Frankfurt in Takt Magazin der Hochschule fĂźr Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main
Schwerpunktthema
BOLOGNA UND DIE FOLGEN 16. Jahrgang, Nr. 2 Wintersemester 2016/2017 www.hfmdk-frankfurt.de
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Von Von Anfang Anfang anan mehr. mehr. Die Die Privatkundenberatung Privatkundenberatung der der Frankfurter Frankfurter Sparkasse. Sparkasse.
INHALT
2 EDITORIAL
von Prof. Christopher Brandt
42 Bologna in der Musikpädagogik
von Prof. Dr. Maria Spychiger
4 Bologna – mehr als Credit Points
45 Fragen an Studierende
von Sina-Mareen Retolaza
Philipp Dragic
10 Mit ehrlichem Blick aufs eigene Tun
47 Fragen an Studierende
Interview mit Sina-Mareen Retolaza,
Susanne Triebel, Prof. Ingo Diehl und
48 Arien nach Punkten: Bologna
Prof. Dieter Heitkamp 11 Akkreditierung – wer macht was? von Brigitte Binder
Clarissa Gocke und die Gesangsabteilung
von Prof. Ursula Targler-Sell
50 Fragen an Studierende
12 Fragen an Studierende
52 Im Chaos der Abschlüsse
Moritz Fabian
Maren Schwier und Paula König
16 Fragen an Studierende
54 Fragen an Studierende
Britta Schönbrunn und Elias Schomers
18 Exzellent mit Bachelor
Interview mit Prof. Dr. Martin Ullrich
Caroline Rohde
Neue Musik verlängert
Ausbildung in Musik, Theater und
Johann Lieberknecht und
Philippe Schwarz
58 Honorarprofessur für Claus Kühnl
28 Üben bleibt das Kerngeschäft Interview mit Prof. Christopher Brandt,
Riemer 30 Das Für und Wider der Systeme Interviews mit Prof. Dr. Martina Benz
36 Fragen an Studierende
von Beate Eichenberg
59 Impressum 60 Von der Offenheit für Umwege Verschlungene Lebenswege unserer
35 Fragen an Studierende Roxana Littau und Julia Seiwert
von Prof. Christopher Brandt stipendium an der HfMDK
und Prof. Dr. Constanze Rora
Tanz an der HfMDK
58 Aus eins macht zwei – Deutschland-
Prof. Christoph Schmidt und Anatol
von Dr. Sylvia Dennerle
56 Eine Stiftung für das Mehr an
26 Fragen an Studierende
Lena Ganter
55 Stiftungsprofessur für
21 Fragen an Studierende 22 Vom Segen und Fluch der Bürokratie
von Prof. Marion Tiedtke
Alumni: Prof. Dr. Hans Thomalla 62 U(h)rfeder im Hochschulbetrieb –
Johannes Müller-Hornbach
zum Abschied von Prof. Gerhard Müller-Hornbach
39 Fragen an Studierende
64 Erfolge unserer Studierenden
Lena Möller
40 Fragen an Studierende
Marie Schwesinger und Katarina Graf
von Prof. Ernst August Klötzke
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
EDITORIAL Warum Bologna? Es gibt so viele spannende Themen rund
Als wir vor einigen Jahren begannen, unsere Diplomstudien-
um Hessens Hochschule für Musik, Theater und Tanz; gehören
gänge auf Bachelor und Master umzustellen, war das häufig der
Module, Credits und Studienverlaufspläne dazu? Warum
Anlass für gründliche Revisionen und Selbstreflexionen: Was ist
Bachelor und Master als Schwerpunktthemen dieses Heftes?
wichtig? Was kann raus? Was soll rein? Bildet der Fächerkanon
Als unsere Hochschule wie die meisten anderen in Europa vor
unserer Ausbildung noch die Inhalte ab, die im Beruf wichtig sind?
einigen Jahren in den Bolgnaprozess einstieg, also die bisherigen Studiengänge auf das System Bachelor und Master und die
Als Musiker, der selbst einmal an der Hochschule für Musik
dazugehörige Modularisierung von Studiengängen umstellte,
und Darstellende Kunst Frankfurt am Main studiert hat, habe ich
wurde damit ein System installiert, das weniger statisch als
am eigenen Leib erlebt, wie im Laufe der Jahre das eigentliche
prozesshaft ist. Nachdem einige Jahre ins Land gegangen sind,
Kerngeschäft meiner Tätigkeit, das aktive Musizieren und Unter-
ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um das System zu betrachten und
richten, zunehmend von administrativen und konzeptionellen
auch die interessierte Öffentlichkeit daran teilhaben zu lassen,
Anstrengungen, das ganze System irgendwie am Laufen zu
wie sich dieser Prozess konkret auf die Studien- und Arbeits-
halten, überlagert wurde. Das gilt für meine eigene Biografie als
bedingungen bei uns ausgewirkt hat.
Künstler und Pädagoge, es lässt sich aber auch auf das System Hochschule übertragen: Manchmal habe ich das Gefühl, jedes
Diese Hochschule bildet Künstler aus. Studierende und Leh-
gelungene Konzert, jede inspirierende Aufführung ist einem
rende ringen um künstlerische Inhalte, sei es beim Üben und
Regelwerk an Modulen und Credits regelrecht abgetrotzt, und
Musizieren, im Tanz, im Schauspiel, in der Wissenschaft oder
es bedarf aktiver Anstrengung, sich auf seine künstlerischen
in der Pädagogik. Zwar ist es inzwischen allgemein akzeptiert,
Aufgaben zu konzentrieren, statt sich von einem bürokratischen
dass Kunst schön ist, aber viel Arbeit macht. Worin aber genau
Regelwerk entmutigen zu lassen. Ich merke das auch bei der
diese Arbeit besteht, was man tun muss, welche Inhalte und
Arbeit mit Studierenden: Der Reigen an Fächern ist so umfassend,
Schwerpunkte für eine künstlerische Ausbildung wichtig und
dass man gemeinsam überlegen muss, wann geübt werden
notwendig sind – dies sind Fragen, die permanent auftauchen
kann und wieviel. Verkehrung der Dinge! Was ist da noch
und auch immer wichtiger werden, weil die Berufsfelder, auf die
Haupt-, was ist Nebenfach?
unsere Studierenden vorbereitet werden sollen, zunehmend komplexer werden.
Doch über die allgemeine Verschulung, die Bologna mit sich brachte, klagen auch andere: Geistes- wie Naturwissenschaftler. Glücklicherweise haben wir die Möglichkeit, die Konzeption unserer Studiengänge aktiv zu gestalten und machen davon auch Gebrauch. Zur Zeit revidieren wir wichtige und zentrale Studiengänge unserer Hochschule, beispielsweise den instrumental-künstlerischen Bachelor und die Gesangsausbildung.
2
EDITORIAL
Doch was ist mit der Kunst? Lassen sich künstlerische Prozesse überhaupt in Credits und Modulen abbilden? Gehören zum Prozess der künstlerischen Selbstfindung und Vervollkommnung nicht Umwege und Irrwege untrennbar dazu? Lässt sich eine künstlerische Entwicklung in ein Korsett von Zahlen und Zeiten zwängen? Sind die individuellen Freiräume noch groß genug, um sich ungestört und intensiv dem widmen zu können, was einem wirklich wichtig ist? Es ist kein Geheimnis, dass die Modularisierung der Studiengänge und die damit einhergehende Verkürzung der Studienzeiten auch durch materielle und wirtschaftliche Überlegungen geprägt war – die Studierenden sollten schneller und effizienter auf ihr Berufsleben vorbereitet werden, Die Studienordnungen und Studienverlaufspläne, die vor
statt jahrelang ein verbummeltes Studentenleben zu führen.
einigen Jahren im Rahmen der Modularisierung der Ausbildung
Das mag für Ingenieure und Betriebswirte ja schön und gut sein,
erstellt wurden und seitdem einem permanenten Reflexions-
aber ergibt das in einer künstlerischen Ausbildung, wo die
und Revisionsprozess durch unsere Fachbereiche unterworfen
Berufsperspektiven vielfältig und häufig vage sind, der Übergang
sind, bilden das Rückgrat, die DNA unseres Wirkens. Viele
zwischen Studium und Beruf fließend und stromlinienhafte
Errungenschaften haben sich positiv auf das Studium ausgewirkt:
Karrieren selten sind, überhaupt Sinn? Ist Bologna nicht auch
Bologna hat Verbindlichkeiten geschaffen, wo sich früher
ein Symptom für unsere Unfähigkeit, den Studierenden um-
„durchgewurstelt“ wurde, hat uns die Möglichkeit gegeben, die
fassende Verantwortung für ihr eigenes Tun zuzutrauen?
Arbeitsleistung in allen Fächern zu quantifizieren, abzubilden, welche Gewichtung verschiedene Studieninhalte zueinander
Jedenfalls werden die vielfältigen Aspekte, unter denen der
haben. Die erhoffte höhere Vergleichbarkeit mit Studiengängen
Bolognaprozess betrachtet werden kann, in diesem Heft auf –
anderer Hochschulen, auch international, ist nicht so eingetreten
wie ich finde – spannende und nachvollziehbare Weise zusam-
wie erhofft: Es ist eher komplizierter geworden, Studienleistungen
mengefasst. Alle kommen zu Wort, Lehrende wie Studierende,
anderer Institute mit unseren abzugleichen. Überhaupt ist der
Verwaltung und Qualitätsmanagement, Musik, Schauspiel, Tanz,
Verwaltungsaufwand durch Bologna eher gestiegen, als dass es
Wissenschaft. Nach Lektüre dieser Ausgabe werden Sie einen
die Dinge vereinfacht hätte. Insgesamt jedoch hat der Reflexions-
umfassenden Einblick erhalten, wie an unserer Hochschule um
prozess, den Bologna mit sich brachte, dazu geführt, dass ein
Inhalte und Konzepte gerungen wird und welche gemeinsamen
höheres Bewusstsein dafür geschaffen wurde, was wichtig ist
Anstrengungen wir permanent unternehmen, um unsere Studien-
und was nicht – wenn auch manches Mal nur im Nachhinein. Doch
gänge immer aufs Neue interessant, inspirierend, attraktiv und
es war von Anfang an klar, dass eine so umfassende Studien-
vielseitig zu machen.
reform auf vielen Ebenen nicht für die Ewigkeit Bestand hat, sondern permanent überdacht und weiterentwickelt werden
Eine anregende Lektüre wünscht
muss. Viele Errungenschaften sind außerordentlich positiv: Die Einführung des Wahlkatalogs, die Möglichkeit, sich eigene
Prof. Christopher Brandt
Schwerpunkte innerhalb des Studiums zu setzen, wird gern und
Präsident der HfMDK Frankfurt am Main
begeistert angenommen, und die Verbindlichkeit, bestimmte Fächer belegen zu müssen, um die man früher eher einen Bogen gemacht hätte, hat zu einer Breite und Vielseitigkeit der Ausbildung geführt, durch die unsere Studierenden für ihre zukünftigen Berufsfelder gut aufgestellt sind.
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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
BOLOGNA – MEHR ALS CREDIT POINTS Von Sina-Mareen Retolaza, Bologna-Referentin der HfMDK
Was war der Bologna-Prozess gleich nochmal? Ach ja, wird manch einem einfallen, die Umstellung der Magister- und Diplomstudiengänge auf Bachelor und Master. Mensch, wird der eine oder andere dann denken, das schöne, bewährte deutsche Diplom! Warum musste das eigentlich abgeschafft werden? Vielleicht kommt dann jemandem in den Sinn: Genau, das war doch diese europäische Gleichmacherei, vergleichbare Abschlüsse sollten geschaffen werden. Mittlerweile kann man tatsächlich einen Bachelor in „Technologie der Kosmetika und Waschmittel“ absolvieren oder sich in den Weiterbildungsmaster „Change Management in der Wasserwirtschaft“ einschreiben. Mit was soll das denn nun aber vergleichbar sein? Und was soll überhaupt das Sammeln von Credit Points? Es lohnt sich, da doch noch einmal genauer hinzuschauen.
4
BOLOGNA – MEHR ALS CREDIT POINTS
VOM LEHRENDEN ZUM LERNENDEN Studiengänge (weiter) zu entwickeln, heißt also nicht, lediglich Inhalte in Modulpakete zu gliedern und die Arbeitsstunden der Studierenden zu berechnen, um davon wiederum die Credit Points abzuleiten. Dieser Schritt dient als Unterstützung, um eine sinnvolle und transparente Struktur für einen Studiengang zu bauen. Vielmehr geht es in der Studiengangsentwicklung um die inhaltliche Arbeit: Auf Basis der insgesamt angestrebten Qualifikationsziele soll eine Gliederung entwickelt werden, die KomZIELE DES BOLOGNA-PROZESSES
petenzen sinnvoll zusammenfasst. Der oben genannte Paradigmen-
Zunächst sei angemerkt, dass zwischen Zielen und Instrumenten
wechsel spielt hier eine wichtige Rolle; er wird aber leider immer
unterschieden werden sollte. Denn die Modularisierung beispiels-
noch zu wenig mit dem Bologna-Prozess in Verbindung gebracht
weise ist kein Selbstzweck, sondern in einem größeren Kontext
und im Europäischen Hochschulraum auch noch nicht in jedem
zu sehen.
Studiengang, jedem Modul und letztlich jeder Lehrveranstaltung gelebt. Mit der sogenannten Output-Orientierung geht nämlich
Als Kernziele sind aufzuführen:
auch ein Perspektivenwechsel vom Lehrenden zum Lernenden
die Einführung leicht verständlicher und
einher, auch als Studierendenzentriertheit bezeichnet: Im Mittel-
vergleichbarer Abschlüsse,
punkt stehen die Studierenden und ihre Lernprozesse.
die Förderung der Mobilität aller Hochschulangehörigen, die Verbesserung der Anerkennung von Studienabschlüssen und -leistungen, die Förderung der europäischen Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung, die Ermöglichung des Lebenslangen Lernens,
Es bleibt noch zu klären, wie sich das mit der Vergleichbarkeit der Abschlüsse verhält, wenn die Qualifikationsziele eines Studiengangs frei festgelegt werden können. Aber können sie das überhaupt? Oder gibt es eine Art „mindest-gemeinsamer Nenner“ für z. B. einen künstlerischen Bachelorabschluss im Fach Klavier?
die Stärkung der sozialen Dimension der Hochschulbildung, die Förderung der europäischen Dimension im Hochschulbereich, insbesondere in Bezug auf Curriculum-Entwicklung, Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Mobilitätsprojekte und integrierte Studien-, Ausbildungs- und Forschungsprogramme, die Stärkung der Beschäftigungsfähigkeit („Employability“) von Hochschulabsolventinnen und -absolventen, der Paradigmenwechsel von der Input-Orientierung („Welche Lehrinhalte sollen vermittelt werden?“) zur OutputOrientierung („Was sollen die Studierenden in der Lage sein, zu tun?“).
EIN PAAR ZAHLEN ZU STUDIENGÄNGEN 18.044 Studiengänge wurden von den deutschen Hochschulen im Wintersemester 2015/16 angeboten. 90,9 % davon waren Bachelor- und Masterstudiengänge. 1.162 Studiengänge boten die deutschen Musik- und Kunsthochschulen im Wintersemester 2015/16 an.
Instrumente, die der Erreichung der genannten Ziele dienen, sind die Einführung gestufter Studienabschlüsse, die Modularisierung,
82,3 % davon waren Bachelor- und Masterstudiengänge.
die Anwendung eines Leistungspunktesystems („ECTS – European Credit Transfer and Accumulation System“) und die Ausgabe des Diploma Supplements als Ergänzung zu den Studienabschlussdokumenten.
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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
REFERENZRAHMEN GEBEN ORIENTIERUNG
VON DEN ZIELEN ZUR REALITÄT
Hier kommt das System der Referenzrahmen ins Spiel, die auf
Dann ist doch alles super mit Bologna, oder etwa nicht? Warum
europäischer und nationaler Ebene entwickelt wurden und deren
werden dann an den Hochschulen selbst und auch in den Medien
Ziel es ist, Abschlüsse verschiedener Bildungsstufen und Länder
Aspekte wie Verschulung, erschwerte Mobilität, Probleme mit
besser einordnen zu können, um z.B. die Entscheidung über eine
Anerkennungen und die Überlastung der Studierenden kritisiert?
Anerkennung zu vereinfachen. Die in diesen übergeordneten
Ist das ein anderer Bologna-Prozess? Natürlich nicht. Aber die
Referenzrahmen beschriebenen Lernergebnisse für die unter-
doch plausiblen Ziele treffen auf die Realität, die da heißt:
schiedlichen Bildungsniveaus sind sehr allgemein gehalten und
Schaffung von nationalen Strukturvorgaben sowie Akkreditierungs-
nicht auf eine bestimmte Disziplin bezogen. Im sogenannten
regeln und die tatsächliche Umsetzung an den Hochschulen.
Tuning-Projekt wurden allerdings auch sektorale Qualifikations-
Insbesondere in den Anfängen der Studiengangs-Umstellungen
rahmen für die Hochschulbildung erarbeitet. Im Rahmen dieses
wurde alles minutiös geregelt, eine sehr enge Verkettung der
Projektes wurde das Dokument „Sectoral Qualifications Frame-
Module eingebaut, die den Studierenden kaum ein Abweichen
work for the Creative & Performing Disciplines“ entwickelt, das
von den Studienverlaufsplänen ermöglichte, und fast jeder
konkretere Angaben für Musik und Kunst enthält, aber nicht auf
Lehrveranstaltung wurde eine Prüfung zugewiesen. Auch wurden
die Ebene konkreter Studienrichtungen vordringt. Speziell für das
mancherorts die Inhalte des – eventuell bewährten – Diplom-
Musikstudium wurden wiederum im ERASMUS-Themennetzwerk
studiengangs einfach in einen neuen Bachelorstudiengang
„Polifonia“ Lernergebnisse für alle Studienzyklen definiert. In der
überführt. Da dieser nun jedoch eine kürzere Regelstudienzeit
Gestaltung der Studiengänge muss letztlich jede Hochschule
aufwies, mussten de facto in kürzerer Zeit dieselben Inhalte be-
darauf achten, dass sie im Einklang mit den relevanten Referenz-
werkstelligt werden, und obendrein wurde dabei nicht kompetenz-
rahmen handelt. Hier gibt es wiederum beachtliche Unterschiede
orientiert modularisiert, sondern weiterhin vom Input her gedacht.
1
2
zwischen den einzelnen europäischen Staaten. Während in Deutschland zum einen der Bereich Bildung inklusive Hochschulwesen aufgrund des Förderalismus Ländersache ist und zum anderen die Hochschulen große Autonomie erfahren haben, ist die Hochschulbildung in anderen europäischen Staaten zentral geregelt, was sogar so weit geht, dass auf nationaler Ebene Mindeststandards für konkrete Studiengänge definiert sind. Zum Thema Vergleichbarkeit stellt das Tuning-Projekt übrigens klar, dass es nicht um die Gleichheit der Studienprogramme geht oder um ein vorgegebenes europäisches Curriculum, sondern vielmehr um Referenzpunkte und ein gemeinsames Verständnis.3
1 „Europäischer Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (EQR)“ , Unterzeichnung der Empfehlung zur Einrichtung durch das Europäische Parlament und den Rat am 23. April 2008; „Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR)“, in Kraft getreten am 1. Mai 2013; „Qualifikationsrahmen für deutsche Hochschulabschlüsse“, Beschluss der KMK vom 21. April 2005. 2 Informationen zum Projekt siehe Website: www.unideusto.org/tuningeu/ (Abruf 25. August 2016). 3 „The name Tuning is chosen for the Process to reflect the idea that universities do not and should not look for uniformity in their degree programmes or any sort of unified, prescriptive or definitive European curricula but simply look for points of reference, convergence and common understanding.” Tuning Educational Structures in Europe, www.unideusto.org/ tuningeu/ (Abruf: 25. August 2016).
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BOLOGNA – MEHR ALS CREDIT POINTS
DER GROSSE BILDUNGSSTREIK Dass Studieren (und mitunter auch Lehren und Verwalten) so nicht funktioniert, wurde schnell deutlich und äußerte sich u. a. im großen Bildungsstreik 2009.4 Die Institutionen und Hochschulen reagierten: Die Strukturvorgaben wurden verändert und Studien- und Prüfungsordnungen überarbeitet. Im Frühjahr 2010 kündigte die damalige Bildungsministerin Annette Schavan den insgesamt zweimilliardenschweren Qualitätspakt Lehre an, der an den Hochschulen für einen Zeitraum von zehn Jahren (2011 bis 2020) Projekte zur Verbesserung der Betreuung der Studierenden und zur Verbesserung der Lehrqualität finanziert. Die Lehre rückte also wieder in den Fokus, und Themen wie Studieneingangsphase, Diversität und Übergang vom Studium zum Beruf beschäftigen nun die Hochschulen. Generell setzte an den Hochschulen das Bewusstsein ein, dass Studiengangsentwicklung keine Eintagsfliege, sondern Daueraufgabe ist. Trotz der vorgenommenen Änderungen sind längst nicht alle Schwierigkeiten der Bologna-Umsetzung behoben. Immer wieder gibt es in der Praxis Fragen. Die Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen beschäftigt die Hochschulen permanent, Abläufe in der Verwaltung funktionieren nicht mehr wie zu Diplomund Magisterzeiten und bedürfen einer zeitgemäßen IT-Ausstattung in Form von Campus-Management-Systemen. Auch die
4 Bei den Bildungsstreiks ging es nicht nur um Bologna, sondern u. a. auch um Studiengebühren und den generellen Zugang zu Bildung. 5 In der Publikation „Wissenschaft weltoffen
2013 festgelegten deutschen Mobilitätsziele bzgl. Auslandsmobi-
kompakt 2016“, herausgegeben von DAAD und
lität der Studierenden sind noch nicht erreicht, die europaweite
DZHW, heißt es, dass ca. 20 % der Hochschul-
Zielvorgabe der Mobilitätsstrategie 2020 jedoch schon.5
absolventinnen und -absolventen des Jahrgangs 2013 mindestens drei Monate studienbezogen im Ausland waren, wobei hierzu auch Praktika und Sprachkurse zählen. Die europäische Zielvorgabe lautet, dass 2020 20 % aller Graduierten im Europäischen Hochschulraum einen abschlussbezogenen oder temporären (mindestens einen dreimonatigen oder 15 Credit Points umfassenden)
EIN PAAR ZAHLEN ZU STUDIERENDEN
Auslandsaufenthalt absolviert haben sollen (siehe:
2,76 Millionen Studierende waren im
„Bologna-Prozess 2020 – der Europäische Hoch-
Wintersemester 2015/16 an deutschen
schulraum im kommenden Jahrzehnt“, Kommuniqué
Hochschulen eingeschrieben.
der Konferenz der für die Hochschulen zuständigen
35.536 davon waren Studierende an Musikund Kunsthochschulen. 46,1 % aller Studienanfängerinnen und
europäischen Ministerinnen und Minister, Löwen, 28. und 29. April 2009). In der „Strategie der Wissenschaftsminister/innen von Bund und Ländern
-anfänger im ersten Hochschulsemester an
für die Internationalisierung der Hochschulen in
deutschen Musik- und Kunsthochschulen
Deutschland“ (Strategiepapier der Sitzung der
immatrikulierten sich in einen Bachelorstudien-
Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz vom 12.
gang, 19,8 % in einen Masterstudiengang
April 2013) ist festgehalten, dass in Deutsch-
und 34,0 % in Studiengänge mit anderem
land ein Drittel aller Hochschulabsolventinnen
Abschlussziel (Studienjahr 2014).
und -absolventen einen Auslandsaufenthalt von mindestens drei Monaten und/oder 15 Credit Points nachweisen soll. 7
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
BOLOGNA IN DER KUNST
ÜBEN UND SELBSTSTUDIUM
Was heißt das jetzt aber alles für eine Musik- und Kunsthoch-
Herausforderungen gibt es trotz der Sonderregelungen zu
schule? Die Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen
meistern, das soll nicht verschwiegen werden. Die im Curriculum
hat 2004 beschlossen, sich am Bologna-Prozess zu beteiligen.
vorgesehenen Stunden für das Selbststudium der Studierenden,
Die deutschen Tanzhochschulen führten 2006 erste Gesprächs-
unter das auch das Üben fällt, können z. B. kaum real abgebildet
runden zur Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und
werden. Zum einen variiert das Arbeitspensum der einzelnen
Master durch und gründeten 2007 die Ausbildungskonferenz
Studierenden im Selbststudium sehr, zum anderen ist es
Tanz, in deren Rahmen der Austausch zum Bologna-Prozess
teilweise in der Realität so umfangreich, dass es die insgesamt
weitergeführt wurde. Mittlerweile sind an der HfMDK alle Studien-
mögliche Stundenzahl im Semester sprengen würde. Dies ist
gänge auf Bachelor und Master umgestellt – mit Ausnahme der
aber selbstverständlich kein Freifahrtschein für die Studien-
Lehramtsstudiengänge, die in Hessen als modularisierte Staats-
gangsentwicklung. Die unterschiedlichen Anforderungen der
examensstudiengänge durchgeführt werden, und des Diplom-
Lehrveranstaltungen müssen sich im veranschlagten Selbststudium
studiengangs Schauspiel, da die Studienmodelle für diesen
niederschlagen. Die Hochschulen sind außerdem verpflichtet
Bereich bundesweit noch heterogen sind. In den Strukturvorgaben
sicherzustellen, dass ihre Studiengänge studierbar sind; sie müssen
konnten die Musik- und Kunsthochschulen Ausnahmeregelungen
also auch für eine angemessene Arbeitsbelastung der Studie-
für künstlerische Studiengänge durchsetzen, z. B. in Bezug auf
renden sorgen und bei einer Überlastung handeln. Das syste-
eine längere Regelstudienzeit, größere Module und veränderte
matische Einholen von Feedback zu den Studiengängen, z. B.
Bedingungen für Abschlussarbeiten.
durch Studierendenbefragungen, ermöglicht diesbezüglich wichtige Erkenntnisse. Was war der Bologna-Prozess gleich nochmal? Nun lautet Ihre Antwort hoffentlich nicht „Europäische Gleichmacherei und
EIN PAAR ZAHLEN ZUR STUDIENQUALITÄT 78 % der Studierenden bewerteten im Jahr
Credit Points-Zählen“. Zum Abschluss sei noch gesagt, dass es
2013 die inhaltliche Studienqualität als positiv
stets um die Studiengangsgestaltung geht. Ja, es gibt diverse
(im Vergleich: 2001 waren es nur 64 %).
Rahmenvorgaben, die berücksichtigt werden müssen. Aber diese
Den Aufbau der Studiengänge bewerteten 67 % der Studierenden positiv, 2001 waren es 54 %.
dringen nie bis auf die Ebene der Inhalte vor. Und die Kunst (und um die geht es doch an der HfMDK) in der Studiengangsentwicklung ist es, Gestaltungsspielräume zu nutzen, Studiengänge für die Zukunft zu entwerfen und gemeinsam mit den Studierenden weiterzuentwickeln.
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BOLOGNA – MEHR ALS CREDIT POINTS
WIE DER BOLOGNA-PROZESS ENTSTAND Um den Bologna-Prozess zu verstehen, muss man sich zunächst auf eine Europareise begeben. Lissabon, 1997: Unter der Schirmherrschaft von Europarat und UNESCO wird das „Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region“, die sogenannte Lissabon-Konvention, ausgearbeitet. Ziel ist es, die Anerkennung von Studienleistungen und -abschlüssen zu erleichtern. Paris, 1998: Die Bildungsminister aus Deutschland, Frankreich,
Bologna, 1999: Die Bildungsminister von 29 europäischen
Großbritannien und Italien unterzeichnen die sogenannte Sorbonne-
Staaten formulieren in ihrer gemeinsamen Erklärung die Ziele
Erklärung. „The European process has very recently moved some
zur Errichtung des europäischen Hochschulraums („European
extremely important steps ahead. Relevant as they are, they should
Higher Education Area“) und zur Förderung der internationalen
not make one forget that Europe is not only that of the Euro, of
Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Hochschulsystems.
the banks and the economy: it must be a Europe of knowledge as well. We must strengthen and build upon the intellectual, cultural,
In regelmäßigen Abständen finden seitdem Folgekonferenzen
social and technical dimensions of our continent. These have to a
statt, auf denen sukzessive weitere Staaten aufgenommen
large extent been shaped by its universities, which continue to
werden – mittlerweile besteht der Europäische Hochschulraum
play a pivotal role for their development.” So beginnt die Erklärung,
aus 48 Mitgliedsstaaten – und auf denen die Entwicklungen
die als Ausgangspunkt gemeinsamer hochschulpolitischer Ziel-
evaluiert sowie neue Ziele festgelegt werden. So traf man sich
setzungen der ein Jahr später folgenden Bologna-Erklärung den
in Prag (2001), Berlin (2003), Bergen (2005), London (2007),
Weg ebnete.
Löwen (2009), Wien/Budapest (2010), Bukarest (2012) und
1
Jerewan (2015). Permanent begleitet wird der Bologna-Prozess von der sogenannten „Bologna Follow-Up Group“, die sich mindestens einmal pro Halbjahr trifft und ihrerseits wiederum Arbeitsgruppen für die thematische Arbeit einsetzt. Die auf europäischer Ebene getroffenen Vereinbarungen müssen dann in nationales Recht umgesetzt werden.2
1 „Sorbonne Joint Declaration. Joint declaration on harmonisation of the architecture of the European higher education system”. Paris, 25. Mai 1998. 2 In Deutschland sind die relevantesten Dokumente für die Studiengangsgestaltung: „Ländergemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen“, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. Oktober 2003 i.d.F. vom 4. Februar 2010 und „Regeln für die Akkreditierung von Studiengängen und für die Systemakkreditierung“, Beschluss des Akkreditierungsrates vom 8. Dezember 2009, zuletzt geändert am 20. Februar 2013. 9
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
MIT EHRLICHEM BLICK AUFS EIGENE TUN Der Ausbildungsbereich Tanz ist an der HfMDK Vorreiter bei der Akkreditierung seiner Studiengänge – einjährige Vorbereitungszeit geht einem Gutachterbesuch voraus Für den 7. und 8. November 2016 hat sich an der HfMDK Besuch angekündigt: Eine Gruppe von Gutachtern wird sich einen Eindruck von den beiden Tanzstudiengängen verschaffen, die als Pilotvorhaben akkreditiert werden sollen: Der Bachelor „Tanz“ (BAtanz) sowie der Master „Contemporary Dance Education“ (MA CoDE) durchlaufen eine sogenannte „ClusterAkkreditierung“, also eine Akkreditierung im Verbund. Sie begann mit einjähriger Vorarbeit einer Arbeitsgruppe der Hochschule, mit der „Frankfurt in Takt“ ins Gespräch gekommen ist. Die Arbeitsgruppe, die durch den Präsidenten Prof. Christopher Brandt und einen externen Experten begleitet wurde, setzt sich zusammen aus Brigitte Binder (Referentin für Qualitätsmanagement in Studium und Lehre, sie kommt im nebenstehenden Text zu Wort), Sina-Mareen Retolaza (Bologna-Referentin), Susanne Triebel (Lehrende im MA CoDE und BAtanz sowie Mitarbeiterin im Ausbildungsbereich ZuKT), Prof. Ingo Diehl (Dekan im Fach-
10
Prof. Dieter Heitkamp (oben)
bereich 3 und Leiter des Studiengangs MA CoDE) sowie
und Prof. Ingo Diehl
Prof. Dieter Heitkamp (Ausbildungsdirektor ZuKT).
MIT EHRLICHEM BLICK AUFS EIGENE TUN
AKKREDITIERUNG – WER MACHT WAS? Von Brigitte Binder, Referentin für Qualitätsmanagement in Studium und Lehre Um was geht es denn bei der Akkreditierung? Die Akkreditierung aller Bachelor- und Masterstudiengänge ist von der Landesgesetzgebung vorgeschrieben. Bei der Akkreditierung von Studiengängen geht es darum, die fachlich-inhaltliche Qualität der Studiengänge und die Erfüllung formaler Vorgaben zu prüfen. Grundlage der Begutachtung sind u. a. die Regeln des Akkreditierungsrats, der eine Reihe von Kriterien vorgibt. Dazu zählen beispielsweise das Profil der Studiengänge, die fachlichen und überfachlichen Qualifikationsziele, die beruflichen Tätigkeitsfelder, die Studierbarkeit, die Studien- und Prüfungsorganisation, der Workload und die geplanten Maßnahmen zur Weiterentwicklung von Studiengängen. Wer nimmt denn wie und wann diese Prüfung vor? Die Prüfung erfolgt durch eine unabhängige Akkreditierungsagentur im Auftrag der Bundesländer. Hierfür wird eine so genannte Selbstdokumentation erstellt. Darin beschreibt die Hochschule die vorgegebenen Kriterien für die zu akkreditierenden Studiengänge im Sinne einer echten Selbstbewertung und trägt Anlagen für eine umfassende Dokumentation zusammen. Die Fachkommission der Akkreditierungsagentur nimmt die konkrete Begutachtung zunächst auf dieser Grundlage vor und prüft dann vor Ort, ob die Anforderungen erfüllt sind. Kann man eine Selbstdokumentation frei gestalten? Die Agentur hat uns einen Leitfaden zur Verfügung gestellt, an dem wir uns gern orientiert haben. Die darin enthaltenen Leitfragen decken die Kriterien des Akkreditierungsrats ab – etwa die übergeordneten und studiengangsspezifischen Ziele, der Studiengangsaufbau, die tatsächliche Umsetzung des Studiengangskonzepts in den Studienbetrieb und auch das Qualitätsmanagement. Wir haben die grobe Gliederung des Leitfadens übernommen, die Dokumentation aber im Detail nach unseren Vorstellungen gestaltet. Foto: Valentin Fanel
Wer ist die Gutachtergruppe? Sie besteht aus mehreren Fachvertretern von Kunsthochschulen, einem Vertreter der Berufspraxis und einem Studierenden. Das Verfahren wird seitens der Agentur durch eine Referentin begleitet.
11
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
FRAGEN AN STUDIERENDE Moritz Fabian, Bachelor Tanz
Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? Die ersten drei Jahre (sechs Semester) in unserem Studiengang sind durch einen wöchentlichen Stundenplan voll durchgeplant. Das bedeutet die Module, also Trainings und Unterrichte, sind auf die Wochentage so aufgeteilt, dass wir die nötige Anzahl an Einheiten für die Studiengangvorgaben im Semester erfüllen. Dies wird von unserer Direktion vorgegeben, und es besteht ein wenig flexibler Freiraum für Wünsche oder besondere Ereignisse, welche in die jeweiligen Wochen eingefügt werden können, zum Beispiel Workshops mit Gastdozenten von Kompanien oder freischaffenden Künstlern, welche gerade in der Stadt sind. Ab dem fünften Semester kann man als Studierender einen Schwerpunkt wählen (entweder Klassischer oder Zeitgenössischer Tanz als Fokus), welcher sich dann aber nur durch drei Module unterscheidet. Sonst folgt alles dem gleichen Plan. Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen
Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den
des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobi-
Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?
lität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz?
Zum einen ist man in den ersten drei Jahren sehr isoliert und
Ich habe selbst keine Erfahrung mit einem Wechsel des Studien-
kann nicht viele Erfahrungen außerhalb der Hochschule sammeln,
ortes gemacht und weiß darum nicht genau Bescheid über die
zum anderen braucht es aber auch diese intensive Vorbereitung,
Abläufe und mögliche Probleme eines solchen. Ich glaube aber,
um sich überhaupt ein Level an Technik und Wissen anzueignen,
dass die Eingliederung unseres Studiengangs in das Bachelor-
welches auf dem Markt vertretbar ist. Für mich ist besonders das
und Master-System zumindest den Vorteil bringt, mit anderen
vierte Jahr in dieser Hinsicht die wirkliche Vorbereitung. Hier ist
Studiengängen, die nicht so künstlerisch orientiert sind, gleich-
man aus dem Stundenplan gelöst und muss seine Wochen und
gesetzt zu werden und es durch den gleichen Abschluss einfacher
Monatspläne selber zusammenstellen, kann dafür die universitä-
sein wird, sich weiter zu bilden in vielleicht noch anderen Berei-
ren oder auch externe Trainings in Anspruch nehmen, muss
chen als nur der Tanzsparte, welche relativ begrenzt ist. Unsere
ein Praktikum absolvieren und eine gewisse Anzahl an Vortanzen
Direktion legt großen Wert auf die Transparenz der Organisation
nachweisen wie auch eine wissenschaftliche Bachelorarbeit
des Studiums und auf die Kommunikation mit den Studierenden.
schreiben. Falls man schon ein Engagement bekommt, wird
So sind zum Beispiel auch Studierende daran beteiligt, die
dieses mit den zu erbringenden Anforderungen verrechnet.
Stundenpläne mit den Vorgaben abzugleichen und zu checken.
Trotzdem ist man noch immatrikuliert und hat einen Rahmen
Auch wird zu jedem neuen Jahr eine Einweisung in die zu
vorgegeben, wodurch man nicht ganz allein im weiten Meer der
erfüllenden Leistungen gegeben.
Möglichkeiten treibt.
12
MIT EHRLICHEM BLICK AUFS EIGENE TUN
Was wird die Gutachtergruppe während ihres Besuchs an der
Auf welcher Grundlage steht das Akkreditierungsverfahren,
Hochschule im November tun?
das die Tanzabteilung derzeit durchläuft?
Dieter Heitkamp Sie wird vor allem Befragungen durchführen,
Dieter Heitkamp Die HfMDK hat mit dem Hessischen Minis-
sowohl bei Studierenden, Absolventen und Lehrenden als auch
terium für Wissenschaft und Kunst die Abmachung getroffen,
bei der Hochschulleitung.
dass bis zum Jahr 2020 aus jedem unserer drei Fachbereiche
Ingo Diehl Wesentlich ist dabei, dass die genannten Personen-
mindestens ein Studiengang akkreditiert sein soll. Im Ausbil-
gruppen unabhängig voneinander befragt werden. Damit will die
dungsbereich Tanz haben wir uns entschieden, eine Cluster-
Kommission beispielsweise feststellen, ob unsere Studiengänge
akkreditierung vorzunehmen, also eine Akkreditierung gleich
auf Ebene der Hochschulleitung gleich gut sichtbar sind, wie wir
beider Tanz-Studiengänge zusammen. Dem vorausgegangen
es in unserem Selbstbericht beschrieben haben. Nehmen die
ist, dass wir bereits im Jahr 2012 unsere beiden Studiengänge
Studierenden dies so wahr, und beschreiben die Lehrenden das,
komplett überarbeitet haben. Wir waren ja 2007 auch die Ersten
was in unserem Bericht steht? Es geht also darum sich zu ver-
an der Hochschule, die den Bologna-Prozess umgesetzt und von
gewissern, ob die Studiengänge und ihre Ziele auf allen Ebenen
Diplom auf Bachelor bzw. Master umgestellt haben. Nicht zuletzt
der Hochschule gleich verstanden werden. Im besten Sinne
durch das Jubiläum der Tanzabteilung und das zehnjährige
funktioniert diese Vergewisserung als Feedback auf das System,
Bestehen des MA CoDE haben wir viel aus der Arbeit der ver-
durch das man schauen kann, wie man die Sparte in der Hoch-
gangenen Jahre schriftlich dokumentiert, auf das wir jetzt
schule besser vertreten muss, damit deutlich wird, welche Arbeit
zurückgreifen konnten.
bei uns im Tanz geleistet wird. All dies sind Fragen, mit denen wir unsere Arbeitsprozesse optimieren können und sollen.
Was war Ihr Impuls, mit der Akkreditierung auf Hochschulebene Vorreiter zu sein?
Hat sich die Tanzabteilung mit einem speziellen Programm auf den Gutachter-Besuch vorbereitet?
Ingo Diehl Wir haben es als praktikabel empfunden, sofort in diesen Prozess einzusteigen und nicht zu warten, bis er uns
Susanne Triebel Wir veranstalten an diesem Tag keinerlei Prä-
irgendwann „trifft“. Wir wollen aktiv mitgestalten und haben die
sentations-Programm – der Studienbetrieb läuft wie gewohnt, und
Studiengänge in den letzten Jahren entsprechend aufgestellt.
wenn die Gutachter einen oder mehrere Unterrichte möchten,
Darin sehen wir auch unsere Rolle innerhalb der Hochschule.
ist dies jederzeit möglich. Erklären Sie, wie Ihre „Selbstdokumentation“ vonstattengegangen ist! Susanne Triebel
Ingo Diehl Zunächst haben wir uns Selbstberichte von anderen Studiengängen angeschaut, um uns ein Bild davon zu machen, welche Fragen zu beantworten sind. Dabei merkten wir schnell, dass dieses Vorgehen so nicht zielführend ist, weil Fragestellungen nicht eins zu eins übertragbar waren. Die Verhältnismäßigkeit zwischen Hochschule, Ausbildungsbereich und Studiengang erschien uns in unserem ersten Entwurf nicht kohärent. Im Kontakt mit unserer Agentur und durch die Begleitung eines externen Experten wurde uns dann klar, auf welche Fragestellungen es bei uns ankommt. Insofern haben wir diesen Prozess eigentlich doppelt durchlaufen, dadurch aber auch tiefer und intensiver.
13
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
Sina-Mareen Retolaza Wir haben im Sommer 2015 angefangen,
Ingo Diehl Bologna und der damit verbundene Akkreditierungs-
die Selbstdokumentation nach der ersten von uns festgelegten
prozess machen uns keine Vorgaben, was wir im Studium
Struktur zu formulieren. Als Stoffsammlung nützte uns dies sehr,
inhaltlich tun sollen. In der Selbstbewertung beschreiben wir
jedoch merkten wir, dass wir statt der eher objektiven, beschrei-
vielmehr, wie wir die Dinge tun. Und die Herausforderung ist,
benden Ausführungen eine tatsächliche Selbstbewertung vor-
es wirklich genau zu beschreiben, was wir tun und warum wir
nehmen müssen. Die Riesenmenge an Informationen, die wir
es in dieser Weise tun. Diese Form von Reflexion rechtfertigt
zusammengetragen hatten, haben wir dann mit Hilfe des Leit-
schließlich die Akkreditierung. Nützlich erschien uns übrigens,
fadens unserer Agentur neu sortiert und geschärft.
dass uns der Akkreditierungsprozess andere Fragen gestellt hat,
Susanne Triebel Die Puzzlearbeit begann, als wir die Textbeiträge
als wir sie uns im Aufbau unserer Studiengänge bislang gestellt
von BAtanz, MA CoDE und der Hochschule nebeneinanderstellten
haben. Am Ende ist entscheidend, ob das, was wir beschreiben,
und merkten, wo sich Unterschiede und Lücken auftaten und die
kohärent ist zu dem, wie wirklich ausgebildet wird.
neue Struktur das Instrument war, diese zu schließen.
Susanne Triebel Es wurde klar, dass „student centered learning“, der studierendenzentrierte Ansatz von Lernen, noch viel mehr in
Wie lauten die inhaltlichen Schwerpunkte einer Selbstbewertung?
den Vordergrund der Lehre rücken muss. Der Grad an Reflexion, Evaluation und Transparenz ist maßgeblich.
Sina-Mareen Retolaza Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Aspekt der Weiterentwicklung: Inwiefern und auf welcher
Wie relevant ist in der Selbstbewertung die Einbindung
Grundlage wurden die Studiengänge seit Einrichtung bzw. seit
in das Gesamtsystem Hochschule?
vorangegangener Akkreditierung weiterentwickelt? Dabei muss deutlich werden, wie das Feedback von Studierenden und
Dieter Heitkamp Sehr sogar: Jeder Selbstbericht enthält einen
Absolventen eingeholt wird und einfließt. Mein Eindruck ist, dass
Teil, der die gesamte Hochschule und ihr Selbstverständnis als
hier im Tanz schon sehr breit und genau dokumentiert wird.
Ausbildungsinstitut beschreibt. Diesen hat unsere Arbeitsgruppe
Bemerkenswert finde ich beispielsweise, dass der Werdegang
nun in großen Anteilen auch für nachfolgende Akkreditierungs-
der Absolventen konsequent verfolgt wird – das passiert meines
verfahren erstellt; er wird natürlich weiter verfeinert und immer
Erachtens noch nicht flächendeckend, ist aber erforderlich.
wieder fachspezifisch ergänzt werden. Sina-Mareen Retolaza Der begonnene Akkreditierungsprozess hat übrigens den „positiven“ Druck erzeugt, diverse Rahmen-
Sina-Mareen Retolaza
und Grundsatzdokumente, die für die Gesamtheit der Hochschule gültig sind, zu entwickeln und zu verabschieden – zum Beispiel die Allgemeinen Bestimmungen für Bachelor- und Masterstudiengänge oder die neue Eignungsprüfungsordnung. An beiden Satzungen haben wir sowieso bereits gearbeitet, doch die bevorstehende Akkreditierung hat schließlich den Zeithorizont vorgegeben. Ingo Diehl Als positives Ergebnis bleibt in jedem Fall, dass diese Selbstbewertung ein Gemeinschaftsprozess ist, und zwar nicht nur innerhalb der Abteilung, sondern auch mit der Hochschulleitung und den verschiedenen Gruppen, die befragt werden. Dies offenbart die Notwendigkeit in den Studiengängen, eine gute Kommunikation in die Hochschule hinein zu fördern. Es ist eben nicht so, dass ich meinen Masterstudiengang leite, wie ich gerade Lust darauf habe. Das transparente Kommunizieren dessen, was wir tun, in alle Bereiche der Hochschule hinein, ist das große Plus – aber auch sehr aufwändig.
14
EIN FÜLLHORN SEIT 2007
Mit rund 300 Mitgliedern fördert die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main e. V. die Studierenden der HfMDK und sorgt für exzellente Ausbildungsbedingungen.
Seit ihrer Gründung haben die Freunde der Hochschule über 1,8 Millionen Euro an Fördermitteln bereitgestellt. Sie finanzieren Deutschlandstipendien, Gastprofessuren und Meisterkurse, seltene Instrumente, Opern- und Regieprojekte, Spitzenschuhe, Publikationen, neue Saiten und vieles mehr!
Helfen Sie mit! Um die Ausbildung junger Musiker, Tänzer, Sänger und Schauspieler nachhaltig zu unterstützen.
Mehr Informationen zum Fördern und zur Mitgliedschaft finden Sie hier: www.hfmdk-freunde.de
Spendenkonto: Deutsche Bank Frankfurt IBAN: DE68500700240806507000 BIC: DEUTDEDBFRA
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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
Britta Schönbrunn, Master Contemporary Dance Education MA CoDE
FRAGEN AN STUDIERENDE
Elias Schomers, ehem. BA Künstl. Instrumentalausbildung Violoncello, BA Komposition
Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? The MA CoDE is a full time study of four semesters. It demands a strong commitment to the given curriculum and schedule and to the group of students. Therefore, there is very little space and time to create or make other choices during the education. Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz? The study is built around varying dynamics of exchange within individual and group processes. The schedule is very dense. It shifts
Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl-
between theory, practice and preparatory work, which includes
und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume?
traveling and collaborations with other international programs.
Das Wahlmodul mit 28 zu erwerbenden Credits stellt einen
By offering strong networks to different places, formats and
nicht unerheblichen Teil des Studiums dar. Durch zusätzliche
institutions, it aims to support each individual on its way. It gives
Projekte wie Kammermusik oder andere Ensemblearbeit fiel es
an inside into how institutions work and it prepares one to structure
mir leicht, diesen Bereich abzudecken. Darüber hinaus war es
and organize their approaches towards education, pedagogy,
mir dadurch möglich, einen Schwerpunkt auf kompositorische
communication and research. In addition, the colloquiums give
Arbeit und Neue Musik zu legen und mich gut auf mein
the opportunity to express and initiate impulses of change
künftiges Hauptfach Komposition vorzubereiten.
according to the students' needs and desires. Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den
des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobi-
Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?
lität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz?
The program offers a huge amount of content and tools to
Ich kann mir vorstellen, dass ein Studienortswechsel sehr
experiment within and encourages one to be bold enough to
vereinfacht würde. Auch im Hinblick auf mein bevorstehendes
do the work one wants to do.
Zweitstudium kann ich dadurch vieles schon im Voraus abhaken, was mir den Einstieg natürlich erleichtern wird. Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den Berufseinstieg/-alltag vorbereitet? Im Endeffekt kann es einem niemand abnehmen, selbst handfeste Erfahrungen zu machen. Es gibt jedoch sehr sinnvolle Veranstaltungen wie die Berufsfeldorientierung, die einem einen Überblick verschaffen können. Generell sind aber Praktika, Festival- und Studentenorchester oder ähnliches, zumindest wenn man später ins Orchester will, nicht zu ersetzen.
16
MIT EHRLICHEM BLICK AUFS EIGENE TUN
Sina-Mareen Retolaza Natürlich stellt der Akkreditierungsprozess eine Arbeitsbelastung dar, die man nicht unterschätzen darf. Bei allem Aufwand haben wir jedoch überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Entscheidend finde ich, dass solch ein Anstoß „von außen“ eine neue Perspektive in unsere Arbeit bringt. Im Ausbildungsbereich Tanz nehme ich zudem eine intrinsische Motivation wahr, sich selbst permanent zu hinterMuss es denn – provokant gefragt – den Klavierprofessor
fragen und zu erneuern. So, wie die Gesellschaft ständig im
im Fachbereich 1 interessieren, was Sie in der Tanzabteilung
Wandel begriffen ist, sollte sich auch eine Hochschule immer
im Fachbereich 3 lehren?
wieder reflektieren und wenn nötig verändern. Eine zehn Jahre alte Prüfungsordnung ist unter Umständen nicht mehr zeit-
Ingo Diehl Ich beantworte es anders herum: Es wäre gut, wenn
gemäß.
es den Klavierprofessor interessiert, wie sein Klavierstudium in der gesamten Hochschule wahrgenommen wird und wie weit die
Sieht das kommende Wintersemester in der Tanzabteilung
dort von ihm vermittelten Inhalte mit der Gesamtkonzeption der
inhaltlich nun anders aus als im Vorjahr?
Hochschule zusammengehen. Das bedeutet, dass ich mich weder als Tanz- noch als Klavierprofessor auf meine fachliche Insel
Ingo Diehl Nein – das ist nicht Ziel einer Akkreditierung. Wir
zurückziehen kann, sondern dass ich im Gesamtkontext einer
befinden uns in einem Prozess, in dem es darum geht, die Studien-
Institution arbeite und damit auch gemeinschaftlich mit anderen
gänge ständig weiterzuentwickeln und zu schauen, wie man diese
eine stärkere Kraft entwickeln kann. Aus einem solchen gemein-
Weiterentwicklung ins System einschreiben kann. Die ohnehin
schaftlichen Prozess ist ja auch das Leitbild der Hochschule ent-
laufenden Veränderungsprozesse werden durch die Akkreditierung
standen, welches uns sehr in der Argumentation geholfen hat.
bestenfalls genauer und detaillierter.
Haben Sie es nicht mehr als Last denn als Lust empfunden,
Wie hat sich das Miteinander von Experten verschiedener
sich als international anerkannte Ausbildungsinstitution grund-
Prägung – die einen sind die Fachleute im Tanz, die anderen in
sätzliche Fragen nach der eigenen Legitimation und Qualifikation
Fragen von Bologna und Qualitätsmanagement – im Arbeits-
stellen zu müssen?
kreis offenbart?
Susanne Triebel Meiner Überzeugung nach muss sich jede
Ingo Diehl Das Zusammenführen unterschiedlicher Kompetenz-
Ausbildung grundsätzlich immer wieder hinterfragen, ob sie noch
bereiche haben wir als sehr fruchtbar empfunden. Zu erleben,
leistet, was sie vorgibt zu leisten. Deshalb empfinde ich diesen
dass da jemand ist, der andere Dinge weiß, die für meinen Prozess
Akkreditierungsprozess nicht als „übergestülpt“, sondern nehme
hilfreich sind – was für ein größeres Geschenk kann es denn
ihn als Chance wahr. Wir bekommen einen Fragenkatalog an die
geben? bjh
Hand, um die Relevanz und Aktualität unserer Ausbildung im Spannungsfeld von Studierenden, Dozenten, Hochschule und einer externen Fachkommission zu überprüfen. 17
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
Prof. Dr. Martin Ullrich ist Vorsitzender der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen und seit 2009 Präsident der Hochschule für Musik Nürnberg. Foto: Sören Balendat
EXZELLENT MIT BACHELOR Das hier abgedruckte Interview erschien am 6. Januar 2016 in der Zeitung „Der Tagesspiegel“, die uns diese Zweitveröffentlichung freundlicherweise gestattete.
Prof. Dr. Martin Ullrich, Vorsitzender der Musikhochschulrektorenkonferenz, seit 2009 Präsident der Hochschule für Musik Nürnberg und Alumnus der HfMDK, spricht im Interview über positive Folgen der Bologna-Reform, Studiengebühren – und wie Musikhochschulen Flüchtlingen helfen. Von Tilmann Warnecke
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EXZELLENT MIT BACHELOR
Herr Ullrich, nichts bewegt derzeit so sehr wie die Flüchtlings-
Wie wirkt sich das auf das Kerngeschäft, die musikalische
frage. Auch viele Unis in Deutschland engagieren sich für
Ausbildung, aus?
Flüchtlinge. Was machen die Musikhochschulen?
Es gab Ängste, dass das Exzellenzniveau im künstlerischen
Aufgrund der langen Vorbereitungszeit für ein Musikstudium
Hauptfach sinken könnte. Aber das ist gar nicht der Fall: Die
werden die Musikhochschulen Flüchtlinge zunächst nicht in
jungen Geigerinnen, Pianisten, Sängerinnen werden immer
großer Zahl in ihre grundständigen Studiengänge aufnehmen
besser. Die alten Stärken sind also erhalten geblieben. Der Kern
können. Musik ist aber eine Weltsprache, sie hat keine Grenzen.
des Musikstudiums bleibt das intensive künstlerische Verhältnis
Wir können also in besonderer Weise zur Willkommenskultur
zwischen Studierenden und Lehrenden.
beitragen. Ich denke an Musikpatenschaften für unbegleitete Flüchtlingskinder, an Willkommenskonzerte. In Nürnberg haben wir bereits ein Konzertkonzept für Kinder und deren Familien
Gehört die Lehrerbildung Ihrer Meinung nach an Musikhochschulen? Manche klagen, sie existiere dort nur in einer Nische.
entwickelt, wo diese auch musizierend einbezogen werden
Ich habe ein sehr großes Herz für die Lehrerbildung, denn der
können.
Musikunterricht in der Schule legt den Grundstein für eine breite
Wie kann man sich das vorstellen?
Beschäftigung mit Musik. Gerade die gymnasiale Schulmusik gehört daher an die Musikhochschulen. An den Massenuniversi-
Die Grenze zwischen den Zuhörern und den Musikern wird auf-
täten hat die Musik oft einen schweren Stand, weil dort nicht
gelöst – sei es durch Bodypercussion, Mitsingen oder das Spielen
recht einsehbar ist, warum man sich die intensive Einzelbetreuung
von Instrumenten. Die besondere Herausforderung ist es, das
leisten soll. Und durch den Trend zur Ganztagsschule entwickelt
Publikum nonverbal zum Mitmachen zu bewegen. Ich bin zuver-
sich viel in der Schulmusik. Es gibt die Möglichkeit, außerschulische
sichtlich, dass wir das hinbekommen.
Angebote mit dem schulischen Musikunterricht zu verzahnen.
Prinzipiell sehen sich die Musikhochschulen in Deutschland gerne
Die Arbeitswelt ändert sich auch für Musiker. Spielt das für
als elitäre Einrichtungen. Im Mittelpunkt steht der virtuose Künstler.
die Lehre eine Rolle?
Sie sind Vorsitzender der Musikhochschulrektorenkonferenz – und haben selber vor der Gefahr gewarnt, die Einrichtungen würden zu sehr in einem Elfenbeinturm gesehen. Wie meinen Sie das?
Tatsächlich werden Festanstellungen im Orchesterbereich weniger. Der Festivalbereich explodiert dafür. Von den Absolventinnen und Absolventen ist viel mehr Selbstständigkeit gefragt als früher. Sie
Ich habe ein Imageproblem gesehen. Es ist zum Beispiel nur
müssen sich nicht nur selbst vermarkten, sondern neue drama-
wenigen bewusst, dass wir die Studienreform positiv und frucht-
turgische Konzepte für Konzerte und Aufführungen im Grenzbereich
bar nutzen konnten – anders als vielleicht andere Hochschultypen.
von Musik, Schauspiel und bildender Kunst finden. Darauf be-
Sicher hat uns dabei auch geholfen, dass wir die Regelstudien-
reiten unsere neuen Studiengänge viel besser vor als die alten,
zeit für Bachelor und Master zusammengenommen nicht in das
die ausschließlich auf die Kernkompetenz der künstlerischen
übliche zehnsemestrige Korsett zwängen müssen.
Exzellenz zugeschnitten waren.
Die Musikhochschulen haben sich wie die Kunsthochschulen
Musikhochschulen sind sehr international, für viele Musikstudierende
allerdings anfangs heftig gegen die neuen Abschlüsse gewehrt.
gilt Deutschland als Traumziel. Zuletzt hat der Rechnungshof in
Es ist richtig, dass es am Anfang Misstrauen gab. Inzwischen haben wir uns den Anforderungen des späteren Berufsalltags aber in ganz neuem Umfang geöffnet. Überfachliche Kompetenzen wurden gestärkt, Schlüsselqualifikationen sind in die Studiengänge implementiert worden. Es gibt neue Studiengänge, die vorher gar nicht denkbar waren, wie Popmusikdesign. Wissenschaftliche, künstlerische und pädagogische Schwerpunkte
Baden-Württemberg das im Jahr 2013 aber nicht als Ausweis künstlerischer Exzellenz gesehen, sondern als finanzielle Last kritisiert. Es sei nicht nachvollziehbar, weswegen das Land unentgeltlich Kapazitäten für Studierende vorhalte, die nach ihrem Abschluss Deutschland wieder verlassen. Die Hochschulen sollten lieber Gebühren von Nicht-EU-Ausländern erheben und insgesamt Geld sparen. Können Sie die Kritik nachvollziehen?
werden inzwischen ganz neu verknüpft. 19
Den Musikhochschulen zu viele internationale Studierende vorzuhalten, halte ich für einen merkwürdigen Zungenschlag. Letztlich sind Kürzungen in Baden-Württemberg auch abgewendet worden, die Musikhochschulen in Baden-Württemberg bekommen jetzt mehr Geld. Ich wäre aber durchaus offen, von internationalen Studierenden Gebühren zu verlangen, wie es etwa die Hochschule für Musik in Leipzig seit einiger Zeit macht. Die Leipziger nehmen 3600 Euro im Jahr. In den meisten Bundesländern ist das hochschulrechtlich aber gar nicht möglich. Die Politik sollte uns hier zunächst mal Bewegungsfreiheit geben. Ich will nicht missverstanden werden: Für legitim halte ich zum Beispiel die 300 Euro pro Semester, die alle Studierenden in Bayern bis vor Kurzem zahlen mussten. Grundsätzlich kämpfe ich glühend für öffentlich getragene Hochschulen und Kulturinstitutionen. Denken Sie an die mutigen, riskanten Projekte, die mit staatlicher Förderung ermöglicht werden. Die können zwar scheitern – aber auch großartig gelingen. Sie erforschen die Auswirkungen der Digitalisierung von Musik. Was treibt Sie da um? Viele Menschen haben erwartet, dass das Live-Konzert verschwindet und Musikaufnahmen immer wichtiger werden, weil die Distributionsmöglichkeiten durch die Digitalisierung immer besser werden. Passiert ist genau das Gegenteil. Durch die Inflationierung von Aufnahmen drohen diese zum Gimmick zu verkommen. Dagegen gewinnen Konzerte immer mehr an Bedeutung, man kann von einer Re-Auratisierung der LiveSituation im digitalen Zeitalter sprechen. Dieses Paradoxon, dass durch die große Verfügbarkeit von Klangaufnahmen das NichtReproduzierbare wichtiger wird, fasziniert mich sehr. Apropos Live-Konzerte: Sie waren lange in Berlin an der UdK. Seit 2009 sind Sie Präsident der Hochschule für Musik Nürnberg. Vermissen Sie das kulturelle Angebot Berlins? Natürlich ist das Angebot in Berlin viel größer. Aber unterschätzen Sie mir Nürnberg nicht. Das Staatstheater hat
Musikerleben 20
www.session.de
Hanauer Landstraße 338 | Frankfurt am Main
beispielsweise eine tolle künstlerische Entwicklung genommen. Ich habe hier eine „Götterdämmerung“ gesehen – die war wirklich fulminant!
DREI FRAGEN AN STUDIERENDE
FRAGEN AN STUDIERENDE Caroline Rohde, Blockflöte IP Master
Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz? Mobilität: Selber habe ich im Bachelor den Studienort gewechselt, und es war für mich kein Problem. Aber natürlich kann es zu Problemen kommen: Die „Basics“, z. B. Theorie, Musikwissenschaften etc., sind in allen Studiengängen gleich. Denkt man. So kann es sein, dass in den „Basics“ Schwerpunkte gesetzt werden, sodass dann doch einige Kurse nachgeholt werden müssen. Neben den „Basics“ setzt jede Hochschule zusätzliche Schwerpunkte, um dem Studiengang ein spezifisches Profil zu geben. Diese variieren von Hochschule zu Hochschule. Dann Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl-
kann es sein, dass man erneut oder noch mehr Kurse nachholen
und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume?
muss. Jedoch darf man nicht außer Acht lassen, dass vermeint-
Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten: Wenn man sich für den
lich zu viel erbrachte Studienleistungen auf kreative Art irgendwo
IP Master entscheidet, ist klar, dass man einige Kurse – vor allem
angerechnet werden können. Transparenz: Es ist immer klar,
im pädagogischen Bereich – belegen muss. Vorteilhaft ist, dass
welche Kurse belegt werden müssen. Wenn man der „Vorreiter-
es ein großes Angebot an Kursen gibt, sodass es meist möglich
jahrgang“ ist, kann es manchmal etwas holprig werden: Die
ist, die passenden Kurse zu finden. Wenn jedoch alle Kurse eines
Modulbeschreibungen passen z. B. zu keiner Veranstaltungs-
Moduls auf einem Tag liegen und man an diesem Tag Geld für
beschreibung. Also schaut man, was so ungefähr passen könnte
sein Studium verdienen muss, hat man Pech gehabt. Zeitliche
und was einen am meisten interessiert – dadurch besteht
Freiräume: Die meisten, die sich für den IP Master entscheiden,
natürlich die Möglichkeit, seine eigenen Schwerpunkte zu legen.
arbeiten bereits an der Musikschule. Auch ich mache das. Zum
In einigen Fällen kommt es vor, dass es das Fach noch nicht
Arbeiten kommen noch Kurse und Unterrichte an der Hochschule
gibt – geschweige denn einen Dozenten. Schade, dass man
sowie Kammermusikproben und -unterrichte. Irgendwann möchte
sich nicht ein Semester vorher darum kümmert (Erfahrungen
man auch gerne üben, jedoch stellt man sich oft die Frage: Wann
aus zwei Hochschulen).
kann ich üben? Soll ich das bisschen Zeit doch lieber als Freizeit nutzen, bevor ich ins Bett falle? Zumindest hat sich das letzte
Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den
Semester so angefühlt …
Berufseinstieg/-alltag vorbereitet? Bis jetzt immer. Aber trotzdem: Die eigenen Schüler sind gute Lehrer, denn diese begleitende praktische Erfahrung und die Besprechung mit Dozenten hierüber sind durch keine theoretische Erläuterung vollends darstellbar.
21
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
Sabne Rosenberger vom Prüfungsamt und Friederike Kreft vom International Office erleben täglich die durch Bologna gestiegenen bürokratischen Anforderungen.
VOM SEGEN UND FLUCH DER BÜROKRATIE Abbildbarkeit und Transparenz lauten zwei zentrale Forderungen in der bürokratischen Umsetzung der Bologna-Ziele. Der Weg dorthin erweist sich nicht nur für Studierende als beschwerlich und umständlich – auch im Prüfungsamt und im International Office der Hochschule hat Bologna eine Zeitenwende eingeläutet – der Aufwand ist enorm gestiegen.
22
VOM SEGEN UND FLUCH DER BÜROKRATIE
Segen und Fluch liegen in der Bachelor/Master-Bürokratie
Künstlerischen Ausbildung nur die Hauptfachnote sowie die
recht nah beieinander: Das Prinzip, dass jede Studienleistung
Gesamtnote aus. Heute überreicht die Hochschule eine Bachelor-
darstellbar ist, macht eine kontinuierliche Dokumentation
urkunde und ein Bachelorzeugnis mit der Gesamtnote sowie ein
unumgänglich. 240 Credit Points umfasst beispielsweise ein
„Transcript of Records“, das alle Modul- und Studienleistungen
Bachelor-Studium in Künstlerischer Instrumentalausbildung,
auflistet, damit die Absolventen für den Fall eines weiteren
jeder Punkt beinhaltet 30 Arbeitsstunden, sei es als Präsenzzeit,
Studiums oder Studienortwechels vorweisen können, wie genau
sei es in Form des Selbststudiums. „Unsere Studierenden erlebe
ihr abgeschlossenes Studium konzipiert war. Für ein bürokratisch
ich im Geiste sehr auf das Sammeln von Credit Points fixiert“,
gut verwaltbares Handling erwartet das Studierendensekretariat
schildert Sabine Rosenberger als Verantwortliche im Prüfungs-
der Hochschule in naher Zukunft ein noch nicht installiertes
amt ihre Wahrnehmung im Vergleich zu „früher“, also der Zeit,
Campus-Management-System, also ein IT-System, das der
als die Studierenden noch auf ihr Diplom zustrebten und bei
Abbildung von Geschäftsprozessen im Bereich des studentischen
weitem nicht im heutigen Umfang Unterschriften von Lehrenden
Lebenszyklus dient, das eine Studienordnung und deren studenten-
vorlegen mussten, um sich zur Prüfung anzumelden. „Die stu-
spezifische Umsetzung abzubilden in der Lage ist. Eine Excel-
dentische Mentalität ist heute, mehr denn je zu fragen: Was
Darstellung dient momentan noch als Provisorium. Die minutiöse
kriege ich für diese und jene Studienleistung?“, schildert die
Dokumentation mit Hilfe der Software bringt es mit sich, dass
Verwaltungsmitarbeiterin; „das habe ich vor Bologna so nicht
Sabine Rosenberger für die Anmeldung zu jeder Teil-Prüfung
erlebt.“ Wer sich früher zu einer künstlerisch-instrumentalen
jedes Studierenden dessen Daten eintragen und überprüfen
Hauptfachprüfung seines Diploms anmelden wollte, musste das
muss – in der Regel zwölf Minuten pro Kandidat.
Studienbuch einreichen nebst Prüfungsprogramm und einer Auflistung der im Studium wesentlich erarbeiteten Werke. Wer
MEHR ALS NUR EIN ZAHLENSPIEL
sich heute zum Bachelor anmeldet, muss vorzeigen, dass er das
Die zweite „große Baustelle“, die die Verwaltung mit der Modu-
Modul, in dem er Prüfung machen will, komplett absolviert hat.
larisierung der Studiengänge schultern musste, war die Frage
Das Modul „Künstlerische Hauptfächer“ beispielsweise besteht
der Anrechenbarkeit von Studienleistungen aus oder für andere
aktuell aus den Teilbereichen Hauptfach, Orchesterstudien,
Hochschulen, also die Gewährleistung der mit Bologna garan-
Korrepetition/Vorspielpraxis, Kammermusik, Orchester und
tierten Mobilität von Hochschule zu Hochschule. Das frühere
Bachelorarbeit. Für alles müssen die Studierenden die Unter-
„Pi mal Daumen-Prinzip“ zu klären, welche Studienleistungen ein
schriften der Lehrenden vom ersten bis siebten Semester
Student an einer anderen Institution bereits erbracht hat und
lückenlos vorlegen. Das kann zu einem stressigen Unterfangen
damit als „absolviert“ mitbringt, gehört mit Bologna endgültig der
werden, vor allem dann, wenn Studierende nicht kontinuierlichen
Vergangenheit an. Über ein Jahr tagte eine Arbeitsgruppe der
Sammeleifer praktiziert haben. Die schriftliche Bachelorarbeit
Hochschule, um bei der Anrechenbarkeit faire und übertragbare
bedeutet übrigens ein zusätzliches Plus an Aufwand im Prüfungs-
Maßstäbe aufzustellen. Wer aus einer anerkannten Hochschule
apparat im Vergleich zur Zeit vor Bologna: Wer früher „Künstle-
aus dem Ausland beispielsweise nach drei Semestern zur HfMDK
rische Ausbildung“ auf Diplom studierte, hatte keinerlei Abschluss-
wechselt, setzt sein Studium heute in der Regel mit dem vierten
arbeit vorzulegen. Allein im vergangenen Sommersemester
Semester fort – früher waren Rückeinstufungen nicht unüblich,
musste das Prüfungsamt 45 Bachelor- und Masterarbeiten
vor allem, um den Studierenden mehr Zeit zu geben, sich zu
zulassen, registrieren, an Erst- und Zweitgutachter schicken und
akklimatisieren. Heute ist schon die Finanzautonomie der Hoch-
deren Bewertung entgegennehmen und weiterreichen.
schulen ein Garant dafür, dass die Regelstudienzeit eines jeden Studierenden so weit wie möglich und vertretbar eingehalten
In der System-Software des Prüfungsamtes müssen alle Leis-
wird. Um fair zu beurteilen, welche genauen Studienleistungen
tungen dezidiert abgebildet und damit nachweislich verfügbar
bereits abgeleistet worden sind, sind Rückfragen des Prüfungs-
sein. Früher reichte zur Prüfungsanmeldung ein sorgfältiger Blick
amts unumgänglich. Sabine Rosenberger: „Es geht dabei oft um
ins Studienbuch, heute müssen Excel-Listen datenkomplettiert
fachliche Fragen, die sich nur im Gespräch mit den Lehrenden
vorhanden sein. Früher erlangten die Studierenden ein Diplom
des entsprechenden Faches klären lassen – sei es Hörschulung,
mit Zeugnis und Urkunde. Das Zeugnis wies zum Beispiel in der
Musikwissenschaft oder Musiktheorie.“ Derlei Entscheidungen 23
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
SEMESTER 8
CREDITS 240
MODUL I Künstlerische Hauptfächer
164
Hauptfach (inkl. Nebeninstrument) Orchesterstudien Korrepetition / Vorspielpraxis Kammermusik Orchester Bachelorarbeit
114 12 8 12 12 6
MODUL II Pädagogikfächer
KÜNSTLERISCHE INSTRUMENTALAUSBILDUNG (KIA) STUDIENVERLAUFSPLAN KÜNSTLERISCHES PROFIL Streicher, Bläser, Harfe, Schlagzeug
14
Didaktik des Hauptfachs 4 Unterrichtsmethodik / Hospitation / Lehrversuche 4 Instrumentalpädagogik 3 Vermittlung / Konzertpädagogik 1 Berufsfeldorientierung 2 MODUL III Praxisfächer
8
Klavier / Gesang / Sonstige Instrumente 5 Bewegungslehre 2 Chor 1 MODUL IV Theoriefächer
26
Musiktheorie 8 Seminar Neue Kompositionstechniken 2 Hörschulung 4 Musikwissenschaft 8 Geschichte / Literaturkunde / Stilistik des Hauptfaches 4
24
MODUL V Wahlkatalog
28
Hautpfachvertiefung Probespieltraining Kammermusik (Gruppenunterricht) Ensemble Neue Musik Orchester Duo Didaktik / Instrumentalpädagogik / Hospitation Unterrichtspraxis Elementare Musikpädagogik Vermittlung und Konzertpädagogik Berufsfeldorientierung Klavier / Gesang (Einzel-/Gruppenunterricht) Zweitinstrument (Einzel-/Gruppenunterricht) Bewegungslehre Ensembleleitung Improvisation Studiotechnik Chor Hörschulung Musiktheorie Musikwissenschaft Projekt (Joker) Instrumentenkunde / Instrumentation Italienisch Hauptfachinstrument historisch Wettbewerbsprojekt
VOM SEGEN UND FLUCH DER BÜROKRATIE
müssen aber nicht nur bei internationalen Studienortwechseln
stimmen. Heute füttern Erasmus-Koordinatoren ein Online-
getroffen werden: Schon von einer zur anderen deutschen
Tool: von der Finanzverwaltung der Erasmus-Aktivitäten
Hochschule müssen Studierendensekretariate mit einer genauen
über online auszufüllende Fragebögen der Studierenden bis hin
Bestandsaufnahme eruieren, welche Credits ein Wechsler bereits
zu ausführlichen Abschlussberichten, in denen zu Zielen, Ergeb-
mitbringt und welche er an seinem neuen Studienort noch ab-
nissen, Strategien und den Ergebnissen der Studierendenbefra-
leisten muss. Denn jede Hochschule ist autonom, die 240 Credits
gungen Stellung genommen werden muss. All das haben allein
pro Bachelor-Studium so in der Studienordnung festzulegen, wie
in Deutschland 350 Hochschulen minutiös zu leisten, europa-
es ihrem Profil und fachlichen Überzeugung entspricht. Ein rein
weit mehrere tausend. Friederike Kreft resümiert: „Ich finde, dass
quantitatives Nachzählen schon erworbener Credit Points reicht
das International Office einer Hochschule mehr sein sollte als
dabei in der Regel nicht aus. Die mit Bologna geforderte Ver-
der Administrator von Finanzflüssen und Erasmus-Protokollen –
gleichbarkeit hinkt damit der Realität der hochschulspezifischen
ich bin eben sehr mit Verwalten beschäftigt.“ Der Verwaltungs-
Modulgestaltung hinterher.
aufwand nimmt auch hier ob seiner Kleinteiligkeit und Detailausprägung viel Zeit in Anspruch, die dann für umfassendere
TRANSPARENZ UND KONTROLLE
Internationalisierungsaktivitäten fehlt.
Auch im International Office der Hochschule entsteht für Friederike Kreft täglich der Eindruck, dass die Kunsthochschulen
Das intensive Mahlen der bürokratischen Mühle hat zur Folge,
die Quadratur des Kreises bewerkstelligen müssen, wenn sie sich
dass für Studierende deutlicher denn je durchschaubar wird, was
in Bologna-Strukturen einfügen und damit in etwas, was ihrer
sie einerseits im Studium zu leisten haben und was ihnen das
inhaltlichen Natur, künstlerische Reifeprozesse zu fördern, oft
Studium andererseits bieten kann. Um diese Transparenz nutzbar
wesentlich zuwiderläuft. Auch im System von „Erasmus +“, des
zu machen, ist der Beratungsaufwand seit Bologna deutlicher
weltweit größten Förderprogramms der Europäischen Union für
angestiegen, als es äußerlich scheint – so sehr, dass im Prüfungs-
Auslandsaufenthalte an Universitäten und Hochschulen, haben
amt der HfMDK nun eine weitere Bürokraft eingesetzt wird, die
mit Bologna die Kontrolle von Abläufen und Ergebnissen und
im Stellenumfang von 75 Prozent Sabine Rosenberger entlasten
damit die Bürokratisierung erheblich zugenommen. Als Erasmus-
wird, damit sie dem Beratungsbedarf nachkommen kann. Für
Koordinatorin der HfMDK wird sie vom System mehr denn je
fachspezifische Fragen des Studiums haben die Fachbereiche
„überwacht“ – durchaus im Dienste der Transparenz und Verläss-
sogenannte Modulbeauftragte eingesetzt, also Lehrende, die Stu-
lichkeit des Programms für deren Nutzer, also die Studierenden.
dierende in der inhaltlichen Ausrichtung ihres Studiums beraten
Das von Erasmus formulierte Ideal der Austauschbarkeit von
sollen. Auf deren dauerhaftes Engagement ist das Prüfungsamt
Studienorten ohne inhaltliche Divergenzen scheint dabei häufig
angewiesen, um den Informationsbedarf der Studierenden
von der alltäglichen Realität konterkariert zu werden.
decken zu können.
Selbst vor einem Auslandssemester festzulegende „Learning
Bei aller Mühe, die besagte Mühle jeden Tag weiterzudrehen,
agreements“ können diesem Faktum nur bedingt Einhalt gebieten:
sind sich sowohl Friederike Kreft als auch Sabine Rosenberger
Dafür müsste der Studierende genau wissen, was ihm in der
darin einig: Das System offenbart reale Chancen, auf diese Art
Gastuni an Lehrangebot erwartet. Wer im Ausland für die reine
Studien- und Programminhalte langfristig studentenorientiert
Präsenz in einem Seminar Credit Points bekommt, könne sich, so
weiter zu optimieren. bjh
Friederike Kreft, einer hiesigen Anerkennung dieser Punkte nicht sicher sein, wenn an der Heimathochschule in einem thematisch vergleichbaren Seminar eine Klausur erforderlich sei. Früher genügte für den Abschlussbericht eines Erasmus-Jahres die relativ unkomplizierte Bilanzierung, wie viele „incomings“ und „outgoings“ es gegeben hat, was sie gemacht haben und welche Entwicklungen stattgefunden haben, zudem mussten die Bilanzen
25
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
Johann Lieberknecht, M.A., Bachelor Kirchenmusik
FRAGEN AN STUDIERENDE
Philippe Schwarz, Bachelor Posaune
Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? Durch die Modularisierung hat sich auch in der Kirchenmusik ein recht starres und unflexibles Studienprofil ergeben, das einem Veranstaltungspflichten in den verstreutesten Richtungen auferlegt. Gerade die nicht-praktischen Fächer beanspruchen viel Raum und Kapazität zuungunsten der künstlerischen Ausbildung als eigentlichem Kern des Studiums. Auch der Versuch, Arbeitsleistung in einem musikalisch-künstlerischen Studium mithilfe von abstrakten und vornormierten „workload“Einheiten oder Credit Points fassen zu wollen, geht an der Realität einer höchst individuellen Ausbildung völlig vorbei. Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen
Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl-
des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobi-
und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume?
lität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz?
Die Wahlmöglichkeiten sind an der HfMDK sehr groß – es
Ich halte es für eher ungünstig, ohne Not innerhalb eines
gibt meistens deutlich mehr Angebote, als ich bewältigen kann.
musikalischen Bachelor-Studiums die Hochschule zu wechseln,
Auch innerhalb der vorgeschriebenen Module hat man viele
da jedes Haus seine eigene Prägung hat und die Umstellung auf
Auswahlmöglichkeiten, das gefällt mir sehr gut. Lediglich die
andere Dozenten meiner Meinung nach mehr Vor- als Nachteile
vielen schriftlichen Ausarbeitungen sind meines Erachtens
bringt. Die angeblichen Vorteile von Bologna kommen im
für Musikstudierende zu viel.
Kirchenmusikstudium nicht zum Tragen, da hier die Ausbildungsrichtlinien auch von der jeweiligen Landeskirche und der Konfession abhängen und trotz Modularisierung noch sehr unterschiedlich aussehen. Was am Bachelor-System transparenter als beim Diplom sein soll, hat sich mir noch nicht erschlossen. Der bürokratische Aufwand ist außerdem vollkommen unverhältnismäßig. Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den Berufseinstieg/-alltag vorbereitet? Das Kirchenmusikstudium an der HfMDK ist inhaltlich gut auf die spätere Berufspraxis hin ausgerichtet; so werden etwa mehrere gemeindebezogene Praktika gefordert.
26
Musikhaus Werner Cleve Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz? Ich selbst habe die Hochschule noch nicht gewechselt, kenne aber Curricula von einigen anderen Hochschulen und auch Studierende, die gewechselt haben. Die Studieninhalte sind letztenendes doch wieder so unterschiedlich, dass eine Anrechnung nach wie vor größtenteils von der Kulanz des Prüfungsbüros abhängig ist.
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Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den Berufseinstieg/-alltag vorbereitet? Da mein Ziel eine Stelle im Orchester ist, hängt die Vorbereitung für Probespiele vor allem von meinem Hauptfachlehrer ab – in dieser Hinsicht bin ich optimal vorbereitet worden. Aber auch die „umgebenden“ Fächer haben mir horizonterweiternde Blicke in die Hintergründe der Musik und Körperwahrnehmung ermöglicht, wovon ich sicher im Beruf profitiere.
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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
ÜBEN BLEIBT DAS KERNGESCHÄFT Im Fachbereich 1 steht eine erste große inhaltliche Überarbeitung des Bachelor Künstlerische Instrumentalausbildung (KIA) seit der Einführung des Bachelor- und Mastersystems vor sechs Jahren an Zum Wintersemester 2010/11 startete der größte Fach-
Eine Steuergruppe hat sich an die Arbeit gemacht, den Bachelor
bereich mit modularisierten Studiengängen, nämlich denen der
Künstlerische Instrumentalausbildung (KIA) unter die Lupe zu
Künstlerischen Instrumentalausbildung, der Kirchenmusik
nehmen – warum?
und der Historischen Interpretationspraxis. Nach sechs Jahren Erfahrung mit den Bachelor- und Masterstudiengängen arbeiten
Prof. Christopher Brandt Zum einen hat sich im Bachelor KIA das
nun verschiedene Fachbereichsgremien an einer inhaltlichen
sogenannte Y-Modell nicht wirklich bewährt, nämlich die Möglich-
Optimierung. Hochschulpräsident Christopher Brandt, Gitarren-
keit, dass Studierende nach dem vierten Semester wählen können,
professor und Ausbildungsdirektor Instrumentalpädagogik,
sich im künstlerischen oder pädagogischen Profil einzuschreiben.
Christoph Schmidt, Professor für Kontrabass und zur Zeit der
Bemerkenswert finde ich, dass im Fach Klavier, in dem es im
Umstellung 2010 Dekan des Fachbereiches 1, und Anatol Riemer,
Berufsleben zwingend erforderlich sein wird, sich auch pädago-
Geschäftsführer des Fachbereiches, wagen im Interview ein
gisch zu betätigen, kein Studierender den pädagogischen Zweig
Zwischenfazit über Mühen und Lohn der Modularisierung und
studiert hat. Bei Gitarre, Flöte und Blockflöte hat das Y-Modell
ihrer Weiterentwicklung.
hingegen gut angesprochen. Zum anderen haben wir von Studierenden immer wieder die Rückmeldung erhalten, dass das Studium zu überladen ist. Wir wollen den Fokus nun wieder stärker auf die berufsqualifizierenden Inhalte richten. Schließlich werden wir versuchen, Fächer wie Theorie, Musikwissenschaft und Hörschulung mit den Angeboten im Hauptfach und der eigenen künstlerischen Selbstfindung passgenauer zu verzahnen. Unser Ziel ist insgesamt, das Hauptfach wieder aufzuwerten und der künstlerischen Freiheit wieder mehr Raum zu geben. Aus welchen Personen besteht die Steuergruppe und wie arbeitet sie? Anatol Riemer Sie besteht neben den beteiligten Ausbildungsdirektoren und der Geschäftsführung aus den Fachgruppensprechern, die den Arbeitsstand regelmäßig an die Fachvertreter weitertragen und deren Meinungen in die Arbeitsgruppe zurückspielen. Die Steuergruppe informiert zudem laufend den Fachbereichsrat, der gemäß Hochschulgesetz zunächst Studien- und
Im Uhrzeigersinn: Prof. Christopher Brandt, Prof. Christoph Schmidt, Anatol Riemer 28
Prüfungsordnungen erlässt, ehe sie dem Senat zur Stellungnahme vorgelegt werden. Wir hoffen, damit ein Modell gefunden zu
ÜBEN BLEIBT DAS KERNGESCHÄFT
haben, um möglichst viele am Überarbeitungsprozess teilhaben
in welchem Studienmodell ihnen dies ermöglicht wird, eher
zu lassen und trotzdem ein übersichtliches Gremium zur
zweitrangig. Was am Bachelor als sehr vorteilhaft empfunden
Steuerung des Prozesses zu bleiben.
wird, ist der Wahlbereich und damit die Möglichkeit, das Studium seinen individuellen Bedürfnissen anzupassen.
Herr Schmidt, wie haben Sie in Ihrer Zeit als Dekan im Jahr 2010 die Umstellung auf das Bologna-System erlebt?
Sind denn die Absolventen durch Bologna und dessen knapp bemessene Studienzeit wirklich früher auf dem Arbeitsmarkt?
Prof. Christoph Schmidt Ich empfand Bologna damals als große Chance, ein Studium wirklich transparent abzubilden. In
Prof. Christopher Brandt Das bezweifel ich: Die Tendenz, nach
den Konzeptionsgesprächen nahm die Frage einen großen Raum
einem Bachelor einen Master draufzusatteln, ist mittlerweile sehr
ein, welche Fächer verpflichtend sein sollen und welche Wahl-
ausgeprägt. Ich habe zumindest den subjektiven Eindruck, dass
möglichkeiten es gibt. Mein Bestreben war es, den Wert des
Studierende mit Bologna im Schnitt sogar noch länger studieren
Arbeitens am Instrument in der Gewichtung der Module hoch
als zu Diplomzeiten.
anzusetzen. Aus meiner Sicht sind die Studieninhalte noch zu sehr gestreut und lassen wenig Zeit für das handwerkliche Kern-
Ist es allgemeiner Konsens, dass die Beschäftigung mit dem
geschäft, also das Üben. Gegen manches habe ich mich damals
Instrument, also dem Hauptfach, der Nukleus eines künstlerischen
zur Wehr gesetzt: Als ein Praktikum in einer sozialen Einrichtung
Studiums bleibt?
für Musikstudierende verpflichtend verankert werden sollte, hab ich dies strikt abgelehnt. Insgesamt lässt sich aber nach sieben
Prof. Christopher Brandt Innerhalb des Fachbereiches auf jeden
Jahren Bologna bei uns eine sehr positive Bilanz ziehen.
Fall. Leider wird es außerhalb dessen jedoch von vielen immer
Anatol Riemer Die Umstellung brachte mit sich, dass erstmals
noch despektierlich betrachtet, dass sich unsere Studierenden
Studieninhalte verbindlich formuliert wurden, die bereits in den
viele Stunden am Tag selbstständig am Instrument weiterbilden
alten Studiengängen geläufig Praxis waren, ohne dass sie explizit
müssen. Dabei ist dies ein ganz kreativer Prozess der Selbsterfor-
in der Studienordnung standen – zum Beispiel 30 Minuten Kor-
schung und Selbstreflexion, den man nicht unterschätzen sollte.
repetitionsunterricht für Studierende. Derlei Festschreibung ging
Prof. Christoph Schmidt In meiner Generation war es noch
natürlich nicht ohne Diskussion um die Finanzierbarkeit vonstatten.
selbstverständlich, in die Beschäftigung mit dem Instrument das
Die Befürchtung, die Kosten pro Studierenden könnten im Zuge
Maximum an Zeit zu investieren und andere Fächer ggf. wegzu-
der Umstellung steigen, hat sich glücklicherweise überhaupt nicht
lassen. Das geht heute – gerade angesichts von Bologna – nicht
bewahrheitet. Ein langes Grundsatzringen gab es zudem um die
mehr. Ich selbst habe im vierten Semester meines Studiums eine
Frage, ob man das oben erwähnte Y-Modell mit der Profilwahl im
Stelle bekommen und war dann weg von der Hochschule, habe
fünften Semester einführt oder nicht. Insgesamt habe ich den
mein Examen Jahre später nachgeholt, um überhaupt etwas in der
Umstellungsprozess als eine wahnsinnig spannende und arbeits-
Hand zu haben, andere haben ganz darauf verzichtet. Das ist heut-
intensive Zeit erlebt, die auch sehr viel Spaß gemacht hat.
zutage ganz unüblich: Alle beenden ihr Studium mit einem Examen.
Bedeutete Bologna für die Studiengänge einen qualitativen Quantensprung?
Wann werden die Ergebnisse der Studiengangüberarbeitung studentische Realität werden?
Prof. Christoph Schmidt Einen Quantensprung auf keinen Fall. Aber Bologna ist ja auch ein Prozess – ein solcher, in dem man
Anatol Riemer Realistischerweise gehe ich von einer
angefangen hat, den „workload“ transparent abzubilden, das
Einführung zum Wintersemester 2018/19 aus – und wenn wir
ist sicher ein positiver Effekt.
es eher schaffen: umso besser! bjh
Prof. Christopher Brandt Es ist klar, dass künstlerische Studierende in der Regel vor allem bestrebt sind, einen Platz in der Klasse ihres Wunschlehrers zu bekommen. Für sie ist die Frage, 29
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
DAS FÜR UND WIDER DER SYSTEME Lehramtsanwärter in Baden-Württemberg studieren neuerdings auf Master und Bachelor, die Sachsen dagegen sind nun wieder zum Staatsexamen zurückgekehrt Seit 2007 können Lehramtsanwärter an der HfMDK Frankfurt
zurückgekehrt. Welche Gründe für die jeweiligen Entschei-
am Main Musik für das Lehramt in allen Schulstufen studieren;
dungen prägend waren und welche inhaltlichen wie formalen
sie durchlaufen dabei die Ausbildung des modularisierten
Konsequenzen dies hat, haben zwei Lehrende der HfMDK direkt
Staatsexamens, sammeln also Credit Points und Modulscheine,
bei ihren Kolleginnen erfragt: Prof. Dr. Werner Jank horchte an
peilen dabei aber nicht Bachelor- und Masterabschlüsse an,
der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst
sondern das erste Staatsexamen als qualifizierende Vorausset-
Mannheim (Baden-Württemberg) bei der Musikpädagogik-
zung für ein sich anschließendes Referendariat. Während Baden-
Professorin Dr. Martina Benz nach, und Prof. Dr. Katharina
Württemberg mit Beginn des Wintersemesters 2016/17 die
Schilling-Sandvoß führte ein Interview mit Dr. Constanze Rora,
Lehrerausbildung auf das System von Bachelor und Master um-
Professorin für Musikpädagogik und -didaktik an der Hochschule
stellt, ist Sachsen nach einem Systemwechsel 2006/2007 im
für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig
Studienjahr 2012/2013 wieder zum Prinzip des Staatsexamens
(Sachsen).
30
DAS FÜR UND WIDER DER SYSTEME
LEHRAMTSSTUDIUM IN BADEN-WÜRTTEMBERG: FÜR MEHR DURCHLÄSSIGKEIT Prof. Dr. Werner Jank In Baden-Württemberg hat das Kultus-
Werner Jank Wie beurteilen Sie die Einführung – vor allem im
ministerium nach einigen Jahren eines modularisierten Staats-
Vergleich zum modularisierten Staatsexamen – mit Blick auf die
examens das Lehramtsstudium mit Beginn des Wintersemesters
Studienstrukturen und -inhalte?
2016/17 auf die Bachelor-Master-Struktur umgestellt. Mit welchen Begründungen hat das Ministerium diesen Schwenk eingeleitet?
Martina Benz Positiv zu sehen ist die stärkere Eigenständigkeit der Hochschulen in Bezug auf Prüfungsformate, allerdings ist das
Prof. Dr. Martina Benz Es ging bei der Einführung in erster Linie
Ministerium bei der Akkreditierung der Studiengänge beteiligt.
um eine optimierte Vorbereitung der angehenden Lehrerinnen
Problematisch könnte der Eintritt in die Masterphase für „Querein-
und Lehrer auf ihren späteren Beruf. Ein Hauptargument war die
steiger“ werden, daher wird gerade sehr gründlich über ein ent-
erhöhte Durchlässigkeit zwischen den Studiengängen. Die Quali-
sprechendes hochschulinternes Eignungsverfahren nachgedacht.
tät der Lehrerbildung soll vor allem durch einen stärkeren Profes-
Die Praktikabilität bleibt abzuwarten.
sionsbezug weiterentwickelt werden. Dabei wünscht sich das Ministerium dringend die Kooperation mit den Pädagogischen
Die Umstellung erforderte insgesamt eine verstärkte Kooperation
Hochschulen. Diese wurde an einzelnen Standorten, z. B. in
mit den Universitäten bezüglich der Frage der Studierbarkeit.
Mannheim, bereits umgesetzt.
Eine der größten Änderungen im Vergleich zum modularisierten Staatsexamen besteht nämlich darin, dass das zweite Schulfach nicht mehr als „Beifach“ mit kleiner Fakultas nur bis Klasse 10 studiert werden kann, sondern nur mit großer Fakultas. Zudem muss dieses universitäre Fach zeitgleich mit Musik abgeschlossen werden, um den BA- sowie den MA-Abschluss zu erhalten. Die Kompatibilität der beiden Studienfächer muss daher garantiert werden. Auch hier muss sich die Realisierbarkeit der eng aufeinander abgestimmten Studienstrukturen in der Praxis erst noch erweisen. Inhaltlich ist der Unterschied zum modularisierten Staatsexamen aus meiner Sicht nicht so groß. Im Fach Musik müssen bestimmte Inhalte (wie z. B. der künstlerische Unterricht) nach wie vor in aufeinander aufbauenden Modulen unterrichtet werden. Die Umstellung wurde in Mannheim aber genutzt, um neue Erstfächer (Dirigieren, Klavier/Schulpraktisches Klavierspiel als Kombifach) sowie spezifische Profile (Transkulturelle Musikpädagogik) einzuführen und den Wahlbereich zu flexibilisieren. Außerdem wurde der Prüfungsdruck reduziert.
Prof. Dr. Martina Benz
31
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
Werner Jank Sie haben die wirklich schwierige Frage der
Martina Benz Insgesamt hat sich der Anteil der Bildungswissen-
Studierbarkeit schon angesprochen. Wie lösen Sie dieses
schaften in allen Lehramtsstudiengängen durch die Umstellung
Problem in Mannheim konkret?
in Baden-Württemberg deutlich erhöht. In der Regel wird dieser Bereich von den Universitäten abgedeckt. Allerdings können
Martina Benz In Mannheim gilt die Regelung, dass die
Studierende, die ihr wissenschaftliches Fach an der Universität
Studierenden erst in ihrem zweiten bzw. dritten Fachsemester
Mannheim studieren, nach wie vor einige der bildungswissen-
(immer zum Herbstsemester) an der Universität beginnen. Diese
schaftlichen Inhalte durch musikpädagogische Seminare mit
Regelung bietet ihnen die Chance, die Wahl des wissenschaft-
entsprechenden Inhalten an der Musikhochschule abdecken.
lichen Fachs ohne Druck anzugehen und sich vorab in Ruhe zu
Leider hat sich der Anteil der an der Musikhochschule absolvier-
informieren. Wir haben das so verzahnt, dass dadurch weder für
baren bildungswissenschaftlichen Veranstaltungen gegenüber
die Regelstudienzeit noch für die Gewährung von BAFöG
dem modularisierten Staatsexamen verringert, sodass die Studie-
Nachteile für die Studierenden entstehen.
renden eher allgemeine bildungstheoretische Themen kennenlernen und sich nicht mehr so intensiv mit Fragen der Ästhetischen
Werner Jank Wie steht es um die Kompetenzorientierung für
Bildung auseinandersetzen können. Im Bereich der wissenschaft-
den Lehrerberuf im Rahmen der neuen Studienstrukturen?
lichen Musikpädagogik spielen Themen der Ästhetischen Bildung allerdings nach wie vor eine große Rolle. Dies hat sich gegenüber
Martina Benz Anwendungsorientierte Anteile gab es ja auch
dem modularisierten Staatsexamen inhaltlich nicht geändert.
schon im modularisierten Studiengang. Sie wurden beibehalten. Über Kompetenzorientierung wurde bei der Umstellung nicht
Werner Jank Was verändert sich im Hinblick auf die Prüfungen
spezifisch neu nachgedacht, auch wenn die einzelnen Fachpapiere
mit dem Wechsel vom modularisierten Staatsexamen auf
Kompetenzbeschreibungen enthalten. Lehramtsspezifische
Bachelor und Master für Studierende?
Inhalte finden in Mannheim nicht erst in der späten Bachelorphase oder gar erst im Master statt, sondern sind von Anfang an in
Martina Benz Insgesamt wurde die Anzahl der Prüfungen
den Studienverlauf eingebunden, um die Studierenden dabei zu
reduziert. Pro Modul wird eine Prüfung absolviert, die sich z. T.
unterstützen, sich zu authentischen Musiklehrerpersönlichkeiten
aus Teilprüfungen zusammensetzt, allerdings wird nicht mehr
zu entwickeln. Dabei wurde in Mannheim Wert darauf gelegt,
jedes Modul benotet. Um den Bachelorgrad zu erhalten, wird
auch die wissenschaftliche Qualifikation für den Beruf nach
in Mannheim eine Künstlerisch-integrative Bachelor-Arbeit
wie vor zu gewährleisten.
angefertigt, die sich weitgehend am Vorbild der bisherigen „Integrativen Teilprüfung“ des Staatsexamens orientiert. In dieser
Werner Jank Welche Rolle spielen Bildung und Ästhetische
Prüfung kombinieren die Studierenden nach eigener Wahl
Bildung im Bachelor-Master-Studium? Welche Unterschiede
Kompetenzen aus verschiedenen Modulen des Musikstudiums
sind im Vergleich zum modularisierten Staatsexamen erkennbar?
fächerübergreifend – also z. B. Künstlerisches Instrumentalspiel in Kombination mit Musikwissenschaft und Sprecherziehung – und zeigen die Ergebnisse in einer Projektpräsentation. Für den Masterabschluss wird eine wissenschaftliche Arbeit verlangt, die nach Rahmenverordnung des Ministeriums nun nicht mehr nur in Musik, sondern auch im wissenschaftlichen Fach oder in den Bildungswissenschaften angefertigt werden kann. Eine explizit künstlerische Masterprüfung gibt es nicht, allerdings wird in Mannheim in der Masterphase ein künstlerisches Profilfach gewählt. Dieses wird mit einer Modulprüfung, die mit der bisherigen Staatsexamensprüfung von Umfang und Inhalt her vergleichbar ist, vor einer Kommission abgeschlossen.
32
DAS FÜR UND WIDER DER SYSTEME
Werner Jank Was verändert sich für die Lehrenden? Martina Benz Da das Landeslehrerprüfungsamt keinen Einfluss mehr auf die Prüfungen nimmt, hat die Bewertung der Lehrenden größeres Gewicht gewonnen. Werner Jank Und für die Verwaltung? Martina Benz Wir gehen davon aus, dass sich der Verwaltungsaufwand durch die Umstellung erhöhen wird. Werner Jank Welche Rolle spielten die Hochschulen beim Wechsel in die Bologna-Strukturen: pro – contra? Aktiv und fördernd – passiv und bremsend? Innovierend – restaurierend? Martina Benz In der Entstehungsphase wurden die Hochschulen insofern eingebunden, als die so genannten Fachpapiere (Kompetenzen und Inhalte) von den Studiengangsleiterinnen und Studiengangsleitern in Zusammenarbeit mit den Studienseminaren gemeinsam entwickelt wurden. Die grundsätzliche Initiative des Ministeriums hinsichtlich der Umstellung der Lehrerbildung wurde allerdings nicht beeinflusst, und in der Entscheidungsphase hatten die Hochschulen letztlich keinen Einfluss.
33
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
LEHRAMTSSTUDIUM IN SACHSEN: ZURÜCK ZUR SPEZIFISCHEN PRÄGUNG Prof. Dr. Katharina Schilling-Sandvoß Mit welchen Begründungen seitens der Ministerien wurde das System von Bachelor und Master für die Lehramtsstudiengänge in Sachsen wieder abgeschafft? Prof. Dr. Constanze Rora Die Ministerien haben uns keine direkte Begründung genannt, es handelte sich um eine politische Entscheidung. Die Kollegen waren nicht begeistert davon, dass eine solch wichtige Entscheidung im Grunde genommen nur mitgeteilt wurde, ohne mit den Universitäten wirklich Rücksprache zu halten oder eine Erfahrungsauswertung abzuwarten. Vermutlich lag ein Grund für die Rückkehr zum Staatsexamen darin, dass man wieder eine etwas billigere Lehramtsausbildung wollte. Der Bachelor in der Lehramtsausbildung war in allen Fächern polyvalent angelegt, d. h. alle Lehrämter studierten auf die Fächer bezogen den gleichen dreijährigen Bachelor, bevor ein zweijähriger Master angehängt wurde. Idealerweise sollte es möglich sein, dass sich die Studierenden erst nach dem Bachelor für eine Schulart entscheiden. Vom Studienumfang waren also alle Schulstufen gleichgestellt. Dies – so hieß es dem Vernehmen nach – könnte auch bei der späteren Besoldung Probleme bereiten. Außerdem hatte die genannte Polyvalenz zur Folge, dass es eigentlich keine Mittelschullehrer mehr gab: Dadurch, dass deren Studium genau so lang und auch so voll war wie das der zukünftigen Gymnasiallehrer, kam es nicht mehr zu der vorher üblichen Verteilung der Studierenden auf die verschiedenen Lehrämter. Die Schulstufenspezifik sollte vermutlich wieder stärker ausgeprägt werden. Die Studiendauer für die Mittelschule und für das Grundschullehramt wurden reduziert mit dem Staatsexamen, an Grundschulen auf acht Semester, an Mittelschulen auf neun Semester, und nur das gymnasiale Lehramt ist bei zehn Semestern geblieben.
34
Prof. Dr. Constanze Rora
Roxana Littau, Studium der Schulmusik für das Lehramt an Gymnasien (L3)
FRAGEN AN STUDIERENDE
Julia Seiwert, Studentin für Schulmusik und Französisch (L3)
Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? Ein Schulmusikstudium in Frankfurt ist in jedem Fall ein Vollzeitjob, vor allem, wenn man Musik und wissenschaftliches Beifach auf L3 studiert und den Studienverlaufsplan einhalten möchte. Mir gefällt die relativ große Breite der Veranstaltungen in den Pflichtmodulen des Hauptstudiums (z. B. Musikpädagogik, -wissenschaft und -theorie); hier kann man nach seinen Interessen Seminare auswählen. Leider ist es zeitlich kaum möglich, darüber hinaus die zahlreichen attraktiven Angebote zu nutzen, in denen man keinen Schein erwerben kann; eine Verlängerung der Regelstudienzeit (9 Semester) um ein bis zwei Semester ist meist unumgänglich und meines Erachtens auch sinnvoll. Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz? Von meinem Erasmusaufenthalt in Frankreich habe ich mir Studienleistungen problemlos anerkennen lassen können. Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume?
Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den
Obwohl die Wahlmöglichkeiten z. B. bei Seminaren begrenzt sind
Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?
und man viele Kurse wie in der Schule einfach besucht, bin ich
Das Studium für das gymnasiale Lehramt ist mit vier Pflicht-
mit der Gestaltung bisher sehr zufrieden. Zeitliche Freiräume und
praktika verbunden, in denen man unter anderem zehn Wochen
ein Lehramtsstudium gehören sowieso nicht zusammen –
in der Schule hospitiert und erste Unterrichtsversuche macht.
das habe ich in vier Semestern auch gelernt.
Mir haben diese Erfahrungen und vor allem die freiwilligen Zusatzworkshops der Akademie für Bildungsforschung und
Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den
Lehrerbildung an der Goethe-Uni sehr geholfen. Im Rahmen der
Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?
musikpraktischen Fächer könnten noch mehr Kooperationen
Teils, teils. Das Praxissemester im letzten Semester vermittelte
mit Schulen stattfinden.
mir gute Einblicke in meinen späteren Beruf, und ich habe gemerkt, dass mir mein Studium eine gute Grundlage gibt. Ich sehe auch den künstlerischen Aspekt, der auf den ersten Blick für den Lehrerberuf direkt eine Überqualifikation darstellt, während man zum Beispiel zum Thema Unterrichtsvorbereitung wenig Anleitung bekommt. Ich empfinde es aber als ein großes Privileg und eine große Bereicherung, dass man eben nicht nur Lehrerin, sondern auch Künstlerin wird.
35
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
FRAGEN AN STUDIERENDE Johannes Müller-Hornbach, Musik für das Lehramt an Gymnasien (L3)
Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl-
Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen
und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume?
des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobi-
Insbesondere im Studienteil an der Musikhochschule empfinde
lität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz?
ich die Wahl- und Gestaltungsräume als recht gering. Die
Was ich immer wieder von Kommilitonen gehört habe, ist, dass
meisten Kurse und Unterrichte im modularisierten Lehramts-
trotz der Vereinheitlichung Transparenz und Möglichkeiten zur
studium (L3) sind für alle Studierenden obligatorisch, so dass
Mobilität nicht signifikant zugenommen haben oder sogar
wenige Möglichkeiten für persönliche Schwerpunktsetzungen
geringer geworden sind.
bestehen. Aufgrund der hohen zeitlichen Belastung bleibt recht wenig Kapazität für zusätzliche Aktivitäten. Hier sind meines
Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den
Erachtens Korrekturen in der Studienordnung nötig.
Berufseinstieg/-alltag vorbereitet? Ich fühle mich für den Berufseinstieg recht gut vorbereitet. Ein wichtiger Baustein dabei war für mich allerdings auch die Arbeit in Schulprojekten, unabhängig vom Studium, in denen ich eigenverantwortlich und direkt in Schulen tätig war. Für derartige Aktivitäten in den Studiengängen Raum zu schaffen, wäre sicherlich sehr sinnvoll.
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DAS FÜR UND WIDER DER SYSTEME
Katharina Schilling-Sandvoß Wie bewerten Sie nach der
Constanze Rora Beidem. Der Bereich, der im Grundschulstudium
Umstellung die aktuellen Studienstrukturen und -inhalte?
gekürzt wurde, erhält zugleich in den Prüfungen ein größeres Gewicht. Eine solche Gegenläufigkeit ist im BA/MA-System
Constanze Rora Wir haben versucht, die Module in die Ordnung
nicht möglich. Wir haben jetzt im Sommer unsere ersten Grund-
eines modularisierten Staatsexamens zu überführen. Natürlich
schullehrämtler im wiedereingeführten Staatsexamen; sie
mussten wir dabei die Module neu strukturieren und für die Grund-
sind gerade dabei und schreiben ihre Arbeiten, haben ihre
schule auch Inhalte kürzen. Dies bot aber zugleich die Gelegenheit,
mündlichen Prüfungen. All das nehme ich im Moment als
Struktur und Inhalte nochmals zu überdenken. Ich denke, wir
einen ziemlichen Gewaltritt für die Studierenden wahr. Eigentlich
haben aus dem, was wir machen mussten, das Beste gemacht.
haben sie aber für die Arbeit und die Vorbereitung der Prüfung ein ganzes Semester Zeit – zumindest theoretisch und insofern
Natürlich ist es schade, dass dabei einige Veranstaltungen als
sie nicht doch noch etwas „nachstudieren“ müssen.
Lehrangebote weggefallen sind, vor allem im Grundschullehramt. Erhalten konnten wir Errungenschaften der HMT wie das Fach „Elementares Gruppenmusizieren“ für das Grundschullehramt, eine stark didaktisch-praktische Ausbildungsschiene sozusagen, sowie einen starken Anteil an schulbezogenen musikalischen Praxisformen auch in den anderen Lehrämtern. Reduziert wurde im Bereich der theoretisch ausgerichteten didaktischen und der musikwissenschaftlichen Seminare. Katharina Schilling-Sandvoß Dies ist doch eher der Reduktion der Semesteranzahl geschuldet als der Rückumstellung auf das Staatsexamen, oder?
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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
Katharina Schilling-Sandvoß Wie beurteilen Sie die jetzige
Katharina Schilling-Sandvoß Dann hat sich der Aspekt der
Studierbarkeit und deren Veränderungen?
Kompetenzorientierung auch nicht wirklich verändert?
Constanze Rora Gerade bei uns an der HMT sind die Module
Constanze Rora Nun ja, es ist im Grunde genommen die
auch in der Bachelor/Master-Version wirklich richtig knackevoll
gleiche inhaltliche Ausrichtung. Natürlich ist es nicht gut, wenn
gewesen. Die neuen Module sind nicht weniger arbeitsaufwändig,
man weniger Zeit hat, sich mit wissenschaftlicher Literatur
insofern stellt sich das Problem in gleicher Weise. Inhaltlich
auseinanderzusetzen. Dadurch, dass wir eine Abschlussprüfung
sehe ich durchaus einen Vorteil darin, dass die Studierenden
noch nicht hatten und ich wenige Seminare gemacht habe, in
am Ende des Studiums nochmal gezwungen sind, bestimmte
denen Semesterarbeiten zu schreiben waren, kann ich einfach
Dinge grundlegend aufzuarbeiten und auch für die mündlichen
schwer einschätzen, ob es hier einen Qualitätsverlust gibt.
Prüfungen ein breites Feld in der Didaktik und auch in der Musikwissenschaft bereitzuhalten und darüber zu diskutieren.
Wir arbeiten übrigens mit Komplexprüfungen, absolvieren im Grundschullehramt die Prüfungen zusammen mit den Musik-
Katharina Schilling-Sandvoß Wie sehen Sie jetzt, wieder im
wissenschaftlern. Das heißt, dass die Studierenden einen
Vergleich vorher und nachher, die Qualifizierung für den Beruf?
Bereich haben, in dem sie sich auf Musikwissenschaft vorbereiten und auf ein Feld für die Musikdidaktik, aber wir als Prüfer
Constanze Rora Dadurch, dass im Kernfach Musik nur moderate
gleichzeitig anwesend sind. Und das ist auch, finde ich wiederum,
Kürzungen vorgenommen werden mussten und Praxisveranstal-
gar nicht so schlecht. Es hat gewisse Vorteile, wenn man sieht,
tungen nicht verringert worden sind, macht es hinsichtlich der
was im anderen Bereich geprüft und gelehrt wird. Wir müssen
musikbezogenen Studieninhalte keinen großen Unterschied.
abwarten, ob jetzt insgesamt das Niveau gesenkt wird.
Die zeitweise vorgenommene Verkürzung des Referendariats hingegen war ein echtes Problem. Das hat man jetzt auch zurück-
Katharina Schilling-Sandvoß Welche Rolle spielen „Bildung“
genommen. Im Grundschulstudium ist es so, dass bestimmte
und „Ästhetische Bildung“ – sehen Sie da Unterschiede zwischen
Veranstaltungen mit dezidiert theoretischer Ausrichtung wegfal-
dem BA/MA-Studium und dem modularisierten Staatexamen?
len, aber wir haben natürlich versucht, es so vernünftig wie möglich zu konzipieren.
Constanze Rora Die Frage, inwiefern und auf welche Weise die Auseinandersetzung mit Musik bildet, ist wiederkehrender zentraler Gegenstand in den theoretisch ausgerichteten Didaktikseminaren. Diese wurden allerdings – wie gesagt – im Grundschulstudium Musik reduziert.
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FRAGEN AN STUDIERENDE Lena Möller, Musik und Sport für das Lehramt an Haupt- und Realschulen (L2)
Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz? Das Lehramtsstudium in Hessen schließt mit dem ersten Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl-
Staatsexamen ab, ist aber in Module gegliedert, so dass auf
und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume?
dieser Ebene eine bundesweite Vergleichbarkeit herrscht. Die
Im Lehramtsstudium spielt die Fächerkombination eine
Bestimmungen der Länder für das Lehramtsstudium unter-
entscheidende Rolle im Hinblick auf Gestaltungsmöglichkeiten scheiden sich dabei immer noch deutlich. Die Abschlüsse und zeitliche Freiräume. Denn in manchen Fächern müssen
(Staatsexamen oder Master of Education) werden zwar anerkannt,
deutlich mehr Pflichtveranstaltungen besucht werden als in
möglicherweise ist die studierte Fächerkombination in einem
anderen, und somit nimmt die Wahrscheinlichkeit von Über-
anderen Bundesland aber gar nicht möglich, oder es gibt ein
schneidungen einzelner Veranstaltungen deutlich zu. Das
Fach überhaupt nicht. Deshalb sollte man sich vorher informie-
erschwert die Erstellung des Stundenplans zusätzlich. Grund-
ren in welchen Bundesländern man nach dem Studium mit
sätzlich müssen die Veranstaltungen der beiden Fächer sowie
dem erreichten Abschluss unterrichten kann.
die der Bildungswissenschaften zeitlich passend kombiniert werden. Von den jeweiligen Fachbereichen der Goethe-
Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den
Universität werden meist zahlreiche Angebote zur Verfügung
Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?
gestellt, jedoch stellt sich erst nach Ablauf der Anmeldefrist
Ich denke richtig vorbereitet ist man nie. Im L2-Studiengang sind
und mit Bekanntgabe der Kurslisten heraus, ob man in den
zwei Praktika von je fünf Wochen vorgesehen, in denen man mög-
gewünschten Seminaren gelandet ist oder nicht. Ein Vorteil,
lichst viel selbst machen sollte, um daraus zu profitieren. Die zu
den wir als Schulmusiker genießen, wird hierbei deutlich, da
absolvierenden Pflichtliederstunden helfen auch, erste praktische
es für die Seminare im pädagogischen und wissenschaftlichen Erfahrungen im Bereich der Liederarbeitung zu sammeln. Während Bereich an der Musikhochschule kein Anmeldeverfahren gibt,
des Studiums entwickelt man sicherlich schon erste Züge eines
so dass alle ausgewählten Seminare auch besucht werden
eigenen Unterrichtsstils und der Persönlichkeit als Lehrperson, die
können. Die Auswahlmöglichkeiten sind dafür in einigen Modulen
sich aber erst mit Berufsroutine weiterentwickeln und festigen.
eher gering, was allerdings die Entscheidung leichter macht.
Denn auch als Lehrer lernt man nie aus.
Zeitliche Freiräume sind eher rar gesät, da die Übezeit ja noch von der freien Zeit abgezogen werden muss und man je nach Studienabschnitt bis zu drei übepflichtige Veranstaltungen besucht (Hauptfach, Nebenfach, Schulpraktisches Instrumentalspiel). Da kommt dann leider auch immer irgendetwas zu kurz. Trotz allem sollte man sich Zeit für ein Hobby nehmen, um nicht völlig im „Studiensumpf“ zu versinken.
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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
Marie Schwesinger, Regie
FRAGEN AN STUDIERENDE
Katarina Graf, Musik auf Förderschullehramt
Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? Besonders seit dem vierten Semester erlebe ich mein Studium als selbstbestimmter. Es ergeben sich mehr zeitliche Freiräume, die ich durch eigenständiges Recherchieren nutzen kann. Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz? Das Bachelor-Regie-Studium hat dieselbe Länge wie früher der Diplomstudiengang, bescheinigt mir jedoch eine niedrigere Qualifikation: Weder kann ich mit dem Abschluss in die Lehre gehen, noch kann ich promovieren. Darüber hinaus gibt es (zumindest in Frankfurt) kein Master-Studium Regie, noch ist der Bachelor-
Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl-
studiengang darauf ausgelegt. Ich schätze mein Studium sehr,
und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume?
aber die Bologna-Umstellung hat nur Probleme mit sich gebracht.
In der Musikpädagogik und -wissenschaft gibt es auf jeden Fall die Möglichkeit, sich zwischen den verschiedenen Seminaren
Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den
und Dozenten zu entscheiden, sodass man die Seminarthemen
Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?
nach seinen persönlichen Interessen aussuchen könnte. Hierbei
Ja und nein. Das Studium ermöglicht mir besonders in
ist allerdings der volle Stundenplan ein Problem, da die Wahl-
den Studienprojekten, mich als Regisseurin zu erproben und im
möglichkeiten häufig auf bestimmte Zeitfenster beschränkt
Frankfurt LAB in einem professionellen Theater zu produzieren.
sind. Jetzt gegen Ende des Studiums lichtet sich der Stundenplan
Die Unterrichte bieten mir sowohl praktischen wie theoretischen
etwas, sodass nun etwas mehr Zeit bleibt, um die Zusatz-
Input. Manchmal würde ich mir jedoch eine engere Verzahnung
angebote ohne Scheinerwerb zu belegen.
zu den Stadt- und Staatstheatern wünschen, ebenso eine größere Verbindlichkeit in der Kooperation mit den Theatern der Hessischen
Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den
Theaterakademie. Als Regieassistentin hatte ich bereits vor meinem
Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?
Regiestudium den Alltag an verschiedenen Theatern in Deutsch-
Neben den zwei fünfwöchigen Praktika, die bei uns zuerst an
land kennengelernt, weiß dementsprechend, worauf ich mich
einer Förderschule und dann an einer Haupt- und Realschule
einlasse, habe aber auch die Utopie, dass sich durch Bewegungen
absolviert werden, habe ich gerade in den letzten Semestern
wie das „ensemble-netzwerk“ die Bedingungen besonders auch
viel Praxiserfahrungen mit Schülerinnen und Schülern sammeln
für freischaffende RegisseurInnen verbessern können.
können. Hierbei kommt es aber sehr darauf an, welche Musikpädagogik-Seminare man auswählt, denn in einigen ist der Praxisanteil mit Unterrichtsversuchen sehr hoch, in anderen dafür kaum vorhanden. Insgesamt fühle ich mich gut vorbereitet, bin aber gespannt, ob diese Einschätzung im Referendariat tatsächlich zutrifft!
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DAS DREI FÜR FRAGEN UND WIDER AN STUDIERENDE DER SYSTEME
Katharina Schilling-Sandvoß Welche Rolle spielten die Hoch-
Für die Grundschullehrerbildung sah der erste Entwurf vor,
schulen beim Wechsel in die eine oder andere Richtung: aktiv
das Kernfach in seinen Studienanteilen zugunsten der anderen
und fördernd oder passiv bis bremsend, innovierend oder
Lernbereiche stark zu kürzen. Es war der Versuch, den Anfor-
restaurierend?
derungen an den Grundschullehrer als Klassenlehrer, der mehrere Fächer in seiner Klasse unterrichtet, stärker entgegen-
Constanze Rora Es ist tatsächlich so, wie ich eingangs gesagt
zukommen. Dieser Ansatz setzte sich nicht durch. Das vertiefte
habe, dass dieser Wechsel zurück zum Staatsexamen keiner
Studium eines Kernfachs war den Universitäten und besonders
war, der mit dem Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung
auch uns im Lehramt Musik wichtig. Insofern haben wir Einiges
abgesprochen gewesen wäre, er wurde vielmehr oktroyiert. Und
getan, um möglichst viele Credits für Musik zu sichern. Wir haben
es ist in meiner Erinnerung so, dass sich die Uni Leipzig zunächst
sogar noch mehr Credits als andere Kernfächer herausgehandelt –
eher ablehnend verhalten hat und versucht hat zu bremsen.
weil wir angesichts der künstlerisch-praktischen Anforderungen
Aber das Ganze ging damit einher, dass Sachsen – wie ja viele
besondere Sorge hatten, dass die Fachlichkeit leidet.
andere Bundesländer auch – von einem bevorstehenden Lehrermangel betroffen ist und dass man die Studierendenzahlen
Katharina Schilling-Sandvoß Was ist Ihnen insgesamt im
aufstocken wollte. Die Studierendenzahlen wurden auch immens
Hinblick auf diese Veränderung, vielleicht auch im Hinblick auf
aufgestockt. Es ging darum, möglichst schnell Absolventen zu
die Frage einer Kompetenzorientierung, für die Lehrerbildung
haben. Vor diesem Hintergrund war natürlich die Verkürzung
wichtig?
der Studienzeiten für Grundschullehrer interessant. Constanze Rora Wie gesagt, ist eine starke fachliche Orientierung im Musikstudium unerlässlich, da die Studierenden sich eine sichere Grundlage in den künstlerisch-praktischen Fächern – insbesondere in denen, die auf die Schulpraxis ausgerichtet sind – aneignen müssen. Unabdingbar ist aber auch ein weiter musikpädagogischer Horizont, der Brücken zu den allgemeinpädagogischen Studieninhalten schlägt. Solcherart Brücken wünsche ich mir auch ausgehend von der anderen Seite. Ich sehe daher mit Freude, dass die Uni in ihren Ergänzungsstudien – das ist ein bildungswissenschaftlicher Bereich, aus dem die Studierenden aller Lehrämter und Fächer Veranstaltungen belegen müssen – ein Profil zum Thema „Kulturelles Lernen – Ästhetische Bildung“ eingerichtet hat. Die Ausgestaltung erfolgte in Zusammenarbeit mit uns und stellt aus meiner Sicht ein gutes Beispiel für eine interdisziplinäre Öffnung des Lehramtsstudiums dar.
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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
Von Dr. Maria Spychiger, Professorin für
Bewerbungsunterlagen eingereicht haben und die
empirische Musikpädagogik an der HfMDK
zentraler Gegenstand des eingehenden Eignungsgesprächs ist. Sie müssen sich als musikalisch gebildete und aktiv
Nach einer mehrjährigen Phase der Entwicklung wurde
musikausübende Personen ausweisen. Die einzelnen
im Wintersemester 2013/14 im Fachbereich 2 der HfMDK der
persönlichen Bildungsprofile dürfen sehr verschiedenartig
Studiengang „Master of Arts Musikpädagogik“ eröffnet (kurz
sein, müssen aber immer eine pädagogische Ausrichtung
„Master Musikpädagogik“). Damals nahmen zwei Studierende
und Musizierpraxis aufweisen. An der HfMDK erhalten die
das Studium auf, seither ist die Gruppe auf voraussichtlich 16
Studierenden dann nicht mehr viel praktischen Unterricht.
Masterstudierende im Wintersemester 2016/17 gewachsen.
Der Studiengang ist zentral auf die Professionalisierung im
Dies entspricht der vorgesehenen Anzahl an Studienplätzen.
wissenschaftlichen Bereich des Faches ausgerichtet, ein
Die Bewerberinnen und Bewerber legen für die Zusage eines
großer Anteil der 120 zu erwerbenden Creditpoints ist für
Studienplatzes eine „musikalische Biografie“ vor, die sie als
Veranstaltungen und Projektarbeit zum Erlernen des
schriftlich abgefassten Essay zusammen mit den üblichen
Forschungshandwerks eingesetzt.
BOLOGNA IN DER MUSIKPÄDAGOGIK Der „Master of Arts Musikpädagogik“ – ein wissenschaftlicher Studiengang im Fachbereich 2 der HfMDK
42
BOLOGNA IN DER MUSIKPÄDAGOGIK
HINTERGRÜNDE ZUR ENTWICKLUNG
Diese Bezugsdisziplinen bilden Modulbereiche und können im
DES VIERSEMESTRIGEN STUDIENGANGS
zweiten Jahr als Vertiefungsgebiete angewählt werden. Gegen-
UND SEINE INHALTE
stand der wissenschaftlich-musikpädagogischen Auseinander-
Die Einrichtung des Studiengangs steht im Zusammenhang mit
setzung ist der musizierende Mensch (vgl. dazu Suppan, 19842).
dem Vertrag, den die HfMDK im Jahr 2007 mit der Goethe-Uni
Entsprechend bildet das Repertoire der sozialwissenschaftlichen
zur Übernahme aller Studiengänge aus ihrem damals aufgelösten
Forschungsmethodik den Rahmen für die Anforderungen des
Institut für Musikpädagogik abschloss.1 Nebst den Lehramts-
empirisch-wissenschaftlichen Arbeitens, welches in den
studiengängen für Grund-, Haupt-/Real- und Sonderschule war
Modulen 1 und 10 erfasst ist.
dies auch der Magisterstudiengang Musikpädagogik. Es war Bestandteil des Vertrags, dass die HfMDK als Kunsthochschule
Das Masterstudium umfasst vier Semester, insgesamt 120
sicherstellt, eine wissenschaftliche Musikpädagogik weiter zu
Credit Points, 30 Credits pro Semester. Die verfügbaren Credits
betreiben. Für die Überarbeitung und Neugestaltung dieses an
sind auf zehn Module verteilt. Zwei Module (5 und 8) sind
der alten Institution auslaufenden Studiengangs waren wir frei.
wesentlich der musizierenden, erfahrenden und lehrenden
Der Entscheid, bei uns „nur“ einen Master und nicht auch einen
musikpädagogischen Praxis gewidmet, drei wesentlich der
Bachelor Musikpädagogik zu führen, hatte mehrere Gründe.
forschenden Praxis, dies sind die Module 1 und 10 sowie
Herausragend sind die vielseitigen wissenschaftlichen Bezüge
jeweils das Schwerpunktmodul im zweiten Jahr (Accentus).
des Faches, vorab zur Pädagogik oder Bildungs- und Unterrichts-
All diese Module enthalten Projektarbeiten. Die Module 2, 3
wissenschaft, ebenso zur Psychologie, wenn das Grundlagen-
und 4 im ersten Jahr (Fundamentum) sowie 5, 6 und 7 im
wissen von Lernen, Entwicklung, Motivation, Gedächtnis und
zweiten Jahr (Effectum) sind den musikpädagogischen Inhalten
Persönlichkeit zu erarbeiten ist. Gleichermaßen kommen Sozio-
gewidmet, wobei diese immer auch Fach- und Forschungs-
logie und Ethnologie ins Spiel, wenn es um die gesellschaftlichen
praxis enthalten. Das tatsächliche Lehrangebot verbindet sich
Verhältnisse und Veränderungen, um Kultur und Multikulturalität,
für etliche Bereiche gut mit demjenigen für die Lehrämter,
Ressourcen und Milieus für Kindheit und Jugendalter und
so dass die Studierendengruppen sich mischen, einander
lebenslange Entwicklung geht, aus denen musikalisches Lernen
kennen und miteinander arbeiten.
und musikalische Bildung hervorgehen. Und schließlich ist natürlich die Musikwissenschaft das traditionelle Bezugs- und
ORIENTIERUNG AN DEN BOLOGNAVORGABEN:
Grundlagenfach der Musikpädagogik.
ANFORDERUNGS- UND ANGEBOTSTRANSPARENZ SOWIE KOSTENVORHERSAGBARKEIT Der Master Musikpädagogik war der erste bolognisierte Studiengang im Fachbereich 2. Das Bolognamodell mit seiner „Grundwährung“ von 1 Credit Point = 30 Stunden Arbeit und der Vorgabe, dieses Arbeits- bzw. Angebotspensum pro Semester auf 30 Credits ( = 900 Stunden) zu limitieren, schafft Anforderungstransparenz. Um 1 Credit zu verdienen, dürfen die Lehrenden von ihren Studierenden 30 Stunden Arbeit verlangen,
1 In diesem Zusammenhang steht auch der Wechsel des damaligen wissenschaftlichen Mitarbeiters Kai Lothwesen, jetzt Dr. phil. habil.,
aber ebenso haben die Studierenden mit diesem Tauschgeschäft eine Grundlage, einzuschreiten oder darauf hinzuweisen, wenn
an die HfMDK. Seine langjährige Beteiligung an
dieses Pensum überschritten wird oder umgekehrt ihnen dafür
der Entwicklung des Studiengangs und Unter-
nicht genügend angeboten wird.
stützung in der anschließenden Studiengangsleitung sei an dieser Stelle sehr verdankt. 2 Suppan, Wolfgang (1984). Der musizierende Mensch. Eine Anthropologie der Musik. Mainz: Schott.
43
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
Das zweite große Bolognacharakteristikum ist die Modu-
was man als Harmonisierung des Bildungswesens bezeichnet,
larisierung. Zusammen mit der Zuordnung von Credits zu
in diesem Fall Vereinheitlichungen in der Hochschulbildung.
Veranstaltungen erleichtert sie den Beteiligten die Orientierung und macht die Gewichtung der Studieninhalte gut sichtbar.
In meiner eigenen Berufsbiografie nimmt der Bolognaprozess
Zur Modularisierung gehört auch, dass in den Studienordnungen
eine prominente Rolle ein: Als er ganz zu Ende des 20. Jahr-
die Studienziele pro Modul ausformuliert nachzulesen sind,
hunderts einsetzte, war ich Oberassistentin an der geistes-
ebenso die Art der Leistungsanforderungen für die einzelnen
wissenschaftlichen Fakultät der Universität Fribourg, welche die
Bestandteile bzw. Veranstaltungen und Modulprüfungen. Die
erste Schweizer Universität war, die Bolognareform einzuführen.
Modularisierung und das Credit Point-System haben sich in den
Ich erinnere mich sehr gut, wie mein Kollege geduldig und zum
ersten wenigen Jahren seit seiner Einführung für den Master
wiederholten Male unserem Abteilungsleiter und Inhaber des
Musikpädagogik gut bewährt. Auch die Kostenvorhersagbarkeit,
Lehrstuhls Pädagogische Psychologie und Erziehungswissen-
der bildungsökonomische Anteil, der damit einhergeht, und die
schaften das Credit Point-System erklärte und ihm erläuterte,
Bestandteil der „Bolognaphilosophie“ ist, hat sich bisher
dass man da als Lehrender Punkte vergibt. Der renommierte
sehr gut erfüllt.
Pädagoge – Fritz Oser – verstand schließlich die Sache mit den 30 Arbeitsstunden und dass die Studierenden damit 1 Credit
Das weitere Ziel, welches die Reform im Sinn hatte, die Mobilität
verdienen. Er rief empört aus: „Ich bin doch nicht eine Bank!“ Er
der Studierenden als Folge der Anforderungstransparenz und
empfand die Bolognisierung der damaligen Studiengänge als
erbrachten Leistungen, ist bekanntlich insgesamt europaweit
Bevormundung und eine Art Kapitalisierung der Lehrenden und
nicht sehr gut erreicht. Die Studierenden des 21. Jahrhunderts
ebenso sehr als von der Autonomieentwicklung wegführende
sind zwar reisefreudig, aber nicht in dem Ausmaß, wie Bologna
Verschulung der Studierenden. – Es sind Vorwürfe, die man
es erwartet hat. Eher nur eine Minderheit strebt es an, ein oder
auch heute noch hört. Bildungsreformen werden meistens
zwei Semester ihres Studiums an einer anderen als der Heimat-
zumindest von einem Teil der Betroffenen kritisch oder argwöh-
institution zu studieren. Von dieser Vorgabe rührt auch noch die
nisch aufgenommen. Oft ist die Kritik auch berechtigt und
Bezeichnung „European Credit Transfer System“ mit dem Kürzel
notwendig, um die Entwürfe zu verbessern; auch bei der Bologna-
ECTS für die Credit Points. Sie wird nicht mehr oft verwendet,
reform ist dies so. Jedoch stimmt es nicht, dass die Bologna-
vielmehr hat sich das Kürzel CP für Credit Point und die Abkürzung
generationen unmündige Studierende geworden sind. Hingegen
„Credit“ eingebürgert. Was unsere Musikpädagogik Master-
trifft zu, dass sie oft nur noch studieren, wofür sie auch wirklich
Studierenden betrifft, sind sie bisher nur ganz vereinzelt mobil,
Credits bekommen. Aber sie studieren viel und sehr viel: Die
und wir haben dafür viel Verständnis, sind wir doch alle schon
Studienpläne haben sich verdichtet, die Leistungsanforderungen
mit der Organisation des Studiums am gleichen Ort vollbe-
sind durch die Standardisierungen im Durchschnitt gestiegen.
schäftigt und froh, wenn die Komplexität nicht ständig (und
Und sie lernen auch außerhalb des Credit Point-Systems ihres
immer schneller) zunimmt.
Studiums noch viel Weiteres. Die Menschen streben immer nach Autonomie, und es ist der Bildung auch mit Bologna eigen
BOLOGNA MIT DEM ZIEL DER HARMONISIERUNG
geblieben, zur Selbstbestimmung des Individuums beizutragen.
DER BILDUNG – AUCH FÜR DIE KLEINEN FÄCHER
Auch gibt es immer wieder Akteure und Verantwortliche der
Die Bezeichnung „Bolognareform“ und der anschließende
Bildung, die sich für diesen ureigenen Zusammenhang mit allen
Bolognaprozess gehen auf eine im Jahr 1999 in der italienischen
ihren Kräften einsetzen.
Stadt Bologna unterzeichnete bildungspolitische Erklärung zurück, die von 29 europäischen Bildungsministerinnen und
Der Master Musikpädagogik steht deutlich in diesem Zeichen.
-ministern unterzeichnet wurde. Es handelte sich um eine
Er richtet sich an Personen, die eine geeignete Vorbildung haben
Hochschulreform zur Schaffung eines einheitlichen europäischen
und sich musik-pädagogisch gestaltend in die Gesellschaft
Hochschulraums. Durch die oben erläuterten Maßnahmen
einbringen wollen. Das Fach selbst will er als Wissenschaft
sollten die Bedingungen zur Vergleichbarkeit von Studiengängen
und Forschungsdisziplin und noch junges und kleines, wenig
und -abschlüssen geschaffen und dadurch das erreicht werden,
gefestigtes Fach an das akademische Leben anbinden, an die
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FRAGEN AN STUDIERENDE Philipp Dragic, Master Komposition und Musik für das Lehramt an Gymnasien (L3)
Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? Mein Kompositionsstudium könnte keine höhere Wahlfreiheit besitzen. Vorgeschrieben ist lediglich die Menge der „Veranstaltungen“, kaum aber ihre Spezifität, wodurch eine umfassende Spezialisierung ermöglicht wird. Im krassen Gegensatz hierzu steht mein Schulmusikstudium. Hier gibt es zwar eine große Bandbreite an Angeboten, die sich aber aufgrund des Zeit- und Prüfungsdrucks wenig nutzen lassen, sodass letzten Endes die „reale“ Wahlfreiheit stark reduziert ist. Infolgedessen können viele Bereiche des Studiums nur noch an der Oberfläche behandelt werden und bieten kaum Gelegenheit zur Vertiefung, vorausgesetzt man beabsichtigt, das Studium in der sehr knappen Regelstudienzeit von neun Semestern zu absolvieren. Wieder anders sieht es in meinem Zweitfach Philosophie (auch Lehramt) an der Goethe-Uni aus: Nach drei stärker vorstrukturierten BasisModulen erfolgen diverse Aufbaumodule und ein Vertiefungsmodul, deren Bedingungen aber alle, ähnlich den Bestimmungen
Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen
im Kompositionsstudium, derart offen formuliert sind, dass ihre
des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobi-
Auslegung eine äußerst hohe Wahlfreiheit erlaubt. Da alle drei
lität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz?
Studienbereiche durch die Bologna-Reform geprägt sind, lässt
Da ich meinen Studienstandort nicht gewechselt habe, kann
sich also festhalten, dass Bologna auf das Maß an Wahlfreiheit
ich hierüber keine Aussage machen. Gleiches betrifft auch den
scheinbar, wenn überhaupt, nur eine sehr geringe Auswirkung
Aspekt der Transparenz, da ich bisher noch nicht versuchte, mir
hat. Stattdessen scheint es eher in der Verantwortung der
Studienleistungen studiengangsübergreifend anrechnen zu
Fachbereiche zu liegen, wie hoch das Maß an Wahlfreiheit ist,
lassen.
das man den Studierenden zutraut. Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den Berufseinstieg/-alltag vorbereitet? Grundsätzlich fühle ich mich gut vorbereitet, das Kompositionsstudium betreffend. Auch in meinem Fach Philosophie fühle ich mich gut vorbereitet, in Musik fehlt mir Übung in der konkreten Planung von Musikunterricht.
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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
musikalisch, lehrend und lernend tätigen Menschen, an
bildende Schule und die Musikschule mit den universitären
das verfügbare Wissen und Können, die Bezugsdisziplinen und
Lehrämtern und Instrumentalpädagogikstudiengängen an
die gesellschaftlichen Felder, in denen es Bedarf für diese
Musikhochschulen gesellschaftlich verankerte berufsbildende
Kompetenzen gibt.
Institutionen zur Verfügung stehen, sind etwa das Chorwesen und die Musikvereine weniger stark professionalisiert. Aber sie
BERUFSPERSPEKTIVEN FÜR MASTER DER MUSIKPÄ-
sind sehr bedeutsame gesellschaftliche Stätten musikalischer
DAGOGIK: BEZUG AUF ALLE GESELLSCHAFTLICHEN
Betätigung und Garanten für die Kontinuität und Zugänglichkeit
FELDER MUSIKALISCHER BETÄTIGUNG UND BILDUNG
musikalischer Bildung. Demgegenüber ist es kein Geheimnis,
Musikalische Betätigung und Bildung ereignen sich in verschie-
dass die allgemeinbildende Schule ihren Bildungsauftrag im
densten gesellschaftlichen Nischen und Feldern. Die nachstehende
musikalischen Bereich vielerorts nicht oder nur schlecht und
Abbildung ist ein Versuch, diese zu strukturieren: Die horizon-
recht zu erfüllen vermag.
tale Achse bildet das individuelle Leben eines Menschen („der Ein besonderes Potenzial steckt im Schaffen von Verbindungen
Tod ab, und die vertikale die gesellschaftlichen Angebote zur
zwischen den Feldern und ihren Institutionen. Auf diese Weise
musikalischen Betätigung und Bildung von der Breite bis zur
sind in den letzten Jahren außerordentlich viele Projekte entstan-
Spitze. Den vier Feldern lassen sich sehr viele dieser Angebote
den, um kulturelle Teilhabe, Inklusion, Förderung von unge-
zuordnen, etwa die allgemein bildende Schule dem Feld 1, das
nutzten Fähigkeiten wie dem Singen usw. zu ermöglichen. Zum
Laienmusizieren in Musikvereinen dem Feld 2, der private
Beispiel wenden sich Berufsorchester (Feld 4) der allgemeinbil-
Einzelinstrumentalunterricht für Kinder und Jugendliche dem
denden Schule (Feld 2) zu und laden zu pädagogisch aufbereiteten
Feld 3 oder die Ausbildung der Berufsmusizierenden dem Feld 4.
Orchesterproben ein, praktisch tätige Musikpädagoginnen aus
Die Einführung, Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung dieser
dem elementaren Bereich gehen mit ihren Kindermusikgruppen
gesellschaftlichen Angebote erfordern immerzu musikpäda-
regelmäßig in ein Seniorenheim zum gemeinsamen Musizieren,
gogische Expertise. Während für Institutionen wie die allgemein-
oder Musikschullehrer bringen ihre Instrumente in die allgemein-
FELD 3 Auf das Individuum abgestimmt: Frühförderung, Einzel-unterricht, Musikschule, Förder-schulen, Musikgymnasium
FELD 1 Musikalische Sozialisation: Förderung in der Familie, allgemein-bildender Schule und weiterem gesellschaftlichem Angebot
Achse 2: FÖRDERUNG (Gesellschaft)
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FELD 4 Ausbildungen für Musikberufe aller Art mit Abschlüssen in privaten und staatlichen Institutionen
Babies, Kinder, Jugendliche, junge/mittlere Erwachsene, Senioren Allgemeinbildung / Freizeit
Achse 1: LEBENSALTER (Individuum)
Professionalisierung
musizierende Mensch“, vgl. Abschnitt 1) von der Geburt bis zum
FELD 2 Musikausübung und Förderung privat und öffentlich: Musikvereine, Chorwesen, Kirche u. a. m.
FRAGEN AN STUDIERENDE Clarissa Gocke, Musik für Lehramt an Grundschulen
Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl – und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? Da mein Studium an der HfMDK neben einigen Pflichtveranstaltungen eine gute Auswahl an Seminaren bietet, konnte ich bisher meist nach meinen Interessen wählen. Durch Univeranstaltungen und Nebenjobs braucht man jedoch auch etwas Glück oder muss andernfalls Abstriche machen. Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den Berufseinstieg/-alltag vorbereitet? Dank der vielen praxisnahen Seminare und der freiwilligen Angebote an der HfMDK (z. B. Hört Hört!, Bandarbeit in der Schule, Kurse bei Anne Breick, Ferienworkshops mit Tobias Usbeck) fühle ich mich in Musik so gut vorbereitet wie in keinem meiner anderen Fächer an der Uni.
bildende Schule. Solche Initiativen bedingen viel Organisation
Dies ist aber gerade nur ein Ausschnitt der gesellschaftlichen
und Fachwissen, um erfolgreich zu sein. Auf übergeordneter
Relevanz und Berufsperspektiven für den Master Musikpäda-
Ebene benötigen sie Unterstützung, für welche oft Stiftungen
gogik. Ausgangslage zur Einrichtung des Studiengangs war die
aufkommen, und politischen Willen, Rückhalt und Konzeption in
konkrete Situation, wie sie im ersten Abschnitt geschildert ist,
den Bildungs- und Kultusministerien. Insgesamt sind Expertisen
das übergeordnete Ziel der langfristige Beitrag der HfMDK
zum Gelingen erforderlich, wie sie eine im Master Musikpäda-
Frankfurt zur Heranbildung eines wissenschaftlich-musikpäda-
gogik ausgebildete Person als Grundlagenwissen im Studium
gogischen Nachwuchses. Weitere Potenziale beziehen sich auf
inhaltlich erworben und im Rahmen von Praktika, Projekten und
Entwicklungen innerhalb unserer Institution, bereits genutzte
weiteren eigenen Erfahrungen für die Anwendung ausgebaut hat.
insbesondere in den gemeinsamen Lehrveranstaltungen von
Mit zunehmender Forderung der Geldgeber, Vorhaben, laufende
Lehrämtern und Master Musikpädagogik, aktuell sich abzeich-
Projekte und auch bereits etablierte Institutionen zu begründen
nende in Kooperationen mit der Instrumentalpädagogik im
und zu evaluieren, sind auch die Forschungsexpertisen benötigt.
Fachbereich 1.
47
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
ARIEN NACH PUNKTEN: BOLOGNA UND DIE GESANGSABTEILUNG Von Ursula Targler-Sell, Professorin für
standen aus mehreren Veranstaltungen zusammengesetzte Lehr-
Gesang und stellvertretende Ausbildungsdirektorin
einheiten (Module), die jeweils ein inhaltliches Teilgebiet des
der HfMDK-Gesangsabteilung
Studienganges abbilden.
Die Bologna-Reform bedeutete eine große Herausforderung
Dahinter steckte die Idee, dass sich der Studierende ein Päckchen
für die Gesangsabteilung der HfMDK. Als Erstes musste die
des Lehrstoffes nach dem anderen zu eigen machen und damit
bisherige Form unserer Diplomstudiengänge in das Bachelor/
auf „Wanderschaft“ im europäischen Hochschulraum gehen kann.
Master-Programm umgewandelt werden. Aus drei Jahren Studium bis zum Vordiplom und drei weiteren Jahren zum
Hier lauert bereits die erste Schwierigkeit: In der Praxis hat sich
Diplom wurden vier Jahre Bachelor und darauf folgend zwei
gezeigt, dass die von Hochschule zu Hochschule (nicht nur im
Jahre Master. So weit, so gut – die Umstellung ist erfolgt, die
Ausland, sondern auch innerdeutsch) unterschiedlichen Päck-
letzten nach dem alten System Studierenden haben die Hoch-
chen sehr individuell und dadurch nicht immer vergleichbar sind.
schule mit dem Diplom beendet. Die ersten Jahrgänge im BA/ MA (2010) hatten es nicht immer leicht mit uns und fühlten sich
Besonders deutlich wird diese Problematik bei unseren jähr-
oft als Versuchskaninchen: Danke für die Geduld und das Ver-
lichen Eignungsprüfungen in der Gesangsabteilung. Da die
ständnis dafür, dass der Prozess für alle neu und schwierig war!
Master-Kandidaten nicht nur aus dem europäischen, sondern
Darüber hinaus musste jede einzelne Lehrveranstaltung in das
auch aus dem fernöstlichen Raum kommen, bestehen deutliche
neue ECTS (European Credit Transfer System) eingepflegt und
Divergenzen in den Modulen. So kann ein chinesischer BA-
mit „Leistungspunkten“ (Credit Points) versehen werden. So ent-
Abschluss z. B. das Modul „Traditionelle Chinesische Musik“
48
ARIEN NACH PUNKTEN: BOLOGNA UND DIE GESANGS-ABTEILUNG
beinhalten, ohne dass etwa der Bereich „Vokalmusik des
Anzahl der Lehraufträge soll auf mittlere Sicht deutlich ab-
Barockzeitalters“ jemals behandelt wurde.
nehmen, feste Stellen gibt es zu wenige. Durch die Fülle der für die Umsetzung des Bologna-Prozesses notwendigen
Was sich in unserer Abteilung als besonders problematisch bis
akademischen Selbstverwaltung steigt die Arbeitsbelastung
manchmal skurril erweist, ist die Tatsache, dass die Maßeinheit
der einzelnen Lehrkräfte stetig an, oft gilt das Motto „Papier-
eines Credit Points die zeitliche Dauer eines Lernvorganges
kram frisst Zeit und Energie für den Unterricht“.
abbildet: 1 CP = 30 Stunden Lernleistung. Für das Erlernen technischer und mechanischer Fertigkeiten durch Üben ist die
Wie wird es in Zukunft mit der Bologna-Reform weitergehen?
einheitliche Festsetzung einer dafür erforderlichen Zeitspanne
Interessant sind die neuesten Entscheidungen der Rektoren-
schlicht unmöglich – zu unterschiedlich sind hier die Bedürfnisse
und Bildungsministerkonferenzen, die in einer Erklärung Mitte
der einzelnen Studierenden. Ganz zu schweigen von den Phasen
Juli 2016 verkündet wurden. Man sei übereingekommen, dass
im Studium, in denen künstlerische Weiterentwicklung in Form
für die „Anerkennung aller in- und ausländischen Leistungen“
von kontemplativer Beschäftigung mit der Materie oder dem
die an anderen Hochschulen erworbenen Kompetenzen maß-
Erweitern des musikalischen Horizonts durch Besuch von Festi-
gebend sein sollten und „kein quantitativer Vergleich der ECTS-
vals oder Meisterkursen im Fokus steht. Dieser sehr wertvolle
Punkte“ mehr erfolgen solle (Zitat FAZ vom 23. Juli 2016).
und in jahrhundertelanger Tradition an den Hochschulen gepflegte Aspekt des Studiums droht durch das geschäftige, fast buch-
Was heißt das im Klartext? Egal, ob eine Lehrveranstaltung mit
halterische Verwalten der Lernleistung an Bedeutung zu verlieren.
zwei, fünf oder zwanzig CPs angesetzt war – wenn sie an Hoch-
Nebenbei bemerkt: In einigen EU-Ländern gibt es einen CP
schule A absolviert wurde, wird an Hochschule B nicht mehr nach
schon für 28 oder sogar nur 25 Stunden Lernleistung.
der geleisteten CP-Anzahl gefragt. Dies bedeutet wieder gewonnene Individualität für die Studiengangsplanung und eine große
Die Praxis zeigt leider auch Schwächen bei der von Bologna
Erleichterung für die Prüfungsämter. Diese wurden bisher angehal-
angestrebten Vereinfachung der studentischen Mobilität mit
ten, CP-Defizite bei Hochschulwechsel „großzügigst und flexibel
Hilfe des Erasmus-Programms. Der Austausch scheitert oft an
anzurechnen“. Das ECTS-System hat sich insbesondere für
den unterschiedlichen Lehrinhalten und der Fülle des Lehr-
Kunsthochschulen als wenig tauglich erwiesen – ganz abschaffen
stoffes. Ein Auslandssemester kann zwar absolviert werden,
wird man es in nächster Zeit nicht, da schon zu viel politische und
wird aber für das Studium an der Heimathochschule nicht
Verwaltungsarbeit damit verbunden war. In jedem Fall wird es aber
ohne Weiteres anerkannt.
zu einer Art Hilfsmittel für die Planung und Strukturierung von Studienplänen „degradiert“. Einzelne Universitäten erwägen
Im Speziellen bereiten uns folgende Unwägbarkeiten noch
bereits, ihre Studiengänge ohne CPs auszuweisen und diese auch
Probleme: Unser Hochschulgebäude ist für die steigende Fülle
den Akkreditierungsagenturen ohne Zeitkorsett zu präsentieren.
an Lehrveranstaltungen nicht ausgelegt. Wir spüren als Hemmnis in unserer Abteilung immer wieder die herrschende Raum-
Fazit: Die Bologna-Reform hat mit besten Absichten eine enorme
not, die durch das vergrößerte Angebot entsteht. Oft werden
Umstrukturierung in Gang gesetzt. Sie hat sehr umfangreiche
Meisterkurse, Workshops o. Ä. nicht nach Sinnhaftigkeit des
Gremienarbeit verursacht und dabei zu Neuüberlegungen und
Gesamtstundenplanes angesetzt, sondern nach der Verfügbar-
intensiver Befassung der Lehrverantwortlichen mit den Studien-
keit von Räumen. Von den BA-Studierenden kommen immer
inhalten geführt. Sie ist allerdings – besonders in unserem speziel-
wieder Klagen über zeitliche Überlastung. Dies deckt sich mit
len Feld der künstlerischen Ausbildung – in ihrem Regulierungs-
der landesweiten Kritik, die zunehmende Verschulung betreffend.
eifer etwas über das Ziel hinausgeschossen. Gleichwohl ist ihr
Die Problematik betrifft hauptsächlich die Werkstudenten, die
die internationale Anerkennung von Kernwissen eines Wissens-
selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen müssen – es findet sich
faches (core course) hervorragend gelungen. Für die Vergleichbar-
für diese kaum mehr freie Zeit, um einer studentischen Neben-
keit von künstlerischer Entwicklung und das Erlernen von
tätigkeit nachzugehen. Das vielfältige Lehrangebot bringt uns
Fertigkeiten eignet sie sich weniger. Es gilt deshalb: Nach der
permanent an die Grenze der finanziellen Machbarkeit. Die
Reform ist vor der Reform. 49
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN Foto: Nico Holonics
FRAGEN AN STUDIERENDE Maren Schwier, Master Operngesang
Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? Da ich sowohl meinen Bachelor als auch den Master an der HfMDK studier(t)e, sind mir die unterschiedlichen Wahlmöglichkeiten allein innerhalb des Gesangsstudiums sehr stark aufgefallen. Das liegt natürlich in erster Linie an den jeweils anderen Zielführungen der Studiengänge. Ist der Bachelor in seiner Funktion eine breitgefächerte Grundausbildung, spezialisiert man sich im Master weiterführend und wird entsprechend zunehmend mit der Notwendigkeit der Selbstorganisation konfrontiert. Dies beginnt in der Studiengestaltung, zielt damit jedoch auch auf den späteren
Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen
Arbeitsalltag ab; entsprechend abweichend sind die Curricula.
des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz?
Bachelorstudierende begleitet häufig der berühmt verschriene
Da ich selbst während meines Studiums den Ort nicht gewechselt
„verschulte Studien- und Stundenplan“. Die individuellen Wahl-
habe, kann ich das nur mutmaßend beurteilen. Es entstand bei
möglichkeiten sind hier in der Tat eher gering, dennoch möchte
mir nie das Gefühl, dass es einem schwer gemacht wird, die Hoch-
ich persönlich die Inhalte nicht missen, auch wenn sie ein recht
schule zu wechseln oder ein Semester im Ausland zu verbringen,
hohes Maß an Arbeit mit sich brachten/bringen. Was einem
allerdings stellt sich auch hier die Frage, ob das nicht vor der
im Studium zeitweise überflüssig und nervig erscheint, könnte
Modularisierung ebenfalls möglich war? Einige Hochschulen
am Ende in der Arbeitswelt den Unterschied zwischen kompe-
arbeiten trotz des Bachelor/Master-Systems mit komplett
tent und kompetenter ausmachen. Im Masterstudium liegt die
anderen Modulen oder Strukturen im Studienaufbau. Dadurch
Verantwortung, die Studieninhalte zu erfüllen, viel mehr bei den
scheinen die Studiengänge nicht unbedingt vergleichbarer zu
Studierenden selbst. Das Maß an persönlichen Gestaltungs-
sein, als sie es früher waren.
möglichkeiten und individueller Schwerpunktsetzung ist somit weitaus höher.
Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?
Ob die Vermittlung von Inhalten in einem künstlerischen Studien-
Ich stehe nun kurz vor dem Ende meiner Ausbildung und fühle
gang jedoch zwangsläufig an ein strenges Korsett vorgegebener
mich bereit, in die Arbeitswelt zu gehen. Mein Studium hat mich
Pläne und den Zeitdruck, in der Regelstudienzeit fertig zu werden,
gut darauf vorbereitet, aber es gehört eben auch dazu, die einem
gebunden sein muss, dürfte in meinen Augen nochmals diskutiert
angebotene Bildung nicht nur blind zu konsumieren oder abzu-
werden.
sitzen, um die geforderten Credits zu bekommen. Neben allen Pflichten und Angeboten, die Aus- und Weiterbildung mit sich bringen, liegt die Verantwortung am Ende bei jedem selbst, was er oder sie damit und daraus macht.
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FRAGEN AN STUDIERENDE Paula König, Diplom Schauspiel
Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz? Mit unserem Diplom ist es uns, falls gewollt, im Anschluss auch möglich, in ein anderes Bachelor- und oder weiterführendes Mastersystem einzusteigen. Ich persönlich habe noch nie über Vor- oder Nachteile des Diplomabschlusses nachgedacht. Ich glaube aber, dass ein Bachelorsystem mit Erreichen einer Punktzahl für einen kreativen Studiengang sehr ungeeignet ist. Kunst kann man nicht bewerten, höchstens eine Arbeitshaltung. Aber was ist der genaue Unterschied zwischen einer Arbeitshaltung und einer Arbeitsweise? Ja, ich bin froh über den alten Diplomabschluss.
Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl-
Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den
und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume?
Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?
Schauspiel studieren zu können, ist ein gewählter und somit
Das Studium zielt auf den klassischen Berufsalltag ab und
verpflichtender Lottogewinn. Aber einmal dafür entschieden,
widmet sich in der gesamten Ausbildung diesem Weg. Wir
muss man sich der Ausbildung auch ganzheitlich hingeben. Das
werden sehr gut auf den Berufseinstieg vorbereitet und lernen
Studium ist sehr einnehmend und greift tief in das alltägliche
von Anbeginn, wie der Alltag als Sprechtheater-SchauspielerIn
Leben ein. Die Ausbildung stellt ein breit gefächertes Angebot
sein wird. Gegen Ende des Studiums geht es sogar derart
an Lehrinhalten zur Verfügung, oft aber kommt man gar nicht
intensiv und ausschließlich um die berufliche Anlaufbahn, dass
hinterher, alles wahrzunehmen. Zeiträume sind für Bühnen-
ich manchmal das Gefühl habe, nichts mehr zu lernen und auf
angehörige wohl ein größeres Thema (ensemble-netzwerk.de).
der Stelle zu treten. Schauspiel ist ja viel mehr als nur deutsches
Neben den für den Diplomabschluss verpflichtenden Unterrichts-
Sprechtheater. Es wird einem in der Schauspiel-Ausbildung an
einheiten fehlt es also an Abwechslung, Freiräumen oder alter-
der HfMDK vor allem ein Weg beleuchtet, der zu bestreiten ist,
nativen Angeboten, die man in den vorgegebenen Stundenplan
und der ist in keinster Weise verwerflich. Nur muss ich alle
unterbringen kann. Somit liegen viele Workshops in den vor-
alternativen Ideen eben angesichts der knappen Studienzeit
lesungsfreien Zeiten. Gerade deshalb ist es nötig, am Lehrangebot
durchboxen, erfahren und mir ermöglichen. Was schade ist, denn
mitgestalten zu dürfen. Das erweist sich aber als sehr mühsam.
die Schauspielkunst muss unbedingt erfrischt werden und neue
Denn obwohl der Studiengang Schauspiel so persönlich und
Impulse erhalten, meines Erachtens. Ich verstehe aber, dass in
professionell geführt wird, birgt eben genau dieses Privileg Vor-
der Umsetzung ein längerer Prozess und Weg vonnöten ist –
und Nachteile. Beim bloßen Erdenken von Alternativen tritt man
es gibt viel zu tun!
entweder jemandem persönlich auf die Füße oder scheitert an institutionellen Hürden.
51
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
An den deutschsprachigen Schauspielschulen hat der Bologna-Prozess nur Verwirrung gestiftet
IM CHAOS DER ABSCHLÜSSE Von Prof. Marion Tiedtke, Ausbildungsdirektorin Schauspiel an der HfMDK Nirgendwo anders als an den 18 deutschsprachigen und staat-
jährigen Bachelor einen zweijährigen Master, der allerdings
lich geförderten Schauspielschulen hat der Bologna-Prozess
eine Spezialisierung bringen soll: zum Performer oder projekt-
abstrusere Blüten getrieben und zu sechs verschiedenen Ab-
geschulten Freischaffenden? – Wer weiß, denn die neuen
schlüssen der Grundausbildung geführt. Dabei wird überall
Studienkonzepte für einen Master sind momentan in der
dasselbe mit geringfügigen Angebotsverschiebungen gelehrt. In
Entwicklungsphase.
all dem Chaos ist kein Land in Sicht. In München, Zürich und Bern können angehende Schauspieler einen dreijährigen Bachelor
ABSCHLÜSSE ALS KONKURRENZPRINZIP?
machen; an der Folkwang-Universität Essen in vier Jahren jedoch
Über sieben Jahre haben wir im Ausbildungsbereich Schauspiel
ein Arts Diploma erwerben, in Hamburg, Potsdam und Stuttgart
an der HfMDK nun abgewartet und gehofft, dass sich am Horizont
hingegen mit derselben vierjährigen Studienzeit nur einen Bachelor,
eine einheitliche Richtlinie abzeichnet. Doch die Zeit des Wartens
während die Hochschulen Rostock und Leipzig mit einem vier-
klärt nichts. Sie zeigt uns nur, wie der Abschluss nun als neues
jährigen Turbomaster winken. Die österreichischen Ausbildungs-
Konkurrenzprinzip unter den Schulen dient. Nicht um Bologna
institute haben sich entschlossen, alles beim Alten zu belassen:
geht es, sondern um die Frage, wer den formal hochwertigeren
Dort schließt der zukünftige Schauspieler mit einem Diplom ab.
Abschluss anbietet und damit auf die spannenderen Bewerber
Die Ernst-Busch-Hochschule bleibt ebenfalls beim Diplom, wohin-
hoffen kann. Der inhaltliche Austausch, den der Bologna-Prozess
gegen die Universität der Künste Berlin nach vier Ausbildungsjahren
hätte initiieren können, ist zum Schlagabtausch der Abschlüsse
dem zukünftigen Schauspieler den Titel „Absolvent“ verleiht. In
geworden.
Bern und München entwickelt man zur Zeit nach dem drei-
52
IM CHAOS DER ABSCHLÜSSE
Bei jährlich 400 Teilnehmern der Aufnahmeprüfung in Frankfurt
sammen mit dem Ausbildungsbereich Regie neue Proberäume
und acht Ausbildungsplätzen sollte der Abschluss oder der Kon-
und Büros erhalten, ebenso zwei feste Stellen mehr im Ausbil-
kurrenzdruck zwischen den Schulen eigentlich kein Problem sein,
dungsteam. Dennoch sind wir im Ranking der anderen Schau-
oder? Eben doch! Da Bewerberinnen und Bewerber sich meist nicht
spielausbildungsinstitute immer noch das kleinste Ausbildungs-
im Metier auskennen, wird der Abschluss zu einem Ausschluss-
team – und als einziges ohne eigene Aufführungsbühne!
kriterium der gewählten Hochschulen. Mögliche Aspiranten und Hochbegabte, die ernsthaft recherchieren und sich informieren,
Zum Glück stiften die Kooperationen der Hessischen Theater-
wählen traditionsreiche Schulen oder aber den vermeintlich
akademie eine Praxisnähe, die uns ohne eigene Bühne komplett
„besseren“ Abschluss. Wieso soll auch jemand vier Jahre für eine
fehlen würde. Abgesehen davon dürfen wir aber nicht vergessen,
teure Schauspielausbildung investieren, wenn am Ende „nur“ ein
dass ein Viertel unseres zeitgenössischen Ausbildungsangebotes
Bachelor herausspringt, obgleich man andernorts dafür ein Arts
im Film- und Hörfunkbereich sowie die renommierten Workshops
Diploma in den Händen hält? So nehmen sich die Abschlussbezeich-
mit hochkarätigen Theaterkünstlern nur durch Drittmittel finanziert
nungen fast wie ein Etiketten-Schwindel aus, weil wir alle mehr
werden konnten. Im Ausbildungsetat sind diese Leistungen nicht
oder weniger in der Grundausbildung dasselbe tun. Der Unter-
abgedeckt, obwohl sie unser Profil als kleinste deutsche Schau-
schied liegt wie eh und je vor allem in den Persönlichkeiten und
spielschule hervorragend schärfen.
Methoden der Lehrenden und in der Ausstattung des Ausbildungsinstitutes.
Wir kämpfen um jedes Talent. Aber Frankfurt ist teuer und gilt als nicht so attraktiv wie München, Hamburg und Berlin, wo es auch
DIPLOM BLEIBT ANERKANNT!
jeweils mehr als nur ein Stadttheater als Partner vor Ort gibt. Und
Allein der hochengagierten und engen Zusammenarbeit unseres
ob uns die Drittmittel jedes Jahr so umfangreich zur Verfügung
fünfköpfigen Ausbildungsteams und den 25 Lehrbeauftragten
stehen, ist unsicher. Leider entfällt demnächst nach acht Jahren
aus den HTA-Bühnen ist es bis jetzt zu verdanken, dass unsere
Erfolgsgeschichte unsere Gastprofessur im Ausbildungsbereich
Absolventenvermittlung mit 90 bis 100 % an vorderster Stelle
Schauspiel und Regie durch die Kürzungen der Gesamtförder-
steht. Das ist ein großer Erfolg, der zeigt, dass unser Studien-
summe in der Gesellschaft der Freunde und Förderer der
angebot im Arbeitsfeld der Theater als sehr gut wahrgenommen
Hochschule. – Wie sieht die Zukunft aus?
wird. Dennoch machen wir immer wieder die bittere Erfahrung, dass Bewerber und Bewerberinnen an die Hochschulen gehen,
KULTURCAMPUS STÄRKT PROFIL
die ihnen mehr Personal und Räume zur Verfügung stellen. Zum
Angesichts dieser Umstände sind wir schlecht beraten, einen
Glück können wir noch den anerkannten Diplom-Abschluss
vierjährigen Bachelor anzubieten, der uns auch in der Zertifizie-
anbieten, der übrigens in unserem Studiengang den internatio-
rung des Abschlusses ans letzte Drittel der Schauspielschulen
nalen Austausch in keiner Weise verhindert hat. Im Gegenteil:
setzt und damit summa summarum zum Schlusslicht degradiert.
Hierfür haben sich immer sehr gute Lösungen gefunden.
Bevor wir uns also entschließen, wie und was der neue Abschluss sein soll, gilt es, unser bisher erarbeitetes Profil auf finanziell
KLEINSTES TEAM MIT GROSSER QUOTE
sichere Füße zu stellen und es mehr und mehr zu schärfen. Der
An den Schauspielinstituten ist es bisweilen wie beim Profi-
Kulturcampus könnte uns dabei sehr helfen, wenn seine Realisa-
Fußball: Wer mehr Geld hat, hat mehr Personal, mehr Räume
tion nicht so weit in der Zukunft läge. Mit anderen Worten: Wir
und Projektgelder, kann sich renommiertere Lehrkräfte leisten
müssen genau überlegen, wie wir uns als echte Alternative gegen-
und hat schließlich die besseren Spieler – und bzgl. Personal,
über den anderen Schulen profilieren können. Diesen Ehrgeiz
Raum und Etat steht der Ausbildungsbereich Schauspiel der
sollten wir haben, um aus unseren Nachteilen des kleinen Budgets
HfMDK im Vergleich mit den 18 anderen staatlichen Schauspiel-
und Teams den Vorteil einer persönlichen, hochkarätigen Ausbil-
schulen leider an letzter Stelle. In den vergangenen acht Jahren
dung im Netzwerk der neun Bühnen der Hessischen Theater-
konnten wir unsere Ausbildungssituation durch die tatkräftige
akademie herauszuarbeiten. In letzter Konsequenz dürfen wir den
Unterstützung von Hochschulkanzlerin Angelika Gartner und
Ereignissen von Bologna nicht nur willfährig hinterher laufen, weil
Präsident Thomas Rietschel enorm verbessern: Wir haben zu-
die Akkreditierung unserer Hochschule ansteht. 53
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN
FRAGEN AN STUDIERENDE Lena Ganter, Studentin für Theater- und Orchestermanagement, Absolventin in Angewandter Musikwissenschaft und Musikpädagogik B.A. an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl – und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? Wahlmöglichkeiten innerhalb des Studiengangs sind aufgrund der Studierendenanzahl von acht Personen nicht möglich. Für die Möglichkeit, an Unterrichtseinheiten anderer Studiengänge zusätzlich teilzunehmen, wird nicht geworben (Chance!). Freiräume zum Arbeiten und für Freizeitaktivitäten sind definitiv gegeben. Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz? Ich selbst habe nur nach meinem Bachelor den Studienort gewechselt. Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den Berufseinstieg/-alltag vorbereitet? Nach meinem Bachelor konnte ich das auf gar keinen Fall sagen. Ein Master war für mich ein Muss. Jetzt fühle ich mich hervorragend vorbereitet und freue mich auf den Berufseinstieg.
54
PERSÖNLICHES
STIFTUNGSPROFESSUR FÜR NEUE MUSIK VERLÄNGERT Die HfMDK schärft mit Neuer Musik weiter ihr Profil
Von Dr. Sylvia Dennerle Im Jahr 2013 installierte die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main (HfMDK) den bundesweit einmaligen Lehrstuhl „Interpretatorische Praxis und Vermittlung Neuer Musik“ und berief hierfür den international renommierten Cellisten Lucas Fels auf die Stiftungsprofessur. „Die Zusagen der Aventis Foundation, der Dr. Marschner Stiftung
Professor Lucas Fels verfolgt mit seiner Arbeit eine klare Intention:
und der Ernst Max von Grunelius-Stiftung, die Finanzierung der
„Um die Musik seit 1945 und die Werke lebender Komponisten
Stiftungsprofessur für zeitgenössische Musik bis 2018 zu ver-
aufführen zu können, brauchen wir entsprechende Fertigkeiten,
längern, bieten der HfMDK eine nachhaltige Qualitätssteigerung
die zu erlernen ein selbstverständlicher Teil unserer Instrumental-
der Lehre im Bereich der Neuen Musik und damit die Schärfung
ausbildung sein muss. Musiker sind ausführende Interpreten,
unseres Profils im nationalen und internationalen Wettbewerb“,
aber auch Initiatoren, Anreger, Korrektiv, Diskussionspartner etc.
freut sich HfMDK-Präsident Prof. Christopher Brandt. Der Stellen-
für Komponisten. Schon immer in der Musikgeschichte haben
inhaber Lucas Fels ist ein international ausgewiesener Experte auf
die Interpreten maßgeblich die Entwicklung der Musik mit-
dem Gebiet der zeitgenössischen Musik und ein herausragender
bestimmt, nur leider haben die meisten Musiker diese Rolle in
Cellist.
den letzten Jahrzehnten vernachlässigt. Ebenso sind es die Musiker, die die Veranstalter und das Publikum am besten
„Ein wesentliches Ziel der HfMDK ist es, für die Kunst zu be-
überzeugen können vom unendlichen Reichtum der zeitgenös-
geistern und damit auch den Erhalt und Ausbau eines lebendigen
sischen Musik. Je besser wir sie verstehen, je mehr wir darüber
Kulturlebens zu gewährleisten. Deshalb setzt die Hochschule
wissen, je selbstverständlicher wir die unendlich vielen Facetten
auch einen Akzent auf die Auseinandersetzung mit und die
und Spielarten der heutigen Musik auf unseren Instrumenten
Ausbildung in zeitgenössischer Musik. Das Lehrangebot Inter-
beherrschen, desto besser können wir sie vermitteln – als Musi-
pretatorische Praxis und Vermittlung Neuer Musik ergänzt hervor-
ker auf der Bühne und als Vermittler bei den verschiedensten
ragend die bisherigen Aktivitäten der Hochschule in diesem
Gelegenheiten.“
Bereich – wie u .a. die Etablierung des hausinternen Instituts für zeitgenössische Musik IzM und die Einrichtung des Master-
Seine Arbeit wirkt bereits deutlich in den Hochschulalltag: Der
studiengangs Internationale Ensemble Modern Academy (IEMA).
Umgang mit den verschiedensten Aspekten der zeitgenössischen
Dabei sind wir stolz, eine so herausragende Künstlerpersönlichkeit
Musik wird für die Studierenden durch die Praxis und Vermittlungs-
für diese Aufgabe gewonnen zu haben“, erklärt Prof. Christopher
veranstaltungen immer selbstverständlicher, die Zusammenarbeit
Brandt.
mit den Kompositionsklassen hat sich intensiviert, das Institut für zeitgenössische Musik IzM der Hochschule organisiert und veranstaltet in diesem Zusammenhang eine immer größer werdende Palette an Aufführungsmöglichkeiten.
55
Eine Stiftung für das Mehr an Ausbildung in Musik, Theater und Tanz an der HfMDK Förderer gründen die Stiftung für die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main
„Zusätzliche Fördergelder erweitern das Angebot der Hochschule
Zum Gründungszeitpunkt ist die Stiftung für die Hochschule
für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main: Ein inspi-
für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main mit einem
rierendes Beispiel ist für mich die Gastprofessur für Liedgestaltung
Grundstockvermögen in Höhe von rund 1 Million Euro ausge-
von Helmut Deutsch.“ Das sagt die Sopranistin Kateryna Kasper,
stattet. In der Regel sollen Stiftungen ihr Vermögen auf Dauer
die heute Ensemblemitglied der Oper Frankfurt ist, im Rückblick
erhalten. Einzig mit den Erträgen, zum Beispiel aus der Kapital-
auf ihre Studienzeit an der HfMDK.
anlage, können sie Projekte fördern und damit ihren Satzungszweck erfüllen. Deshalb ist es wichtig, dass möglichst viele Zustifter die
Gastprofessuren, Stipendien und Stiftungsprofessuren tragen nach-
HfMDK-Stiftung unterstützen.
haltig zu exzellenten Ausbildungsbedingungen und zur Strahlkraft einer Hochschule bei. Doch solche ergänzenden Angebote benö-
„Die HfMDK-Stiftung ergänzt und erweitert das Engagement
tigen eine über mehrere Jahre gesicherte Finanzierung. Mehrere
der Freunde und Förderer insbesondere für langfristige Projekte.
Förderer der Hochschule gründen noch im Oktober 2016 eine selb-
Dazu gehört zum Beispiel die Einrichtung von Stiftungs- und
ständige gemeinnützige Stiftung, die Förderzusagen für mehrere
Gastprofessuren, die das Lehrangebot erweitern. Vor allem für
Jahre geben kann. Die Stiftung soll in Zukunft zum Mehr an Aus-
solche Vorhaben, die eine verbindliche Finanzierung für mehrere
bildung in Musik, Theater und Tanz beitragen und ergänzt die
Jahre benötigen, bieten Stiftungen gute Fördermöglichkeiten.
Fördertätigkeit der Gesellschaft der Freunde und Förderer sinnvoll.
Für diese Aufgaben benötigt die HfMDK-Stiftung ein möglichst starkes Fundament. Dafür wünsche ich ihr viele weitere Zustifter,
„Durch die Budgetierung der Hochschuletats sind die deutschen
vor allem aus der Region!"
Hochschulen zunehmend auch darauf angewiesen, Drittmittel
Dr. Clemens Börsig, Vorstandsvorsitzender der
einzuwerben und eigenes Vermögen aufzubauen. Hierzu ist die
Deutsche Bank Stiftung, Gründungsstifterin
Gründung einer hochschuleigenen Stiftung das geeignete Vehikel, um Spenden für den laufenden Verbrauch der Hochschule, aber
Der Kapitalstock der HfMDK-Stiftung soll in den nächsten
auch Zustiftungen in den Grundstock des Vermögens der Stiftung
Jahren weiter wachsen. „Die Stiftung bietet den idealen Rahmen
einwerben zu können. Insbesondere die Möglichkeit der Zustiftung –
für alle Freunde und Förderer der Hochschule, die sich mit größeren
etwa wie bei den Hochschulen nach amerikanischem Vorbild –
Zuwendungen oder Testamentsspenden engagieren möchten“,
eröffnet der Hochschule die Möglichkeit, über ihre Stiftung Ver-
betont Präsident Prof. Christopher Brandt. „Überdies kann die
mögen aufzubauen und dadurch langfristig zur Hochschulfinan-
Stiftung auch Dachstiftung für Treuhandstiftungen und Stiftungs-
zierung beizutragen. Gleichzeitig eröffnet die Stiftung den Alumni
fonds sein. Die Stifter helfen so der Hochschule, unser kulturelles
der Hochschule die Möglichkeit, ihre Dankbarkeit gegenüber der
Erbe nachhaltig zu pflegen, es an neue Generationen weiterzu-
Hochschule zu zeigen, indem sie spätere Generationen von
geben und zeitgenössische Entwicklungen anzustoßen.“ Zu den
Studierenden über die Stiftung unterstützen.“
Gründungsstiftern der ersten Stunde gehören Mitglieder der
Peter Gatzemeier, Vorstand der Dr. Marschner Stiftung, Gründungsstifterin
56
Gesellschaft der Freunde und Förderer und Stiftungen, die der Hochschule seit langem verbunden sind.
„Ich möchte das an die Hochschule zurückzugeben, was ich
Als Vorstandsmitglieder stellen der Präsident Prof. Christopher
selbst glücklicherweise ermöglicht bekommen habe, auch wenn
Brandt und die Kanzlerin der HfMDK, Angelika Gartner, eine
die Fakultät eine andere war. Wir unterstützen die Stiftung,
enge Verbindung zwischen der Stiftungsarbeit und dem
um den jungen Studierenden aus aller Welt eine exzellente
Förderbedarf der Hochschule sicher. Rechtsanwalt Dr. Stefan
Ausbildung zukommen zu lassen.“
Stolte, Mitglied der Geschäftsführung im Deutschen Stiftungs-
Günter Prack, Mitglied der Gesellschaft der Freunde
zentrum (DSZ) und Partner der HfMDK-Stiftung bei Finanzver-
und Förderer der HfMDK und Gründungsstifter
waltung und Vermögensbewirtschaftung, komplettiert den ersten Stiftungsvorstand.
Bereits 2017 kann aus den Erträgen der Stiftung eine Gastprofessur finanziert werden. Bis 2020 soll das Grundstockvermögen mithilfe
„Vorstand und Beirat der Dr. Marschner Stiftung wünschen der
weiterer Zustiftungen auf fünf Millionen Euro wachsen. Dann
HfMDK-Stiftung, dass sie ihr Vermögen vergrößern kann, indem
könnte die HfMDK-Stiftung ihre erste Stiftungsprofessur an der
sich weitere Stiftungen, Privatpersonen und insbesondere auch
Hochschule einrichten.
Alumni der Hochschule in der HfMDK-Stiftung finanziell engagieren. Die HfMDK-Stiftung soll zukünftig in der Lage sein, die
„Engagement bedeutet raus aus dem Sessel und sich aktiv in die
Arbeit der Hochschule finanziell zu unterstützen und ihren
Gestaltung der HfMDK-Stiftung einzubringen sowie intensiv für
Studierenden eine glänzende Ausbildung auf höchstem Niveau
die Mittelaufbringung zu werben. Nur so lassen sich Wünsche
zu ermöglichen.“
erfüllen – und die gibt es zur Genüge!“
Peter Gatzemeier, Vorstand der Dr. Marschner Stiftung, Gründungsstifterin
Hildegard Prack, Mitglied der Gesellschaft der Freunde und Förderer der HfMDK und Gründungsstifterin
Die Gründungs- und Zustifter haben als Mitglieder im Stiftungsrat die Möglichkeit, den Vorstand zu beraten, die Stiftungsarbeit aktiv zu begleiten und als Botschafter zum Aufbau der Stiftung beizutragen.
Stiftung für die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main
Die besten Studienbedingungen für die begabtesten Musiker, Schauspieler
Zustiftungen ins Stammkapital der Stiftung sind ab 5.000 Euro möglich.
und Tänzer aus aller Welt zu schaffen – dafür engagieren sich die Freunde und
Beträge darunter werden als Spende behandelt. Stifterinnen und Stifter, die
Förderer der HfMDK. Die 2007 gegründete Gesellschaft der Freunde und Förderer
mit mindestens 100.000 Euro zur Ausstattung des Stiftungsvermögens
der HfMDK e.V. ermöglicht Stipendien, Meisterkurse, herausragende künstlerische
beitragen, bis ein Stiftungskapital in Höhe von 2 Millionen Euro erreicht ist,
Projekte wie Opern- und Theaterproduktionen und vieles mehr. In Zukunft gibt
sind als Gründungsstifter geborene Mitglieder des Stiftungsrats.
es für die Förderer neben dem knapp 300 Mitglieder starken Freundeverein ein weiteres Angebot: Die Stiftung für die Hochschule für Musik und Darstellende
Haben Sie Fragen rund ums Stiften – oder möchten Sie als Gründungs- oder
Kunst Frankfurt am Main soll eine gute Adresse für Zustifter und Vermächtnisgeber
Zustifter für die Stiftung für die HfMDK aktiv werden? Dann wenden Sie
werden. Förderer können so die HfMDK auf lange Sicht unterstützen und sich
sich gerne an das Fundraisingbüro der HfMDK.
für ihre nachhaltige Entwicklung, zum Beispiel durch weitere Stiftungs- und Gastprofessuren und den Ausbau der Stipendienprogramme, einsetzen. Partner
Ihre Ansprechpartnerin ist Dr. Laila Nissen:
in der Finanz- und Vermögensverwaltung der Stiftung für die HfMDK ist das
laila.nissen@hfmdk-frankfurt.de
Deutsche Stiftungszentrum (DSZ).
Telefon 069 / 154 007 210 57
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – PERSÖNLICHES
HONORARPROFESSUR FÜR CLAUS KÜHNL
AUS EINS MACH ZWEI Deutschlandstipendium an der HfMDK
Von Prof. Christopher Brandt
Von Beate Eichenberg
Für eine nachhaltige Qualitätssicherung der Lehre im Bereich der
Zu den Stipendienangeboten der Hochschule für Musik und
Neuen Musik und damit die zusätzliche Schärfung unseres Profils
Darstellende Kunst Frankfurt am Main gesellt sich ein besonderes
im nationalen und internationalen Wettbewerb steht auch die
Stipendium dazu: Im Wintersemester 2016/17 vergibt die
jüngste Verleihung einer Honorarprofessur an den langjährigen
HfMDK die ersten Deutschlandstipendien. Damit beteiligt sich
HfMDK-Dozenten Claus Kühnl.
die Hochschule erstmals an dem bundesweiten Förderprogramm, das 2011 von der Bundesregierung eingeführt wurde.
Als Komponist, Dirigent und Pianist ist er einer der wichtigsten und einflussreichsten Künstler, die schon über viele Jahre das
Das Deutschlandstipendium ist eine ebenso einfache wie außer-
zeitgenössische Musikleben nicht nur in der Stadt Frankfurt
gewöhnliche Form der Förderung begabter Studierender – es
prägen. Moritz Eggert, sein ehemaliger Schüler (und heute selbst
wird zur Hälfte von Privatleuten, Vereinen, Stiftungen und Unter-
international bekannter Komponist mit Professur in München),
nehmen finanziert, die andere Hälfte übernimmt der Bund. Jede
porträtiert den bescheidenen Menschen, Kollegen und Freund
Seite bezahlt 1.800 Euro, sodass ein Stipendiat mit insgesamt
Claus Kühnl sehr treffend: „Zuerst einmal ist er ein phantastischer
3.600 Euro im Jahr gefördert wird.
Komponist, der eine ganz eigene, von großer Klangsinnlichkeit und vollständiger Durchdringung der technischen Möglichkeiten
Die ersten Deutschlandstipendien finanzieren die Gesellschaft der
geprägte Klangsprache entwickelt hat. Als Lehrer wirkt er nun
Freunde und Förderer der HfMDK sowie weitere Privatpersonen
schon seit mehr als drei Jahrzehnten am renommierten Dr. Hoch’s
und Stiftungen. Diese sehen es als gesellschaftliche Aufgabe
Konservatorium und hat wie kaum ein anderer den dortigen
und nachhaltige Investition in die Zukunft an, engagierte Nach-
Kompositionsunterricht geprägt. Kühnl vermochte es, seine eigene
wuchstalente zu fördern. Dazu stärkt das Deutschlandstipendium
Begeisterung an Musik auf seine Studenten zu übertragen. Die
die für die deutschen Hochschulen und auch die HfMDK immer
bedingungslose Großzügigkeit dem Nachwuchs gegenüber hat er
wichtiger werdende Vernetzung von Ausbildung und Wissen-
sich bis heute bewahrt, und das ist wirklich bewundernswert“.
schaft, Gesellschaft und Wirtschaft.
Ich selbst bin stolz darauf, Kühnls „Nocturne en Sarabande“ für
Um ein Deutschlandstipendium können sich alle Studierenden
Gitarre solo seinerzeit angeregt und aus der Taufe gehoben zu
der HfMDK bewerben, inklusive der Bewerber, denen ein Studien-
haben – es war eine der für mich nachhaltigsten und angenehmsten
platz an der Frankfurter Hochschule zugesagt wurde. Die Aus-
Zusammenarbeiten zwischen Komponist und Interpret, und so ist
wahlkriterien umfassen sehr gute Schul- oder Studienleistungen
es auch für mich persönlich eine große Freude, durch die längst
sowie soziales und gesellschaftliches Engagement oder besondere
überfällige Verleihung der Honorarprofessur an Claus Kühnl in
persönliche Umstände oder Erschwernisse in der eigenen Bil-
meiner Amtszeit als HfMDK-Präsident einen Akzent auf die zeit-
dungsbiografie. Das Deutschlandstipendium ist hilfreicher Beitrag
genössische Musik und einen ihrer würdigsten Vertreter gesetzt
zum Lebensunterhalt und als Exzellenzstipendium auch Aus-
zu haben.
zeichnung und Motivation. Die vom Bund geregelte Förderquote liegt zurzeit bei 1,5 % der Studierenden einer Hochschule, das heißt, die HfMDK vergibt im Herbst 13 Stipendien.
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IMPRESSUM
Frankfurt in Takt – Magazin der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main Eschersheimer Landstraße 29–39 60322 Frankfurt am Main www.hfmdk-frankfurt.de
Herausgeber Prof. Christopher Brandt, Präsident der HfMDK Redaktion Björn Hadem (bjh) bhadem@arcor.de Redaktionsbeirat Dr. Sylvia Dennerle, Prof. Hedwig Fassbender, Björn Hadem, Sina-Mareen Retolaza (als Gast), Dr. Laila Nissen, Anatol Riemer, Prof. Christopher Brandt, Prof. Eike Wernhard
Autoren Brigitte Binder, Prof. Christopher Brandt, Dr. Sylvia Dennerle, Philipp Dragic, Beate Eichenberg, Moritz Fabian, Lena Ganter, Clarissa Gocke, Katarina Graf, Björn Hadem (bjh), Prof. Dr. Werner Jank, Paula König, Johann Lieberknecht, Roxana Littau, Dr. Laila Nissen, Lena Möller, Johannes Müller-Hornbach, Sina-Mareen Retolaza, Caroline Rohde, Prof. Dr. Katharina Schilling-Sandvoß, Elias Schomers, Philippe Schwarz, Marie Schwesinger, Maren Schwier, Julia Seiwert, Prof. Dr. Maria Spychiger, Prof. Ursula Targler-Sell, Prof. Marion Tiedtke, Tilmann Warnecke Fotos Björn Hadem (37), Sören Balendat, Valentin Fanel, Nico Holonics, Manu Theobald Titelfoto Harfenistin Clara Simarro-Röll Layout Opak Werbeagentur GmbH, Münchener Str. 45, 60329 Frankfurt am Main Anzeigen Björn Hadem (es gilt die Preisliste 2011) Erscheinungsweise jeweils zu Beginn des Semesters Druck Brandenburgische Universitäts-Druckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbH Drittmittelkonto Account for Private funds IBAN: DE71 5005 0201 0200 1380 90 SWIFT-BIC: HELADEF1822 59
FRANKFURT IN TAKT 16/2 – PERSÖNLICHES
VON DER OFFENHEIT FÜR UMWEGE Hans Thomalla, Alumnus der Kompositionsklasse von Hans Zender an der HfMDK, ist heute Professor in Chicago
„Was machst du hier eigentlich als Dramaturg?“, fragte Helmut
Komponisten“, darunter auch Prof. Isabel Mundry als damalige
Lachenmann den jungen Hans Thomalla, als der bei der Inszenie-
Zender-Schülerin. Hans Zender habe es vorzüglich verstanden,
rung von „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ dramaturgisch
schlüssige Brücken zwischen Musikgeschichte früherer Epochen
assistierte. Eine berechtigte Frage an den Kompositionsstudenten
und zeitgenössischer Musik herzustellen – beispielsweise Beet-
von Hans Zender, der offenbar fünf Jahre nach seinem Studien-
hovens frühe Sonaten mit dem Oeuvre von Messiaen in Verbindung
beginn das Fach gewechselt zu haben schien, 1999 zunächst
zu bringen oder Schuberts Werke mit denen von Morton Feldman.
Dramaturgieassistent und später musikalischer Berater und
„Unglaublich offen und positiv“ habe Hans Zender ihn als Stu-
Produktionsdramaturg an der Stuttgarter Oper wurde. Eine Sehnen-
dierenden motiviert und angeleitet, während er mit dessen Pro-
scheidenentzündung hatte Hans Thomalla im sechsten Semester
fessoren-Kollegen Gerhard Müller-Hornbach die besten Seminar-
Kompositionsstudium eine Zwangspause beschert, die er prompt
erfahrungen – „Beethoven und die Norm“ – in Verbindung bringt.
nutzte, um in Stuttgart zunächst bei einer Rihm-Oper unter Leitung
Das Institut für zeitgenössische Musik gab es an der HfMDK
von Bernhard Kontarsky zu hospitieren. Den wiederum schätzte
damals noch nicht, wohl aber – zumindest in der Kompositions-
Hans Thomalla damals außerdem nicht nur als HfMDK-Professor
abteilung – eine Atmosphäre des freiheitlichen Studieren-Könnens.
im Fach Partiturspiel, sondern auch als „Treffpunkt“ der Interes-
Frei genug jedenfalls, dass Hans Thomalla sich als Gasthörer in
sierten für Neue Musik an der Frankfurter Hochschule. Die Kompo-
die Vorlesungen des Regie-Professors Hans Hollmann setzen
sitionsklasse von Hans Zender hat Hans Thomalla, mittlerweile
und sich dort handwerkliches Wissen aus einer Nachbardisziplin
selbst Professor für Komposition an der Northwestern University
aneignen sowie schließlich für den Regisseur Schauspielmusik
in Chicago, derweil als „eine richtige Meisterklasse im alten Stil“
schreiben konnte. Ein lohnenswerter Umweg, wie sich an der
in Erinnerung – mitten im Kreis „äußerst intelligent diskutierender
Stuttgarter Oper für Hans Thomalla später herausstellen sollte.
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Foto: Manu Theobald
SERIE:
VERSCHLUNGENE LEBENSWEGE UNSERER ALUMNI №5
Dort debütierte er im Jahr 2011 als Komponist seiner ersten Oper
nen. Hauptberuflich verbindet er mit seinem Lehrstuhl in Chicago
„Fremd“ für Solisten, Chor, großes Orchester und Elektronische
die Leitung des universitätseigenen Instituts für Neue Musik, das
Klänge. Seine zweite Oper „Kaspar Hauser“ erlebte im Frühling
gleichnamige Aktivitäten an der großen Northwestern University
2016 am Theater Freiburg ihre Uraufführung.
mit integrierter Musikhochschule bündelt und koordiniert, musikalische Projekte mit Festivals und Fachkonferenzen verbindet.
Eine Affinität zur USA hatte Hans Thomalla schon immer: In ihm wuchs während des HfMDK-Studiums der Wunsch, an eine große
Auf die Frage, was seinen Werdegang ausgemacht habe, ant-
amerikanische „Research-Uni“ zu gehen, um sein Wissen zu
wortet der 41-jährige Hans Thomalla heute: „Es war unter anderem
erweitern. Nicht zuletzt sei es als zweifacher Familienvater auch
meine Offenheit dafür, Umwege zu gehen und dafür zu nutzen,
der ökonomische Druck gewesen, der ihn zum Auswandern aus
den eigenen Horizont zu erweitern.“ Den Vorteil, an der Frankfurter
Deutschland bewogen habe, in dem Anfang des neuen Jahr-
Hochschule jedenfalls ohne curriculare Gängelung studiert haben
tausends die beruflichen Perspektiven für Komponisten alles
zu können, schätzt er ungemein. Er ermuntert heute Studierende
andere als rosig anmuteten. Von 2002 bis 2007 arbeitete er als
dazu, „wirklich in sich hinein zu hören und den ureigenen Interes-
Doktorand an der Stanford University, wo er seine Studien bei
sen zu folgen“. Der Rest ist wohl Hartnäckigkeit, nämlich „mit
Brian Ferneyhough fortsetzte. „Ich war mir eigentlich immer
guten Ideen die Institutionen so lange zu nerven, bis die bereit
sicher, dass ich wieder zurück nach Deutschland gehen würde“,
sind, deine Vision umzusetzen.“
bjh
sagt Hans Thomalla und hat es auch getan – allerdings nur besuchsweise als Dozent für Meisterkurse und Workshops, darunter die Darmstädter Ferienkurse, wie für musikalische Kooperatio61
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Gerhard Müller-Hornbach mit seiner Frau Susanne.
U(H)RFEDER IM HOCHSCHULBETRIEB Kompositionsprofessor Gerhard Müller-Hornbach geht in den Ruhestand Mit drei Konzerten verabschiedete sich die HfMDK im Sommer-
Ich weiß, dass dein Kompositionsprofessor, Hans Ulrich Engel-
semester 2016 von ihrem Kompositionsprofessor Gerhard
mann, bis zu seinem Tode dabei die zentrale Figur war. Und das
Müller-Hornbach, der mit 65 Jahren in den Ruhestand ging. Der
war sicher eine wechselseitige Zuneigung, gerne erinnere ich mich
Komponist, Dirigent und Pädagoge lehrte über mehrere Jahr-
an die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an dich im Jahre
zehnte an der HfMDK als Professor für Komposition und Musik-
2009, als der anwesende Hans Ulrich Engelmann äußerte, er
theorie. Im Jahr 2005 war er Mitbegründer des Instituts für
würde jetzt sehr gerne bei dir studieren.
zeitgenössische Musik an der HfMDK und stand seitdem dessen Direktorium vor. Zudem leitete er die Kompositionsabteilung und
1982 erhieltest du deinen Ruf als Professor für Musiktheorie und
zeichnete für den Masterstudiengang Internationale Ensemble
später für Komposition an unserer Hochschule und gehörst damit
Modern Akademie verantwortlich. Außerdem war er Projektleiter
quasi zum Urgestein des Hauses.
des „Schulprojekts Response“. Das kammermusikalische Abschiedskonzert mit dem Titel „Innere Spuren“ nahm Ernst
Bei der Wahl dieses Wortes muss und möchte ich mich korrigieren,
August Klötzke, Professor für Musiktheorie und Vizepräsident der
denn das, was das Gestein ausmacht, nämlich die unwiderrufliche
HfMDK zum Anlass, Gerhard Müller-Hornbachs inneren wie
Verhärtung, ist nun gerade nicht deines.
äußeren Spuren, die er an der Hochschule hinterlässt, nachzuspüren. Nachfolgend ein Auszug aus seiner Laudatio auf den
Die Goethesche Urpflanze trifft es auch nicht, schließlich bist du ja
scheidenden Pensionär Gerhard Müller-Hornbach.
definitiv da, und zwar als Ganzheit, vielleicht eher eine Art Urfeder, und wenn ich nach dem „U“ jetzt noch ein „h“ einfüge, dann
Nach dem Schulbesuch im nordbadischen Weinheim hast du
passt’s. Unermüdlich, wie eine solche Feder, setzt du dich für das
hier in Frankfurt Schulmusik und Komposition sowie an der
Haus ein. Das ist besonders, denn dieses nie Ruhende hat immer
Goethe-Universität Musikwissenschaften und Gesellschafts-
das Ganze im Blick und mehr noch: im Bewusstsein.
wissenschaften studiert.
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U(H)RFEDER IM HOCHSCHULBETRIEB
Dadurch bist du eine prägende Figur für die HfMDK geworden,
In all dem zeigt sich eben diese für dich typische Verbindung des
und dies nicht nur auf der Seite der Sache, sondern ebenso sehr
Lebens mit der Kunst: Es geht nie um Einzelphänomene, sondern
auf der menschlichen Seite. Dieses Menschliche, das für dich von
immer um deren Einbettung in einen größeren Zusammenhang.
einem sehr profund durchdrungenen Humanismus und einer
Das Eingebettet-Sein kenne ich auch aus deiner Musik: Der Ton
daraus resultierenden souveränen Weitsicht geprägt ist, wird
ist kein Einzelereignis, er ist vielmehr Teil einer künstlerischen
unserem Haus fehlen. Deine Maxime, das Komponieren als
Sozietät, so wie der Mensch eben auch nie einzeln, sondern immer
integralen Bestandteil deines Lebens zu empfinden, überträgst
Teil der Gesellschaft ist. Im Fokus deiner Tätigkeit hier stehen die
du auf die Lehre und den Umgang mit den Menschen und den
Lehre und besonders die Bildung und Ausbildung der nächsten
Umständen, die dir begegnen.
Komponistengenerationen.
Das Leben und die Kunst, das durchdringt sich auf Augenhöhe,
Es hat bei mir starke Eindrücke hinterlassen, dass du auch durch-
und es gibt wenig anderes, das auf dieser Augenhöhe mithalten
weg zu den Arbeiten deiner Studierenden eine kritische Distanz
kann. Nie habe ich erlebt, dass du laut wurdest, vielmehr verfügst
bewahrt hast: Du weißt sehr genau, wer da wo steht und gehörst
du über die besondere Gabe zu deeskalieren, wirre Fäden zu ordnen
erfreulicherweise nicht zu jenen Lehrenden, deren Lebensinhalt
und ihnen mögliche Bahnen zu zeigen. Oft habe ich in Sitzungen
darin besteht, die eigenen Studentinnen und Studenten per se
bemerkt, dass man in gewisser Weise auf deine Meinungsäußerung
hervorragend zu finden. Es mag damit zusammenhängen, dass
gewartet hat, um sich dann ein abschließendes Urteil zu bilden.
du eine unglaubliche Vielfalt hervorgebracht hast.
Daraus spricht ein unbedingtes Vertrauen des Kollegiums und der anderen Angehörigen der Hochschule.
Die mir bekannten Komponisten, die von dir gelernt haben, schreiben und reflektieren alle ganz verschieden. Es ist aus meiner
Vieles haben du und ich in den vergangenen nunmehr 15 Jahren
Sicht die höchste Qualität, die einen Lehrenden auszeichnet,
miteinander besprochen, unzählige Prüfungen haben wir zusammen
nämlich, dass die Interessen des Lehrenden zwar thematisiert,
abgenommen, an die ich sehr gerne zurückdenke – besonders an
aber nicht aufgezwungen werden.
die Zeiten, nachdem die Kandidaten den Raum verlassen haben. Was kommt nun? Für uns wird eine Lücke bleiben, das sage Mit deiner Hilfe konnte ich am Staatstheater Wiesbaden einige
ich ganz ohne Pathos, denn du bist weder als Mensch noch als
hochkarätige Produktionen veranstalten. Ein besonderes Highlight
Künstler noch als Lehrender und „akademischer Selbstverwalter“
ist, neben den vielen Einstudierungen und Dirigaten, zuletzt mit
zu ersetzen. Es wird eine andere oder ein anderer kommen, aber:
dem arg schönen Bernd Alois Zimmermann-Programm, die
Das werden andere sein, die Neues mitbringen, Gewesenes
„visualisierte Musik“.
verwerfen und hoffentlich die Bereitschaft zur Veränderung mitbringen, die dich auszeichnet. Auch die Möglichkeit, mal kurz
In all diesen Konzerten ist es uns gelungen, den jungen Künstlern
etwas mit dir zu besprechen, wird fehlen, ebenso wie deine
eine professionelle Bühne zur Verfügung zu stellen und dem
Offenheit, obwohl ich sie ab und zu ein wenig anstrengend fand,
Publikum hervorragende Interpretationen und Kompositionen zu
denn sie hat mir immer wieder die manchmal engeren Grenzen
bieten. So etwas zu initiieren und durchzuführen, gehört zu den
meiner eigenen Offenheit vor Augen geführt.
vornehmsten Pflichten unseres Tuns; damit wird ein wichtiger Aspekt der Vorbereitung unserer Studierenden auf die Zeit nach
Und was kommt für dich? Das lässt sich kurz und bündig
der Hochschule getätigt, wir wissen alle, dass dies eine sehr
sagen: Freiheit! Es wird früh morgens um 9.15 Uhr kein nerviger
schwierige Zeit ist.
Kollege mehr anrufen, um dich daran zu erinnern, dass du seit zehn Minuten Mitglied einer Prüfungskommission bist – das ist ja auch nur einmal passiert, aber immerhin: Es wird kein Mal mehr passieren! Du wirst komponieren, und damit kommt dann auch hoffentlich immer wieder etwas von dir zu uns zurück, nämlich: deine Musik. 63
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ERFOLGE UNSERER STUDIERENDEN – EINE AUSWAHL Das 2009 gegründete Aris Quartett
Anna Katherine Claus, Violine (Klasse
Theater- und Orchestermanagement:
(ehemals Kammermusikklasse Prof. Hubert
Prof. Susanne Stoodt), gewann beim
Julia Sinnhöfer wurde zum 1. Juli zur
Buchberger) mit Anna Katharina Wilder-
Symphonieorchester des Hessischen
Programmchefin der Musikfestspiele
muth, Noémi Zipperling, Caspar Vinzens
Rundfunks Ende Juni 2016 das Probespiel
Mecklenburg-Vorpommern ernannt.
und Lukas Sieber erhielt den zum dritten
um eine feste Stelle der 2. Violinen. Toni Müssgens wurde zum
Mal vergebenen Kammermusikpreis der Jürgen Ponto-Stiftung. Der Preis ist mit
Roeland Henkens, Trompete (Klasse
60.000 Euro dotiert sowie mit Einladungen Prof. Klaus Schuhwerk), hat nach Probespiel
Produktionsleiter der Theaterbiennale Wiesbaden ernannt.
zu großen Musikfestivals verbunden. Im
und anschließendem „Trial“ die Stelle
September gewann das Kammermusik-
als Solotrompeter an der Nationaloper
Dominique Thomann ist neue
ensemble den zweiten Preis des ARD-
Oslo gewonnen.
Orchesterdirektorin des Orchesters am Staatstheater Santiago de Chile.
Wettbewerbs, den dortigen Publikumspreis sowie drei weitere Sonderpreise: den
Lukas Kay, Trompete (Klasse Prof. Klaus
Sonderpreis „ProQuartet“, den mit 7.500
Schuhwerk), hat das Probespiel für die Aka-
Carolin Bergmann wurde zur Orchester-
Euro dotierten Osnabrücker Musikpreis
demiestelle bei den Berliner Philharmonikern
managerin in Trier ernannt.
sowie den mit einer CD-Produktion ver-
gewonnen. Simon Kranz wurde Kompaniemanager des
bundenen Sonderpreis „GENUNIN classics“.
Johannes Mayer, Tenor (Klasse Prof.
Staatsballetts Wiesbaden-Darmstadt.
Henriette Meyer-Ravenstein), wurde für Lara Boschkor, Violine (Klasse Prof. Erik
die Spielzeit 2015/2016 noch während des
Das Bassoon Consort Frankfurt,
Schumann), gewann den ersten Preis beim
Studiums mit einem Elevenvertrag ans
bestehend aus Studierenden, Alumni und
„Königin Sophie Charlotte, Internationaler
Staatstheater Mainz engagiert.
Lehrenden der Fagottklasse Prof. Henrik Rabien, wurde für die SACD-Einspielung
Wettbewerb für Violine“. Mark Reisig, Regie, und Cennet Voß,
der Goldberg-Variationen von J.S. Bach in
Schauspiel, sind als Stipendiaten der
der Fassung für Fagott-Ensemble mit einem
Studienstiftung des Deutschen Volkes
ECHO-Klassik in der Kategorie Kammer-
aufgenommen worden.
musikeinspielung, Musik bis inklusive 17./ 18. Jahrhundert/Bläser ausgezeichnet.
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The World´s Most Advanced Piano Has Arrived
Wir leben in einer Welt ständiger Veränderungen und technologischer Weiterentwicklungen, von den Bereichen Kunst und Kultur bis hin zu Computern und zur Kommunikation. Das neue Disklavier ENSPIRE spiegelt die Zeit, in der wir leben. Es verkörpert die perfekte Symbiose aus modernster digitaler Technologie und traditioneller Handwerkskunst, die Yamaha Pianos weltberühmt gemacht hat. Die zukunftsweisende digitale Funktionsvielfalt macht es zum idealen Instrument für den Einsatz zu Hause, in Schulen, Restaurants oder auch in Tonstudios, wobei das Disklavier ENSPIRE im Kern immer ein wunderschön verarbeitetes akustisches Piano mit einem vollen, resonanten Klang bleibt. Mit diesem Instrument erleben Sie schon heute das Piano der Zukunft. www.yamaha.com/dkv
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