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PANDEMÜDE

Diese Kolumne hat sich ein ganzes Jahr lang tapfer gegen das Coronavirus gewehrt. Jetzt aber: Elternalltag in der Pandemie.

Autorin Ursel Nendzig, Mutter zweier Söhne, berichtet live aus der Achterbahn.

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Sommerferien, dann gehen wir sowieie Söhne sind acht und elf Jahre alt, sprich: dritso jeden Tag schwimmen!«. Ich verstete Volksschule und erste Gymnasium. Ich werde he es nicht. Hängt es mit der Pandemie euch nicht mit Schreibschrift-zu-Hause-Beibrinzusammen? Ist es in Korrelation mit der gen langweilen oder mit Gejammer über klebeinsetzenden Frühpubertät? Oder eine rige Kinderfinger-Spuren auf meiner von mir heiligArt Rückzug der Körperpflege, wie bei gesprochenen Tastatur. Denn die Bedingungen für einer Welle, um dann, wenn die richtischonungslosere elternalltägliche Mikroanalysen ge Pubertät kommt, mit neuer Kraft über waren in den letzten Monaten ideal. Wohin hätten uns zu schwappen, die Burschen dann tasie schließlich flüchten sollen? Eben. gelang ins Badezimmer zu spülen, wo sie Analyse 1: die Verkürzung meiner eigenen Zündverschwinden, sich einseifend, peelend, schnur. War ich vor dieser verkackten Pandemie, frisierend, beduftend? sagen wir es freundlich, impulsiv, bin ich jetzt Analyse 3: Ich habe den Kampf gegen die das reinste Pulverfass. Zündschnur aktuell nicht Bildschirme aufgegeben. Wo früher jeden mehr mit freiem Auge wahrnehmbar, so kurz zweiten Tag eine halbe Stunde Netflix-Schauist sie geworden. Es reicht ein einziges falsches en war, ist heute eine Stunde pro Tag. Nicht Wort, ein Kipferl-Krümel im Badezimmer oder eingerechnet: die Handys, Playstations, Fernein nasses Handtuch auf der Couch und ich seher und Tablets von NachbarInnenkindern, zucke aus. Spannend dabei: Die Kinder gewöhnen sich daran, es ist gruselig. »Mama, chill« oder ein leichtes Augenrollen, mehr gibt es nicht, »Soweit ich das beobachte, werden wenn ich wieder durchs ganze alle Kinder zurzeit gleichermaßen Haus schreien muss, weil mir wegen einer solchen – aus ihrer verdummt, insofern haben meine Sicht – Kleinigkeit das Pulverkeinen Wettbewerbsnachteil.« fass unterm Arsch explodiert. Analyse 2: das Ignorieren allgemeingültiger Mindeststanderen Eltern ebenfalls das Handtuch geworfen hadards zur Körperhygiene. Die Buben ben. Es war vermutlich ein nasses Handtuch. Auf die haben irgendwann beschlossen, dass Couch. Es ist mir jedenfalls zunehmend egal geworsich Waschen einfach nicht lohnt. den. Soweit ich das beobachte, werden alle Kinder zurManchmal rubbeln sie, unter lauteszeit gleichermaßen verdummt, insofern haben meine tem Protest, mit einem leicht feuchkeinen Wettbewerbsnachteil. ten Waschlappen an ihren völlig einAnalyse 4: Ich bin pandemüde. Es ist genau das Wort, gesauten grünbraunen Knien oder das meinen körperlichen und geistigen Zustand am besdreckigen Zechen herum, und imten beschreibt. Ich bin schon so pandemüde, dass mich mer, wenn ich eine Dusche anordne, bereits die Aussicht auf eine Party überfordert. Ich soll weil ein Montag ansteht, wird laut wieder abends die Glitzerjacke anziehen und rausgehen? geweint und mit seinem Schicksal Raus, wie in »draußen«? Dazu müsste auch mich erst eine gehadert. »IMMER müssen wir Welle erfassen, die mich wieder raus ins Leben spült. duschen!« oder »Es sind eh bald

ILLUST RAT ION NANA MANDL

TEXT Ursel Nendzig


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