risControl 07 2022 mit Vertrieb im Zentrum

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Die Entwicklung in der Ukraine bleibt ungewiss. Wegen der weitreichenden und schwer abschätzbaren wirtschaftlichen Auswirkungen des Konflikts rechnen wir für das weitere Geschäftsjahr 2022 nicht mit einer derart dynamischen Entwicklung wie im ersten Quartal, wo wir als Gruppe ein Prämienplus von 11,2 Prozent (auf 3,45 Milliarden Euro) verzeichnen konnten. Wir haben für die Auswirkungen des Ukrainekrieges für die VIG-Gruppe auch entsprechende Vorsorgen in der Höhe von rund 75 Millionen Euro gebildet. Wir wünschen uns alle und vor allem den Menschen in der Ukraine natürlich, dass dieser Krieg schnell endet! Wie sehen Sie die Entwicklung der VIG in der Region Zentral- und Osteuropa? Wo gibt es noch Potenziale für Versicherungsunternehmen? Stadler: Wir sind langfristig weiter klar

vom enormen Potenzial unserer Kernregion Zentral- und Osteuropa überzeugt. Daran ändert auch dieser Krieg nichts. Wir hatten zum Beispiel bis Mitte Februar eine sehr positive Perspektive was das wirtschaftliche Wachstum in der CEE-Region betrifft. Die Prognosen des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) waren für diese Region vielversprechend und sahen für die größten VIG-Märkte ein Wachstum im Jahr 2022 von teils 4 Prozent oder mehr vor. Die CoronaPandemie war wirtschaftlich weitgehend überwunden. Mit der Kriegssituation in der Ukraine hat sich dieses Bild nun kurzfristig verändert. Die Wachstumsprognosen für die allermeisten unserer CEE-Märkte wurden für heuer nach unten korrigiert. Neben dem Krieg und seinen Auswirkungen wie Sanktionen sind vor allem indirekt der Preisanstieg bei Lebensmitteln und Energie verantwortlich. Ein mögliches Embargo von Öl bzw. Gas aus Russland könnte das noch verschärfen. Ich bin mir aber sicher: auch diese Krise wird überwunden. Mittel- und langfristig bleibt das

Potenzial in CEE groß. Dazu muss man sich nur die durchschnittlichen Ausgaben für Versicherungen pro Person und Jahr in der Region ansehen. In Österreich sind das derzeit etwas mehr als 2000 Euro pro Kopf, in der Tschechischen Republik knapp 600 Euro und in Albanien hingegen rund 50 Euro. Wenn man also davon ausgeht, dass mit zunehmendem Wachstum und Wohlstand auch der Bedarf nach der Absicherung von Werten und somit auch Versicherungen steigt, dann stimmt mich das sehr zuversichtlich. Zumal unsere Strategie langfristig ausgelegt ist. Wir sind nach CEE gekommen, um zu bleiben! Wie wichtig die Region für uns ist, zeigt auch, dass im Jahr 2021 bereits rund 62 Prozent der Gruppenprämien außerhalb Österreichs erwirtschaftet wurden. Momentan gibt es Diskussionen über eine Deckelung der Provisionen im Lebensversicherungsgeschäft. Was halten Sie davon? Gibt es Ihrer Meinung nach eine Überregulierung in der Versicherungswirtschaft? Stadler: Ich denke, die Vergütung in

Form von Provisionen hat sich in Österreich bewährt. Provisionen stellen sicher, dass wirklich jede und jeder Beratung bekommt. In Ländern mit Honorarbe-

Wichtiger als das bewährte Provisionsmodell zu ändern, wäre die Senkung der Versicherungssteuer und eine Änderung der Geldpolitik – davon würden Kunden wirklich profitieren. rC 07/2022 | 19 | INTERVIEW

Das aktuelle Vergütungssystem ist passend, motiviert zur kundenorientierten Beratung und trägt damit zur Verbreiterung der Altersvorsorge bei. ratung kann sich Beratung nicht mehr jede und jeder leisten. Das aktuelle Vergütungssystem ist passend, motiviert zur kundenorientierten Beratung und trägt damit zur Verbreiterung der Altersvorsorge bei. Verbraucher können ja schon jetzt entscheiden, ob sie eine Honorarberatung in Anspruch nehmen wollen oder nicht. Und viele entscheiden sich weiterhin für eine kompetente Beratung, die gerade bei einem so komplexen Produkt wie der Lebensversicherung auch wichtig ist. Vorsorge muss erklärt werden, das muss auf die Person zugeschnitten sein, und das kann nur ein fach- und sachkundiger Vermittler. Wichtiger als das bewährte Provisionsmodell zu ändern, wäre die Senkung der Versicherungssteuer und eine Änderung der Geldpolitik – davon würden Kunden wirklich profitieren. Generell ist die Versicherungsbranche eine Branche, die bereits sehr stark reguliert ist. Ich nenne hier als Stichworte das Europäische Aufsichtsregelwerk für Versicherungen Solvency oder im Bereich des Vertriebs die IDD-Richtlinie. Solvency ist etwa das teuerste Aufsichtsregime der Welt. Es schränkt mit den Eigenkapitalanforderungen an Versicherungen unsere Investitionskapazitäten deutlich ein. Mittel, die wir zum Beispiel gerne in ESG-Investitionen veranlagen würden, was glaube ich auch gesellschaftlich wünschenswert wäre. Es ist daher verständlich, dass Großbritannien sich nach dem Bre-


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