npoR 2012, Heft 2

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gesamte Forschungsbereich insbesondere mit Grundlagenund Auftragsforschung den zu beurteilenden Bereich darstellt. Eine Aufteilung in einzelne Fachbereiche würde dann nicht mehr stattfinden. Konsequenterweise bedeutet dies auch, dass die vom FG Münster offengelassene Frage, auf welcher Ebene eine den Anforderungen des § 59 AO entsprechende Satzung vorliegen muss, nur so beantwortet werden kann, als dass eine Satzung auf Ebene der juristischen Person ausreichend ist. d) Das FG Münster hatte es hier nun mit der Besonderheit zu tun, dass es sich bei der Forschungseinrichtung um eine Einrichtung des Landes im Sinne des § 14 LOG NRW handelte. Als Träger der Forschungseinrichtung wäre also nach den oben genannten Grundsätzen das Land selbst zu betrachten. Dass der Gesetzgeber bei der Einführung des § 68 Nr. 9 AO einen solchen Fall schlichtweg übersehen hat, ergibt sich schon aus der Formulierung in § 68 Nr. 9 S. 1 AO, der bei der überwiegend öffentlichen Finanzierung auf „Zuwendungen der öffentlichen Hand“ abstellt. Es liegt auf der Hand, dass ein Land oder eine Landeseinrichtung keine Zuwendungen des Landes erhalten kann. Dies ergibt sich schon aus § 23 LHO NRW (ebenso § 23 BHO), wonach Zuwendungen Ausgaben für Leistungen an Stellen außerhalb der Landesverwaltung sind. Die Formulierung des § 68 Nr. 9 S. 1 AO ist daher dahingehend auszulegen, dass unter „Zuwendungen der öffentlichen Hand“ öffentliche Haushaltsmittel zu verstehen sind, deren Vergabe keine Gegenleistung gegenübersteht. Ob diese Haushaltsmittel nun an eine Einrichtung des Landes oder eine eigenständige juristische Person vergeben werden, kann keinen Unterschied im Hinblick auf deren Qualifizierung machen. Entgegen dem FG Münster muss dann aber in Analogie zum Vorgehen bei Universitäten auch der neutrale Bereich ausgeklammert werden, so dass sich die Betrachtung der überwiegenden öffentlichen Finanzierung auf die Forschungseinrichtung selbst reduziert. Insofern ist der Argumentation des FG Münster nicht zu folgen, wonach die Finanzierung des Landes durch Steuern nicht den Anforderungen des § 68 Nr. 9 S. 1 AO genügt. 3. Umsatzsteuerliche Konsequenzen Kommt man unter den oben dargestellten Voraussetzungen zu dem Ergebnis, dass die von öffentlich-rechtlichen Forschungseinrichtungen durchgeführte Auftragsforschung ein gemeinnütziger Zweckbetrieb gemäß § 68 Nr. 9 S. 1 AO ist, dann unterliegen diese Leistungen bei der Umsatzsteuer gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a UStG dem ermäßigten Steuersatz.11 Dieses Ergebnis ist de lege lata zweifelsfrei richtig, jedoch steht der § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a UStG im Allgemeinen12 und seine Anwendung auf Auftragsforschung im Speziellen13 in jüngster Zeit zunehmend in der Kritik. Begründet wird diese Kritik neben wettbewerbsrechtlichen Aspekten14 insbesondere damit, dass die Ausgestaltung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a UStG unionsrechtlich bedenklich sei.15 In der Tat spricht der maßgebliche Anhang III der MehrwertsteuerSystemRL in Ziffer 15 lediglich von Dienstleistungen gemeinnütziger Einrichtungen für wohltätige Zwecke. Insofern nimmt die Mehrwertsteuer-SystemRL hier eine Einschränkung vor und will innerhalb der verschiedenen gemeinnützigen Dienstleistungen nur einem Teil die Begünstigung des ermäßigten Steuersatzes zukommen lassen. Dass hiervon die Auftragsforschung nicht betroffen ist, lässt sich schon an der ursprünglichen Zielsetzung des ermäßigten Steuersatzes, den Endabnehmer bei der Befriedigung seiner Grundbedürfnisse zu entlasten, festmachen. Leistungsempfänger der Auftragsforschung sind in der Regel Unternehmen, die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, so dass bei diesen kein nennenswerter Vorteil entsteht, wenn Leistungen zum ermäßigten Steuersatz erbracht werden. Ist hingegen der Staat Empfänger von Auftragsforschungsleistungen, dann profitiert dieser zwar

npoR Heft 2/2012 in der Tat vom ermäßigten Umsatzsteuersatz, allerdings wäre es bei Anwendung des Regelsteuersatzes ja auch der Staat, der mehr Steuern einnimmt. Insofern wäre die Anwendung des Regelsteuersatzes zumindest bei Außerachtlassung der Verteilung des Umsatzsteueraufkommens auch aus Sicht des Staates hinnehmbar, zumal die einheitliche Anwendung des Regelsteuersatzes für den Staat als Auftraggeber wie für die Auftragnehmer den Vorteil haben kann, dass künftig mehr die Qualität als der Preis für die Auftragsvergabe entscheidend ist. Für Forschungseinrichtungen jedenfalls hat die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes keine derartigen Vorteile, die es rechtfertigen würden, dass der § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a UStG nicht den Vorgaben der MehrwertsteuerSystemRL entspricht. De lege ferenda sollte daher die gemeinnützige Auftragsforschung von öffentlich-rechtlichen wie privaten Forschungseinrichtungen einheitlich mit dem Regelsteuersatz besteuert werden. Dies würde sich in der Praxis auch positiv auf die immer wieder aufkeimenden Diskussionen zur Vorsteuerabzugsberechtigung von Forschungseinrichtungen auswirken. Denn obwohl zwischen der Vorsteuerabzugsberechtigung auf der einen Seite und dem ermäßigten Umsatzsteuersatz auf der anderen Seite eigentlich kein konkreter Zusammenhang besteht, wird von der Finanzverwaltung immer wieder das Argument vorgetragen, dass Forschungseinrichtungen hier durch den entstehenden Vorsteuerüberhang doppelt profitieren würden. Diese zu kurz gedachte Argumentation könnte bei einer Anwendung des Regelsteuersatzes nicht aufrechterhalten werden.

III. Zusammenfassung und Ausblick Viele Unsicherheiten in der gemeinnützigkeitsrechtlichen und umsatzsteuerlichen Behandlung von öffentlich-rechtlichen Forschungseinrichtungen ergeben sich daraus, dass hier historisch bedingt ein Flickwerk entstanden ist, das sich mit der Systematik der §§ 52 ff. AO nicht immer vereinbaren lässt. Hier sollte von der Finanzverwaltung Abhilfe geschaffen werden und eine Kongruenz in der Behandlung von öffentlich-rechtlichen und privaten Forschungseinrichtungen hergestellt werden, die sich im Wesentlichen an den etablierten Regelungen für private Forschungseinrichtungen orientiert. Insbesondere bei der Frage der überwiegenden öffentlichen Finanzierung nach § 68 Nr. 9 S. 1 AO sollte künftig einheitlich auf den gesamten dahinterstehenden Forschungsbereich als Träger abgestellt werden. Vom Gesetzgeber ist zu hinterfragen, ob der Inhalt des § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a UStG noch zeitgemäß ist und er an die europarechtlichen Vorgaben der Mehrwertsteuer-SystemRL angepasst werden sollte. Bei der gemeinnützigen Auftragsforschung von privaten und öffentlichrechtlichen Forschungseinrichtungen würde dann nicht mehr der ermäßigte, sondern der Regelsteuersatz zur Anwendung kommen. Jochen Fiedler, Fraunhofer-Gesellschaft 11 Die relativ kompliziert ausgestaltete Rückausnahmeregelung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 lit. a S. 3 UStG kommt bei gemeinnütziger Auftragsforschung nicht zum Tragen, vgl. hierzu klarstellend BMF-Schreiben v. 9.2.2007 – IV A 5 – S 7242a/07/0001. 12 Ismer/Kaul/Reiß/Rath, Analyse und Bewertung der Strukturen von Regel- und ermäßigten Sätzen bei der Umsatzbesteuerung unter sozial-, wirtschafts-, steuer- und haushaltspolitischen Gesichtspunkten, 2010, S. 221 ff. (abrufbar unter http://www.bundesfinanzministerium.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2010/ 09/20100923-PM33-Gutachten,templateId=raw,property=publicationFile.pdf). Ebenso Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO über den ermäßigten Umsatzsteuersatz, 2010, BT-Drs. 17/2290, Ziffer 3.13. 13 Bundesrechnungshof, Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2009 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes, 2009, BT-Drs. 17/77, S. 173 ff. 14 Bundesrechnungshof (Fn. 13), S. 174. 15 Ismer/Kaul/Reiß/Rath (Fn. 12), S. 221; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2. Aufl. 2012, § 7 Rz. 206.


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