PREVIEW "HINTER DEN KULISSEN" (02/2015)

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6,80 Euro

Hinter den Kulissen

10. Jahrgang | Ausgabe 2/2015 www.journal360.de


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Editorial D

In der Verantwortung

ass 360° mit dieser Ausgabe zehnjähriges Jubiläum hat, ist nicht nur ein Grund zum Feiern. Vielmehr sind damit auch Fragen nach Zielen und der inhaltlichen Ausrichtung des Journals verbunden. Die aktuelle finanzielle Notlage unseres Vereins hat dabei vielleicht ein Gutes: Sie hilft Prioritäten zu setzen und zu bestimmen, wie wir das Journal gestalten möchten. Welche Inhalte sind uns wichtig, welche Ansätze dafür originell?

Quelle: privat

Quelle: privat

Die nächste Ausgabe von 360° erscheint zum Thema Mythen. Die Ausschreibungen hierzu findet ihr auf den Seiten 23, 49 und 81.

Das Titelbild dieser Ausgabe hat Naro Goller gestaltet.

Diese Fragen waren ein ständiger Begleiter auf der Redaktionskonferenz in Berlin, als es darum ging, unsere neue Ausgabe Hinter den Kulissen vorzubereiten. Die Überlegung, die Ausgabe als einen Rückblick auf unsere bisherige Arbeit zu gestalten, wurde verworfen. Es gibt Wichtigeres für unsere Leser_innen als den Plausch im Backstagebereich von 360° – gerade in Zeiten massiver globaler Instabilität. Als Das studentische Journal für Politik und Gesellschaft sehen wir uns in der Verantwortung, einen gesellschaftlich relevanten Beitrag zu leisten, der dem Politischen in seinen unterschiedlichen Dimensionen gerecht wird. So soll in dieser Ausgabe ein Blick hinter die Kulissen verschiedenster gesellschaftspolitischer Phänomene geworfen werden. Hintergründe, für die in der tagespolitischen Berichterstattung oft nur wenig Raum geschaffen wird, sollen sichtbar gemacht werden. Das Besondere: Viele Beiträge erschließen nicht nur die bereits bekannte Faktenlage, sondern thematisieren neue Perspektiven des Verstehens und problematisieren bereits bestehende. Hinter den Kulissen verstehen wir daher als Reflexionsbegriff, der sich mit der Frage beschäftigt, wie sich der wissenschaftliche Diskurs für einen politischen öffnen kann. Maria Luise Döring & Oliver Leopold Steiner


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Inhalt Ausgabe 02/2015

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Editorial

849

6

Abstracts

81

23

Call for Illustrations

8 Aufschlag

empören & konfrontieren

Mitmachen

129

Call for Applications

Nachschlag

130

Impressum

Maria Luise Döring und Oliver Leopold Steiner: Hinter den Kulissen Über die Beziehung von Illusion und Realität Björn Freter: Der arme Deutsche Zur Argumentation der Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes

24 Essay

Benjamin Wihstutz: Zwischen den Kulissen Über Installationen im zeitgenössischen Theater

53 Fotostrecke

Hilkje Charlotte Hänel: Pornographie Eine philosophische Betrachtung Anke Duensing: Fotografische Beobachtung von politischen Auswirkungen im Raum: Changes Eine ukrainische Perspektive

60 Artikel

Chris Schattka: Die (In-)Transparenz der Piratenfraktion Über die Folgen öffentlicher Fraktionssitzungen

70 Artikel

Michael Siegel: Where is my mind? Sprachkritische Bemerkungen zum Begriff der Innenwelt

84 Essay

darstellen & experimentieren

13128

Call for Photographs

16 Essay

36 Artikel

zweifeln & kritisieren

126

Call for Papers

Aurélie Herbelot: From terminators to pears Why computational linguistics matters

93 Fotostrecke

Daniel Sebastian Schaub: Karussells als Glücksmaschinen Fiktionale Vorbilder und die Möglicheiten digitaler Bilder

100 Essay

Michael Holzwarth: Der Ekel Psychodynamische Überlegungen zu einer starken Emotion

110 Artikel 120 Essay

Steffen Hering: Die Auflehnung gibt dem Leben seinen Wert Das Absurde hinter den Kulissen Philip Kovce: Wissenschaft als Berufung Wie das bedingungslose Grundeinkommen die Universität herausfordert


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Hinter den Kulissen

Über die Beziehung von Illusion und Realität

8

Aufschlag Maria Luise Döring und Oliver Leopold Steiner Illustration Ronja Look

Nicht nur der Protagonist des Spielfilms The Truman Show ist mit Täuschungen konfrontiert. Vieles spricht dafür, dass auch wir in einer Scheinwelt leben. Ob multiple Identitäten im Internet oder ästhetische Normen im Fernsehen: Wir leben mit Illusionen und haben uns an sie gewöhnt. Wie sich diese problematisieren lassen, zeigt der Film von Peter Weir – auch wenn hierbei eher deutlich wird, wie ein Blick ,hinter die Kulissen‘ nicht aussehen sollte.

Illusion, Medien, Film

Der arme Deutsche

Zur Argumentation der

16

Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes Essay Björn Freter Illustration Finja Helena Zander Pegida, Argumentation, Flüchtlinge

Zwischen den Kulissen

24

Über Installationen im

zeitgenössischen Theater Essay Benjamin Wihstutz Illustration Tanja Laböck Installationen, multiples Zwischen, ästhetische Illusion

Pornographie

36

Eine philosophische Betrachtung Artikel Hilkje Charlotte Hänel Illustration Polina Pakratova Unterdrückung, Sprechakttheorie, feministische Kritik

Die (In-)Transparenz der Piratenfraktion

60

Artikel Chris Schattka Illustration Bianca Rother Piratenpartei, Transparenz, Fraktionssitzungen

Pegida befürchtet die Abschaffung des deutschen Volkes. Getreu dem Thema unserer Ausgabe wollen wir ,hinter die Kulissen’ dieser Befürchtung blicken und einen ernsthaften Versuch unternehmen, Pegida zu verstehen. Wir werden dabei – zumindest ausgehend von unserer Interpretationsgrundlage – allerdings nicht den um politische deutsche Identität besorgten Bürger finden, sondern einen Bürger, dem es schlicht an Bereitschaft fehlt, seine Werte zu verteidigen. Das Paradoxon, politisch aktiv zu sein und Politik im Gleichen zu boykottieren, ruht auf einer – absichtlichen? – Verwechslung von Freiheit des Handelns und Freiheit des Denkens. Anstelle einer Einteilung des Theaters in Bühne und Zuschauersaal oder in vor und hinter den Kulissen wird in zeitgenössischen Theaterarbeiten ein Zwischen-den-Kulissen in Szene gesetzt. Die teilnehmenden Zuschauer begeben sich dabei selbst in komplexe Bühneninstallationen hinein, deren Räume und Requisiten Geschichten erzählen, verschiedene Orte repräsentieren und mit den teilnehmenden Zuschauern interagieren. Anhand von drei Beispielen aus der ,Freien Theaterszene´zeigt sich, dass auf diese Weise komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge im Gegenwartstheater mit installativen und performativen Mitteln reflektiert werden können. Pornographie berührt Aspekte, die die Philosophie schon seit Langem zu ergründen versucht: der moralische Status von Menschen, Objektifizierung, Menschenwürde und Menschenrechte – um nur einige zu nennen. Dabei war die feministische Philosophie bislang vor allem daran interessiert, darzulegen, dass insbesondere Frauen von der Pornographie degradiert und nicht als menschliche und eigenständige Subjekte angesehen werden. Nachdem die Pornographie-Debatte lange Zeit von konservativen und liberalen Philosophen bestimmt war, gaben feministische Philosophinnen ihr in den 1980er-Jahren eine neue Richtung. Dieser Text betrachtet diese neu entstandene Strömung und ihre bekannteste Ausprägung: die sprachphilosophische Interpretation. Die Forderung nach mehr Transparenz in der Politik gibt es nicht erst seit einigen Jahren. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts werden vergleichbare Thesen vertreten. Die Piratenpartei hat sich diese Forderung auf die Fahnen geschrieben. Doch in der politischen Realität zeigt sich am Beispiel der Piratenfraktion in Nordrhein-Westfalen, dass Transparenz die Umsetzung politischer Ziele verhindert und Daueraufgaben der Fraktion blockiert. Diese ist so transparent, dass sie bei ihrer Intransparenz beobachtet werden kann. Doch entgegen der gesellschaftlichen Vorstellung zeigt sich, dass Organisationen auf Intransparenz angewiesen sind.


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Geistige Zustände werden häufig in einer ‚Innenwelt‘ verortet. Diese Lokalisierung wurde in den letzten Jahrzehnten in vielerlei Hinsicht partiell infrage gestellt. Tatsächlich aber zeigt schon eine sprachkritische Rekonstruktion der Begriffe ‚innen‘ und ‚außen‘, dass das Bild einer ‚Innenwelt‘ in mindestens zweierlei Hinsicht problematisch ist: Es führt nicht nur zu einer unüberwindbaren Kluft zwischen Geist und Welt, sondern nivelliert zugleich die grammatischen Unterschiede zwischen Geist und Ding.

Thanks to the advent of big data, computational linguistics has made great advances in understanding one of the most fundamental human faculties: the ability to generate and process meaning. The field‘s scientific breakthroughs underpin much of our digital lives, from Web search to conversational agents. But those breakthroughs rely on the availability of freely accessible language data. As more and more valuable data is concentrated in the hands of a few corporate entities, and research agendas are set by the market, it is unclear who is to own and control the technology. I argue for giving users a direct influence over language sciences. Der Ekel ist keine Emotion, die wir von Geburt an empfinden. Vielmehr erlernen wir Funktion und Gebrauch des Ekels von unseren Mitmenschen. Durch ihn bleiben wir zu gefährlichen Substanzen, die uns sonst krank machen können, auf Distanz. Die Libido veranlasst uns in einzelnen Fällen, unseren Ekel vor dem anderen zu überwinden. Über den organischen Ekel hinaus haben wir Menschen ein komplexes System moralischen Ekels entwickelt, was sich u.a. in der großen Beliebtheit von Scheiße und zahlreichen anderen Fäkal-Schimpfwörtern widerspiegelt.

Seit jeher fragt der Mensch nach einem Sinn des Lebens. Doch die Welt hüllt sich in Schweigen. Dieser absurde Zustand bildet den Ausgangspunkt für die Philosophie Albert Camus‘. Die einzige Möglichkeit, mit dem Absurden umzugehen, ohne es gleichsam zu bejahen, sieht er in der Auflehnung. Sie gebe dem Leben einen Wert, den das Absurde nicht negieren könne. Doch ein Blick hinter die Kulissen der Philosophie Camus‘ zeigt, dass seine Theorie in erkenntnistheoretischer Hinsicht angreifbar ist und seine Prämissen nur den Charakter induktiver Wahrscheinlichkeit tragen. Zwar hüllt sich die Welt bisher in Schweigen, aber eben nur bisher.

Wer will heute schon studieren? Schaut man auf die Studierendenzahlen, scheinen es immer mehr zu sein, die dieser Tage eine Hochschule aufsuchen wollen. Doch schaut man etwas genauer hin, zeigt sich, dass viele gar nicht wegen des Studiums studieren – also nicht aufgrund fachlichen Interesses, sondern aufgrund fachfremder, ja studienfremder Interessen, die vom Druck der Eltern über das höhere Einstiegsgehalt bis hin zum billigen Semesterticket reichen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte den Hochschulbetrieb aufmischen, indem es sowohl Studieren als auch Dozieren nur noch durch sich selbst begründen ließe.

Where is my mind?

Sprachkritische Bemerkungen

zum Begriff der Innenwelt Artikel Michael Siegel Illustration Maria Martin

70

Innenwelt, Lokalisierung, mentale Zustände

Terminators and pears

Why computational linguistics matters Essay Aurélie Herbelot Illustration Kathrin Schrank

84

big data, computational linguistics, Web search

Der Ekel

Psychodynamische Überlegungen zu einer starken Emotion Essay Michael Holzwarth Illustration Anne Lehner Ekel, Lust, Machtkonstruktion

Die Auflehnung gibt dem Leben seinen Wert

Das Absurde hinter den Kulissen Artikel Steffen Hering Illustration Daniela Heiny

100

110

Absurdität, Auflehnung, Sinn

Wissenschaft als Berufung Wie das bedingungslose Grundeinkommen die Universität herausfordert Essay Philip Kovce Illustration Arinda Craciun bedingungsloses Grundeinkommen, Studium, Bildungsideal

120


Jubil채umsausgabe 10 Jahre 360째


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