npoR 2012, Heft 2

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npoR Heft 2/2012 waren in Neuseeland auch sämtliche Aktivitäten zugunsten eines bestimmten Maori-Stammes erfasst. So wurden in Arawa Maori Trust Board v CIR 20 einem Trust zugunsten des Arawa iwi21 die steuerlichen Begünstigungen einer gemeinnützigen Organisation verwehrt. Diese und andere inhaltsgleiche Entscheidungen standen in Konflikt mit der Bestrebung, Maori in Bezug auf Stammesangelegenheiten größtmögliche Selbstbestimmung und Selbstverwaltung einzuräumen. Diese Bestrebung hat im neuseeländischen Rechtssystem über die politische Absicht hinaus verfassungsrechtliches Gewicht:22 Zwar existiert in Neuseeland keine Verfassung im engeren Sinne,23 also ein oder mehrere Dokumente, die wesentliche Rechtsgrundsätze als höherrangiges Recht festhalten, dies bedeutet jedoch nicht, dass eine Verfassung insgesamt fehlt. Vielmehr ergeben sich die entsprechenden Grundsätze aus einer Vielzahl verschiedener Rechtsquellen, die gemeinsam die verfassungsrechtliche Grundlage des neuseeländischen Rechtssystems bilden. Eine der wichtigsten und gleichzeitg umstrittensten Quellen neuseeländischen Verfassungsrechts ist der Treaty of Waitangi. Hierbei handelt es sich um einen zwischen britischen Siedlern und Maori-Häuptlingen im Jahr 1840 abgeschlossenen Vertrag, auf den die britische Krone ihren Anspruch auf Neuseeland als britische Kolonie (zumindest teilweise)24 stützte. Während der genaue Inhalt des Vertrags und seine Auslegung25 umstritten sind, wird seit Mitte des 20. Jahrhunderts jedenfalls eine generelle Verpflichtung zur weitgehenden Achtung von tradtitionellen Maori-Rechten sowie eine möglichst weitgehende Selbstbestimmung von Maori in bestimmten Bereichen als rechtlich verbindliche Vorgabe des Treaty anerkannt.26 Als Reaktion auf die Arawa Maori Trust Board Entscheidung wurde der Maori Trust Boards Act 1955 dahingehend geändert, dass bestimmte Maori Trusts, auch wenn sie nicht die Voraussetzungen der public benefit rule erfüllen, als gemeinnützig anerkannt werden können.27 Die public benefit rule und ihre Beschränkung auf die Begünstigung nicht miteinander verwandter Personen blieb jedoch grundsätzlich bestehen. Eine weitergehende Anpassung erfolgte wiederum als Reaktion auf Denkanstöße aus der Rechtsprechung28 durch eine Erweiterung der gesetzlichen Definition von charitable purpose:29 „the purpose of a trust, society, or institution is charitable under this Act if the purpose would meet the public benefit requirement apart from the fact that the beneficiaries of the trust, or the members of the society or institution, are related by blood.“ Die besonderen Auswirkungen der im britischen Common Law entwickelten Ausschlussgründe auf die Situation der Maori in Neuseeland sowie die verfassungsrechtlichen Verpflichtungen aus dem Treaty of Waitangi haben im Ergebnis also zu einem gesetzgeberischen Eingriff in die Grundsätze der public benefit rule geführt.30

2. Versorgung von Familienangehörigen als gemeinnütziger Zweck Aufgrund der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung scheitert die Gemeinnützigkeit einer Organisation nicht mehr allein an der Tatsache, dass die Begünstigten miteinander verwandt sind. Diese Regelung ist (trotz ihrer Entstehungsgeschichte) auch nicht auf Maori als Begünstigte beschränkt, sondern erfasst grundsätzlich auch beispielsweise einen Trust zur Versorgung einer bestimmten Familie. Andererseits lässt die gesetzliche Neuregelung nur den Ausschlussgrund der Verwandtschaft der Begünstigten entfallen, die sonstigen Anforderungen an einen gemeinnützigen Zweck bleiben aber unberührt. Die Linie zwischen der nicht begünstigten

Maciejewski | Aufsätze

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Förderung eines privaten Zwecks und einer gemeinnützigen Förderung eines kleinen Teils der Allgemeinheit wird weiterhin in Einzelfallentscheidungen von den Gerichten bestimmt.

a) Aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung Zwei kürzlich ergangene Entscheidungen des High Courts Wellington geben Aufschluss über aktuelle Entwicklungen und zu berücksichtigende Aspekte bei dieser Abgrenzung. Der in Neuseeland seit mehr als 50 Jahren steuerlich begünstigten Großloge der Freimaurer in Neuseeland wurde im Rahmen eines erneuten Antrags bei der Charities Commission das Verfolgen eines gemeinnützigen Zwecks aberkannt. Die hiergegen gerichtete Klage31 stützte sich im Wesentlichen auf zwei Argumente: Zum einen verpflichtete sich die Großloge in ihrer Satzung ausdrücklich zu gemeinnützigem, selbstlosem und sozialem Handeln32 sowie der Verwendung eines eventuell entstehenden finanziellen Überschusses für gemeinnützige Zwecke.33 Zum anderen dienten die weiteren Satzungszwecke (Ausbildung der Mitglieder und gemeinsame Teilnahme an den Zeremonien der Freimaurer) zwar primär den Mitgliedern, würden aber der Allgemeinheit dadurch zugutekommen, dass die Mitglieder zu gemeinnützigem der die Erhebung einer Steuer ohne Zustimmung des Parlaments unzulässig ist. 20 Arawa Maori Trust Board v CIR (1961) 10 MCD 391 (MC). 21 Iwi bezeichnet in Maori eine bestimmte soziale Gruppe, die auf gemeinsamer Abstammung beruht. In den meisten Kontexten lässt sich iwi mit dem deutschen Wort Stamm übersetzen. 22 Zum folgenden vergleiche statt vieler nur Webb/Sanders/Scott, The New Zealand Legal System, Structures and Processes, 5. Aufl. 2010, S. 103 ff. 23 Häufig wird insoweit auch von „written constitutions“ in Kontrast zu der neuseeländischen Verfassung als einer „unwritten constitution“ gesprochen, was allerdings verkennt, dass auch die letztgenannte in wesentlichen Teilen auf schriftlichen Rechtsquellen beruht. 24 Die Südinsel wurde auch auf Grund von Entdeckung für die britische Krone beansprucht. Letztlich ist die rechtliche Grundlage für die britische Souveränität in Neuseeland aber bis heute umstritten und ungeklärt. Siehe D. Williams, The Pre-History of the English Laws Act 1858: McLiver v Macky (1856), VUWLR 41 (2010), 361, 369 ff. 25 Die englische Fassung des Vertrags sieht die Übertragung der Souveränität auf die britische Krone vor, während den Maori uneingeschränkter Einfluss auf ihr Land- und Forsteigentum sowie ihre Fischgründe zugestanden wird. Die in Maori gehaltene Fassung verwendet demgegenüber die Begriffe kawanatanga für den der britischen Krone zugestandenen Einfluss, was nicht mit Souveränität, sondern vielmehr mit Statthalterschaft übersetzt werden kann, und behält den Maori rangatiratanga sowie toanga vor. Diese Begriffe lassen sich im Deutschen mit Stammesführung und Kostbarkeiten bzw. Schätze, also jedenfalls mit einem deutlich weitergehenden Einfluss als in der englischen Fassung übersetzen. Die sprachlichen Unterschiede sowie die kulturell völlig unterschiedlichen Vorstellungen von Eigentum und Besitz sind Ursache vieler Konflikte in Zusammenhang mit dem Treaty of Waitangi. 26 Daneben kann das 1975 eingerichtete Waitangi Tribunal Verstöße gegen den Treaty seit 1840 ahnden, was zwar nicht zu rechtlich bindenden Urteilen, in den meisten Fällen aber zu Entschädigungszahlungen der neuseeländischen Regierung an die betroffenen Maori bzw. deren Nachfahren führt. 27 Maori Trust Boards Act 1955, s. 24B, siehe auch Sharp, The Taxation Treatment of Charities in New Zealand with Specific Reference to Maori Authorities including Marae, NZJTLP 16 (2010), 177, 183. 28 Latimer v Commissioner of Inland Revenue NZTC 20, 737: „There is no indication that the House of Lords had in its contemplation tribal or clan groups of ancient origin.“ 29 Income Tax Act 2007, s. YA 1 „charitable purpose“, erstmals eingefügt durch den Taxation (Maori Organisations, Taxpayer Compliance and Miscellaneous Provisions) Act 2003. 30 So auch Edward/Sharp, The Taxation of Maori Authorities, NZJTLP 9 (2003), 287, 302 f. 31 Re The Grand Lodge of Antient Free and Accepted Masons in New Zealand, NZLR 2011, 277. 32 A.a.O. [34]. 33 A.a.O. [19] – [20].


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