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STECKBRIEF Das neue Hausschwein

DAS NUTZTIER DER ZUKUNFT Wie neue Züchtungen auf Basis robuster alter Rassen Genuss, Wirtschaftlichkeit und Vielfalt vereinen wollen. TEXT Thomas Weber

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ie »eierlegende Wollmilchsau« gibt es nicht. Traditionell werden viele Nutztiere zwar auf vielfältige Weise genutzt. In den vergangenen Jahrzehnten setzte die Zucht allerdings stark auf Leistungssteigerung durch Spezialisierung: Mehr Muskelmasse oder mehr Milchleistung lautete das Zuchtziel beim Rind. Auch bei Hühnern gerieten »Zweinutzungsrassen«, die sowohl Eier als auch Fleisch liefern, ins Abseits. Ihre Haltung wurde wirtschaftlich uninteressant und weitgehend in die Liebhaberei gedrängt. Mittlerweile versuchen einige Zuchtverbände, dieser Entwicklung entgegenzuarbeiten. »Nach dem jahrzehntelangen ›schneller, schwerer, größer‹ ist eine stärkere Gewichtung naturgemäßer Zuchtziele, wie Vitalität und Fruchtbarkeit, eine gute Entscheidung für das Wohl der Nutztiere, aber auch für das Wohl späterer Generationen«, meint Reinhard Gessl, Nutztierwissenschafter am Forschungsinstitut für biologischen Landbau. Denn wenn nur wenige Hochleistungsrassen gezüchtet werden, bedroht das die Biodiversität – und damit unseren Speiseplan.

Gesucht: Ein robustes Hausschwein, nicht zu fett, mit marmoriertem Fleisch, das unter alpinen Bedingungen ganzjährig im Freiland gehalten werden kann. Hintergrund: Auch in der Schweiz stammt das meiste Schweinefleisch vom Edelschwein. Es wird in Ställen für die Haltung in Ställen gezüchtet. Für die Freilandhaltung ist es deshalb nicht ideal (und neigt zum Beispiel zu Sonnenbrand). Andere Rassen wiederum lassen sich nur sehr extensiv halten. Deshalb setzen engagierte Bio- und Demeter-Höfe seit 2017 darauf, in einem Rotationskreuzungsverfahren aus dem Edelschwein, dem Schwäbisch-Hällischen, Turopolje-, Durocund dem Bunten Distelschwein ein geeignetes neues Hausschwein zu züchten. Ziel: Eine neue Schweinerasse, die gut im Freiland gehalten werden kann, aber auch wirtschaftlich bestehen kann. Zeitrahmen: Spätestens 2031 soll die neue Rasse etabliert sein. Und wie schmeckt’s? »Im Frühjahr wurden die ersten Endkreuzungstiere geschlachtet«, berichtet Projektkoordinatorin Anna Jenni. »Ihr Fleisch ist schön marmoriert, dem Metzger waren die Tiere aber noch zu fett.«

Gemeinsam mit Bio Suisse und dem Demeter-Verband sucht das Forschungsinstitut für biologischen Landbau »unser Hausschwein«.

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Die Schweiz sucht das Superschwein für kleine Biobetriebe.


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