npoR 2012, Heft 2

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Praxisforum | Grünwald

Insolvenzverwalter einer Abtretung nicht zustimmen. Ein ggf. bestehender Ausgleichsanspruch zwischen den Gesellschaften wird in dieser Situation regelmäßig nicht werthaltig sein. Veräußerungsverträge enthalten häufig keine Regelung, die dieses umsatzsteuerliche Risiko abdeckt. Zu der Steuerlast tritt die Belastung mit Zinsen, da die Organschaft rückwirkend für die Besteuerungszeiträume, während derer ihre tatsächlichen Voraussetzungen erfüllt waren, berücksichtigt wird. Auch die umgekehrte Situation kann ein vergleichbares Risiko bergen. Gehen die Parteien irrtümlich vom Vorliegen einer umsatzsteuerlichen Organschaft aus und stellt sich später heraus, dass deren tatbestandliche Voraussetzungen nicht gegeben sind, sind die Steuerfestsetzungen dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer nunmehr gegenüber der Tochtergesellschaft geltend gemacht wird. Dies unabhängig davon, ob nach den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten eine Verrechnung mit der korrespondierenden Steuerminderung bei der Obergesellschaft möglich ist. Dieses Risiko besteht auch dann, wenn über das Thema mit dem zuständigen Finanzamt kommuniziert wurde und das Finanzamt demselben Irrtum wie der Steuerpflichtige erliegt. Sofern sich das Finanzamt nicht rechtlich verbindlich in Form einer verbindlichen Auskunft nach § 89 AO bzw. einer verbindlichen Zusage auf Grund einer Außenprüfung nach §§ 204 ff. AO festgelegt hat, kann dieser Irrtum durch die Finanzbehörde gegenüber dem Steuerpflichtigen mit den beschriebenen Konsequenzen rückwirkend nach den allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung4 korrigiert werden.

2. Haftung für Steuern des Organträgers Ein weiteres Risiko birgt § 73 AO, indem er als zwingende Rechtsfolge der Organschaft die Haftung einer Organgesellschaft für solche Steuern des Organträgers bestimmt, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist.

V. Die gesetzlichen Voraussetzungen der umsatzsteuerlichen Organschaft 1. Unternehmereigenschaft Die umsatzsteuerliche Organschaft setzt voraus, dass sämtliche Beteiligte für sich betrachtet als Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne zu beurteilen sind. Für den Organträger ergibt sich dies aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG. Dort ist von der Eingliederung „in das Unternehmen des Organträgers“ die Rede. Die unternehmerische Tätigkeit der Tochtergesellschaften kann dem Organträger nicht in der Weise zugerechnet werden, dass diese seine unternehmerische Tätigkeit ersetzt und dadurch die eigene Unternehmereigenschaft begründet. Diese Zurechnung ist eine Rechtsfolge der Organschaft, die eintritt, wenn deren Voraussetzungen, insbesondere auch die Unternehmereigenschaft der Organgesellschaft bei isolierter Betrachtung vorliegen.5 Für die Organgesellschaft setzt das Gesetz eine eigene gewerbliche oder berufliche Tätigkeit voraus, die unter den weiteren Voraussetzungen des Gesetzes als nicht selbständig zu beurteilen ist. Diese vorgelagerte Prüfung der Unternehmereigenschaft erfordert eigene entgeltliche Leistungen sämtlicher Beteiligter. Die Tatsache, dass Leistungen nur gegenüber anderen Gesellschaften des Organkreises erbracht werden, die unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelung zur Organschaft im Ergebnis nicht der Umsatzsteuer unterliegen, ist für die Annahme der Unternehmereigenschaft unschädlich. Beispiel: Ein mehrheitlich von einem Gesellschafter gehaltenes Unternehmen erbringt Reinigungsleistungen gegenüber Krankenhausgesellschaften desselben Gesellschafters. Leistungen

npoR Heft 2/2012 an fremde Dritte werden nicht erbracht. Die Gesellschaft ist umsatzsteuerlicher Unternehmer, da sie, die Rechtsfolgen einer möglicherweise bestehenden Organschaft hinweg gedacht, nachhaltig entgeltliche Leistungen erbringt.

2. Halten im unternehmerischen Bereich Jeder Unternehmer kann neben seinem unternehmerischen Bereich auch einen sogenannten nichtunternehmerischen Bereich bzw. eine nichtunternehmerische Sphäre unterhalten. Dieser Bereich ist nicht Teil der Organschaft. Werden Leistungen an diesen nicht unternehmerischen Bereich erbracht oder umsatzsteuerbelastete Leistungen außenstehender Unternehmer für diesen nicht unternehmerischen Bereich bezogen, so treten die allgemeinen umsatzsteuerlichen Folgen ein. Im erstgenannten Fall unterliegen die Leistungen der Umsatzsteuer, im letztgenannten ist der Vorsteuerabzug, da kein Leistungsbezug für das Unternehmen vorliegt, ausgeschlossen. Während bei gewerblichen Unternehmen der nichtunternehmerische Bereich entweder überhaupt nicht vorliegt oder von untergeordneter Bedeutung ist, nimmt er bei Non-ProfitOrganisationen eine zentrale Stellung ein. Non-ProfitOrganisationen verfolgen regelmäßig einen ideellen Zweck. Die Verwirklichung dieses Zweckes erfolgt außerhalb des Regelungsbereiches der Umsatzsteuer, wenn sich die Organisation nicht zur Zweckverwirklichung unternehmerischer Methoden bedient. Demzufolge unterscheidet man bei einer Non-Profit-Organisation den nicht der Umsatzsteuer unterliegenden ideellen Bereich vom unternehmerischen Bereich, dem die Vermögensverwaltung und die wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe im Sinne des § 64 AO einschließlich der Zweckbetriebe im Sinne der §§ 65 ff. AO zuzurechnen sind.6 Eine Beteiligung an einer Gesellschaft ist nur dann dem unternehmerischen Bereich zuzuordnen, wenn es sich hierbei um eine strategische Beteiligung handelt oder wenn der Gesellschafter durch entgeltliche Leistungen in die Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft eingreift.7 Die dritte Möglichkeit, Beteiligungen als gewerblicher Wertpapierhändler dem Unternehmen zuzuordnen,8 wird bei Non-Profit-Organisationen regelmäßig ausscheiden. Eine Beteiligung, die nach diesen Kriterien nicht im unternehmerischen Bereich einer Non Profit-Organisation gehalten wird, kann nicht Teil eines umsatzsteuerlichen Organkreises sein. Gleiches gilt für den nichtunternehmerischen Bereich einer Organgesellschaft oder des Organträgers. Beispiel: Ein gemeinnütziger Verein ist mehrheitlich an der T1 GmbH und der T2 GmbH beteiligt. Während er mit T1 in regem Leistungsaustausch steht, werden Leistungen zwischen dem Verein und T2 bzw. zwischen dieser und T1 nicht erbracht. Sofern die weiteren Voraussetzungen einer Organschaft (vgl. die nachfolgenden Ausführungen) vorliegen, besteht der Organkreis zwischen dem unternehmerischen Bereich des Vereins und T1. Weder der nichtunternehmerische Bereich des Vereins noch T2 sind Bestandteil der Organschaft.

3. Nur Kapitalgesellschaften kommen als Organgesellschaften in Frage Nach deutschem Recht kann nur eine juristische Person, d.h. eine Kapitalgesellschaft, als Organgesellschaft in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert werden. Es bestehen

4 §§ 164, 172 ff. AO. 5 Vgl. Meyer, Offerhaus/Söhn/Lange-UStG, Lfg. 243/072011, § 2 Rz. 67. 6 Vgl. Rasche, in: Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 3. Aufl. 2010, § 12 Rz. 13 ff. 7 Vgl. Abschnitt 2.3 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 UStAE. 8 Abschnitt 2.3 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 1 UStAE.


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