PREVIEW "BEZIEHUNGSWEISEN" (02/2011)

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6. Jahrgang | Ausgabe 2/2011

6,80 Euro

Beziehungsweisen tun & lassen Fürs Vaterland! Wissenschaftler im Krieg handeln & verwandeln Für alle! Sexspielzeuge im Überfluss dichten & denken Für die Freiheit! Konrad Schily im Gespräch

www.journal360.de

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Editorial Vitamin B Beziehungen helfen denen, die welche haben. Manche Beziehungen sind dabei lockerer, andere fester, einige sind stabil, wiederum andere fragil, etliche erfüllen oder erweisen sich als hohl. Auch 360° steckt in mannigfaltigen Beziehungen, die kultiviert werden wollen und sollen und müssen. Vor etwa einem Jahr fiel die Entscheidung, sich in dieser Ausgabe mit Beziehungsweisen auseinanderzusetzen. Wir wollen uns an dieser Stelle erst einmal der eigenen Beziehungen versichern, ehe von anderen die Rede sein wird.

Jan Schulze und Philip Kovce chefredaktion@journal360.de

Professionalisierte Beziehungen verbinden 360° mit der Druckerei und den Anzeigenkunden: 360° verdankt ihnen wesentliche Beiträge zur Entstehung des Heftes, wobei sich die Beziehungen durch eben jenen professionellen Charakter auszeichnen. Das bedeutet, dass man sich gegenseitig achtet, dass man bindende Verträge schließt – dass man aber ebenso weiß, dass die Partnerschaft einen Leistungsaustausch pragmatisch regelt. Etwas anders stellt sich das Verhältnis von 360° zu Förderern, zum Kuratorium sowie zum wissenschaftlichen und juristischen Beirat dar: Diese garantieren mit ihrem ehrenamtlichen Engagement Rahmenbedingungen, die 360° leben und immer wieder neu erscheinen lassen. Von einer freundschaftlichen Beziehung kann hier die Rede sein. Leidenschaftlich wird es schließlich, wenn es um die Autoren geht: Sie sind der Grund, wenn schon wieder so schlechte Artikel erscheinen müssen. Sie sind der Grund, wenn das Journal erneut so ausgezeichnete Beiträge publiziert. Sie treiben dem Lektorat Schweißperlen auf die Stirn. Und sie sind die Daseinsberechtigung von 360°. Denn: kein Journal ohne Material. So verflucht und vergöttert 360° seine Autoren und kann und will sie nicht missen! Bleibt zuletzt eine schwierige Beziehung, diejenige zwischen 360° und 360°. Permanent ringt 360° mit sich selbst – in manch langer Konferenz, manch knapper Sentenz geht es um die eigene Existenz. Diese soll, nachdem nun mit dem sechsten Jahrgang die Schulreife erlangt ist, auch in Zukunft weiter fortdauern. Bevor wir es vergessen: Es gibt auch diesmal einige Neuerungen. Auf ein Glossar haben wir verzichtet, außerdem konnten die Autoren wählen, ob sie sich des generischen Maskulinums oder anderer Genderformulierungen bedienen. Denen, die mit diesen B-Vitaminen unfrieden sind, zeigen wir im nächsten Heft die Grenzen auf. Und wem das noch nicht reicht, der darf sich für den übernächsten Fortschritt engagieren! Post scriptum: Wie konnten wir Dich nur vergessen, liebe Leserin, lieber Leser?! Denn natürlich bist Du die 360°-Affäre. Du kennst uns von allen Seiten, und das seit nunmehr sechs Jahren. Bitte bleib neugierig, kritisch – und uns treu. So wie wir Dir!

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Die nächste Ausgabe von 360° erscheint im April 2012 zum Thema Grenzen. Die Ausschreibungen für unsere übernächste Ausgabe finden sich auf den Seiten 117 und 120.

Das Titelbild dieser Ausgabe hat Wyn Tiedmers gestaltet.

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Inhalt 03 06 104

Editorial Abstracts Mitmachen

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Nachschlag Call for Student Photographs/Papers Impressum

tun & lassen 09 Aufschlag

Körperwelten Eine kleine Stadtrundfahrt

16 Essay

„Hab nicht hundert Rubel, sondern hundert Freunde“ Zur Bedeutung des Beziehungsnetzwerks Blat in der Sowjetunion und im postsozialistischen Russland

25 Rezension

Die Linksverteidiger Drei engagierte Anwälte prägen deutsche Geschichte

28 Infografik

Woraus besteht die Welt? Beziehungen zwischen Kräften und Elementarteilchen

30 Essay

Volle Kraft zurück? Wie die Existenzsicherung der Hartz-IV-Reform überholte Gesellschaftskonzepte wiederbelebt

36 Artikel

Getting close to the Government Anthropology in Military and Intelligence Operations

handeln & verwandeln 49 Gastessay

„Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“ Warum Phrasen statt Fragen das moderne Führungsdenken prägen

61 Artikel

Fairhandeln um nachhaltige Wirtschaftsbeziehungen Warum Fairer Handel gut, aber nicht immer fair ist

72 Artikel

Beziehungskiste Bundesliga Über Vereine, Spieler und Fans im Profifußball

82 Fotostrecke

Attrappen und Poesie-Erreger Zur Wiederverzauberung des Geschlechts

dichten & denken 97 Interview

„…das Denken darüber ist heute doch weitestgehend eingestellt!“ Konrad Schily im Gespräch

105 Essay

Vorsicht vor einäugigen Barbaren! Anerkennung und Verdinglichung in zwischenmenschlichen Beziehungen

113 Rezension

Klischee ade? Von wegen! Warum Männer und Frauen so sind wie sie sind

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Abstracts 09 Körperwelten

Eine kleine Stadtrundfahrt

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„Hab nicht hundert Rubel, sondern hundert Freunde“ Zur Bedeutung des Beziehungsnetzwerks Blat in der Sowjetunion und im postsozialistischen Russland

Aufschlag Judith Langer

Essay Salome Ast

Illustration Christina Schöller

Illustration Stephanie Gustai

Städte verändern sich. Und mit diesen Veränderungen entwickeln sich Beziehungsweisen, die wiederum uns verändern. Denn wir sind mit den Städten verbunden, in denen wir uns bewegen und in denen wir leben. Diese Beziehungsweisen und ihre Veränderungen thematisiert der Aufschlag, indem er sich der gemeinsamen Geschichte von Stadt und Körper widmet.

Blat, ein informelles Beziehungsnetzwerk zum Tausch gegenseitiger Gefälligkeiten, diente den Menschen in der Sowjetunion zur Bedürfnisbefriedigung in allen Lebensbereichen und spielte damit eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung des durch Mangel und Restriktionen geprägten Alltags. Auch im Russland der 1990er Jahre stützten sich große Bevölkerungsgruppen weiterhin auf die etablierten Netzwerke. Obwohl für die Bevölkerung notwendig und nützlich, bedeutete Blat gleichzeitig einen alltäglichen Bruch offizieller Regeln, unterminierte dadurch Wirtschaft und Gesellschaft und begünstigte korruptes Verhalten.

Körper, Raum, Richard Sennett, Stadt

Beziehungsnetzwerk, Blat, Korruption, Russland, Sowjetunion

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Volle Kraft zurück? Wie die Existenzsicherung der Hartz-IV-Reform überholte Gesellschaftskonzepte wiederbelebt

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Getting close to the Government Anthropology in Military and Intelligence Operations

Essay Regine Schwab

Artikel David Parduhn

Illustration Peter Bröcker

Illustration Alexander Harder

Mit Blick auf das Prinzip der individuellen Existenzsicherung, das jedem Mitglied der Gesellschaft dieselben Chancen der sozialen Sicherung ermöglichen soll, stellt die Hartz-IV-Reform einen gewaltigen Rückschritt dar. Anstatt individuellen Sicherungsansprüchen zu genügen, hebt sie diese auf die unschärfere Ebene der Familie. Hiervon sind neben jungen Erwachsenen auch nicht-eheliche Lebensgemeinschaften, dabei vor allem Frauen, betroffen. Die HartzIV-Reform führt so zu einer Verfestigung der Geschlechterverhältnisse – zuungunsten der Frau in Ehe und Partnerschaft.

In the past, anthropologists have enthusiastically contributed their expertise to military and intelligence operations. But the U.S. military’s recent attempt to recruit anthropologists for the ‘War on Terror’, in the context of the Human Terrain System, has been met with opposition. Tracing the reasons for this transformation in anthropologists’ attitudes, particularly the development of professional ethics, can help to gain an understanding of this opposition. However, it is argued that more fundamental obstacles are the incompatible premises and epistemologies embraced by both communities, exemplified by the military’s positivist and essentialising concept of ‘culture’.

Existenzsicherung, Frauen, Geschlechterverhältnis,

Anthropology, U.S. military, War on Terror

Hartz-IV-Reform

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„Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“ Warum Phrasen statt Fragen das moderne Führungsdenken prägen

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Fairhandeln um nachhaltige Wirtschaftsbeziehungen Warum Fairer Handel gut, aber nicht immer fair ist

Gastessay Peter Dellbrügger Artikel und Fotos Anna-Dorothea Werner

Illustration Wyn Tiedmers

Wer sich einen Überblick über das gegenwärtige Führungsdenken verschafft, trifft häufig auf die Phrase vom Menschen im Mittelpunkt. Schaut man genauer hin, zeigt sich, dass diese Phrase Bestandteil einer sozialromantischen Harmoniekultur ist, deren Gegenbild sich in manipulativen Instrumentalisierungstendenzen zeigt. Jenseits dieser Scheinalternativen kann Führung zur Aufgabe werden, anderen zum Erfolg zu verhelfen. Dafür gilt es, sich der Eigen- und Fremdbilder des Menschen bewusster zu werden und Führung letztlich als Selbstführung zu begreifen.

Im Vergleich zum konventionellen Handel, der materielle und immaterielle Asymmetrien generiert und reproduziert, zielt der Faire Handel auf eine Verbesserung der Situation von Produzenten vor Ort – speziell in Entwicklungsländern der südlichen Hemisphäre. Unter anderem sollen Kleinbauern gefördert und die Handelsstrukturen transparenter gemacht werden. Wie die Praxis aussieht, verdeutlicht ein Erfahrungsbericht aus Ecuador. Dabei wird deutlich, dass theoretische Konzepte nicht ohne weiteres auf die Lebenswirklichkeit der Betroffenen übertragen werden können.

Anreize, Dialogische Führung, Menschenbild,

Außenhandelsbeziehungen, Ecuador, Empowerment,

Motivation, Selbstführung

Fairer Handel, Produzenten

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Beziehungskiste Bundesliga Über Vereine, Spieler und Fans im Profifußball

Vorsicht vor einäugigen Barbaren! Anerkennung und Verdinglichung in zwischenmenschlichen Beziehungen

Artikel Stefan Hebenstreit

Essay Johannes Siegmund

Illustration Valentin Reichert

Illustration Peter Bröcker

Massive Fanproteste während der Bundesligaspielzeit 2010/2011 nähren den Verdacht, dass die Strukturen im Profifußball zu einer zunehmenden Unzufriedenheit bei Teilen der Anhängerschaft führen. Vor allem die weitreichende Kommerzialisierung des beliebtesten Breitensports der Republik drängt die kulturelle und soziale Dimension des Profifußballs ins Abseits. Weil die Anhänger mit ihrem Lieblingssport jedoch mehr verbinden als Gewinnmaximierung der Clubs und persönlichen Profit, sind Interessenkollisionen unausweichlich.

Bereits Max Horkheimer und Theodor W. Adorno verwiesen auf Odysseus’ Odyssee, um die zunehmende Verdinglichung des Selbst zu explizieren. Mit Hilfe der gesellschaftstheoretischen Kategorie der Anerkennung lässt sich diese Verdinglichungstendenz darüber hinaus als zwischenmenschliches Phänomen begreifbar machen. Die antike Sage wird hierbei zum mahnenden Beispiel einer potentiellen Gefahr für das Gelingen sozialer Interaktionen in der heutigen Zeit.

Bundesliga, Fanproteste, Kommerzialisierung, Sport,

Anerkennung, Homer, Odysseus, Verdinglichung

Fußball

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