster Eberbach im Rahmen des Rheingau Musik Festivals im Jahr 2011

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Statements Dieter Heitkamp ist im Abschluss befindliche Studentin des Studiengangs BAtanz im Ausbildungsbereich Zeitgenössischer und Klassischer Tanz an der HfMDK und studiert zudem seit September letzten Jahres bei P. A.R.T.S. in Brüssel im Research Cycle, einem Masterprogramm für Zeitgenössischen Tanz und Choreographie.

Die HfMDK ist mutig. Wo findet man heute an staatlichen Hochschulen den Mut, junge Künstler in ihren aufkeimenden Ideen zu unterstützen und ihnen den Frei- und Spielraum zu geben, sich auszuprobieren und damit ernsthaft auf den Künstlerberuf vorzubereiten? Wer traut sich trotz all der Kürzungen in der Kunstsparte, junges Potenzial zu fördern in dem Vertrauen, dass in der kommenden Generation die Zukunft liegt? Die Tanzabteilung unter Dieter Heitkamp tut es. Sie traut sich in den wackeligen Spagat, ihren Studierenden eine stabile Basis etablierter Lehrmethoden anzubieten und gleichzeitig den Weg und das Verständnis für unkonventionelles Denken zu öffnen. Solange dies ihr Streben ist, hat die Tanzabteilung tiefes Vertrauen verdient. Alt ist nicht immer weise. Aber Weise sind meist alt. Mit ihren 75 Jahren darf sich die HfMDK getrost alt und weise nennen: weise genug, um ihr Alter charmant zu betonen.

ist Professor für Tanz und Ausbildungsdirektor der Abteilung Zeitgenössischer und Klassischer Tanz an der HfMDK.

Foto: Valentin Fanel

Alma Toaspern

Was mich nach 14 Jahren Arbeiten und Leben in der HfMDK immer noch herausfordert und mir große Freude bereitet, ist die einzigartige Möglichkeit, Studierende in ihrer künstlerischen Entwicklung begleiten, unterstützen und manchmal auch ver-/stören zu dürfen. Es ist aufregend und motivierend mitzuerleben, wie junge Künstlerinnen und Künstler eigene Wege finden und Risiken auf sich nehmen, neue Arbeitsweisen erproben, spannende Kunstwerke und Austauschforen schaffen, sich parallel für bessere Produktionsbedingungen einsetzen und konstruktive Vorschläge für neue Förderrichtlinien entwickeln. Das zeigt, dass künstlerische Ausbildung eng mit den Entwicklungen im aktuellen Kunstgeschehen und gesellschaftlichen Fragen verknüpft sein kann, und macht Mut, die bestehenden Ausbildungsstrukturen immer wieder auf ihre Aktualität hin zu befragen. „HfMDK bewegt“ ist die Überschrift des 4. Symposiums THE ARTIST’S BODY, das im Oktober 2013 von der AG Körper & Bewegung ausgerichtet wird. Die Rolle des Körpers in der Kunst und für die künstlerische Ausbildung wird nur an wenigen Institutionen derart konsequent und spartenübergreifend wie an der HfMDK in Frankfurt untersucht. Die HfMDK ist in Bewegung. Ich bin stolz, dass die LEITBILD_diskussion öffentlich im Internet dokumentiert wird und alle Hochschulangehörigen in den Prozess einbezieht: Lehrende, Studierende und Mitarbeiter der Verwaltung.

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Weitere gute Gründe jetzt und hier tätig zu sein, sind die äußerst fruchtbare Zusammenarbeit innerhalb eines unvergleichlichen Netzwerkes sowie die großzügige Unterstützung engagierter und kompetenter Partner-Institutionen, Individuen, Organisationen und Stiftungen. Hinzu kommt die Diskursfreudigkeit, die Wahrnehmungsfähigkeit des Publikums, die Lust am Scheitern und das Bestreben, Praxis und Theorie zu verbinden. Das enorme vor Ort vorhandene Potenzial ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

Sebastian Kohlhepp ist Alumnus der HfMDK. Der lyrische Tenor studierte bis 2011 an der HfMDK und ist seitdem Ensemblemitglied des Staatstheaters Karlsruhe. Zur Spielzeit 2013/14 wechselt er an die Wiener Staatsoper.

Die HfMDK war für mich der perfekte Ausbildungsort. Vor allem durch die Kooperation mit zahlreichen kulturellen Institutionen wie Opernhäusern und Theatern im Rhein-Main-Gebiet konnte ich schon während des Studiums regelmäßig Praxiserfahrung sammeln. Ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung und optimale Bedingungen zum Einstieg ins Berufsleben!


Was mir die HfMDK bedeutet

Renate Hink

Carolin Millner

ist seit einigen Jahren ehrenamtliche Helferin im Team des Abenddienstes. Meist sitzt sie an der Abendkasse, wo sie sich über einen guten Kartenverkauf und das Wiedersehen von „Stammkunden“ der Hochschule freut.

studiert Regie an der HfMDK (auf dem Bild mit ihrer Tochter Fides).

Sarah Grahneis

Die Vernetzung verschiedener Fachbereiche der HfMDK unter einem Dach ermöglichte mir, Produktionen mit Tänzern, Musikern und Sängern zu verwirklichen, was an einer regulären Regie- und Schauspielschule schwieriger zu organisieren gewesen wäre. Neben den vielen Möglichkeiten der Zusammenarbeit erscheinen in meinem Studium immer wieder neue Wegbegleiter, aber auch „Wegewidersacher“; keine Konstante weist mir den rechten Weg. So gibt es niemanden, dem ich nacheifern muss, sondern lediglich zeitweise will. Ich entscheide selbst, von wem ich mir welche Seite und welche Eigenschaft abschaue und für mich auf nun ganz eigene Weise umsetzen möchte. Ich folge eine Weile seinem Schritt, bis ich in einen neuen, unbekannten Seitenweg abbiege.

Foto: Christina Wildgrube

studierte bis 2012 an der HfMDK Theater- und Orchestermanagement (TheO) und arbeitet seit der Spielzeit 2012/13 als Musiktheaterdramaturgin am Staatstheater Braunschweig. Sie ist Stipendiatin der „Akademie Musiktheater heute“ der Deutschen Bank Stiftung 2012–2014.

Das Besondere des Studiums an der HfMDK zeichnete sich letztendlich durch einen wunderbaren Kontrast aus: Einerseits war da der sehr intime Rahmen des „TheO“-Studiums, der eine intensive Lernatmosphäre mit ausgezeichneten Dozenten ermöglicht hat. Andererseits gab es die Einbettung des Studiengangs in eine Hochschule, die von ihrer Vielfalt lebt. Insbesondere für meinen persönlichen Werdegang ist es eine Bereicherung gewesen, schon in der Ausbildung mit den verschiedenen darstellenden Künsten in Berührung zu kommen. So konnte ich bereits im Studium ein Gespür für die unterschiedlichen Qualitäten und Bedürfnisse der Sparten und ihrer Künstler entwickeln, mit denen ich nun im Beruf täglich zusammenarbeite.

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Nach 40 Jahren am Flughafen wollte ich in meinem Ehrenamt mit vielen, wenn möglich jungen Menschen zu tun haben. Durch meinen Freund, Willy Egli, kam ich zur HfMDK. Es begeistert mich immer wieder, so viele junge, engagierte und talentierte Student/innen zu treffen und ihren weiteren Weg an die Oper oder ans Theater zu verfolgen.


Foto: Lena Obst

Szene aus „Kassandra.Sehen“ am Hessischen Staatstheater Wiesbaden im Frühjahr 2013, Inszenierung und Kostüme von Ksenia Ravvina, HfMDK-Regiestudentin. Im Bild: Franziska Werner, Andrea Schuler und Rajko Geith, HfMDK-Schauspielstudent.

Geigerin Leidy Patricia Garcia während einer Probe im Großen Saal der HfMDK. 98


Tubist Karel Skopek und Komponist Helmut Lachenmann nach einer Probe im Rahme eines Projektes der Internationale Ensemble Modern Akademie und des Instituts für Zeitgenössische Musik mit Helmut Lachenmann im Großen Saal der HfMDK im Frühjahr 2010. 99


IMPRESSUM Frankfurt in Takt – Magazin der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main Eschersheimer Landstraße 29–39 60322 Frankfurt am Main www.hfmdk-frankfurt.de Herausgeber Thomas Rietschel, Präsident der HfMDK Idee und Konzept Dr. Sylvia Dennerle sylvia.dennerle@hfmdk-frankfurt.de Telefon 069/154 007 170 Redaktion Björn Hadem (bjh) bhadem@arcor.de Redaktionsbeirat Dr. Sylvia Dennerle, Beate Eichenberg, Prof. Hedwig Fassbender, Björn Hadem, Anatol Riemer, Thomas Rietschel, Dr. Andreas Odenkirchen, Prof. Eike Wernhard Autoren Prof. Ralph Abelein, Silke Altmannsberger, Prof. Dr. Peter Cahn, Dr. Julia Cloot, Ulrike Crespo, Fani Girizoti, Sarah Grahneis, Jonathan Granzow, Doris Greiner, Björn Hadem (bjh), Dr. Eva Hanau, Prof. Dieter Heitkamp, Renate Hink, Daniela Kabs, Bettina Kessler, Prof. Felix Koch, Sebastian Kohlhepp, Matthias Kowalczyk, Hernando Leal, Bernd Loebe, Carolin Millner, Dr. Stephan Pauly, Thomas Rietschel, Sabine Rosenberger, Prof. Laura Ruiz Ferreres, Prof. Michael Sanderling, Prof. Michael Schneider, Christoph Schulte, Verena Schwenk, Prof. Dr. Felix Semmelroth, Katrina Szederkenyi, Alma Toaspern, Ruth Wagner, Prof. Eike Wernhard

Fotos Fotos: cyberpaddock (1), Valentin Fanel (4), Jürgen Friedel (1), Martin Geier (1), Björn Hadem (41), Udo Hesse (1), Hindemith Institut Frankfurt (1), Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main (4), Internationale Leo-Kestenberg-Gesellschaft (1), Jüdisches Museum der Stadt Frankfurt am Main (1), Andreas Kessler (1), Philipps-Universität Marburg (1), Lena Obst (1) Andreas Reeg (16), Maik Scharfscheer (1), Schott Music GmbH & Co. KG (1), Frank Widmann (1), Christina Wildgrube (1), wikimedia, wissenmedia (2)

GESAMTKONZEPT DES JUBILÄUMS

Layout Opak Werbeagentur Anzeigen Björn Hadem Erscheinungsweise: jeweils zu Beginn des Semesters Druck k+e druck ag Drittmittelkonto Account for Private Funds Konto 200 138 090, BLZ 500 502 01 Fraspa 1822 International Payments IBAN: DE71 5005 0201 0200 1380 90 SWIFT-BIC: HELADEF1822

AG 75 mit Prof. Hubert Buchberger, Dr. Sylvia Dennerle, Beate Eichenberg, Daniela Kabs, Dr. Andreas Odenkirchen, Heinke Poulsen, Gaby von Rauner und Anna-Rosa Schütz Veranstaltungsmanagement Daniela Kabs, Nina Koch, Joseph Hangstein (FSJ Kultur) Tontechnik Christoph Schulte Veranstaltungstechnik Jesica Janßen Öffentlichkeitsarbeit Dr. Sylvia Dennerle, Björn Hadem, Gaby von Rauner, Anna-Rosa Schütz (FSJ Kultur) Fundraising Beate Eichenberg und Heinke Poulsen Freundlich unterstützt von Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main, Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Patronatsverein des Dr. Hoch`s Konservatorium Medienpartner: hr2-kultur, Frankfurter Allgemeine – Zeitung für Deutschland

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