PREVIEW "LEITBILD NACHHALTIGKEIT" (02/2009)

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Ausgabe 02/2009 | 6,80 Euro ISBN 978-3-9-3845624-8

LEITBILD NACHHALTIGKEIT HOFFNUNGSTRÄGER ZWISCHEN ALLHEILMITTEL UND ZIELKONFLIKTEN

journal360.de


EDITORIAL°

DEM PHANTOM AUF DER SPUR In dieser Ausgabe werfen wir einen Blick auf die vielen Facetten des Leitbilds nachhaltiger Entwicklung. Alle Facetten? Nein! Selbstkritisch müssen wir einräumen, dass ein wesentlicher Aspekt fehlt. Nachhaltige Entwicklung kann nur mit der tatsächlichen Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen erreicht werden, formuliert schon die Agenda 21. Sie fordert deshalb „globale Maßnahmen im Hinblick auf die Teilhabe der Frau an einer nachhaltigen, gerechten Entwicklung“. Der Aktionsplan vom Erdgipfel 1992 ist darum auch eine Agender. Ob Frauen allerdings nachhaltiger denken und handeln als Männer, etwa weil es ihren Mutterinstinkten entspricht, ist umstritten. Vielleicht erklärt sich ihr durchschnittlich umweltfreundlicheres Verhalten auch dadurch, dass sie häufiger für Haus- und Versorgungsarbeiten zuständig sind: Wer darüber entscheidet, was die Familie Tag für Tag zu essen bekommt, oder wer Batterien zum Wertstoffhof bringt, der entwickelt womöglich ganz automatisch eine größere Sensibilität für ökologische Belange.

Lena Strehlow und Florian Held chefredaktion@journal360.de

Jedenfalls ist der ökologische Fußabdruck von Frauen im Durchschnitt geringer als der von Männern: Frauen fahren weniger Auto, sie besitzen und konsumieren weniger. Anders ausgedrückt: Armut ist weiblich. Chancengerechtigkeit und Gleichberechtigung sind daher eng miteinander verknüpft. Viele Projekte der Entwicklungszusammenarbeit setzen mittlerweile auf Frauen, weil sie langfristiger und familienorientierter denken. Banken bieten gezielt Mikrokredite für Frauen an, da sie eine bessere Rückzahlungsquote erreichen. Und selbst die Finanzkrise hätte es, so wird gemunkelt, mit mehr Frauen am Steuer so nicht gegeben. Dass die Geschlechterperspektive den Nachhaltigkeitsdiskurs bereichert, scheint also Konsens. Unsere studentischen Einsendungen sprechen eine andere Sprache: In keiner von ihnen spielten genderspezifische Herangehensweisen eine besondere Rolle. Zu allem Überfluss sind es auch ausschließlich Männer, die sich in unserer Rubrik „Nachschlag“ zu Wort melden. Dabei richteten sich unsere Anschreiben keineswegs nur an white males… 360° wird von Studierenden gemacht, aus denen irgendwann Absolventen werden, die ihre Aufgaben an den Nachwuchs im Team weitergeben – so wie wir jetzt. Nichts Besonderes? Genau darauf sind wir stolz: Der Generationenwechsel in der Chefredaktion ist zur Normalität geworden. Nachhaltig ist ab dieser Ausgabe nicht nur unsere Teamentwicklung, sondern auch das Papier, auf dem wir drucken. Weil wir unsere Inhalte ernst nehmen, haben wir uns für FSC-zertifiziertes Papier aus nachhaltiger Waldwirtschaft entschieden. Von jungen Unternehmen sagt man, dass die ersten drei Jahre die schwierigsten sind. Sofern das auch für studentische Initiativen gilt, erreichen wir nun ruhigere Gewässer. Zum Geburtstag bekommen wir ein besonderes Geschenk: Wir werden als Preisträger des Wettbewerbs „365 Orte im Land der Ideen“ ausgezeichnet. Das feiern wir am 8. Dezember im Schloss der Universität Münster mit einer Podiumsdiskussion über die Zukunftsfähigkeit Deutschlands, mit Musik und vielen Freunden – und hoffentlich mit Euch, unseren Lesern. Ihr seid herzlich eingeladen. Die nächste Ausgabe von 360° erscheint im April zum Thema „Wovon leben wir?“ Die Ausschreibung findet Ihr auf Seite 124.

3


INHALT°

EDITORIAL 03

ABSTRACTS 06

NACHSCHLAG

VORDENKEN

ENTWICKELN

MESSEN

LERNEN

WIRTSCHAFTEN

10

32

52

72

100

Das Streben nach Bruttosozialglück Bhutans Weg zu nachhaltiger Wohlfahrt // Gastessay: Tobias Pfaff

Weltrettungskürzel BNE Eine globale Vision auf dem Prüfstand // Essay: Sascha Röder

62

80

106

Sehenden Auges Auf der Suche nach der Zukunft, die wir schaffen wollen // Aufschlag: Lena Strehlow und Philip Strothmann

122

CALL FOR STUDENT PAPERS 124 R GLOSSAR

126

IMPRESSUM 130

4

16

Nachhaltigkeit und Demokratie Zur Vereinbarkeit zweier Ideale auf globaler Ebene // Essay: Markus Patberg

24

Kapitalismus schlägt Nachhaltigkeit Zum Widerspruch von nachhaltiger Entwicklung und ökologischer Modernisierung // Artikel: Julian Kuppe

Im Wald der Naturschutzhasser Hintergründe und Lehren eines Ökokonflikts in Ecuador // Feldstudie: Wiebke Rössig

40

„Revolutionäre Veränderungen sind unumgänglich“ Ernst Ulrich von Weizsäcker im Gespräch // Interview: Philip Strothmann

48

Kirchtürme zu Leuchtfeuern Kleinstädte als Prototypen einer nachhaltigen Entwicklung // Rezension: Johannes Uhl

Rechnen statt Kaffeesatz Wie man mit der erweiterten Sparquote nachhaltige Wirtschaftsentwicklung erkennt // Gastartikel: Jana Stöver

Der Ast, auf dem ich sitze // Fotostrecke: Rosa Kaiser

88

Büffeln für die Dritte Moderne Welche Bildung wir für eine gute Zukunft brauchen // Artikel: Robert Fischbach

Eine Frage der Ehre Der Ehrbare Kaufmann als Leitbild für nachhaltiges Wirtschaften // Gastessay: Daniel Klink

Diesseits der Moral Manifest für eine ethische Finanzwirtschaft // Rezension: Tine Scheffelmeier

108

How We Become Good Consumers The Challenges of a Culture of Sustainable Consumption // Article: Marc Venhaus

5


INHALT°

EDITORIAL 03

ABSTRACTS 06

NACHSCHLAG

VORDENKEN

ENTWICKELN

MESSEN

LERNEN

WIRTSCHAFTEN

10

32

52

72

100

Das Streben nach Bruttosozialglück Bhutans Weg zu nachhaltiger Wohlfahrt // Gastessay: Tobias Pfaff

Weltrettungskürzel BNE Eine globale Vision auf dem Prüfstand // Essay: Sascha Röder

62

80

106

Sehenden Auges Auf der Suche nach der Zukunft, die wir schaffen wollen // Aufschlag: Lena Strehlow und Philip Strothmann

122

CALL FOR STUDENT PAPERS 124 R GLOSSAR

126

IMPRESSUM 130

4

16

Nachhaltigkeit und Demokratie Zur Vereinbarkeit zweier Ideale auf globaler Ebene // Essay: Markus Patberg

24

Kapitalismus schlägt Nachhaltigkeit Zum Widerspruch von nachhaltiger Entwicklung und ökologischer Modernisierung // Artikel: Julian Kuppe

Im Wald der Naturschutzhasser Hintergründe und Lehren eines Ökokonflikts in Ecuador // Feldstudie: Wiebke Rössig

40

„Revolutionäre Veränderungen sind unumgänglich“ Ernst Ulrich von Weizsäcker im Gespräch // Interview: Philip Strothmann

48

Kirchtürme zu Leuchtfeuern Kleinstädte als Prototypen einer nachhaltigen Entwicklung // Rezension: Johannes Uhl

Rechnen statt Kaffeesatz Wie man mit der erweiterten Sparquote nachhaltige Wirtschaftsentwicklung erkennt // Gastartikel: Jana Stöver

Der Ast, auf dem ich sitze // Fotostrecke: Rosa Kaiser

88

Büffeln für die Dritte Moderne Welche Bildung wir für eine gute Zukunft brauchen // Artikel: Robert Fischbach

Eine Frage der Ehre Der Ehrbare Kaufmann als Leitbild für nachhaltiges Wirtschaften // Gastessay: Daniel Klink

Diesseits der Moral Manifest für eine ethische Finanzwirtschaft // Rezension: Tine Scheffelmeier

108

How We Become Good Consumers The Challenges of a Culture of Sustainable Consumption // Article: Marc Venhaus

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ABSTRACTS°

ABSTRACTS S. 10

S. 16

S. 24

S. 32

Sehenden Auges Auf der Suche nach der Zukunft, die wir schaffen wollen

Nachhaltigkeit und Demokratie Zur Vereinbarkeit zweier Ideale auf globaler Ebene

Kapitalismus schlägt Nachhaltigkeit Zum Widerspruch von nachhaltiger Entwicklung und Ükologischer Modernisierung

Im Wald der Naturschutzhasser HintergrĂźnde und Lehren eines Ă–kokonflikts in Ecuador

// Aufschlag: Lena Strehlow und Philip Strothmann

// Essay: Markus Patberg

// Artikel: Julian Kuppe

// Feldstudie: Wiebke RĂśssig

Die Genese der Nachhaltigkeitsidee im Sinne der Bewahrung natĂźrlichen Kapitals reicht zurĂźck bis in forstwirtschaftliche LehrbĂźcher des 18. Jahrhunderts. Doch erst 1987 gewinnt das Leitbild nachhaltiger Entwicklung weltweit politische Bedeutung: mit der normativen Aufladung durch die Forderung nach intra- und intergenerationeller Gerechtigkeit im Brundtland-Bericht. Dieser Erfolg beruht auf dem Kompromiss der UNCHE 1972, wonach Armutsbekämpfung und Umweltschutz sich durch nachholende Entwicklung verbinden lassen. Tatsächlich ist das Verhältnis der drei Säulen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft jedoch nicht abschlieĂ&#x;end geklärt. Diese TheorielĂźcke erschwert Bestrebungen, eindeutige Nachhaltigkeitsstrategien und -indizes zu erstellen.

Die politische Weltordnung scheint eine globale nachhaltige Entwicklung eher zu behindern als zu fĂśrdern. Der Politikwissenschaftler Harald MĂźller sucht deshalb nach den richtigen Rahmenbedingungen fĂźr die weltweite Umsetzung des Nachhaltigkeitsideals. Dabei postuliert er, Nachhaltigkeit und Demokratie seien auf internationaler Ebene nicht in Einklang zu bringen. Die Gegenthese lautet, dass nachhaltige Politik demokratische Politik impliziert, da Nachhaltigkeit stets auch bedeuten muss, auf Entscheidungen Ăźber Ziele Einfluss nehmen zu kĂśnnen. Nicht zuletzt diese prozedurale Dimension macht die Umsetzung nachhaltiger politischer MaĂ&#x;nahmen auf internationaler Ebene im Rahmen demokratischer Strukturen am wahrscheinlichsten.

Nachhaltigkeit als Leitbild fßr eine sozial gerechte und Ükologisch tragfähige Gesellschaft ist dringlicher denn je. Nachhaltigkeit als Konzept, um dieses Ziel zu erreichen, hat dabei bisher vollständig versagt. Bei der Frage nach den theoretischen Ursachen fßr dieses Versagen steht das Konzept der Ükologischen Modernisierung im Mittelpunkt. Eine Ükologische Umgestaltung des Gesellschaftssystems muss einerseits sehr schnell beginnen. Andererseits kann dies hinsichtlich der originären Ziele nachhaltiger Entwicklung nicht gleichbedeutend sein mit einer Ükologischen Modernisierung der kapitalistischen Gesellschaft. Deren Strukturen stehen vielmehr der Verwirklichung von Nachhaltigkeitszielen entgegen.

Die Eskalation eines Konflikts in einem Naturschutzgebiet in Ecuador wirft Fragen zur Vereinbarkeit von Naturschutz und nachhaltiger Entwicklung auf. Das Beispiel zeigt, wie Naturschutzbestrebungen den legitimen wirtschaftlichen Interessen der lokalen BevĂślkerung entgegenstehen kĂśnnen. Diese ist nicht bereit, Einschnitte in ihren ohnehin sehr niedrigen Lebensstandard zugunsten von SchutzmaĂ&#x;nahmen hinzunehmen. Es wird deutlich, dass Naturschutz nur im adäquaten Dialog mit den Betroffenen erfolgversprechend ist. An dessen Ende muss ein faires Kosten-NutzenResultat stehen, das Raum fĂźr wirtschaftliche Perspektiven lässt. Dies gilt nicht nur in Amazonien, sondern auch anderswo – zum Beispiel hier in Deutschland.

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&DVBEPS t ,POøJLUt /BDIIBMUJHLFJU t /BUVSTDIVU[HFCJFU Regenwald

S. 52

Das Streben nach BruttosozialglĂźck Bhutans Weg zu nachhaltiger Wohlfahrt // Gastessay: Tobias Pfaff

S. 62

SEHR FĂ–RDERLICH Wir danken herzlich.

Rechnen statt Kaffeesatz Wie man mit der erweiterten Sparquote nachhaltige Wirtschaftsentwicklung erkennt // Gastartikel: Jana StĂśver

Die Konzentration auf den Geist anstelle der materiellen Welt ist der Kerngedanke der buddhistischen Philosophie. Sie widerspricht der Ăśkonomischen Auffassung der Nutzenmaximierung durch den Konsum materieller GĂźter. Damit kommt die buddhistische Weltanschauung dem Gedanken der Ressourcenschonung entgegen. Auch der Glaube an Wiedergeburt legt nachhaltiges Denken und Handeln nahe. Dennoch wirtschaften buddhistisch geprägte Länder nicht immer gemäĂ&#x; diesen Prinzipien. Auch im KĂśnigreich Bhutan hinterlässt der Fortschritt seine Spuren. Mit dem Entwicklungskonzept des BruttosozialglĂźcks versucht Bhutan fĂźr die Balance zwischen Wohlstand, technologischem Fortschritt und nachhaltiger Entwicklung zu sorgen.

Ob ein Land sich potenziell nachhaltig entwickelt, misst der Indikator der erweiterten Sparquote. Diese berßcksichtigt, anders als die traditionelle Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, neben physischem auch natßrliches und intangibles Kapital. Entscheidend ist demnach nicht allein die WertschÜpfung, sondern auch der zugrundeliegende Ressourcenverbrauch. Ist die hieraus ermittelte Kennzahl dauerhaft negativ, wird sich das aktuelle Konsumniveau nicht aufrechterhalten lassen. Nicht zuletzt auch mit Blick auf die Entwicklung in anderen Ländern zeigt sich, dass die erweiterte Sparquote ein geeignetes Mittel wäre, den langfristigen Misserfolg eines auf hohem Energieabbau basierenden Wirtschaftskurses vorauszusehen.

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6

polisphere EK

Westfälische Wilhelms-Universität Mßnster

Institut fĂźr Politikwissenschaft der WWU MĂźnster

AStA der Uni Marburg

360° kann sich auf die finanzielle und tatkräftige Unterstßtzung von Partnern verlassen, die in jeder Hinsicht stark sind.


ABSTRACTS°

ABSTRACTS S. 10

S. 16

S. 24

S. 32

Sehenden Auges Auf der Suche nach der Zukunft, die wir schaffen wollen

Nachhaltigkeit und Demokratie Zur Vereinbarkeit zweier Ideale auf globaler Ebene

Kapitalismus schlägt Nachhaltigkeit Zum Widerspruch von nachhaltiger Entwicklung und Ükologischer Modernisierung

Im Wald der Naturschutzhasser HintergrĂźnde und Lehren eines Ă–kokonflikts in Ecuador

// Aufschlag: Lena Strehlow und Philip Strothmann

// Essay: Markus Patberg

// Artikel: Julian Kuppe

// Feldstudie: Wiebke RĂśssig

Die Genese der Nachhaltigkeitsidee im Sinne der Bewahrung natĂźrlichen Kapitals reicht zurĂźck bis in forstwirtschaftliche LehrbĂźcher des 18. Jahrhunderts. Doch erst 1987 gewinnt das Leitbild nachhaltiger Entwicklung weltweit politische Bedeutung: mit der normativen Aufladung durch die Forderung nach intra- und intergenerationeller Gerechtigkeit im Brundtland-Bericht. Dieser Erfolg beruht auf dem Kompromiss der UNCHE 1972, wonach Armutsbekämpfung und Umweltschutz sich durch nachholende Entwicklung verbinden lassen. Tatsächlich ist das Verhältnis der drei Säulen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft jedoch nicht abschlieĂ&#x;end geklärt. Diese TheorielĂźcke erschwert Bestrebungen, eindeutige Nachhaltigkeitsstrategien und -indizes zu erstellen.

Die politische Weltordnung scheint eine globale nachhaltige Entwicklung eher zu behindern als zu fĂśrdern. Der Politikwissenschaftler Harald MĂźller sucht deshalb nach den richtigen Rahmenbedingungen fĂźr die weltweite Umsetzung des Nachhaltigkeitsideals. Dabei postuliert er, Nachhaltigkeit und Demokratie seien auf internationaler Ebene nicht in Einklang zu bringen. Die Gegenthese lautet, dass nachhaltige Politik demokratische Politik impliziert, da Nachhaltigkeit stets auch bedeuten muss, auf Entscheidungen Ăźber Ziele Einfluss nehmen zu kĂśnnen. Nicht zuletzt diese prozedurale Dimension macht die Umsetzung nachhaltiger politischer MaĂ&#x;nahmen auf internationaler Ebene im Rahmen demokratischer Strukturen am wahrscheinlichsten.

Nachhaltigkeit als Leitbild fßr eine sozial gerechte und Ükologisch tragfähige Gesellschaft ist dringlicher denn je. Nachhaltigkeit als Konzept, um dieses Ziel zu erreichen, hat dabei bisher vollständig versagt. Bei der Frage nach den theoretischen Ursachen fßr dieses Versagen steht das Konzept der Ükologischen Modernisierung im Mittelpunkt. Eine Ükologische Umgestaltung des Gesellschaftssystems muss einerseits sehr schnell beginnen. Andererseits kann dies hinsichtlich der originären Ziele nachhaltiger Entwicklung nicht gleichbedeutend sein mit einer Ükologischen Modernisierung der kapitalistischen Gesellschaft. Deren Strukturen stehen vielmehr der Verwirklichung von Nachhaltigkeitszielen entgegen.

Die Eskalation eines Konflikts in einem Naturschutzgebiet in Ecuador wirft Fragen zur Vereinbarkeit von Naturschutz und nachhaltiger Entwicklung auf. Das Beispiel zeigt, wie Naturschutzbestrebungen den legitimen wirtschaftlichen Interessen der lokalen BevĂślkerung entgegenstehen kĂśnnen. Diese ist nicht bereit, Einschnitte in ihren ohnehin sehr niedrigen Lebensstandard zugunsten von SchutzmaĂ&#x;nahmen hinzunehmen. Es wird deutlich, dass Naturschutz nur im adäquaten Dialog mit den Betroffenen erfolgversprechend ist. An dessen Ende muss ein faires Kosten-NutzenResultat stehen, das Raum fĂźr wirtschaftliche Perspektiven lässt. Dies gilt nicht nur in Amazonien, sondern auch anderswo – zum Beispiel hier in Deutschland.

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&DVBEPS t ,POøJLUt /BDIIBMUJHLFJU t /BUVSTDIVU[HFCJFU Regenwald

S. 52

Das Streben nach BruttosozialglĂźck Bhutans Weg zu nachhaltiger Wohlfahrt // Gastessay: Tobias Pfaff

S. 62

SEHR FĂ–RDERLICH Wir danken herzlich.

Rechnen statt Kaffeesatz Wie man mit der erweiterten Sparquote nachhaltige Wirtschaftsentwicklung erkennt // Gastartikel: Jana StĂśver

Die Konzentration auf den Geist anstelle der materiellen Welt ist der Kerngedanke der buddhistischen Philosophie. Sie widerspricht der Ăśkonomischen Auffassung der Nutzenmaximierung durch den Konsum materieller GĂźter. Damit kommt die buddhistische Weltanschauung dem Gedanken der Ressourcenschonung entgegen. Auch der Glaube an Wiedergeburt legt nachhaltiges Denken und Handeln nahe. Dennoch wirtschaften buddhistisch geprägte Länder nicht immer gemäĂ&#x; diesen Prinzipien. Auch im KĂśnigreich Bhutan hinterlässt der Fortschritt seine Spuren. Mit dem Entwicklungskonzept des BruttosozialglĂźcks versucht Bhutan fĂźr die Balance zwischen Wohlstand, technologischem Fortschritt und nachhaltiger Entwicklung zu sorgen.

Ob ein Land sich potenziell nachhaltig entwickelt, misst der Indikator der erweiterten Sparquote. Diese berßcksichtigt, anders als die traditionelle Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, neben physischem auch natßrliches und intangibles Kapital. Entscheidend ist demnach nicht allein die WertschÜpfung, sondern auch der zugrundeliegende Ressourcenverbrauch. Ist die hieraus ermittelte Kennzahl dauerhaft negativ, wird sich das aktuelle Konsumniveau nicht aufrechterhalten lassen. Nicht zuletzt auch mit Blick auf die Entwicklung in anderen Ländern zeigt sich, dass die erweiterte Sparquote ein geeignetes Mittel wäre, den langfristigen Misserfolg eines auf hohem Energieabbau basierenden Wirtschaftskurses vorauszusehen.

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6

polisphere EK

Westfälische Wilhelms-Universität Mßnster

Institut fĂźr Politikwissenschaft der WWU MĂźnster

AStA der Uni Marburg

360° kann sich auf die finanzielle und tatkräftige Unterstßtzung von Partnern verlassen, die in jeder Hinsicht stark sind.


TEXT° VORDENKEN°

S. 72

Weltrettungskürzel BNE Eine globale Vision auf dem Prüfstand // Essay: Sascha Röder

S. 88

Nachhaltig ist nicht einfach alles, was andauert. Nachhaltige Entwicklung will mehr: Gerechtigkeit. Was soll das heißen – und welcher Weg führt uns dorthin?

Büffeln für die Dritte Moderne Welche Bildung wir für eine gute Zukunft brauchen // Artikel: Robert Fischbach

Die Unesco betont die kulturelle Dimension einer sogenannten Bildung für nachhaltige Entwicklung. Gemeint ist ein tiefgreifender Mentalitätswandel unter Achtung lokaler kultureller Kontexte. Dieser Ansatz basiert auf der Annahme, dass die globale ökologisch-soziale Krise in erster Linie kultureller Natur ist, also Ausdruck problematischer Wertorientierungen, Verhaltensweisen und Lebensstile. Bildungsinitiativen sollen an diesem Punkt ansetzen und Kulturen der Nachhaltigkeit befördern. Das erscheint zunächst vielversprechend. Schwächen offenbaren sich jedoch hinsichtlich der inhaltlichen Konzeption, der politischen Umsetzung und der zu erwartenden Leistungsfähigkeit.

Die gegenwärtigen sozialen, ökonomischen und ökologischen Probleme stellen die Pädagogik vor die Aufgabe, die neue Generation mit dem ideellen Rüstzeug zur Bewältigung dieser Risiken auszustatten. Voraussetzung dafür ist, dass sie sich vom Fokus der Vermittlung faktischen Wissens abwendet. Nachhaltige Bildung muss vor allem Gestaltungskompetenzen vermitteln und hierüber einen sicheren Orientierungsrahmen zur Bewertung globaler Zusammenhänge geben. Dadurch kann sie jenes Wissen schaffen, das zukünftige Generationen schon heute in Bildungsprozessen dazu befähigt, Lösungsansätze für die drängenden Fragen unserer Zeit zu entwickeln.

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S. 100

S. 108

Eine Frage der Ehre Der Ehrbare Kaufmann als Leitbild für nachhaltiges Wirtschaften

How We Become Good Consumers The Challenges of a Culture of Sustainable Consumption

// Gastessay: Daniel Klink

// Article: Marc Venhaus

Das Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns steht für nachhaltiges Wirtschaften in der Sozialen Marktwirtschaft. Es wird durch Tugenden bestimmt, die den Kaufmann befähigen, komplexe Entscheidungen verantwortungsbewusst und reflektiert zu treffen. Vorbildhaftes, ehrbares oder nachhaltiges Verhalten der Unternehmer und Manager lässt sich nicht erzwingen. Auf dem Weg in die Globale Soziale Marktwirtschaft, die durch nachhaltiges Wirtschaften bestimmt sein sollte, ist das Verhalten ehrbarer Kaufleute unverzichtbar. Die Wirtschaftsausbildung muss sich daher im Sinne einer neuen Verantwortungsökonomik wandeln und ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs über nachhaltiges Wirtschaften geführt werden.

The Western mass consumption societies are heading for a deep crisis. The limits of prosperity as well as global ecological threats are challenging our present way of life. Considering the massive increase in the world’s population and the rapid development of the emerging nations, a change in the mentality and behaviour of consumers is inevitable. Sustainable alternatives do exist, but they have yet to be effectively implemented. Transnational market processes defy control by states, while business remains almost exclusively profit-driven. Under these circumstances, conscientious citizen-consumers are deemed to be the only powerful actors of potential change.

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