Erna Magazin Juni 2013

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Ausgabe 1 Juni 2013

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M e r ti a s l a ) n o i g Re( ig unabhäng

nseriös u g i n n i - uns

IM VISIER DER FORSCHER Neues Schloss doch nicht so neu? Scheidungswelle befürchtet Abgeordnete dürfen keine Angehörigen mehr haben Shades of Grey Effekt BDSM Fans werden immer jünger


Editorial

Gestatten: Erna! Ja, warum heißt dieses Magazin nicht Anna, Emma, Omma oder Irma? Weil Erna der häufigste Vorname in ganz Bayern ist. Ja, diese Erna mischt einfach überall mit. Oder ist es Ihnen noch nie passiert, dass Sie gefragt wurden, ob es Erna schmeckt? Oder ob man Erna noch etwas bringen darf? Ist Ihnen noch nie die Aussage „ich hab´s Erna doch g´sagt“ begegnet? Ja, sie muss was aushalten können, diese Erna. Sie ist allgegenwärtig, taucht überall auf und wird doch oft mißverstanden, fehlinterpretiert oder gar übergangen. Und genau so geht es auch vielen Themen, die uns täglich begegnen, aber vom Feuilleton für zu primitiv, von der Sportredaktion für zu undynamisch und von den Lokalreportern zu komplex gehalten werden. Das Erna Magazin ist ein Informationsmedium für die Region IngolStadtLandDings, das sich den Anspruch gegeben hat, unabhängig, unsinnig und unseriös zu berichten. Allen Ernas der Region zuliebe. Sollten Sie eher der Fraktion „humorfrei“ angehören, bitten wir Sie auf seriöse Nachrichtenportale wie www.stattzeitung.in zurück zu greifen.

Impressum: Redaktion, Layout, Fotos: Melanie Arzenheimer wissenschaftliche Beratung: Prof. Dr. Amalia Stürzenhofecker-Pasatelski (AU Eichstätt-Ingolstadt) Verantwortlich i.S.d. § 6 Abs. 2 MDStV: Melanie Arzenheimer Arzenheimer Productions Rebdorfer Str. 97 85072 Eichstätt Mail: info@melaniearzenheimer.de


Inhalt Falsch datiert Das Neue Schloss in Ingolstadt ist eines der Wahrzeichen der Stadt. Aber es darf sich wohl künftig nicht mehr „neu“ nennen. Ein Zufall brachte den Skandal ins Rollen.

Seite 04

Familiäre Konsequenzen Die verschärften Regeln für Abgeordnete des Bayerischen Landtags und die Kabinettsmitglieder könnten schwerwiegende Folgen haben. Es droht sogar eine Trennungswelle.

Seite 08

SM Studio Spielplatz? Nach dem Welterfolg von „Shades of Grey“ begeistern sich schon die Kleinsten für Bondage und Co. Ein erschütternder Tatsachenbericht von einem Spielplatz in der Region.

Seite 12

Gruppenzwang Der Stammtisch hat sich überlebt, heute diskutiert man auf facebook. Wir haben die Ingolstädter Gruppenlandschaft analysiert und spannende Neugründungen entdeckt.

Seite 14

Pure Enttäuschung So hatte sich Oma Traudl ihren Besuch im Sprechzimmer nicht vorgestellt. Nicht einmal ein Rezept wurde der rüstigen Rentnerin ausgestellt. ein echter Skandal!

Seite 16


„Hinter der strahlenden Fassade steckt ein wesentlich älterer Kern, als der Name Neues Schloss vorgibt. Man könnte von Etikettenschwindel sprechen.“


Wissenschaft

Etikettenschwindel aufgedeckt Das Neue Schloss in Ingolstadt ist gar nicht neu Wenn Sie sich eine neues Auto kaufen, dann gehen Sie doch sicherlich davon aus, dass es – sollte NEU drauf stehen - auch neu ist. Und wenn Sie nun das Neue Schloss in Ingolstadt besuchen, dann erwarten Sie eben auch ein Neues Gebäude, ja vermutlich sogar einen Neu-Bau. Bei einem oberflächlichen Blick auf die herrlich weiß getünchte Fassade könnte man das auch annehmen, wenngleich der Baustil (Experten sprechen von „profaner Neo-Gotik“) durchaus auf frühere Zeiten verweist. Als aber nun ein Mitarbeiter des Bayerischen Armeemuseums, das sich im Neuen Schloss befindet, einen bislang unzugänglichen Raum betrat, ahnte er nicht, dass er einem Skandal auf die Spur gekommen war. Herbert B. (Name von der Redaktion geändert) war auf der Suche nach einer Standarte aus dem 1.Weltkrieg, als er hinter einem Wandteppich, auf dem Schlacht von Königgrätz dargestellt ist, eine Tür entdeckte. Dahinter führte eine enge Treppe in einen modrigen, unbeleuchteten Keller.

„Glücklicherweise hatte ich eine Taschenlampe dabei,“ erinnert sich der Museumsmitarbeiter. Allein schon das Mauerwerk im Bereich der Treppe sein ihm damals eher älter vorgekommen, so Herbert B. Auch das Fehlen von Stromanschlüssen und Klimaanlage habe sich mit einem konsequenten Retro-Baustil nicht mehr erklären lassen. In dem extrem kühlen Raum, der lediglich eine Größe von fünf Quadratmetern aufweist, fand Herbert B. neben einer stattlichen Anzahl von alten Zeitungen, Putzmitteln und einer Schachtel Zinnsoldaten ein historische Dokument, das seit langem als verschollen galt. „Es handelte sich offensichtlich um eine Urkunde von Ludwig, dem schlecht Gebadeten,“ meint Herbert B., der es gewohnt ist, als Historiker wertvolle Dokumente auch bei schlechtester Beleuchtung zu erkennen. Vorsichtig nahm er das Schriftstück, an dem ein prächtiges Siegel hing, an sich und informierte


das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege. Das war 2003. Schon zehn Jahre später haben die Experten das Dokument untersucht – und die Vermutung des Museumsmitarbeiters bestätigt: „Es handelt sich tatsächlich um eine Urkunde, die Ludwig, der schlecht Gebadete, unterzeichnet hat. Er war der vierte Sohn von Ludwig, dem zu heiß Gebadeten. Nach intensiver Forschungsarbeit ist es uns gelungen, den vierstelligen Zahlencode am unteren Ende des Textes zu entschlüsseln. Er lautet 1481. Wir gehen zu 99 Prozent davon aus, dass es sich dabei um eine Jahreszahl handelt, wenn auch einige Wissenschaftler die Theorie vertreten, es handle sich um die Anzahl der Goldtaler, die Ludwig jährlich bekam, um den Herzogssitz am Ort des Neuen Schlosses zu belassen“, erklärt Dr. Konrad Mendax von der Expertenkommission zur Erforschung herzöglicher Handschriften im Bayern des 15. Jarhunderts. Erst 530 Jahre später sollte

übrigens der Sitz des bayerischen Herrschers – zumindest inoffiziell – nach Gerolfing verlagert werden. Was aber nun ist so brisant an diesem Schriftstück? „Nun, es beweist, dass es das Schloss schon im Jahr 1481 gegeben hat. Und dieses Datum ist nicht einmal nach bayerisch-traditioneller Zeitrechnung als neu einzustufen. Hinter der strahlenden Fassade steckt also ein wesentlich älterer Kern, als der Name Neues Schloss vorgibt. Man könnte von Etikettenschwindel sprechen.“ Die Experten und auch einige Ingolstädter fordern nun, das Wort „neu“ zu streichen und nurmehr die Bezeichnung „Schloss“ zu verwenden, um den Verbraucher sprich Besucher nicht in die Irre zu führen. Dadurch dürften nun nicht unerhebliche Kosten sowohl auf die Stadt als auch den Bayerischen Staat zukommen, denn das Gebäude muss nun in sämtlichen Veröffentlichungen


„Plötzlich ist da eine Urkunde mit dem Wappen von Ludwig, dem schlecht Gebadeten aufgetaucht.“

Wer ist das „neuere“ Neue Schloss in Ingolstadt? Im Rahmen des Namensgebungsstreits um das Neue Schloss hat sich ein weiteres Problem ergeben. Ein gewisser „Hasi“ und seine „Mausi“ haben erklärt, sie seien die ersten gewesen, die ein neues Schloss in Ingolstadt angebracht hätten. Und das in Blickweite zum (alten bzw. älteren) Schloss. Das Paar aus Ringsee hat sich bereits die Namensrechte für die Begriffskombination „Neues Schloss Ingolstadt“ sichern lassen. Der Fall geht voraussichtlich im Herbst vor das Patentgericht.


Politik

„Wir befürchten eine Scheidungswelle!“ Politikwissenschaftler Arno Aufbruch über Konsequenzen aus der Abgeordnetenaffäre Finstere Zeiten in der Landeshauptstadt München: Landtagspräsidentin Barbara Stamm hat ernst gemacht und die Namen der bayerischen Landtagsabgeordneten veröffentlicht, die Verwandte auf Staatskosten angestellt hatten. Das war damals deren gutes Recht, aber so ein Recht bleibt eben nur so lange ein Recht, so lange es allen Recht ist. Inzwischen ist es Unumbenannt werden. recht. Zu Recht? Das haben wir den Professor für Politikwissenschaften an der Alkoholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (AU EichstättIngolstadt) gefragt. Er wagt auch einen Ausblick auf die Konsequenzen, die sich durch die neuen, strikten Verhaltensregeln für bayerische Abgeordnete ergeben.

online veröffentlicht. Das fordert die neue Transparenz. Außerdem müssen Kreditkartenabrechnungen, Medikamentenrezepte, Urlaubsanträge, Strom- und Wasserverbrauch sowie Mitgliedschaften im Kleintierzuchtverein angegeben werden. Außerdem ist es den Abgeordneten künftig nicht nur verboten, Angehörige zu beschäftigen. Es ist verboten, überhaupt Angehörige zu haben. Apropos Angehörige. Besonders umstritten war ja die Einstellung minderjähriger Verwandter, sprich der eigenen Kinder oder Neffen beispielsweise im Büro eines Abgeordneten. Was ist daran zu verurteilen? Läuft es in deutschen Unternehmen nicht grundsätzlich so?

Herr Aufbruch, wie strikt sind denn die neuen Regeln für die Abgeordne- Arno Aufbruch: Nun, wenn in einer Firma der Mitarbeiter X seinen minten in Bayern wirklich? derbegabten Sohn in der Produktion unterbringt, dann kann das Folgen Arno Aufbruch: Sehr strikt. Der für die Sicherheit einer FahrzeugreiAbgeordnete 2.0 wie ich ihn nenne, he oder die Qualität der Lebensmittel muss sein komplettes Leben offen haben. Das ist schlimm, aber nicht legen. Per GPS werden seine Lauf-, wirklich gefährlich, Verkehrstote und Fahr- und Flugwege mitverfolgt und


Politik

Salmonellenvegiftungen wird es immer geben. Anders sieht das in der Politik aus. Hier sind irreparable Schäden zu befürchten. Die Politik ist schließlich kein Business, auch wenn sie durch Affären wie die aktuelle manchmal den Anschein eines Geschäfts macht. Grundsätzlich muss unterschieden werden: in der Industrie zahlt der Verbraucher die Schlamperei, also wir. In der Politik der Steuerzahler...äh... also auch wir. Egal. Jedenfalls kann durch den Einsatz minderjähriger Mitarbeiter in einem Abgeordnetenbüro eine internationale Krise hervorgerufen werden. Stellen sie sich nur einmal vor, ein ausländischer Diplomat bittet am Telefon um einen vertraulichen Hinweis und so ein pubertierender Spross eines im schlimmsten Fall Freien Wählers pöbelt den chinesischen Botschafter an. Dann ist es vorbei mit der Billig-ShirtProduktion in Fernost. Und bayerische Weißwurst wird mit Strafzöllen belegt. Eine Katastrophe!

Arno Aufbruch: Da stehen wir tatsächlich vor einem großen moralischen Problem. Im Vorteil sind da natürlich die, die eh noch nie jemand leiden konnte. Aber die hatten auch selten einen Verwandten „zur Hand“, um ihn einzustellen. Alle anderen befinden sich derzeit meist in einer Ehe oder einem ehe ähnlichen, dem sogenannten „gschlamperten“ Verhältnis. Letzteren drohen keine Konsequenzen, aber diejenigen, die einen Bund für´s Leben im Standesamt und/oder vor Gott geschlossen haben, müssen sich nun entscheiden: Politik oder Ehe. Wir erwarten eine deutlich ansteigende Scheidungsrate bei Politikern – und das parteiübergreifend. Es gibt jedoch Verwandtschaftsverhältnisse, die sich nicht durch eine Scheidung beenden lassen. Was kommt hier auf Bayern zu?

Arno Aufbruch: Da haben Sie Recht und damit haben Sie auch das heikelste Kapitel angesprochen. Ich kann dazu Wie sollen die Abgeordneten ein Da- nur so viel sagen: der Import von Zysein ohne Angehörige bewerkstelligen ankali hat in den letzten Tagen deutlich zugenommen. und was befürchten Sie?


Kurz und (gar nicht) gut Skandal bei Modenschau Der Einsatz von ausgestopften Tieren bei der Dirndlnacht in Dollnstein hat Folgen. Eine Tierschutzorganisation beklagt die Ungleichbehandlung von Tieren und Menschen: „Die Vögel hätten auch ein maßgeschneidtertes Outfit gebraucht!“

Kübel sind ein Versehen Die Aufregung um die Blumenkübel in der Ingolstädter Theresienstraße ist umsonst: die „grauen Riesen“ sind nur versehentlich dort gelandet. Eigentlich sind sie als Panzerung gegen aggressive Fußballfans vor dem Audi Sportpark gedacht. Der Rück-Tausch gegen einfache Geranien erfolgt in Kürze.

Massaker im Klenzepark Während man um die Bepflanzung der Theresienstraße ein Riesen Tamtam machte, ereignete sich im Klenzepark in Ingolstadt eine florale Tragödie. Hinterrücks wurden zahlriche wehrlose Blumen hingerichtet. Edmund Stoiber scheidet als Täter bislang aus.


Kurz und (gar nicht) gut Royale Verwechslung Wegen ihres farbenfrohen Outfits ist die FW Landtagsabgeordnete Eva Gottstein (untere Reihe, 2.v.r.) für die bayerische Blumenkönigin gehalten worden. Das fehlende Krönchen rettete sie schließlich davor, am Nachmittag noch zum Wett-Kartoffel-Schälen und Maßkrugstemmen zu müssen.

Ude vermisst Garita Auf die Frage, was er über den Austritt von Franceso Garita aus der Ingolstädter SPD halte, meinte Christian Ude: „Er war ein großartiger Mittelstürmer. Schade, dass er die Mannschaft wechselt. Ich fand ihn bei Juventus Turin sehr gut und werde ihn vermissen“. Ah ja....

Zu viel gespart? Die Sparmaßnahmen beim FC Ingolstadt 04 für den Erhalt der Zweitligalizenz zeigen Wirkung: dieses Bild wurde uns heimlich zugespielt. Es zeigt den desolaten Zustand des neuen Trainingsgeländes. Einige Profis sollen mittlerweile sogar im eigenen Garten trainieren.


Gesellschaft

Die neue Lust an Leder, Lack und Ketten Die BDSM Fans in der Region werden immer jünger Wenn der kleine Lanzelot (5 Jahre) und seine Schwester Pocahontas (8 Jahre) auf dem Spielplatz herum toben, dann mag das auf den ersten Blick recht unschuldig erscheinen. Doch die beiden lieben die Ketten, Kunststoffschaukeln und Seile nicht nur, weil sie erstklassige Spielgeräte sind. Die Kinder treffen sich regelmäßig zum Kurs „BDSM für Kids“. Ort und Zeit des Geschehens lassen wir mit Rücksicht auf die Teilnehmer unerwähnt – das Bild auf der rechten Seite wurde nicht am Originalschauplatz aufgenommen. Angeboten werden beispielsweise Junior-Bondage Kurse mit kuschelweichen Hanfseilen, Domina-Trainings für Mädchen, die sich am klassischen Ballett orientieren (in beiden Fällen ist Disziplin oberstes Gebot) und Bastelnachmittage (z.B.: wir bauen ein Andreaskreuz). Lanzelot und Pocahontas finden das Angebot jedenfalls Spitze und sind mit großem Eifer dabei. Die Leidenschaft für BDSM

wurde ihnen quasi in die Wiege – oder an die Wiege gelegt: „Unsere Mama liest uns als Gute Nacht Geschichte immer Schäds of Gräi vor. Wir finden das total spannend, was der Mann und die Frau in der Geschichte so machen,“ meint Pocahontas. Ihre Mutter Claudia S. findet es gut, dass ihr Nachwuchs bereits so früh mit der erotischen Realität konfrontiert wird: „Ich kann es kaum erwarten, bis wir alle zusammen in den Swinger Club gehen.“ Aber ist das noch normal? In Zukunft ja, meinen die Psychologen: „Für die nächste Generation wird der Umgang mit BDSM ganz natürlich sein. Der Roman Shades of Grey hat da viel zur EntTabuisierung von sadomasochistischen Praktiken beigetragen. Selbst im Baumarkt werden inzwischen die Verkäufer ganz offen darauf angesprochen, ob sie entsprechend widerstandsfähiges, robustes Material im Angebot hätten.“

„Für die nächste Generation wird der Umgang mit BDSM ganz natürlich sein.“


Gesellschaft



Unter Gruppenzwang? Wer etwas auf sich hält, gründet eine facebook Gruppe Gleichgesinnte treffen, sich austauschen, diskutieren und politisieren... Das waren einmal die Aufgaben des guten alten bayerischen Stammtischs. Doch dieser scheint vom Aussterben bedroht, denn diskutiert, sich organisiert, beschimpft und sogar geknuddelt wird nun virtuell. Auf facebook. Das hat den Vorteil, dass man dabei das trinken kann, was der eigene Schnapsschrank hergibt. Wer etwas auf sich hält gründet ganz einfach eine facebook Gruppe und lädt „Freunde“ mehr oder weniger freiwillig dazu ein. Die Aktion Innenstadt hat vorgemacht wie es geht. Inzwischen gibt’s die Innenstadtfreunde, die Gruppe „Ingolstadt gefällt mir“, die „Bürgergemeinschaft Ingolstadt“, „Du bist ein echter Schanzer, wenn..“, „Naherholung Ingolstadt“ und und und. Eine Analyse der Gruppen, ihrer Mitglieder und Administratoren zeigt, dass hier nicht selten politische, revolutionäre, ja sogar radikale Ziele unter dem Deckmantel der Harmlosigkeit versteckt werden. Es erinnert ein wenig an die Zeiten, als durch den Buchdruck plötzlich die Ideen von Vor- und Querdenkern verbreitet werden konnten.

Die Martin Luthers des 21. Jahrhunderts klären ihre Anhänger nun virtuell auf – über Ungerechtigkeiten, aber auch ästhetische Verbrechen z.B. an der Skyline einer Stadt. Doch dies ist erst der Anfang. Wie aus den üblichen, stets gut unterrichteten Kreisen zu vernehmen ist, befinden sich weitere Gruppen in der Gründungsphase: Die Schanzer-City-Veggies fordern eine fleischfreie Innenstadt und den völligen Verzicht auf Ledersessel in der Gastronomie. Die Lösel-Likers schlagen Dr. Christian Lösel als OB, Ministerpräsident, FC 04 Boss und Papst in Personalunion vor. Die Innenstadt-Passivisten wollen nur eines: Ruhe! Sie forden die Abschaffung von Verkehr, Einzelhandel, Gastronomie und Eheschließungen in der Innenstadt. Die Boomtown-Buben wollen einfach nur mehr Mitglieder als alle anderen und bieten jedem Neu-Mitglied einen Kasten Bier.


Kultur

Kein Rezept bekommen!

Oma Traudl von Sprechzimmer enttäuscht Seit Jahren ist es ihre Passion, ja ihr Lebensinhalt: Oma Traudl, eine waschechte Schanzerin, besucht für ihr (hoffentlich noch langes) Leben gerne Arztpraxen. „Der Aufenthalt im Wartezimmer gibt mir jedes Mal das gute Gefühl, dass es Menschen gibt, denen es noch schlechter geht, als mir,“ erklärt die Dame jenseits der 80. „Der Höhepunkt jedes Arztbesuchs ist für mich aber der direkte Kontakt mit dem Herrn Doktor in seinem Sprechzimmer.“ Entsprechend groß war die Vorfreude auf den Besuchs des Sprechzimmers, das sich seit Kurzem zwischen Sparkasse und Viktualienmarkt in Ingolstadt befindet. Doch Oma Traudl wurde tief enttäuscht: „Nachdem ich meine komplette Krankengeschichte erzählt hatte, bei der sich sogar sehr ausführlich auf die letzte Hüftoperation und die Darmspiegelung eingegangen bin, bekam ich außer einem Dankeschön nichts zurück. Ich muss sagen, ich bin entsetzt.

Wenigstens das Rezept für meine Medikamente gegen Bluthochdruck und die Schuldrüsenüberfunktion hätte man mir mit geben können. Aber da fühlte sich niemand zuständig. Ich hatte den Eindruck, dass sich da niemand so wirklich ausgekannt hat.“ Man habe ihr außerdem nicht einmal Blut abgenommen oder eine Urinprobe verlangt (dabei hat sie extra einen Liter Mineralwasser mit Kohlensäure zu sich genommen, um nicht als Versagerin da zu stehen). Oma Traudl hat sich inzwischen mit ihrer Krankenkasse in Verbindung gesetzt, weil sie sich wörtlich „verscheissert“ fühlt. Darauf angesprochen, dass es sich bei diesem Sprechzimmer möglicherweise um eine Kunstaktion handeln könnte, antwortete Oma Traudl gegenüber Erna: „Halten Sie mich nicht für dumm. Ich werde ja wohl noch Kunst erkennen. Fünf Aquarellkurse bei der vhs sprechen ja wohl für sich.“


Rezept des Monats

Molekularküche für Einsteiger:

Zutaten:

Das geviertelte Bio-Ei

1/4 Ei 2 Pfefferkörner

Die Gerichte werden immer raffinierter, die Zutaten immer exotischer: auch in der regionalen Sterneküche hat die Molekularküche inzwischen Einzug gehalten. Wir präsentieren Ihnen hier ein Rezept, das von Starkoch Franz Brandwein aus der Holledau eigens für die Erna-Leser enwickelt wurde. „Es geht darum, den Anfänger behutsam an die Komplexität der Molekularküche und ihrer Prinzipien heran zu führen. Ich gebe zu, dass manch einer überfordert sein könnte, aber Übung macht ja bekanntlich den Meister.“

Zubereitung: Das Ei kochen und vierteln, drei Viertel weg werfen, dann das verbliebene Viertel mit zwei Pfefferkörnern dekorativ anrichten


Der böse Blog Kennen Sie auch so einen Klugscheißer? Einen von der Sorte, der immer gleich mit Fremdwörtern um sich schlägt, um seine - nach eigener Einschätzung - völlige geistige Überlegenheit zu demonstrieren. Mitunter impliziert diese latent vorhandene Hybris aber genau das Gegenteil. Fast möchte man meinen, dass sich die mentale Flexibilität eines homo sapiens indirekt proportional zu seiner Wortwahl verhält. Es gibt sogar Zeitgenossen, die ihren überlegenen Bildungsstatus durch das Einstreuen von schlauen Zitaten dokumentieren. Unter einem zweifachen Aristoteles und mindestens einem Sartre geht da nichts, zur Not tut´s auch ein Nietzsche. Oder ein Shakespeare, wobei der ja heutzutage en passant von jedem Schmock strapaziert wird. Dennoch ein gut gemeiner Rat an alle, die in einer Konversation durch Fremdwörter glänzen möchten: die inkorrekte Verwendung von Metaphern und Aphorismen, die nicht selten ein defizitäres grammatikalisches Potenzial inkludiert, kann angesichts der zu erwartenden negativen Resonanz des jovialen Gegenüber zu kommunikativen Differenzen führen. Was das jetzt sollte? Die Autorin dieses prätentiösen Wortkonstrukts wollte Intellektualität suggerieren. In der Hautevolee und im Feuilleton kommt das wahnsinnig gut an. (Den Bösen Blog gibt´s jeden Sonntag unter www.stattzeitung.in)


Ernstgemeinte Tipps zum Weiterlesen

Poesie für Bayern, Franken und all die anderen Frankische Lyrik in Bestform: Der neue Gedichtband „Zwedschgä“ des Lyrikers und Dramatikers Fitzgerald Kusz enthält auch eine wunderbare Reihe an Haikus bis hin zum „Gegen-haiku“. Nicht nur für Franken ein Genuss! Fitzgerald Kusz „Zwedschgä“, ars vivendi Poesie von und für Bayern: Mit der Anthologie „Ois is easy“ beweist Anton G. Leitner, dass Bayern mehr ist, als Alpenromantik. Namhafte Poeten wie Friedrich Ani, Matthias Politycki, aber auch Konstantin Wecker oder der Tiger Willi sind darin zu finden. „Ois is easy“, Verlag Sankt Michaelsbund Humor to go: Klein, aber fein ist der dtv-Band „smile“, in dem Gedichte zum (Tot)Lachen vereint sind - von Erich Kästner und Bert Brecht über Klabund bis Robert Gernhardt. Ein praktischer Muntermacher für die Westentasche. „smile“, dtv Webtipp: www.dasgedichtblog.de


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