Volksbefragung Wehrpflicht

Page 1

wehrpflicht

Bundesheer / Johannes Christian

Das österreichische Wehrsystem hat sich über Jahrzehnte bestens bewährt. Jetzt auf Grundwehrdiener zu verzichten, wäre ein Experiment, dessen Folgen sich kaum abschätzen lassen. Andere Staaten in Europa sind bemüht, diesen Fehler zu korrigieren

Das Volk weiß es besser Österreich stimmt für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht. Denn kein einziges Argument für ein Berufsheer vermag wirklich zu überzeugen.

D

as bestehende österreichische Wehrsystem ist gut und effizient. Wer das nicht glaubt, der beweise das Gegenteil! Aber das wird schwer fallen, denn die Fakten der letzten Jahrzehnte sprechen vom Bundesheer als einer Erfolgsgeschichte. Seit 1960 beteiligt sich Österreich an Friedenseinsätzen und nie haben unsere Bürger als Soldaten versagt. In den Krisenjahren 1956, 1968 und 1991 hat das Bundesheer unsere Staatsgrenzen sehr gut geschützt. Über 15 Jahre lang standen unsere Soldaten an der Ostgrenze und haben diese Polizeiaufgaben zur größten Zufriedenheit der dortigen Bevölkerung erfüllt. Zahlreiche Hilfe bringende Katastropheneinsätze zeugen von der Effizienz des Heeres für Land und Leute. Mit dem System der allgemeinen Wehrpflicht hat das alles wunderbar geklappt. Die Landesverteidigung basiert auf dem Milizprinzip, genährt durch den Grundwehrdienst. Ein kleines stehendes Heer fungiert als Ausbildungsrahmen und als rasche Eingreiftruppe. Insgesamt finden wir eine ausgewogene Mischung aus Berufssoldaten, Wehrdienst leistenden Bürgern und Milizsoldaten vor, die alle an sie gestellten Aufgaben und Herausforderungen in den letzten Jahrzehnten hervorragend gemeistert haben. Die österreichischen Bürger haben dies getragen, und mit dem in

28

der Verfassung verankerten System der allgemeinen Wehrpflicht wurde dies erst ermöglicht. Für das Land und seine Menschen in Zeiten der Not da zu sein, das ist Bürgerpflicht. Ehrenvoll und würdig ist der Wehrdienst also, er kann daher gar kein Zwangsdienst sein – auch wenn so manche Scharlatane dies behaupten und die grandiosen Leistungen der Bürger mit Hohn und Spott überziehen, den Wehrdienst als „mega-sinnlos“ betiteln. Nur das Kollektiv sichert die Freiheit Bürgergemeinschaft ist Staat und Staat ist Freiheit. Wer wollte sich da selbst ausschließen aus der Gemeinschaft, wenn er ganz genau weiß, dass nur das Kollektiv die Erhaltung der Freiheit sichert. Die allgemeine Wehrpflicht führt den Bürger in die Materie der Landesverteidigung ein; die Ausbildung an der Waffe gibt ihm die Chance, seine Freiheit, seine Werte und seine Politik verteidigen zu können. Unser wertvolles Österreich mit der Waffe zu schützen in Zeiten höchster Gefahr – das ist eine Aufgabe, die alle betrifft. Niemand wird hier zurückstehen wollen und sagen: „Das sollen die machen, die sich dafür interessieren.“ Wäre es dennoch so, würde sich die Aussage Bert Brechts bewahrheiten, der sinngemäß meinte: „Stell‘ Dir


Wehrfplicht

vor es ist Krieg, und keiner geht hin! Dann kommt der Krieg zu Dir. – Denn wer den Kampf nicht teilt und andere kämpfen lässt für seine Sache (seine Freiheit), der wird teilen die Niederlage!“ Und da kommt noch etwas hinzu: Freie, mündige Bürger sind wir, in einem freien Land – wir sind keine wehrlosen Untertanen, keine unmündigen Knechte, denen man das Waffentragen verbietet. – Zumindest sollten wir das nicht sein, sonst ist es mit der Freiheit bald vorbei. Frieden und Freiheit sind das höchste Gut, sie werden nicht geschenkt, sie sind auch nicht selbstverständlich da – leider aber glauben das manche Phantasten. Frieden und Freiheit müssen erstritten und erhalten werden. Die Bürger müssen bereit sein, sich dafür aufzuopfern. Zu glauben, einige wenige würden das schon machen – das funktioniert nicht. Niemand wird bereit sein, sein Leben hinzugeben, wenn er das Kollektiv nicht hinter sich weiß. Es folgt allgemeine Wehrlosigkeit. Hingegeben werden muss dann die Freiheit. Der Mensch findet sich bald als Untertan oder Knecht wieder. Nur die allgemeine Wehrpflicht begründet den Bürgersoldaten. – Der Bürgersoldat ist die Freiheit. Länder hadern mit Abschaffung der Wehrpflicht Wenn all das bisher Gesagte richtig ist, weshalb stellen wir das System der allgemeinen Wehrpflicht in Frage und wollen über dessen Abschaffung befinden? Nun, eine Begründung wäre: Weil sehr viele andere Staaten in der EU die Wehrpflicht auch abgeschafft haben und daher kann das nicht falsch sein. Wir sollen uns also der Zeitströmung anpassen. Aber könnte es nicht sein, dass die anderen auch irren, einen Fehler gemacht haben? Nicht von ungefähr denken so manche dieser Länder über die Wiedereinführung des Wehrdienstes nach, zuletzt Tschechien. Nicht umsonst leben die Schweizer beinahe 200 Jahre in Frieden und Freiheit, eben weil sie dem Zeitgeist nicht immer blind gefolgt sind. Lassen wir also diese Zeitgeistbegründung, sie ist als Argument nicht stark genug und bringt uns in der Diskussion nicht weiter. Aber da kommt schon das Nächste: Die Kosten, oder die angebliche Kostenreduktion, die jedoch auch nicht stimmt, wenn wir Deutschland betrachten. Dort wurden die Streitkräfte verkleinert und dennoch kosten sie mehr. Das erscheint ja auch logisch zu sein, denn ein umfangreiches stehendes Heer kostet naturgemäß mehr als ein Heer mit Milizcharakter. Die Schweizer und die Finnen haben das berechnet und sind daher bei der Wehrpflicht geblieben. Also bringt uns auch das nicht wirklich weiter. Aber das Profi-Argument müsste etwas sein. Spezialisten können die Aufgaben besser erledigen als Laien. Stimmt. Es stellt sich nur die Frage: Ab wann gilt jemand als Spezialist? Keine Firma würde von sich behaupten, sie hätte Laien angestellt – es gibt

dort ausschließlich Spezialisten, von der Reinigungskraft bis zum Firmenchef. Ja sogar in der Politik würde sich niemand als Laie bezeichnen, wenn er als Funktionär in den Gremien arbeitet. Und so ist es auch im Militär. Der Soldat ist für seine, ihm zugewiesenen Aufgaben ausgebildet und damit in seinem Bereich ein Spezialist. Der Grundwehrdiener wird als Bürgersoldat für die grundlegenden militärischen Angelegenheiten ausgebildet, Milizsoldaten und Berufssoldaten zur Bewältigung von komplexeren und schwierigeren Aufgaben – aber sie alle sind in ihrer Funktion Spezialisten. Den Beweis liefert die eingangs dargestellte Erfolgsgeschichte des Bundesheeres. Das Volk wird die richtige Antwort geben Jetzt kommen wir mit den plausiblen Argumenten bald an ein Ende und stellen uns abermals die Frage, weshalb ein funktionierendes System durch ein anderes abgelöst werden soll, das – so zeigen dies zumindest die Erfahrungen mit den Berufsarmeen in Europa – nicht so einwandfrei zu machen ist? Könnte es sein, dass es da jemandem gar nicht um die Sicherheit des Landes bestellt war, sondern um politisches Kalkül? Sollte da wirklich jemand so dreist gewesen sein, durch die Abschaffung der Truppenübungen das Milizsystem auszuhöhlen und den Wehrdienst ohne erfindlichen Grund auf sechs Monate zu verkürzen, bloß um Wählerstimmen zu erheischen? Und sollte jemand auf die Idee gekommen sein, die Stimmungslage der Spaßgesellschaft ausnützen zu wollen in der Annahme, dass sich vor allem die jungen Bürger ihren Verpflichtungen für die Gemeinschaft nicht mehr stellen wollen und daher abermals Wählerstimmen zu gewinnen wären? Das wäre verantwortungslose Politik. Nichtswürdig, schändlich, Demagogie. Wahrscheinlich waren manche Politiker verblendet durch den Zeitgeist, der die letzten Jahre in Europa vorbeigeweht ist. Aber sie waren sich nicht sicher, ob sie das Richtige für unser Land tun. Und sie sind klug. Sie befragen das Volk. Sie handeln daher richtig – wie wir es von unseren Volksvertretern erwarten. Die Aufgabe eines jeden einzelnen Bürgers ist es nun, von seinem Recht Gebrauch zu machen, das Instrument der direkten Demokratie zu nützen, um Antwort auf die Fragen zu geben: Wollen wir ein bewährtes System aufgeben und uns von der Wehrpflicht trennen? Wollen wir ein unsicheres System einführen, von dem wir nicht wissen, ob es überhaupt funktioniert? Wollen wir uns die Möglichkeit nehmen lassen, unsere Freiheit selbst zu verteidigen? Wollen wir die Sicherung unserer Werte und unserer Freiheit einigen Berufssoldaten überlassen? Die Antwort kann nur lauten: Nein, wir spielen mit unserer Sicherheit nicht, wir behalten die allgemeine Wehrpflicht bei. ■

Volksbefragung Die Volksbefragung über Abschaffung oder Erhalt der allgemeinen Wehrpflicht findet am 20. Jänner 2013 statt. Die genaue Frage, die den Bürgern vorgelegt wird, lautet: Sind Sie für die Einführung eines Berufsheeres und eines bezahlten freiwilligen Sozialjahres? oder Sind Sie für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht und des Zivildienstes? Das Ergebnis der Volksbefragung ist für die Politik nicht bindend. Die maßgeblichen Parteien haben jedoch angekündigt, das Votum anzunehmen. Für die Änderung des aktuellen Wehrpflicht-Systems bedarf es einer verfassungsändernden Zweitdrittelmehrheit im Parlament.

29


reSSOUrceN

PETITION PRO WEHRPFLICHT

An die Bundesregierung: Die allgemeine Wehrpflicht hat ihre Wurzeln in der Bürgerrevolution 1848. Damals wurde die Forderung erhoben, bewaffnete Verbände zu organisieren, die unter der Volkssouveränität stehen. Ein Berufsheer birgt die Gefahr, dass sich das Militär zu einem abgeschlossenen Apparat ohne Bezug zum Volk entwickelt. Wir, die Unterzeichneten, appellieren deshalb an die österreichische Bundesregierung, an der allgemeinen Wehrpflicht festzuhalten und das Bundesheer mit den dafür notwendigen Budgetmitteln auszustatten. • • • •

JA zur allgemeinen Wehrpflicht JA zu einem unabhängigen österreichischen Bundesheer JA zur Neutralität JA zur umfassenden Landesverteidigung Straße, PLZ, Ort

E-Mail-Adresse, Unterschrift

Foto: Bundesheer

Nachname, Vorname, Geburtsdatum

REIBEN ONLINE UNTERSCH t.at www.pro-wehrpflich

Impressum und Zusendung der Petition Finden Sie uns auf Facebook www.facebook.com/prowehrpflicht 30

Unzensuriert - Verein zur Förderung der Medienvielfalt Schlösselgasse 11/Stiege 2/I A-1080 Wien


wehrpflicht

Der Krieg ist schnell da...

D

a viele Menschen in den Spaßgesellschaften des Neoliberalismus gar nicht mehr wissen, weshalb sie überhaupt wehrhaft sein sollen, stört sie diese Wehrlosigkeit aber nicht weiter. Ein kleines Berufsheer – und so gestaltet muss es sein, weil es nicht zu viel kosten darf –, so ein Heer meinen sie, müsste genügen, um alle Friedensaufgaben zu bewältigen. Vielleicht funktioniert das auch teilweise; für den Krieg aber reicht ein solches nicht hin. Doch den Krieg haben wir ohnehin abgeschafft – zumindest für Österreich. Und der Bürgermeister von Wien wird nicht müde zu beteuern, dass wir nur mehr von befreundeten und friedlichen Staaten umgeben sind. Das ist auch grundsätzlich nicht falsch – aber engstirnig gedacht, denn die Vorgänge und Entwicklungen in und um Europa zeigen ein anderes Muster. Niemand soll sagen, er hätte es nicht gewusst. Der „Arabische Frühling“ hat bereits einen Vorgeschmack geliefert, was da noch kommen könnte, wenn Inflation zu Hungerrevolten und hohe Jugendarbeitslosigkeit zu Revolutionen führt. Die Finanzkrise und der damit verbundene wirtschaftliche Niedergang, die Verelendung der Bevölkerungen Europas, über die Griechenland und Spanien bereits Zeugnis ablegen, alles das wird schön geredet und verharmlost. Wenn die Schweiz Militärübungen veranstaltet, die Szenarien in einem instabilen Europa zur Grundlage haben, wird das nicht einmal erwähnt in den Medien, und wenn doch allenthalben, dann als lächerlich abgetan. Alles scheint bestens, aber es ist ein trügerischer Schein! – Der Eisberg ist zwar schon in Sicht, aber wir halten mit unserem Schiff „Europa“ Kurs dorthin mit voller Kraft. Niemand soll danach sagen, er hätte das alles nicht gewusst. Der britische Geschichtsphilosoph Arnold J. Toynbee hat bereits vor Jahrzehnten mit seinem Buch „Krieg und Kultur“ aus dem Blick auf die Erfahrungen, die uns die Geschichte lehren sollte, seine Stimme mahnend erhoben und skizziert, was auf die wehrlose Gesellschaft zukommen kann, die sich so sehr in Frieden, Sicherheit und von Freunden umgeben wähnt: Wenn die Zeit erfüllt ist, wird der Schlachtenlärm, der sich an den Rand des Kulturbereichs verzogen

hat und fast nicht mehr vernehmlich ist, mit der Vorhut barbarischer Kriegerscharen zurückkehren, die in der guten Schule eines beständigen Grenzkrieges von der Besatzung des Limes die Kunstgriffe des Berufsheeres gelernt und nun die Oberhand über dieses gewonnen haben. Oder – was noch schrecklicher ist – der furchtbare Laut wird in einer Erhebung des inneren Proletariats wiederkehren, das noch einmal kriegerisch geworden ist – zum Entsetzen der herrschenden Minderheit, die sich in dem Gedanken gewiegt hat, dass dieses „profanum vulgus“ längst durch Einschüchterung oder Schmeicheleien zu dauernder Unterwürfigkeit gebracht worden sei. Die Gespenster des Krieges und des Aufruhrs, die schon zur Sage geworden sind, gehen jetzt wieder wie einst im hellen Tageslicht um. Und eine Bourgeoise, die noch nie zuvor gesehen hat, wie Blut vergossen wird, richtet jetzt in Weile Ringmauern um ihre offenen Städte auf. Als Material muss alles dienen, was gerade zur Hand ist, verstümmelte (Stichwort: schiefgestellte) Standbilder, entweihte Altäre (Stichwort: Pussy Riot), herumliegende Kapitelle gestürzter Säulen (Stichwort: EU-Friedensnobelpreis) und Marmortafeln mit Inschriften (Stichwort: Deserteur-Denkmal), die man schnell von öffentlichen Denkmälern reißt, um die sich niemand mehr kümmert. Diese friedlichen Inschriften haben jetzt ihren Sinn verloren. Die Zeit des „Nachsommers“ ist vorbei, und die „Zeit der Wirren“ ist zurückgekehrt. Und dieses furchtbare Unheil kommt über ein Geschlecht, das in dem trügerischen Glauben groß geworden ist, dass die bösen Zeiten von ehedem für immer vorbei seien! Berufsheere können das Unheil nicht abwenden Es ist an der Zeit, das alles wieder zu denken. Berufsheere werden, falls sie dann nicht überhaupt auf der falschen Seite stehen und als verlängerter Arm verhasster Machthaber Verwendung finden, nicht genügen, das Unheil abzuwenden. Die gesamte Bevölkerung muss sich, sobald der Denkprozess abgeschlossen ist, gemeinsam dem Unheil entgegenstellen können. Das kann sie aber nur, wenn sie gelernt hat, sich zu wehren. Die allgemeine Wehrpflicht bildet die Basis hierzu – ihre Abschaffung würde fatale Folgen haben. ■

Fconaway / Wikimedia

...auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen. Die Abschaffung der Wehrpflicht macht die Bevölkerung wehrlos.

Der britische Geschichtsphilosoph Arnold J. Toynbee (1889 bis 1975) warnte 1950 – wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs – in seinem Werk „Krieg und Kultur“ davor, dass der Krieg jederzeit zurückkehren könne. Das naive Vertrauen auf immerwährenden Frieden scheint in der heutigen Politik weit verbreitet. Das Bundesheer wird auch in der aktuellen Debatte zur Volksbefragung selten als Armee und viel öfter als Hilfstruppe für Naturkatastrophen wahrgenommen.

31


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.