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… studiert den Böög

Ich habe in dieser Kolumne schon öfter über das Thema Privilegien geschrieben. Einen Bereich habe ich bisher jedoch gänzlich ausgespart! Mit Grund. Es han delt sich dabei nämlich um jene Pri‑ vilegien des weissen cis Mannes ab der Mittelschicht, die so unsäglich unver schämt sind, dass sich alle minder Privi legierten dafür in Grund und Boden schämen würden. Beziehungsweise: Sie würden wohl auch gerne dürfen und doch nicht wollen.

Ich meine das ungestrafte Nasebohren und die Mukophagie (griechisch: mukus = Schleim, phagein = essen). Dabei will ich betonen, dass es hier nicht um die Rhinotillexomanie geht, das patholo gische Leiden an zwanghaftem Naseboh ren, sondern um das Privileg dessen, der keine soziale Ächtung zu fürchten hat. Popeln als Machtmissbrauch!

Es mag ja Leute geben, die dieser Ko lumne ankreiden möchten (Achtung: klassische Kreide ist weiss!), dass ich das mit der Hautfarbe und dem Gender zeug übertreibe – aber nun ja: Seit dem Typen im Anzug, der mir im Zug ge genüber sass und genüsslich in der Nase bohrte und bohrte und bohrte, bis er endlich den grossen Schleim erwischte und unter offensichtlicher Beobach tung (ich sah ihm dabei demonstrativ in sein popeliges Antlitz und traf sogar seinen Blick!) den grün grau gelben Nugget betrachtete (ich tat es ihm gleich), ihn dann zu einer gleichmässig runden Kugel rollte und DANN IN DEN MUND NAHM! Seit diesem Typen also, der mir seit nunmehr drei Jahren nicht aus dem Kopf geht, führe ich eine kleine Studie: Wer popelt? Wer isst die Popel? Und wer kommt damit durch? Beobachtungen im öffentlichen Raum bestätigen: Die einzigen Menschen, die schamlos popeln können, ohne ihre Attribute als seriöse, ernstzunehmende, zivilisierte, angemessen gepflegte und geschätzte Mitglieder dieser Gesellschaft zu verlieren, sind die oben beschriebe nen Typen!

Das letzte Studienexemplar sah ich vor Kurzem an einer Pressekonferenz, an der ich mich bemühte, einen anständigen Eindruck zu vermitteln. Ich sass auf dem Podium und hatte besten Blick auf eine Person in der ersten Reihe, die kritisch unseren Ausführungen über die Abnahme des rassistischen Wandbil des im Schulhaus Wylergut in Bern lauschte und während zwanzig Minuten demonstrativ immer wieder frisch ge angelte Böög zerrieb und an seinen Stuhl schmierte. Nur einem exklusiven Club Männern ist der Böög gegönnt. Warum sonst ist es in Zürcher Zünften, die ja immerhin am Tag des Sechseläuten einen riiiesigen Böög (zu Deutsch: Popel) zelebrieren, ausschliesslich Männern erlaubt, Mitglied zu sein?

Es gibt natürlich Ausnahmen, denen ich wenig neidig die Popelei gönne, wie beim damaligen Trainer der deutschen Nationalmannschaft, der sich im Stress eines hitzigen Spiels (in dem es aber eben wirklich um alles ging) hinreissen liess, vor einem Millionenpublikum an der WM 2010 in der Nase zu bohren und den Finger dann in den Mund zu stecken. Sofort diagnostizierten ihm unzählige Hobby und Berufspsycholog* innen eine unterbewusste Ausgleichs handlung, um Stress abzubauen – so auch, als er sich kurz darauf vor laufender Kamera mal an die Genitalien, mal an den Po griff, um dann jeweils an der Hand zu riechen. Aber klar – Ausnahme situation! Die Deutschen kamen immer hin ins Halbfinale, weiter als die Itali‑ ener, deren Fernsehsender den Grüsel skandal erst thematisierte.

FATIMA MOUMOUNI will in Wahrheit wohl einfach auch … Und ab dem 30. Juni erscheint Moumounis Kolumne in einem neuen Format. Die Redaktion fragt, Moumouni malt ein Bild.

1 Im Sommer wachsen Kartoffeln. Im Winter trainiert hier das erste Frauen-Eishockeyteam Kirgistans: «Flügel von Yssykköl».

2 Trainiert wird jeden Tag, immer um zwanzig Uhr.

3 Der Trainer, Salamat Abdrakhmanov, ist auch für die Wartung der Ausrüstung zuständig.