Geschichten um den Bauernhof

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Geschichten um den Bauernhof Inhalt Wie alles begann: ....................................................................................................................... 2 Alles liegt im Auge des Betrachters ........................................................................................... 3 Diesel .......................................................................................................................................... 5 Lulu ............................................................................................................................................ 6 Rosalie, die Post ist da! .............................................................................................................. 8 Sputnik, der Indianer .................................................................................................................. 9 Wie das Sulmtaler Huhn zu seiner Federkrone kam ................................................................ 11 Wie unsere Ziegen zu ihren Namen kamen - und Sie zum Käse ............................................. 14 Lindenholz ................................................................................................................................ 16 Für alle Cowgirls und Cowboys ............................................................................................... 18 Das Schicksal .......................................................................................................................... 22 Veranda, meine Veranda .......................................................................................................... 24 Blick aus dem Wohnzimmer .................................................................................................... 25 Warten auf ein Beben ............................................................................................................... 25 … reden wir vom Chaos! ......................................................................................................... 27 Die Weihnachtsgänse ............................................................................................................... 30 Die Weihnachtskrippe .............................................................................................................. 32 Papst Bernard in Österreich? .................................................................................................... 34

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Wie alles begann: Tomte Tummetott, der Fuchs und ein alter Bauernhof im Naturpark Dobratsch. Oder: Wie durch die Integration der wilden Natur (in Gestalt des Fuchses), der friedlich schlafende Hof im Gailtal zum Leben erweckt wurde und dem Leben einen Sinn gab. Alles begann, wie im Buch, Tomte und der Fuchs, von Astrid Lindgren, auf einem verschlafenen Bauernhof im Gailtal. Ein paar Heidschnucken, zwei Pferde und wenige Hühner träumten beschaulich vor sich hin, als Astrid Fuchs aus dem Wald kam und dem Bauernhof über Nacht neues Leben einhauchte.

Heute leben eine Herde Heidschnucken, mehrere Vollblutpferde, Puten, Enten und Sulmtaler Hühner, drei Hunde und Katzen und vor allem vierzig weiße Edelziegen und Tauernschecken auf unserem Hof. Ein neuer Stall und eine Käserei erwachten aus ihrem Dornröschenschlaf und viele Tomte Tummetotts halfen mit. Wichtelworte raunten sie uns zu: „Viele Sommer und Winter sah ich kommen und gehen, Geduld nur Geduld“(Zitat: Tomte Tummetott, von Astrid Lindgren). Seite 2


Alles liegt im Auge des Betrachters Der alte Sadar, unser Nachbar, schaut vorbei: „Servas Veit!“ Veit und Sadar sind Vulgonamen. „Griaß di, Sadar“, - den kann ich jetzt gar nicht brauchen. Ich stehe im Hof und schneide schwitzend Holz für den langen kalten Winter. Sie wissen ja, Holz wärmt mehr im Sommer beim Schlägern, Schneiden und Schlichten in der Sonne, na egal. „Wast wos i jetzt mit da gonzn Nochbarschoft fürn Kriag hob?“, - das dauert länger, ich ziehe den Stecker der Kreissäge und die Handschuhe aus. Das „War’s“, - Krieg für heute! „Die Scheiß- Viecha, kana redet mehr mit mir“, - schimpft er jetzt die Nachbarn? Nachdem sein erster Redeschwall abgeflaut ist, stellt sich das ganze Ausmaß der Tragödie folgendermaßen dar. Seine lieben Hochlandrinder sind wieder einmal ausgebrochen und haben die Gärten und Höfe der Ortschaft heimgesucht. Alles zertrampelt und verschissen, verständlich, dass die Nachbarn die letzte Waffenruhe verletzt sahen. Um ihn zu beruhigen, verfiel ich auf ein bewährtes Mittel: „Trink ma a Achtel Rot!“ Langsam stapfen wir hinauf zur Veranda, wo man im Schatten die Welt verbessern kann, speziell mit Rotwein, „Heideboden“ vom Weingut Weiß, probieren Sie einmal. Um nicht die Wiese vor dem Haus mit dem Rasenmäher wöchentlich bügeln zu müssen, grasen meine Pferde vor der Veranda das Gras ab und ich kann meine Vorstellung

einer

heilen

Welt

von

meinem

Schaukelstuhl aus, genießen. Doch meinen lieben Pferden ist es auch zu heiß geworden. Sie sind nicht aufzufinden. Böses ahnend, betrete ich die Veranda und starre missmutig auf einen Haufen vor meinem Schaukelstuhl. Als ich aber durch die offene Verandatüre unsere Pferde im Wohnzimmer dösen sehe, bleibt mir doch die Spucke weg. „Was regst du dich über deine Viecher auf, die durch die Nachbarschaft spazieren, meine stehen im Wohnzimmer“, muss ich unserer Situation doch noch eine gewisse Komik abgewinnen. Zufrieden, angeheitert, schadenfroh und mit vielen Argumenten angereichert, verlässt mich der Sadar nach ein paar Stunden.

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Inzwischen ist die Sonne hinter den Bergen untergegangen und die Luft weht kühl vom Bach herauf. P.S. Das Rätsel mit den Pferden löst sich später beim Bearbeiten von Fotos, da habe ich Bilder meiner Frau entdeckt, wie sie mit Semmel die Pferde -zwecks besserer Darstellung- auf unsere Veranda gelockt hat, geht es Ihnen mit ihrer Frau auch so?

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Diesel Diesel, ein winzigkleines, schwarzes Lockenschaf, ohne Namen, von der Mutter verstoßen, auf der weiten Weide verloren, aber mit unbändigem Durst nach Milch und Leben, schloss mit meiner Frau Astrid einen Pakt. Zuerst versuchten wir, sie einer artspezifischeren Ersatzmutter unter zu schieben, indem wir das Lamm und die Hilfsmutter mit Diesel einrieben, daher der Name, um den MutterKindgeruch zu verdecken. Aber so eine Heidschnuckenmama lässt keine armen, hilfsbedürftigen, verstoßenen, hungrigen Lämmchen an sich heran, eher fliegen die Kleinen durch die Luft davon, wie Hatschi Bratschis Luftballon. Das reichte! Meine Astrid nahm Pflegeurlaub und schloss Diesel in ihr Herz. Und Diesel eroberte unseres, schlief im warmen Badezimmer, weckte meine Kinder auf, indem sie mit Anlauf auf die Bettdecke sprang, boxte unseren Border Collie von seinem Platz und fuhr mit dem Auto in die Schule. Dort saß sie mucksmäuschenstill unter meinem Schreibtisch, lehrte den Kindern anschaulich die Bedeutung alles Lebendigen, dass wir Verantwortung für unsere Mitbewohner auf der Erde übernehmen sollen, dass wir alle aus einer Familie, der der Säugetiere abstammen und erwartete zur Pause ihre Milch. Learning by doing eben. Manchmal „leckte“ sie, - nicht sich, sondern wie die Titanic, - aber niemals schiss sie auf die Schule. Oft tobte sie mit den Schülern im Schulhof umher: „Wer hat Angst vorm schwarzen Lamm“. Später nach der mühsamen Integration in die Schafherde, vor allem für Astrid, lernte sie gemeinsam mit dem Border Collie die anderen Schafe zu treiben. Besucher erkannten unseren gelehrten Schafpudel erst auf dem zweiten Blick. Heute ist Diesel ein Mutterschaf, ein Vorbild der Heidschnucken ein Idol der Jungen und das bleibt sie bis an ihr seliges Ende. Seite 5


Lulu Welche unerwarteten Verwicklungen das Aufziehen von Lämmern mit sich bringen kann, liest du in dieser Geschichte. Wer viel trinkt, der muss müssen können. Das „Nomen est Omen“ –Schaf hieß deshalb Lulu. Lulu, aufgewachsen in unserem Wohnzimmer zwischen Couch und Kaminofen, war alt genug um zum Schaf im eigentlichen Sinn zu werden. Unsere Kuvasc – Hündin Kalinka, unser Herdenschutzhund, hatte sich liebevoll um sie gekümmert. So siedelten beide hinaus, - aus unserem Wohnzimmer. Lulu auf die Weide zu den anderen Schafen und Kalinka zurück in ihren Zwinger mit freiem Zugang zu den Wiesen. Jedoch Lulu schlief lieber in der Hundehütte,

eng

an

Kalinka

gekuschelt, als sich der Schafherde anzuschließen. In der Nacht, wenn Kalinka ihre Runden drehte und die Füchse von den Weiden vertrieb, half Lulu engagiert mit und jagte mit hängender Zunge und pumpenden Flanken hügelauf und hügelab den armen Füchsen hinterher. Den ganzen Tag verschliefen dann beide erschöpft in der Hütte. Doch Lulu war ein Schaf, sie sollte doch Gras fressen, wiederkäuen und die Nächte im Schutz der Herde verbringen und – keine - Füchse jagen, oder? Als Lulu, mangels vernünftiger Ernährung – Gras gehörte nicht dazu- mit Kalinka das Hundefutter partnerschaftlich teilte, kamen mir – nicht das erste Mal – Zweifel, ob der versuchten Wiedereinbürgerung. Sollte ich dem Schaf ein gutes Beispiel geben und mich grasend auf die Wiese legen? Welche Verantwortung habe ich als Schaf, welche Pflicht auf unersetzbaren Erfahrungsaustausch, Seite 6


welche schafspezifischen Lernvorgänge, auf die Lulu ja angewiesen war, muss ich auf mich nehmen? Mir graute bei dem Gedanken an intelligente, Fleisch fressende, Raubtiere jagende und sich zusammenrottende Schafe in George Orwell`scher Tradition. Soweit wollte ich es nicht kommen lassen und beschloss eine Radikalkur zum Schaf. Ich trieb die Herde auf eine abgelegene Weide, ohne Hund und ohne Hundefutter, überließ Lulu der Schafherde und gestattete den Füchsen ihr angekratztes Image als gefürchtete Raubtiere wieder instand zu setzen. Obwohl ich anfangs noch Angst, unbegründet oder nicht, um Lulu hatte, war mir wohler bei der Tatsache, dass aus dem Lamm Lulu ein richtiges Schaf wurde.

P.S. Welche Hoffnungen und Schlüsse ihr als Eltern pubertierender Kinder aus dieser Geschichte zieht, sei dahingestellt, - aber ein Gedanke wert.

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Rosalie, die Post ist da! Rosalie, auch ein verschmähtes Leben aus unserer Heidschnuckenherde bekam eine Tagesmutter, nachdem wir beide berufstätig waren. In der Früh brachte meine Frau, Rosalie zu unserer Nachbarin Fini, die sich gerne mit ihr unterhielt, ihr aus ihrem Garten Leckerbissen reichte und mit ihr Spaziergänge unternahm. Zu Mittag legte sich Rosalie auf die Bank vor dem Haus in den Schatten und döste vor sich hin. Hörte sie meinen alten braungelben Golf die Straße runter rumpeln, sprang sie auf und lief mir entgegen. Dann öffnete ich die Autotür und sie setze mit einem Satz auf den Beifahrersitz und wartete mit großen Augen, dass wir nach Hause fuhren. Schön, dass ich das erleben durfte. Eines Tages jedoch, ich hatte mich verspätet, stellte die Postlerin die Post meiner Nachbarin zu. Rosalie beobachtet unsicher das Auto. Als sich die Postlerin ins Auto setzte und los fuhr, sprang Rosalie auf und sprintete dem gelben Lieferwagen hinterher. Im Rückspiegel sah die Frau ein schwarzes Lamm hinter ihr her jagen. Außer Atem sprang Rosalie am stehen gebliebenen Auto hoch. „Du darfst mich doch nicht vergessen!“ Seitdem stellte die Österreichische Post entlaufene Lämmer zu – und das unfrankiert und gebührenfrei.

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Sputnik, der Indianer Ob sie es glauben oder nicht, einmal, in den Bergen auf einem Bauernhof in Osttirol entdeckte ich „Indianer“. Richtige Indianer mit schwarzweißen Federn, roten Köpfen, echte Rothäute eben, amerikanische Ureinwohner reinsten Blutes. Sie konnten sogar ihre Kriegsbemalung von türkisgrün auf hellblau umfärben, wenn sie die Luft anhielten. Am Hals trugen sie ein Amulett aus schwarzen langen Haaren, einem Skalp nicht unähnlich. Ihre langen Beine waren verwachsen mit Leggins aus schuppiger Schlangenhaut. Sie schlichen sich lautlos an und brummten wie der Grizzly hinter meinem Rücken, dann glucksten sie vor Schadenfreude, wenn mir mein Bleichgesicht in die Hose gerutscht war. Beeindruckende Krieger, stolz und unnahbar, beobachteten sie mit Adlerblick argwöhnisch den Himmel. Der Adler war ihr Feind, auch anderes Raubzeug musste sich in Acht nehmen.

Diese Indianer wollte ich unbedingt für die „Dozen Creek“ Ranch gewinnen. („Dozen Creek“ steht für: Bach 12 - unsere Adresse). Nach langen, zähen Verhandlungen und viel Feuerwasser am Lagerfeuer begleitete mich die wilde Schar nach Hause. Am nächsten Abend war der Häuptling verschwunden. Nur die Squaws saßen unbeeindruckt vor ihrem Lager. Von ihnen war nicht zu erfahren, auf welchen Raubzug ihr Krieger ausgeschwärmt war, das mochte wohl an den Sprachschwierigkeiten liegen, oder sprechen sie indianisch? Vergeblich suchte ich die Weiden ab, bis es dunkel wurde. Nicht die leiseste Spur des Abtrünnigen war zu entdecken. Am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang, ich mistete gerade die Ställe aus, wurden die Squaws unruhig und liefen geschäftig vor dem Stall auf und ab. Mit hochgereckten Hälsen starrten sie die Sonne an, die sich gerade über das Dach wälzte. Etwas verwundert, über ihren fremdartigen Sonnentanz, trat ich hinaus in das gelbe Licht. Geblendet und blinzelnd erkannte ich einen

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Schatten auf dem Dach. Da oben saß er, mein vermisster Häuptling, und verschaffte sich einen Überblick über sein neues Stammesgebiet. Manitu sei Dank landete unser Puter sicher auf dem Hof, als der Hunger größer wurde und seine Squaws auf den Mais einhackten. „Sputnik“ wurde bald mein Liebling und hauchte unserer Ranch Wildwestromantik ein, wenn er sich wie ein Geier erstarrt auf den Holztoren, Zäunen und Dächern zur Schau stellte.

Puten oder „Indianer“, wie sie am Land genannt werden, ziehen mit unseren Hühnern über die Wiesen und verscheuchen durch ihr urtümliches Aussehen und ihre Größe Raubvögel und andere Angreifer aus der Luft, wie Drachenflieger oder Paragleiter.

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Wie das Sulmtaler Huhn zu seiner Federkrone kam eine Geschichte zum Vorlesen, inspiriert von meinen Hühnern für meine Kinder Christoph Zerbst

Vor langer Zeit schickte der Kaiser von Österreich, der ein kluger Mann war, seinen Sohn durch die Erbländer um zu lernen. Eines Tages fuhr die königliche Kutsche in der südlichen Steiermark durch das Sulmtal, als ein Rad zerbrach und der Kutscher Hilfe holen musste. Des langen Wartens müde, machte sich der junge Kaiser auf und spazierte zu einem Bauernhof in der Nähe. Da bemerkte er eigenartige, hellbraune Vögel, die hierhin und dorthin liefen und sich gar nicht um ihn kümmerten. Eines jedoch scharrte direkt zu seinen Füßen in der Erde herum und gackerte frech: „Du stehst im Weg!“. Der junge Kaiser machte erschrocken einen Schritt zurück, hatte er doch solche Vögel noch nie gesehen. „Was suchst du denn da?“, fragte er verwundert. „Ich suche die klügsten Regenwürmer für unseren Kaiser“, gockelte der Vogel und hieb mit kräftigen Tritten in einen dicken Batzen Pferdemist. Der Mist spritzte nur so auseinander und legte sich fein zerkrümelt auf die Erde, - und auf die Schuhe des Kaisers. „ Ich sehe keine Regenwürmer und schon gar keine klugen“, rief der Kaiser erbost. Der Vogel betrachtete ihn mit seinen klugen Knopfaugen und schief gelegtem Kopf und meinte versöhnlich: „Schau ich verteile den Mist auf den Feldern damit die Regenwürmer unter der Erde Dünger erzeugen. Einige fresse ich auch, aber nur die klügsten. Die, die ihre Köpfe aus der Erde strecken und wissen wollen, wie es oben aussieht.

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In der gelockerten Erde wächst das Getreide fürs Brot viel besser. Auf den Wiesen verteile ich die verschiedenen Samen der Gräser, Kräuter und Blumen. Da findet dann jedes Tier, was ihm schmeckt, Kräuter und Blätter für die Ziegen des Bauern, die langen hohen Gräser für die Pferde und die kurzen für die Schafe, und die Misthaufen verteile ich dann auf den abgefressenen Wiesen und Feldern“. Der junge Kaiser war beeindruckt und sah sich um. Der Vogel hatte recht, - überall blühten die Wiesenblumen, die Bienen summten, die Schwalben jagten Mücken im Tiefflug, die Schmetterlinge schaukelten auf den Halmen, die kleinen Hasen versteckten sich unter den Blättern der Kräuter und die großen Tiere standen mampfend und schmatzend im grünen Futter. Das Getreidefeld versprach eine reiche Ernte und der Kaiser wusste, dass auch ein Teil des Getreides für ihn bestimmt war und er freute sich. Inzwischen hatte sich der Vogel wieder einen neuen Misthaufen gesucht und bearbeitete ihn unermüdlich. Dankbar und nachdenklich sah ihm der Kaiser zu und fragte dann: „Woher weißt du das alles?“. Der Vogel zog einen langen Wurm aus der Erde, warf stolz seinen Kopf hoch und schluckte den Wurm hinunter. „Meine Ur-Ur-Urgroßeltern kamen mit dem Schiff aus Amerika und lange Zeit saßen sie in Käfigen und Volieren in vielen Fürstenhöfen Europas auf der Stange. Wir waren wenige und sehr wertvoll, unser Federkleid war bunt und schillerte und erfreute die Könige und Fürsten. In Amerika setzte man den Königen sogar Kronen aus unserem Gefieder auf. Doch meine Urgroßeltern waren traurig in ihren prachtvollen Käfigen. Sie wollten im Sand baden, am Boden scharren, Nester bauen, auf Bäumen sitzen, hierhin und dorthin laufen und vieles mehr. So beschlossen sie, viele Eier zu legen und ihren vielen Kindern die Flucht zu ermöglichen. Einigen gelang das auch, andere wurden an die Gärtner verkauft und die tauschten sie bei den Bauern ein. Und so kamen wir hier her, und jetzt dürfen wir so leben, wie wir es uns immer gewünscht hatten.“ Ergriffen hob der junge Kaiser ein paar kleine Federn vom Boden und steckte sie dem Huhn an den Kopf. „Zum Dank dafür, dass du dem zukünftigen Kaiser ein kluger Lehrer bist, tragen du und deine Nachkommen vom heutigen Tag an eine kaiserliche Federkrone auf dem Kopf.“

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So wurden die Sulmtaler H端hner in den Adelsstand der H端hner gehoben und in den kaiserlichen Kochb端chern f端r alle Ewigkeit ob ihrer Klugheit und des guten Geschmacks wegen gelobt und gepriesen.

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Wie unsere Ziegen zu ihren Namen kamen - und Sie zum Käse Zu Anfang hatten wir eine Ziege, eine Tauernschecke, mit dem Namen Gitta. Sie lief zusammen mit den Schafen auf der Wiese und fraß auch nur Gras. Gitta, hieß meine Tante aus Ulm und ich fand, der Name passte gut zu meiner Vornehm,

Tauernscheckenziege. ihrer „Hohen Tauern -

Abstammung“ bewusst und auf ihren Rang in der Herde bedacht, stellte sie dem Widder und den anderen Schafen der Herde jedes Jahr ihre Jungen vor. Dieses Schauspiel genoss ich und der Vergleich mit unserem jährlichen Familientag, wenn meine Tante ihre Töchter herausgeputzt hatte, sei mir gestattet. Einige Jahre später vergrößerte sich unsere Ziegenherde dramatisch. Wir kauften eine Herde reinrassige persilweiße Deutsche Edelziegen. In unserem nicht ganz rein deutschsprachigen, mit nicht ganz persilweißer Weste dastehendem Land Kärnten, sahen wir es als unsere Pflicht an – aufgrund der Einbürgerung einer deutschen Rasse - zum „kärntnerischen Gleichgewicht“, einen Beitrag zu leisten. Wir verbrämten unsere Deutsche Edelziegen mit verdrängten, ungeliebten, jedoch bodenständig alten, slowenisch-windischen Namen aus unserer nächsten Umgebung und Nachbarschaft. Diese bäuerlichen Wurzeln in den Namen von Moiza, Tonka, Zia, Liza, Mirza, Urscha, Apolonia und Franza halten nun die Waage zu den ursprünglich unbenannten nur mit gelben Ohrmarkennummern etikettierten, rein deutschen Rasseedelziegen. Natürlich haben die Namen eine Entsprechung im Deutschen, doch soll dieses eine Mal, auf die deutsche Umbenennung, verzichtet werden.

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Damit hoffen wir, der ess- und kulturbewussten Gemeinschaft in Kärnten mit dem Umgang unserer Wurzeln ein Beispiel zu geben.

Genießen sie die Zusammenführung Vieler, zu einem auf der Zunge schmelzenden Genuss, mit dem würzigen Rohmilchkäse von Moiza’s, Zia’s, Liza’s, Mirza’s, Urscha’s, Apolonia’s und Franza’s Nachkommen.

Mahlzeit

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Lindenholz Früher stand an jedem Dorfplatz eine Dorflinde. Wie Sie schon wissen, war unter ihr der Platz an dem Recht gesprochen, Kirchtage getanzt, Hochzeiten, Taufen und Begräbnisse gefeiert wurden.

Aber die Linde trug auch viele Geheimnisse unter ihrem Laubdach. Kinderschätze wurden an ihren Wurzeln vergraben, in der Hoffnung, sie würden sich vermehren. Herzen wurden in ihre Rinde geschnitzt, mit Liebesschwüren versiegelt und die ersten Küsse im Blätterdach gut versteckt. Hin und wieder rieselte Asche der ersten Zigarette von den Ästen weiter oben. Unten wurde derweilen Dorftratsch ausgetauscht, dass es im Blätterwald nur so rauschte. Junge wurden älter und Alte wieder jung und noch immer war unter der Dorflinde Platz für alle.

Neben dem Gasthaus und der Kirche stand auch die Dorfschule im Schatten der Linde. Unter ihren weit verzweigten Ästen spielten und jausneten Generationen von Schulkindern. Federbälle, Mützen und Handschuhe verfingen sich in ihrem Geäst. Mit Kletterkünsten und Mutproben wurden die weiblichen Zuschauer beeindruckt, - die Rollenverteilung wurde selten hinterfragt-, und hin und wieder gaben abgebrochene Äste, Anlass für heiße Gefechte unter den Buben. Manche schnitten sich Steinschleudern aus ihren Astgabeln, versahen sie mit einem alten Fahrradschlauch und übten ihre Treffsicherheit an den Fensterscheiben der Schule. Dann rannte der Lehrer heraus und drohte mit seinem Zeigestock, den er sich auch von der Linde geliehen hatte.

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Wurde gegrillt, was hin und wieder vorkam, konnte man sich aus einer Astgabel eine Stütze und den Würstelstecken schnitzen. Zu Großvaters Geburtstag wurde Lindenholz auch im Werkunterricht zum Schnitzen des neuen, viel zu dünnen Wandersteckens genutzt, aber es war der Wille und der gute Gedanke der zählte - und ein bisschen Blut war auch daran. Die kleine Moiza vom Nachbarhof verzierte ihren neuen „Wegweiser“ für ihre störrischen Ziegen mit einem unverwechselbaren Muster. Im Turnunterricht wurde meist, das aus einem Lindenast geschnittene Staffelholz, der Siegermannschaft hinterher geworfen und verschwand somit im hohen Gras der Wiese. Der Bauer fluchte, wenn er es in seinem neuen Mähwerk wieder fand. Dass der Pfarrer verliebt in die Augen der geschnitzten Muttergottes aus Lindenholz sah, bemerkte nur die Messnerin, die ihren hölzernen Kochlöffel selten aus der Hand gab. Auch der Reindling wurde in einer Lindenholzschüssel gereicht und die „Saure Suppn“ mit einem hölzernen Schöpfer ausgeteilt, nachdem dem anderen Schöpfer im Herrgottswinkel gedankt worden war.

Und wenn jemand von Ihnen behauptet, „Sie wären aus demselben Holz geschnitzt“, dann „stellen Sie sich in ihren Schatten“, -bescheiden -, denn das hat sich die gute, alte Linde verdient.

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Für alle Cowgirls und Cowboys

„I have a dream”, hat Martin Luther King in die Welt posaunt. Menschen haben Träume! Doch nur manche erfüllen sich auch ihre Träume. Sie heiraten Traumfrauen! Sie bauen (Luft) Schlösser oder haben drei Wünsche frei, bei einer Fee - oder beim Teufel! Manche Träume und Wünsche schleppt man von Kindesbeinen an mit sich herum – und so komme ich zu meinen.

„ Ich wünsche mir schon immer …“, aber der Reihe nach.

Nach intensiver langwieriger Überzeugungsarbeit finden meine Frau Astrid und ich einen aufgeschlossenen Bauern für unseren Traum. Wir berechnen die Kosten- und Zeitersparnis, wir appellieren an sein Umweltbewusstsein und an die Tierliebe. Wir bringen ihm unsere Variante des „traditionellen Almauftriebs“ so nahe, dass er nicht mehr ablehnen kann und sich anstecken lässt von unserem Enthusiasmus.

Wir dürfen eine dreißigköpfige Herde Blondvieh an Wiese und Wald entlang, an Gärten und Hauseinfahrten vorbei, quer über die Landstraße, durch zwei Bäche hindurch, auf eine riesige Almweide treiben, wo die Blonden den Sommer über ihre Freiheit ausleben können. Na ja, klingt nach einem Haufen Arbeit, Schweiß und Lauferei wenn, ja, wenn da nicht unsere Pferde wären. Zu zweit eine Rinderherde mit Pferden in Schach zu halten, das ist mein Traum, mein Kinderwunsch, mein persönlicher „Brokeback Mountain“.

Sobald die Herde unserer Pferde ansichtig wurde, schwelte wildes Brüllen und Muhen über die Wiese auf und ab, denn sie wussten, was jetzt kommen würde. Sie stürzten mit hocherhobenen Schwänzen auf uns zu, buckelten und schlugen aus, hüpften herum wie junge Ziegen. Der Seite 18


Tumult und die Aufregung über das bevorstehende Ereignis übertrugen sich auf uns und unsere Araber. Das Abenteuer konnte beginnen, sobald der Bauer den letzten Zaundraht an seiner Weide durchgeschnitten hatte.

Die ersten Tiere stürzten sich in die saftige Mähwiese außerhalb des Zauns. Jetzt kam Bewegung in unsere Araber. Pfeilschnell, als hätten sie nur darauf gewartet, schossen sie durch das hohe Gras, stoppten vor den behornten, breiten Schädeln der Rinder und drängten die hungrigen, störrischen und unwilligen Rindviecher mit Körpereinsatz auf dem schmalen Wiesenweg zusammen. Dann setzte sich Astrid mit Sharif an die Spitze des Zuges und ich hielt von hinten mit Samson die Ausreißer in Schach, so gut ich konnte. Wichtig war die Herde in Trab zu halten.

An der ersten Bachfurt jedoch stoppten die Tiere plötzlich und beäugten das fließende, glitzernde Unbekannte vor ihren Beinen. Ob die erste Kuh einen „Renner“ bekam oder sich selbst ein Herz nahm und lossprang, konnte ich von hinten nicht ausmachen. Sie folgten Astrids Sharif bei Fuß. Hinter einem kleinen Stall neben dem sich eine Nachbarin verschanzt hatte, und wild fuchtelnd die Blondinen von ihrem Garten fernhalten wollte, teilte sich die Herde wie ein Strom flüssiger Lava an einem festen Hindernis. Ein Teil pflügte unaufhaltsam durch den Acker und die bauchhohe Wiese, der andere Teil beschloss umzukehren und zur Heimatweide durch zu brechen. Sharif schoss in weitem Bogen um die Spitze und lenkte die Ausreißer in ein Waldstück. Derweilen verbarrikadierte mein Samson die Furt mit biblischer Gelassenheit und zwängte die Kühe wieder in die richtige Richtung. War das ein Spaß und eine Freude auf diesen Pferden zu sitzen.

Als wir die Herde wieder in Schwung gebracht hatten, trottete sie brav auf den Waldwegen zur nächsten Ortschaft. Entlang der Gartenzwergwohnlandschaft, ohne einem Zwerg auch nur ein Haar zu krümmen, auf der Landstraße, an einer galoppierenden Kuhherde vorbei, die sich uns offensichtlich anschließen wollte, über frisch eingesäte Baulote kamen wir unserem Ziel schnell näher, nicht wissend, dass uns die größte Mutprobe noch bevorstand. Seite 19


Gut vorbereitet - wie wir dachten - hatten wir am Vortag einen Teil des Zauns der Sommerweide entfernt und die letzte Teilstrecke durch ein Waldstück vorgesehen. Doch die Blonden dachten anders und stellten kurzerhand unsere Streckenplanung auf den Kopf. Sie entschieden sich für die kürzere Route zum eigentlichen Tor. Es war unmöglich eine galoppierende, ausreißende Herde Urlaubsfreudiger so knapp vor dem Ziel umzudrehen, so setzte sich Samson an die Spitze und bremste die Tiere ein. Krampfhaft überlegte ich, wie ich die Herde stoppen, vom Pferd springen, den Karabiner öffnen, die Kette ausfädeln und das Tor zur Weide aufstoßen konnte.

Unmögliches möglich zu machen, ein Wunder herbeisehnend, stellte ich Samson auf der Straße quer zur Herde, im Herabspringen bat ich ihn „Steh!“, sprintete zum Tor -ohne mich umzusehen- und nestelte an der Torkette herum. Als ich endlich das Tor aufstieß und mich umdrehte, stand „Er“ mit am Boden hängenden Zügel vor der brüllenden Herde bewegungslos aber nicht unbewegt, gefrorene Energie, zu Stein erstarrter Vulkanit. Er versperrte dreißig schnaufenden, wild mit ihren Glocken um sich schlagenden Rindern den Weg in die unbegrenzte Freiheit, allein durch seine Ausstrahlung, seine Persönlichkeit, seine Überlegenheit und Coolness.

Die Rinder bogen gemächlich in die Weide ein und verstreuten sich grasend in der Landschaft.

Ich war baff, überwältigt, hingerissen und fühlte mich geehrt mit diesem Partner zusammen meinen Traum erfüllt zu haben. (Und wer weiß, vielleicht war es ja auch seiner.) Das Glücksgefühl, die Anerkennung von Samsons Stärke und ein tiefes Drücken in der Brust atmete ich ein und nahm es mit auf unseren langen Heimritt. PS: Wir haben keinen Urlaub, keine Ferien und wenig Freizeit, aber wir erleben Abenteuer, wie sie die meisten Menschen nur im Kino sehen, in Büchern lesen oder in ihren Träumen „wahr“ machen können. Vielleicht wäre es auch des Bauern Traum gewesen, seine Tiere würden in Zweierreihen hinter seinem Traktor zur Weide schreiten, aber das hätte nichts mit meinem Traum zu tun gehabt, Seite 20


- dem Blondvieh sei Dank!

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Das Schicksal

Der Jäger schlich am Waldessaum, - da wird er einen Hochsitz bau’n! Flugs kletterte er rauf den Baum, möcht’ weit ins Land hinunter schau’n. Doch währt nur kurz der Jägertraum, denn sein liebster Hochsitzbaum war innen schon ganz braun. - Der Wind hat ihn entzwei gehau’n. Der Schnee begann gerad zu tau’n. Schon wollte ich die Leiter klau’n. Da lag der Jäger, unter ´m Baum nicht wirklich schön, so anzuschau’n. Und was von ihm noch war der Rest, den Krähen war’s ein großes Fest. Und die Moral zu guter letzt: Die Füchs’ und Hasen wissen jetzt, dass die Natur, mit sich nicht spaßen lässt.

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Die Leiter ließ ich lieber dort, und auch den Jäger, an seinem letzten Ort, nahm keiner fort. – „Petri Heil!“ war wohl sein letztes Wort.

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Veranda, meine Veranda Oh Veranda, Veranda! Ruhelos die Nacht und müde der Tag breitet sich aus all die Mühsal und Plag. Die Schwere sinkt eisern durch Geist - ohne Rast, Mein Herz hebt sich steinern vom Zwang und der Last. Veranda, Veranda! Lege ich mich mittags nieder, singen Vögel kühne Lieder aus den alten Zwetschkenbäumen von gelebten Liebesträumen. Das Singen und Schwingen ist weich und rein, und mit ihm der Friede des Schlafs kehrt ein. Veranda, Veranda! Der Sonne glühender Ball fängt mich in wärmendem Wall. Durch die geschlossenen Augenlider ins tanzende Orange der Dinge ich schau, und blinzle durchs Herz in das knisternde Blau des Himmels, - wenn sie sich öffnen wieder. Veranda, Veranda! Die liebste Strophe in diesem Gedicht schreibt mir wohlig die Sonne ins Gesicht, glättet die ziehenden Falten, mit warmem Licht stellt Gefühle, Gedanken in andere Sicht. Ich verliere meine Sorgen überlasse sie dem Morgen. Veranda, meine liebste Veranda! Meinen Kopf lege ich sanft in deinen Schoß nur um zu rasten, einen Mittagsschlaf bloß. Hier finde ich Trost unter deinem Dach und Freude und Mut steigen ihm nach. Im Giebel hör’ ich auf dein Herzgepoch oder ist’s der Holzwurm, wer weiß das noch? Feine Beine der Spinnerinnen wickeln ihr Garn zu einem weichen Bogen, und die Zeit, die mir bleibt, in leisen Wogen spür’ ich in dir, wie Wind durchrinnen.

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Blick aus dem Wohnzimmer Warten auf ein Beben Stellen sie sich die gemütliche Pensionistengarconniere im Villacher Eisenbahnerwohnheim vor. Hinter der immer verschlossenen Wohnungstüre, das Namensschild entfernt, man(n) weiß ja nie, einen Eingangsbereich mit Sporttasche und dem Golfschläger „da schau her“. Die Lauf-, Wander- und Bergschuhe säuberlich auf einer weißen „Tacken“ ( Unterlage) aufgebahrt, darüber die zwei unzertrennlichen, Goretex und Sympatex, traulich nebeneinander am Haken aufgehängt. Durch das schummrige Milchglas leuchtet verheißungsvoll die Nachmittagssonne in den sonst düsteren Raum. Die Klinke herunterdrückend, durchschreitet man(n) die Wohnzimmertür und steht überwältigt vor dem Allerheiligsten, - nein, nicht der Flatscreen, die steht daneben, auf gleicher Höhe, sozusagen Aug in Aug mit „ihm“, dem Fenster zum Dobratsch, dem Ausblick zum Hausberg, der Öffnung zum Hort unendlicher Freuden, dem bestgehütetsten Schatz der Villacher. Ein Naturjuwel ohne gleichen, - aus der Ferne betrachtet. Der erhabene, die Villacher über alle anderen erhebende, Ausblick, ist umrahmt mit zwei kikafarbenen Vorhängen. Wozu? Man(n) kann seinen erhabenen Anblick vielleicht nicht immer ertragen? Möglicherweise lässt sich das Villacher Kurzzeitgewissen leichter überbrücken, wenn Vorhänge zugezogen und Jalousien herabgelassen werden können, - vor seiner Heiligkeit.

Seine vorwurfsvollen Furchen und Falten in seinem alten Gesicht lassen erahnen, er hat schon bessere Zeiten gesehen, der Dobratsch . Zeiten, in denen nicht die autobesessene Bevölkerung vom Ungeborenen bis zum Urgroßvater, ihre tägliche „Wohlfahrt“ auf der ausgebauten zweispurigen „Panorama“ genossen. Zeiten, in denen noch keine Harvester, Forwarder und Bagger ihre Zähne in sein Haupt gruben und Kahlschläge darauf hinterließen. Zeiten, in denen keine Naturparkverwaltung die Natur möbliert hat, wie das besagte Wohnzimmer aus dem Einrichtungshaus zu seinen Füßen. Zeiten, in denen keine „Ranger“ die Besucherströme lenken mussten und kein Parkplatzleitsystem, überstrapaziert, zu bösen Zeitungsmeldungen Anlass gab.

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Besucherströme lenken, um die Natur zu schonen? Rast-, Park- und Grillplätze einrichten? Aussichtsplattformen ausrichten? Künstlerische Wohlfühloasen herrichten, um was zu erkennen, was zu vermitteln? Der Naturpark war einmal und die Natur war einmal gewesen. Mit Natur und Naturpark hat diese Ausstaffierung des Dobratsch nichts mehr gemein. Natur und Naturpark sind missbrauchte Werbeträger für

Freizeitindustrie, Lokalpolitik und Eventtourismus, verbrämt mit dem Klischee niedlicher,

natürlicher „Nützlinge“. Natürlich - welche Ironie liegt in diesem Wort- wir erhalten Natur, im „Alpengarten“ Parkplatz 6, zum Beispiel, oder die Tischdekoration vom letzten Ausflug auf den Dobratsch auf Großmutters Spitzendecke ausgebreitet vor dem Allerheiligsten, dem Blick aus dem Wohnzimmer.

Armer zorniger Berg, schüttle doch den erbärmlichen Schmutz ab, wie du es uns schon einmal anno 1348 gezeigt hast. Deine Erhabenheit gewinnst du nur durch Respekt zurück und der, fehlt jenen ganz besonders. Jenen, die dein Antlitz vergrämen mit „Ich bin immer erreichbar“- Masten und „Ich will höher hinaus“ - Stellungen, mit bunten Sonnenschirmen auf der Halbschuhterrasse im neu designten Gipfelhaus, jenen, die scheinheilig die Natur an Fitness verkaufen, die deine Erhabenheit zur Aussichtsplattform für „Schöner Wohnen“ machen, jenen die von dort oben auf ihre „Errungenschaften“ gewissenlos nieder schauen, auf die Dunstglocke über Villach, auf den orange leuchtenden Frachtenbahnhof und auf die tiefen Narben der Autobahnen. Jenen halte deine zerfurchte Stirn böse entgegen und lehre sie Respekt und Demut vor einem Riesen zu haben. Strecke deine große Zehe ein wenig nach Villach, reibe deinen Rist an Fürnitz und Arnoldstein und drücke deine Ferse in Nötsch fest in den Boden. Das Allerheiligste gewänne seine unermessliche Größe zurück, der Erhabene seine Ehre, die Menschen Respekt und Demut. Die Naturparkverwaltung in Natur aufgelöst, die Wohnzimmervorhänge zerrissen, die Tischdeko zerstreut, das Milchglas zerschmettert am Boden und durch die geborstene Eingangstüre entfaltet sich endlich der freie Blick auf Dich.

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… reden wir vom Chaos!

Um ihnen einen besseren Einblick in meine Arbeit mit den Ziegen und die dazugehörende Auseinandersetzung mit universellen Ansichten und verschiedensten Horizonten zu geben, habe ich mir ein paar Zeilen zum Chaos in der Ziegenwelt zusammengekäst.

Warum gerade das Chaos in der Ziegenhaltung einen wichtigen Parameter darstellt, möchte ich ihnen mit einigen Anekdoten darlegen.

Mein Mann denkt wie ein Mann und lebt wie ein Mann und ich denke wie eine Frau und lebe wie eine Frau. Also alles in bester Ordnung, könnte man meinen?

Sie wissen ja selbst, da ist nichts, aber auch gar nichts in „bester Ordnung“. Vielmehr muss ich das Chaos als Gegenstück zur „besten Ordnung“ meines Mannes betrachten, um zu erkennen, wie letztendlich mein Chaos seine Ordnung schafft.

„Bring Ordnung und System in deine Arbeit! Du bist zu chaotisch,“ sagt mein Mann. Ja! Alles im Chaos unterliegt der Entwicklung neuer Ideen, der Suche neuer Wege und dem Aufbruch zu neuen Ufern.

Chaos ist der Treibstoff, der mir Impulse verschafft, mich beschleunigt und mich an mein Ziel bringt, urknallmäßig irgendwie.

Chaos als positive, schöpfende Kraft zu verstehen, ist eine Aufgabe, die unseren Alltagshorizont oft übersteigt.

Sie kennen vielleicht den „Schmetterlingseffekt“ aus der Chaosforschung, der besagt, dass ein einziger Flügelschlag eines Schmetterlings einen Wirbelsturm auslösen kann.

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Solche Situationen erlebe ich immer wieder in neuen Varianten mit meinen Ziegen.

Alleine die alltägliche Aufgabe die lieben Geißen morgens geordnet auf den Melkstand zu bringen, unterliegt dem Flügelschlag eines Schmetterlings, oder der kaum wahrnehmbaren Stimmungsschwankung in meiner Stimme nach einem Glas Rotwein zuwenig, - am Abend davor, oder einer klitzekleinen Verzögerung im gewohntem Ablauf der immer wiederkehrenden Arbeitsumläufe. Und die Geißen toben durch den Melkstand, wie eine Windhose durch die Prärie und hinterlassen eine Spur der Verwüstung.

Oder die neue Weide, frisch eingezäunt, mit jedem Ziegenparadies vergleichbar, liegt sie da und wartet von den Mäulern genüsslich abgerupft zu werden. Und doch erscheint sie an manchen Tagen unerreichbar in weite Ferne zu rücken,

wenn meine Damen

vom

Schmetterling erschreckt, das Weite suchen und den ihnen vorbestimmten Weg zum Garten Eden verlassen und ich schwitzend hinterher hetze, um sie wieder ein zu fangen.

Manchmal, ich stehe unter der Anspannung einer Mutter, den Pflichten einer Hausfrau, der Arbeitswut einer Sennerin und dem Glück einer Ehefrau -schon wieder Schmetterlinge, aber diesmal im Bauch, - manchmal ich muss auch noch zur Bank, um dem Chaos am Bankkonto Einhalt zu gebieten, ich komme chaotisch und abgehetzt, gestresst, genervt und überreizt zu meinen Tieren und erwarte, schlimmstes Unheil über mich hereinbrechen.

Und siehe da, auch jetzt schlägt das Chaos wieder alle meine Erwartungen in den Wind, - den vom Schmetterlingsflügel verursachten Wind.

Meine Lieblinge erklettern erhaben den Melkstand, beschreiten die abgefressene Weide mit unheimlicher Gelassenheit und mit der Ruhe der überlegenen Art, im Wissen, dass das Chaos aus ihrer Sicht natürlich – eh bald wieder für Ordnung sorgen wird…

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Aus meiner Sicht habe ich erkannt, dass mein Mann Recht hat, wie immer, wenn er über die chaotischen Zustände in meinem Ziegenuniversum den Kopf schüttelt. Doch wie der Schmetterling erkennt auch mein Mann seinen Einfluss auf das Chaos nicht, und das ist vielleicht auch besser so, denn dann würde es wirklich chaotisch werden.

Und zuallerletzt entsteht aus diesem Chaos das Neue, das Unverwechselbare und Einzigartige in jedem Stück Käse, weswegen ihr ja die Reise aus der Unendlichkeit zu uns auf euch genommen habt.

Dem Chaos sei Dank!

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Die Weihnachtsgänse Durch was unterscheidet sich der gute Bauer von der übrigen Bevölkerung? Durch den Hintergedanken! Nichts, aber auch gar nichts, ist so sehr in sein Fleisch und Blut übergegangen. Ohne Hintergedanken steht er nicht einmal auf, weshalb man so wenig gute Bauern in der Früh im Bett liegen sieht. Sein ganzes Tun und Schaffen ist darauf ausgerichtet, mit Hintergedanken sein Leben und das seiner Lieben zu erfüllen.

Wenn sich zum Beispiel ein Bauer freundlich einem fremden Gast zuwendet und ihn herablassend mit einem kurzen Kopfnicken und einem unverständlichem Gruß in seinen Bart gemurmelt, willkommen heißt, dann kann sich der Fremde sicher sein, dass er gerupft wie eine Weihnachtsgans den Hintergedanken dieser Freundlichkeit wird bezahlen müssen.

Und damit wäre ich auch schon bei meinen Hintergedanken, den Weihnachtsgänsen und der Erkenntnis, dass ich ein schlechter Bauer bin, der zwar mit Hintergedanken aufsteht, doch beim Schlafengehen erkennen muss, dass die letzte Konsequenz bei der Umsetzung gefehlt hat.

Um die großen Mäuler meiner lieben Familie zu Weihnachten mit Gänsebraten zu stopfen, verfiel ich dem Hintergedanken, zu Ostern drei junge Gänse meinen drei kleinen Söhnen zur Aufzucht zu überlassen. Sie sollten Verantwortung übernehmen lernen, die Liebe zu den Tieren sollte geweckt werden, ich wollte ihnen Pflichtbewusstsein für die Pflege und Obsorge anerziehen und sie sollten auch ihren Spaß an den Tieren haben. Allerdings erlosch das anfängliche Osterfeuer für die Tiere bald – vorhersehbar und auch ein einkalkulierter Hintergedanke - und meine Frau und ich mussten uns um die heranwachsende Gänseschar selber kümmern. Wir trugen sie in der warmen Wolljacke spazieren, wenn sie nass und zitternd in der Badewanne saßen, fütterten sie aus der Hand mit allerlei Leckerbissen, bis sie uns selber bissen, und beschützten sie den ganzen Sommer vor Füchsen, Greifvögeln und unseren Söhnen, wenn sie gerade einmal Jagd auf sie machten. Die prächtigen Vögel wuchsen schnell heran und eroberten alles in ihrer Reichweite mit kräftigen Flügelschlägen und scharfen Schnäbeln. Unsere Kinder flüchteten mit den Fahrrädern die Einfahrt hinunter, wenn sie konnten, die Nachbarn verschanzten sich im Auto und hinter dem Telefon, wenn sie uns einen unumgänglichen Besuch abstatten mussten, und unsere Hunde waren froh, den versperrten Seite 30


Hundezwinger als gänsefreie Zone für sich zu haben. Selbst die Landstraße vor unserer Einfahrt zum Hof war nicht mehr sicher. Unser freundlicher Buschauffeur, der geduldig ausstieg und die Gänse von der Straße scheuchen wollte, musste sich, um sein Leben bangend, in den Bus retten und sich hinter der hydraulischen Türe verschanzen. Alles ertrugen wir ohne Murren und wenn und aber. Wenn aber der Tag, der Weihnachtstag, gekommen war, wäre das der Tag, an dem es kein „aber“ mehr geben würde, das schwor ich mir, als guter Bauer mit Hintergedanken.

Nun die Weihnachtszeit nahte und die Gänse waren fett.

Doch mein Hintergedanke sah sich plötzlich mit einem neuen unbekannten Gegner konfrontiert, dem Gewissen. War das ein Kampf der Giganten. Hin und her gerissen, tobten die Fronten in mir. Unterstützt noch von meiner Frau gewannen das Gewissen, die Gänse und der Weihnachtsfriede langsam die Oberhand über mich, meinen Hintergedanken und den guten Bauern. Im Familienrat, den ich zur Abwälzung der Verantwortung mir und dem Hintergedanken gegenüber, einberufen hatte, stimmten wir ab über Tod und Leben. Und das zu Weihnachten! Sie können sich leicht vorstellen, wie die Abstimmung ausgegangen war, einstimmig.

Meine Niederlage, von der sich der gute Bauer in mir nur schwer erholte, fand von nun an ihre Fortsetzung bei jedem Lebewesen auf unserem Hof. Doch hätten wir nicht ein Jahr später, zu Weihnachten, bei Salzburg einen bekannten Gnadenhof besichtigt, dann wäre ohne wenn und aber meine Anwartschaft auf den guten Bauern mit Hintergedanken in den Kinderschuhen stecken geblieben. Und die Gänse wären entweder auf dem Gnadenhof gelandet, was ich nicht glauben konnte, da sie dort mit Sicherheit das Weihnachtsgeschäft mit den Eintrittskarten stillgelegt hätten, oder Weihnachten ist, was es ist und was es war, ein friedliches Fest mit Gänsebraten.

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Die Weihnachtskrippe Eine hölzerne Futterkrippe im winterlich kalten Stall voll mit von der Sommersonne geküsstem Heu, weckt Erinnerungen an das Blühen auf dem, vom schweren Duft der Kräuter, Blumen und Gräser schwellenden Rahn und legt sich schwer auf das Gemüt. Wer legt sich da nicht gerne in dieses irdische Paradies der Krippe und ins Heu und träumt von Wärme, Licht und Frieden. Vergessen sind die vom Schweiß am Körper klebenden Hemden, der vom Heuen krumm gebeugte Rücken und die Blasen an den Händen. Es ist Weihnachten und das Malen und Wiederkauen der vielen Mäuler im Stall erklingt in den Ohren jener, die geheut, geschwitzt und gelitten haben, wie die Geigen der Engel im Dachgebälk der einen Krippe, in der Ochs und Esel sich dieses Heu mit dem Kind teilten. Und dann kommen die Hirten, einer nach dem anderen zur Krippe, zum Heu, zum Ochs und dem Esel, und fragen und staunen und wundern sich, wie alle Gemüter zu Weihnachten. Und den Fragen und dem Staunen der Kinder und dem Weihnachten muss man eine Krippe gegenüberstellen, mit dem Heu, dem selbst geheuten. Also eine Weihnachtskrippe muss her. In Wien in der Josephsstadt war der Ochs und der Esel sehr schön von einem Computer in Ungarn gefräst und konnte jederzeit nachgeliefert werden, wie alles andere auch, bei Bedarf, wie mir der Verkäufer versicherte, wenn die Kinder das filigrane Spielzeug entdeckten und etwa damit spielen sollten. Mit dem Heu in der Krippe wusste der Verkäufer sowieso nichts anzufangen und so ging ich weiter. Der Muttergottesschnitzer zuhause wollte keinen Ochs und Esel zum nackten Jesus und dem göttlichen Paar schnitzen, nur Engel, ganze himmlische Heerscharen, alle recht gut im Futter, wie ich fand. Weil, die Rohlinge der Figuren bestellte er im Internet und nach Ochs und Esel wurde nicht oft gefragt und ohne Ochs und Esel brauchte man auch kein Heu. Aha, da ging ich wieder. Und die Jahre gingen auch dahin und meine Kinder wurden Hirten und die Krippe und das Heu immer dringender. Eines Abends im Advent, Gott und Peter hatte Einsehen mit meinem Wunsch, trabte ein Ochs daher, der aussah wie unser Hochlandrind, breit und satt, ein Esel, dem der Rücken vom vielen Schleppen in den Kniekehlen hing, ein Schaf, dessen gewundene Hörner denen unseres Heidschnuckenwidders in nichts nachstanden, ein Joseph mit seiner Seite 32


Maria, so eng umschlungen wie man sich das in dieser Stunde nur vorzustellen vermag und ein Storch. Wozu ein Storch, fragte ich Peter, den Erschaffer. Das hatte mein Jüngster so bestellt, und er wisse auch nicht warum. So stellten wir die Krippe mit dem duftenden Heu in die Mitte und drapierten die anderen Figuren darum, so wie es sich gehörte. Der Storch überragte alles und war wirklich eine dominante Erscheinung. Sein langer Schnabel stach in himmlische Höhen und ich überlegte, ob ich ihm vielleicht den Weihnachtsstern verpassen sollte. Ich wartete immer noch auf eine Erklärung, ein Erstaunen oder eine Frage meiner drei Buben bezüglich des riesigen Vogels. Doch da war nichts zu fragen, zu staunen oder zu erklären. Alle drei nahmen die Krippe, ihre Krippe, ganz selbstverständlich hin, auch den Storch. Jetzt war es an mir zu staunen und zu fragen. Als ich es nicht mehr aushielt, stand Jonathan auf, ohne ein Wort zu verlieren und brachte mir ein Buch, das ich den Kindern immer bevor das Christkind läutete, vorgelesen hatte, um ihnen die Zeit, bis zur Bescherung, die längste Zeit im Leben eines Kindes, zu verkürzen. Er schlug die letzten Seite auf, unbeachtet meistens, denn es war ja die letzte Seite und das Christkind läutete meistens früher, da brachte der Storch den Eltern ein Kind in Windeln gewickelt. Aus der Taube des Heiligen Geistes war in unserer Krippe der Storch geworden und half mit den „elteren Hirten“ die wahren Zusammenhänge auf einfachste Art und Weise zu erklären. Frohe Weihnachten!

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Papst Bernard in Österreich? Bernard Antony, weltweit bekannter Käsesommelier und raffinierter Käseaffineur, Hoflieferant vieler Fürstenhöfe Europas besucht am 13. Oktober zum wiederholten Mal die Käsehochburg Kärntens, das Gasthaus Bachler in Treibach Althofen. Gottfried Bachler, Gastgeber, Haubenkoch und selbst begeisterter Käsesommelier, vergleicht den hohen Besuch von Monsieur Antony mit: „ … der Audienz des Papstes bei einem Pfarrer“, - was den Käse betrifft. Mitgebrachte

französische,

gereifte

Delikatessekäse von Kuh, Schaf und Ziege, begleitet

von

erlesenen

Weinen,

charmant

präsentiert von Gottfrieds Ehefrau Ingrid und untermalt mit den launischen und kurzweiligen Schilderungen aus dem „beschwerlichen Leben“ unseres Monsieurs, lassen den Duft von Pans Genüssen in den lauen Abend entschwinden. Astrid Zerbst, die Newcomerin am Käsehimmel nutzt die Gunst der Stunde und stellt ihre Ziegenkäse „Pferdeapfel“ nach Art des Crottins de Chevre und den von „Moizas“ nach Art des St. Marcellin, Herrn Antony zur genussvollen Prüfung vor. Das Urteil des „Papstes“ fällt dem Beichtgeheimnis zum Opfer. Jedoch so viel ist den freudestrahlenden Gesichtern beider zu entnehmen, dass der Franzose keinen Kärntner Ziegenkäse dieser Haute Categorie erwartet hat. Und dass der Segen von oberster Stelle, die Genießer zu weiteren Gaumensünden verführen wird. Astrid Zerbst`s Hoffen und Bangen soll belohnt werden mit Bernard Antonys Prophezeiung:

„ …. und keine Bittrigkeit am Ende!“

www.ziegenkaese-gailtal.at Seite 34


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