0831 (04/05.2021)

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Mehrwert

Wen wie korrekt ansprechen – und warum

GESCHLECHTERSENSIBLE Dass die deutsche Sprache tatsächlich eine schwere Sprache ist, beweisen die Fragen, die sie im Alltag immer wieder aufwirft. Und das nicht nur bei Menschen, die sie gerade neu erlernen. Doch abgesehen von Uneinigkeiten über Grammatik und Rechtschreibung gibt es auch immer wieder Diskussionen darüber, wie sie sich verändert. Ein Thema, über das in diesem Kontext aktuell besonders häufig debattiert wird, ist die gendersensible Sprache. So haben auch wir, die Redaktion des Kemptener Stadtmagazins 0831, uns kürzlich dazu entschlossen, in einen Sprachgebrauch überzugehen, der alle Geschlechter gleichermaßen ansprechen soll. Wir waren mit Pia Wirth, Mitglied der Access Allgäu Area, im Gespräch über den Hintergrund sowie die Pro- und Kontraargumente des Genderns.

Mehr Informationen über das Engagement und aktuelle Aktionen des Kollektivs findet ihr auf der Homepage, zu der ihr über diesen QR-Code gelangt und auf der Instagram-Seite @aallgaeua. So beispielsweise auch zum Aufruf von Acces Allgäu Area-Mitglied Anu, zur Gründung eines Empowerment Space für BIPoC im Allgäu.

Was genau ist Access Allgäu Area? Access Allgäu Area ist ein Kollektiv, das sich, kurzgesagt, für feministische Themen und gegen jegliche Form der Diskriminierung und Marginalisierung einsetzt. Derzeit besteht die Gruppe aus 20 Personen. Uns ist es wichtig, als Gruppe heterogen aufgestellt zu sein, um möglichst viele Perspektiven abzubilden. Daher freuen wir uns sehr über Neumitglieder. Besonders ansprechen möchte ich dabei BIPoC (Black, Indigenous and People of Color), Menschen mit Behinderung, LGBTQIA* und Männer.

Seit wann engagierst du dich für die Organisation? Ich war bei der Gründung im Juni 2020 mit dabei. Mein persönlicher Beweggrund war die Tatsache, dass sich unsere Gesellschaft nach dem Tod von George Floyd, den Black-Lives -Matter-Demonstrationen und den damit einhergehenden Solidaritätsbekundungen ziemlich schnell wieder back to business bewegt hat. Es wurde immer wieder betont, dass Deutschland kein Rassismusproblem habe und das hat mich ehrlich gesagt richtig wütend gemacht. Wir haben in Deutschland, insbesondere im Allgäu, wirklich einiges aufzuarbeiten und wir von AAA finden, es ist jetzt Zeit miteinander zu sprechen, die rosarote Brille abzusetzen und sich auch den unbequemen Wahrheiten zu stellen.

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Was hat dich dazu bewegt, dich für Frauenrechte stark zu machen? Die eigenen Privilegien und Grenzen zu erkennen, war wohl maßgeblich. Ich hatte das Glück, mehrfach privilegiert aufzuwachsen, als Frau stößt man im Laufe des eigenen Lebens aber fast zwangsläufig an eine gläserne Decke. Das betrifft maßgeblich die mangelnde, reale Gleichstellung in Bezug auf Gehälter, Aufstiegsperspektiven, Macht, Einfluss. Durch Sexismus und übergriffiges Verhalten bekommst du als Frau in vielen Lebenssituationen zu spüren, wie stark unsere Gesellschaft durchzogen ist von toxischen, patriarchalen, rassistischen und marginalisierenden Strukturen. Du merkst, wie stark du selbst davon geprägt bist und wie sehr auch viele deiner Mitmenschen darunter leiden. Bei der Sprache fängt für mich alles an. Das Thema Gendern im Sprachgebrauch ist ein wichtiger und längst überfälliger Schritt und kommt nun, nach jahrzehntelangen Kämpfen der Aktivist:innen, endlich in unserer Gesellschaft an. Auch ich habe es noch nicht zu 100 Prozent intus, aber ich bemühe mich und die wachsende Akzeptanz macht Hoffnung.

Was setzt du dem Argument, dass Frauen ja „mitgemeint” seien, entgegen?


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