Geschichten um den Bauernhof

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Geschichten um den Bauernhof Inhalt Wie alles begann: ....................................................................................................................... 2 Alles liegt im Auge des Betrachters ........................................................................................... 3 Diesel .......................................................................................................................................... 5 Lulu ............................................................................................................................................ 6 Rosalie, die Post ist da! .............................................................................................................. 8 Sputnik, der Indianer .................................................................................................................. 9 Wie das Sulmtaler Huhn zu seiner Federkrone kam ................................................................ 11 Wie unsere Ziegen zu ihren Namen kamen - und Sie zum K채se ............................................. 14 Lindenholz ................................................................................................................................ 16

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Wie alles begann: Tomte Tummetott, der Fuchs und ein alter Bauernhof im Naturpark Dobratsch. Oder: Wie durch die Integration der wilden Natur (in Gestalt des Fuchses), der friedlich schlafende Hof im Gailtal zum Leben erweckt wurde und dem Leben einen Sinn gab. Alles begann, wie im Buch, Tomte und der Fuchs, von Astrid Lindgren, auf einem verschlafenen Bauernhof im Gailtal. Ein paar Heidschnucken, zwei Pferde und wenige Hühner träumten beschaulich vor sich hin, als Astrid Fuchs aus dem Wald kam und dem Bauernhof über Nacht neues Leben einhauchte.

Heute leben eine Herde Heidschnucken, mehrere Vollblutpferde, Puten, Enten und Sulmtaler Hühner, drei Hunde und Katzen und vor allem vierzig weiße Edelziegen und Tauernschecken auf unserem Hof. Ein neuer Stall und eine Käserei erwachten aus ihrem Dornröschenschlaf und viele Tomte Tummetotts halfen mit. Wichtelworte raunten sie uns zu: „Viele Sommer und Winter sah ich kommen und gehen, Geduld nur Geduld“(Zitat: Tomte Tummetott, von Astrid Lindgren). Seite 2


Alles liegt im Auge des Betrachters Der alte Sadar, unser Nachbar, schaut vorbei: „Servas Veit!“ Veit und Sadar sind Vulgonamen. „Griaß di, Sadar“, - den kann ich jetzt gar nicht brauchen. Ich stehe im Hof und schneide schwitzend Holz für den langen kalten Winter. Sie wissen ja, Holz wärmt mehr im Sommer beim Schlägern, Schneiden und Schlichten in der Sonne, na egal. „Wast wos i jetzt mit da gonzn Nochbarschoft fürn Kriag hob?“, - das dauert länger, ich ziehe den Stecker der Kreissäge und die Handschuhe aus. Das „War’s“, - Krieg für heute! „Die Scheiß- Viecha, kana redet mehr mit mir“, - schimpft er jetzt die Nachbarn? Nachdem sein erster Redeschwall abgeflaut ist, stellt sich das ganze Ausmaß der Tragödie folgendermaßen dar. Seine lieben Hochlandrinder sind wieder einmal ausgebrochen und haben die Gärten und Höfe der Ortschaft heimgesucht. Alles zertrampelt und verschissen, verständlich, dass die Nachbarn die letzte Waffenruhe verletzt sahen. Um ihn zu beruhigen, verfiel ich auf ein bewährtes Mittel: „Trink ma a Achtel Rot!“ Langsam stapfen wir hinauf zur Veranda, wo man im Schatten die Welt verbessern kann, speziell mit Rotwein, „Heideboden“ vom Weingut Weiß, probieren Sie einmal. Um nicht die Wiese vor dem Haus mit dem Rasenmäher wöchentlich bügeln zu müssen, grasen meine Pferde vor der Veranda das Gras ab und ich kann meine Vorstellung einer heilen Welt von meinem Schaukelstuhl aus, genießen. Doch meinen lieben Pferden ist es auch zu heiß geworden. Sie sind nicht aufzufinden. Böses ahnend, betrete ich die Veranda und starre missmutig auf einen Haufen vor meinem Schaukelstuhl. Als ich aber durch die offene Verandatüre unsere Pferde im Wohnzimmer dösen sehe, bleibt mir doch die Spucke weg. „Was regst du dich über deine Viecher auf, die durch die Nachbarschaft spazieren, meine stehen im Wohnzimmer“, muss ich unserer Situation doch noch eine gewisse Komik abgewinnen. Zufrieden, angeheitert, schadenfroh und mit vielen Argumenten angereichert, verlässt mich der Sadar nach ein paar Stunden. Seite 3


Inzwischen ist die Sonne hinter den Bergen untergegangen und die Luft weht kühl vom Bach herauf. P.S. Das Rätsel mit den Pferden löst sich später beim Bearbeiten von Fotos, da habe ich Bilder meiner Frau entdeckt, wie sie mit Semmel die Pferde -zwecks besserer Darstellung- auf unsere Veranda gelockt hat, geht es Ihnen mit ihrer Frau auch so?

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Diesel Diesel, ein winzigkleines, schwarzes Lockenschaf, ohne Namen, von der Mutter verstoßen, auf der weiten Weide verloren, aber mit unbändigem Durst nach Milch und Leben, schloss mit meiner Frau Astrid einen Pakt. Zuerst versuchten wir, sie einer artspezifischeren Ersatzmutter unter zu schieben, indem wir das Lamm und die Hilfsmutter mit Diesel einrieben, daher der Name, um den MutterKindgeruch zu verdecken. Aber so eine Heidschnuckenmama lässt keine armen, hilfsbedürftigen, verstoßenen, hungrigen Lämmchen an sich heran, eher fliegen die Kleinen durch die Luft davon, wie Hatschi Bratschis Luftballon. Das reichte! Meine Astrid nahm Pflegeurlaub und schloss Diesel in ihr Herz. Und Diesel eroberte unseres, schlief im warmen Badezimmer, weckte meine Kinder auf, indem sie mit Anlauf auf die Bettdecke sprang, boxte unseren Border Collie von seinem Platz und fuhr mit dem Auto in die Schule. Dort saß sie mucksmäuschenstill unter meinem Schreibtisch, lehrte den Kindern anschaulich die Bedeutung alles Lebendigen, dass wir Verantwortung für unsere Mitbewohner auf der Erde übernehmen sollen, dass wir alle aus einer Familie, der der Säugetiere abstammen und erwartete zur Pause ihre Milch. Learning by doing eben. Manchmal „leckte“ sie, - nicht sich, sondern wie die Titanic, - aber niemals schiss sie auf die Schule. Oft tobte sie mit

den

Schülern im

Schulhof umher: „Wer hat Angst vorm schwarzen Lamm“. Später nach der mühsamen Integration in die Schafherde, vor allem für Astrid, lernte sie gemeinsam mit dem Border Collie die anderen Schafe zu treiben. Besucher erkannten unseren gelehrten Schafpudel erst auf dem zweiten Blick. Heute ist Diesel ein Mutterschaf, ein Vorbild der Heidschnucken ein Idol der Jungen und das bleibt sie bis an ihr seliges Ende. Seite 5


Lulu Welche unerwarteten Verwicklungen das Aufziehen von Lämmern mit sich bringen kann, liest du in dieser Geschichte. Wer viel trinkt, der muss müssen können. Das „Nomen est Omen“ –Schaf hieß deshalb Lulu. Lulu, aufgewachsen in unserem Wohnzimmer zwischen Couch und Kaminofen, war alt genug um zum Schaf im eigentlichen Sinn zu werden. Unsere Kuvasc – Hündin Kalinka, unser Herdenschutzhund, hatte sich liebevoll um sie gekümmert. So siedelten beide hinaus, - aus unserem Wohnzimmer. Lulu auf die Weide zu den anderen Schafen und Kalinka zurück in ihren Zwinger mit freiem Zugang zu den Wiesen. Jedoch Lulu schlief lieber in der Hundehütte,

eng

an

Kalinka

gekuschelt, als sich der Schafherde anzuschließen. In der Nacht, wenn Kalinka ihre Runden drehte und die Füchse von den

Weiden

vertrieb,

half

Lulu

engagiert mit und jagte mit hängender Zunge und pumpenden Flanken hügelauf und hügelab den armen Füchsen hinterher. Den ganzen Tag verschliefen dann beide erschöpft in der Hütte. Doch Lulu war ein Schaf, sie sollte doch Gras fressen, wiederkäuen und die Nächte im Schutz der Herde verbringen und – keine - Füchse jagen, oder? Als Lulu, mangels vernünftiger Ernährung – Gras gehörte nicht dazu- mit Kalinka das Hundefutter partnerschaftlich teilte, kamen mir – nicht das erste Mal – Zweifel, ob der versuchten Wiedereinbürgerung. Sollte ich dem Schaf ein gutes Beispiel geben und mich grasend auf die Wiese legen? Welche Verantwortung habe ich als Schaf, welche Pflicht auf unersetzbaren Erfahrungsaustausch, Seite 6


welche schafspezifischen Lernvorgänge, auf die Lulu ja angewiesen war, muss ich auf mich nehmen? Mir graute bei dem Gedanken an intelligente, Fleisch fressende, Raubtiere jagende und sich zusammenrottende Schafe in George Orwell`scher Tradition. Soweit wollte ich es nicht kommen lassen und beschloss eine Radikalkur zum Schaf. Ich trieb die Herde auf eine abgelegene Weide, ohne Hund und ohne Hundefutter, überließ Lulu der Schafherde und gestattete den Füchsen ihr angekratztes Image als gefürchtete Raubtiere wieder instand zu setzen. Obwohl ich anfangs noch Angst, unbegründet oder nicht, um Lulu hatte, war mir wohler bei der Tatsache, dass aus dem Lamm Lulu ein richtiges Schaf wurde.

P.S. Welche Hoffnungen und Schlüsse ihr als Eltern pubertierender Kinder aus dieser Geschichte zieht, sei dahingestellt, - aber ein Gedanke wert.

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Rosalie, die Post ist da! Rosalie, auch ein verschmähtes Leben aus unserer Heidschnuckenherde bekam eine Tagesmutter, nachdem wir beide berufstätig waren. In der Früh brachte meine Frau, Rosalie zu unserer Nachbarin Fini, die sich gerne mit ihr unterhielt, ihr aus ihrem Garten Leckerbissen reichte und mit ihr Spaziergänge unternahm. Zu Mittag legte sich Rosalie auf die Bank vor dem Haus in den Schatten und döste vor sich hin. Hörte sie meinen alten braungelben Golf die Straße runter rumpeln, sprang sie auf und lief mir entgegen. Dann öffnete ich die Autotür und sie setze mit einem Satz auf den Beifahrersitz und wartete mit großen Augen, dass wir nach Hause fuhren. Schön, dass ich das erleben durfte. Eines Tages jedoch, ich hatte mich verspätet, stellte die Postlerin die Post meiner Nachbarin zu. Rosalie beobachtet unsicher das Auto. Als sich die Postlerin ins Auto setzte und los fuhr, sprang Rosalie auf und sprintete dem gelben Lieferwagen hinterher. Im Rückspiegel sah die Frau ein schwarzes Lamm hinter ihr her jagen. Außer Atem sprang Rosalie am stehen gebliebenen Auto hoch. „Du darfst mich doch nicht vergessen!“ Seitdem stellte die Österreichische Post entlaufene Lämmer zu – und das unfrankiert und gebührenfrei.

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Sputnik, der Indianer Ob sie es glauben oder nicht, einmal, in den Bergen auf einem Bauernhof in Osttirol entdeckte ich „Indianer“. Richtige Indianer mit schwarzweißen Federn, roten Köpfen, echte Rothäute eben, amerikanische Ureinwohner reinsten Blutes. Sie konnten sogar ihre Kriegsbemalung von türkisgrün auf hellblau umfärben, wenn sie die Luft anhielten. Am Hals trugen sie ein Amulett aus schwarzen langen Haaren, einem Skalp nicht unähnlich. Ihre langen Beine waren verwachsen mit Leggins aus schuppiger Schlangenhaut. Sie schlichen sich lautlos an und brummten wie der Grizzly hinter meinem Rücken, dann glucksten sie vor Schadenfreude, wenn mir mein Bleichgesicht in die Hose gerutscht war. Beeindruckende Krieger, stolz und unnahbar, beobachteten sie mit Adlerblick argwöhnisch den Himmel. Der Adler war ihr Feind, auch anderes Raubzeug musste sich in Acht nehmen.

Diese Indianer wollte ich unbedingt für die „Dozen Creek“ Ranch gewinnen. („Dozen Creek“ steht für: Bach 12 - unsere Adresse). Nach langen, zähen Verhandlungen und viel Feuerwasser am Lagerfeuer begleitete mich die wilde Schar nach Hause. Am nächsten Abend war der Häuptling verschwunden. Nur die Squaws saßen unbeeindruckt vor ihrem Lager. Von ihnen war nicht zu erfahren, auf welchen Raubzug ihr Krieger ausgeschwärmt war, das mochte wohl an den Sprachschwierigkeiten liegen, oder sprechen sie indianisch? Vergeblich suchte ich die Weiden ab, bis es dunkel wurde. Nicht die leiseste Spur des Abtrünnigen war zu entdecken. Am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang, ich mistete gerade die Ställe aus, wurden die Squaws unruhig und liefen geschäftig vor dem Stall auf und ab. Mit hochgereckten Hälsen starrten sie die Sonne an, die sich gerade über das Dach wälzte. Etwas verwundert, über ihren fremdartigen Sonnentanz, trat ich hinaus in das gelbe Licht. Geblendet und blinzelnd Seite 9


erkannte ich einen Schatten auf dem Dach. Da oben saß er, mein vermisster Häuptling, und verschaffte sich einen Überblick über sein neues Stammesgebiet. Manitu sei Dank landete unser Puter sicher auf dem Hof, als der Hunger größer wurde und seine Squaws auf den Mais einhackten. „Sputnik“ wurde bald mein Liebling und hauchte unserer Ranch Wildwestromantik ein, wenn er sich wie ein Geier erstarrt auf den Holztoren, Zäunen und Dächern zur Schau stellte.

Puten oder „Indianer“, wie sie am Land genannt werden, ziehen mit unseren Hühnern über die Wiesen und verscheuchen durch ihr urtümliches Aussehen und ihre Größe Raubvögel und andere Angreifer aus der Luft, wie Drachenflieger oder Paragleiter.

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Wie das Sulmtaler Huhn zu seiner Federkrone kam eine Geschichte zum Vorlesen, inspiriert von meinen Hühnern für meine Kinder Christoph Zerbst

Vor langer Zeit schickte der Kaiser von Österreich, der ein kluger Mann war, seinen Sohn durch die Erbländer um zu lernen. Eines Tages fuhr die königliche Kutsche in der südlichen Steiermark durch das Sulmtal, als ein Rad zerbrach und der Kutscher Hilfe holen musste. Des langen Wartens müde, machte sich der junge Kaiser auf und spazierte zu einem Bauernhof in der Nähe. Da bemerkte er eigenartige, hellbraune Vögel, die hierhin und dorthin liefen und sich gar nicht um ihn kümmerten. Eines jedoch scharrte direkt zu seinen Füßen in der Erde herum und gackerte frech: „Du stehst im

Weg!“.

Der

junge

Kaiser

machte

erschrocken einen Schritt zurück, hatte er doch solche Vögel noch nie gesehen. „Was suchst du denn da?“, fragte er verwundert. „Ich suche die klügsten Regenwürmer für unseren Kaiser“, gockelte der Vogel und hieb mit kräftigen Tritten in einen dicken Batzen Pferdemist. Der Mist spritzte nur so auseinander und legte sich fein zerkrümelt auf die Erde, - und auf die Schuhe des Kaisers. „ Ich sehe keine Regenwürmer und schon gar keine klugen“, rief der Kaiser erbost. Der Vogel betrachtete ihn mit seinen klugen Knopfaugen und schief gelegtem Kopf und meinte versöhnlich: „Schau ich verteile den Mist auf den Feldern damit die Regenwürmer unter der Erde Dünger erzeugen. Einige fresse ich auch, aber nur die klügsten. Die, die ihre Köpfe aus der Erde strecken und wissen wollen, wie es oben aussieht. Seite 11


In der gelockerten Erde wächst das Getreide fürs Brot viel besser. Auf den Wiesen verteile ich die verschiedenen Samen der Gräser, Kräuter und Blumen. Da findet dann jedes Tier, was ihm schmeckt, Kräuter und Blätter für die Ziegen des Bauern, die langen hohen Gräser für die Pferde und die kurzen für die Schafe, und die Misthaufen verteile ich dann auf den abgefressenen Wiesen und Feldern“. Der junge Kaiser war beeindruckt und sah sich um. Der Vogel hatte recht, - überall blühten die Wiesenblumen, die Bienen summten, die Schwalben jagten Mücken im Tiefflug, die Schmetterlinge schaukelten auf den Halmen, die kleinen Hasen versteckten sich unter den Blättern der Kräuter und die großen Tiere standen mampfend und schmatzend im grünen Futter. Das Getreidefeld versprach eine reiche Ernte und der Kaiser wusste, dass auch ein Teil des Getreides für ihn bestimmt war und er freute sich. Inzwischen hatte sich der Vogel wieder einen neuen Misthaufen gesucht und bearbeitete ihn unermüdlich. Dankbar und nachdenklich sah ihm der Kaiser zu und fragte dann: „Woher weißt du das alles?“. Der Vogel zog einen langen Wurm aus der Erde, warf stolz seinen Kopf hoch und schluckte den Wurm hinunter. „Meine Ur-Ur-Urgroßeltern kamen mit dem Schiff aus Amerika und lange Zeit saßen sie in Käfigen und Volieren in vielen Fürstenhöfen Europas auf der Stange. Wir waren wenige und sehr wertvoll, unser Federkleid war bunt und schillerte und erfreute die Könige und Fürsten. In Amerika setzte man den Königen sogar Kronen aus unserem Gefieder auf. Doch meine Urgroßeltern waren traurig in ihren prachtvollen Käfigen. Sie wollten im Sand baden, am Boden scharren, Nester bauen, auf Bäumen sitzen, hierhin und dorthin laufen und vieles mehr. So beschlossen sie, viele Eier zu legen und ihren vielen Kindern die Flucht zu ermöglichen. Einigen gelang das auch, andere wurden an die Gärtner verkauft und die tauschten sie bei den Bauern ein. Und so kamen wir hier her, und jetzt dürfen wir so leben, wie wir es uns immer gewünscht hatten.“ Ergriffen hob der junge Kaiser ein paar kleine Federn vom Boden und steckte sie dem Huhn an den Kopf. „Zum Dank dafür, dass du dem zukünftigen Kaiser ein kluger Lehrer bist, tragen du und deine Nachkommen vom heutigen Tag an eine kaiserliche Federkrone auf dem Kopf.“

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So wurden die Sulmtaler H端hner in den Adelsstand der H端hner gehoben und in den kaiserlichen Kochb端chern f端r alle Ewigkeit ob ihrer Klugheit und des guten Geschmacks wegen gelobt und gepriesen.

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Wie unsere Ziegen zu ihren Namen kamen - und Sie zum Käse Zu Anfang hatten wir eine Ziege, eine

Tauernschecke,

mit

dem

Namen Gitta. Sie lief zusammen mit den Schafen auf der Wiese und fraß - auch nur Gras. Gitta, hieß meine Tante aus Ulm und ich fand, der Name passte gut zu

meiner

Vornehm,

Tauernscheckenziege. ihrer „Hohen Tauern -

Abstammung“ bewusst und auf ihren Rang in der Herde bedacht, stellte sie dem Widder und den anderen Schafen der Herde jedes Jahr ihre Jungen vor. Dieses Schauspiel genoss ich und der Vergleich mit unserem jährlichen Familientag, wenn meine Tante ihre Töchter herausgeputzt hatte, sei mir gestattet. Einige Jahre später vergrößerte sich unsere Ziegenherde dramatisch. Wir kauften eine Herde reinrassige persilweiße Deutsche Edelziegen. In unserem nicht ganz rein deutschsprachigen, mit nicht ganz persilweißer Weste dastehendem Land Kärnten, sahen wir es als unsere Pflicht an – aufgrund der Einbürgerung einer deutschen Rasse - zum „kärntnerischen Gleichgewicht“, einen Beitrag zu leisten. Wir verbrämten unsere Deutsche Edelziegen mit verdrängten, ungeliebten, jedoch bodenständig alten, slowenisch-windischen Namen aus unserer nächsten Umgebung und Nachbarschaft. Diese bäuerlichen Wurzeln in den Namen von Moiza, Tonka, Zia, Liza, Mirza, Urscha, Apolonia und Franza halten nun die Waage zu den ursprünglich unbenannten nur mit gelben Ohrmarkennummern etikettierten, rein deutschen Rasseedelziegen. Natürlich haben die Namen eine Entsprechung im Deutschen, doch soll dieses eine Mal, auf die deutsche Umbenennung, verzichtet werden.

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Damit hoffen wir, der ess- und kulturbewussten Gemeinschaft in Kärnten mit dem Umgang unserer Wurzeln ein Beispiel zu geben.

Genießen sie die Zusammenführung Vieler, zu einem auf der Zunge schmelzenden Genuss, mit dem würzigen Rohmilchkäse von Moiza’s, Zia’s, Liza’s, Mirza’s, Urscha’s, Apolonia’s und Franza’s Nachkommen.

Mahlzeit

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Lindenholz Früher stand an jedem Dorfplatz eine Dorflinde. Wie Sie schon wissen, war unter ihr der Platz an dem Recht gesprochen, Kirchtage getanzt, Hochzeiten, Taufen und Begräbnisse gefeiert wurden.

Aber die Linde trug auch viele Geheimnisse unter ihrem Laubdach. Kinderschätze wurden an ihren Wurzeln vergraben, in der Hoffnung, sie würden sich vermehren. Herzen wurden in ihre Rinde geschnitzt, mit Liebesschwüren versiegelt und die ersten Küsse im Blätterdach gut versteckt. Hin und wieder rieselte Asche der ersten Zigarette von den Ästen weiter oben. Unten wurde derweilen Dorftratsch ausgetauscht, dass es im Blätterwald nur so rauschte. Junge wurden älter und Alte wieder jung und noch immer war unter der Dorflinde Platz für alle.

Neben dem Gasthaus und der Kirche stand auch die Dorfschule im Schatten der Linde. Unter ihren weit verzweigten Ästen spielten und jausneten Generationen von Schulkindern. Federbälle, Mützen und Handschuhe verfingen sich in ihrem Geäst. Mit Kletterkünsten und Mutproben wurden die weiblichen Zuschauer beeindruckt, - die Rollenverteilung wurde selten hinterfragt-, und hin und wieder gaben abgebrochene Äste, Anlass für heiße Gefechte unter den Buben. Manche schnitten sich Steinschleudern aus ihren Astgabeln, versahen sie mit einem alten Fahrradschlauch und übten ihre Treffsicherheit an den Fensterscheiben der Schule. Dann rannte der Lehrer heraus und drohte mit seinem Zeigestock, den er sich auch von der Linde geliehen hatte. Seite 16


Wurde gegrillt, was hin und wieder vorkam, konnte man sich aus einer Astgabel eine Stütze und den Würstelstecken schnitzen. Zu Großvaters Geburtstag wurde Lindenholz auch im Werkunterricht zum Schnitzen des neuen, viel zu dünnen Wandersteckens genutzt, aber es war der Wille und der gute Gedanke der zählte - und ein bisschen Blut war auch daran. Die kleine Moiza vom Nachbarhof verzierte ihren neuen „Wegweiser“ für ihre störrischen Ziegen mit einem unverwechselbaren Muster. Im Turnunterricht wurde meist, das aus einem Lindenast geschnittene Staffelholz, der Siegermannschaft hinterher geworfen und verschwand somit im hohen Gras der Wiese. Der Bauer fluchte, wenn er es in seinem neuen Mähwerk wieder fand. Dass der Pfarrer verliebt in die Augen der geschnitzten Muttergottes aus Lindenholz sah, bemerkte nur die Messnerin, die ihren hölzernen Kochlöffel selten aus der Hand gab. Auch der Reindling wurde in einer Lindenholzschüssel gereicht und die „Saure Suppn“ mit einem hölzernen Schöpfer ausgeteilt, nachdem dem anderen Schöpfer im Herrgottswinkel gedankt worden war.

Und wenn jemand von Ihnen behauptet, „Sie wären aus demselben Holz geschnitzt“, dann „stellen Sie sich in ihren Schatten“, -bescheiden -, denn das hat sich die gute, alte Linde verdient.

www.ziegenkaese-gailtal.at

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