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Die Biene, die wir meinen

Kaum ein Firmenflachdach, auf dem nicht öffentlichkeitswirksam Bienen fleißig Honig eintragen. Dabei sind Maßnahmen zum Schutz der Honigbiene nicht immer auch anderen Insekten zuträglich. Über ein – gut gemeintes – Missverständnis.

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Thomas Weber Wenn wir von Bienen sprechen, wird schnell alles in einen Honigtopf geworfen. Doch es ist ein Missverständnis, das Bienensterben einfach mit dem Insektensterben gleichzusetzen. Das eine beklagen seit Jahren jedes Frühjahr die ImkerInnen, wenn sie weniger Honigvölker als früher über den Winter gebracht haben. Das andere wird – eher im Sommer – von der Zunft der EntomologInnen, die sich der Erforschung von Insekten widmet, in die Debatte eingebracht, um auf die Gefährdung der Artenvielfalt und der Nahrungspyramide hinzuweisen. Weil bedrohte Vögel keine Nahrung mehr finden, um ihre Küken aufzuziehen.

Zwar gehen die beiden Sphären ineinander über; doch das eine ist Agrikultur und die Biene ein Nutztier. Das andere ist Natur und der überwiegende Teil aller Insekten sind letztlich »wilde« Tiere. Mittendrin sind die Wildbienen – meistens mitgemeint, was ihnen aber nicht

»Bienenschutz passiert auch, wenn Feldwege nicht asphaltiert werden. Etwa 60% der in Österreich lebenden 700 Wildbienenarten nisten im Boden.«

— Johann Zaller, Zoologe

Die Blaue Holzbiene ist groß wie eine Hornisse – und eine der auffälligsten Wildbienenarten.

immer zum Vorteil gereicht. Sie sehen aus wie Bienen, und sterben wie die Fliegen.

WAS IST DAS BIENENSTERBEN?

Dass jeden Winter viele Honigbienenvölker sterben, hat mehrere Gründe. Welcher der gewichtigste ist, bleibt in der Fachwelt umstritten. Die intensivierte moderne Landwirtschaft mit ihren weitläufigen Monokulturen, ausgeräumten Landschaften und dem Einsatz von Insektiziden macht der Honigbiene jedenfalls zu schaffen. Als »Bienenkiller« werden von Umwelt-ngos seit einem Jahrzehnt Neonicotinoide bekämpft. Sie töten nicht nur massenhaft auftretende Schädlinge, sondern beeinträchtigen auch das Nervensystem – und damit den Orientierungssinn der Honigbiene. Zwar sind viele dieser »Pflanzenschutzmittel« mittlerweile verboten. Per Notverordnung werden sie für die konventionelle Landwirtschaft aber regelmäßig zugelassen, um Missernten zu vermeiden.

Auch der Klimawandel setzt der Honigbiene zu. Warme Perioden im Winter und vorzeitige Blühphasen bringen ihren Jahreskreislauf durcheinander und machen sie anfälliger für Krankheiten. Als siegreicher Endgegner hat es deshalb die Varroamilbe, ein vor Jahrzehnten eingeschleppter Parasit, oft leicht. Aber wirklich bedroht ist die Honigbiene nicht.

In Österreich ist die Zahl der Völker stabil. 2019 hielten 30.237 ImkerInnen insgesamt 390.607 Völker. Im Jahr 2000 waren es 363.967 Völker und 25.541 behördlich gemeldete ImkerInnen (Quelle: Dachverband Biene Österreich). In Deutschland steigt, über einen längeren Zeitraum betrachtet, die Gesamtzahl der Bienenvölker seit Langem sogar wieder an. Zwar waren 1992 laut dem Verein »Deutscher Imkerbund« auf dem Bundesgebiet noch 1,2 Millionen Völker aktiv gewesen. Doch nach einem Tiefstand – mit 600.000 Völkern 2009 – sammeln derzeit wieder annähernd eine Million Bienenvölker Pollen und Nektar. Auch in Deutschland ist die Zahl der ImkerInnen signifikant gestiegen. Gleichbleibend viele Völker bei deutlich mehr ImkerInnen lassen vermuten, dass Honigbienen heute häufiger einmal als Hobby gehalten werden und nicht immer als »Wirtschaftsvölker«. Das ist insofern relevant, als es eine weitaus sanftere, bienenschonendere Produktionsweise ermöglicht, wenn man nicht auf ein Einkommen durch den Verkauf von Honig angewiesen ist.

Einerseits ist das wachsende Interesse an der Imkerei sicher mit ein Erfolg der allgemeinen »Retten wir die Bienen«-Stimmung. Andererseits hat wohl auch die breite Diskussion über das Insektensterben das Interesse an den Honigsammlerinnen als Haustiere geweckt.

WAS IST DAS INSEKTENSTERBEN?

Plötzlich ins Bewusstsein rückte das Problem 2017, als ein Fachartikel von Krefelder EntomologInnen Forschungsergebnisse der zurückliegenden 27 Jahre veröffentlichte und publik wurde, dass die Insekten-Biomasse in 60 untersuchten deutschen Naturschutzgebieten binnen drei

KINDERBUCH

» ICH BAU DIR EIN HAUS,

KLEINE WILDBIENE!«

von Bärbel Oftring und Jana Walczyk stellt die am weitesten verbreiteten Wildbienen und Hummeln vor (und dem Nutztier Honigbiene gegenüber), zeigt, was im Inneren eines Insektenhotels passiert (auch im Winter), und weckt nicht nur in Kindern Lust, die Vielfalt draußen zu fördern. Gerstenberg, 2021.

DER RASEN UND SEIN ROBOTER: FEIND DER BIENEN UND DER BIODIVERSITÄT

Wer auf kurz getrimmten Rasen steht, empfindet den Mähroboter als praktisch. Auch für die Nachbarschaft ist er angenehm, weil – im Gegensatz zum klassischen Rasenmäher – leise. Für die Vielfalt im Garten hingegen ist er eine Katastrophe. Dabei steht der Roboter sinnbildlich für einen insgesamt problematischen Zugang zur Natur. »Mähroboter dienen der permanenten Aufrechterhaltung von Graswüsten«, sagt Annett Welskop. Ökologisch gesehen stellt zwar das Anbauen eines Rasens – als Monokultur – das eigentliche Problem dar. Doch erst, indem der Roboter unentwegt durch den Garten schleicht und das Grün kurz hält, macht er den Stoppelrasen endgültig zur Todeszone. »Aufgrund der kurzen Mähintervalle ist die Entwicklung von Blüten nicht mehr möglich. Dies hat dramatische Folgen, denn durch die zu Tode gepflegten Graswüsten steht während der gesamten Vegetationszeit keine Nahrung für Insekten und Kleinlebewesen zur Verfügung«, sagt Welskop, die sich als Naturgartenplanerin (»HaBeeTat«) in Radeberg bei Dresden dem Gestalten naturnaher Lebensräume verschrieben hat.

»Sollten sich auf diesen Flächen dennoch Insekten einfinden, werden im bodennahen Bereich während der Mahd regelmäßig 95 Prozent getötet und auch für Kleintiere wie Igel besteht permanent die Gefahr, dass sie verletzt oder getötet werden.«

Jahrzehnten um mehr als 75 Prozent abgenommen hatte. Kaum ein Medium, das nicht berichtete. Immerhin stammten die Daten aus Schutzgebieten – und nicht etwa aus frisch gespritzten Weingärten. Zwar wurde kritisiert, ob sich die Ergebnisse aus Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Rheinland-Pfalz wirklich auf ganz Deutschland umlegen ließen und überregional aussagekräftig wären. Doch die infolge der Debatte finanzierten und seither erschienenen weiterführenden Studien stützen die Ergebnisse des Krefelder EntomologInnenvereins tendenziell: Um Deutschlands Fluginsekten ist es schlecht bestellt. Nicht nur seltene Schmetterlinge, Käfer und Nachtfalter, auch viele einstige Allerweltsarten sind fast flächendeckend verschwunden. Im Süden des Landes hat das zuletzt zu zwei erfolgreichen Volksbegehren geführt: für »Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern«, das 2019 auch als »Rettet die Bienen!« bekannt wurde und mit 1,7 Millionen Unterschriften als bisher erfolgreichstes aller bayerischen Volksbegehren zu Änderungen im Landesnaturschutzgesetz führte – etwa zu einer stärkeren Förderung von Streuobstwiesen, zu größeren Waldschutzgebieten und zu Änderungen in Schullehrplänen. Ähnliches passierte in Baden-Württemberg. Nach einem Volksbegehren pro Artenvielfalt und adaptierten Naturschutzgesetzen zog im Frühjahr die cdu mit Bildern von Bienen in den Landtagswahlkampf gegen die den Ministerpräsidenten stellenden Grünen.

UND WAS IST MIT WILDBIENEN?

Aber nicht nur der plakative Einsatz der Biene zeigt, wie die Grenzen zwischen Honigbienenund Artenschutz verschwimmen. Auch bei den

beiden Organisatoren des Artenschutzvolksbegehrens in Baden-Württemberg handelt es sich um überzeugte Demeter-ImkerInnen. Die agieren mit ihren Nutztieren zwar noch einmal deutlich behutsamer als die durchschnittlichen BioimkerInnen und würden im Traum nicht daran denken, ihren Königinnen die Flügel abzuschneiden, damit diese nicht mit einem Teil des Volks ausschwärmen (und sich dadurch der Honigertrag mindert). Wer x-beliebigen regionalen Honig kauft, kann diese Praxis schon einmal unterstützen. Doch diese Differenzierung kommt in der breiten Bevölkerung – nachvollziehbarerweise – nicht an. Dort ist eine Biene einfach eine Biene. Unterschied zwischen einer vom Aussterben bedrohten, solitär auf offenen Erdflächen nistenden und auf ein seltenes Ackerbeikraut spezialisierten Wildbiene

und einer Arbeitshonigbiene, die ein mehrere Hektar großes Rapsfeld anfliegt oder mit ihrem Volk zur Zeit der Obstbaumblüte als Bestäubungsdienstleister in eine Apfelplantage gebracht wurde, wird keiner gemacht. Das kann man niemandem verübeln. Das macht die Sache aber kompliziert.

Denn was anderen Insekten nützt, dient immer auch dem Wohl der Honigbiene. Wer sich allerdings einzig für das Wohl der Honigvölker einsetzt, schadet dabei mitunter aber den Wildbienen. 560 Wildbienenarten gibt es in Deutschland. In Österreich mit seinen vielfältigen Lebensräumen von den Alpen bis zu den artenreichen Trockenrasengebieten im pannonischen Raum leben sogar 702 verschiedene Arten. Manche davon wur-

BIORAMA: Alle Welt will die Honigbiene schützen. Profitieren davon auch Wildbienen?

DOMINIQUE ZIMMERMANN: Ja und nein. Sie können davon profitieren, es kann aber auch schaden. Manche Maßnahmen, die der Honigbiene helfen, helfen auch Wildbienen; vor allem die Reduktion von Insektiziden. Mehr Brachflächen oder eine strukturreichere Landschaft mit Hecken sind natürlich auch von Vorteil. Die Honigbienendiskussion ist nicht grundsätzlich schlecht. Mittlerweile wird das Hauptaugenmerk aber auf die Wichtigkeit der Bestäubung gelegt. Und es ist ein grobes Missverständnis vieler Medien, das für Naturschutz zu halten! Die Honigbiene ist ein Nutztier – wie Kuh oder Schwein. Sie ist natürlich enorm wichtig für die Landwirtschaft und unsere Ernährung. Aber mit Naturschutz hat das Engagement für Honigbienen nichts zu tun.

Inwiefern kann der Einsatz für Honigbienen Wildbienen schaden?

Imkerei ist ja die einzige Form der Landnutzung, in der fremde Flächen für den eigenen Ertrag genutzt werden dürfen. Besonders problematisch sind deshalb Honigbienenvölker in der Nähe von Naturschutzflächen und dort, wo es bedrohte Wildbienen gibt. Viele Wildbienenarten besuchen die gleichen Blumen wie die Honigbiene. Teilweise weichen Wildbienen aus. Aber bei begrenzten Ressourcen geht das nicht. Teilweise braucht man mobile Honigbienenvölker, um etwa ein ganzes Rapsfeld bestäuben zu lassen. Ist der Raps verblüht, dann weichen zigtausende Honigbienen auf andere Blühpflanzen aus. Das kann eine massive Konkurrenz zu

»Wer ein ernstzunehmendes Bekenntnis zur Biodiversität abgeben mag, kann das mit einer biozertifizierten Kantine im Unternehmen tun. Das wäre weit wirksamer als ein Alibibienenvolk am Dach der Firmenzentrale.«

— Dietmar Niessner, Imker

WAS MACHT IMKEREI WIRKLICH NACHHALTIG?

Dominique Zimmermann, Insektenforscherin am Naturhistorischen Museum in Wien, plädiert für ein Verbot der Honigbienenhaltung in Naturschutzgebieten und Pufferzonen rundum.

Dominique Zimmermann,

Kuratorin für Hautflügler am Naturhistorischen Museum (NHM) in Wien und Wildbienenexpertin.

Wildbienen ergeben und deshalb sehe ich es kritisch, dass es keinerlei Regelungen zur Dichte an Honigbienenvölkern in der Landschaft gibt. Das Problem ist auch vielen ImkerInnen nicht bewusst. Es bräuchte in der Ausbildung ein Modul zum Thema Wildbienen.

Was kann jedeR Einzelne tun, um Wildbienen zu schützen? Bringen Insektenhotels etwas?

Nur zum Teil. Die weit verbreiteten Bambusstängel fördern nur wenige Arten. Viele Arten sind außerdem Bodennister. Sandige Stellen, etwas ungepflegtere Ecken im Garten sind da viel wichtiger. Und Totholz liegen zu lassen hilft vielen Insekten, nicht nur Wildbienen. Ganz einfach ist es auch, im Garten und am Balkon nicht nur hübsche Zierpflanzen zu setzen, sondern zum Beispiel auch Salbei oder verschiedene Glockenblumenarten anzubauen.

Und was kann ich als ImkerIn tun, um wilde Bienen vor den eigenen Nutztieren zu schützen?

Gute Frage. Bei der Imkerei bestimme ich ja den Ort, an dem die Bienenvölker fliegen. Es ist schon sehr hilfreich, wenn das nicht in der Nähe von geschützten Trockenrasen passiert. Dort gibt es viele seltene Pflanzen, auf die sich dementsprechend ebenso seltene Wildbienen spezialisiert haben. Gut wäre es, darauf zu achten, dass die Honigbienendichte nicht zu hoch ist und man nicht zu viele Völker an einem Standort hält. Wie viele das sind, lässt sich pauschal aber schwer sagen, weil es vom Blütenreichtum in der Umgebung abhängt. Aber das ist eine spannende Frage, die eigentlich erforscht gehört: was eine nachhaltige Imkerei ausmacht, die keine negativen Auswirkungen auf andere Insekten hat.

Braucht es ein Verbot von Imkerei in Naturschutzgebieten?

Das würde schon Sinn ergeben und wäre sehr gut zu rechtfertigen. ImkerInnen haben ja die Möglichkeit, diverse Flächen für ihren Ertrag zu nutzen. Gerade Naturschutzflächen sollten deshalb ausgenommen werden. Und da viele Naturschutzgebiete klein sind, bräuchte es wahrscheinlich sogar eine Pufferzone von einem Kilometer rundum, weil die Honigbiene zu den Arten gehört, die weite Flugdistanzen zurücklegen.

»Gegen das Bienensterben und gegen den Klimawandel wird es keinen Impfstoff geben«, meinte Othmar Karas, der Vizepräsident des Europäischen Parlaments.

den allerdings zuletzt in den 1940er-Jahren nachgewiesen. Flächendeckende Daten und Forschung gibt es keine. In Deutschland sind 26 Arten als »extrem selten« eingestuft, sieben Prozent gelten als verschollen. Mehr als 50 Prozent finden sich auf der »Roten Liste« der gefährdeten Arten. Der unlängst von österreichischen ForscherInnen zur Erstellung einer eigenen »Roten Liste« gegründete Wildbienenrat geht davon aus, »dass bei uns bis zu 60 Prozent der Arten gefährdet sind« (Dominique Zimmermann).

Das Problem: Unbedacht aufgestellte Honigbienenvölker können diese Gefährdung mitunter verschärfen. Bereits Mitte der 90er-Jahre wurde auf die Nahrungskonkurrenz zwischen dem Nutztier Honigbiene und Wildbienen hingewiesen. Denn Honigbienen tragen eine enorme Menge an Nektar und Pollen ein. Von einem starken Volk fliegen im Frühjahr bis zu 60.000 Arbeiterinnen aus, um die Gegend um den Bienenstock abzugrasen. 2008 fanden ForscherInnen heraus, dass 30 Honigbienenvölker in nur zwei Wochen so viel Pollen von Ackersenf und Raps einsammelten, wie ausgereicht hätte, um 44.070 Brutzellen der solitär lebenden Rostroten Mauerbiene zu versorgen.

Die Bienenstöcke am Dach, die auf vielen Firmenzentralen schick geworden sind und stolz

in Presseaussendungen und Nachhaltigkeitsberichten erwähnt werden, ändern nichts am Systemfehler in Landschaft und Lebensraum rundum. Und unbedacht platzierte Honigbienen richten, was Naturschutz und Artenvielfalt angeht, womöglich sogar Schaden an. Bioimker und Imkerlehrer Dietmar Niessner rät ernsthaft interessierten Unternehmen deshalb seit Langem, solche »Alibibienenvölker« besser sein zu lassen und stattdessen die Kantine biozertifizieren zu lassen. »Eine Biokantine wäre ein deutliches Zeichen – und von der Biolandwirtschaft profitieren Bienen, Wildbienen und alle anderen Insekten auch.«

WARUM BRAUCHEN WIR DIE HONIGBIENE?

Gegen das Engagement für Bienen wäre jedenfalls nichts Grundsätzliches einzuwenden. Denn tatsächlich sind rund 85 Prozent aller Wild- und Nutzpflanzen zur Fortpflanzung von Fremdbestäubung durch Tiere abhängig. Damit ist nicht nur der Fortbestand unserer Ökosysteme, sondern auch unseres Ernährungssystems unmittelbar von Insekten abhängig. Das zu Unrecht Albert Einstein zugeschriebene Zitat »Wenn die Bienen aussterben, sterben vier Jahre später auch die Menschen« ist zwar Blödsinn. In Nordamerika gab es Menschen, lange bevor die EuropäerInnen die Honigbiene brachten. Doch eine Welt ohne die Honigbiene als wichtige Bestäuberin könnte deutlich weniger Menschen ernähren. Äpfel, Kirschen, Zitrusfrüchte, Nüsse, viele Beeren, auch Kürbisse, Gurken oder Sojabohnen brauchen Bestäuber. Anderes Obst und Gemüse wiederum würde ohne Bestäubung einen empfindlich geringeren Ertrag bringen und weniger oder kleinere Früchte ausbilden.

WARUM BRAUCHEN WIR BIODIVERSITÄT?

Entscheidend sind allerdings eine Balance und eine Vielfalt an Möglichkeiten. Dass 2021 in Mitteleuropa mancherorts mit einem Totalausfall und einer jedenfalls geringen Ausbeute bei der Honigernte gerechnet wird, hat mit der ungewöhnlichen Kälte zur Zeit der Frühlingsblüte zu tun. Honigbienen verlassen ihre Beuten erst ab ca. acht Grad, um Pollen und Nektar zu sammeln. Dass es zwar wenig Honig, aber keinen Ernteausfall beim Obst und beim Gemüse geben wird, haben wir den unzähligen anderen Bestäubern zu verdanken. Die meisten Wildbienen und Insekten fliegen – und bestäuben – auch bei niedrigeren Temperaturen als unser Nutztier. Es ist also lebensnotwendig, die Vielfalt und »Biomasse« an Insekten zu erhalten. »Es muss uns klar werden, dass es hier nicht

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Schreckensvision einer Welt ohne Bestäuber: Der »Pollinator Park« der EU-Kommission zeigt, wie eine Welt ohne Bestäuber aussehen könnte.

BEITRAG ZUR DEBATTE

» EVOLUTION DER

BIENENHALTUNG.

ARTENSCHUTZ FÜR

HONIGBIENEN«

von Torben Schiffer stellt die gute imkerliche Praxis grundlegend infrage und plädiert für eine neue, artgerechte Bienenhaltung – gerade in der Hobbyimkerei. Ein Buch, das gelesen haben sollte, wer sich mit Bienen, Ökologie und Landwirtschaft beschäftigt. Ulmer, 2020. um das Hobby von SchmetterlingskundlerInnen geht, sondern um die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme«, warnte der prominente Agrarwissenschafter, Aktivist und Ökolandwirt Felix zu Löwenstein 2019. »Wenn Ökosysteme nicht mehr intakt sind, können wir auch keine Nahrung mehr produzieren.« Eine globale Ernährungssicherung ohne Biodiversität ist undenkbar.

WARUM BRAUCHEN WIR BLÜHENDE WIESEN?

Bei einem ernsthaften Einsatz für Biodiversität kann man die Honigbiene natürlich guten Gewissens als Galionsfigur verwenden – sofern er den Schutz vielfältiger Lebensräume zumindest mitdenkt. Der diesjährige »Welttag der Biene« am 20. Mai zeigte ein durchaus beeindruckendes Großaufgebot: Unternehmen, Museen, Lokal- wie Spitzenpolitik – kaum jemand inszenierte sich nicht als BienenschützerIn. Wenigen in der Dimensionierung doch eher lächerlichen Aktionen (der Zustelldienst Mjam feierte sich in Wien als Unterstützer eines Bienenvolks eines Imkers namens Christoph) standen auffällig viele durchdachtere Projekte gegenüber. Die Österreichischen Bundesbahnen beispielsweise – vor ein paar Jahren noch der größte Abnehmer des Unkrautvertilgungsmittels Glyphosat im Lande – fördern nun Blumenwiesen und produzieren in acht Bundesländern ab sofort eigenen Bio-»Schienenhonig«. Fast schon ein wenig megalomanisch mutet das Projekt »Bio Bienen Apfel« an. Anfang April, noch mitten im Lockdown, streamte der steirische Obstvermarkter Frutura die Präsentation aus der Wiener Innenstadt als ziemliches Spektakel, für das man bereits im Vorfeld die Wiener Sängerknaben einen schnulzigen Chor (»Give Bees a Chance«) hatte einsingen lassen. Um in den nächsten fünf Jahren 1200 Hektar Lebensraum für bis zu eine Milliarde Bienen zu schaffen, verteilte der auch in Deutschland aktive Bananen-, Mango- und Bioapfelvermarkter tonnenweise Biosaatgut für Blumenwiesen. Und um damit auch flächendeckend in den Medien zu landen, wurden keine Kosten gescheut. Model Charlott Cordes und Formel-1-Fahrer Sebastian Vettel demonstrierten anhand einer großen Apfelblüte und einer Stoffbiene vor den Kameras, wie das mit der Bestäubung funktioniert. Wobei sich der Rennfahrer als kürzlich überzeugter Biokonsument outete. Im ersten Lockdown 2020 habe er ein Praktikum auf einem Biobauernhof absolviert und dabei erkannt, dass »nicht jedes Gemüse und jeder Apfel gleich gesund« seien. Auch der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Othmar Karas, trat im Zeichen des »Bio Bienen Apfels« auf. »Gegen das Bienensterben und gegen den Klimawandel wird es keinen Impfstoff geben«, sagte der Politiker und schlug den Bioapfel als gemeinsames europäisches Projekt vor.

WAS MACHT DIE EU-KOMMISSION?

»Wir stehlen uns nicht aus der Verantwortung, aber die Politik allein kann die Dinge nicht verändern. Wir brauchen die Unterstützung der Bevölkerung, der Wissenschaft, der Wirtschaft und anderer Key Player. Wir brauchen alle Hände auf dem Deck«, meinte Virginijus Sinkeviius, EU-Kommissar für Umwelt, an der Seite von Bestsellerautorin Maja Lunde (»Die Geschichte der Bienen«) bei der Präsentation des »Pollinator Park«: Das interaktive Virtual-Reality-Erlebnis wurde vom Umweltarchitekten Vincent Callebaut entwickelt, um wachzurütteln. Die interaktive VR-Reise durch ein dystopisches, wüstengraues und insektenfreies Europa 2050 soll vermitteln, wie dringend notwendig die 50-prozentige Verringerung des Pestizideinsatzes wirklich ist, die die Farm-to-Fork-Strategie der Europäischen Union vorsieht. Aufbereitet speziell für die junge Zielgruppe der Gamer lässt sich der »Pollinator Park« (deutsch: Park der Bestäuber) im Browser erkunden, er soll aber auch auf VR-Tour durch Europas Museen gehen. Der »Pollinator Park« selbst ist ein Refugium inmitten der artenarmen Ödnis; in ihm lassen sich Schwebfliegen und andere wilde Bestäuber genau beobachten. Als Galionsfigur wurde bewusst kein Nutztier, sondern eine Hummel gewählt.

UND WAS KANN ICH TUN?

Die Botschaft des »Pollinator Park« ist unmissverständlich. Die Vielfalt lebt und blüht gerade auch im Kleinen. Und weil jeder Quadratmeter zählt, ist jeder nicht asphaltierte Parkplatz ein Triumph; jeder nicht gepflasterte Hof und jeder blühende Vorgarten, der nicht geschottert und mit Folie unterlegt ist, lässt der Natur Raum.

Woran allerdings die wenigsten denken: Weit mehr als die Hälfte aller Insekten ist nachtaktiv. Viele orientieren sich am Mond; wie Nachtfalter oder Motten, die nachts unterwegs sind – und ebenfalls wichtige Bestäuber. Die günstig verfügbaren led-Lampen werden oft unbedacht im Freien an Häuserfronten, Balkongeländern und entlang von Gartenwegen angebracht und dort für die Tiere zum Problem. Denn mit zusätzlichen dauerhaften Lichtquellen können sie nicht umgehen. Und statt dem Mond entgegen fliegen sie bis zur Erschöpfung gegen Scheinwerfer und led-Lämpchen an.

Wenn wir von Biodiversität sprechen, müssen wir also auch Dunkelheit dulden.

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