Frankfurt inTakt - Wintersemester 2016/17

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Frankfurt in Takt Magazin der Hochschule fĂźr Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main

Schwerpunktthema

BOLOGNA UND DIE FOLGEN 16. Jahrgang, Nr. 2 Wintersemester 2016/2017 www.hfmdk-frankfurt.de


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Von Von Anfang Anfang anan mehr. mehr. Die Die Privatkundenberatung Privatkundenberatung der der Frankfurter Frankfurter Sparkasse. Sparkasse.


INHALT

2 EDITORIAL

von Prof. Christopher Brandt

42 Bologna in der Musikpädagogik

von Prof. Dr. Maria Spychiger

4 Bologna – mehr als Credit Points

45 Fragen an Studierende

von Sina-Mareen Retolaza

Philipp Dragic

10 Mit ehrlichem Blick aufs eigene Tun

47 Fragen an Studierende

Interview mit Sina-Mareen Retolaza,

Susanne Triebel, Prof. Ingo Diehl und

48 Arien nach Punkten: Bologna

Prof. Dieter Heitkamp 11 Akkreditierung – wer macht was? von Brigitte Binder

Clarissa Gocke und die Gesangsabteilung

von Prof. Ursula Targler-Sell

50 Fragen an Studierende

12 Fragen an Studierende

52 Im Chaos der Abschlüsse

Moritz Fabian

Maren Schwier und Paula König

16 Fragen an Studierende

54 Fragen an Studierende

Britta Schönbrunn und Elias Schomers

18 Exzellent mit Bachelor

Interview mit Prof. Dr. Martin Ullrich

Caroline Rohde

Neue Musik verlängert

Ausbildung in Musik, Theater und

Johann Lieberknecht und

Philippe Schwarz

58 Honorarprofessur für Claus Kühnl

28 Üben bleibt das Kerngeschäft Interview mit Prof. Christopher Brandt,

Riemer 30 Das Für und Wider der Systeme Interviews mit Prof. Dr. Martina Benz

36 Fragen an Studierende

von Beate Eichenberg

59 Impressum 60 Von der Offenheit für Umwege Verschlungene Lebenswege unserer

35 Fragen an Studierende Roxana Littau und Julia Seiwert

von Prof. Christopher Brandt stipendium an der HfMDK

und Prof. Dr. Constanze Rora

Tanz an der HfMDK

58 Aus eins macht zwei – Deutschland-

Prof. Christoph Schmidt und Anatol

von Dr. Sylvia Dennerle

56 Eine Stiftung für das Mehr an

26 Fragen an Studierende

Lena Ganter

55 Stiftungsprofessur für

21 Fragen an Studierende 22 Vom Segen und Fluch der Bürokratie

von Prof. Marion Tiedtke

Alumni: Prof. Dr. Hans Thomalla 62 U(h)rfeder im Hochschulbetrieb –

Johannes Müller-Hornbach

zum Abschied von Prof. Gerhard Müller-Hornbach

39 Fragen an Studierende

64 Erfolge unserer Studierenden

Lena Möller

40 Fragen an Studierende

Marie Schwesinger und Katarina Graf

von Prof. Ernst August Klötzke


FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

EDITORIAL Warum Bologna? Es gibt so viele spannende Themen rund

Als wir vor einigen Jahren begannen, unsere Diplomstudien-

um Hessens Hochschule für Musik, Theater und Tanz; gehören

gänge auf Bachelor und Master umzustellen, war das häufig der

Module, Credits und Studienverlaufspläne dazu? Warum

Anlass für gründliche Revisionen und Selbstreflexionen: Was ist

Bachelor und Master als Schwerpunktthemen dieses Heftes?

wichtig? Was kann raus? Was soll rein? Bildet der Fächerkanon

Als unsere Hochschule wie die meisten anderen in Europa vor

unserer Ausbildung noch die Inhalte ab, die im Beruf wichtig sind?

einigen Jahren in den Bolgnaprozess einstieg, also die bisherigen Studiengänge auf das System Bachelor und Master und die

Als Musiker, der selbst einmal an der Hochschule für Musik

dazugehörige Modularisierung von Studiengängen umstellte,

und Darstellende Kunst Frankfurt am Main studiert hat, habe ich

wurde damit ein System installiert, das weniger statisch als

am eigenen Leib erlebt, wie im Laufe der Jahre das eigentliche

prozesshaft ist. Nachdem einige Jahre ins Land gegangen sind,

Kerngeschäft meiner Tätigkeit, das aktive Musizieren und Unter-

ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um das System zu betrachten und

richten, zunehmend von administrativen und konzeptionellen

auch die interessierte Öffentlichkeit daran teilhaben zu lassen,

Anstrengungen, das ganze System irgendwie am Laufen zu

wie sich dieser Prozess konkret auf die Studien- und Arbeits-

halten, überlagert wurde. Das gilt für meine eigene Biografie als

bedingungen bei uns ausgewirkt hat.

Künstler und Pädagoge, es lässt sich aber auch auf das System Hochschule übertragen: Manchmal habe ich das Gefühl, jedes

Diese Hochschule bildet Künstler aus. Studierende und Leh-

gelungene Konzert, jede inspirierende Aufführung ist einem

rende ringen um künstlerische Inhalte, sei es beim Üben und

Regelwerk an Modulen und Credits regelrecht abgetrotzt, und

Musizieren, im Tanz, im Schauspiel, in der Wissenschaft oder

es bedarf aktiver Anstrengung, sich auf seine künstlerischen

in der Pädagogik. Zwar ist es inzwischen allgemein akzeptiert,

Aufgaben zu konzentrieren, statt sich von einem bürokratischen

dass Kunst schön ist, aber viel Arbeit macht. Worin aber genau

Regelwerk entmutigen zu lassen. Ich merke das auch bei der

diese Arbeit besteht, was man tun muss, welche Inhalte und

Arbeit mit Studierenden: Der Reigen an Fächern ist so umfassend,

Schwerpunkte für eine künstlerische Ausbildung wichtig und

dass man gemeinsam überlegen muss, wann geübt werden

notwendig sind – dies sind Fragen, die permanent auftauchen

kann und wieviel. Verkehrung der Dinge! Was ist da noch

und auch immer wichtiger werden, weil die Berufsfelder, auf die

Haupt-, was ist Nebenfach?

unsere Studierenden vorbereitet werden sollen, zunehmend komplexer werden.

Doch über die allgemeine Verschulung, die Bologna mit sich brachte, klagen auch andere: Geistes- wie Naturwissenschaftler. Glücklicherweise haben wir die Möglichkeit, die Konzeption unserer Studiengänge aktiv zu gestalten und machen davon auch Gebrauch. Zur Zeit revidieren wir wichtige und zentrale Studiengänge unserer Hochschule, beispielsweise den instrumental-künstlerischen Bachelor und die Gesangsausbildung.

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EDITORIAL

Doch was ist mit der Kunst? Lassen sich künstlerische Prozesse überhaupt in Credits und Modulen abbilden? Gehören zum Prozess der künstlerischen Selbstfindung und Vervollkommnung nicht Umwege und Irrwege untrennbar dazu? Lässt sich eine künstlerische Entwicklung in ein Korsett von Zahlen und Zeiten zwängen? Sind die individuellen Freiräume noch groß genug, um sich ungestört und intensiv dem widmen zu können, was einem wirklich wichtig ist? Es ist kein Geheimnis, dass die Modularisierung der Studiengänge und die damit einhergehende Verkürzung der Studienzeiten auch durch materielle und wirtschaftliche Überlegungen geprägt war – die Studierenden sollten schneller und effizienter auf ihr Berufsleben vorbereitet werden, Die Studienordnungen und Studienverlaufspläne, die vor

statt jahrelang ein verbummeltes Studentenleben zu führen.

einigen Jahren im Rahmen der Modularisierung der Ausbildung

Das mag für Ingenieure und Betriebswirte ja schön und gut sein,

erstellt wurden und seitdem einem permanenten Reflexions-

aber ergibt das in einer künstlerischen Ausbildung, wo die

und Revisionsprozess durch unsere Fachbereiche unterworfen

Berufsperspektiven vielfältig und häufig vage sind, der Übergang

sind, bilden das Rückgrat, die DNA unseres Wirkens. Viele

zwischen Studium und Beruf fließend und stromlinienhafte

Errungenschaften haben sich positiv auf das Studium ausgewirkt:

Karrieren selten sind, überhaupt Sinn? Ist Bologna nicht auch

Bologna hat Verbindlichkeiten geschaffen, wo sich früher

ein Symptom für unsere Unfähigkeit, den Studierenden um-

„durchgewurstelt“ wurde, hat uns die Möglichkeit gegeben, die

fassende Verantwortung für ihr eigenes Tun zuzutrauen?

Arbeitsleistung in allen Fächern zu quantifizieren, abzubilden, welche Gewichtung verschiedene Studieninhalte zueinander

Jedenfalls werden die vielfältigen Aspekte, unter denen der

haben. Die erhoffte höhere Vergleichbarkeit mit Studiengängen

Bolognaprozess betrachtet werden kann, in diesem Heft auf –

anderer Hochschulen, auch international, ist nicht so eingetreten

wie ich finde – spannende und nachvollziehbare Weise zusam-

wie erhofft: Es ist eher komplizierter geworden, Studienleistungen

mengefasst. Alle kommen zu Wort, Lehrende wie Studierende,

anderer Institute mit unseren abzugleichen. Überhaupt ist der

Verwaltung und Qualitätsmanagement, Musik, Schauspiel, Tanz,

Verwaltungsaufwand durch Bologna eher gestiegen, als dass es

Wissenschaft. Nach Lektüre dieser Ausgabe werden Sie einen

die Dinge vereinfacht hätte. Insgesamt jedoch hat der Reflexions-

umfassenden Einblick erhalten, wie an unserer Hochschule um

prozess, den Bologna mit sich brachte, dazu geführt, dass ein

Inhalte und Konzepte gerungen wird und welche gemeinsamen

höheres Bewusstsein dafür geschaffen wurde, was wichtig ist

Anstrengungen wir permanent unternehmen, um unsere Studien-

und was nicht – wenn auch manches Mal nur im Nachhinein. Doch

gänge immer aufs Neue interessant, inspirierend, attraktiv und

es war von Anfang an klar, dass eine so umfassende Studien-

vielseitig zu machen.

reform auf vielen Ebenen nicht für die Ewigkeit Bestand hat, sondern permanent überdacht und weiterentwickelt werden

Eine anregende Lektüre wünscht

muss. Viele Errungenschaften sind außerordentlich positiv: Die Einführung des Wahlkatalogs, die Möglichkeit, sich eigene

Prof. Christopher Brandt

Schwerpunkte innerhalb des Studiums zu setzen, wird gern und

Präsident der HfMDK Frankfurt am Main

begeistert angenommen, und die Verbindlichkeit, bestimmte Fächer belegen zu müssen, um die man früher eher einen Bogen gemacht hätte, hat zu einer Breite und Vielseitigkeit der Ausbildung geführt, durch die unsere Studierenden für ihre zukünftigen Berufsfelder gut aufgestellt sind.

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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

BOLOGNA – MEHR ALS CREDIT POINTS Von Sina-Mareen Retolaza, Bologna-Referentin der HfMDK

Was war der Bologna-Prozess gleich nochmal? Ach ja, wird manch einem einfallen, die Umstellung der Magister- und Diplomstudiengänge auf Bachelor und Master. Mensch, wird der eine oder andere dann denken, das schöne, bewährte deutsche Diplom! Warum musste das eigentlich abgeschafft werden? Vielleicht kommt dann jemandem in den Sinn: Genau, das war doch diese europäische Gleichmacherei, vergleichbare Abschlüsse sollten geschaffen werden. Mittlerweile kann man tatsächlich einen Bachelor in „Technologie der Kosmetika und Waschmittel“ absolvieren oder sich in den Weiterbildungsmaster „Change Management in der Wasserwirtschaft“ einschreiben. Mit was soll das denn nun aber vergleichbar sein? Und was soll überhaupt das Sammeln von Credit Points? Es lohnt sich, da doch noch einmal genauer hinzuschauen.

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BOLOGNA – MEHR ALS CREDIT POINTS

VOM LEHRENDEN ZUM LERNENDEN Studiengänge (weiter) zu entwickeln, heißt also nicht, lediglich Inhalte in Modulpakete zu gliedern und die Arbeitsstunden der Studierenden zu berechnen, um davon wiederum die Credit Points abzuleiten. Dieser Schritt dient als Unterstützung, um eine sinnvolle und transparente Struktur für einen Studiengang zu bauen. Vielmehr geht es in der Studiengangsentwicklung um die inhaltliche Arbeit: Auf Basis der insgesamt angestrebten Qualifikationsziele soll eine Gliederung entwickelt werden, die KomZIELE DES BOLOGNA-PROZESSES

petenzen sinnvoll zusammenfasst. Der oben genannte Paradigmen-

Zunächst sei angemerkt, dass zwischen Zielen und Instrumenten

wechsel spielt hier eine wichtige Rolle; er wird aber leider immer

unterschieden werden sollte. Denn die Modularisierung beispiels-

noch zu wenig mit dem Bologna-Prozess in Verbindung gebracht

weise ist kein Selbstzweck, sondern in einem größeren Kontext

und im Europäischen Hochschulraum auch noch nicht in jedem

zu sehen.

Studiengang, jedem Modul und letztlich jeder Lehrveranstaltung gelebt. Mit der sogenannten Output-Orientierung geht nämlich

Als Kernziele sind aufzuführen:

auch ein Perspektivenwechsel vom Lehrenden zum Lernenden

 die Einführung leicht verständlicher und

einher, auch als Studierendenzentriertheit bezeichnet: Im Mittel-

vergleichbarer Abschlüsse,

punkt stehen die Studierenden und ihre Lernprozesse.

 die Förderung der Mobilität aller Hochschulangehörigen,  die Verbesserung der Anerkennung von Studienabschlüssen und -leistungen,  die Förderung der europäischen Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung,  die Ermöglichung des Lebenslangen Lernens,

Es bleibt noch zu klären, wie sich das mit der Vergleichbarkeit der Abschlüsse verhält, wenn die Qualifikationsziele eines Studiengangs frei festgelegt werden können. Aber können sie das überhaupt? Oder gibt es eine Art „mindest-gemeinsamer Nenner“ für z. B. einen künstlerischen Bachelorabschluss im Fach Klavier?

 die Stärkung der sozialen Dimension der Hochschulbildung,  die Förderung der europäischen Dimension im Hochschulbereich, insbesondere in Bezug auf Curriculum-Entwicklung, Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Mobilitätsprojekte und integrierte Studien-, Ausbildungs- und Forschungsprogramme,  die Stärkung der Beschäftigungsfähigkeit („Employability“) von Hochschulabsolventinnen und -absolventen,  der Paradigmenwechsel von der Input-Orientierung („Welche Lehrinhalte sollen vermittelt werden?“) zur OutputOrientierung („Was sollen die Studierenden in der Lage sein, zu tun?“).

EIN PAAR ZAHLEN ZU STUDIENGÄNGEN  18.044 Studiengänge wurden von den deutschen Hochschulen im Wintersemester 2015/16 angeboten.  90,9 % davon waren Bachelor- und Masterstudiengänge.  1.162 Studiengänge boten die deutschen Musik- und Kunsthochschulen im Wintersemester 2015/16 an.

Instrumente, die der Erreichung der genannten Ziele dienen, sind die Einführung gestufter Studienabschlüsse, die Modularisierung,

 82,3 % davon waren Bachelor- und Masterstudiengänge.

die Anwendung eines Leistungspunktesystems („ECTS – European Credit Transfer and Accumulation System“) und die Ausgabe des Diploma Supplements als Ergänzung zu den Studienabschlussdokumenten.

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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

REFERENZRAHMEN GEBEN ORIENTIERUNG

VON DEN ZIELEN ZUR REALITÄT

Hier kommt das System der Referenzrahmen ins Spiel, die auf

Dann ist doch alles super mit Bologna, oder etwa nicht? Warum

europäischer und nationaler Ebene entwickelt wurden und deren

werden dann an den Hochschulen selbst und auch in den Medien

Ziel es ist, Abschlüsse verschiedener Bildungsstufen und Länder

Aspekte wie Verschulung, erschwerte Mobilität, Probleme mit

besser einordnen zu können, um z.B. die Entscheidung über eine

Anerkennungen und die Überlastung der Studierenden kritisiert?

Anerkennung zu vereinfachen. Die in diesen übergeordneten

Ist das ein anderer Bologna-Prozess? Natürlich nicht. Aber die

Referenzrahmen beschriebenen Lernergebnisse für die unter-

doch plausiblen Ziele treffen auf die Realität, die da heißt:

schiedlichen Bildungsniveaus sind sehr allgemein gehalten und

Schaffung von nationalen Strukturvorgaben sowie Akkreditierungs-

nicht auf eine bestimmte Disziplin bezogen. Im sogenannten

regeln und die tatsächliche Umsetzung an den Hochschulen.

Tuning-Projekt wurden allerdings auch sektorale Qualifikations-

Insbesondere in den Anfängen der Studiengangs-Umstellungen

rahmen für die Hochschulbildung erarbeitet. Im Rahmen dieses

wurde alles minutiös geregelt, eine sehr enge Verkettung der

Projektes wurde das Dokument „Sectoral Qualifications Frame-

Module eingebaut, die den Studierenden kaum ein Abweichen

work for the Creative & Performing Disciplines“ entwickelt, das

von den Studienverlaufsplänen ermöglichte, und fast jeder

konkretere Angaben für Musik und Kunst enthält, aber nicht auf

Lehrveranstaltung wurde eine Prüfung zugewiesen. Auch wurden

die Ebene konkreter Studienrichtungen vordringt. Speziell für das

mancherorts die Inhalte des – eventuell bewährten – Diplom-

Musikstudium wurden wiederum im ERASMUS-Themennetzwerk

studiengangs einfach in einen neuen Bachelorstudiengang

„Polifonia“ Lernergebnisse für alle Studienzyklen definiert. In der

überführt. Da dieser nun jedoch eine kürzere Regelstudienzeit

Gestaltung der Studiengänge muss letztlich jede Hochschule

aufwies, mussten de facto in kürzerer Zeit dieselben Inhalte be-

darauf achten, dass sie im Einklang mit den relevanten Referenz-

werkstelligt werden, und obendrein wurde dabei nicht kompetenz-

rahmen handelt. Hier gibt es wiederum beachtliche Unterschiede

orientiert modularisiert, sondern weiterhin vom Input her gedacht.

1

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zwischen den einzelnen europäischen Staaten. Während in Deutschland zum einen der Bereich Bildung inklusive Hochschulwesen aufgrund des Förderalismus Ländersache ist und zum anderen die Hochschulen große Autonomie erfahren haben, ist die Hochschulbildung in anderen europäischen Staaten zentral geregelt, was sogar so weit geht, dass auf nationaler Ebene Mindeststandards für konkrete Studiengänge definiert sind. Zum Thema Vergleichbarkeit stellt das Tuning-Projekt übrigens klar, dass es nicht um die Gleichheit der Studienprogramme geht oder um ein vorgegebenes europäisches Curriculum, sondern vielmehr um Referenzpunkte und ein gemeinsames Verständnis.3

1 „Europäischer Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (EQR)“ , Unterzeichnung der Empfehlung zur Einrichtung durch das Europäische Parlament und den Rat am 23. April 2008; „Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR)“, in Kraft getreten am 1. Mai 2013; „Qualifikationsrahmen für deutsche Hochschulabschlüsse“, Beschluss der KMK vom 21. April 2005. 2 Informationen zum Projekt siehe Website: www.unideusto.org/tuningeu/ (Abruf 25. August 2016). 3 „The name Tuning is chosen for the Process to reflect the idea that universities do not and should not look for uniformity in their degree programmes or any sort of unified, prescriptive or definitive European curricula but simply look for points of reference, convergence and common understanding.” Tuning Educational Structures in Europe, www.unideusto.org/ tuningeu/ (Abruf: 25. August 2016).

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BOLOGNA – MEHR ALS CREDIT POINTS

DER GROSSE BILDUNGSSTREIK Dass Studieren (und mitunter auch Lehren und Verwalten) so nicht funktioniert, wurde schnell deutlich und äußerte sich u. a. im großen Bildungsstreik 2009.4 Die Institutionen und Hochschulen reagierten: Die Strukturvorgaben wurden verändert und Studien- und Prüfungsordnungen überarbeitet. Im Frühjahr 2010 kündigte die damalige Bildungsministerin Annette Schavan den insgesamt zweimilliardenschweren Qualitätspakt Lehre an, der an den Hochschulen für einen Zeitraum von zehn Jahren (2011 bis 2020) Projekte zur Verbesserung der Betreuung der Studierenden und zur Verbesserung der Lehrqualität finanziert. Die Lehre rückte also wieder in den Fokus, und Themen wie Studieneingangsphase, Diversität und Übergang vom Studium zum Beruf beschäftigen nun die Hochschulen. Generell setzte an den Hochschulen das Bewusstsein ein, dass Studiengangsentwicklung keine Eintagsfliege, sondern Daueraufgabe ist. Trotz der vorgenommenen Änderungen sind längst nicht alle Schwierigkeiten der Bologna-Umsetzung behoben. Immer wieder gibt es in der Praxis Fragen. Die Anerkennung von Studien- und Prüfungsleistungen beschäftigt die Hochschulen permanent, Abläufe in der Verwaltung funktionieren nicht mehr wie zu Diplomund Magisterzeiten und bedürfen einer zeitgemäßen IT-Ausstattung in Form von Campus-Management-Systemen. Auch die

4 Bei den Bildungsstreiks ging es nicht nur um Bologna, sondern u. a. auch um Studiengebühren und den generellen Zugang zu Bildung. 5 In der Publikation „Wissenschaft weltoffen

2013 festgelegten deutschen Mobilitätsziele bzgl. Auslandsmobi-

kompakt 2016“, herausgegeben von DAAD und

lität der Studierenden sind noch nicht erreicht, die europaweite

DZHW, heißt es, dass ca. 20 % der Hochschul-

Zielvorgabe der Mobilitätsstrategie 2020 jedoch schon.5

absolventinnen und -absolventen des Jahrgangs 2013 mindestens drei Monate studienbezogen im Ausland waren, wobei hierzu auch Praktika und Sprachkurse zählen. Die europäische Zielvorgabe lautet, dass 2020 20 % aller Graduierten im Europäischen Hochschulraum einen abschlussbezogenen oder temporären (mindestens einen dreimonatigen oder 15 Credit Points umfassenden)

EIN PAAR ZAHLEN ZU STUDIERENDEN

Auslandsaufenthalt absolviert haben sollen (siehe:

 2,76 Millionen Studierende waren im

„Bologna-Prozess 2020 – der Europäische Hoch-

Wintersemester 2015/16 an deutschen

schulraum im kommenden Jahrzehnt“, Kommuniqué

Hochschulen eingeschrieben.

der Konferenz der für die Hochschulen zuständigen

 35.536 davon waren Studierende an Musikund Kunsthochschulen.  46,1 % aller Studienanfängerinnen und

europäischen Ministerinnen und Minister, Löwen, 28. und 29. April 2009). In der „Strategie der Wissenschaftsminister/innen von Bund und Ländern

-anfänger im ersten Hochschulsemester an

für die Internationalisierung der Hochschulen in

deutschen Musik- und Kunsthochschulen

Deutschland“ (Strategiepapier der Sitzung der

immatrikulierten sich in einen Bachelorstudien-

Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz vom 12.

gang, 19,8 % in einen Masterstudiengang

April 2013) ist festgehalten, dass in Deutsch-

und 34,0 % in Studiengänge mit anderem

land ein Drittel aller Hochschulabsolventinnen

Abschlussziel (Studienjahr 2014).

und -absolventen einen Auslandsaufenthalt von mindestens drei Monaten und/oder 15 Credit Points nachweisen soll. 7


FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

BOLOGNA IN DER KUNST

ÜBEN UND SELBSTSTUDIUM

Was heißt das jetzt aber alles für eine Musik- und Kunsthoch-

Herausforderungen gibt es trotz der Sonderregelungen zu

schule? Die Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen

meistern, das soll nicht verschwiegen werden. Die im Curriculum

hat 2004 beschlossen, sich am Bologna-Prozess zu beteiligen.

vorgesehenen Stunden für das Selbststudium der Studierenden,

Die deutschen Tanzhochschulen führten 2006 erste Gesprächs-

unter das auch das Üben fällt, können z. B. kaum real abgebildet

runden zur Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und

werden. Zum einen variiert das Arbeitspensum der einzelnen

Master durch und gründeten 2007 die Ausbildungskonferenz

Studierenden im Selbststudium sehr, zum anderen ist es

Tanz, in deren Rahmen der Austausch zum Bologna-Prozess

teilweise in der Realität so umfangreich, dass es die insgesamt

weitergeführt wurde. Mittlerweile sind an der HfMDK alle Studien-

mögliche Stundenzahl im Semester sprengen würde. Dies ist

gänge auf Bachelor und Master umgestellt – mit Ausnahme der

aber selbstverständlich kein Freifahrtschein für die Studien-

Lehramtsstudiengänge, die in Hessen als modularisierte Staats-

gangsentwicklung. Die unterschiedlichen Anforderungen der

examensstudiengänge durchgeführt werden, und des Diplom-

Lehrveranstaltungen müssen sich im veranschlagten Selbststudium

studiengangs Schauspiel, da die Studienmodelle für diesen

niederschlagen. Die Hochschulen sind außerdem verpflichtet

Bereich bundesweit noch heterogen sind. In den Strukturvorgaben

sicherzustellen, dass ihre Studiengänge studierbar sind; sie müssen

konnten die Musik- und Kunsthochschulen Ausnahmeregelungen

also auch für eine angemessene Arbeitsbelastung der Studie-

für künstlerische Studiengänge durchsetzen, z. B. in Bezug auf

renden sorgen und bei einer Überlastung handeln. Das syste-

eine längere Regelstudienzeit, größere Module und veränderte

matische Einholen von Feedback zu den Studiengängen, z. B.

Bedingungen für Abschlussarbeiten.

durch Studierendenbefragungen, ermöglicht diesbezüglich wichtige Erkenntnisse. Was war der Bologna-Prozess gleich nochmal? Nun lautet Ihre Antwort hoffentlich nicht „Europäische Gleichmacherei und

EIN PAAR ZAHLEN ZUR STUDIENQUALITÄT  78 % der Studierenden bewerteten im Jahr

Credit Points-Zählen“. Zum Abschluss sei noch gesagt, dass es

2013 die inhaltliche Studienqualität als positiv

stets um die Studiengangsgestaltung geht. Ja, es gibt diverse

(im Vergleich: 2001 waren es nur 64 %).

Rahmenvorgaben, die berücksichtigt werden müssen. Aber diese

 Den Aufbau der Studiengänge bewerteten 67 % der Studierenden positiv, 2001 waren es 54 %.

dringen nie bis auf die Ebene der Inhalte vor. Und die Kunst (und um die geht es doch an der HfMDK) in der Studiengangsentwicklung ist es, Gestaltungsspielräume zu nutzen, Studiengänge für die Zukunft zu entwerfen und gemeinsam mit den Studierenden weiterzuentwickeln.

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BOLOGNA – MEHR ALS CREDIT POINTS

WIE DER BOLOGNA-PROZESS ENTSTAND Um den Bologna-Prozess zu verstehen, muss man sich zunächst auf eine Europareise begeben. Lissabon, 1997: Unter der Schirmherrschaft von Europarat und UNESCO wird das „Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region“, die sogenannte Lissabon-Konvention, ausgearbeitet. Ziel ist es, die Anerkennung von Studienleistungen und -abschlüssen zu erleichtern. Paris, 1998: Die Bildungsminister aus Deutschland, Frankreich,

Bologna, 1999: Die Bildungsminister von 29 europäischen

Großbritannien und Italien unterzeichnen die sogenannte Sorbonne-

Staaten formulieren in ihrer gemeinsamen Erklärung die Ziele

Erklärung. „The European process has very recently moved some

zur Errichtung des europäischen Hochschulraums („European

extremely important steps ahead. Relevant as they are, they should

Higher Education Area“) und zur Förderung der internationalen

not make one forget that Europe is not only that of the Euro, of

Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Hochschulsystems.

the banks and the economy: it must be a Europe of knowledge as well. We must strengthen and build upon the intellectual, cultural,

In regelmäßigen Abständen finden seitdem Folgekonferenzen

social and technical dimensions of our continent. These have to a

statt, auf denen sukzessive weitere Staaten aufgenommen

large extent been shaped by its universities, which continue to

werden – mittlerweile besteht der Europäische Hochschulraum

play a pivotal role for their development.” So beginnt die Erklärung,

aus 48 Mitgliedsstaaten – und auf denen die Entwicklungen

die als Ausgangspunkt gemeinsamer hochschulpolitischer Ziel-

evaluiert sowie neue Ziele festgelegt werden. So traf man sich

setzungen der ein Jahr später folgenden Bologna-Erklärung den

in Prag (2001), Berlin (2003), Bergen (2005), London (2007),

Weg ebnete.

Löwen (2009), Wien/Budapest (2010), Bukarest (2012) und

1

Jerewan (2015). Permanent begleitet wird der Bologna-Prozess von der sogenannten „Bologna Follow-Up Group“, die sich mindestens einmal pro Halbjahr trifft und ihrerseits wiederum Arbeitsgruppen für die thematische Arbeit einsetzt. Die auf europäischer Ebene getroffenen Vereinbarungen müssen dann in nationales Recht umgesetzt werden.2

1 „Sorbonne Joint Declaration. Joint declaration on harmonisation of the architecture of the European higher education system”. Paris, 25. Mai 1998. 2 In Deutschland sind die relevantesten Dokumente für die Studiengangsgestaltung: „Ländergemeinsame Strukturvorgaben für die Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen“, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10. Oktober 2003 i.d.F. vom 4. Februar 2010 und „Regeln für die Akkreditierung von Studiengängen und für die Systemakkreditierung“, Beschluss des Akkreditierungsrates vom 8. Dezember 2009, zuletzt geändert am 20. Februar 2013. 9


FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

MIT EHRLICHEM BLICK AUFS EIGENE TUN Der Ausbildungsbereich Tanz ist an der HfMDK Vorreiter bei der Akkreditierung seiner Studiengänge – einjährige Vorbereitungszeit geht einem Gutachterbesuch voraus Für den 7. und 8. November 2016 hat sich an der HfMDK Besuch angekündigt: Eine Gruppe von Gutachtern wird sich einen Eindruck von den beiden Tanzstudiengängen verschaffen, die als Pilotvorhaben akkreditiert werden sollen: Der Bachelor „Tanz“ (BAtanz) sowie der Master „Contemporary Dance Education“ (MA CoDE) durchlaufen eine sogenannte „ClusterAkkreditierung“, also eine Akkreditierung im Verbund. Sie begann mit einjähriger Vorarbeit einer Arbeitsgruppe der Hochschule, mit der „Frankfurt in Takt“ ins Gespräch gekommen ist. Die Arbeitsgruppe, die durch den Präsidenten Prof. Christopher Brandt und einen externen Experten begleitet wurde, setzt sich zusammen aus Brigitte Binder (Referentin für Qualitätsmanagement in Studium und Lehre, sie kommt im nebenstehenden Text zu Wort), Sina-Mareen Retolaza (Bologna-Referentin), Susanne Triebel (Lehrende im MA CoDE und BAtanz sowie Mitarbeiterin im Ausbildungsbereich ZuKT), Prof. Ingo Diehl (Dekan im Fach-

10

Prof. Dieter Heitkamp (oben)

bereich 3 und Leiter des Studiengangs MA CoDE) sowie

und Prof. Ingo Diehl

Prof. Dieter Heitkamp (Ausbildungsdirektor ZuKT).


MIT EHRLICHEM BLICK AUFS EIGENE TUN

AKKREDITIERUNG – WER MACHT WAS? Von Brigitte Binder, Referentin für Qualitätsmanagement in Studium und Lehre Um was geht es denn bei der Akkreditierung? Die Akkreditierung aller Bachelor- und Masterstudiengänge ist von der Landesgesetzgebung vorgeschrieben. Bei der Akkreditierung von Studiengängen geht es darum, die fachlich-inhaltliche Qualität der Studiengänge und die Erfüllung formaler Vorgaben zu prüfen. Grundlage der Begutachtung sind u. a. die Regeln des Akkreditierungsrats, der eine Reihe von Kriterien vorgibt. Dazu zählen beispielsweise das Profil der Studiengänge, die fachlichen und überfachlichen Qualifikationsziele, die beruflichen Tätigkeitsfelder, die Studierbarkeit, die Studien- und Prüfungsorganisation, der Workload und die geplanten Maßnahmen zur Weiterentwicklung von Studiengängen. Wer nimmt denn wie und wann diese Prüfung vor? Die Prüfung erfolgt durch eine unabhängige Akkreditierungsagentur im Auftrag der Bundesländer. Hierfür wird eine so genannte Selbstdokumentation erstellt. Darin beschreibt die Hochschule die vorgegebenen Kriterien für die zu akkreditierenden Studiengänge im Sinne einer echten Selbstbewertung und trägt Anlagen für eine umfassende Dokumentation zusammen. Die Fachkommission der Akkreditierungsagentur nimmt die konkrete Begutachtung zunächst auf dieser Grundlage vor und prüft dann vor Ort, ob die Anforderungen erfüllt sind. Kann man eine Selbstdokumentation frei gestalten? Die Agentur hat uns einen Leitfaden zur Verfügung gestellt, an dem wir uns gern orientiert haben. Die darin enthaltenen Leitfragen decken die Kriterien des Akkreditierungsrats ab – etwa die übergeordneten und studiengangsspezifischen Ziele, der Studiengangsaufbau, die tatsächliche Umsetzung des Studiengangskonzepts in den Studienbetrieb und auch das Qualitätsmanagement. Wir haben die grobe Gliederung des Leitfadens übernommen, die Dokumentation aber im Detail nach unseren Vorstellungen gestaltet. Foto: Valentin Fanel

Wer ist die Gutachtergruppe? Sie besteht aus mehreren Fachvertretern von Kunsthochschulen, einem Vertreter der Berufspraxis und einem Studierenden. Das Verfahren wird seitens der Agentur durch eine Referentin begleitet.

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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

FRAGEN AN STUDIERENDE Moritz Fabian, Bachelor Tanz

Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? Die ersten drei Jahre (sechs Semester) in unserem Studiengang sind durch einen wöchentlichen Stundenplan voll durchgeplant. Das bedeutet die Module, also Trainings und Unterrichte, sind auf die Wochentage so aufgeteilt, dass wir die nötige Anzahl an Einheiten für die Studiengangvorgaben im Semester erfüllen. Dies wird von unserer Direktion vorgegeben, und es besteht ein wenig flexibler Freiraum für Wünsche oder besondere Ereignisse, welche in die jeweiligen Wochen eingefügt werden können, zum Beispiel Workshops mit Gastdozenten von Kompanien oder freischaffenden Künstlern, welche gerade in der Stadt sind. Ab dem fünften Semester kann man als Studierender einen Schwerpunkt wählen (entweder Klassischer oder Zeitgenössischer Tanz als Fokus), welcher sich dann aber nur durch drei Module unterscheidet. Sonst folgt alles dem gleichen Plan. Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen

Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den

des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobi-

Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?

lität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz?

Zum einen ist man in den ersten drei Jahren sehr isoliert und

Ich habe selbst keine Erfahrung mit einem Wechsel des Studien-

kann nicht viele Erfahrungen außerhalb der Hochschule sammeln,

ortes gemacht und weiß darum nicht genau Bescheid über die

zum anderen braucht es aber auch diese intensive Vorbereitung,

Abläufe und mögliche Probleme eines solchen. Ich glaube aber,

um sich überhaupt ein Level an Technik und Wissen anzueignen,

dass die Eingliederung unseres Studiengangs in das Bachelor-

welches auf dem Markt vertretbar ist. Für mich ist besonders das

und Master-System zumindest den Vorteil bringt, mit anderen

vierte Jahr in dieser Hinsicht die wirkliche Vorbereitung. Hier ist

Studiengängen, die nicht so künstlerisch orientiert sind, gleich-

man aus dem Stundenplan gelöst und muss seine Wochen und

gesetzt zu werden und es durch den gleichen Abschluss einfacher

Monatspläne selber zusammenstellen, kann dafür die universitä-

sein wird, sich weiter zu bilden in vielleicht noch anderen Berei-

ren oder auch externe Trainings in Anspruch nehmen, muss

chen als nur der Tanzsparte, welche relativ begrenzt ist. Unsere

ein Praktikum absolvieren und eine gewisse Anzahl an Vortanzen

Direktion legt großen Wert auf die Transparenz der Organisation

nachweisen wie auch eine wissenschaftliche Bachelorarbeit

des Studiums und auf die Kommunikation mit den Studierenden.

schreiben. Falls man schon ein Engagement bekommt, wird

So sind zum Beispiel auch Studierende daran beteiligt, die

dieses mit den zu erbringenden Anforderungen verrechnet.

Stundenpläne mit den Vorgaben abzugleichen und zu checken.

Trotzdem ist man noch immatrikuliert und hat einen Rahmen

Auch wird zu jedem neuen Jahr eine Einweisung in die zu

vorgegeben, wodurch man nicht ganz allein im weiten Meer der

erfüllenden Leistungen gegeben.

Möglichkeiten treibt.

12


MIT EHRLICHEM BLICK AUFS EIGENE TUN

Was wird die Gutachtergruppe während ihres Besuchs an der

Auf welcher Grundlage steht das Akkreditierungsverfahren,

Hochschule im November tun?

das die Tanzabteilung derzeit durchläuft?

Dieter Heitkamp Sie wird vor allem Befragungen durchführen,

Dieter Heitkamp Die HfMDK hat mit dem Hessischen Minis-

sowohl bei Studierenden, Absolventen und Lehrenden als auch

terium für Wissenschaft und Kunst die Abmachung getroffen,

bei der Hochschulleitung.

dass bis zum Jahr 2020 aus jedem unserer drei Fachbereiche

Ingo Diehl Wesentlich ist dabei, dass die genannten Personen-

mindestens ein Studiengang akkreditiert sein soll. Im Ausbil-

gruppen unabhängig voneinander befragt werden. Damit will die

dungsbereich Tanz haben wir uns entschieden, eine Cluster-

Kommission beispielsweise feststellen, ob unsere Studiengänge

akkreditierung vorzunehmen, also eine Akkreditierung gleich

auf Ebene der Hochschulleitung gleich gut sichtbar sind, wie wir

beider Tanz-Studiengänge zusammen. Dem vorausgegangen

es in unserem Selbstbericht beschrieben haben. Nehmen die

ist, dass wir bereits im Jahr 2012 unsere beiden Studiengänge

Studierenden dies so wahr, und beschreiben die Lehrenden das,

komplett überarbeitet haben. Wir waren ja 2007 auch die Ersten

was in unserem Bericht steht? Es geht also darum sich zu ver-

an der Hochschule, die den Bologna-Prozess umgesetzt und von

gewissern, ob die Studiengänge und ihre Ziele auf allen Ebenen

Diplom auf Bachelor bzw. Master umgestellt haben. Nicht zuletzt

der Hochschule gleich verstanden werden. Im besten Sinne

durch das Jubiläum der Tanzabteilung und das zehnjährige

funktioniert diese Vergewisserung als Feedback auf das System,

Bestehen des MA CoDE haben wir viel aus der Arbeit der ver-

durch das man schauen kann, wie man die Sparte in der Hoch-

gangenen Jahre schriftlich dokumentiert, auf das wir jetzt

schule besser vertreten muss, damit deutlich wird, welche Arbeit

zurückgreifen konnten.

bei uns im Tanz geleistet wird. All dies sind Fragen, mit denen wir unsere Arbeitsprozesse optimieren können und sollen.

Was war Ihr Impuls, mit der Akkreditierung auf Hochschulebene Vorreiter zu sein?

Hat sich die Tanzabteilung mit einem speziellen Programm auf den Gutachter-Besuch vorbereitet?

Ingo Diehl Wir haben es als praktikabel empfunden, sofort in diesen Prozess einzusteigen und nicht zu warten, bis er uns

Susanne Triebel Wir veranstalten an diesem Tag keinerlei Prä-

irgendwann „trifft“. Wir wollen aktiv mitgestalten und haben die

sentations-Programm – der Studienbetrieb läuft wie gewohnt, und

Studiengänge in den letzten Jahren entsprechend aufgestellt.

wenn die Gutachter einen oder mehrere Unterrichte möchten,

Darin sehen wir auch unsere Rolle innerhalb der Hochschule.

ist dies jederzeit möglich. Erklären Sie, wie Ihre „Selbstdokumentation“ vonstattengegangen ist! Susanne Triebel

Ingo Diehl Zunächst haben wir uns Selbstberichte von anderen Studiengängen angeschaut, um uns ein Bild davon zu machen, welche Fragen zu beantworten sind. Dabei merkten wir schnell, dass dieses Vorgehen so nicht zielführend ist, weil Fragestellungen nicht eins zu eins übertragbar waren. Die Verhältnismäßigkeit zwischen Hochschule, Ausbildungsbereich und Studiengang erschien uns in unserem ersten Entwurf nicht kohärent. Im Kontakt mit unserer Agentur und durch die Begleitung eines externen Experten wurde uns dann klar, auf welche Fragestellungen es bei uns ankommt. Insofern haben wir diesen Prozess eigentlich doppelt durchlaufen, dadurch aber auch tiefer und intensiver.

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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

Sina-Mareen Retolaza Wir haben im Sommer 2015 angefangen,

Ingo Diehl Bologna und der damit verbundene Akkreditierungs-

die Selbstdokumentation nach der ersten von uns festgelegten

prozess machen uns keine Vorgaben, was wir im Studium

Struktur zu formulieren. Als Stoffsammlung nützte uns dies sehr,

inhaltlich tun sollen. In der Selbstbewertung beschreiben wir

jedoch merkten wir, dass wir statt der eher objektiven, beschrei-

vielmehr, wie wir die Dinge tun. Und die Herausforderung ist,

benden Ausführungen eine tatsächliche Selbstbewertung vor-

es wirklich genau zu beschreiben, was wir tun und warum wir

nehmen müssen. Die Riesenmenge an Informationen, die wir

es in dieser Weise tun. Diese Form von Reflexion rechtfertigt

zusammengetragen hatten, haben wir dann mit Hilfe des Leit-

schließlich die Akkreditierung. Nützlich erschien uns übrigens,

fadens unserer Agentur neu sortiert und geschärft.

dass uns der Akkreditierungsprozess andere Fragen gestellt hat,

Susanne Triebel Die Puzzlearbeit begann, als wir die Textbeiträge

als wir sie uns im Aufbau unserer Studiengänge bislang gestellt

von BAtanz, MA CoDE und der Hochschule nebeneinanderstellten

haben. Am Ende ist entscheidend, ob das, was wir beschreiben,

und merkten, wo sich Unterschiede und Lücken auftaten und die

kohärent ist zu dem, wie wirklich ausgebildet wird.

neue Struktur das Instrument war, diese zu schließen.

Susanne Triebel Es wurde klar, dass „student centered learning“, der studierendenzentrierte Ansatz von Lernen, noch viel mehr in

Wie lauten die inhaltlichen Schwerpunkte einer Selbstbewertung?

den Vordergrund der Lehre rücken muss. Der Grad an Reflexion, Evaluation und Transparenz ist maßgeblich.

Sina-Mareen Retolaza Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Aspekt der Weiterentwicklung: Inwiefern und auf welcher

Wie relevant ist in der Selbstbewertung die Einbindung

Grundlage wurden die Studiengänge seit Einrichtung bzw. seit

in das Gesamtsystem Hochschule?

vorangegangener Akkreditierung weiterentwickelt? Dabei muss deutlich werden, wie das Feedback von Studierenden und

Dieter Heitkamp Sehr sogar: Jeder Selbstbericht enthält einen

Absolventen eingeholt wird und einfließt. Mein Eindruck ist, dass

Teil, der die gesamte Hochschule und ihr Selbstverständnis als

hier im Tanz schon sehr breit und genau dokumentiert wird.

Ausbildungsinstitut beschreibt. Diesen hat unsere Arbeitsgruppe

Bemerkenswert finde ich beispielsweise, dass der Werdegang

nun in großen Anteilen auch für nachfolgende Akkreditierungs-

der Absolventen konsequent verfolgt wird – das passiert meines

verfahren erstellt; er wird natürlich weiter verfeinert und immer

Erachtens noch nicht flächendeckend, ist aber erforderlich.

wieder fachspezifisch ergänzt werden. Sina-Mareen Retolaza Der begonnene Akkreditierungsprozess hat übrigens den „positiven“ Druck erzeugt, diverse Rahmen-

Sina-Mareen Retolaza

und Grundsatzdokumente, die für die Gesamtheit der Hochschule gültig sind, zu entwickeln und zu verabschieden – zum Beispiel die Allgemeinen Bestimmungen für Bachelor- und Masterstudiengänge oder die neue Eignungsprüfungsordnung. An beiden Satzungen haben wir sowieso bereits gearbeitet, doch die bevorstehende Akkreditierung hat schließlich den Zeithorizont vorgegeben. Ingo Diehl Als positives Ergebnis bleibt in jedem Fall, dass diese Selbstbewertung ein Gemeinschaftsprozess ist, und zwar nicht nur innerhalb der Abteilung, sondern auch mit der Hochschulleitung und den verschiedenen Gruppen, die befragt werden. Dies offenbart die Notwendigkeit in den Studiengängen, eine gute Kommunikation in die Hochschule hinein zu fördern. Es ist eben nicht so, dass ich meinen Masterstudiengang leite, wie ich gerade Lust darauf habe. Das transparente Kommunizieren dessen, was wir tun, in alle Bereiche der Hochschule hinein, ist das große Plus – aber auch sehr aufwändig.

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EIN FÜLLHORN SEIT 2007

Mit rund 300 Mitgliedern fördert die Gesellschaft der Freunde und Förderer der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main e. V. die Studierenden der HfMDK und sorgt für exzellente Ausbildungsbedingungen.

Seit ihrer Gründung haben die Freunde der Hochschule über 1,8 Millionen Euro an Fördermitteln bereitgestellt. Sie finanzieren Deutschlandstipendien, Gastprofessuren und Meisterkurse, seltene Instrumente, Opern- und Regieprojekte, Spitzenschuhe, Publikationen, neue Saiten und vieles mehr!

Helfen Sie mit! Um die Ausbildung junger Musiker, Tänzer, Sänger und Schauspieler nachhaltig zu unterstützen.

Mehr Informationen zum Fördern und zur Mitgliedschaft finden Sie hier: www.hfmdk-freunde.de

Spendenkonto: Deutsche Bank Frankfurt IBAN: DE68500700240806507000 BIC: DEUTDEDBFRA

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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

Britta Schönbrunn, Master Contemporary Dance Education MA CoDE

FRAGEN AN STUDIERENDE

Elias Schomers, ehem. BA Künstl. Instrumentalausbildung Violoncello, BA Komposition

Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? The MA CoDE is a full time study of four semesters. It demands a strong commitment to the given curriculum and schedule and to the group of students. Therefore, there is very little space and time to create or make other choices during the education. Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz? The study is built around varying dynamics of exchange within individual and group processes. The schedule is very dense. It shifts

Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl-

between theory, practice and preparatory work, which includes

und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume?

traveling and collaborations with other international programs.

Das Wahlmodul mit 28 zu erwerbenden Credits stellt einen

By offering strong networks to different places, formats and

nicht unerheblichen Teil des Studiums dar. Durch zusätzliche

institutions, it aims to support each individual on its way. It gives

Projekte wie Kammermusik oder andere Ensemblearbeit fiel es

an inside into how institutions work and it prepares one to structure

mir leicht, diesen Bereich abzudecken. Darüber hinaus war es

and organize their approaches towards education, pedagogy,

mir dadurch möglich, einen Schwerpunkt auf kompositorische

communication and research. In addition, the colloquiums give

Arbeit und Neue Musik zu legen und mich gut auf mein

the opportunity to express and initiate impulses of change

künftiges Hauptfach Komposition vorzubereiten.

according to the students' needs and desires. Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den

des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobi-

Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?

lität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz?

The program offers a huge amount of content and tools to

Ich kann mir vorstellen, dass ein Studienortswechsel sehr

experiment within and encourages one to be bold enough to

vereinfacht würde. Auch im Hinblick auf mein bevorstehendes

do the work one wants to do.

Zweitstudium kann ich dadurch vieles schon im Voraus abhaken, was mir den Einstieg natürlich erleichtern wird. Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den Berufseinstieg/-alltag vorbereitet? Im Endeffekt kann es einem niemand abnehmen, selbst handfeste Erfahrungen zu machen. Es gibt jedoch sehr sinnvolle Veranstaltungen wie die Berufsfeldorientierung, die einem einen Überblick verschaffen können. Generell sind aber Praktika, Festival- und Studentenorchester oder ähnliches, zumindest wenn man später ins Orchester will, nicht zu ersetzen.

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MIT EHRLICHEM BLICK AUFS EIGENE TUN

Sina-Mareen Retolaza Natürlich stellt der Akkreditierungsprozess eine Arbeitsbelastung dar, die man nicht unterschätzen darf. Bei allem Aufwand haben wir jedoch überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Entscheidend finde ich, dass solch ein Anstoß „von außen“ eine neue Perspektive in unsere Arbeit bringt. Im Ausbildungsbereich Tanz nehme ich zudem eine intrinsische Motivation wahr, sich selbst permanent zu hinterMuss es denn – provokant gefragt – den Klavierprofessor

fragen und zu erneuern. So, wie die Gesellschaft ständig im

im Fachbereich 1 interessieren, was Sie in der Tanzabteilung

Wandel begriffen ist, sollte sich auch eine Hochschule immer

im Fachbereich 3 lehren?

wieder reflektieren und wenn nötig verändern. Eine zehn Jahre alte Prüfungsordnung ist unter Umständen nicht mehr zeit-

Ingo Diehl Ich beantworte es anders herum: Es wäre gut, wenn

gemäß.

es den Klavierprofessor interessiert, wie sein Klavierstudium in der gesamten Hochschule wahrgenommen wird und wie weit die

Sieht das kommende Wintersemester in der Tanzabteilung

dort von ihm vermittelten Inhalte mit der Gesamtkonzeption der

inhaltlich nun anders aus als im Vorjahr?

Hochschule zusammengehen. Das bedeutet, dass ich mich weder als Tanz- noch als Klavierprofessor auf meine fachliche Insel

Ingo Diehl Nein – das ist nicht Ziel einer Akkreditierung. Wir

zurückziehen kann, sondern dass ich im Gesamtkontext einer

befinden uns in einem Prozess, in dem es darum geht, die Studien-

Institution arbeite und damit auch gemeinschaftlich mit anderen

gänge ständig weiterzuentwickeln und zu schauen, wie man diese

eine stärkere Kraft entwickeln kann. Aus einem solchen gemein-

Weiterentwicklung ins System einschreiben kann. Die ohnehin

schaftlichen Prozess ist ja auch das Leitbild der Hochschule ent-

laufenden Veränderungsprozesse werden durch die Akkreditierung

standen, welches uns sehr in der Argumentation geholfen hat.

bestenfalls genauer und detaillierter.

Haben Sie es nicht mehr als Last denn als Lust empfunden,

Wie hat sich das Miteinander von Experten verschiedener

sich als international anerkannte Ausbildungsinstitution grund-

Prägung – die einen sind die Fachleute im Tanz, die anderen in

sätzliche Fragen nach der eigenen Legitimation und Qualifikation

Fragen von Bologna und Qualitätsmanagement – im Arbeits-

stellen zu müssen?

kreis offenbart?

Susanne Triebel Meiner Überzeugung nach muss sich jede

Ingo Diehl Das Zusammenführen unterschiedlicher Kompetenz-

Ausbildung grundsätzlich immer wieder hinterfragen, ob sie noch

bereiche haben wir als sehr fruchtbar empfunden. Zu erleben,

leistet, was sie vorgibt zu leisten. Deshalb empfinde ich diesen

dass da jemand ist, der andere Dinge weiß, die für meinen Prozess

Akkreditierungsprozess nicht als „übergestülpt“, sondern nehme

hilfreich sind – was für ein größeres Geschenk kann es denn

ihn als Chance wahr. Wir bekommen einen Fragenkatalog an die

geben? bjh

Hand, um die Relevanz und Aktualität unserer Ausbildung im Spannungsfeld von Studierenden, Dozenten, Hochschule und einer externen Fachkommission zu überprüfen. 17


FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

Prof. Dr. Martin Ullrich ist Vorsitzender der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen und seit 2009 Präsident der Hochschule für Musik Nürnberg. Foto: Sören Balendat

EXZELLENT MIT BACHELOR Das hier abgedruckte Interview erschien am 6. Januar 2016 in der Zeitung „Der Tagesspiegel“, die uns diese Zweitveröffentlichung freundlicherweise gestattete.

Prof. Dr. Martin Ullrich, Vorsitzender der Musikhochschulrektorenkonferenz, seit 2009 Präsident der Hochschule für Musik Nürnberg und Alumnus der HfMDK, spricht im Interview über positive Folgen der Bologna-Reform, Studiengebühren – und wie Musikhochschulen Flüchtlingen helfen. Von Tilmann Warnecke

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EXZELLENT MIT BACHELOR

Herr Ullrich, nichts bewegt derzeit so sehr wie die Flüchtlings-

Wie wirkt sich das auf das Kerngeschäft, die musikalische

frage. Auch viele Unis in Deutschland engagieren sich für

Ausbildung, aus?

Flüchtlinge. Was machen die Musikhochschulen?

Es gab Ängste, dass das Exzellenzniveau im künstlerischen

Aufgrund der langen Vorbereitungszeit für ein Musikstudium

Hauptfach sinken könnte. Aber das ist gar nicht der Fall: Die

werden die Musikhochschulen Flüchtlinge zunächst nicht in

jungen Geigerinnen, Pianisten, Sängerinnen werden immer

großer Zahl in ihre grundständigen Studiengänge aufnehmen

besser. Die alten Stärken sind also erhalten geblieben. Der Kern

können. Musik ist aber eine Weltsprache, sie hat keine Grenzen.

des Musikstudiums bleibt das intensive künstlerische Verhältnis

Wir können also in besonderer Weise zur Willkommenskultur

zwischen Studierenden und Lehrenden.

beitragen. Ich denke an Musikpatenschaften für unbegleitete Flüchtlingskinder, an Willkommenskonzerte. In Nürnberg haben wir bereits ein Konzertkonzept für Kinder und deren Familien

Gehört die Lehrerbildung Ihrer Meinung nach an Musikhochschulen? Manche klagen, sie existiere dort nur in einer Nische.

entwickelt, wo diese auch musizierend einbezogen werden

Ich habe ein sehr großes Herz für die Lehrerbildung, denn der

können.

Musikunterricht in der Schule legt den Grundstein für eine breite

Wie kann man sich das vorstellen?

Beschäftigung mit Musik. Gerade die gymnasiale Schulmusik gehört daher an die Musikhochschulen. An den Massenuniversi-

Die Grenze zwischen den Zuhörern und den Musikern wird auf-

täten hat die Musik oft einen schweren Stand, weil dort nicht

gelöst – sei es durch Bodypercussion, Mitsingen oder das Spielen

recht einsehbar ist, warum man sich die intensive Einzelbetreuung

von Instrumenten. Die besondere Herausforderung ist es, das

leisten soll. Und durch den Trend zur Ganztagsschule entwickelt

Publikum nonverbal zum Mitmachen zu bewegen. Ich bin zuver-

sich viel in der Schulmusik. Es gibt die Möglichkeit, außerschulische

sichtlich, dass wir das hinbekommen.

Angebote mit dem schulischen Musikunterricht zu verzahnen.

Prinzipiell sehen sich die Musikhochschulen in Deutschland gerne

Die Arbeitswelt ändert sich auch für Musiker. Spielt das für

als elitäre Einrichtungen. Im Mittelpunkt steht der virtuose Künstler.

die Lehre eine Rolle?

Sie sind Vorsitzender der Musikhochschulrektorenkonferenz – und haben selber vor der Gefahr gewarnt, die Einrichtungen würden zu sehr in einem Elfenbeinturm gesehen. Wie meinen Sie das?

Tatsächlich werden Festanstellungen im Orchesterbereich weniger. Der Festivalbereich explodiert dafür. Von den Absolventinnen und Absolventen ist viel mehr Selbstständigkeit gefragt als früher. Sie

Ich habe ein Imageproblem gesehen. Es ist zum Beispiel nur

müssen sich nicht nur selbst vermarkten, sondern neue drama-

wenigen bewusst, dass wir die Studienreform positiv und frucht-

turgische Konzepte für Konzerte und Aufführungen im Grenzbereich

bar nutzen konnten – anders als vielleicht andere Hochschultypen.

von Musik, Schauspiel und bildender Kunst finden. Darauf be-

Sicher hat uns dabei auch geholfen, dass wir die Regelstudien-

reiten unsere neuen Studiengänge viel besser vor als die alten,

zeit für Bachelor und Master zusammengenommen nicht in das

die ausschließlich auf die Kernkompetenz der künstlerischen

übliche zehnsemestrige Korsett zwängen müssen.

Exzellenz zugeschnitten waren.

Die Musikhochschulen haben sich wie die Kunsthochschulen

Musikhochschulen sind sehr international, für viele Musikstudierende

allerdings anfangs heftig gegen die neuen Abschlüsse gewehrt.

gilt Deutschland als Traumziel. Zuletzt hat der Rechnungshof in

Es ist richtig, dass es am Anfang Misstrauen gab. Inzwischen haben wir uns den Anforderungen des späteren Berufsalltags aber in ganz neuem Umfang geöffnet. Überfachliche Kompetenzen wurden gestärkt, Schlüsselqualifikationen sind in die Studiengänge implementiert worden. Es gibt neue Studiengänge, die vorher gar nicht denkbar waren, wie Popmusikdesign. Wissenschaftliche, künstlerische und pädagogische Schwerpunkte

Baden-Württemberg das im Jahr 2013 aber nicht als Ausweis künstlerischer Exzellenz gesehen, sondern als finanzielle Last kritisiert. Es sei nicht nachvollziehbar, weswegen das Land unentgeltlich Kapazitäten für Studierende vorhalte, die nach ihrem Abschluss Deutschland wieder verlassen. Die Hochschulen sollten lieber Gebühren von Nicht-EU-Ausländern erheben und insgesamt Geld sparen. Können Sie die Kritik nachvollziehen?

werden inzwischen ganz neu verknüpft. 19


Den Musikhochschulen zu viele internationale Studierende vorzuhalten, halte ich für einen merkwürdigen Zungenschlag. Letztlich sind Kürzungen in Baden-Württemberg auch abgewendet worden, die Musikhochschulen in Baden-Württemberg bekommen jetzt mehr Geld. Ich wäre aber durchaus offen, von internationalen Studierenden Gebühren zu verlangen, wie es etwa die Hochschule für Musik in Leipzig seit einiger Zeit macht. Die Leipziger nehmen 3600 Euro im Jahr. In den meisten Bundesländern ist das hochschulrechtlich aber gar nicht möglich. Die Politik sollte uns hier zunächst mal Bewegungsfreiheit geben. Ich will nicht missverstanden werden: Für legitim halte ich zum Beispiel die 300 Euro pro Semester, die alle Studierenden in Bayern bis vor Kurzem zahlen mussten. Grundsätzlich kämpfe ich glühend für öffentlich getragene Hochschulen und Kulturinstitutionen. Denken Sie an die mutigen, riskanten Projekte, die mit staatlicher Förderung ermöglicht werden. Die können zwar scheitern – aber auch großartig gelingen. Sie erforschen die Auswirkungen der Digitalisierung von Musik. Was treibt Sie da um? Viele Menschen haben erwartet, dass das Live-Konzert verschwindet und Musikaufnahmen immer wichtiger werden, weil die Distributionsmöglichkeiten durch die Digitalisierung immer besser werden. Passiert ist genau das Gegenteil. Durch die Inflationierung von Aufnahmen drohen diese zum Gimmick zu verkommen. Dagegen gewinnen Konzerte immer mehr an Bedeutung, man kann von einer Re-Auratisierung der LiveSituation im digitalen Zeitalter sprechen. Dieses Paradoxon, dass durch die große Verfügbarkeit von Klangaufnahmen das NichtReproduzierbare wichtiger wird, fasziniert mich sehr. Apropos Live-Konzerte: Sie waren lange in Berlin an der UdK. Seit 2009 sind Sie Präsident der Hochschule für Musik Nürnberg. Vermissen Sie das kulturelle Angebot Berlins? Natürlich ist das Angebot in Berlin viel größer. Aber unterschätzen Sie mir Nürnberg nicht. Das Staatstheater hat

Musikerleben 20

www.session.de

Hanauer Landstraße 338 | Frankfurt am Main

beispielsweise eine tolle künstlerische Entwicklung genommen. Ich habe hier eine „Götterdämmerung“ gesehen – die war wirklich fulminant!


DREI FRAGEN AN STUDIERENDE

FRAGEN AN STUDIERENDE Caroline Rohde, Blockflöte IP Master

Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz? Mobilität: Selber habe ich im Bachelor den Studienort gewechselt, und es war für mich kein Problem. Aber natürlich kann es zu Problemen kommen: Die „Basics“, z. B. Theorie, Musikwissenschaften etc., sind in allen Studiengängen gleich. Denkt man. So kann es sein, dass in den „Basics“ Schwerpunkte gesetzt werden, sodass dann doch einige Kurse nachgeholt werden müssen. Neben den „Basics“ setzt jede Hochschule zusätzliche Schwerpunkte, um dem Studiengang ein spezifisches Profil zu geben. Diese variieren von Hochschule zu Hochschule. Dann Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl-

kann es sein, dass man erneut oder noch mehr Kurse nachholen

und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume?

muss. Jedoch darf man nicht außer Acht lassen, dass vermeint-

Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten: Wenn man sich für den

lich zu viel erbrachte Studienleistungen auf kreative Art irgendwo

IP Master entscheidet, ist klar, dass man einige Kurse – vor allem

angerechnet werden können. Transparenz: Es ist immer klar,

im pädagogischen Bereich – belegen muss. Vorteilhaft ist, dass

welche Kurse belegt werden müssen. Wenn man der „Vorreiter-

es ein großes Angebot an Kursen gibt, sodass es meist möglich

jahrgang“ ist, kann es manchmal etwas holprig werden: Die

ist, die passenden Kurse zu finden. Wenn jedoch alle Kurse eines

Modulbeschreibungen passen z. B. zu keiner Veranstaltungs-

Moduls auf einem Tag liegen und man an diesem Tag Geld für

beschreibung. Also schaut man, was so ungefähr passen könnte

sein Studium verdienen muss, hat man Pech gehabt. Zeitliche

und was einen am meisten interessiert – dadurch besteht

Freiräume: Die meisten, die sich für den IP Master entscheiden,

natürlich die Möglichkeit, seine eigenen Schwerpunkte zu legen.

arbeiten bereits an der Musikschule. Auch ich mache das. Zum

In einigen Fällen kommt es vor, dass es das Fach noch nicht

Arbeiten kommen noch Kurse und Unterrichte an der Hochschule

gibt – geschweige denn einen Dozenten. Schade, dass man

sowie Kammermusikproben und -unterrichte. Irgendwann möchte

sich nicht ein Semester vorher darum kümmert (Erfahrungen

man auch gerne üben, jedoch stellt man sich oft die Frage: Wann

aus zwei Hochschulen).

kann ich üben? Soll ich das bisschen Zeit doch lieber als Freizeit nutzen, bevor ich ins Bett falle? Zumindest hat sich das letzte

Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den

Semester so angefühlt …

Berufseinstieg/-alltag vorbereitet? Bis jetzt immer. Aber trotzdem: Die eigenen Schüler sind gute Lehrer, denn diese begleitende praktische Erfahrung und die Besprechung mit Dozenten hierüber sind durch keine theoretische Erläuterung vollends darstellbar.

21


FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

Sabne Rosenberger vom Prüfungsamt und Friederike Kreft vom International Office erleben täglich die durch Bologna gestiegenen bürokratischen Anforderungen.

VOM SEGEN UND FLUCH DER BÜROKRATIE Abbildbarkeit und Transparenz lauten zwei zentrale Forderungen in der bürokratischen Umsetzung der Bologna-Ziele. Der Weg dorthin erweist sich nicht nur für Studierende als beschwerlich und umständlich – auch im Prüfungsamt und im International Office der Hochschule hat Bologna eine Zeitenwende eingeläutet – der Aufwand ist enorm gestiegen.

22


VOM SEGEN UND FLUCH DER BÜROKRATIE

Segen und Fluch liegen in der Bachelor/Master-Bürokratie

Künstlerischen Ausbildung nur die Hauptfachnote sowie die

recht nah beieinander: Das Prinzip, dass jede Studienleistung

Gesamtnote aus. Heute überreicht die Hochschule eine Bachelor-

darstellbar ist, macht eine kontinuierliche Dokumentation

urkunde und ein Bachelorzeugnis mit der Gesamtnote sowie ein

unumgänglich. 240 Credit Points umfasst beispielsweise ein

„Transcript of Records“, das alle Modul- und Studienleistungen

Bachelor-Studium in Künstlerischer Instrumentalausbildung,

auflistet, damit die Absolventen für den Fall eines weiteren

jeder Punkt beinhaltet 30 Arbeitsstunden, sei es als Präsenzzeit,

Studiums oder Studienortwechels vorweisen können, wie genau

sei es in Form des Selbststudiums. „Unsere Studierenden erlebe

ihr abgeschlossenes Studium konzipiert war. Für ein bürokratisch

ich im Geiste sehr auf das Sammeln von Credit Points fixiert“,

gut verwaltbares Handling erwartet das Studierendensekretariat

schildert Sabine Rosenberger als Verantwortliche im Prüfungs-

der Hochschule in naher Zukunft ein noch nicht installiertes

amt ihre Wahrnehmung im Vergleich zu „früher“, also der Zeit,

Campus-Management-System, also ein IT-System, das der

als die Studierenden noch auf ihr Diplom zustrebten und bei

Abbildung von Geschäftsprozessen im Bereich des studentischen

weitem nicht im heutigen Umfang Unterschriften von Lehrenden

Lebenszyklus dient, das eine Studienordnung und deren studenten-

vorlegen mussten, um sich zur Prüfung anzumelden. „Die stu-

spezifische Umsetzung abzubilden in der Lage ist. Eine Excel-

dentische Mentalität ist heute, mehr denn je zu fragen: Was

Darstellung dient momentan noch als Provisorium. Die minutiöse

kriege ich für diese und jene Studienleistung?“, schildert die

Dokumentation mit Hilfe der Software bringt es mit sich, dass

Verwaltungsmitarbeiterin; „das habe ich vor Bologna so nicht

Sabine Rosenberger für die Anmeldung zu jeder Teil-Prüfung

erlebt.“ Wer sich früher zu einer künstlerisch-instrumentalen

jedes Studierenden dessen Daten eintragen und überprüfen

Hauptfachprüfung seines Diploms anmelden wollte, musste das

muss – in der Regel zwölf Minuten pro Kandidat.

Studienbuch einreichen nebst Prüfungsprogramm und einer Auflistung der im Studium wesentlich erarbeiteten Werke. Wer

MEHR ALS NUR EIN ZAHLENSPIEL

sich heute zum Bachelor anmeldet, muss vorzeigen, dass er das

Die zweite „große Baustelle“, die die Verwaltung mit der Modu-

Modul, in dem er Prüfung machen will, komplett absolviert hat.

larisierung der Studiengänge schultern musste, war die Frage

Das Modul „Künstlerische Hauptfächer“ beispielsweise besteht

der Anrechenbarkeit von Studienleistungen aus oder für andere

aktuell aus den Teilbereichen Hauptfach, Orchesterstudien,

Hochschulen, also die Gewährleistung der mit Bologna garan-

Korrepetition/Vorspielpraxis, Kammermusik, Orchester und

tierten Mobilität von Hochschule zu Hochschule. Das frühere

Bachelorarbeit. Für alles müssen die Studierenden die Unter-

„Pi mal Daumen-Prinzip“ zu klären, welche Studienleistungen ein

schriften der Lehrenden vom ersten bis siebten Semester

Student an einer anderen Institution bereits erbracht hat und

lückenlos vorlegen. Das kann zu einem stressigen Unterfangen

damit als „absolviert“ mitbringt, gehört mit Bologna endgültig der

werden, vor allem dann, wenn Studierende nicht kontinuierlichen

Vergangenheit an. Über ein Jahr tagte eine Arbeitsgruppe der

Sammeleifer praktiziert haben. Die schriftliche Bachelorarbeit

Hochschule, um bei der Anrechenbarkeit faire und übertragbare

bedeutet übrigens ein zusätzliches Plus an Aufwand im Prüfungs-

Maßstäbe aufzustellen. Wer aus einer anerkannten Hochschule

apparat im Vergleich zur Zeit vor Bologna: Wer früher „Künstle-

aus dem Ausland beispielsweise nach drei Semestern zur HfMDK

rische Ausbildung“ auf Diplom studierte, hatte keinerlei Abschluss-

wechselt, setzt sein Studium heute in der Regel mit dem vierten

arbeit vorzulegen. Allein im vergangenen Sommersemester

Semester fort – früher waren Rückeinstufungen nicht unüblich,

musste das Prüfungsamt 45 Bachelor- und Masterarbeiten

vor allem, um den Studierenden mehr Zeit zu geben, sich zu

zulassen, registrieren, an Erst- und Zweitgutachter schicken und

akklimatisieren. Heute ist schon die Finanzautonomie der Hoch-

deren Bewertung entgegennehmen und weiterreichen.

schulen ein Garant dafür, dass die Regelstudienzeit eines jeden Studierenden so weit wie möglich und vertretbar eingehalten

In der System-Software des Prüfungsamtes müssen alle Leis-

wird. Um fair zu beurteilen, welche genauen Studienleistungen

tungen dezidiert abgebildet und damit nachweislich verfügbar

bereits abgeleistet worden sind, sind Rückfragen des Prüfungs-

sein. Früher reichte zur Prüfungsanmeldung ein sorgfältiger Blick

amts unumgänglich. Sabine Rosenberger: „Es geht dabei oft um

ins Studienbuch, heute müssen Excel-Listen datenkomplettiert

fachliche Fragen, die sich nur im Gespräch mit den Lehrenden

vorhanden sein. Früher erlangten die Studierenden ein Diplom

des entsprechenden Faches klären lassen – sei es Hörschulung,

mit Zeugnis und Urkunde. Das Zeugnis wies zum Beispiel in der

Musikwissenschaft oder Musiktheorie.“ Derlei Entscheidungen 23


FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

SEMESTER 8

CREDITS 240

MODUL I Künstlerische Hauptfächer

164

Hauptfach (inkl. Nebeninstrument) Orchesterstudien Korrepetition / Vorspielpraxis Kammermusik Orchester Bachelorarbeit

114 12 8 12 12 6

MODUL II Pädagogikfächer

KÜNSTLERISCHE INSTRUMENTALAUSBILDUNG (KIA) STUDIENVERLAUFSPLAN KÜNSTLERISCHES PROFIL Streicher, Bläser, Harfe, Schlagzeug

14

Didaktik des Hauptfachs 4 Unterrichtsmethodik / Hospitation / Lehrversuche 4 Instrumentalpädagogik 3 Vermittlung / Konzertpädagogik 1 Berufsfeldorientierung 2 MODUL III Praxisfächer

8

Klavier / Gesang / Sonstige Instrumente 5 Bewegungslehre 2 Chor 1 MODUL IV Theoriefächer

26

Musiktheorie 8 Seminar Neue Kompositionstechniken 2 Hörschulung 4 Musikwissenschaft 8 Geschichte / Literaturkunde / Stilistik des Hauptfaches 4

24

MODUL V Wahlkatalog

28

Hautpfachvertiefung Probespieltraining Kammermusik (Gruppenunterricht) Ensemble Neue Musik Orchester Duo Didaktik / Instrumentalpädagogik / Hospitation Unterrichtspraxis Elementare Musikpädagogik Vermittlung und Konzertpädagogik Berufsfeldorientierung Klavier / Gesang (Einzel-/Gruppenunterricht) Zweitinstrument (Einzel-/Gruppenunterricht) Bewegungslehre Ensembleleitung Improvisation Studiotechnik Chor Hörschulung Musiktheorie Musikwissenschaft Projekt (Joker) Instrumentenkunde / Instrumentation Italienisch Hauptfachinstrument historisch Wettbewerbsprojekt


VOM SEGEN UND FLUCH DER BÜROKRATIE

müssen aber nicht nur bei internationalen Studienortwechseln

stimmen. Heute füttern Erasmus-Koordinatoren ein Online-

getroffen werden: Schon von einer zur anderen deutschen

Tool: von der Finanzverwaltung der Erasmus-Aktivitäten

Hochschule müssen Studierendensekretariate mit einer genauen

über online auszufüllende Fragebögen der Studierenden bis hin

Bestandsaufnahme eruieren, welche Credits ein Wechsler bereits

zu ausführlichen Abschlussberichten, in denen zu Zielen, Ergeb-

mitbringt und welche er an seinem neuen Studienort noch ab-

nissen, Strategien und den Ergebnissen der Studierendenbefra-

leisten muss. Denn jede Hochschule ist autonom, die 240 Credits

gungen Stellung genommen werden muss. All das haben allein

pro Bachelor-Studium so in der Studienordnung festzulegen, wie

in Deutschland 350 Hochschulen minutiös zu leisten, europa-

es ihrem Profil und fachlichen Überzeugung entspricht. Ein rein

weit mehrere tausend. Friederike Kreft resümiert: „Ich finde, dass

quantitatives Nachzählen schon erworbener Credit Points reicht

das International Office einer Hochschule mehr sein sollte als

dabei in der Regel nicht aus. Die mit Bologna geforderte Ver-

der Administrator von Finanzflüssen und Erasmus-Protokollen –

gleichbarkeit hinkt damit der Realität der hochschulspezifischen

ich bin eben sehr mit Verwalten beschäftigt.“ Der Verwaltungs-

Modulgestaltung hinterher.

aufwand nimmt auch hier ob seiner Kleinteiligkeit und Detailausprägung viel Zeit in Anspruch, die dann für umfassendere

TRANSPARENZ UND KONTROLLE

Internationalisierungsaktivitäten fehlt.

Auch im International Office der Hochschule entsteht für Friederike Kreft täglich der Eindruck, dass die Kunsthochschulen

Das intensive Mahlen der bürokratischen Mühle hat zur Folge,

die Quadratur des Kreises bewerkstelligen müssen, wenn sie sich

dass für Studierende deutlicher denn je durchschaubar wird, was

in Bologna-Strukturen einfügen und damit in etwas, was ihrer

sie einerseits im Studium zu leisten haben und was ihnen das

inhaltlichen Natur, künstlerische Reifeprozesse zu fördern, oft

Studium andererseits bieten kann. Um diese Transparenz nutzbar

wesentlich zuwiderläuft. Auch im System von „Erasmus +“, des

zu machen, ist der Beratungsaufwand seit Bologna deutlicher

weltweit größten Förderprogramms der Europäischen Union für

angestiegen, als es äußerlich scheint – so sehr, dass im Prüfungs-

Auslandsaufenthalte an Universitäten und Hochschulen, haben

amt der HfMDK nun eine weitere Bürokraft eingesetzt wird, die

mit Bologna die Kontrolle von Abläufen und Ergebnissen und

im Stellenumfang von 75 Prozent Sabine Rosenberger entlasten

damit die Bürokratisierung erheblich zugenommen. Als Erasmus-

wird, damit sie dem Beratungsbedarf nachkommen kann. Für

Koordinatorin der HfMDK wird sie vom System mehr denn je

fachspezifische Fragen des Studiums haben die Fachbereiche

„überwacht“ – durchaus im Dienste der Transparenz und Verläss-

sogenannte Modulbeauftragte eingesetzt, also Lehrende, die Stu-

lichkeit des Programms für deren Nutzer, also die Studierenden.

dierende in der inhaltlichen Ausrichtung ihres Studiums beraten

Das von Erasmus formulierte Ideal der Austauschbarkeit von

sollen. Auf deren dauerhaftes Engagement ist das Prüfungsamt

Studienorten ohne inhaltliche Divergenzen scheint dabei häufig

angewiesen, um den Informationsbedarf der Studierenden

von der alltäglichen Realität konterkariert zu werden.

decken zu können.

Selbst vor einem Auslandssemester festzulegende „Learning

Bei aller Mühe, die besagte Mühle jeden Tag weiterzudrehen,

agreements“ können diesem Faktum nur bedingt Einhalt gebieten:

sind sich sowohl Friederike Kreft als auch Sabine Rosenberger

Dafür müsste der Studierende genau wissen, was ihm in der

darin einig: Das System offenbart reale Chancen, auf diese Art

Gastuni an Lehrangebot erwartet. Wer im Ausland für die reine

Studien- und Programminhalte langfristig studentenorientiert

Präsenz in einem Seminar Credit Points bekommt, könne sich, so

weiter zu optimieren. bjh

Friederike Kreft, einer hiesigen Anerkennung dieser Punkte nicht sicher sein, wenn an der Heimathochschule in einem thematisch vergleichbaren Seminar eine Klausur erforderlich sei. Früher genügte für den Abschlussbericht eines Erasmus-Jahres die relativ unkomplizierte Bilanzierung, wie viele „incomings“ und „outgoings“ es gegeben hat, was sie gemacht haben und welche Entwicklungen stattgefunden haben, zudem mussten die Bilanzen

25


FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

Johann Lieberknecht, M.A., Bachelor Kirchenmusik

FRAGEN AN STUDIERENDE

Philippe Schwarz, Bachelor Posaune

Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? Durch die Modularisierung hat sich auch in der Kirchenmusik ein recht starres und unflexibles Studienprofil ergeben, das einem Veranstaltungspflichten in den verstreutesten Richtungen auferlegt. Gerade die nicht-praktischen Fächer beanspruchen viel Raum und Kapazität zuungunsten der künstlerischen Ausbildung als eigentlichem Kern des Studiums. Auch der Versuch, Arbeitsleistung in einem musikalisch-künstlerischen Studium mithilfe von abstrakten und vornormierten „workload“Einheiten oder Credit Points fassen zu wollen, geht an der Realität einer höchst individuellen Ausbildung völlig vorbei. Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen

Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl-

des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobi-

und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume?

lität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz?

Die Wahlmöglichkeiten sind an der HfMDK sehr groß – es

Ich halte es für eher ungünstig, ohne Not innerhalb eines

gibt meistens deutlich mehr Angebote, als ich bewältigen kann.

musikalischen Bachelor-Studiums die Hochschule zu wechseln,

Auch innerhalb der vorgeschriebenen Module hat man viele

da jedes Haus seine eigene Prägung hat und die Umstellung auf

Auswahlmöglichkeiten, das gefällt mir sehr gut. Lediglich die

andere Dozenten meiner Meinung nach mehr Vor- als Nachteile

vielen schriftlichen Ausarbeitungen sind meines Erachtens

bringt. Die angeblichen Vorteile von Bologna kommen im

für Musikstudierende zu viel.

Kirchenmusikstudium nicht zum Tragen, da hier die Ausbildungsrichtlinien auch von der jeweiligen Landeskirche und der Konfession abhängen und trotz Modularisierung noch sehr unterschiedlich aussehen. Was am Bachelor-System transparenter als beim Diplom sein soll, hat sich mir noch nicht erschlossen. Der bürokratische Aufwand ist außerdem vollkommen unverhältnismäßig. Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den Berufseinstieg/-alltag vorbereitet? Das Kirchenmusikstudium an der HfMDK ist inhaltlich gut auf die spätere Berufspraxis hin ausgerichtet; so werden etwa mehrere gemeindebezogene Praktika gefordert.

26


Musikhaus Werner Cleve Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz? Ich selbst habe die Hochschule noch nicht gewechselt, kenne aber Curricula von einigen anderen Hochschulen und auch Studierende, die gewechselt haben. Die Studieninhalte sind letztenendes doch wieder so unterschiedlich, dass eine Anrechnung nach wie vor größtenteils von der Kulanz des Prüfungsbüros abhängig ist.

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Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den Berufseinstieg/-alltag vorbereitet? Da mein Ziel eine Stelle im Orchester ist, hängt die Vorbereitung für Probespiele vor allem von meinem Hauptfachlehrer ab – in dieser Hinsicht bin ich optimal vorbereitet worden. Aber auch die „umgebenden“ Fächer haben mir horizonterweiternde Blicke in die Hintergründe der Musik und Körperwahrnehmung ermöglicht, wovon ich sicher im Beruf profitiere.

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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

ÜBEN BLEIBT DAS KERNGESCHÄFT Im Fachbereich 1 steht eine erste große inhaltliche Überarbeitung des Bachelor Künstlerische Instrumentalausbildung (KIA) seit der Einführung des Bachelor- und Mastersystems vor sechs Jahren an Zum Wintersemester 2010/11 startete der größte Fach-

Eine Steuergruppe hat sich an die Arbeit gemacht, den Bachelor

bereich mit modularisierten Studiengängen, nämlich denen der

Künstlerische Instrumentalausbildung (KIA) unter die Lupe zu

Künstlerischen Instrumentalausbildung, der Kirchenmusik

nehmen – warum?

und der Historischen Interpretationspraxis. Nach sechs Jahren Erfahrung mit den Bachelor- und Masterstudiengängen arbeiten

Prof. Christopher Brandt Zum einen hat sich im Bachelor KIA das

nun verschiedene Fachbereichsgremien an einer inhaltlichen

sogenannte Y-Modell nicht wirklich bewährt, nämlich die Möglich-

Optimierung. Hochschulpräsident Christopher Brandt, Gitarren-

keit, dass Studierende nach dem vierten Semester wählen können,

professor und Ausbildungsdirektor Instrumentalpädagogik,

sich im künstlerischen oder pädagogischen Profil einzuschreiben.

Christoph Schmidt, Professor für Kontrabass und zur Zeit der

Bemerkenswert finde ich, dass im Fach Klavier, in dem es im

Umstellung 2010 Dekan des Fachbereiches 1, und Anatol Riemer,

Berufsleben zwingend erforderlich sein wird, sich auch pädago-

Geschäftsführer des Fachbereiches, wagen im Interview ein

gisch zu betätigen, kein Studierender den pädagogischen Zweig

Zwischenfazit über Mühen und Lohn der Modularisierung und

studiert hat. Bei Gitarre, Flöte und Blockflöte hat das Y-Modell

ihrer Weiterentwicklung.

hingegen gut angesprochen. Zum anderen haben wir von Studierenden immer wieder die Rückmeldung erhalten, dass das Studium zu überladen ist. Wir wollen den Fokus nun wieder stärker auf die berufsqualifizierenden Inhalte richten. Schließlich werden wir versuchen, Fächer wie Theorie, Musikwissenschaft und Hörschulung mit den Angeboten im Hauptfach und der eigenen künstlerischen Selbstfindung passgenauer zu verzahnen. Unser Ziel ist insgesamt, das Hauptfach wieder aufzuwerten und der künstlerischen Freiheit wieder mehr Raum zu geben. Aus welchen Personen besteht die Steuergruppe und wie arbeitet sie? Anatol Riemer Sie besteht neben den beteiligten Ausbildungsdirektoren und der Geschäftsführung aus den Fachgruppensprechern, die den Arbeitsstand regelmäßig an die Fachvertreter weitertragen und deren Meinungen in die Arbeitsgruppe zurückspielen. Die Steuergruppe informiert zudem laufend den Fachbereichsrat, der gemäß Hochschulgesetz zunächst Studien- und

Im Uhrzeigersinn: Prof. Christopher Brandt, Prof. Christoph Schmidt, Anatol Riemer 28

Prüfungsordnungen erlässt, ehe sie dem Senat zur Stellungnahme vorgelegt werden. Wir hoffen, damit ein Modell gefunden zu


ÜBEN BLEIBT DAS KERNGESCHÄFT

haben, um möglichst viele am Überarbeitungsprozess teilhaben

in welchem Studienmodell ihnen dies ermöglicht wird, eher

zu lassen und trotzdem ein übersichtliches Gremium zur

zweitrangig. Was am Bachelor als sehr vorteilhaft empfunden

Steuerung des Prozesses zu bleiben.

wird, ist der Wahlbereich und damit die Möglichkeit, das Studium seinen individuellen Bedürfnissen anzupassen.

Herr Schmidt, wie haben Sie in Ihrer Zeit als Dekan im Jahr 2010 die Umstellung auf das Bologna-System erlebt?

Sind denn die Absolventen durch Bologna und dessen knapp bemessene Studienzeit wirklich früher auf dem Arbeitsmarkt?

Prof. Christoph Schmidt Ich empfand Bologna damals als große Chance, ein Studium wirklich transparent abzubilden. In

Prof. Christopher Brandt Das bezweifel ich: Die Tendenz, nach

den Konzeptionsgesprächen nahm die Frage einen großen Raum

einem Bachelor einen Master draufzusatteln, ist mittlerweile sehr

ein, welche Fächer verpflichtend sein sollen und welche Wahl-

ausgeprägt. Ich habe zumindest den subjektiven Eindruck, dass

möglichkeiten es gibt. Mein Bestreben war es, den Wert des

Studierende mit Bologna im Schnitt sogar noch länger studieren

Arbeitens am Instrument in der Gewichtung der Module hoch

als zu Diplomzeiten.

anzusetzen. Aus meiner Sicht sind die Studieninhalte noch zu sehr gestreut und lassen wenig Zeit für das handwerkliche Kern-

Ist es allgemeiner Konsens, dass die Beschäftigung mit dem

geschäft, also das Üben. Gegen manches habe ich mich damals

Instrument, also dem Hauptfach, der Nukleus eines künstlerischen

zur Wehr gesetzt: Als ein Praktikum in einer sozialen Einrichtung

Studiums bleibt?

für Musikstudierende verpflichtend verankert werden sollte, hab ich dies strikt abgelehnt. Insgesamt lässt sich aber nach sieben

Prof. Christopher Brandt Innerhalb des Fachbereiches auf jeden

Jahren Bologna bei uns eine sehr positive Bilanz ziehen.

Fall. Leider wird es außerhalb dessen jedoch von vielen immer

Anatol Riemer Die Umstellung brachte mit sich, dass erstmals

noch despektierlich betrachtet, dass sich unsere Studierenden

Studieninhalte verbindlich formuliert wurden, die bereits in den

viele Stunden am Tag selbstständig am Instrument weiterbilden

alten Studiengängen geläufig Praxis waren, ohne dass sie explizit

müssen. Dabei ist dies ein ganz kreativer Prozess der Selbsterfor-

in der Studienordnung standen – zum Beispiel 30 Minuten Kor-

schung und Selbstreflexion, den man nicht unterschätzen sollte.

repetitionsunterricht für Studierende. Derlei Festschreibung ging

Prof. Christoph Schmidt In meiner Generation war es noch

natürlich nicht ohne Diskussion um die Finanzierbarkeit vonstatten.

selbstverständlich, in die Beschäftigung mit dem Instrument das

Die Befürchtung, die Kosten pro Studierenden könnten im Zuge

Maximum an Zeit zu investieren und andere Fächer ggf. wegzu-

der Umstellung steigen, hat sich glücklicherweise überhaupt nicht

lassen. Das geht heute – gerade angesichts von Bologna – nicht

bewahrheitet. Ein langes Grundsatzringen gab es zudem um die

mehr. Ich selbst habe im vierten Semester meines Studiums eine

Frage, ob man das oben erwähnte Y-Modell mit der Profilwahl im

Stelle bekommen und war dann weg von der Hochschule, habe

fünften Semester einführt oder nicht. Insgesamt habe ich den

mein Examen Jahre später nachgeholt, um überhaupt etwas in der

Umstellungsprozess als eine wahnsinnig spannende und arbeits-

Hand zu haben, andere haben ganz darauf verzichtet. Das ist heut-

intensive Zeit erlebt, die auch sehr viel Spaß gemacht hat.

zutage ganz unüblich: Alle beenden ihr Studium mit einem Examen.

Bedeutete Bologna für die Studiengänge einen qualitativen Quantensprung?

Wann werden die Ergebnisse der Studiengangüberarbeitung studentische Realität werden?

Prof. Christoph Schmidt Einen Quantensprung auf keinen Fall. Aber Bologna ist ja auch ein Prozess – ein solcher, in dem man

Anatol Riemer Realistischerweise gehe ich von einer

angefangen hat, den „workload“ transparent abzubilden, das

Einführung zum Wintersemester 2018/19 aus – und wenn wir

ist sicher ein positiver Effekt.

es eher schaffen: umso besser! bjh

Prof. Christopher Brandt Es ist klar, dass künstlerische Studierende in der Regel vor allem bestrebt sind, einen Platz in der Klasse ihres Wunschlehrers zu bekommen. Für sie ist die Frage, 29


FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

DAS FÜR UND WIDER DER SYSTEME Lehramtsanwärter in Baden-Württemberg studieren neuerdings auf Master und Bachelor, die Sachsen dagegen sind nun wieder zum Staatsexamen zurückgekehrt Seit 2007 können Lehramtsanwärter an der HfMDK Frankfurt

zurückgekehrt. Welche Gründe für die jeweiligen Entschei-

am Main Musik für das Lehramt in allen Schulstufen studieren;

dungen prägend waren und welche inhaltlichen wie formalen

sie durchlaufen dabei die Ausbildung des modularisierten

Konsequenzen dies hat, haben zwei Lehrende der HfMDK direkt

Staatsexamens, sammeln also Credit Points und Modulscheine,

bei ihren Kolleginnen erfragt: Prof. Dr. Werner Jank horchte an

peilen dabei aber nicht Bachelor- und Masterabschlüsse an,

der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst

sondern das erste Staatsexamen als qualifizierende Vorausset-

Mannheim (Baden-Württemberg) bei der Musikpädagogik-

zung für ein sich anschließendes Referendariat. Während Baden-

Professorin Dr. Martina Benz nach, und Prof. Dr. Katharina

Württemberg mit Beginn des Wintersemesters 2016/17 die

Schilling-Sandvoß führte ein Interview mit Dr. Constanze Rora,

Lehrerausbildung auf das System von Bachelor und Master um-

Professorin für Musikpädagogik und -didaktik an der Hochschule

stellt, ist Sachsen nach einem Systemwechsel 2006/2007 im

für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig

Studienjahr 2012/2013 wieder zum Prinzip des Staatsexamens

(Sachsen).

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DAS FÜR UND WIDER DER SYSTEME

LEHRAMTSSTUDIUM IN BADEN-WÜRTTEMBERG: FÜR MEHR DURCHLÄSSIGKEIT Prof. Dr. Werner Jank In Baden-Württemberg hat das Kultus-

Werner Jank Wie beurteilen Sie die Einführung – vor allem im

ministerium nach einigen Jahren eines modularisierten Staats-

Vergleich zum modularisierten Staatsexamen – mit Blick auf die

examens das Lehramtsstudium mit Beginn des Wintersemesters

Studienstrukturen und -inhalte?

2016/17 auf die Bachelor-Master-Struktur umgestellt. Mit welchen Begründungen hat das Ministerium diesen Schwenk eingeleitet?

Martina Benz Positiv zu sehen ist die stärkere Eigenständigkeit der Hochschulen in Bezug auf Prüfungsformate, allerdings ist das

Prof. Dr. Martina Benz Es ging bei der Einführung in erster Linie

Ministerium bei der Akkreditierung der Studiengänge beteiligt.

um eine optimierte Vorbereitung der angehenden Lehrerinnen

Problematisch könnte der Eintritt in die Masterphase für „Querein-

und Lehrer auf ihren späteren Beruf. Ein Hauptargument war die

steiger“ werden, daher wird gerade sehr gründlich über ein ent-

erhöhte Durchlässigkeit zwischen den Studiengängen. Die Quali-

sprechendes hochschulinternes Eignungsverfahren nachgedacht.

tät der Lehrerbildung soll vor allem durch einen stärkeren Profes-

Die Praktikabilität bleibt abzuwarten.

sionsbezug weiterentwickelt werden. Dabei wünscht sich das Ministerium dringend die Kooperation mit den Pädagogischen

Die Umstellung erforderte insgesamt eine verstärkte Kooperation

Hochschulen. Diese wurde an einzelnen Standorten, z. B. in

mit den Universitäten bezüglich der Frage der Studierbarkeit.

Mannheim, bereits umgesetzt.

Eine der größten Änderungen im Vergleich zum modularisierten Staatsexamen besteht nämlich darin, dass das zweite Schulfach nicht mehr als „Beifach“ mit kleiner Fakultas nur bis Klasse 10 studiert werden kann, sondern nur mit großer Fakultas. Zudem muss dieses universitäre Fach zeitgleich mit Musik abgeschlossen werden, um den BA- sowie den MA-Abschluss zu erhalten. Die Kompatibilität der beiden Studienfächer muss daher garantiert werden. Auch hier muss sich die Realisierbarkeit der eng aufeinander abgestimmten Studienstrukturen in der Praxis erst noch erweisen. Inhaltlich ist der Unterschied zum modularisierten Staatsexamen aus meiner Sicht nicht so groß. Im Fach Musik müssen bestimmte Inhalte (wie z. B. der künstlerische Unterricht) nach wie vor in aufeinander aufbauenden Modulen unterrichtet werden. Die Umstellung wurde in Mannheim aber genutzt, um neue Erstfächer (Dirigieren, Klavier/Schulpraktisches Klavierspiel als Kombifach) sowie spezifische Profile (Transkulturelle Musikpädagogik) einzuführen und den Wahlbereich zu flexibilisieren. Außerdem wurde der Prüfungsdruck reduziert.

Prof. Dr. Martina Benz

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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

Werner Jank Sie haben die wirklich schwierige Frage der

Martina Benz Insgesamt hat sich der Anteil der Bildungswissen-

Studierbarkeit schon angesprochen. Wie lösen Sie dieses

schaften in allen Lehramtsstudiengängen durch die Umstellung

Problem in Mannheim konkret?

in Baden-Württemberg deutlich erhöht. In der Regel wird dieser Bereich von den Universitäten abgedeckt. Allerdings können

Martina Benz In Mannheim gilt die Regelung, dass die

Studierende, die ihr wissenschaftliches Fach an der Universität

Studierenden erst in ihrem zweiten bzw. dritten Fachsemester

Mannheim studieren, nach wie vor einige der bildungswissen-

(immer zum Herbstsemester) an der Universität beginnen. Diese

schaftlichen Inhalte durch musikpädagogische Seminare mit

Regelung bietet ihnen die Chance, die Wahl des wissenschaft-

entsprechenden Inhalten an der Musikhochschule abdecken.

lichen Fachs ohne Druck anzugehen und sich vorab in Ruhe zu

Leider hat sich der Anteil der an der Musikhochschule absolvier-

informieren. Wir haben das so verzahnt, dass dadurch weder für

baren bildungswissenschaftlichen Veranstaltungen gegenüber

die Regelstudienzeit noch für die Gewährung von BAFöG

dem modularisierten Staatsexamen verringert, sodass die Studie-

Nachteile für die Studierenden entstehen.

renden eher allgemeine bildungstheoretische Themen kennenlernen und sich nicht mehr so intensiv mit Fragen der Ästhetischen

Werner Jank Wie steht es um die Kompetenzorientierung für

Bildung auseinandersetzen können. Im Bereich der wissenschaft-

den Lehrerberuf im Rahmen der neuen Studienstrukturen?

lichen Musikpädagogik spielen Themen der Ästhetischen Bildung allerdings nach wie vor eine große Rolle. Dies hat sich gegenüber

Martina Benz Anwendungsorientierte Anteile gab es ja auch

dem modularisierten Staatsexamen inhaltlich nicht geändert.

schon im modularisierten Studiengang. Sie wurden beibehalten. Über Kompetenzorientierung wurde bei der Umstellung nicht

Werner Jank Was verändert sich im Hinblick auf die Prüfungen

spezifisch neu nachgedacht, auch wenn die einzelnen Fachpapiere

mit dem Wechsel vom modularisierten Staatsexamen auf

Kompetenzbeschreibungen enthalten. Lehramtsspezifische

Bachelor und Master für Studierende?

Inhalte finden in Mannheim nicht erst in der späten Bachelorphase oder gar erst im Master statt, sondern sind von Anfang an in

Martina Benz Insgesamt wurde die Anzahl der Prüfungen

den Studienverlauf eingebunden, um die Studierenden dabei zu

reduziert. Pro Modul wird eine Prüfung absolviert, die sich z. T.

unterstützen, sich zu authentischen Musiklehrerpersönlichkeiten

aus Teilprüfungen zusammensetzt, allerdings wird nicht mehr

zu entwickeln. Dabei wurde in Mannheim Wert darauf gelegt,

jedes Modul benotet. Um den Bachelorgrad zu erhalten, wird

auch die wissenschaftliche Qualifikation für den Beruf nach

in Mannheim eine Künstlerisch-integrative Bachelor-Arbeit

wie vor zu gewährleisten.

angefertigt, die sich weitgehend am Vorbild der bisherigen „Integrativen Teilprüfung“ des Staatsexamens orientiert. In dieser

Werner Jank Welche Rolle spielen Bildung und Ästhetische

Prüfung kombinieren die Studierenden nach eigener Wahl

Bildung im Bachelor-Master-Studium? Welche Unterschiede

Kompetenzen aus verschiedenen Modulen des Musikstudiums

sind im Vergleich zum modularisierten Staatsexamen erkennbar?

fächerübergreifend – also z. B. Künstlerisches Instrumentalspiel in Kombination mit Musikwissenschaft und Sprecherziehung – und zeigen die Ergebnisse in einer Projektpräsentation. Für den Masterabschluss wird eine wissenschaftliche Arbeit verlangt, die nach Rahmenverordnung des Ministeriums nun nicht mehr nur in Musik, sondern auch im wissenschaftlichen Fach oder in den Bildungswissenschaften angefertigt werden kann. Eine explizit künstlerische Masterprüfung gibt es nicht, allerdings wird in Mannheim in der Masterphase ein künstlerisches Profilfach gewählt. Dieses wird mit einer Modulprüfung, die mit der bisherigen Staatsexamensprüfung von Umfang und Inhalt her vergleichbar ist, vor einer Kommission abgeschlossen.

32


DAS FÜR UND WIDER DER SYSTEME

Werner Jank Was verändert sich für die Lehrenden? Martina Benz Da das Landeslehrerprüfungsamt keinen Einfluss mehr auf die Prüfungen nimmt, hat die Bewertung der Lehrenden größeres Gewicht gewonnen. Werner Jank Und für die Verwaltung? Martina Benz Wir gehen davon aus, dass sich der Verwaltungsaufwand durch die Umstellung erhöhen wird. Werner Jank Welche Rolle spielten die Hochschulen beim Wechsel in die Bologna-Strukturen: pro – contra? Aktiv und fördernd – passiv und bremsend? Innovierend – restaurierend? Martina Benz In der Entstehungsphase wurden die Hochschulen insofern eingebunden, als die so genannten Fachpapiere (Kompetenzen und Inhalte) von den Studiengangsleiterinnen und Studiengangsleitern in Zusammenarbeit mit den Studienseminaren gemeinsam entwickelt wurden. Die grundsätzliche Initiative des Ministeriums hinsichtlich der Umstellung der Lehrerbildung wurde allerdings nicht beeinflusst, und in der Entscheidungsphase hatten die Hochschulen letztlich keinen Einfluss.

33


FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

LEHRAMTSSTUDIUM IN SACHSEN: ZURÜCK ZUR SPEZIFISCHEN PRÄGUNG Prof. Dr. Katharina Schilling-Sandvoß Mit welchen Begründungen seitens der Ministerien wurde das System von Bachelor und Master für die Lehramtsstudiengänge in Sachsen wieder abgeschafft? Prof. Dr. Constanze Rora Die Ministerien haben uns keine direkte Begründung genannt, es handelte sich um eine politische Entscheidung. Die Kollegen waren nicht begeistert davon, dass eine solch wichtige Entscheidung im Grunde genommen nur mitgeteilt wurde, ohne mit den Universitäten wirklich Rücksprache zu halten oder eine Erfahrungsauswertung abzuwarten. Vermutlich lag ein Grund für die Rückkehr zum Staatsexamen darin, dass man wieder eine etwas billigere Lehramtsausbildung wollte. Der Bachelor in der Lehramtsausbildung war in allen Fächern polyvalent angelegt, d. h. alle Lehrämter studierten auf die Fächer bezogen den gleichen dreijährigen Bachelor, bevor ein zweijähriger Master angehängt wurde. Idealerweise sollte es möglich sein, dass sich die Studierenden erst nach dem Bachelor für eine Schulart entscheiden. Vom Studienumfang waren also alle Schulstufen gleichgestellt. Dies – so hieß es dem Vernehmen nach – könnte auch bei der späteren Besoldung Probleme bereiten. Außerdem hatte die genannte Polyvalenz zur Folge, dass es eigentlich keine Mittelschullehrer mehr gab: Dadurch, dass deren Studium genau so lang und auch so voll war wie das der zukünftigen Gymnasiallehrer, kam es nicht mehr zu der vorher üblichen Verteilung der Studierenden auf die verschiedenen Lehrämter. Die Schulstufenspezifik sollte vermutlich wieder stärker ausgeprägt werden. Die Studiendauer für die Mittelschule und für das Grundschullehramt wurden reduziert mit dem Staatsexamen, an Grundschulen auf acht Semester, an Mittelschulen auf neun Semester, und nur das gymnasiale Lehramt ist bei zehn Semestern geblieben.

34

Prof. Dr. Constanze Rora


Roxana Littau, Studium der Schulmusik für das Lehramt an Gymnasien (L3)

FRAGEN AN STUDIERENDE

Julia Seiwert, Studentin für Schulmusik und Französisch (L3)

Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? Ein Schulmusikstudium in Frankfurt ist in jedem Fall ein Vollzeitjob, vor allem, wenn man Musik und wissenschaftliches Beifach auf L3 studiert und den Studienverlaufsplan einhalten möchte. Mir gefällt die relativ große Breite der Veranstaltungen in den Pflichtmodulen des Hauptstudiums (z. B. Musikpädagogik, -wissenschaft und -theorie); hier kann man nach seinen Interessen Seminare auswählen. Leider ist es zeitlich kaum möglich, darüber hinaus die zahlreichen attraktiven Angebote zu nutzen, in denen man keinen Schein erwerben kann; eine Verlängerung der Regelstudienzeit (9 Semester) um ein bis zwei Semester ist meist unumgänglich und meines Erachtens auch sinnvoll. Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz? Von meinem Erasmusaufenthalt in Frankreich habe ich mir Studienleistungen problemlos anerkennen lassen können. Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume?

Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den

Obwohl die Wahlmöglichkeiten z. B. bei Seminaren begrenzt sind

Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?

und man viele Kurse wie in der Schule einfach besucht, bin ich

Das Studium für das gymnasiale Lehramt ist mit vier Pflicht-

mit der Gestaltung bisher sehr zufrieden. Zeitliche Freiräume und

praktika verbunden, in denen man unter anderem zehn Wochen

ein Lehramtsstudium gehören sowieso nicht zusammen –

in der Schule hospitiert und erste Unterrichtsversuche macht.

das habe ich in vier Semestern auch gelernt.

Mir haben diese Erfahrungen und vor allem die freiwilligen Zusatzworkshops der Akademie für Bildungsforschung und

Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den

Lehrerbildung an der Goethe-Uni sehr geholfen. Im Rahmen der

Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?

musikpraktischen Fächer könnten noch mehr Kooperationen

Teils, teils. Das Praxissemester im letzten Semester vermittelte

mit Schulen stattfinden.

mir gute Einblicke in meinen späteren Beruf, und ich habe gemerkt, dass mir mein Studium eine gute Grundlage gibt. Ich sehe auch den künstlerischen Aspekt, der auf den ersten Blick für den Lehrerberuf direkt eine Überqualifikation darstellt, während man zum Beispiel zum Thema Unterrichtsvorbereitung wenig Anleitung bekommt. Ich empfinde es aber als ein großes Privileg und eine große Bereicherung, dass man eben nicht nur Lehrerin, sondern auch Künstlerin wird.

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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

FRAGEN AN STUDIERENDE Johannes Müller-Hornbach, Musik für das Lehramt an Gymnasien (L3)

Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl-

Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen

und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume?

des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobi-

Insbesondere im Studienteil an der Musikhochschule empfinde

lität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz?

ich die Wahl- und Gestaltungsräume als recht gering. Die

Was ich immer wieder von Kommilitonen gehört habe, ist, dass

meisten Kurse und Unterrichte im modularisierten Lehramts-

trotz der Vereinheitlichung Transparenz und Möglichkeiten zur

studium (L3) sind für alle Studierenden obligatorisch, so dass

Mobilität nicht signifikant zugenommen haben oder sogar

wenige Möglichkeiten für persönliche Schwerpunktsetzungen

geringer geworden sind.

bestehen. Aufgrund der hohen zeitlichen Belastung bleibt recht wenig Kapazität für zusätzliche Aktivitäten. Hier sind meines

Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den

Erachtens Korrekturen in der Studienordnung nötig.

Berufseinstieg/-alltag vorbereitet? Ich fühle mich für den Berufseinstieg recht gut vorbereitet. Ein wichtiger Baustein dabei war für mich allerdings auch die Arbeit in Schulprojekten, unabhängig vom Studium, in denen ich eigenverantwortlich und direkt in Schulen tätig war. Für derartige Aktivitäten in den Studiengängen Raum zu schaffen, wäre sicherlich sehr sinnvoll.

36


DAS FÜR UND WIDER DER SYSTEME

Katharina Schilling-Sandvoß Wie bewerten Sie nach der

Constanze Rora Beidem. Der Bereich, der im Grundschulstudium

Umstellung die aktuellen Studienstrukturen und -inhalte?

gekürzt wurde, erhält zugleich in den Prüfungen ein größeres Gewicht. Eine solche Gegenläufigkeit ist im BA/MA-System

Constanze Rora Wir haben versucht, die Module in die Ordnung

nicht möglich. Wir haben jetzt im Sommer unsere ersten Grund-

eines modularisierten Staatsexamens zu überführen. Natürlich

schullehrämtler im wiedereingeführten Staatsexamen; sie

mussten wir dabei die Module neu strukturieren und für die Grund-

sind gerade dabei und schreiben ihre Arbeiten, haben ihre

schule auch Inhalte kürzen. Dies bot aber zugleich die Gelegenheit,

mündlichen Prüfungen. All das nehme ich im Moment als

Struktur und Inhalte nochmals zu überdenken. Ich denke, wir

einen ziemlichen Gewaltritt für die Studierenden wahr. Eigentlich

haben aus dem, was wir machen mussten, das Beste gemacht.

haben sie aber für die Arbeit und die Vorbereitung der Prüfung ein ganzes Semester Zeit – zumindest theoretisch und insofern

Natürlich ist es schade, dass dabei einige Veranstaltungen als

sie nicht doch noch etwas „nachstudieren“ müssen.

Lehrangebote weggefallen sind, vor allem im Grundschullehramt. Erhalten konnten wir Errungenschaften der HMT wie das Fach „Elementares Gruppenmusizieren“ für das Grundschullehramt, eine stark didaktisch-praktische Ausbildungsschiene sozusagen, sowie einen starken Anteil an schulbezogenen musikalischen Praxisformen auch in den anderen Lehrämtern. Reduziert wurde im Bereich der theoretisch ausgerichteten didaktischen und der musikwissenschaftlichen Seminare. Katharina Schilling-Sandvoß Dies ist doch eher der Reduktion der Semesteranzahl geschuldet als der Rückumstellung auf das Staatsexamen, oder?

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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

Katharina Schilling-Sandvoß Wie beurteilen Sie die jetzige

Katharina Schilling-Sandvoß Dann hat sich der Aspekt der

Studierbarkeit und deren Veränderungen?

Kompetenzorientierung auch nicht wirklich verändert?

Constanze Rora Gerade bei uns an der HMT sind die Module

Constanze Rora Nun ja, es ist im Grunde genommen die

auch in der Bachelor/Master-Version wirklich richtig knackevoll

gleiche inhaltliche Ausrichtung. Natürlich ist es nicht gut, wenn

gewesen. Die neuen Module sind nicht weniger arbeitsaufwändig,

man weniger Zeit hat, sich mit wissenschaftlicher Literatur

insofern stellt sich das Problem in gleicher Weise. Inhaltlich

auseinanderzusetzen. Dadurch, dass wir eine Abschlussprüfung

sehe ich durchaus einen Vorteil darin, dass die Studierenden

noch nicht hatten und ich wenige Seminare gemacht habe, in

am Ende des Studiums nochmal gezwungen sind, bestimmte

denen Semesterarbeiten zu schreiben waren, kann ich einfach

Dinge grundlegend aufzuarbeiten und auch für die mündlichen

schwer einschätzen, ob es hier einen Qualitätsverlust gibt.

Prüfungen ein breites Feld in der Didaktik und auch in der Musikwissenschaft bereitzuhalten und darüber zu diskutieren.

Wir arbeiten übrigens mit Komplexprüfungen, absolvieren im Grundschullehramt die Prüfungen zusammen mit den Musik-

Katharina Schilling-Sandvoß Wie sehen Sie jetzt, wieder im

wissenschaftlern. Das heißt, dass die Studierenden einen

Vergleich vorher und nachher, die Qualifizierung für den Beruf?

Bereich haben, in dem sie sich auf Musikwissenschaft vorbereiten und auf ein Feld für die Musikdidaktik, aber wir als Prüfer

Constanze Rora Dadurch, dass im Kernfach Musik nur moderate

gleichzeitig anwesend sind. Und das ist auch, finde ich wiederum,

Kürzungen vorgenommen werden mussten und Praxisveranstal-

gar nicht so schlecht. Es hat gewisse Vorteile, wenn man sieht,

tungen nicht verringert worden sind, macht es hinsichtlich der

was im anderen Bereich geprüft und gelehrt wird. Wir müssen

musikbezogenen Studieninhalte keinen großen Unterschied.

abwarten, ob jetzt insgesamt das Niveau gesenkt wird.

Die zeitweise vorgenommene Verkürzung des Referendariats hingegen war ein echtes Problem. Das hat man jetzt auch zurück-

Katharina Schilling-Sandvoß Welche Rolle spielen „Bildung“

genommen. Im Grundschulstudium ist es so, dass bestimmte

und „Ästhetische Bildung“ – sehen Sie da Unterschiede zwischen

Veranstaltungen mit dezidiert theoretischer Ausrichtung wegfal-

dem BA/MA-Studium und dem modularisierten Staatexamen?

len, aber wir haben natürlich versucht, es so vernünftig wie möglich zu konzipieren.

Constanze Rora Die Frage, inwiefern und auf welche Weise die Auseinandersetzung mit Musik bildet, ist wiederkehrender zentraler Gegenstand in den theoretisch ausgerichteten Didaktikseminaren. Diese wurden allerdings – wie gesagt – im Grundschulstudium Musik reduziert.

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FRAGEN AN STUDIERENDE Lena Möller, Musik und Sport für das Lehramt an Haupt- und Realschulen (L2)

Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz? Das Lehramtsstudium in Hessen schließt mit dem ersten Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl-

Staatsexamen ab, ist aber in Module gegliedert, so dass auf

und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume?

dieser Ebene eine bundesweite Vergleichbarkeit herrscht. Die

Im Lehramtsstudium spielt die Fächerkombination eine

Bestimmungen der Länder für das Lehramtsstudium unter-

entscheidende Rolle im Hinblick auf Gestaltungsmöglichkeiten scheiden sich dabei immer noch deutlich. Die Abschlüsse und zeitliche Freiräume. Denn in manchen Fächern müssen

(Staatsexamen oder Master of Education) werden zwar anerkannt,

deutlich mehr Pflichtveranstaltungen besucht werden als in

möglicherweise ist die studierte Fächerkombination in einem

anderen, und somit nimmt die Wahrscheinlichkeit von Über-

anderen Bundesland aber gar nicht möglich, oder es gibt ein

schneidungen einzelner Veranstaltungen deutlich zu. Das

Fach überhaupt nicht. Deshalb sollte man sich vorher informie-

erschwert die Erstellung des Stundenplans zusätzlich. Grund-

ren in welchen Bundesländern man nach dem Studium mit

sätzlich müssen die Veranstaltungen der beiden Fächer sowie

dem erreichten Abschluss unterrichten kann.

die der Bildungswissenschaften zeitlich passend kombiniert werden. Von den jeweiligen Fachbereichen der Goethe-

Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den

Universität werden meist zahlreiche Angebote zur Verfügung

Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?

gestellt, jedoch stellt sich erst nach Ablauf der Anmeldefrist

Ich denke richtig vorbereitet ist man nie. Im L2-Studiengang sind

und mit Bekanntgabe der Kurslisten heraus, ob man in den

zwei Praktika von je fünf Wochen vorgesehen, in denen man mög-

gewünschten Seminaren gelandet ist oder nicht. Ein Vorteil,

lichst viel selbst machen sollte, um daraus zu profitieren. Die zu

den wir als Schulmusiker genießen, wird hierbei deutlich, da

absolvierenden Pflichtliederstunden helfen auch, erste praktische

es für die Seminare im pädagogischen und wissenschaftlichen Erfahrungen im Bereich der Liederarbeitung zu sammeln. Während Bereich an der Musikhochschule kein Anmeldeverfahren gibt,

des Studiums entwickelt man sicherlich schon erste Züge eines

so dass alle ausgewählten Seminare auch besucht werden

eigenen Unterrichtsstils und der Persönlichkeit als Lehrperson, die

können. Die Auswahlmöglichkeiten sind dafür in einigen Modulen

sich aber erst mit Berufsroutine weiterentwickeln und festigen.

eher gering, was allerdings die Entscheidung leichter macht.

Denn auch als Lehrer lernt man nie aus.

Zeitliche Freiräume sind eher rar gesät, da die Übezeit ja noch von der freien Zeit abgezogen werden muss und man je nach Studienabschnitt bis zu drei übepflichtige Veranstaltungen besucht (Hauptfach, Nebenfach, Schulpraktisches Instrumentalspiel). Da kommt dann leider auch immer irgendetwas zu kurz. Trotz allem sollte man sich Zeit für ein Hobby nehmen, um nicht völlig im „Studiensumpf“ zu versinken.

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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

Marie Schwesinger, Regie

FRAGEN AN STUDIERENDE

Katarina Graf, Musik auf Förderschullehramt

Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? Besonders seit dem vierten Semester erlebe ich mein Studium als selbstbestimmter. Es ergeben sich mehr zeitliche Freiräume, die ich durch eigenständiges Recherchieren nutzen kann. Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz? Das Bachelor-Regie-Studium hat dieselbe Länge wie früher der Diplomstudiengang, bescheinigt mir jedoch eine niedrigere Qualifikation: Weder kann ich mit dem Abschluss in die Lehre gehen, noch kann ich promovieren. Darüber hinaus gibt es (zumindest in Frankfurt) kein Master-Studium Regie, noch ist der Bachelor-

Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl-

studiengang darauf ausgelegt. Ich schätze mein Studium sehr,

und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume?

aber die Bologna-Umstellung hat nur Probleme mit sich gebracht.

In der Musikpädagogik und -wissenschaft gibt es auf jeden Fall die Möglichkeit, sich zwischen den verschiedenen Seminaren

Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den

und Dozenten zu entscheiden, sodass man die Seminarthemen

Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?

nach seinen persönlichen Interessen aussuchen könnte. Hierbei

Ja und nein. Das Studium ermöglicht mir besonders in

ist allerdings der volle Stundenplan ein Problem, da die Wahl-

den Studienprojekten, mich als Regisseurin zu erproben und im

möglichkeiten häufig auf bestimmte Zeitfenster beschränkt

Frankfurt LAB in einem professionellen Theater zu produzieren.

sind. Jetzt gegen Ende des Studiums lichtet sich der Stundenplan

Die Unterrichte bieten mir sowohl praktischen wie theoretischen

etwas, sodass nun etwas mehr Zeit bleibt, um die Zusatz-

Input. Manchmal würde ich mir jedoch eine engere Verzahnung

angebote ohne Scheinerwerb zu belegen.

zu den Stadt- und Staatstheatern wünschen, ebenso eine größere Verbindlichkeit in der Kooperation mit den Theatern der Hessischen

Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den

Theaterakademie. Als Regieassistentin hatte ich bereits vor meinem

Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?

Regiestudium den Alltag an verschiedenen Theatern in Deutsch-

Neben den zwei fünfwöchigen Praktika, die bei uns zuerst an

land kennengelernt, weiß dementsprechend, worauf ich mich

einer Förderschule und dann an einer Haupt- und Realschule

einlasse, habe aber auch die Utopie, dass sich durch Bewegungen

absolviert werden, habe ich gerade in den letzten Semestern

wie das „ensemble-netzwerk“ die Bedingungen besonders auch

viel Praxiserfahrungen mit Schülerinnen und Schülern sammeln

für freischaffende RegisseurInnen verbessern können.

können. Hierbei kommt es aber sehr darauf an, welche Musikpädagogik-Seminare man auswählt, denn in einigen ist der Praxisanteil mit Unterrichtsversuchen sehr hoch, in anderen dafür kaum vorhanden. Insgesamt fühle ich mich gut vorbereitet, bin aber gespannt, ob diese Einschätzung im Referendariat tatsächlich zutrifft!

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DAS DREI FÜR FRAGEN UND WIDER AN STUDIERENDE DER SYSTEME

Katharina Schilling-Sandvoß Welche Rolle spielten die Hoch-

Für die Grundschullehrerbildung sah der erste Entwurf vor,

schulen beim Wechsel in die eine oder andere Richtung: aktiv

das Kernfach in seinen Studienanteilen zugunsten der anderen

und fördernd oder passiv bis bremsend, innovierend oder

Lernbereiche stark zu kürzen. Es war der Versuch, den Anfor-

restaurierend?

derungen an den Grundschullehrer als Klassenlehrer, der mehrere Fächer in seiner Klasse unterrichtet, stärker entgegen-

Constanze Rora Es ist tatsächlich so, wie ich eingangs gesagt

zukommen. Dieser Ansatz setzte sich nicht durch. Das vertiefte

habe, dass dieser Wechsel zurück zum Staatsexamen keiner

Studium eines Kernfachs war den Universitäten und besonders

war, der mit dem Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung

auch uns im Lehramt Musik wichtig. Insofern haben wir Einiges

abgesprochen gewesen wäre, er wurde vielmehr oktroyiert. Und

getan, um möglichst viele Credits für Musik zu sichern. Wir haben

es ist in meiner Erinnerung so, dass sich die Uni Leipzig zunächst

sogar noch mehr Credits als andere Kernfächer herausgehandelt –

eher ablehnend verhalten hat und versucht hat zu bremsen.

weil wir angesichts der künstlerisch-praktischen Anforderungen

Aber das Ganze ging damit einher, dass Sachsen – wie ja viele

besondere Sorge hatten, dass die Fachlichkeit leidet.

andere Bundesländer auch – von einem bevorstehenden Lehrermangel betroffen ist und dass man die Studierendenzahlen

Katharina Schilling-Sandvoß Was ist Ihnen insgesamt im

aufstocken wollte. Die Studierendenzahlen wurden auch immens

Hinblick auf diese Veränderung, vielleicht auch im Hinblick auf

aufgestockt. Es ging darum, möglichst schnell Absolventen zu

die Frage einer Kompetenzorientierung, für die Lehrerbildung

haben. Vor diesem Hintergrund war natürlich die Verkürzung

wichtig?

der Studienzeiten für Grundschullehrer interessant. Constanze Rora Wie gesagt, ist eine starke fachliche Orientierung im Musikstudium unerlässlich, da die Studierenden sich eine sichere Grundlage in den künstlerisch-praktischen Fächern – insbesondere in denen, die auf die Schulpraxis ausgerichtet sind – aneignen müssen. Unabdingbar ist aber auch ein weiter musikpädagogischer Horizont, der Brücken zu den allgemeinpädagogischen Studieninhalten schlägt. Solcherart Brücken wünsche ich mir auch ausgehend von der anderen Seite. Ich sehe daher mit Freude, dass die Uni in ihren Ergänzungsstudien – das ist ein bildungswissenschaftlicher Bereich, aus dem die Studierenden aller Lehrämter und Fächer Veranstaltungen belegen müssen – ein Profil zum Thema „Kulturelles Lernen – Ästhetische Bildung“ eingerichtet hat. Die Ausgestaltung erfolgte in Zusammenarbeit mit uns und stellt aus meiner Sicht ein gutes Beispiel für eine interdisziplinäre Öffnung des Lehramtsstudiums dar.

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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

Von Dr. Maria Spychiger, Professorin für

Bewerbungsunterlagen eingereicht haben und die

empirische Musikpädagogik an der HfMDK

zentraler Gegenstand des eingehenden Eignungsgesprächs ist. Sie müssen sich als musikalisch gebildete und aktiv

Nach einer mehrjährigen Phase der Entwicklung wurde

musikausübende Personen ausweisen. Die einzelnen

im Wintersemester 2013/14 im Fachbereich 2 der HfMDK der

persönlichen Bildungsprofile dürfen sehr verschiedenartig

Studiengang „Master of Arts Musikpädagogik“ eröffnet (kurz

sein, müssen aber immer eine pädagogische Ausrichtung

„Master Musikpädagogik“). Damals nahmen zwei Studierende

und Musizierpraxis aufweisen. An der HfMDK erhalten die

das Studium auf, seither ist die Gruppe auf voraussichtlich 16

Studierenden dann nicht mehr viel praktischen Unterricht.

Masterstudierende im Wintersemester 2016/17 gewachsen.

Der Studiengang ist zentral auf die Professionalisierung im

Dies entspricht der vorgesehenen Anzahl an Studienplätzen.

wissenschaftlichen Bereich des Faches ausgerichtet, ein

Die Bewerberinnen und Bewerber legen für die Zusage eines

großer Anteil der 120 zu erwerbenden Creditpoints ist für

Studienplatzes eine „musikalische Biografie“ vor, die sie als

Veranstaltungen und Projektarbeit zum Erlernen des

schriftlich abgefassten Essay zusammen mit den üblichen

Forschungshandwerks eingesetzt.

BOLOGNA IN DER MUSIKPÄDAGOGIK Der „Master of Arts Musikpädagogik“ – ein wissenschaftlicher Studiengang im Fachbereich 2 der HfMDK

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BOLOGNA IN DER MUSIKPÄDAGOGIK

HINTERGRÜNDE ZUR ENTWICKLUNG

Diese Bezugsdisziplinen bilden Modulbereiche und können im

DES VIERSEMESTRIGEN STUDIENGANGS

zweiten Jahr als Vertiefungsgebiete angewählt werden. Gegen-

UND SEINE INHALTE

stand der wissenschaftlich-musikpädagogischen Auseinander-

Die Einrichtung des Studiengangs steht im Zusammenhang mit

setzung ist der musizierende Mensch (vgl. dazu Suppan, 19842).

dem Vertrag, den die HfMDK im Jahr 2007 mit der Goethe-Uni

Entsprechend bildet das Repertoire der sozialwissenschaftlichen

zur Übernahme aller Studiengänge aus ihrem damals aufgelösten

Forschungsmethodik den Rahmen für die Anforderungen des

Institut für Musikpädagogik abschloss.1 Nebst den Lehramts-

empirisch-wissenschaftlichen Arbeitens, welches in den

studiengängen für Grund-, Haupt-/Real- und Sonderschule war

Modulen 1 und 10 erfasst ist.

dies auch der Magisterstudiengang Musikpädagogik. Es war Bestandteil des Vertrags, dass die HfMDK als Kunsthochschule

Das Masterstudium umfasst vier Semester, insgesamt 120

sicherstellt, eine wissenschaftliche Musikpädagogik weiter zu

Credit Points, 30 Credits pro Semester. Die verfügbaren Credits

betreiben. Für die Überarbeitung und Neugestaltung dieses an

sind auf zehn Module verteilt. Zwei Module (5 und 8) sind

der alten Institution auslaufenden Studiengangs waren wir frei.

wesentlich der musizierenden, erfahrenden und lehrenden

Der Entscheid, bei uns „nur“ einen Master und nicht auch einen

musikpädagogischen Praxis gewidmet, drei wesentlich der

Bachelor Musikpädagogik zu führen, hatte mehrere Gründe.

forschenden Praxis, dies sind die Module 1 und 10 sowie

Herausragend sind die vielseitigen wissenschaftlichen Bezüge

jeweils das Schwerpunktmodul im zweiten Jahr (Accentus).

des Faches, vorab zur Pädagogik oder Bildungs- und Unterrichts-

All diese Module enthalten Projektarbeiten. Die Module 2, 3

wissenschaft, ebenso zur Psychologie, wenn das Grundlagen-

und 4 im ersten Jahr (Fundamentum) sowie 5, 6 und 7 im

wissen von Lernen, Entwicklung, Motivation, Gedächtnis und

zweiten Jahr (Effectum) sind den musikpädagogischen Inhalten

Persönlichkeit zu erarbeiten ist. Gleichermaßen kommen Sozio-

gewidmet, wobei diese immer auch Fach- und Forschungs-

logie und Ethnologie ins Spiel, wenn es um die gesellschaftlichen

praxis enthalten. Das tatsächliche Lehrangebot verbindet sich

Verhältnisse und Veränderungen, um Kultur und Multikulturalität,

für etliche Bereiche gut mit demjenigen für die Lehrämter,

Ressourcen und Milieus für Kindheit und Jugendalter und

so dass die Studierendengruppen sich mischen, einander

lebenslange Entwicklung geht, aus denen musikalisches Lernen

kennen und miteinander arbeiten.

und musikalische Bildung hervorgehen. Und schließlich ist natürlich die Musikwissenschaft das traditionelle Bezugs- und

ORIENTIERUNG AN DEN BOLOGNAVORGABEN:

Grundlagenfach der Musikpädagogik.

ANFORDERUNGS- UND ANGEBOTSTRANSPARENZ SOWIE KOSTENVORHERSAGBARKEIT Der Master Musikpädagogik war der erste bolognisierte Studiengang im Fachbereich 2. Das Bolognamodell mit seiner „Grundwährung“ von 1 Credit Point = 30 Stunden Arbeit und der Vorgabe, dieses Arbeits- bzw. Angebotspensum pro Semester auf 30 Credits ( = 900 Stunden) zu limitieren, schafft Anforderungstransparenz. Um 1 Credit zu verdienen, dürfen die Lehrenden von ihren Studierenden 30 Stunden Arbeit verlangen,

1 In diesem Zusammenhang steht auch der Wechsel des damaligen wissenschaftlichen Mitarbeiters Kai Lothwesen, jetzt Dr. phil. habil.,

aber ebenso haben die Studierenden mit diesem Tauschgeschäft eine Grundlage, einzuschreiten oder darauf hinzuweisen, wenn

an die HfMDK. Seine langjährige Beteiligung an

dieses Pensum überschritten wird oder umgekehrt ihnen dafür

der Entwicklung des Studiengangs und Unter-

nicht genügend angeboten wird.

stützung in der anschließenden Studiengangsleitung sei an dieser Stelle sehr verdankt. 2 Suppan, Wolfgang (1984). Der musizierende Mensch. Eine Anthropologie der Musik. Mainz: Schott.

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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

Das zweite große Bolognacharakteristikum ist die Modu-

was man als Harmonisierung des Bildungswesens bezeichnet,

larisierung. Zusammen mit der Zuordnung von Credits zu

in diesem Fall Vereinheitlichungen in der Hochschulbildung.

Veranstaltungen erleichtert sie den Beteiligten die Orientierung und macht die Gewichtung der Studieninhalte gut sichtbar.

In meiner eigenen Berufsbiografie nimmt der Bolognaprozess

Zur Modularisierung gehört auch, dass in den Studienordnungen

eine prominente Rolle ein: Als er ganz zu Ende des 20. Jahr-

die Studienziele pro Modul ausformuliert nachzulesen sind,

hunderts einsetzte, war ich Oberassistentin an der geistes-

ebenso die Art der Leistungsanforderungen für die einzelnen

wissenschaftlichen Fakultät der Universität Fribourg, welche die

Bestandteile bzw. Veranstaltungen und Modulprüfungen. Die

erste Schweizer Universität war, die Bolognareform einzuführen.

Modularisierung und das Credit Point-System haben sich in den

Ich erinnere mich sehr gut, wie mein Kollege geduldig und zum

ersten wenigen Jahren seit seiner Einführung für den Master

wiederholten Male unserem Abteilungsleiter und Inhaber des

Musikpädagogik gut bewährt. Auch die Kostenvorhersagbarkeit,

Lehrstuhls Pädagogische Psychologie und Erziehungswissen-

der bildungsökonomische Anteil, der damit einhergeht, und die

schaften das Credit Point-System erklärte und ihm erläuterte,

Bestandteil der „Bolognaphilosophie“ ist, hat sich bisher

dass man da als Lehrender Punkte vergibt. Der renommierte

sehr gut erfüllt.

Pädagoge – Fritz Oser – verstand schließlich die Sache mit den 30 Arbeitsstunden und dass die Studierenden damit 1 Credit

Das weitere Ziel, welches die Reform im Sinn hatte, die Mobilität

verdienen. Er rief empört aus: „Ich bin doch nicht eine Bank!“ Er

der Studierenden als Folge der Anforderungstransparenz und

empfand die Bolognisierung der damaligen Studiengänge als

erbrachten Leistungen, ist bekanntlich insgesamt europaweit

Bevormundung und eine Art Kapitalisierung der Lehrenden und

nicht sehr gut erreicht. Die Studierenden des 21. Jahrhunderts

ebenso sehr als von der Autonomieentwicklung wegführende

sind zwar reisefreudig, aber nicht in dem Ausmaß, wie Bologna

Verschulung der Studierenden. – Es sind Vorwürfe, die man

es erwartet hat. Eher nur eine Minderheit strebt es an, ein oder

auch heute noch hört. Bildungsreformen werden meistens

zwei Semester ihres Studiums an einer anderen als der Heimat-

zumindest von einem Teil der Betroffenen kritisch oder argwöh-

institution zu studieren. Von dieser Vorgabe rührt auch noch die

nisch aufgenommen. Oft ist die Kritik auch berechtigt und

Bezeichnung „European Credit Transfer System“ mit dem Kürzel

notwendig, um die Entwürfe zu verbessern; auch bei der Bologna-

ECTS für die Credit Points. Sie wird nicht mehr oft verwendet,

reform ist dies so. Jedoch stimmt es nicht, dass die Bologna-

vielmehr hat sich das Kürzel CP für Credit Point und die Abkürzung

generationen unmündige Studierende geworden sind. Hingegen

„Credit“ eingebürgert. Was unsere Musikpädagogik Master-

trifft zu, dass sie oft nur noch studieren, wofür sie auch wirklich

Studierenden betrifft, sind sie bisher nur ganz vereinzelt mobil,

Credits bekommen. Aber sie studieren viel und sehr viel: Die

und wir haben dafür viel Verständnis, sind wir doch alle schon

Studienpläne haben sich verdichtet, die Leistungsanforderungen

mit der Organisation des Studiums am gleichen Ort vollbe-

sind durch die Standardisierungen im Durchschnitt gestiegen.

schäftigt und froh, wenn die Komplexität nicht ständig (und

Und sie lernen auch außerhalb des Credit Point-Systems ihres

immer schneller) zunimmt.

Studiums noch viel Weiteres. Die Menschen streben immer nach Autonomie, und es ist der Bildung auch mit Bologna eigen

BOLOGNA MIT DEM ZIEL DER HARMONISIERUNG

geblieben, zur Selbstbestimmung des Individuums beizutragen.

DER BILDUNG – AUCH FÜR DIE KLEINEN FÄCHER

Auch gibt es immer wieder Akteure und Verantwortliche der

Die Bezeichnung „Bolognareform“ und der anschließende

Bildung, die sich für diesen ureigenen Zusammenhang mit allen

Bolognaprozess gehen auf eine im Jahr 1999 in der italienischen

ihren Kräften einsetzen.

Stadt Bologna unterzeichnete bildungspolitische Erklärung zurück, die von 29 europäischen Bildungsministerinnen und

Der Master Musikpädagogik steht deutlich in diesem Zeichen.

-ministern unterzeichnet wurde. Es handelte sich um eine

Er richtet sich an Personen, die eine geeignete Vorbildung haben

Hochschulreform zur Schaffung eines einheitlichen europäischen

und sich musik-pädagogisch gestaltend in die Gesellschaft

Hochschulraums. Durch die oben erläuterten Maßnahmen

einbringen wollen. Das Fach selbst will er als Wissenschaft

sollten die Bedingungen zur Vergleichbarkeit von Studiengängen

und Forschungsdisziplin und noch junges und kleines, wenig

und -abschlüssen geschaffen und dadurch das erreicht werden,

gefestigtes Fach an das akademische Leben anbinden, an die

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FRAGEN AN STUDIERENDE Philipp Dragic, Master Komposition und Musik für das Lehramt an Gymnasien (L3)

Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? Mein Kompositionsstudium könnte keine höhere Wahlfreiheit besitzen. Vorgeschrieben ist lediglich die Menge der „Veranstaltungen“, kaum aber ihre Spezifität, wodurch eine umfassende Spezialisierung ermöglicht wird. Im krassen Gegensatz hierzu steht mein Schulmusikstudium. Hier gibt es zwar eine große Bandbreite an Angeboten, die sich aber aufgrund des Zeit- und Prüfungsdrucks wenig nutzen lassen, sodass letzten Endes die „reale“ Wahlfreiheit stark reduziert ist. Infolgedessen können viele Bereiche des Studiums nur noch an der Oberfläche behandelt werden und bieten kaum Gelegenheit zur Vertiefung, vorausgesetzt man beabsichtigt, das Studium in der sehr knappen Regelstudienzeit von neun Semestern zu absolvieren. Wieder anders sieht es in meinem Zweitfach Philosophie (auch Lehramt) an der Goethe-Uni aus: Nach drei stärker vorstrukturierten BasisModulen erfolgen diverse Aufbaumodule und ein Vertiefungsmodul, deren Bedingungen aber alle, ähnlich den Bestimmungen

Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen

im Kompositionsstudium, derart offen formuliert sind, dass ihre

des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobi-

Auslegung eine äußerst hohe Wahlfreiheit erlaubt. Da alle drei

lität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz?

Studienbereiche durch die Bologna-Reform geprägt sind, lässt

Da ich meinen Studienstandort nicht gewechselt habe, kann

sich also festhalten, dass Bologna auf das Maß an Wahlfreiheit

ich hierüber keine Aussage machen. Gleiches betrifft auch den

scheinbar, wenn überhaupt, nur eine sehr geringe Auswirkung

Aspekt der Transparenz, da ich bisher noch nicht versuchte, mir

hat. Stattdessen scheint es eher in der Verantwortung der

Studienleistungen studiengangsübergreifend anrechnen zu

Fachbereiche zu liegen, wie hoch das Maß an Wahlfreiheit ist,

lassen.

das man den Studierenden zutraut. Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den Berufseinstieg/-alltag vorbereitet? Grundsätzlich fühle ich mich gut vorbereitet, das Kompositionsstudium betreffend. Auch in meinem Fach Philosophie fühle ich mich gut vorbereitet, in Musik fehlt mir Übung in der konkreten Planung von Musikunterricht.

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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

musikalisch, lehrend und lernend tätigen Menschen, an

bildende Schule und die Musikschule mit den universitären

das verfügbare Wissen und Können, die Bezugsdisziplinen und

Lehrämtern und Instrumentalpädagogikstudiengängen an

die gesellschaftlichen Felder, in denen es Bedarf für diese

Musikhochschulen gesellschaftlich verankerte berufsbildende

Kompetenzen gibt.

Institutionen zur Verfügung stehen, sind etwa das Chorwesen und die Musikvereine weniger stark professionalisiert. Aber sie

BERUFSPERSPEKTIVEN FÜR MASTER DER MUSIKPÄ-

sind sehr bedeutsame gesellschaftliche Stätten musikalischer

DAGOGIK: BEZUG AUF ALLE GESELLSCHAFTLICHEN

Betätigung und Garanten für die Kontinuität und Zugänglichkeit

FELDER MUSIKALISCHER BETÄTIGUNG UND BILDUNG

musikalischer Bildung. Demgegenüber ist es kein Geheimnis,

Musikalische Betätigung und Bildung ereignen sich in verschie-

dass die allgemeinbildende Schule ihren Bildungsauftrag im

densten gesellschaftlichen Nischen und Feldern. Die nachstehende

musikalischen Bereich vielerorts nicht oder nur schlecht und

Abbildung ist ein Versuch, diese zu strukturieren: Die horizon-

recht zu erfüllen vermag.

tale Achse bildet das individuelle Leben eines Menschen („der Ein besonderes Potenzial steckt im Schaffen von Verbindungen

Tod ab, und die vertikale die gesellschaftlichen Angebote zur

zwischen den Feldern und ihren Institutionen. Auf diese Weise

musikalischen Betätigung und Bildung von der Breite bis zur

sind in den letzten Jahren außerordentlich viele Projekte entstan-

Spitze. Den vier Feldern lassen sich sehr viele dieser Angebote

den, um kulturelle Teilhabe, Inklusion, Förderung von unge-

zuordnen, etwa die allgemein bildende Schule dem Feld 1, das

nutzten Fähigkeiten wie dem Singen usw. zu ermöglichen. Zum

Laienmusizieren in Musikvereinen dem Feld 2, der private

Beispiel wenden sich Berufsorchester (Feld 4) der allgemeinbil-

Einzelinstrumentalunterricht für Kinder und Jugendliche dem

denden Schule (Feld 2) zu und laden zu pädagogisch aufbereiteten

Feld 3 oder die Ausbildung der Berufsmusizierenden dem Feld 4.

Orchesterproben ein, praktisch tätige Musikpädagoginnen aus

Die Einführung, Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung dieser

dem elementaren Bereich gehen mit ihren Kindermusikgruppen

gesellschaftlichen Angebote erfordern immerzu musikpäda-

regelmäßig in ein Seniorenheim zum gemeinsamen Musizieren,

gogische Expertise. Während für Institutionen wie die allgemein-

oder Musikschullehrer bringen ihre Instrumente in die allgemein-

FELD 3 Auf das Individuum abgestimmt: Frühförderung, Einzel-unterricht, Musikschule, Förder-schulen, Musikgymnasium

FELD 1 Musikalische Sozialisation: Förderung in der Familie, allgemein-bildender Schule und weiterem gesellschaftlichem Angebot

Achse 2: FÖRDERUNG (Gesellschaft)

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FELD 4 Ausbildungen für Musikberufe aller Art mit Abschlüssen in privaten und staatlichen Institutionen

Babies, Kinder, Jugendliche, junge/mittlere Erwachsene, Senioren Allgemeinbildung / Freizeit

Achse 1: LEBENSALTER (Individuum)

Professionalisierung

musizierende Mensch“, vgl. Abschnitt 1) von der Geburt bis zum

FELD 2 Musikausübung und Förderung privat und öffentlich: Musikvereine, Chorwesen, Kirche u. a. m.


FRAGEN AN STUDIERENDE Clarissa Gocke, Musik für Lehramt an Grundschulen

Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl – und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? Da mein Studium an der HfMDK neben einigen Pflichtveranstaltungen eine gute Auswahl an Seminaren bietet, konnte ich bisher meist nach meinen Interessen wählen. Durch Univeranstaltungen und Nebenjobs braucht man jedoch auch etwas Glück oder muss andernfalls Abstriche machen. Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den Berufseinstieg/-alltag vorbereitet? Dank der vielen praxisnahen Seminare und der freiwilligen Angebote an der HfMDK (z. B. Hört Hört!, Bandarbeit in der Schule, Kurse bei Anne Breick, Ferienworkshops mit Tobias Usbeck) fühle ich mich in Musik so gut vorbereitet wie in keinem meiner anderen Fächer an der Uni.

bildende Schule. Solche Initiativen bedingen viel Organisation

Dies ist aber gerade nur ein Ausschnitt der gesellschaftlichen

und Fachwissen, um erfolgreich zu sein. Auf übergeordneter

Relevanz und Berufsperspektiven für den Master Musikpäda-

Ebene benötigen sie Unterstützung, für welche oft Stiftungen

gogik. Ausgangslage zur Einrichtung des Studiengangs war die

aufkommen, und politischen Willen, Rückhalt und Konzeption in

konkrete Situation, wie sie im ersten Abschnitt geschildert ist,

den Bildungs- und Kultusministerien. Insgesamt sind Expertisen

das übergeordnete Ziel der langfristige Beitrag der HfMDK

zum Gelingen erforderlich, wie sie eine im Master Musikpäda-

Frankfurt zur Heranbildung eines wissenschaftlich-musikpäda-

gogik ausgebildete Person als Grundlagenwissen im Studium

gogischen Nachwuchses. Weitere Potenziale beziehen sich auf

inhaltlich erworben und im Rahmen von Praktika, Projekten und

Entwicklungen innerhalb unserer Institution, bereits genutzte

weiteren eigenen Erfahrungen für die Anwendung ausgebaut hat.

insbesondere in den gemeinsamen Lehrveranstaltungen von

Mit zunehmender Forderung der Geldgeber, Vorhaben, laufende

Lehrämtern und Master Musikpädagogik, aktuell sich abzeich-

Projekte und auch bereits etablierte Institutionen zu begründen

nende in Kooperationen mit der Instrumentalpädagogik im

und zu evaluieren, sind auch die Forschungsexpertisen benötigt.

Fachbereich 1.

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FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

ARIEN NACH PUNKTEN: BOLOGNA UND DIE GESANGSABTEILUNG Von Ursula Targler-Sell, Professorin für

standen aus mehreren Veranstaltungen zusammengesetzte Lehr-

Gesang und stellvertretende Ausbildungsdirektorin

einheiten (Module), die jeweils ein inhaltliches Teilgebiet des

der HfMDK-Gesangsabteilung

Studienganges abbilden.

Die Bologna-Reform bedeutete eine große Herausforderung

Dahinter steckte die Idee, dass sich der Studierende ein Päckchen

für die Gesangsabteilung der HfMDK. Als Erstes musste die

des Lehrstoffes nach dem anderen zu eigen machen und damit

bisherige Form unserer Diplomstudiengänge in das Bachelor/

auf „Wanderschaft“ im europäischen Hochschulraum gehen kann.

Master-Programm umgewandelt werden. Aus drei Jahren Studium bis zum Vordiplom und drei weiteren Jahren zum

Hier lauert bereits die erste Schwierigkeit: In der Praxis hat sich

Diplom wurden vier Jahre Bachelor und darauf folgend zwei

gezeigt, dass die von Hochschule zu Hochschule (nicht nur im

Jahre Master. So weit, so gut – die Umstellung ist erfolgt, die

Ausland, sondern auch innerdeutsch) unterschiedlichen Päck-

letzten nach dem alten System Studierenden haben die Hoch-

chen sehr individuell und dadurch nicht immer vergleichbar sind.

schule mit dem Diplom beendet. Die ersten Jahrgänge im BA/ MA (2010) hatten es nicht immer leicht mit uns und fühlten sich

Besonders deutlich wird diese Problematik bei unseren jähr-

oft als Versuchskaninchen: Danke für die Geduld und das Ver-

lichen Eignungsprüfungen in der Gesangsabteilung. Da die

ständnis dafür, dass der Prozess für alle neu und schwierig war!

Master-Kandidaten nicht nur aus dem europäischen, sondern

Darüber hinaus musste jede einzelne Lehrveranstaltung in das

auch aus dem fernöstlichen Raum kommen, bestehen deutliche

neue ECTS (European Credit Transfer System) eingepflegt und

Divergenzen in den Modulen. So kann ein chinesischer BA-

mit „Leistungspunkten“ (Credit Points) versehen werden. So ent-

Abschluss z. B. das Modul „Traditionelle Chinesische Musik“

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ARIEN NACH PUNKTEN: BOLOGNA UND DIE GESANGS-ABTEILUNG

beinhalten, ohne dass etwa der Bereich „Vokalmusik des

Anzahl der Lehraufträge soll auf mittlere Sicht deutlich ab-

Barockzeitalters“ jemals behandelt wurde.

nehmen, feste Stellen gibt es zu wenige. Durch die Fülle der für die Umsetzung des Bologna-Prozesses notwendigen

Was sich in unserer Abteilung als besonders problematisch bis

akademischen Selbstverwaltung steigt die Arbeitsbelastung

manchmal skurril erweist, ist die Tatsache, dass die Maßeinheit

der einzelnen Lehrkräfte stetig an, oft gilt das Motto „Papier-

eines Credit Points die zeitliche Dauer eines Lernvorganges

kram frisst Zeit und Energie für den Unterricht“.

abbildet: 1 CP = 30 Stunden Lernleistung. Für das Erlernen technischer und mechanischer Fertigkeiten durch Üben ist die

Wie wird es in Zukunft mit der Bologna-Reform weitergehen?

einheitliche Festsetzung einer dafür erforderlichen Zeitspanne

Interessant sind die neuesten Entscheidungen der Rektoren-

schlicht unmöglich – zu unterschiedlich sind hier die Bedürfnisse

und Bildungsministerkonferenzen, die in einer Erklärung Mitte

der einzelnen Studierenden. Ganz zu schweigen von den Phasen

Juli 2016 verkündet wurden. Man sei übereingekommen, dass

im Studium, in denen künstlerische Weiterentwicklung in Form

für die „Anerkennung aller in- und ausländischen Leistungen“

von kontemplativer Beschäftigung mit der Materie oder dem

die an anderen Hochschulen erworbenen Kompetenzen maß-

Erweitern des musikalischen Horizonts durch Besuch von Festi-

gebend sein sollten und „kein quantitativer Vergleich der ECTS-

vals oder Meisterkursen im Fokus steht. Dieser sehr wertvolle

Punkte“ mehr erfolgen solle (Zitat FAZ vom 23. Juli 2016).

und in jahrhundertelanger Tradition an den Hochschulen gepflegte Aspekt des Studiums droht durch das geschäftige, fast buch-

Was heißt das im Klartext? Egal, ob eine Lehrveranstaltung mit

halterische Verwalten der Lernleistung an Bedeutung zu verlieren.

zwei, fünf oder zwanzig CPs angesetzt war – wenn sie an Hoch-

Nebenbei bemerkt: In einigen EU-Ländern gibt es einen CP

schule A absolviert wurde, wird an Hochschule B nicht mehr nach

schon für 28 oder sogar nur 25 Stunden Lernleistung.

der geleisteten CP-Anzahl gefragt. Dies bedeutet wieder gewonnene Individualität für die Studiengangsplanung und eine große

Die Praxis zeigt leider auch Schwächen bei der von Bologna

Erleichterung für die Prüfungsämter. Diese wurden bisher angehal-

angestrebten Vereinfachung der studentischen Mobilität mit

ten, CP-Defizite bei Hochschulwechsel „großzügigst und flexibel

Hilfe des Erasmus-Programms. Der Austausch scheitert oft an

anzurechnen“. Das ECTS-System hat sich insbesondere für

den unterschiedlichen Lehrinhalten und der Fülle des Lehr-

Kunsthochschulen als wenig tauglich erwiesen – ganz abschaffen

stoffes. Ein Auslandssemester kann zwar absolviert werden,

wird man es in nächster Zeit nicht, da schon zu viel politische und

wird aber für das Studium an der Heimathochschule nicht

Verwaltungsarbeit damit verbunden war. In jedem Fall wird es aber

ohne Weiteres anerkannt.

zu einer Art Hilfsmittel für die Planung und Strukturierung von Studienplänen „degradiert“. Einzelne Universitäten erwägen

Im Speziellen bereiten uns folgende Unwägbarkeiten noch

bereits, ihre Studiengänge ohne CPs auszuweisen und diese auch

Probleme: Unser Hochschulgebäude ist für die steigende Fülle

den Akkreditierungsagenturen ohne Zeitkorsett zu präsentieren.

an Lehrveranstaltungen nicht ausgelegt. Wir spüren als Hemmnis in unserer Abteilung immer wieder die herrschende Raum-

Fazit: Die Bologna-Reform hat mit besten Absichten eine enorme

not, die durch das vergrößerte Angebot entsteht. Oft werden

Umstrukturierung in Gang gesetzt. Sie hat sehr umfangreiche

Meisterkurse, Workshops o. Ä. nicht nach Sinnhaftigkeit des

Gremienarbeit verursacht und dabei zu Neuüberlegungen und

Gesamtstundenplanes angesetzt, sondern nach der Verfügbar-

intensiver Befassung der Lehrverantwortlichen mit den Studien-

keit von Räumen. Von den BA-Studierenden kommen immer

inhalten geführt. Sie ist allerdings – besonders in unserem speziel-

wieder Klagen über zeitliche Überlastung. Dies deckt sich mit

len Feld der künstlerischen Ausbildung – in ihrem Regulierungs-

der landesweiten Kritik, die zunehmende Verschulung betreffend.

eifer etwas über das Ziel hinausgeschossen. Gleichwohl ist ihr

Die Problematik betrifft hauptsächlich die Werkstudenten, die

die internationale Anerkennung von Kernwissen eines Wissens-

selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen müssen – es findet sich

faches (core course) hervorragend gelungen. Für die Vergleichbar-

für diese kaum mehr freie Zeit, um einer studentischen Neben-

keit von künstlerischer Entwicklung und das Erlernen von

tätigkeit nachzugehen. Das vielfältige Lehrangebot bringt uns

Fertigkeiten eignet sie sich weniger. Es gilt deshalb: Nach der

permanent an die Grenze der finanziellen Machbarkeit. Die

Reform ist vor der Reform. 49


FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN Foto: Nico Holonics

FRAGEN AN STUDIERENDE Maren Schwier, Master Operngesang

Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahlund Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? Da ich sowohl meinen Bachelor als auch den Master an der HfMDK studier(t)e, sind mir die unterschiedlichen Wahlmöglichkeiten allein innerhalb des Gesangsstudiums sehr stark aufgefallen. Das liegt natürlich in erster Linie an den jeweils anderen Zielführungen der Studiengänge. Ist der Bachelor in seiner Funktion eine breitgefächerte Grundausbildung, spezialisiert man sich im Master weiterführend und wird entsprechend zunehmend mit der Notwendigkeit der Selbstorganisation konfrontiert. Dies beginnt in der Studiengestaltung, zielt damit jedoch auch auf den späteren

Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen

Arbeitsalltag ab; entsprechend abweichend sind die Curricula.

des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz?

Bachelorstudierende begleitet häufig der berühmt verschriene

Da ich selbst während meines Studiums den Ort nicht gewechselt

„verschulte Studien- und Stundenplan“. Die individuellen Wahl-

habe, kann ich das nur mutmaßend beurteilen. Es entstand bei

möglichkeiten sind hier in der Tat eher gering, dennoch möchte

mir nie das Gefühl, dass es einem schwer gemacht wird, die Hoch-

ich persönlich die Inhalte nicht missen, auch wenn sie ein recht

schule zu wechseln oder ein Semester im Ausland zu verbringen,

hohes Maß an Arbeit mit sich brachten/bringen. Was einem

allerdings stellt sich auch hier die Frage, ob das nicht vor der

im Studium zeitweise überflüssig und nervig erscheint, könnte

Modularisierung ebenfalls möglich war? Einige Hochschulen

am Ende in der Arbeitswelt den Unterschied zwischen kompe-

arbeiten trotz des Bachelor/Master-Systems mit komplett

tent und kompetenter ausmachen. Im Masterstudium liegt die

anderen Modulen oder Strukturen im Studienaufbau. Dadurch

Verantwortung, die Studieninhalte zu erfüllen, viel mehr bei den

scheinen die Studiengänge nicht unbedingt vergleichbarer zu

Studierenden selbst. Das Maß an persönlichen Gestaltungs-

sein, als sie es früher waren.

möglichkeiten und individueller Schwerpunktsetzung ist somit weitaus höher.

Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?

Ob die Vermittlung von Inhalten in einem künstlerischen Studien-

Ich stehe nun kurz vor dem Ende meiner Ausbildung und fühle

gang jedoch zwangsläufig an ein strenges Korsett vorgegebener

mich bereit, in die Arbeitswelt zu gehen. Mein Studium hat mich

Pläne und den Zeitdruck, in der Regelstudienzeit fertig zu werden,

gut darauf vorbereitet, aber es gehört eben auch dazu, die einem

gebunden sein muss, dürfte in meinen Augen nochmals diskutiert

angebotene Bildung nicht nur blind zu konsumieren oder abzu-

werden.

sitzen, um die geforderten Credits zu bekommen. Neben allen Pflichten und Angeboten, die Aus- und Weiterbildung mit sich bringen, liegt die Verantwortung am Ende bei jedem selbst, was er oder sie damit und daraus macht.

50


FRAGEN AN STUDIERENDE Paula König, Diplom Schauspiel

Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz? Mit unserem Diplom ist es uns, falls gewollt, im Anschluss auch möglich, in ein anderes Bachelor- und oder weiterführendes Mastersystem einzusteigen. Ich persönlich habe noch nie über Vor- oder Nachteile des Diplomabschlusses nachgedacht. Ich glaube aber, dass ein Bachelorsystem mit Erreichen einer Punktzahl für einen kreativen Studiengang sehr ungeeignet ist. Kunst kann man nicht bewerten, höchstens eine Arbeitshaltung. Aber was ist der genaue Unterschied zwischen einer Arbeitshaltung und einer Arbeitsweise? Ja, ich bin froh über den alten Diplomabschluss.

Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl-

Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den

und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume?

Berufseinstieg/-alltag vorbereitet?

Schauspiel studieren zu können, ist ein gewählter und somit

Das Studium zielt auf den klassischen Berufsalltag ab und

verpflichtender Lottogewinn. Aber einmal dafür entschieden,

widmet sich in der gesamten Ausbildung diesem Weg. Wir

muss man sich der Ausbildung auch ganzheitlich hingeben. Das

werden sehr gut auf den Berufseinstieg vorbereitet und lernen

Studium ist sehr einnehmend und greift tief in das alltägliche

von Anbeginn, wie der Alltag als Sprechtheater-SchauspielerIn

Leben ein. Die Ausbildung stellt ein breit gefächertes Angebot

sein wird. Gegen Ende des Studiums geht es sogar derart

an Lehrinhalten zur Verfügung, oft aber kommt man gar nicht

intensiv und ausschließlich um die berufliche Anlaufbahn, dass

hinterher, alles wahrzunehmen. Zeiträume sind für Bühnen-

ich manchmal das Gefühl habe, nichts mehr zu lernen und auf

angehörige wohl ein größeres Thema (ensemble-netzwerk.de).

der Stelle zu treten. Schauspiel ist ja viel mehr als nur deutsches

Neben den für den Diplomabschluss verpflichtenden Unterrichts-

Sprechtheater. Es wird einem in der Schauspiel-Ausbildung an

einheiten fehlt es also an Abwechslung, Freiräumen oder alter-

der HfMDK vor allem ein Weg beleuchtet, der zu bestreiten ist,

nativen Angeboten, die man in den vorgegebenen Stundenplan

und der ist in keinster Weise verwerflich. Nur muss ich alle

unterbringen kann. Somit liegen viele Workshops in den vor-

alternativen Ideen eben angesichts der knappen Studienzeit

lesungsfreien Zeiten. Gerade deshalb ist es nötig, am Lehrangebot

durchboxen, erfahren und mir ermöglichen. Was schade ist, denn

mitgestalten zu dürfen. Das erweist sich aber als sehr mühsam.

die Schauspielkunst muss unbedingt erfrischt werden und neue

Denn obwohl der Studiengang Schauspiel so persönlich und

Impulse erhalten, meines Erachtens. Ich verstehe aber, dass in

professionell geführt wird, birgt eben genau dieses Privileg Vor-

der Umsetzung ein längerer Prozess und Weg vonnöten ist –

und Nachteile. Beim bloßen Erdenken von Alternativen tritt man

es gibt viel zu tun!

entweder jemandem persönlich auf die Füße oder scheitert an institutionellen Hürden.

51


FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

An den deutschsprachigen Schauspielschulen hat der Bologna-Prozess nur Verwirrung gestiftet

IM CHAOS DER ABSCHLÜSSE Von Prof. Marion Tiedtke, Ausbildungsdirektorin Schauspiel an der HfMDK Nirgendwo anders als an den 18 deutschsprachigen und staat-

jährigen Bachelor einen zweijährigen Master, der allerdings

lich geförderten Schauspielschulen hat der Bologna-Prozess

eine Spezialisierung bringen soll: zum Performer oder projekt-

abstrusere Blüten getrieben und zu sechs verschiedenen Ab-

geschulten Freischaffenden? – Wer weiß, denn die neuen

schlüssen der Grundausbildung geführt. Dabei wird überall

Studienkonzepte für einen Master sind momentan in der

dasselbe mit geringfügigen Angebotsverschiebungen gelehrt. In

Entwicklungsphase.

all dem Chaos ist kein Land in Sicht. In München, Zürich und Bern können angehende Schauspieler einen dreijährigen Bachelor

ABSCHLÜSSE ALS KONKURRENZPRINZIP?

machen; an der Folkwang-Universität Essen in vier Jahren jedoch

Über sieben Jahre haben wir im Ausbildungsbereich Schauspiel

ein Arts Diploma erwerben, in Hamburg, Potsdam und Stuttgart

an der HfMDK nun abgewartet und gehofft, dass sich am Horizont

hingegen mit derselben vierjährigen Studienzeit nur einen Bachelor,

eine einheitliche Richtlinie abzeichnet. Doch die Zeit des Wartens

während die Hochschulen Rostock und Leipzig mit einem vier-

klärt nichts. Sie zeigt uns nur, wie der Abschluss nun als neues

jährigen Turbomaster winken. Die österreichischen Ausbildungs-

Konkurrenzprinzip unter den Schulen dient. Nicht um Bologna

institute haben sich entschlossen, alles beim Alten zu belassen:

geht es, sondern um die Frage, wer den formal hochwertigeren

Dort schließt der zukünftige Schauspieler mit einem Diplom ab.

Abschluss anbietet und damit auf die spannenderen Bewerber

Die Ernst-Busch-Hochschule bleibt ebenfalls beim Diplom, wohin-

hoffen kann. Der inhaltliche Austausch, den der Bologna-Prozess

gegen die Universität der Künste Berlin nach vier Ausbildungsjahren

hätte initiieren können, ist zum Schlagabtausch der Abschlüsse

dem zukünftigen Schauspieler den Titel „Absolvent“ verleiht. In

geworden.

Bern und München entwickelt man zur Zeit nach dem drei-

52


IM CHAOS DER ABSCHLÜSSE

Bei jährlich 400 Teilnehmern der Aufnahmeprüfung in Frankfurt

sammen mit dem Ausbildungsbereich Regie neue Proberäume

und acht Ausbildungsplätzen sollte der Abschluss oder der Kon-

und Büros erhalten, ebenso zwei feste Stellen mehr im Ausbil-

kurrenzdruck zwischen den Schulen eigentlich kein Problem sein,

dungsteam. Dennoch sind wir im Ranking der anderen Schau-

oder? Eben doch! Da Bewerberinnen und Bewerber sich meist nicht

spielausbildungsinstitute immer noch das kleinste Ausbildungs-

im Metier auskennen, wird der Abschluss zu einem Ausschluss-

team – und als einziges ohne eigene Aufführungsbühne!

kriterium der gewählten Hochschulen. Mögliche Aspiranten und Hochbegabte, die ernsthaft recherchieren und sich informieren,

Zum Glück stiften die Kooperationen der Hessischen Theater-

wählen traditionsreiche Schulen oder aber den vermeintlich

akademie eine Praxisnähe, die uns ohne eigene Bühne komplett

„besseren“ Abschluss. Wieso soll auch jemand vier Jahre für eine

fehlen würde. Abgesehen davon dürfen wir aber nicht vergessen,

teure Schauspielausbildung investieren, wenn am Ende „nur“ ein

dass ein Viertel unseres zeitgenössischen Ausbildungsangebotes

Bachelor herausspringt, obgleich man andernorts dafür ein Arts

im Film- und Hörfunkbereich sowie die renommierten Workshops

Diploma in den Händen hält? So nehmen sich die Abschlussbezeich-

mit hochkarätigen Theaterkünstlern nur durch Drittmittel finanziert

nungen fast wie ein Etiketten-Schwindel aus, weil wir alle mehr

werden konnten. Im Ausbildungsetat sind diese Leistungen nicht

oder weniger in der Grundausbildung dasselbe tun. Der Unter-

abgedeckt, obwohl sie unser Profil als kleinste deutsche Schau-

schied liegt wie eh und je vor allem in den Persönlichkeiten und

spielschule hervorragend schärfen.

Methoden der Lehrenden und in der Ausstattung des Ausbildungsinstitutes.

Wir kämpfen um jedes Talent. Aber Frankfurt ist teuer und gilt als nicht so attraktiv wie München, Hamburg und Berlin, wo es auch

DIPLOM BLEIBT ANERKANNT!

jeweils mehr als nur ein Stadttheater als Partner vor Ort gibt. Und

Allein der hochengagierten und engen Zusammenarbeit unseres

ob uns die Drittmittel jedes Jahr so umfangreich zur Verfügung

fünfköpfigen Ausbildungsteams und den 25 Lehrbeauftragten

stehen, ist unsicher. Leider entfällt demnächst nach acht Jahren

aus den HTA-Bühnen ist es bis jetzt zu verdanken, dass unsere

Erfolgsgeschichte unsere Gastprofessur im Ausbildungsbereich

Absolventenvermittlung mit 90 bis 100 % an vorderster Stelle

Schauspiel und Regie durch die Kürzungen der Gesamtförder-

steht. Das ist ein großer Erfolg, der zeigt, dass unser Studien-

summe in der Gesellschaft der Freunde und Förderer der

angebot im Arbeitsfeld der Theater als sehr gut wahrgenommen

Hochschule. – Wie sieht die Zukunft aus?

wird. Dennoch machen wir immer wieder die bittere Erfahrung, dass Bewerber und Bewerberinnen an die Hochschulen gehen,

KULTURCAMPUS STÄRKT PROFIL

die ihnen mehr Personal und Räume zur Verfügung stellen. Zum

Angesichts dieser Umstände sind wir schlecht beraten, einen

Glück können wir noch den anerkannten Diplom-Abschluss

vierjährigen Bachelor anzubieten, der uns auch in der Zertifizie-

anbieten, der übrigens in unserem Studiengang den internatio-

rung des Abschlusses ans letzte Drittel der Schauspielschulen

nalen Austausch in keiner Weise verhindert hat. Im Gegenteil:

setzt und damit summa summarum zum Schlusslicht degradiert.

Hierfür haben sich immer sehr gute Lösungen gefunden.

Bevor wir uns also entschließen, wie und was der neue Abschluss sein soll, gilt es, unser bisher erarbeitetes Profil auf finanziell

KLEINSTES TEAM MIT GROSSER QUOTE

sichere Füße zu stellen und es mehr und mehr zu schärfen. Der

An den Schauspielinstituten ist es bisweilen wie beim Profi-

Kulturcampus könnte uns dabei sehr helfen, wenn seine Realisa-

Fußball: Wer mehr Geld hat, hat mehr Personal, mehr Räume

tion nicht so weit in der Zukunft läge. Mit anderen Worten: Wir

und Projektgelder, kann sich renommiertere Lehrkräfte leisten

müssen genau überlegen, wie wir uns als echte Alternative gegen-

und hat schließlich die besseren Spieler – und bzgl. Personal,

über den anderen Schulen profilieren können. Diesen Ehrgeiz

Raum und Etat steht der Ausbildungsbereich Schauspiel der

sollten wir haben, um aus unseren Nachteilen des kleinen Budgets

HfMDK im Vergleich mit den 18 anderen staatlichen Schauspiel-

und Teams den Vorteil einer persönlichen, hochkarätigen Ausbil-

schulen leider an letzter Stelle. In den vergangenen acht Jahren

dung im Netzwerk der neun Bühnen der Hessischen Theater-

konnten wir unsere Ausbildungssituation durch die tatkräftige

akademie herauszuarbeiten. In letzter Konsequenz dürfen wir den

Unterstützung von Hochschulkanzlerin Angelika Gartner und

Ereignissen von Bologna nicht nur willfährig hinterher laufen, weil

Präsident Thomas Rietschel enorm verbessern: Wir haben zu-

die Akkreditierung unserer Hochschule ansteht. 53


FRANKFURT IN TAKT 16/2 – BOLOGNA UND DIE FOLGEN

FRAGEN AN STUDIERENDE Lena Ganter, Studentin für Theater- und Orchestermanagement, Absolventin in Angewandter Musikwissenschaft und Musikpädagogik B.A. an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt

Wie erleben Sie Ihr aktuelles Studium im Hinblick auf Wahl – und Gestaltungsmöglichkeiten und zeitliche Freiräume? Wahlmöglichkeiten innerhalb des Studiengangs sind aufgrund der Studierendenanzahl von acht Personen nicht möglich. Für die Möglichkeit, an Unterrichtseinheiten anderer Studiengänge zusätzlich teilzunehmen, wird nicht geworben (Chance!). Freiräume zum Arbeiten und für Freizeitaktivitäten sind definitiv gegeben. Welche Erfahrungen haben Sie mit den viel zitierten Vorzügen des Bachelor/Master-Systems gemacht, nämlich größere Mobilität (beim Wechsel von Studienorten/-gängen) und Transparenz? Ich selbst habe nur nach meinem Bachelor den Studienort gewechselt. Fühlen Sie sich durch Ihr Studium gut auf den Berufseinstieg/-alltag vorbereitet? Nach meinem Bachelor konnte ich das auf gar keinen Fall sagen. Ein Master war für mich ein Muss. Jetzt fühle ich mich hervorragend vorbereitet und freue mich auf den Berufseinstieg.

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PERSÖNLICHES

STIFTUNGSPROFESSUR FÜR NEUE MUSIK VERLÄNGERT Die HfMDK schärft mit Neuer Musik weiter ihr Profil

Von Dr. Sylvia Dennerle Im Jahr 2013 installierte die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main (HfMDK) den bundesweit einmaligen Lehrstuhl „Interpretatorische Praxis und Vermittlung Neuer Musik“ und berief hierfür den international renommierten Cellisten Lucas Fels auf die Stiftungsprofessur. „Die Zusagen der Aventis Foundation, der Dr. Marschner Stiftung

Professor Lucas Fels verfolgt mit seiner Arbeit eine klare Intention:

und der Ernst Max von Grunelius-Stiftung, die Finanzierung der

„Um die Musik seit 1945 und die Werke lebender Komponisten

Stiftungsprofessur für zeitgenössische Musik bis 2018 zu ver-

aufführen zu können, brauchen wir entsprechende Fertigkeiten,

längern, bieten der HfMDK eine nachhaltige Qualitätssteigerung

die zu erlernen ein selbstverständlicher Teil unserer Instrumental-

der Lehre im Bereich der Neuen Musik und damit die Schärfung

ausbildung sein muss. Musiker sind ausführende Interpreten,

unseres Profils im nationalen und internationalen Wettbewerb“,

aber auch Initiatoren, Anreger, Korrektiv, Diskussionspartner etc.

freut sich HfMDK-Präsident Prof. Christopher Brandt. Der Stellen-

für Komponisten. Schon immer in der Musikgeschichte haben

inhaber Lucas Fels ist ein international ausgewiesener Experte auf

die Interpreten maßgeblich die Entwicklung der Musik mit-

dem Gebiet der zeitgenössischen Musik und ein herausragender

bestimmt, nur leider haben die meisten Musiker diese Rolle in

Cellist.

den letzten Jahrzehnten vernachlässigt. Ebenso sind es die Musiker, die die Veranstalter und das Publikum am besten

„Ein wesentliches Ziel der HfMDK ist es, für die Kunst zu be-

überzeugen können vom unendlichen Reichtum der zeitgenös-

geistern und damit auch den Erhalt und Ausbau eines lebendigen

sischen Musik. Je besser wir sie verstehen, je mehr wir darüber

Kulturlebens zu gewährleisten. Deshalb setzt die Hochschule

wissen, je selbstverständlicher wir die unendlich vielen Facetten

auch einen Akzent auf die Auseinandersetzung mit und die

und Spielarten der heutigen Musik auf unseren Instrumenten

Ausbildung in zeitgenössischer Musik. Das Lehrangebot Inter-

beherrschen, desto besser können wir sie vermitteln – als Musi-

pretatorische Praxis und Vermittlung Neuer Musik ergänzt hervor-

ker auf der Bühne und als Vermittler bei den verschiedensten

ragend die bisherigen Aktivitäten der Hochschule in diesem

Gelegenheiten.“

Bereich – wie u .a. die Etablierung des hausinternen Instituts für zeitgenössische Musik IzM und die Einrichtung des Master-

Seine Arbeit wirkt bereits deutlich in den Hochschulalltag: Der

studiengangs Internationale Ensemble Modern Academy (IEMA).

Umgang mit den verschiedensten Aspekten der zeitgenössischen

Dabei sind wir stolz, eine so herausragende Künstlerpersönlichkeit

Musik wird für die Studierenden durch die Praxis und Vermittlungs-

für diese Aufgabe gewonnen zu haben“, erklärt Prof. Christopher

veranstaltungen immer selbstverständlicher, die Zusammenarbeit

Brandt.

mit den Kompositionsklassen hat sich intensiviert, das Institut für zeitgenössische Musik IzM der Hochschule organisiert und veranstaltet in diesem Zusammenhang eine immer größer werdende Palette an Aufführungsmöglichkeiten.

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Eine Stiftung für das Mehr an Ausbildung in Musik, Theater und Tanz an der HfMDK Förderer gründen die Stiftung für die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main

„Zusätzliche Fördergelder erweitern das Angebot der Hochschule

Zum Gründungszeitpunkt ist die Stiftung für die Hochschule

für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main: Ein inspi-

für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main mit einem

rierendes Beispiel ist für mich die Gastprofessur für Liedgestaltung

Grundstockvermögen in Höhe von rund 1 Million Euro ausge-

von Helmut Deutsch.“ Das sagt die Sopranistin Kateryna Kasper,

stattet. In der Regel sollen Stiftungen ihr Vermögen auf Dauer

die heute Ensemblemitglied der Oper Frankfurt ist, im Rückblick

erhalten. Einzig mit den Erträgen, zum Beispiel aus der Kapital-

auf ihre Studienzeit an der HfMDK.

anlage, können sie Projekte fördern und damit ihren Satzungszweck erfüllen. Deshalb ist es wichtig, dass möglichst viele Zustifter die

Gastprofessuren, Stipendien und Stiftungsprofessuren tragen nach-

HfMDK-Stiftung unterstützen.

haltig zu exzellenten Ausbildungsbedingungen und zur Strahlkraft einer Hochschule bei. Doch solche ergänzenden Angebote benö-

„Die HfMDK-Stiftung ergänzt und erweitert das Engagement

tigen eine über mehrere Jahre gesicherte Finanzierung. Mehrere

der Freunde und Förderer insbesondere für langfristige Projekte.

Förderer der Hochschule gründen noch im Oktober 2016 eine selb-

Dazu gehört zum Beispiel die Einrichtung von Stiftungs- und

ständige gemeinnützige Stiftung, die Förderzusagen für mehrere

Gastprofessuren, die das Lehrangebot erweitern. Vor allem für

Jahre geben kann. Die Stiftung soll in Zukunft zum Mehr an Aus-

solche Vorhaben, die eine verbindliche Finanzierung für mehrere

bildung in Musik, Theater und Tanz beitragen und ergänzt die

Jahre benötigen, bieten Stiftungen gute Fördermöglichkeiten.

Fördertätigkeit der Gesellschaft der Freunde und Förderer sinnvoll.

Für diese Aufgaben benötigt die HfMDK-Stiftung ein möglichst starkes Fundament. Dafür wünsche ich ihr viele weitere Zustifter,

„Durch die Budgetierung der Hochschuletats sind die deutschen

vor allem aus der Region!"

Hochschulen zunehmend auch darauf angewiesen, Drittmittel

Dr. Clemens Börsig, Vorstandsvorsitzender der

einzuwerben und eigenes Vermögen aufzubauen. Hierzu ist die

Deutsche Bank Stiftung, Gründungsstifterin

Gründung einer hochschuleigenen Stiftung das geeignete Vehikel, um Spenden für den laufenden Verbrauch der Hochschule, aber

Der Kapitalstock der HfMDK-Stiftung soll in den nächsten

auch Zustiftungen in den Grundstock des Vermögens der Stiftung

Jahren weiter wachsen. „Die Stiftung bietet den idealen Rahmen

einwerben zu können. Insbesondere die Möglichkeit der Zustiftung –

für alle Freunde und Förderer der Hochschule, die sich mit größeren

etwa wie bei den Hochschulen nach amerikanischem Vorbild –

Zuwendungen oder Testamentsspenden engagieren möchten“,

eröffnet der Hochschule die Möglichkeit, über ihre Stiftung Ver-

betont Präsident Prof. Christopher Brandt. „Überdies kann die

mögen aufzubauen und dadurch langfristig zur Hochschulfinan-

Stiftung auch Dachstiftung für Treuhandstiftungen und Stiftungs-

zierung beizutragen. Gleichzeitig eröffnet die Stiftung den Alumni

fonds sein. Die Stifter helfen so der Hochschule, unser kulturelles

der Hochschule die Möglichkeit, ihre Dankbarkeit gegenüber der

Erbe nachhaltig zu pflegen, es an neue Generationen weiterzu-

Hochschule zu zeigen, indem sie spätere Generationen von

geben und zeitgenössische Entwicklungen anzustoßen.“ Zu den

Studierenden über die Stiftung unterstützen.“

Gründungsstiftern der ersten Stunde gehören Mitglieder der

Peter Gatzemeier, Vorstand der Dr. Marschner Stiftung, Gründungsstifterin

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Gesellschaft der Freunde und Förderer und Stiftungen, die der Hochschule seit langem verbunden sind.


„Ich möchte das an die Hochschule zurückzugeben, was ich

Als Vorstandsmitglieder stellen der Präsident Prof. Christopher

selbst glücklicherweise ermöglicht bekommen habe, auch wenn

Brandt und die Kanzlerin der HfMDK, Angelika Gartner, eine

die Fakultät eine andere war. Wir unterstützen die Stiftung,

enge Verbindung zwischen der Stiftungsarbeit und dem

um den jungen Studierenden aus aller Welt eine exzellente

Förderbedarf der Hochschule sicher. Rechtsanwalt Dr. Stefan

Ausbildung zukommen zu lassen.“

Stolte, Mitglied der Geschäftsführung im Deutschen Stiftungs-

Günter Prack, Mitglied der Gesellschaft der Freunde

zentrum (DSZ) und Partner der HfMDK-Stiftung bei Finanzver-

und Förderer der HfMDK und Gründungsstifter

waltung und Vermögensbewirtschaftung, komplettiert den ersten Stiftungsvorstand.

Bereits 2017 kann aus den Erträgen der Stiftung eine Gastprofessur finanziert werden. Bis 2020 soll das Grundstockvermögen mithilfe

„Vorstand und Beirat der Dr. Marschner Stiftung wünschen der

weiterer Zustiftungen auf fünf Millionen Euro wachsen. Dann

HfMDK-Stiftung, dass sie ihr Vermögen vergrößern kann, indem

könnte die HfMDK-Stiftung ihre erste Stiftungsprofessur an der

sich weitere Stiftungen, Privatpersonen und insbesondere auch

Hochschule einrichten.

Alumni der Hochschule in der HfMDK-Stiftung finanziell engagieren. Die HfMDK-Stiftung soll zukünftig in der Lage sein, die

„Engagement bedeutet raus aus dem Sessel und sich aktiv in die

Arbeit der Hochschule finanziell zu unterstützen und ihren

Gestaltung der HfMDK-Stiftung einzubringen sowie intensiv für

Studierenden eine glänzende Ausbildung auf höchstem Niveau

die Mittelaufbringung zu werben. Nur so lassen sich Wünsche

zu ermöglichen.“

erfüllen – und die gibt es zur Genüge!“

Peter Gatzemeier, Vorstand der Dr. Marschner Stiftung, Gründungsstifterin

Hildegard Prack, Mitglied der Gesellschaft der Freunde und Förderer der HfMDK und Gründungsstifterin

Die Gründungs- und Zustifter haben als Mitglieder im Stiftungsrat die Möglichkeit, den Vorstand zu beraten, die Stiftungsarbeit aktiv zu begleiten und als Botschafter zum Aufbau der Stiftung beizutragen.

Stiftung für die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main

Die besten Studienbedingungen für die begabtesten Musiker, Schauspieler

Zustiftungen ins Stammkapital der Stiftung sind ab 5.000 Euro möglich.

und Tänzer aus aller Welt zu schaffen – dafür engagieren sich die Freunde und

Beträge darunter werden als Spende behandelt. Stifterinnen und Stifter, die

Förderer der HfMDK. Die 2007 gegründete Gesellschaft der Freunde und Förderer

mit mindestens 100.000 Euro zur Ausstattung des Stiftungsvermögens

der HfMDK e.V. ermöglicht Stipendien, Meisterkurse, herausragende künstlerische

beitragen, bis ein Stiftungskapital in Höhe von 2 Millionen Euro erreicht ist,

Projekte wie Opern- und Theaterproduktionen und vieles mehr. In Zukunft gibt

sind als Gründungsstifter geborene Mitglieder des Stiftungsrats.

es für die Förderer neben dem knapp 300 Mitglieder starken Freundeverein ein weiteres Angebot: Die Stiftung für die Hochschule für Musik und Darstellende

Haben Sie Fragen rund ums Stiften – oder möchten Sie als Gründungs- oder

Kunst Frankfurt am Main soll eine gute Adresse für Zustifter und Vermächtnisgeber

Zustifter für die Stiftung für die HfMDK aktiv werden? Dann wenden Sie

werden. Förderer können so die HfMDK auf lange Sicht unterstützen und sich

sich gerne an das Fundraisingbüro der HfMDK.

für ihre nachhaltige Entwicklung, zum Beispiel durch weitere Stiftungs- und Gastprofessuren und den Ausbau der Stipendienprogramme, einsetzen. Partner

Ihre Ansprechpartnerin ist Dr. Laila Nissen:

in der Finanz- und Vermögensverwaltung der Stiftung für die HfMDK ist das

laila.nissen@hfmdk-frankfurt.de

Deutsche Stiftungszentrum (DSZ).

Telefon 069 / 154 007 210 57


FRANKFURT IN TAKT 16/2 – PERSÖNLICHES

HONORARPROFESSUR FÜR CLAUS KÜHNL

AUS EINS MACH ZWEI Deutschlandstipendium an der HfMDK

Von Prof. Christopher Brandt

Von Beate Eichenberg

Für eine nachhaltige Qualitätssicherung der Lehre im Bereich der

Zu den Stipendienangeboten der Hochschule für Musik und

Neuen Musik und damit die zusätzliche Schärfung unseres Profils

Darstellende Kunst Frankfurt am Main gesellt sich ein besonderes

im nationalen und internationalen Wettbewerb steht auch die

Stipendium dazu: Im Wintersemester 2016/17 vergibt die

jüngste Verleihung einer Honorarprofessur an den langjährigen

HfMDK die ersten Deutschlandstipendien. Damit beteiligt sich

HfMDK-Dozenten Claus Kühnl.

die Hochschule erstmals an dem bundesweiten Förderprogramm, das 2011 von der Bundesregierung eingeführt wurde.

Als Komponist, Dirigent und Pianist ist er einer der wichtigsten und einflussreichsten Künstler, die schon über viele Jahre das

Das Deutschlandstipendium ist eine ebenso einfache wie außer-

zeitgenössische Musikleben nicht nur in der Stadt Frankfurt

gewöhnliche Form der Förderung begabter Studierender – es

prägen. Moritz Eggert, sein ehemaliger Schüler (und heute selbst

wird zur Hälfte von Privatleuten, Vereinen, Stiftungen und Unter-

international bekannter Komponist mit Professur in München),

nehmen finanziert, die andere Hälfte übernimmt der Bund. Jede

porträtiert den bescheidenen Menschen, Kollegen und Freund

Seite bezahlt 1.800 Euro, sodass ein Stipendiat mit insgesamt

Claus Kühnl sehr treffend: „Zuerst einmal ist er ein phantastischer

3.600 Euro im Jahr gefördert wird.

Komponist, der eine ganz eigene, von großer Klangsinnlichkeit und vollständiger Durchdringung der technischen Möglichkeiten

Die ersten Deutschlandstipendien finanzieren die Gesellschaft der

geprägte Klangsprache entwickelt hat. Als Lehrer wirkt er nun

Freunde und Förderer der HfMDK sowie weitere Privatpersonen

schon seit mehr als drei Jahrzehnten am renommierten Dr. Hoch’s

und Stiftungen. Diese sehen es als gesellschaftliche Aufgabe

Konservatorium und hat wie kaum ein anderer den dortigen

und nachhaltige Investition in die Zukunft an, engagierte Nach-

Kompositionsunterricht geprägt. Kühnl vermochte es, seine eigene

wuchstalente zu fördern. Dazu stärkt das Deutschlandstipendium

Begeisterung an Musik auf seine Studenten zu übertragen. Die

die für die deutschen Hochschulen und auch die HfMDK immer

bedingungslose Großzügigkeit dem Nachwuchs gegenüber hat er

wichtiger werdende Vernetzung von Ausbildung und Wissen-

sich bis heute bewahrt, und das ist wirklich bewundernswert“.

schaft, Gesellschaft und Wirtschaft.

Ich selbst bin stolz darauf, Kühnls „Nocturne en Sarabande“ für

Um ein Deutschlandstipendium können sich alle Studierenden

Gitarre solo seinerzeit angeregt und aus der Taufe gehoben zu

der HfMDK bewerben, inklusive der Bewerber, denen ein Studien-

haben – es war eine der für mich nachhaltigsten und angenehmsten

platz an der Frankfurter Hochschule zugesagt wurde. Die Aus-

Zusammenarbeiten zwischen Komponist und Interpret, und so ist

wahlkriterien umfassen sehr gute Schul- oder Studienleistungen

es auch für mich persönlich eine große Freude, durch die längst

sowie soziales und gesellschaftliches Engagement oder besondere

überfällige Verleihung der Honorarprofessur an Claus Kühnl in

persönliche Umstände oder Erschwernisse in der eigenen Bil-

meiner Amtszeit als HfMDK-Präsident einen Akzent auf die zeit-

dungsbiografie. Das Deutschlandstipendium ist hilfreicher Beitrag

genössische Musik und einen ihrer würdigsten Vertreter gesetzt

zum Lebensunterhalt und als Exzellenzstipendium auch Aus-

zu haben.

zeichnung und Motivation. Die vom Bund geregelte Förderquote liegt zurzeit bei 1,5 % der Studierenden einer Hochschule, das heißt, die HfMDK vergibt im Herbst 13 Stipendien.

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IMPRESSUM

Frankfurt in Takt – Magazin der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main Eschersheimer Landstraße 29–39 60322 Frankfurt am Main www.hfmdk-frankfurt.de

Herausgeber Prof. Christopher Brandt, Präsident der HfMDK Redaktion Björn Hadem (bjh) bhadem@arcor.de Redaktionsbeirat Dr. Sylvia Dennerle, Prof. Hedwig Fassbender, Björn Hadem, Sina-Mareen Retolaza (als Gast), Dr. Laila Nissen, Anatol Riemer, Prof. Christopher Brandt, Prof. Eike Wernhard

Autoren Brigitte Binder, Prof. Christopher Brandt, Dr. Sylvia Dennerle, Philipp Dragic, Beate Eichenberg, Moritz Fabian, Lena Ganter, Clarissa Gocke, Katarina Graf, Björn Hadem (bjh), Prof. Dr. Werner Jank, Paula König, Johann Lieberknecht, Roxana Littau, Dr. Laila Nissen, Lena Möller, Johannes Müller-Hornbach, Sina-Mareen Retolaza, Caroline Rohde, Prof. Dr. Katharina Schilling-Sandvoß, Elias Schomers, Philippe Schwarz, Marie Schwesinger, Maren Schwier, Julia Seiwert, Prof. Dr. Maria Spychiger, Prof. Ursula Targler-Sell, Prof. Marion Tiedtke, Tilmann Warnecke Fotos Björn Hadem (37), Sören Balendat, Valentin Fanel, Nico Holonics, Manu Theobald Titelfoto Harfenistin Clara Simarro-Röll Layout Opak Werbeagentur GmbH, Münchener Str. 45, 60329 Frankfurt am Main Anzeigen Björn Hadem (es gilt die Preisliste 2011) Erscheinungsweise jeweils zu Beginn des Semesters Druck Brandenburgische Universitäts-Druckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbH Drittmittelkonto Account for Private funds IBAN: DE71 5005 0201 0200 1380 90 SWIFT-BIC: HELADEF1822 59


FRANKFURT IN TAKT 16/2 – PERSÖNLICHES

VON DER OFFENHEIT FÜR UMWEGE Hans Thomalla, Alumnus der Kompositionsklasse von Hans Zender an der HfMDK, ist heute Professor in Chicago

„Was machst du hier eigentlich als Dramaturg?“, fragte Helmut

Komponisten“, darunter auch Prof. Isabel Mundry als damalige

Lachenmann den jungen Hans Thomalla, als der bei der Inszenie-

Zender-Schülerin. Hans Zender habe es vorzüglich verstanden,

rung von „Das Mädchen mit den Schwefelhölzern“ dramaturgisch

schlüssige Brücken zwischen Musikgeschichte früherer Epochen

assistierte. Eine berechtigte Frage an den Kompositionsstudenten

und zeitgenössischer Musik herzustellen – beispielsweise Beet-

von Hans Zender, der offenbar fünf Jahre nach seinem Studien-

hovens frühe Sonaten mit dem Oeuvre von Messiaen in Verbindung

beginn das Fach gewechselt zu haben schien, 1999 zunächst

zu bringen oder Schuberts Werke mit denen von Morton Feldman.

Dramaturgieassistent und später musikalischer Berater und

„Unglaublich offen und positiv“ habe Hans Zender ihn als Stu-

Produktionsdramaturg an der Stuttgarter Oper wurde. Eine Sehnen-

dierenden motiviert und angeleitet, während er mit dessen Pro-

scheidenentzündung hatte Hans Thomalla im sechsten Semester

fessoren-Kollegen Gerhard Müller-Hornbach die besten Seminar-

Kompositionsstudium eine Zwangspause beschert, die er prompt

erfahrungen – „Beethoven und die Norm“ – in Verbindung bringt.

nutzte, um in Stuttgart zunächst bei einer Rihm-Oper unter Leitung

Das Institut für zeitgenössische Musik gab es an der HfMDK

von Bernhard Kontarsky zu hospitieren. Den wiederum schätzte

damals noch nicht, wohl aber – zumindest in der Kompositions-

Hans Thomalla damals außerdem nicht nur als HfMDK-Professor

abteilung – eine Atmosphäre des freiheitlichen Studieren-Könnens.

im Fach Partiturspiel, sondern auch als „Treffpunkt“ der Interes-

Frei genug jedenfalls, dass Hans Thomalla sich als Gasthörer in

sierten für Neue Musik an der Frankfurter Hochschule. Die Kompo-

die Vorlesungen des Regie-Professors Hans Hollmann setzen

sitionsklasse von Hans Zender hat Hans Thomalla, mittlerweile

und sich dort handwerkliches Wissen aus einer Nachbardisziplin

selbst Professor für Komposition an der Northwestern University

aneignen sowie schließlich für den Regisseur Schauspielmusik

in Chicago, derweil als „eine richtige Meisterklasse im alten Stil“

schreiben konnte. Ein lohnenswerter Umweg, wie sich an der

in Erinnerung – mitten im Kreis „äußerst intelligent diskutierender

Stuttgarter Oper für Hans Thomalla später herausstellen sollte.

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Foto: Manu Theobald

SERIE:

VERSCHLUNGENE LEBENSWEGE UNSERER ALUMNI №5

Dort debütierte er im Jahr 2011 als Komponist seiner ersten Oper

nen. Hauptberuflich verbindet er mit seinem Lehrstuhl in Chicago

„Fremd“ für Solisten, Chor, großes Orchester und Elektronische

die Leitung des universitätseigenen Instituts für Neue Musik, das

Klänge. Seine zweite Oper „Kaspar Hauser“ erlebte im Frühling

gleichnamige Aktivitäten an der großen Northwestern University

2016 am Theater Freiburg ihre Uraufführung.

mit integrierter Musikhochschule bündelt und koordiniert, musikalische Projekte mit Festivals und Fachkonferenzen verbindet.

Eine Affinität zur USA hatte Hans Thomalla schon immer: In ihm wuchs während des HfMDK-Studiums der Wunsch, an eine große

Auf die Frage, was seinen Werdegang ausgemacht habe, ant-

amerikanische „Research-Uni“ zu gehen, um sein Wissen zu

wortet der 41-jährige Hans Thomalla heute: „Es war unter anderem

erweitern. Nicht zuletzt sei es als zweifacher Familienvater auch

meine Offenheit dafür, Umwege zu gehen und dafür zu nutzen,

der ökonomische Druck gewesen, der ihn zum Auswandern aus

den eigenen Horizont zu erweitern.“ Den Vorteil, an der Frankfurter

Deutschland bewogen habe, in dem Anfang des neuen Jahr-

Hochschule jedenfalls ohne curriculare Gängelung studiert haben

tausends die beruflichen Perspektiven für Komponisten alles

zu können, schätzt er ungemein. Er ermuntert heute Studierende

andere als rosig anmuteten. Von 2002 bis 2007 arbeitete er als

dazu, „wirklich in sich hinein zu hören und den ureigenen Interes-

Doktorand an der Stanford University, wo er seine Studien bei

sen zu folgen“. Der Rest ist wohl Hartnäckigkeit, nämlich „mit

Brian Ferneyhough fortsetzte. „Ich war mir eigentlich immer

guten Ideen die Institutionen so lange zu nerven, bis die bereit

sicher, dass ich wieder zurück nach Deutschland gehen würde“,

sind, deine Vision umzusetzen.“

bjh

sagt Hans Thomalla und hat es auch getan – allerdings nur besuchsweise als Dozent für Meisterkurse und Workshops, darunter die Darmstädter Ferienkurse, wie für musikalische Kooperatio61


FRANKFURT IN TAKT 16/2 – PERSÖNLICHES

Gerhard Müller-Hornbach mit seiner Frau Susanne.

U(H)RFEDER IM HOCHSCHULBETRIEB Kompositionsprofessor Gerhard Müller-Hornbach geht in den Ruhestand Mit drei Konzerten verabschiedete sich die HfMDK im Sommer-

Ich weiß, dass dein Kompositionsprofessor, Hans Ulrich Engel-

semester 2016 von ihrem Kompositionsprofessor Gerhard

mann, bis zu seinem Tode dabei die zentrale Figur war. Und das

Müller-Hornbach, der mit 65 Jahren in den Ruhestand ging. Der

war sicher eine wechselseitige Zuneigung, gerne erinnere ich mich

Komponist, Dirigent und Pädagoge lehrte über mehrere Jahr-

an die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an dich im Jahre

zehnte an der HfMDK als Professor für Komposition und Musik-

2009, als der anwesende Hans Ulrich Engelmann äußerte, er

theorie. Im Jahr 2005 war er Mitbegründer des Instituts für

würde jetzt sehr gerne bei dir studieren.

zeitgenössische Musik an der HfMDK und stand seitdem dessen Direktorium vor. Zudem leitete er die Kompositionsabteilung und

1982 erhieltest du deinen Ruf als Professor für Musiktheorie und

zeichnete für den Masterstudiengang Internationale Ensemble

später für Komposition an unserer Hochschule und gehörst damit

Modern Akademie verantwortlich. Außerdem war er Projektleiter

quasi zum Urgestein des Hauses.

des „Schulprojekts Response“. Das kammermusikalische Abschiedskonzert mit dem Titel „Innere Spuren“ nahm Ernst

Bei der Wahl dieses Wortes muss und möchte ich mich korrigieren,

August Klötzke, Professor für Musiktheorie und Vizepräsident der

denn das, was das Gestein ausmacht, nämlich die unwiderrufliche

HfMDK zum Anlass, Gerhard Müller-Hornbachs inneren wie

Verhärtung, ist nun gerade nicht deines.

äußeren Spuren, die er an der Hochschule hinterlässt, nachzuspüren. Nachfolgend ein Auszug aus seiner Laudatio auf den

Die Goethesche Urpflanze trifft es auch nicht, schließlich bist du ja

scheidenden Pensionär Gerhard Müller-Hornbach.

definitiv da, und zwar als Ganzheit, vielleicht eher eine Art Urfeder, und wenn ich nach dem „U“ jetzt noch ein „h“ einfüge, dann

Nach dem Schulbesuch im nordbadischen Weinheim hast du

passt’s. Unermüdlich, wie eine solche Feder, setzt du dich für das

hier in Frankfurt Schulmusik und Komposition sowie an der

Haus ein. Das ist besonders, denn dieses nie Ruhende hat immer

Goethe-Universität Musikwissenschaften und Gesellschafts-

das Ganze im Blick und mehr noch: im Bewusstsein.

wissenschaften studiert.

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U(H)RFEDER IM HOCHSCHULBETRIEB

Dadurch bist du eine prägende Figur für die HfMDK geworden,

In all dem zeigt sich eben diese für dich typische Verbindung des

und dies nicht nur auf der Seite der Sache, sondern ebenso sehr

Lebens mit der Kunst: Es geht nie um Einzelphänomene, sondern

auf der menschlichen Seite. Dieses Menschliche, das für dich von

immer um deren Einbettung in einen größeren Zusammenhang.

einem sehr profund durchdrungenen Humanismus und einer

Das Eingebettet-Sein kenne ich auch aus deiner Musik: Der Ton

daraus resultierenden souveränen Weitsicht geprägt ist, wird

ist kein Einzelereignis, er ist vielmehr Teil einer künstlerischen

unserem Haus fehlen. Deine Maxime, das Komponieren als

Sozietät, so wie der Mensch eben auch nie einzeln, sondern immer

integralen Bestandteil deines Lebens zu empfinden, überträgst

Teil der Gesellschaft ist. Im Fokus deiner Tätigkeit hier stehen die

du auf die Lehre und den Umgang mit den Menschen und den

Lehre und besonders die Bildung und Ausbildung der nächsten

Umständen, die dir begegnen.

Komponistengenerationen.

Das Leben und die Kunst, das durchdringt sich auf Augenhöhe,

Es hat bei mir starke Eindrücke hinterlassen, dass du auch durch-

und es gibt wenig anderes, das auf dieser Augenhöhe mithalten

weg zu den Arbeiten deiner Studierenden eine kritische Distanz

kann. Nie habe ich erlebt, dass du laut wurdest, vielmehr verfügst

bewahrt hast: Du weißt sehr genau, wer da wo steht und gehörst

du über die besondere Gabe zu deeskalieren, wirre Fäden zu ordnen

erfreulicherweise nicht zu jenen Lehrenden, deren Lebensinhalt

und ihnen mögliche Bahnen zu zeigen. Oft habe ich in Sitzungen

darin besteht, die eigenen Studentinnen und Studenten per se

bemerkt, dass man in gewisser Weise auf deine Meinungsäußerung

hervorragend zu finden. Es mag damit zusammenhängen, dass

gewartet hat, um sich dann ein abschließendes Urteil zu bilden.

du eine unglaubliche Vielfalt hervorgebracht hast.

Daraus spricht ein unbedingtes Vertrauen des Kollegiums und der anderen Angehörigen der Hochschule.

Die mir bekannten Komponisten, die von dir gelernt haben, schreiben und reflektieren alle ganz verschieden. Es ist aus meiner

Vieles haben du und ich in den vergangenen nunmehr 15 Jahren

Sicht die höchste Qualität, die einen Lehrenden auszeichnet,

miteinander besprochen, unzählige Prüfungen haben wir zusammen

nämlich, dass die Interessen des Lehrenden zwar thematisiert,

abgenommen, an die ich sehr gerne zurückdenke – besonders an

aber nicht aufgezwungen werden.

die Zeiten, nachdem die Kandidaten den Raum verlassen haben. Was kommt nun? Für uns wird eine Lücke bleiben, das sage Mit deiner Hilfe konnte ich am Staatstheater Wiesbaden einige

ich ganz ohne Pathos, denn du bist weder als Mensch noch als

hochkarätige Produktionen veranstalten. Ein besonderes Highlight

Künstler noch als Lehrender und „akademischer Selbstverwalter“

ist, neben den vielen Einstudierungen und Dirigaten, zuletzt mit

zu ersetzen. Es wird eine andere oder ein anderer kommen, aber:

dem arg schönen Bernd Alois Zimmermann-Programm, die

Das werden andere sein, die Neues mitbringen, Gewesenes

„visualisierte Musik“.

verwerfen und hoffentlich die Bereitschaft zur Veränderung mitbringen, die dich auszeichnet. Auch die Möglichkeit, mal kurz

In all diesen Konzerten ist es uns gelungen, den jungen Künstlern

etwas mit dir zu besprechen, wird fehlen, ebenso wie deine

eine professionelle Bühne zur Verfügung zu stellen und dem

Offenheit, obwohl ich sie ab und zu ein wenig anstrengend fand,

Publikum hervorragende Interpretationen und Kompositionen zu

denn sie hat mir immer wieder die manchmal engeren Grenzen

bieten. So etwas zu initiieren und durchzuführen, gehört zu den

meiner eigenen Offenheit vor Augen geführt.

vornehmsten Pflichten unseres Tuns; damit wird ein wichtiger Aspekt der Vorbereitung unserer Studierenden auf die Zeit nach

Und was kommt für dich? Das lässt sich kurz und bündig

der Hochschule getätigt, wir wissen alle, dass dies eine sehr

sagen: Freiheit! Es wird früh morgens um 9.15 Uhr kein nerviger

schwierige Zeit ist.

Kollege mehr anrufen, um dich daran zu erinnern, dass du seit zehn Minuten Mitglied einer Prüfungskommission bist – das ist ja auch nur einmal passiert, aber immerhin: Es wird kein Mal mehr passieren! Du wirst komponieren, und damit kommt dann auch hoffentlich immer wieder etwas von dir zu uns zurück, nämlich: deine Musik. 63


FRANKFURT IN TAKT 16/2 – PERSÖNLICHES

ERFOLGE UNSERER STUDIERENDEN – EINE AUSWAHL Das 2009 gegründete Aris Quartett

Anna Katherine Claus, Violine (Klasse

Theater- und Orchestermanagement:

(ehemals Kammermusikklasse Prof. Hubert

Prof. Susanne Stoodt), gewann beim

Julia Sinnhöfer wurde zum 1. Juli zur

Buchberger) mit Anna Katharina Wilder-

Symphonieorchester des Hessischen

Programmchefin der Musikfestspiele

muth, Noémi Zipperling, Caspar Vinzens

Rundfunks Ende Juni 2016 das Probespiel

Mecklenburg-Vorpommern ernannt.

und Lukas Sieber erhielt den zum dritten

um eine feste Stelle der 2. Violinen. Toni Müssgens wurde zum

Mal vergebenen Kammermusikpreis der Jürgen Ponto-Stiftung. Der Preis ist mit

Roeland Henkens, Trompete (Klasse

60.000 Euro dotiert sowie mit Einladungen Prof. Klaus Schuhwerk), hat nach Probespiel

Produktionsleiter der Theaterbiennale Wiesbaden ernannt.

zu großen Musikfestivals verbunden. Im

und anschließendem „Trial“ die Stelle

September gewann das Kammermusik-

als Solotrompeter an der Nationaloper

Dominique Thomann ist neue

ensemble den zweiten Preis des ARD-

Oslo gewonnen.

Orchesterdirektorin des Orchesters am Staatstheater Santiago de Chile.

Wettbewerbs, den dortigen Publikumspreis sowie drei weitere Sonderpreise: den

Lukas Kay, Trompete (Klasse Prof. Klaus

Sonderpreis „ProQuartet“, den mit 7.500

Schuhwerk), hat das Probespiel für die Aka-

Carolin Bergmann wurde zur Orchester-

Euro dotierten Osnabrücker Musikpreis

demiestelle bei den Berliner Philharmonikern

managerin in Trier ernannt.

sowie den mit einer CD-Produktion ver-

gewonnen. Simon Kranz wurde Kompaniemanager des

bundenen Sonderpreis „GENUNIN classics“.

Johannes Mayer, Tenor (Klasse Prof.

Staatsballetts Wiesbaden-Darmstadt.

Henriette Meyer-Ravenstein), wurde für Lara Boschkor, Violine (Klasse Prof. Erik

die Spielzeit 2015/2016 noch während des

Das Bassoon Consort Frankfurt,

Schumann), gewann den ersten Preis beim

Studiums mit einem Elevenvertrag ans

bestehend aus Studierenden, Alumni und

„Königin Sophie Charlotte, Internationaler

Staatstheater Mainz engagiert.

Lehrenden der Fagottklasse Prof. Henrik Rabien, wurde für die SACD-Einspielung

Wettbewerb für Violine“. Mark Reisig, Regie, und Cennet Voß,

der Goldberg-Variationen von J.S. Bach in

Schauspiel, sind als Stipendiaten der

der Fassung für Fagott-Ensemble mit einem

Studienstiftung des Deutschen Volkes

ECHO-Klassik in der Kategorie Kammer-

aufgenommen worden.

musikeinspielung, Musik bis inklusive 17./ 18. Jahrhundert/Bläser ausgezeichnet.

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