Ad 1 alles liegt im auge des betrachters

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Alles liegt im Auge des Betrachters

Der alte Sadar, unser Nachbar, schaut vorbei: „Servas Veit!“ Veit und Sadar sind Vulgonamen. „Griaß di, Sadar“, - den kann ich jetzt gar nicht brauchen. Ich stehe im Hof und schneide schwitzend Holz für den langen kalten Winter. Sie wissen ja, Holz wärmt mehr im Sommer beim Schlägern, Schneiden und Schlichten in der Sonne, na egal. „Wast wos i jetzt mit da gonzn Nochbarschoft fürn Kriag hob?“, - das dauert länger, ich ziehe den Stecker der Kreissäge und die Handschuhe aus. Das „War’s“, - Krieg für heute! „Die Scheiß- Viecha, kana redet mehr mit mir“, - schimpft er jetzt die Nachbarn? Nachdem sein erster Redeschwall abgeflaut ist, stellt sich das ganze Ausmaß der Tragödie folgendermaßen dar. Seine lieben Hochlandrinder sind wieder einmal ausgebrochen und haben die Gärten und Höfe der Ortschaft heimgesucht. Alles zertrampelt und verschissen, verständlich, dass die Nachbarn die letzte Waffenruhe verletzt sahen. Um ihn zu beruhigen, verfiel ich auf ein bewährtes Mittel: „Trink ma a Achtel Rot!“ Langsam stapfen wir hinauf zur Veranda, wo man im Schatten die Welt verbessern kann, speziell mit Rotwein, „Heideboden“ vom Weingut Weiß, probieren Sie einmal. Um nicht die Wiese vor dem Haus mit dem Rasenmäher wöchentlich bügeln zu müssen, grasen meine Pferde vor der Veranda das Gras ab und ich kann meine Vorstellung einer heilen Welt von meinem Schaukelstuhl aus, genießen. Doch meinen lieben Pferden ist es auch zu heiß geworden. Sie sind nicht aufzufinden. Böses ahnend, betrete ich die Veranda und starre missmutig auf einen Haufen vor meinem Schaukelstuhl. Als ich aber durch die offene Verandatüre unsere Pferde im Wohnzimmer dösen sehe, bleibt mir doch die Spucke weg. „Was regst du dich über deine Viecher auf, die durch die Nachbarschaft spazieren, meine stehen im Wohnzimmer“, muss ich unserer Situation doch noch eine gewisse Komik abgewinnen. Zufrieden, angeheitert, schadenfroh und mit vielen Argumenten angereichert, verlässt mich der Sadar nach ein paar Stunden. Inzwischen ist die Sonne hinter den Bergen untergegangen und die Luft weht kühl vom Bach herauf.

P.S. Das Rätsel mit den Pferden löst sich später beim Bearbeiten von Fotos, da habe ich Bilder meiner Frau entdeckt, wie sie mit Semmel die Pferde -zwecks besserer Darstellungauf unsere Veranda gelockt hat, geht es Ihnen mit ihrer Frau auch so?

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