bodo Dezember 2018

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bodo DAS

12 | 18 Die besten Geschichten auf der Straße

IN STRASSENMAGAZ

2,50 Euro Die Hälfte für den Verkäufer

24 Seiten mehr Jugendstil: Rausch der Schönheit Seite 12

DAS CHRISTKIND VON DER POST

Rabbiner Baruch Babaev Seite 44

E D N E G E I L F DER N N A M S T H C WEIHNA HO - HO - HO C H S E I L A K

WO OBDACHLOSE SCHLAFEN

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FLÜCHTLINGSPATEN SCHLAFSÄCKE UND HEISSER TEE

NUR MIT AUSWEIS

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IMPRESSUM

Herausgeber, Verlag, Redaktion: bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.: Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de 0231 – 950 978 12, Fax 950 978 20 Layout und Produktion: Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign info@lookatnoll.de Veranstaltungskalender: Petra von Randow, redaktion@bodoev.de

INHALT

Ho-Ho-Hochseilakt

Von Max Florian Kühlem

Anzeigenleitung: Susanne Schröder, anzeigen@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Vertriebsleitung: Oliver Philipp, vertrieb@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe: René Boyke, Alexandra Gehrhardt, Wolfgang Kienast, Max Florian Kühlem, Bastian Pütter, Rosi, Petra von Randow, Sebastian Sellhorst, Alexander Völkel Titelfoto: Daniel Sadrowski Bildnachweise: Bochum Marketing GmbH Michael Grosler (S. 5), Bianka Boyke (S. 16), Fred Debrock (S. 41), Filmperlen (S. 41), Christian Kleiner (S. 35), Axel Mueller Photography (S. 35), Bastian Pütter (S. 11), Reuters / Bernadett Szabo (S. 16), Daniel Sadrowski (S. 3, 4, 6, 8, 12, 13, 14, 15, 18, 19, 20, 21, 23, 24, 26, 27, 42), Sebastian Sellhorst (S. 2, 7, 10, 11, 29, 30, 31, 32, 32, 33, 50, 54), Shutterstock.com (S. 22), StandOut (S. 8), Alexander Völkel (S. 44, 45, 46, 47) Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien Auflage, Erscheinungsweise: 30.000 Exemplare, monatlich in BO, DO und Umgebung Redaktions- und Anzeigenschluss: für die Dezember-Ausgabe 01.12. 2018 Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste 03. 2018 Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Vereinssitz: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund www.bodoev.de, facebook.com/bodoev

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Wohin es im Leben von Falko Traber junior gehen würde, war klar: nach oben. Seine Taufe fand auf einem Hochseil statt, der Pfarrer stand auf einem Hub-Steiger. Heute saust Falko Traber als Weihnachtsmann in 30 Meter Höhe über den Bochumer Dr.-Ruer-Platz.

Kaffee und Knifte

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Innerhalb von zwei Jahren ist die Zahl der Wohnungslosen in Bochum um über 70 Prozent gestiegen. Für bodo ein Anlass, das eigene Angebot zu erweitern: Auf abendlichen Touren durch die Stadt besucht bodo die, deren Lebensmittelpunkt der Stadtraum ist.

Von Sebastian Sellhorst

Chanukka in Dortmund

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„Es geht darum, die Angst zu verdrängen. Aus dem heutigen Leben ganz besonders“, sagt Dortmunds Rabbiner Baruch Babaev über das jüdische Lichterfest. Ein Gespräch über jüdisches Leben in Zeiten des Antisemitismus. Von Alexander Völkel

Vorstand: Andre Noll, Verena Mayer, Marcus Parzonka verein@bodoev.de Geschäftsleitung, Verwaltung: Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, verein@bodoev.de Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt, Bastian Pütter 0231 – 950 978 0, redaktion@bodoev.de Transporte, Haushaltsauflösungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln, 0231 – 950 978 0, transport@bodoev.de bodos Bücher, Modernes Antiquariat: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund: Schwanenstraße 38, 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 – 13 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Bochum: Stühmeyerstraße 33, 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr, Fr. 14 – 17 Uhr Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00 BIC: BFSWDE33XXX

Rosi, bodo-Verkäuferin in Dortmund Liebe Leserinnen und Leser, auch wenn Sie mich dieses Jahr nicht oft an meinem Verkaufsplatz gesehen haben, wollte ich es mir nicht nehmen lassen, Ihnen persönlich eine schöne Adventszeit zu wünschen. Fast ein Jahr ist es jetzt her, dass ich meine Herzoperation hatte, aber so richtig auf der Höhe bin ich immer noch nicht. Daher habe ich es die letzten Monate etwas ruhiger angehen lassen müssen. Nur ab und zu konnte ich eine halbe Stunde an meinem Platz in Brechten stehen. Umso mehr gefreut habe ich mich über all die Grüße und Genesungswünsche, die Sie mir über meinen Mann haben ausrichten lassen. Wenn jetzt wieder der Weihnachtsmarkt seine vielen tausend Besucher in die Innenstadt lockt, bin ich schon ein bisschen wehmütig, nicht mehr voll mitmischen zu können. Aber trotzdem freue ich mich natürlich auf die Weihnachtszeit, auch wenn ich die jetzt eher mit einer Tasse Tee zu Hause verbringe. Sorgen mache ich mir um die vielen Verkäufer, die noch keine feste Wohnung haben. Jetzt wünsche ich Ihnen aber erst mal viel Spaß mit unserer extradicken Weihnachts-bodo. Frohe Weihnachten, Ihre Rosi

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EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

04 Menschen | Falko Traber junior 07 Straßenleben | 20 Euro ohne Frühstück 08 Neues von bodo 12 Reportage | Ein Rausch der Schönheit 16 Das Foto 16 Recht | Rente oder Arbeitslosengeld II? 17 Kommentar | Kippenschnippen 17 Die Zahl 18 Reportage | Kaffee und Knifte 22 Wilde Kräuter | Schlehe 23 Kultur | Till Beckmann 24 Reportage | Hilfe in der neuen Heimat 28 Grußwort | Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

so viel bodo war noch nie: 24 Seiten mehr als sonst hat unsere Weihnachtsausgabe, zählt man unseren Jahresbericht mit den Zahlen und Hintergründen zu unserer Arbeit mit. Eine Seite haben wir reserviert, um unsere Weihnachtsverlosungen zu präsentieren, es gibt Eintrittskarten im Gesamtwert von über 1.000 Euro zu gewinnen! Warum ich das erzähle, wo Sie doch unser Heft in der Hand haben? Weil ich Sie bitten möchte, in dieser Zeit des Schenkens und Gebens mit uns dafür zu werben, dass die 2,50 Euro für ein Straßenmagazin in gleich mehrfacher Hinsicht gut angelegtes Geld sind. In diesem Jahr haben mehr Menschen das Straßenmagazin verkauft denn je. Das ist gut, weil wir glauben, ein passendes Angebot für Menschen in Not zu haben, und schlecht, weil ein großer Teil von ihnen „neue“ Wohnungslose sind. Die Rekordzahl ist auch ein Zeichen der Krise.

Der Jahresbericht 2018

29 Fotoserie | Mein Song 35 Veranstaltungskalender | Verlosungen 41 Kinotipp | Die Erscheinung 42 bodo geht aus | 103 – Das Chancencafé 44 Reportage | Das Wunder von Chanukka 48 Kinderbücher 49 Eine Frage… | Wer beantwortet die Post ans Christkind? 50 Soziales | Weite Wege für Wohnungslose 52 bodo Shop | Leserpost 53 Leserpost | Rätsel 54 Verkäufergeschichten | Marion und Tom

Damit die „Neuen“ in unserer Beratung eine Perspektive entwickeln können, sollen die Erfolgserlebnisse beim Verkauf des Straßenmagazins diesen Prozess stützen. Eine kleine Aufmerksamkeit, ein unerwartetes Geschenk freuen jeden – doch zu sehen, dass man erfolgreich ist in seiner Arbeit, macht stolz und verleiht Selbstvertrauen. Wir freuen uns, wenn Sie uns helfen, neue Leserinnen und Leser zu gewinnen. Zum Beispiel, indem Sie ein bodo-Gutscheinheft verschenken, einzulösen bei unseren Verkäuferinnen und Verkäufern. Eine frohe Weihnachtszeit und ein gutes neues Jahr!

Ihre Meinung ist uns wichtig.

Bastian Pütter redaktion@bodoev.de

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Von Nothilfe bis Neuanfang: Helfen Sie helfen.

Was wir tun, wie wir helfen, wofür wir Geld ausgeben und woher es kommt – all das erfahren Sie in unserem Jahresbericht in diesem Heft. Wofür wir Ihre Unterstützung brauchen auch: Unsere Arbeit für Menschen in Not lebt von Ihren Spenden. Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00

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MENSCHEN

Ho-Ho-Hochseilakt Wohin es im Leben von Falko Traber junior gehen würde, war schon bei seiner Taufe klar: nach oben. Die Zeremonie fand auf einem Hochseil statt, der Pfarrer stand auf einem Hub-Steiger. Heute saust Falko Traber als Weihnachtsmann in 30 Meter Höhe über den Bochumer Dr.-Ruer-Platz. Von Max Florian Kühlem | Fotos: Daniel Sadrowski und Bochum Marketing GmbH, Michael Grosler

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F

alko Traber junior läuft voran, geht die Strecke, die ab Ende November für einen guten Monat sein täglicher Weg zur Arbeit ist: Rein in das große Gebäude der Bochumer Hauptsparkasse, mit dem Fahrstuhl vier Stockwerke rauf, noch zwei Treppen und vorbei an der Lüftungsanlage. In einer schummrigen und staubigen Ecke stehen ein wenig schief und oll ein Tisch und ein Stuhl. „Hier sieht es normalerweise etwas weihnachtlicher aus“, sagt der Hochseilartist, „das ist meine Garderobe.“ Im Weihnachtsmann-Kostüm schreitet er dann durch die nächste Tür nach draußen. Ein vorsichtiger Blick seiner Besucher offenbart den Dr.Ruer-Platz ganz weit unten. Hier sollte man schon schwindelfrei sein, um nur an der Gebäudekante zu stehen. Für regelmäßige Bochumer-Weihnachtsmarkt-Gänger ist Trabers Fahrt mit dem Schlitten über das Hochseil vielleicht schon normales Alltagsprogramm. Für den Artisten ist sie alles anderes als Routine: „Das ist jedesmal ein Risiko für mich und ein Kick“, sagt er, „anders würde es nicht funktionieren.“ Er muss den Wagen gut balancieren, beim Start der Pyrotechnik, die aussieht wie ein Düsenantrieb, den exakt richtigen Zeitpunkt abwarten. Bei zu großem Wind hat er die Show auch schon abgesagt.

„Das ist jedesmal ein Risiko für mich – und ein Kick, anders würde es nicht funktionieren.“

Klar, dass einer wie Falko Traber junior die neue Abhängigkeit von Smartphones nicht mag. Er lebt vom bewundernden Blick nach oben, von den Ahs und Ohs des Publikums. „Heute gucken die Leute nur noch nach unten auf ihr Gerät“, bemängelt er. „Auch meine neunjährige Tochter fängt jetzt damit an, fragt mich, ob wir auf Facetime gehen. Aber ich will mit ihr lieber Sachen im richtigen Leben erleben.“ Der 34-Jährige ist ein Spross der berühmten Traber-Familie, die schon im Jahr 1512 erstmals urkundlich als Schausteller erwähnt wird. Seit 1799 präsentieren ihre Mitglieder durchgehend Hochseilartistik. Damit das so bleiben kann, sind sie auf die ungebrochene Faszination am LiveErlebnis angewiesen. Doch manchmal kann sich der Artist, der im Unternehmen seines berühmten Vaters, Falko Traber senior, arbeitet und auch eigene Projekte verfolgt, einen gewissen Pessimismus nicht verkneifen: „Als wir letztens in Serbien unterwegs waren, sind die Leute ausgerastet vor Jubel. Hier in Deutschland musst du schon einen doppelten Rittberger auf dem Seil machen.“

Falko Traber junior Beruf: Hochseilartist Engagement: Fliegender Weihnachtsmann in Bochum „Flugzeiten“: täglich um 17 und um 19 Uhr Familie: Seit 1799 präsentieren die Trabers Hochseilartistik. Weihnachtsmänner der TraberFamilie fliegen auch in Bratislava, Southampton und Karlsruhe. Hobby: Breakdance Traum: als Weihnachtsmann über den Times Square fliegen

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MENSCHEN

Eine bessere Voraussetzung, um von der Hochseilartistik zu leben, könnte Falko Traber junior eigentlich nicht haben. Sein 59-jähriger Vater, der das Familienunternehmen bis heute leitet, war im James-BondFilm „Moonraker“ zu sehen und hält viele Rekorde: 1999 überquerte er die Zugspitze mit einem Fahrrad auf einem zwölf Millimeter starken Drahtseil. In 600 Metern Höhe machte er einen Kopfstand auf der Lenkergabel. 2007 lief er auf der Seilbahn hinauf zum Zuckerhut in Rio de Janeiro.

„Das Notfallprogramm läuft irgendwo im Hintergrund. Die Frage, ob alles sicher ist, wo deine Grenzen sind, musst du dir vorher stellen.“

Trotzdem muss der Sohn, dessen Bruder und Onkel ebenfalls im Artistengeschäft des Vaters tätig sind, sich mittlerweile nach Nebenverdiensten umschauen. „Ich baue mir gerade ein zweites Standbein auf und habe einen ChurrosStand auf dem Bochumer Weihnachtsmarkt“, sagt Falko Traber junior. Das bietet sich an, weil er in der erweiterten Region wohnt, in Herford. Hauptsitz der Familie ist allerdings weiter Breisach am Rhein. Dieses Jahr will der Traber-Spross auch verstärkt damit werben, dass die Weihnachtsmarktbesucher

das spanische Knuspergebäck direkt beim Weihnachtsmann bekommen, nachdem er spektakulär vom Dach der Sparkasse auf den Platz gerutscht ist. Doch sein Herz, das spürt man sofort, hängt am Hochseil. „Heute habe ich schon eine Probefahrt mit dem Schlitten gemacht und bin heiß drauf, wieder jeden Tag da oben zu sein. Aus der Nummer komm ich nicht raus.“ In seinem Leben gab es nie wirklich einen Zweifel, ob er in die Fußstapfen von Vater und Großvater (und so weiter) tritt: „Nur als damals mein Cousin abgestürzt ist, da lief es nicht so gut“, erinnert er sich. Passiert ist das 2006 beim Schräglauf auf einem 52 Meter hohen Mast mit elastischer Spitze. Durch einen lange unbemerkten Haarriss brach die Spitze ab. Johann Traber fiel in die Tiefe und verarbeitete das Ereignis später im Buch „Absturz ins Leben“. Die Familie hat die Absturzursache genauestens analysiert und neue Sicherheitsroutinen eingebaut. „Dass das wirklich passiert ist, ist wie ein Sechser im Lotto“, sagt Falko Traber junior. Aber er weiß auch: „Jede kleine Nummer kann deine letzte sein.“ Diesen Gedanken muss er wegschieben, wenn er auf das Seil geht. „Das ist dann wie eine Meditation“, sagt er. „Das Notfallprogramm läuft irgendwo im Hintergrund. Die Frage, ob alles sicher ist, wo deine Grenzen sind, musst du dir vorher stellen.“ Wenn das Seiltanzen oder Seil-Motorradfahren seine Meditation ist, dann ist Breakdance sein Yoga. „Das mache ich seit 20 Jahren nebenbei“, erzählt er. Voriges Jahr in der Winterpause war er mit ein paar Breakdancern in New York, hat Künstlerviertel in Brooklyn entdeckt und natürlich auch die bekannten Touristen-Spots gestreift. Dabei entstand ein Traum: „Ich würde gerne mal als Weihnachtsmann über den Times Square fliegen“, sagt er, rückt seine Baseballkappe zurecht und schiebt lachend hinterher: „Oder mit dem Motorrad die Freiheitsstatue rauffahren.“ Da würden wahrscheinlich selbst die New Yorker mal kurz von ihren Smartphones aufschauen.

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STRASSENLEBEN

Die Stadt Dortmund hält auch nach bundesweiter Berichterstattung und Protesten in den sozialen Netzwerken an der Praxis fest, Obdachlose, die im öffentlichen Raum schlafen, mit Verwarn- und Bußgeldern zu belegen. Es geht um Hunderte Fälle pro Jahr. Unter den Betroffenen sind Frust und Verunsicherung groß. Von Bastian Pütter | Foto: Sebastian Sellhorst

20 Euro ohne Frühstück B

is Mitte November hat das Ordnungsamt 464 Verwarnungen nach Paragraf 7 der Ordnungsrechtlichen Verordnung ausgesprochen: „Lagern, Campieren und Übernachten“, davon 265 mit einem Verwarngeld. 20 Euro kostet das Vergehen, wer nicht zahlen kann, erhält einen Bußgeldbescheid über 48,50 Euro, am Ende des Mahnverfahrens droht Erzwingungshaft. Stefan ist aufgebracht. „Ich campiere nicht, ich bin obdachlos! Das ist meine Wohnsituation. Und wenn die Stadt mich dafür anzeigt, bestraft sie meine Obdachlosigkeit. Das ist gegen die Menschenwürde.“ Anders als die meisten Betroffenen traut sich Stefan zu, Journalisten Rede und Antwort zu stehen. In den vergangenen Wochen besuchten ihn Fernsehteams, Radio- und Printjournalisten. Sein Motiv: „Ich will, dass die Stadt damit aufhört.“ Das Ordnungsamt gibt an, den Paragrafen als letzten Hebel zu nutzen, wenn nach Anwohnerbeschwerden über Lärm und Dreck Obdachlose einem Platzverweis nicht Folge leisten. Stefan schüttelt den Kopf. „Bisher wurde ich jedesmal geweckt. Außerdem hält jeder Obdachlose seine Platte sauber, außer psychische oder Suchterkrankungen machen es unmöglich. Und solche Leute brauchen dann Hilfe, kein Bußgeld.“ Er zeigt seinen letzten Bußgeldbescheid: „Am 20.10. 2018 gegen 10 Uhr lagerten sie ver-

botswidrig in Dortmund, (Adresse). Sie schliefen vor Ort und führten diversen Hausrat mit sich.“ Den vermeintlichen Hausrat schnallt Stefan jeden Morgen auf sein Fahrrad. Das Thema ist in Dortmund nicht neu. Bereits im vergangenen Winter machten bodo und das Gast-Haus die Praxis öffentlich. Die Stadt blieb dabei. Presseanfragen bei den Nachbarkommunen zeigen: Dortmund ist damit allein. Stefan erfährt zwar viel Zuspruch von denen, die sich nicht an die Öffentlichkeit trauen. Was sich für ihn geändert hat, ist jedoch bislang nicht viel: Als er das letzte Mal geweckt wurde, sprach ihn der Ordnungsamtsmitarbeiter mit Namen an und war ungewohnt förmlich. Der Bußgeldbescheid kommt per Post an seine Meldeadresse.

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NEUES VON BODO

Fröhliche Weihnachten! Auch in diesem Jahr begehen wir die Weihnachtszeit mit Feiern in unseren Arbeitsbereichen. Am größten wird die Weihnachtsfeier für unsere Verkäuferinnen und Verkäufer in Dortmund sein. Wir schaffen Platz für Tische und Bänke und ein tolles Buffet im Buchladen am Schwanenwall. Am Freitag, dem 14. Dezember, schließt der Buchladen deswegen schon um 14 Uhr. Für die Bochumer VerkäuferInnen gibt es zusätzlich am Tag zuvor einen gemütlichen Weihnachtsbrunch. Wir wünschen eine schöne Adventszeit und frohe Weihnachten! Unser Buchladen und unsere Anlaufstellen bleiben von Heiligabend bis Neujahr geschlossen. Am 28. Dezember gibt es dann die Januar-bodo zu kaufen. Ein gutes neues Jahr!

TERMINE Verkäufer-Weihnachtsfeier Fr., 14. Dezember, 18 Uhr Schwanenwall 36 – 38 44139 Dortmund Unser Buchladen schließt um 14 Uhr. Honigdieb X-Mas Show Mi., 26. Dezember, 20 Uhr präsentiert von bodo FZW, Ritterstraße 20 44137 Dortmund bodo-Weihnachtsferien 24. Dezember – 2. Januar Soziale Stadtführungen Dortmund, 8. Dez., 11 Uhr Bochum, 15. Dez., 11 Uhr Anmeldung: 0231 – 950 978 0 8

Zechen und Wunder

Glückwunsch!

Am 10. Januar beginnt die 27. Session des Ruhrpott-Karnevals Geierabend. Ensemble, Team und Publikum zählen zu unseren größten und treuesten Unterstützern: In jeder Spielzeit spenden die Gäste ihre nicht benutzten Wertmarken an bodo: Unglaubliche 10.141 Euro kamen in der vergangenen Session zusammen. „Eine wuchtige Ladung aus bissiger Satire, schräger Comedy und kohlenschwarzem Humor“ verspricht das neue Programm. Neu im Ensemble ist „Der Obel“, der aus seiner Heimat Hamm gleich zwei Reisebusse mit Geierabend-Gästen mitbringt. Neu auf der Regiebank ist der Schauspieler und Autor Till Beckmann – mehr zu ihm auf Seite 23.

Es ist die Zeit der Jubiläen, deshalb möchten wir zum Jahresausklang stellvertretend den drei Großen gratulieren, die in diesem Jahr Geburtstag feiern. Zuerst unseren FreundInnen von Hinz&Kunzt in Hamburg, über die wir immer noch staunen und die Inspiration für die Gründung von bodo waren. Dann den Münchener Kollegen von Biss, die so viel für die Straßenzeitungsbewegung getan haben und auf einzigartige Weise Großzügigkeit und Streitbarkeit verbinden. Beide werden 25. Gratulieren wollen wir auch den Schweizer KollegInnen von Surprise, die ein beeindruckendes Magazin machen und uns mit ihren Innovationen seit Jahren inspirieren. Glückwunsch zum 20sten.


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Unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Dortmund haben sich rund 200 gemeinnützige Vereine, Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen. Sie bieten Unterstützungsleistungen in allen Lebensbereichen an:

Party… Ein großes Fest für Bedürftige haben wir mit vielen anderen Vereinen und Organisationen im November in der Rotunde anmelden! gefeiert. „BochumJetzt hilft“ hatte fast ein Dutzend Gruppen zusammengetrommelt, die einen Abend lang Eintöpfe kochten, Musik machten, heiße Getränke ausschenkten oder, wie wir, Obst, Süßes und Bücher an die Gäste verteilten.

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Beratung bei Ehe- und Lebenskrisen Unterstützung bei der Betreuung von Kindern Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene Unterstützung bei psychischen Erkrankungen Hilfen für Menschen mit Behinderungen Hilfen in Notlagen und bei besonderen sozialen Schwierigkeiten Selbsthilfeunterstützung

Kontakt über Paritätischer Wohlfahrtsverband NRW Kreisgruppe Dortmund Ostenhellweg 42-48/Eingang Moritzgasse | 44135 Dortmund Telefon: (0231) 189989-0, Fax: -30 dortmund@paritaet-nrw.org | www.dortmund.paritaet-nrw.org

Entdecken Sie sich selbst!

Mit über 2.000 Veranstaltungen bietet die VHS Dortmund wieder ein abwechslungsreiches Programm:

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Körperschulung, Bewegung, Kochen und Ernährung, Sprachen, Politik, Gesellschaft, Ökologie, - EDV, - interessante Vorträge und Exkursionen.

… und Geschenke Dass „Bochum hilft“, haben beim vorweihnachtlichen Fest der gleichnamigen Initiative nicht nur die freiwilligen HelferInnen gezeigt, sondern auch viele, viele BochumerInnen. An sie war im Vorfeld der Aufruf herausgegangen, Geschenke für die wohnungslosen oder bedürftigen Gäste zu packen. Also kamen Pakete – gepackt mit Schals, Handschuhen und Süßem, viele mit persönlichen Zeilen an die Empfänger. Seit mehreren Jahren organisiert „Bochum hilft“ Charity-Aktionen für bedürftige Menschen und holt dazu karitative und kulturelle Organisationen an Bord, die das Programm mitgestalten. Das Fest in der Rotunde war das zweite in dieser Größe – und sicher nicht das letzte.

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NEUES VON BODO

Gute Bücher Auch in unserem gemeinnützigen Buchladen am Dortmunder Schwanenwall ist alles für die Weihnachtszeit vorbereitet: Im Schaufenster leuchtet der (zugegeben: nicht ganz echte) Baum, und auf unseren Aktionsflächen finden Sie im Dezember allerhand Literatur: Weihnachtskrimis, Märchen, Kindergeschichten oder Bastelbücher zum Thema Weihnachten haben wir für den Advent zusammengestellt. Außerdem verschenken wir zu Nikolaus, am 6. Dezember, wieder schön verpackte Literatur an überraschte Kunden. Suchen Sie noch ein Weihnachtsgeschenk? Wir haben gut 10.000 zur Auswahl und freuen uns auf Ihren Besuch.

SOZIALES Die ersten Kältetoten des Jahres des Jahres gab es bereits im Oktober: Am 28. Oktober starb die 43-jährige Johanna, Verkäuferin des Hamburger Straßenmagazins Hinz&Kunzt, nachdem sie stark unterkühlt auf einer Parkbank gefunden wurde. Am selben Tag wurde vor dem Düsseldorfer Hauptbahnhof ein obdachloser Mann leblos aufgefunden. Bei Redaktionsschluss zählte allein Hamburg bereits drei Tote. Mehr zu Sofortmaßnahmen auf www.bodoev.de Es gibt ein Recht auf Notunterkünfte für alle, betont die BAG W: „Jeder unfreiwillig wohnungslose Mensch hat in Deutschland ein Anrecht auf eine ordnungsrechtliche Unterbringung durch die Kommune, in der er sich aufhält. Die Herkunft des Betroffenen oder der Ort des Wohnungsverlustes spielen hierbei keine Rolle.“ Die Unterbringung an sozialhilferechtliche Ansprüche zu knüpfen, sei rechtswidrig und müsse beendet werden. Die Dortmunder Arbeitslosenquote sei zum ersten Mal seit 1982 unter die 10-Prozent-Marke gefallen. „Darüber können wir uns freuen“, erklärte Oberbürgermeister Sierau. Jedoch mahnte er an, die Gruppe der Langzeitarbeitslosen nicht zu vergessen. „Ihre Zahl ist nach wie vor zu hoch.“ Um ihre Zahl zu reduzieren, sei allerdings die Hilfe des Bundes nötig, so der Oberbürgermeister. Die Zahl der Stromsperren in Deutschland steigt weiter an: 98.177 Haushalten wurde im vergangenen Jahr in NRW der Strom abgedreht, weil ihre Rechnungen nicht bezahlt wurden. Mehr als in jedem anderen Bundesland. Bundesweit waren 344.000 Haushalte betroffen, 14.000 mehr als im Vorjahr. Eine Stromsperre drohten die Versorger in mehr als 4,8 Millionen Fällen an. 10

Schlafsäcke Am UN-Tag der Armut am 17. Oktober hatten wir mit den WohnungslosenhilfeEinrichtungen Suppenküche Kana und Gast-Haus zu Schlafsackspenden aufgerufen. Viele Schlafsäcke und Isomatten haben wir bereits erhalten und verteilt. Trotzdem möchten wir unsere Bitte erneuern und auch für Bochum fragen, ob Sie, Ihre Nachbarn oder Freunde vielleicht noch einen Schlafsack im Keller haben, den sie weitergeben würden. Gerade bei feuchter und kalter Witterung steigt der Bedarf erheblich, insgesamt haben wir mit mehr Betroffenen denn je zu tun. Wir nehmen Spenden während der Öffnungszeiten in Bochum und Dortmund entgegen und teilen sie sinnvoll unter unseren Kooperationspartnern auf.


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Ansprechpartner

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Geschäftsleitung: Tanja Walter verein@bodoev.de

bodo ist für Sie da montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr zentrale Rufnummer: 0231 – 950 978 0 Mail: info@bodoev.de Fax: 0231 – 950 978 20 Besuchen Sie uns Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr Sa. 10 – 14 Uhr Stühmeyerstraße 33 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr Fr. 14 – 17 Uhr

Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt Bastian Pütter redaktion@bodoev.de Anzeigen: Susanne Schröder anzeigen@bodoev.de

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Vertrieb: Oliver Philipp vertrieb@bodoev.de bodos Bücher: Suzanne Präkelt buch@bodoev.de bodos Bücher online: Gordon Smith basar@bodoev.de Haushaltsauflösungen und Entsorgungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln transport@bodoev.de

Öffentlichkeit

Verdrängung

bodo versteht sich als Lobbyorganisation für von Armut und Wohnungslosigkeit betroffene Menschen. Die Arbeit in diesem Feld kann harmonisch und bereichernd sein, wie etwa bei Schulbesuchen, Vorträgen und unseren Stadtführungen. Deutlich unangenehmer ist hingegen die Aufgabe, Missstände aufzuzeigen, die gern übersehen werden, weil es vermeintlich „nur“ um gesellschaftliche Randgruppen geht. Dazu gehört es, aufmerksam zu machen auf Gewalt, auf Ausbeutung auf dem Wohnungs- oder Arbeitsmarkt, auf Verdrängung und Vertreibung, auf Ämter- und Behördenschikanen – wie im Fall der Dortmunder Ordnungsstrafen. Schön ist das nicht, aber nötig, damit es sich ändert.

Damit unser Konzept funktioniert, sind wir auf attraktive Verkaufsplätze angewiesen. Idealerweise sind das viel frequentierte Supermärkte. Während im öffentlichen Raum der Verkauf von Druckerzeugnissen schlicht erlaubt ist, befinden sich die meisten Markteingänge auf Privatgelände, hier gilt das Hausrecht. Meist ist das gar kein Problem, denn viele Marktleiter akzeptieren einen freundlichen bodoVerkäufer vor ihrem Laden gerne. Leider begegnen uns inzwischen Entscheidungen „von oben“, zurzeit werden zum Teil jahrelange Verkäufer vor Kaufland-Märkten weggeschickt. Das ist für die Betroffenen und uns sehr ärgerlich. Wir bemühen uns um eine Lösung.

Weitere Infos und Verkaufsstellen unter

www.hutzelbrot.de

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REPORTAGE

Ein Rausch der Schönheit iese Geschichte beginnt in London, anno 1852. Damals wurde in der Hauptstadt an der Themse das Victoria and Albert Museum seiner Bestimmung übergeben. Weltweit war es das erste Museum, das dem Auftrag folgte, die Anwendung der Kunst im Handwerk zu zeigen. Ausdrücklich wurde es mit einer diesbezüglichen Vorbildfunktion für die heimische Bevölkerung konzipiert. Bald fand die Idee Nachahmer auf dem Kontinent. Im Ruhrgebiet gilt das 1883 konstituierte MKK als das älteste mit vergleichbarer Ausrichtung.

Aus dem Vollen schöpfen Stellvertretende Direktorin ist hier und heute die Historikerin Dr. Gisela Framke. „Es war eine Bürgerinitiative, die zur Gründung führte“, sagt sie. „Man hatte Münzfunde, die Grundstock einer Altertumssammlung sein sollten. Die ursprüngliche Programmatik war naturgemäß heimatgeschichtlich. Albert Baum, der erste Direktor, besaß aber zum Glück die Sensibilität, auch seinerzeit aktuelle Strömungen wie den Jugendstil wahrzunehmen. Er trug Exponate zusammen, die er nicht nur interessierten Laien zeigen wollte, sondern vor allem den ortsansässigen Handwerkern als Muster für deren Arbeit. Aus diesem Grund besuchte er im Jahr 1900 die Weltausstellung in Paris, um für das Haus einzukaufen, was dort als modern und fortschrittlich galt.“

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Die Ankäufe von Albert Baum markieren den Anfang einer breit gefächerten Jugendstilsammlung, die kontinuierlich und gezielt erweitert wurde. Glückliche Umstände halfen. Zum Beispiel blieb, ein ausgesprochen seltener Fall, eine Wohnungseinrichtung aus der Zeit um 1900 erhalten. Konkret handelt es sich um einen von Joseph Maria Olbich für Aenne Klönne entworfenen Salon. Die anno 1879 geborene Dame war auf dem neuesten Stand. Sie stammte aus Darmstadt, aus der erfolgreichen Unternehmerfamilie Glückert, bekannt für ihre wegweisende Möbelfabrikation. Unter anderem wurden zahlreiche Häuser der Künstlerkolonie Mathildenhöhe von Glückert ausgestattet. Als Aenne Glückert den Dortmunder Industriellen Moritz Klönne heiratete, brachte sie besagtes Zimmer mit in ihre Ehe. Hochbetagt stiftete sie es 1964 dem MKK. „Wir besitzen außerdem ein Zimmer nach einem Entwurf von Richard Riemerschmid“, sagt Frau Framke. „Das kennen aber selbst unsere Stammgäste nicht, weil es bislang im Depot lagerte. Jetzt können wir es erstmals öffentlich zeigen. Pläne, die umfangreiche, hauseigene Jugendstilsammlung zu präsentieren, existieren als Desiderat zwar seit 1983, sind aber stets in den Anfängen stecken geblieben.“ 1983 war das Museum von seinem zwischenzeitlichen Standort Cappenberg in das alte Sparkassengebäude an der Hansastraße verlegt worden. Im Prinzip ein viertes Jubiläum. „Die Hälfte der Sammlung hat man bislang nicht sehen können, da gibt es entsprechend viel zu


Jugendstil im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte Geburtstage sollten gefeiert werden. Erst recht, wenn es gleich dreifach zu gratulieren gilt, wie derzeit im Museum für Kunst und Kulturgeschichte (MKK). Es wurde vor 135 Jahren gegründet, vor 110 Jahren die Dortmunder Museumsgesellschaft und vor zwanzig die Stiftung für das MKK. Das passende Geschenk ist eine große Ausstellung zum Thema Jugendstil. Am 9. Dezember wird sie eröffnet. Ihr Titel: Rausch der Schönheit. Von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski

Autor Wolfgang Kienast empfiehlt einen Spaziergang durch die Dortmunder Nordstadt. Hier sind noch viele schön erhaltene Jugendstil-Fassaden zu entdecken: v.l. Eulenburg Stahlwerkstraße, Lübeckerstraße und Oesterholzstraße.

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REPORTAGE

entdecken. Achtzig Prozent der Ausstellungsexponate stammen im Übrigen aus unserem eigenen Bestand. Ein erstaunlich hoher Wert, oft ist das Verhältnis in puncto Leihgaben ein umgekehrtes.“ Die Kuratorin der Ausstellung, Gabriele Koller, durfte also nahezu aus dem Vollen schöpfen, entsprechend großzügig konnte insgesamt das Themenspektrum im „Rausch der Schönheit“ abgesteckt wer-

Kein Kunststil, eine Reformbewegung „Das ist mit dem Jugendstil nicht so einfach“, sagt Frau Koller. „Wir reden heute von einer europäischen Bewegung. Je nachdem, wo wir uns befinden, wird von Art nouveau gesprochen, von Modernisme oder Liberty. Der deutsche Name ist in diesem Kontext sogar irreführend, denn er lässt vermuten, es müsse sich um einen Kunststil handeln. Der Ju-

als nur der Bereich der schönen Künste.“ Angesichts dessen lieferten unter anderem auch das Kochbuchmuseum (Ernährungsreform) sowie das Brauereimuseum (Werbung für alkoholische Getränke) interessante Beiträge zum „Rausch der Schönheit“. Zudem ist auf das Begleitprogramm der Ausstellung hinzuweisen, einschließlich mehrerer Exkursionen ins Stadtgebiet. „Dortmund ist keine Jugendstilstadt wie Darmstadt oder München“, sagt Frau Framke. „Dennoch fühlte Links: Dr. Gisela Framke, stellvertretende Direktorin, und die Kuratorin der Ausstellung Gabriele Koller.

man sich am Puls der Zeit. Zwar gab es keinen Fürsten, der entsprechende Initiativen begründet hätte, aber eine Bürgerschaft, die im Konzert der Städte mitmachen wollte. Man lebte schließlich als Vertreter einer aufstrebenden Industriestadt im Bewusstsein, kulturell nicht irgendwo am Ende zu stehen. Man setzte Akzente. Die Maschinenhalle auf Zeche Zollern wurde gebaut, die Immanuelkirche in Marten. Und denken Sie nur an die vielen Fassaden. Was die betrifft, musste man sich keineswegs verstecken. Schließlich ging es darum, wirtschaftliche Potenz nach außen zu zeigen. Das sieht man vor allem in den guten bürgerlichen Wohngebieten im Osten, sehr wohl aber auch im Norden.“ den. Die Natur als Vorbild für die Künstler des Jugendstils spielt ebenso eine Rolle wie die Inspiration Japan, das Feld von Kunsthandwerk und Design ebenso wie das von Tanz und Bewegung. Darüber hinaus finden immer wieder Wechselbeziehungen zwischen Utopie und Realität in der Ausstellung ihren Niederschlag.

gendstil ist aber eine Reformbewegung. Damals ging es tatsächlich darum, das Dasein neu zu durchdenken. Der zentrale Schönheitsbegriff verfolgte den Gedanken, nicht weniger als Kunst und Leben verbinden zu wollen. Selbst wenn vieles bei der zugegeben utopischen Vorstellung Ansatz geblieben ist, wohnt dieser Denkweise doch weit mehr inne

Stadt im Aufbruch Mit dem Fehlen eines Fürstenhofes, seit Generationen darin geübt, auf kulturellem Gebiet aktiv zu sein, lässt es sich vielleicht erklären, dass Dortmund ein wenig hinter den neuesten Trends tickte. Folglich erreich-

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Rausch der Schönheit vom 9. Dezember 2018 bis 23. Juni 2019 Museum für Kunst und Kulturgeschichte MKK Hansastraße 3, Dortmund www.mkk.dortmund.de

te der Jugendstil hier einen Höhepunkt, als er in den Zentren der Bewegung bereits im Abschwung war. Und selten trifft man ihn in Form einer reinen Lehre an. Statt dessen darf man sich, gerade bei der Fassadengestaltung, an einem überschwänglichen Eklektizismus erfreuen – und ferner an zeitgleich gebauten Häusern im Heimat- oder Tudorstil. Informationen zu jeweiligen Bauherren oder Architekten, im Gegensatz zu heute kein geschützter Beruf, findet man leider selten. Dazumal wurde manches nicht dokumentiert, vereinzelt gingen Akten verloren. Dann sprechen die Fassaden für sich. „Um die vielen Ornamente zu verstehen, muss man in die Zeit gehen“, sagt Frau Kol-

her

ler. „Wir sind bauhausdominiert, Fassadenschmuck spielt für uns keine Rolle mehr, und die sogenannte Kunst am Bau wirkt oft aufgezwungen. Vor dem Bauhaus arbeitete die Baugeschichte dagegen immer mit Verzierungen. Lange orientierte man sich an historischen Vorbildern, an der Gotik oder der Renaissance. Der Jugendstil aber versuchte, etwas Eigenes zu machen. Daran hatten die Bauherren mit Sicherheit ihren Spaß gehabt. Es ging schließlich um Schmuck für sie selbst und für die Stadt.“ Bedauerlicherweise haben die Gebäude im eigentlichen Stadtkern den Zweiten Weltkrieg nicht überlebt. Sonst würde man vermutlich noch Zeugnisse aus der Welt des Konsums

finden können. Neu nämlich waren hier die Kaufhäuser, ein Phänomen, auf dessen Gebiet sich der Jugendstil überschwänglich austoben sollte. Eindrücke dieser Glaspaläste vermitteln allenfalls noch erhaltene Bauzeichnungen oder Ansichtskarten. Zum Konsum gesellte sich die Erholung. Parkflächen entstanden. Die Stadt wuchs und wollte ihren Bewohnern etwas bieten. Elektrisches Licht hielt Einzug. Zunächst in der Industrie, dann im öffentlichen und etwas später im privaten Bereich. Im Rahmen einer Wohnungskunstausstellung anno 1909 wurden die Innovationen vorgestellt. „Dortmund hat sich als Stadt im Auf- und Umbruch empfunden“, sagt Frau Koller. „Der ‚Rausch der Schönheit‘ ! gen kann das auf vielen Ebenen zeigen.“ hun

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Eine Notunterkunft in Budapest. Seit Oktober ist es Obdachlosen in ganz Ungarn gesetzlich verboten, sich an öffentlichen Orten aufzuhalten oder niederzulassen. Wer gegen das Gesetz verstößt, dem drohen Geldstrafen und im Wiederholungsfall Gefängnis. Laut UN leben derzeit rund 50.000 Wohnungs- und Obdachlose in Ungarn, ein Drittel von ihnen auf der Straße. Die anderen zwei Drittel in Notunterkünften, von denen es jedoch zu wenige gebe. Foto: Reuters / Bernadett Szabo

RECHT

Rente oder Arbeitslosengeld II? Von René Boyke

Wer kurz vor der Rente steht, ist oft vor die Frage gestellt, ob er Arbeitslosengeld II oder Rente in Anspruch nehmen soll. Das Problem: Wer vor Erreichen des regulären Rentenalters Rente bezieht, muss erhebliche Abschläge bei der Rente in Kauf nehmen. Mit dieser Problematik war auch ein Mann konfrontiert, der seit Jahren Arbeitslosengeld II bezog. Nur vier Monate vor dem Erreichen der Altersgrenze für den Bezug

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einer regulären Altersrente forderte ihn das Jobcenter auf, eine geminderte Altersrente zu beantragen. Gegen diese Aufforderung wehrte sich der Mann – mit Erfolg. Das Sozialgericht Neubrandenburg (Az. S 11 AS 658/17) hob die Aufforderung zur Rentenantragstellung auf. Begründung: Die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente mit Abschlägen sei unbillig, weil der Kläger im Sinne von § 3 Unbilligkeitsverordnung „in

nächster Zukunft“ eine abschlagsfreie Altersrente beziehen könne. Leider ist der Verordnungstext nicht eindeutig: § 3 der Unbilligkeitsverordnung besagt lediglich, dass die Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente unbillig sei, wenn Hilfebedürftige „in nächster Zukunft“ die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen können. Daher legte das Jobcenter Revision vor dem Bundessozialgericht (BSG)


KOMMENTAR

Kippenschnippen Von Bastian Pütter

Von Bochum lernen

Am Eröffnungstag des Bochumer Weihnachtsmarktes rettete Oberbürgermeister Thomas Eiskirch einen Hund. Der war entlaufen, der OB hielt lächelnd das erstaunlich flauschige Tier in eine Handykamera und ließ das Bild auf allen Kanälen posten. Herrchen und Hund fanden wieder zueinander, Happy End. Jetzt wird man in Deutschland mit sowas nicht gleich Kanzler, aber gut ankommen tut es. Zurecht. Und im echten Leben? Der Buddenbergplatz ist Bochums No-Go-Area. Gut, aus jeder großstädtischen Perspektive ist das überraschend, in Bochum hat man aber Angst hinterm Bahnhof. Das ist in Ordnung, wenn Politik zwischen Sicherheit (die ist gegeben) und Sicherheitsgefühl (das eben nicht) trennt. Macht Herr Eiskirch. Und hat ein Konzept entwickeln lassen mit Blick aufs Soziale und symbolischen „Bestreifungen“. Alles irgendwie ok. Da macht es dann auch nichts, wenn bei der Pressekonferenz vor Ort die Dame vom Ordnungsamt neben dem Chef leutselig ausplaudert, dass man bei ebendort auftretender Randgruppe kreativ sei mit Ordnungsstrafen, falls die Klientel nicht spure: „Zum Beispiel für Kippenschnippen (…) oder aber für Kronkorken, die nicht entsorgt werden“, hagelt es dann Verwarn- oder Bußgelder. Pech. Das mag man angebracht finden oder unschön, interessant jedenfalls ist der Kontrast zum krawalligen Nachbarn Dortmund. In Bochum übt man sich nämlich in Harmonie und Freundlichkeit, und da sorgt ein rustikales Ordnungsamt nicht einmal für Irritationen. Und wenn, könnte man drüber reden. Gemeinsames Selfie nicht ausgeschlossen. Dortmund auf der anderen Seite hat gerade wieder einen bundesweiten Medienauflauf hinter sich, weil außer der Verwaltung niemand richtig findet, Obdachlose für ihre Obdachlosigkeit zu bestrafen (S. 7). Statt dass das irgendwann eingesehen wird, machen Journalisten aus ganz Deutschland Erfahrungen mit einer ruppigen Pressestelle, und die geneigten Betroffenen dürfen sich vom Vorsitzenden der SPD-Ratsfraktion beschimpfen lassen. Als der Quatschsatz „In Dortmund muss niemand auf der Straße übernachten“ offensichtlich unglaubwürdig wird, stellt die Pressestelle, weiterhin schmallippig, um auf: „In Dortmund wird niemand, der um einen Schlafplatz bittet, ohne Hilfsangebot abgewiesen.“ Well played. Aber ernsthaft, vielleicht könnte man jetzt, wo das welthöchste Fichtengesteck leuchtet, einfach mal ein bisschen netter sein, zugewandter, weniger furchtbar. Man muss ja nicht gleich einen Hund hochhalten.

(Az. B 14 AS 1/18 R) ein. Dieses entschied zugunsten des Mannes und erklärte: Der Verordnungsgeber habe auf das Missverhältnis zwischen den hinzunehmenden Abschlägen einerseits und der vergleichsweise kurzen restlichen Bezugszeit der Grundsicherung für Arbeitsuchende bis zum Beginn der abschlagsfreien Altersrente andererseits reagiert. Der Verordnungstext sollte, weil er keine feste zeitliche Angabe enthält, Ausle-

DIE ZAHL

400 Euro fehlen rechnerisch jedem Einwohner Deutschlands durch den Cum-Ex-Skandal. Bei dem „größten Steuerraub der Geschichte“ schädigten Banken und Anwälte die deutschen Steuerzahler um mindestens 31,8 Milliarden Euro.

gungsspielräume lassen. So sei eine zusätzliche Inanspruchnahme von Grundsicherungsleistungen von vier Monaten bei einer durchschnittlichen Rentenbezugsdauer von gegenwärtig nahezu 20 Jahren so kurz, dass der Verweis auf eine dauerhaft geminderte Altersrente einem Leistungsberechtigten nicht zuzumuten ist.

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REPORTAGE

„Ein Kaffee ist ja nur der erste Schritt“ Innerhalb von zwei Jahren ist die Zahl der – statistisch erfassten – Wohnungslosen in Bochum um 70 Prozent gestiegen. Für bodo ein Anlass, das eigene Angebot zu erweitern: Auf abendlichen Touren durch die Stadt besucht bodo die Menschen, deren Lebensmittelpunkt der Stadtraum ist. Dabei geht es um „Kaffee und Knifte“, um Schlafsäcke und Hygieneartikel. Aber auch darum, in Kontakt zu kommen und über Hilfsangebote zu informieren. Von Sebastian Sellhorst | Fotos: Daniel Sadrowski

Von der Stühmeyerstraße zum Bahnhof: In der bodo-Anlaufstelle wird die Tour vorbereitet, mit bodo-rot lackiertem Zustellwagen geht es in die Stadt.

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N

icht nur wer ohne jedes Obdach auf der Straße lebt, verbringt seine Tage draußen. Wer ein Bett oder ein Sofa für die Nacht findet – bei wechselnden Bekannten, in Hostels, in Notunterkünften – hat noch keinen Ort für den Tag. So verbringen Menschen ihre Zeit auf Bänken, an bekannten Treffpunkten oder laufen viele Kilometer täglich durch die Stadt. Zu diesem Leben gehört es, keine Vorräte, keinen Kühlschrank zu haben und so entweder teuer einzukaufen oder auf Angebote der Wohnungslosenhilfe angewiesen zu sein. Außerhalb der Öffnungszeiten der Einrichtungen ist nun bodo abwechselnd in Bochum und Dortmund mit „Kaffee und Knifte“ unterwegs.

Der rote Postwagen Bevor sich das Team an diesem Samstag auf den Weg in die Bochumer Innenstadt macht, trifft es sich in der bodo-

Anlaufstelle in der Stühmeyerstraße. Hier werden Butterbrote geschmiert, Kaffee und Tee gekocht und Schlafsäcke zusammengepackt. „Zusätzlich packen wir Dinge ein, die man gut kauen kann, zum Beispiel Bananen. Viele Leute auf der Straße haben Zahnprobleme“, erklärt Sabine, eine der ehrenamtlichen Helferinnen, während sie Brote mit Käse und Salami in grüne Butterbrottüten packt. „Von den Broten, die wir schmieren, entfernen wir die Kruste.“ Gemeinsam mit ihrem Mann Frank ist Sabine regelmäßig bei den Bochumer Rundgängen dabei. „Bevor wir hier loslegen konnten, mussten wir einen Hygieneschein machen. Das ist aber kein großer Aufwand“, erzählt Heidi, eine weitere Ehrenamtliche. Ausgerüstet mit einem ehemaligen Zustellwagen der Post mit Kaffee und Tee, Broten und Bananen macht sich die Gruppe bei einsetzender Dämmerung

auf den Weg. Auf einem anderen Wagen hat das Team warme Winterkleidung, Schlafsäcke und Isomatten dabei. „Wir starten immer zu festen Zeiten samstags. Das Wochenende bietet sich an, weil dann viele andere Angebote, bei denen sich die Leute aufhalten können, geschlossen haben“, erzählt Olaf. Er engagiert sich seit seinem Ruhestand ehrenamtlich bei bodo und ist für die Organisation der Bochumer Gruppe zuständig.

„Geht es deinem Bein besser?“ Der erste Halt der sechsköpfigen Gruppe ist der Fontana-Brunnen in der Bochumer Innenstadt. Zwischen Kortumstraße und der Anlaufstelle für wohnungslose Männer am Westring gelegen, ist er ein beliebter Platz von Menschen, die viel Zeit im öffentlichen Raum verbringen. „Jemand einen Kaffee von euch?“, macht Olaf allein den ersten Schritt auf ein paar Männer zu,

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REPORTAGE

die auf den Bänken sitzen. „So machen wir das immer. Um die Leute nicht zu sehr zu überfallen.“ Überfallen fühlt sich hier niemand. Die Gruppen kennen sich bereits. „Geht es deinem Bein wieder besser?“, fragt Olaf einen der drei. Während Reiner seine Beine zeigt und sich mit neuen Socken versorgt, werden parallel Kaffee und Tee ausgeschenkt. Man kommt ins Gespräch. „Einige von uns pennen draußen, andere im Fliednerhaus. Tagsüber sind wir dann aber meist zusammen unterwegs. Manchmal sitzen wir hier oder auch oben am Bahnhof. Das Fliednerhaus macht erst um 19 Uhr auf. So lange sind wir halt unterwegs“, erzählt Reiner, der eigentlich anders heißt. „Im Sommer ist das okay. Im Winter oft ganz schön scheiße.“ Die sogenannte Wohnungsnotfallberichterstattung des NRW-Sozialministeriums zählt in Bochum 582 Wohnungslose, also Menschen, die nicht über eine eigene Wohnung verfügen. Wie viele ganz ohne Unterkunft auf der Straße leben, wird statistisch nicht erfasst. Die Notübernachtungsstelle „Fliednerhaus“ am Stadion des VfL hält 40 Schlafplätze bereit. Die Bochumer Situation unterscheidet sich so kaum von der im Land. Mit et-

was Verspätung im Vergleich zu den größeren Nachbarstädten verschärft sich auch hier die Lage auf dem Wohnungsmarkt. In NRW ist im vergangenen Jahr die Zahl der wohnungslosen Menschen um knapp 30 Prozent gestiegen – auf über 32.000.

Isomatten auf Steinboden Die nächste Station des Rundgangs liegt zwischen Rathaus und Stadtbibliothek. „Mit der Zeit kennt man die Ecken, an

denen sich die Leute, die draußen sind, so aufhalten. Entsprechend haben wir unsere Route geplant“, erzählt Olaf. Hier kennt man „Kaffee und Knifte“ noch nicht. „Von welcher Kirche seid ihr denn?“, wird skeptisch fragt. Dass sie es mit bodo zu tun haben, ist schnell erklärt. Misstrauen bleibt. „Und was soll das?“ – „Man kann doch einfach mal Leuten, die Lust drauf haben, einen Kaffee vorbei bringen“, erklärt Frank, der eigentlich Personalleiter ist. So ganz überzeugt ist die Gruppe nicht. Einen Kaffee nehmen sie trotzdem gerne.

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Gut ausgestattet geht es los. Im Gepäck: belegte Brote, Obst und heiße Getränke, Schlafsäcke, Hygieneartikel und Infomaterial zu den Hilfsangeboten in der Stadt.

Eine der letzten Stationen des Rundgangs ist der Nordausgang des Hauptbahnhofes. Im Abgang zu den U-Bahnen haben sich einige Leute ein Nachtlager eingerichtet. Einige schlafen auf dünnen Isomatten oder haben ihre Jacken ausgebreitet, während andere etwas abseits auf dem Buddenbergplatz rauchen. Eine dicke Isomatte für den Steinboden kommt hier gerade recht. Eigentlich ist es nicht erlaubt, im Bahnhof sein Nachtlager aufzuschlagen. In

den kalten Wintermonaten werde es im Bereich der Rolltreppen, für den die Bochumer Verkehrsgesellschaft zuständig ist, aber toleriert, solange sich die Menschen an die Hausordnung halten, sagt die Stadt.

Ein erster Schritt

deren Einrichtungen. Die Gruppe hat Flyer dabei, auf denen die Bochumer Hilfsangebote zusammengestellt sind. Nachdem auch die letzten Isomatten und Schlafsäcke verteilt sind, macht sich die Gruppe langsam wieder auf den Rückweg. 30 Kniften, vier Liter Kaffee und viele Schlafsäcke haben am Ende Abnehmer gefunden.

„Ein Kaffee ist ja nur der erste Schritt. Am liebsten würden wir die Leute am nächsten Tag im bodo-Café begrüßen“, so Olaf. Oder in einer der an-

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Unsere monatliche Exkursion in die urbane Welt der wilden Kräuter. Mit nützlichen Informationen, pointierten Fußnoten, vielen Geschichten – und immer einem originellen Rezept. Von Wolfgang Kienast

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D REZEPT 400 g Schlehen in 125 ml Wasser 10 Minuten sanft simmern lassen und durch ein Sieb streichen. 1 große Quitte entkernen, nicht zu grob würfeln und zum Schlehenmus geben. 5 EL Rohrzucker einrühren und die Masse beiseite stellen. 1 EL Butter behutsam erhitzen, 500 ml Milch beigeben und mit 1 gemörserter Zimtstange kurz aufkochen. Mit 2 EL Speisestärke verrühren und etwas abkühlen lassen. Die Schlehen-Quittenmischung zugeben und 3 Eigelb unterziehen. 3 Eiweiß mit 2 EL Rohrzucker schaumig schlagen. Die Hälfte des Eischnees mit der Masse verrühren, die andere Hälfte vorsichtig unterheben. Im vorgeheizten Backofen in einer gebutterten Auflaufform bei 200 Grad etwa 40 Minuten garen. Als süßes Hauptgericht warm mit Vanillesauce servieren.

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ie Hiobsbotschaft kam am 15. Oktober. Weil Ihro Sensibilität, die Gerste, unter den Auswirkungen des Klimawandels besonders leide, sei in Zukunft wohl mit spürbar steigenden Bierpreisen zu rechnen. Doch vielleicht – sollte man dereinst für die Maß Oktoberfestbier über fünfundzwanzig Euro berappen – entdeckt dann auch das traditionell bieraffine Bayern eine Leidenschaft für den Klimaschutz. Noch bleibt man im bayrischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten diesbezüglich gelassen: „Wir dürfen die Bioschiene nicht zu arg fahren, um den Bauer nicht in den Ruin zu treiben“, versicherte Ministerin Michaela Kaniber zum Beispiel noch Anfang September im unterfränkischen Städtchen Zeil am Main einigen vor Ort versammelten besorgten Landwirten.

2018 gab es bemerkenswerte Phänomene zu beobachten. Einige Wildkräuter, die sich während der extremen Hitze komplett zurückgezogen hatten, starteten mit neuer Vegetationsperiode in den Herbst. Brennnessel, Knoblauchsrauke und Fingerkraut präsentierten sich im September wie sonst nur im April. Die Früchte der Eberesche, einschlägigen Sammelkalendarien zufolge ab Oktober ausgereift, konnte man weit früher ernten, die des Weißdorns ließen Wochen länger auf sich warten als gewohnt. Und beim Schlehdorn? Eigentlich bis Dezember anzutreffen, waren dessen Früchte im August bereits genießbar. Sollten Sie keine mehr finden, müssten Sie mit dem Soufflé wohl bis 2019 warten. Es würde sich lohnen.

Je weiter nach rechts Sie im politischen Spektrum schauen, desto vehementer wird menschliches Zutun als Ursache für den dortselbst ja sowieso nicht erkennbaren Klimawandel geleugnet. „Wir sollten der Sonne erklären, dass sie nicht so viel scheinen soll… Wir sollten die Sonne verklagen!“, äußerte sich ironiefrei die AfD-Klimaschutzexpertin Beatrix von Storch Ende August im Podcast „Jung & Naiv“ von Tilo Jung.

Die Schlehe wird auch Schlehdorn, Heckendorn oder Schwarzdorn genannt. Der Name der Schlehe ist wohl auf die Farbe ihrer Frucht zurückzuführen und leitet sich von dem indogermanischen Wort (S)li ab, was „bläulich“ bedeutet. Man findet diese ursprüngliche Bedeutung auch als Silbe im Pflaumenschnaps Slivovitz wieder. Das russische Wort „Слива” (Sliwa) oder das serbokroatische „šljiva” bedeuten Zwetschge.

Mehrfach habe ich an dieser Stelle erwähnt, dass Wetter und Klima zwei Paar Schuhe sind. Aber eben Schuhe und nicht Fußbekleidung hier, Sanddornsaft dort. Es gibt Zusammenhänge, es gibt Tendenzen. Im statistischen Rückblick war der Sommer 2018 der zweiundzwanzigste zu warme in Folge. Überdies war er zu trocken. Monate der Rekorde, in welchen nicht nur Nutzpflanzen in Ziergärten, Parks und bäuerlicher Landwirtschaft zu leiden hatten, sondern auch jenes Grünzeug, das gemeinhin als „Natur“ bezeichnet wird.


KULTUR

Er ist Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur. Mit seinem Bruder Nils prägte er lange das Herner theaterkohlenpott und schrieb das Drehbuch zum WinkelmannFilm „Junges Licht“. Mit den ebenfalls erfolgreich schauspielenden Schwestern Lina und Maja – und Gästen wie Linas Mann Charlie Hübner – betreiben beide das Familienunternehmen „Spielkinder“. Nun ist Till Beckmann neuer Geierabend-Regisseur.

Till Beckmann

Von Bastian Pütter | Foto: Daniel Sadrowski

Der Geierabend geht in die 27. Session, du bist Anfang Dreißig. Wie reagiert so ein Ensemble, wenn der Neue das erste Mal reinkommt? Das sind ja alles gestandene Bühnenleute. In der Gruppe herrscht schon ein direkter Ton, da muss man sich dran gewöhnen: „So, du bist jetzt der Chef? Dann kannste Dich auch durchsetzen.“ Unterscheidet sich die Arbeit von der Regiearbeit im Theater? Es ist viel detailliertes Arbeiten, Planen, Diskutieren. Ich lerne viel vom Ensemble, das sind ja Kabarettisten und Comedians. Da geht’s um Timing, die Gags müssen sitzen und da wird zuerst der Text abgeklopft. Ich will immer sofort loslegen, aber ich merke, dass es total gut funktioniert, konkret an einer Szene zu arbeiten, neue Einfälle einzubauen, Dynamik reinzubekommen und das auf der Bühne umzusetzen. Du hast immer wieder mit Deinem Bruder Nils zusammengearbeitet. Jetzt bildest Du mit Heinz-Peter Lengkeit ein Regie-Duo. Streitet man sich in der Familie anders? Bestimmt. Wobei wir beim Geierabend einen einfachen Weg gefunden haben: Wir teilen uns auf. Da probe ich dann auf der Bühne die Nummer über künstliche Intelligenz, und H.-P. bespricht nebenan die Nummer der „Bandscheibe“. Für die Ruhrfestspiele hast Du mit den Spielkindern eine gefeierte Ralf-Rothmann-Revue entwickelt. Gibt es Überschneidungen zum Geierabend?

(lacht) Das ist schon ein eigenes Universum, vor allem, weil wir unsere sehr speziellen Sachen eher für uns machen. Bei den Stellen, die wir total lustig finden, ist dann Totenstille im Publikum. Das wär beim Geierabend schlecht. Seid ihr bei den „Spielkinder“-Proben besonders kritische Profis oder geht es lockerer zu als in den Ensembles? Einerseits ist da nicht so ein Druck auf dem Kessel, andererseits: Wenn man denkt, dass die Proben nur harmonisch sind – da muss ich widersprechen. Aber bis jetzt ist es am Ende immer gut gelaufen. Im Moment bist Du Geierabend-Regisseur. Was sagst Du sonst, wenn jemand fragt, was Du beruflich machst? Ich hab mal geantwortet: Ich versuche möglichst viele von meinen Ideen

umzusetzen. Ich habe das Glück, dass ich machen kann, was ich spannend finde. Mal als Lesung, als Hörbuch oder im Theater. Gibt es etwas, was du nicht mehr ausprobieren möchtest? Ich habe einen Bachelor in Literatur – und sich mit Literatur wissenschaftlich auseinandersetzen, das ist es nicht. Ich muss immer persönlich andocken. Was sind die nächsten Pläne? Ich spiele meine Stücke weiter und möchte wieder schreiben. Ich bin schon länger an einem Stoff dran, der mich sehr fasziniert. Aber erstmal will ich einen Geierabend machen, an dem das, was toll ist, toll bleibt und der sich trotzdem ein bisschen verändert.

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REPORTAGE

Drei Jahre ist er her, der „Sommer der Migration“, in dem Tausende auf der Flucht aus Krisen- und Kriegsgebieten nach Deutschland kamen. Die meisten Notunterkünfte sind wieder geschlossen, die vielen Initiativen, die sich in den vergangenen Jahren gegründet haben, arbeiten weiter, unterstützen beim Einleben in der neuen Heimat. Auch die Flüchtlingspaten Dortmund gehören zu diesen Initiativen. Sie machen sich mit ihrer Arbeit nicht nur Freunde. Von Alexandra Gehrhardt | Fotos: Daniel Sadrowski

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Hilfe in der neuen Heimat

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in paar Leute sind schon beim Treffen. Es ist Mittwochnachmittag, kurz nach fünf im Nebenraum eines Cafés im Dortmunder Klinikviertel. Auf einem Tisch steht eine Schale Trauben, an einem anderen sitzen schon eine Handvoll Menschen und unterhalten sich, ein älterer Herr stimmt die Saiten seiner Saz, eines traditionellen türkischen Instruments, das ein wenig an eine kleine, bauchige Gitarre erinnert. In der Küche kocht Teewasser. Jeden Mittwoch treffen sich die Flüchtlingspaten Dortmund hier im Café. Für einige ist es ein fester Termin, um etwas Zeit mit Bekannten zu verbringen, sich nett zu unterhalten, für andere ein Anlaufpunkt, um Hilfe bei Problemen zu finden. 2015 war das Jahr der Elendsbilder von überfüllten Flüchtlingslagern in Griechenland, von Menschen, die es zu Fuß über den Balkan nach Europa versuchten, von Flüchtlingszügen und von mehr als 1.000 Anschlägen auf Unterkünfte im Bundesgebiet. Binnen Wochen kamen mehrere tausend Menschen nach NRW, Kommunen zogen eilends Notunterkünfte in ehemaligen Schulen, Verwaltungsgebäuden, Turnhallen hoch. Es war das Jahr, in dem Tausende versorgt werden mussten, und in dem Tausende andere einfach anfingen, zu helfen, sich in Initiativen zusammentaten und Vereine gründeten. Auch die Flüchtlingspaten. Gründungsmitglied Volker Töbel erinnert sich: „Wir hatten private Kontakte zu einer Unterkunft in Eving und haben gemerkt, dass die Menschen in den Einrichtungen ziemlich allein gelassen werden“, erzählt er. „Unser Konzept war, Patenschaften zwischen Leuten von hier und gef lüchteten Menschen zu bilden, die so lange fortgeführt werden, bis es nicht mehr nötig ist.“ Es geht um Ämtergänge, Hilfe bei Anträgen, Anhörungs- und Asylverfahren. „Bekommt jemand Leistungen, und wenn ja, welche? Und wie bekommt man Behörden dazu, dass sie sich bewegen?“, zählt Maria auf. Die pensionierte Lehrerin ist seit 2016 dabei. „Vieles war uns unklar, und vieles mussten wir selbst erst lernen.“ Also lernten sie: Aufenthalts- und Asylrecht, Fragen von Leistungen und Grenzen des Rechts. Sie sind vernetzt mit anderen Initiativen und über das Netzwerk Ehrenamtlicher, ein Anwalt berät die Paten. Das hilft.

Zwei Jahre warten Ungefähr 130 Menschen hat der Verein bislang unterstützt. Hassam ist einer von ihnen. Er kommt aus dem afghanischen Herat. Als er elf war, tötete eine Bombe seine Schwester und riss ihm die Unterschenkel ab. Eine Nato-Bombe, ergänzt Volker, sein Pate.

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REPORTAGE

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www.schutzgemeinschaft-fluglaerm.de Auf Krücken floh er, zusammen mit seinem Bruder, 2014 erreichten sie Dortmund. Sein Verfahren zog sich bis 2016. „Ich habe zwei Jahre lang auf meine Anhörung gewartet. Aber ich hatte zum Glück viele Papiere, die belegt haben, dass ich das Recht habe, Asyl zu erhalten“, erzählt der heute 25-Jährige. Bis auch seine Frau Mansoura in Dortmund ankam, dauerte es nochmal fast zwei Jahre – und das klingt ziemlich abenteuerlich. „Weil ich geflohen war, bekam Mansoura immer größere Schwierigkeiten in Afghanistan“, erzählt Hassam. Den Termin bei der deutschen Botschaft in Kabul habe sie schon gehabt, dann wurde das Gebäude bei einem Anschlag schwer beschädigt. Mansoura sei heimlich in die Türkei gereist, erzählt Volker, bei einem Bekannten habe sie gewohnt, über Kontakte konnte der Dortmunder Verein einen Termin beim deutschen Konsulat in Istanbul ergattern. „Ein türkeistämmiges Vereinsmitglied ist dann nach Istanbul geflogen und hat mit Mansoura alles geregelt.“ Und dann: warten. Vor einem halben Jahr hatte es ein Ende.

Jeder Mensch möchte ein Dach über dem Kopf

Das alles zu organisieren, sich vertraut zu machen mit Gesetzen und Verordnungen, kostet Zeit und Geld. Mal müssen Anwälte bezahlt werden, mal wird eine Mietkaution vorgestreckt.

Ausbildung, Abschiebung Auch der 25-jährige Najib kommt aus Afghanistan. Sein Schwager bekam irgendwann Probleme mit Taliban, wurde mit dem Tode bedroht, gemeinsam wurden sie überfallen. Zu siebt – Najib, seine Schwester und ihr Mann mit drei Kindern und der 84 Jahre alte Vater – flohen. Schwester, Schwager und die Kinder haben in Deutschland Asyl erhalten, für den 84 Jahre alten Vater gilt ein Abschiebeverbot. Najibs Antrag wurde abgelehnt. „In dem Brief stand: Afghanistan ist sicher für mich“, erzählt er. Najib hat eine Ausbildung begonnen, bis die zu Ende ist, ist er „geduldet“. Trotzdem denkt er darüber nach, was ist, wenn eines Morgens die Polizei kommt und ihn mitnimmt. „In Afghanistan hatte ich Angst um meine Sicherheit. Hier habe ich Angst vor der Abschiebung.“

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www.schutzgemeinschaft-fluglaerm.de Überhaupt: Afghanistan. Die Bundesregierung stuft Teile des Landes als „sicher“ ein, obwohl es immer wieder Anschläge gibt. Ein Anschlag im Oktober tötete 68 Menschen. Im Mai 2017 zerstörte ein Attentat die deutsche Botschaft in Kabul fast vollständig, mindestens 90 Menschen starben. Trotzdem schiebt Deutschland dorthin ab. Die Flüchtlingspaten fordern, das zu beenden. „Wir unterscheiden nicht zwischen politischen und sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen“, sagt Volker. „Ich denke, dass die, die aus blanker Not flüchten, genauso schutzwürdig sind wie andere.“

Als im vergangenen Herbst acht Afghanen von Düsseldorf aus abgeschoben wurden, protestierten auch die Flüchtlingspaten dagegen. „Bild“ berichtete, dass alle Abgeschobenen Straftäter gewesen seien, und fragte plakativ: „Ob die 180 Demonstranten wussten, für wen sie da im Terminal B des Flughafens … protestierten?“ Der Verein bekam E-Mails mit Gewalt- und Morddrohungen. Der Vorstand hat Anzeige gestellt. Es gibt noch immer viel zu tun. Ämterbegleitungen, Wohnungs- und Jobsuche, immer wieder auch Rückschläge. „Die Bürokratie ist unglaublich überladen“, ist Marias Erfahrung nach gut zwei Jahren. „Und die Gesetze sind schlecht aufeinander abgestimmt.“ Helmuth, Najibs Unterstützer, merkt: „Viele Ämtertermine sind während der Arbeitszeit, um die wahrzunehmen, muss Najib immer Urlaub nehmen. Sein Chef ist sehr aufgeschlossen, aber ewig macht er das sicher auch nicht mit.“ Und dann ist da aber auch das, was klappt. Hassam ist sowas wie hier angekommen. „In Deutschland fühle ich mich endlich frei“, sagt er. Auf dem Westfalen-Kolleg macht er seinen Schulabschluss nach, in ein paar Monaten werden er und Mansoura Eltern. Aus der kleinen Zweizimmerwohnung, in der sie zusammen mit Hassams Bruder lebten, sind sie in eine eigene Wohnung gezogen. Beim Küchenaufbau hat Volker geholfen, was sie sonst noch brauchen, werden sie nach und nach finden. Ein bisschen Zeit haben sie noch, bis der Nachwuchs kommt.

Es muss ja nicht gleich Millionen kosten Sie können sich wehren. Mit der Schutzgemeinschaft Fluglärm Dortmund / Kreis Unna e.V.

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Grußwort von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für die Weihnachtsausgaben der Straßenzeitungen 2018

Liebe Leserinnen und Leser, in einer Wohnung zu leben, Obdach zu haben, ist für die meisten von uns eine selbstverständliche, unabdingbare Voraussetzung des Lebens. Die Wohnung ist der Raum für die Familie, für Privatsphäre, für Erholung. Sie bedeutet Schutz und Sicherheit. Ja, sie ist vielfach die Voraussetzung dafür, überhaupt Arbeit und Auskommen zu finden. Ein Leben ohne diese Zuflucht ist ein Leben unter völlig anderen Vorzeichen: ein täglicher Kampf um die Existenz, um Essen, einen Schlafplatz, um etwas Wärme und Medikamente.

sam haben: Sie sind ohne Arbeit und ohne Wohnung. Sie erklärten sich einverstanden, an einem Experiment teilzunehmen; ließen sich einkleiden und in verschiedenen Rollen fotografieren: als Manager, als Kellnerin in einem Luxushotel, als Modedesigner und Geschäftsreisende.

Die Wohnung zu verlieren, weil man die Miete nicht mehr zahlen kann – diese Vorstellung macht Angst. Es ist Aufgabe der Politik, des Bundes, der Länder, unserer Städte und Kommunen, entgegenzusteuern und Menschen diese Angst – so gut es geht – zu nehmen. Jeder Mensch muss eine bezahlbare Wohnung finden können.

Die Bilder und Geschichten zeigen, dass es nur weniger Änderungen bedarf, um aus arm reich zu machen – zumindest auf einem Foto. In der Wirklichkeit liegen oft Welten dazwischen. Die Schicksale der Menschen, ihre Wege in die Obdachlosigkeit, bleiben dem oberflächlichen Blick verborgen.

Obdachlose aber brauchen noch mehr. Sie brauchen Überlebenshilfe, sie brauchen tatkräftige Unterstützung und Ermutigung. Straßenzeitungen sind ein wichtiger Teil solcher Unterstützung. Menschen, die in Armut geraten sind, finden eine Aufgabe, eine Arbeit, können selbst aktiv werden, werden vom Bettler zum Verkäufer. Straßenzeitungen helfen nicht nur in der Not, sie zeigen einen Weg aus der Not.

Menschen in Not wahrzunehmen, genauer hinzusehen, ihnen unseren „Blick“ zu schenken und Wege aus der Not aufzuzeigen, wie es die Straßenzeitungen tun, das ist auch die Botschaft der Weihnachtsgeschichte. Jeder Mensch, ob arm oder reich, ist ein Geschenk. Jeder Mensch, ob arm oder reich, hat unseren Blick, und, wenn er sie braucht, auch unsere Hilfe verdient.

Und noch etwas gelingt den Straßenzeitungen: Sie verhelfen uns allen zu neuen Einsichten. Im Juni 2018 etwa erschien im Straßenmagazin bodo eine Fotostory mit dem Titel „Kleider machen Leute“. Sie erzählt die Geschichten von fünf ganz unterschiedlichen Menschen, die eines gemein-

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Ich wünsche Ihnen frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr!

Frank-Walter Steinmeier


FOTOSERIE

Mein Song Im Advent geht es an den bodo-Verkäufsplätzen musikalischer zu als sonst. Weihnachtslieder machen ja diese adventliche Nähe zum Klang selbst zum Thema: die nie süßer klingenden Glocken, die singenden Englein, der durch die Lüfte tönende Schall. Was halten eigentlich unsere Verkäuferinnen und Verkäufer von der allgegenwärtigen Weihnachts-Beschallung im öffentlichen Raum? Und welche Musik mögen sie selbst am liebsten? Fotos: Sebastian Sellhorst

Süßer die Glocken nie klingen Simon & Garfunkel The Sound of Silence

Ralf, Dortmund

Ralf, Bochum Simon & Garfunkel habe ich als Kind schon gehört. Damals noch auf Schallplatte. Wenn ich das irgendwo aufschnappe, weil es im Radio oder in einem Laden läuft, freu ich mich einfach.

Was ich gerne höre, jetzt im Advent? Natürlich „Oh du fröhliche“, „Süßer die Glocken nie klingen“, „Freuet euch, ihr Christen alle“ (stimmt direkt mehrere Lieder an) – Wenn man so viel Zeit in der Kirche verbracht hat wie ich früher, dann kennt man irgendwann alle Weihnachtslieder, die da so gesungen werden. Und wenn man durch die Stadt läuft zurzeit, kommt es ja von allen Seiten. Das mag ich sehr.

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FOTOSERIE

Pink Floyd Another Brick in the Wall Nicolae Guţă

Kijas, Bochum

Rozalia und Nicusor, Bochum

Ich finde, Pink Floyd ist einfach zeitlos. Es gibt aber schon eine ganze Menge Künstler in dieser Kategorie. Ich finde, Amy Whinehouse gehört da auch zu. Leider auch viel zu früh verstorben und jetzt im „Club 27“ wie so viele andere tolle Musiker.

Wir hören eigentlich nur rumänische Künstler. Hauptsache Manele. Florin Salam oder Nicolae Guţă. Alles ziemlich berühmte Künstler. Nicolae Guţă war auch schon in Dortmund. Aber die Tickets waren uns viel zu teuer.

Chris, Bochum 2015 war ich auf Wacken. Eins der größten Metal-Festivals, die es so gibt. Da haben die auch gespielt. Das war einfach das geilste Konzert an dem Wochenende. Seitdem finde ich Sabaton einfach Klasse. Ich mag sie außerdem wegen ihrer historisch sehr akkuraten Texte.

Tower of Power You´re still a young man

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Stefan, Dortmund Tower of Power ist eine der besten Soul-Bands die es je gegeben hat. Wie oft ich die schon live gesehen habe, kann ich schon gar nicht mehr zählen. Ein anderer Künstler, der schon mein ganzes Leben lang bei mir ist, ist Herman Brood, auch nachdem er 2001 verstorben ist. Ich habe ihn oft live gesehen, bin weit dafür gefahren und hab so manche Nacht auf kalten Bahnsteigen verbracht.

Rainer, Bochum Nach fast einem Jahr Baustellenlärm in der Bochumer Innenstadt muss ich auch mal ein bisschen Ruhe haben. Aber wenn Musik, dann bitte im Winter auch Weihnachtslieder.


The Animals House of the Rising Sun 2Pac Changes

Sabaton Midway

Günter, Dortmund Jessica, Dortmund Am liebsten höre ich HipHop. Da gibt es ja unglaublich viel. Aber mit 2Pac macht man einfach nichts falsch.

Damals hatte ich meine erste eigene Bude. Da hab ich den Song immer gespielt. Und als ich dann einen Job in einer Bar hatte, habe ich den Song dort auch immer rauf und runter gespielt. Schöne Erinnerung.

Jingle Bells

Adolf, Dortmund Ich mag alle Fangesänge des BVB. Früher war ich auch oft im Stadion. Das geht leider aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr. Aber wenn die Fans auf dem Weg zum Stadion in großen Gruppen bei mir vorbeikommen und singen – das ist fast wie auf der Tribüne.

Borussia Dortmund Heja BVB

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FOTOSERIE

CCR Bad Moon Rising Ideal Blaue Augen

Harald, Dortmund Ich mag klassische Rockmusik, und da alles Mögliche. Aber wenn ich was benennen muss, dann Creedence Clearwater Revival.

Simona und Mihaita, Bochum

Frank, Bochum

Wir hören immer gemeinsam Manele, wenn wir die Möglichkeit haben. Dann zeigen wir uns gegenseitig Songs auf Youtube. Manele ist die am meisten verbreitete Popmusikrichtung in Rumänien.

Als der Song in den 1980ern erschien, war ich 16. Ich glaube, die Musik, die man in dem Alter hört, bleibt einem den Rest des Lebens im Kopf. Das war damals einfach eine andere Zeit. An jeder Ecke gab es noch eine Disko und ständig Stress zwischen Poppern und Punks.

Christian, Bochum

Michael Jackson Billie Jean

Scorpions Wind of Change

Markus, Dortmund Den Song habe ich das erste Mal gehört, als ich Verwandte in der ehemaligen DDR besucht habe. Seitdem geht mir das Lied nicht mehr aus dem Kopf. Schöne Weihnachtslieder mag ich eigentlich gern – wenn man sie denn wenigstens mal in der Stadt hören würde. Stattdessen ist die Fußgängerzone voll mit Jugendlichen, die ihre Musik mit Handy und kleinen Boxen spazieren tragen. 32

Mein absolutes Lieblingslied vom King of Pop. Könnte ich den ganzen Tag hören. Genau wie Elvis.


Rolling Stones Gimme Shelter

Florin Salam Cherry, Cherry

Jean-Michel Jarre Fishing Junks at Sunset

Guido, Dortmund Mario, Bochum Den Song mag ich so, weil er mich an mein gemütliches Zuhause damals erinnert. Schön zu Hause eine Kerze an machen und Musik hören: Daran erinnert mich das Lied.

Brigitte, Dortmund Ich mag Andrea Jürgens sehr, die kenne ich schon ewig. Aber auch andere Musik – Hauptsache Schlager.

Andrea Jürgens Und wenn die Sonne untergeht

Ich mag die komplexe Struktur der Songs. Man entdeckt immer wieder was Neues, egal wie oft man es hört. Wasted Sunset von Deep Purple ist auch Klasse. Oder auch die Eagles mag ich sehr. Leider sind die alle nicht mehr vollständig unterwegs, weil so viele schon verstorben sind. Vor einigen Jahren hatte ich das Glück, mal die Stones in Düsseldorf zu sehen. Fünf Minuten vor Konzertbeginn konnte ich noch eine Karte für 70 Euro ergattern, die sonst mehr als das Doppelte gekostet hätte. Das war ein geiles Konzert.

Radu, Bochum An meinem Verkaufsplatz höre ich den ganzen Tag das Radio aus dem Supermarkt. Abends bin ich auch froh, wenn mal Ruhe ist. Viele meiner Freunde und Bekannten machen Straßenmusik und spielen Lieder aus Rumänien. Denen höre ich gerne zu.

Straßenmusik

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Die

Lese-Sterne

AUS UNSERER AKTION »LESEN. LERNEN. KLASSE!«

JEDEN NACHMITTAG VOM 1.– 23.12., UM 17 UHR, AUF DER HAUPTBÜHNE DES WEIHNACHTSMARKTS

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Mit Sternenstaub durch den Advent Entspannungseinheiten für Kita und Grundschule ... und Zuhause! Entspannt mit Kindern durch den Advent! Diese Entspannungsgeschichte in 20 Folgen für die vier Adventswochen hält alles bereit, um mit Kindern von 4 bis 10 entspannt in die Weihnachtstage zu kommen. Die Geschichte spielt im Weihnachtsdorf, in dem der Elf Sternenstaub zusammen mit den Rentieren, die er betreut, dem Weihnachtsmann und den anderen Elfen spannende, lustige und nachdenklich stimmende Abenteuer erlebt. Ob beim Flug auf einer Sternschnuppe oder mit dem Weihnachtsschlitten, beim Abenteuer im Schneesturm, beim großen Keksbacken und Keksessen, beim Spiel mit den Elfen oder beim Weihnachtsyoga – die Geschichten bieten Entspannungseinheiten aus Fantasiereisen, Autogenem Training, PMR, Meditation/Achtsamkeit und Kinderyoga. Dabei sind die typischen Elemente dieser Entspannungstechniken geschickt mit den Geschichten verwoben, so dass der organische Erzählfluss erhalten bleibt. Die Kinder werden der nächsten Einheit entgegenfiebern, genauso wie dem großen Tag am Ende der Adventswochen: Sternenstaub wünscht allen eine entspannte und fröhliche Weihnacht! vml

Schleefstr. 14 • D-44287 Dortmund • Tel. 02 31 - 12 80 08 • FAX 02 31 12 56 40 Ausführliche Buch-Informationen (Leseproben) und Bestellen im Internet: www.verlag-modernes-lernen.de Oder besuchen Sie uns in der Schleefstraße 14: Mo - Do von 8 bis 16 Uhr, Fr von 8 bis 15 Uhr

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Die große bodoWeihnachtsverlosung

Kalender D e z emb er Januar

*Mitmachen und Karten gewinnen

16. Dezember Gregor Meyle & Band FZW, Dortmund Seite 37

28. Dezember Schwanensee RuhrCongress, Bochum Seite 39

27. Dezember Carmen Flamenco Konzerthaus, Dortmund Seite 39

3. Januar Besinnlich geht anders! Varieté et cetera, Bochum Seite 40

28. Dezember Roncalli Dinner-Show Spielbank Hohensyburg, Dortmund Seite 39

*Die Teilnahme ist ganz einfach:

Hinweise zum Datenschutz: Eine Weitergabe der Daten an Dritte erfolgt grundsätzlich nicht, mit Ausnahme an den jeweiligen Veranstalter (zum Beispiel, um Ihren Namen auf die Gästeliste zu setzen). Sie erhalten ca. einmal jährlich postalisch Informationen zu den Aktivitäten unseres Vereins. Dem Erhalt können Sie jederzeit widersprechen. Eine weitergehende Datenverarbeitung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Weitere Hinweise zum Datenschutz entnehmen Sie unserer Homepage unter www.bodoev.de.

Schicken Sie Ihren Wunschgewinn mit Name, Telefon, Adresse und dem Betreff „Verlosung“ an redaktion@bodoev.de oder auf frankierter Postkarte an bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund. Teilnahmeschluss ist jeweils drei Tage vor der Veranstaltung. Bei mehreren Teilnehmern entscheidet das Los. Die Teilnahme ist ab 18 Jahren möglich.

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KALENDER

SA 08 | 12 | 18 Ausstellung | Rausch der Schönheit Die Kunst des Jugendstils Mit dem Jugendstil verbindet man heute eine der Schönheit verpflichtete Kunst um 1900. Der Jugendstil (im Französischen „Art Nouveau“, im Englischen „Modern Style“) war jedoch weit mehr: eine umfassende Reformbewegung, die alle Lebensbereiche durchdrang. Die Künstler des Jugendstils verstanden sich als Gestalter des gesamten Lebens – mit Arbeiten Anzeigen

01.12.18

Fado-Konzert mit Gerações und Miguel Ramos

07.12.18

Musik im Advent

08.12.18 Navidad im Pott

11.12.18

Weihnachtsfest im DKH 21.12.18 Talk im DKH Leopoldstr. 50-58 · 44147 Dortmund Tel. 0231 50-25145 · Fax 0231 50-26019 facebook.com/DietrichKeuningHaus

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zwischen üppiger Ornamentik und schlichten Formen, zwischen luxuriösem, von Hand gearbeitetem Einzelstück und in Serie gefertigten Produkten. Der gemeinsame Nenner: die Forderung nach einer bewusst gestalteten Einheit des gesamten Lebens. Bis 23. Juni 2019 Museum für Kunst u. Kulturgeschichte, DO

geschrieben haben. Politische Agitationen, Vorträge brillanter DenkerInnen, zittrige Dankesreden oder schlicht Worte, denen sie noch einmal Gehör verschaffen wollen. U.a. mit Reden von Martin Luther King, Astrid Lindgren, Monica Lewinsky, Albert Einstein. Zeche Eins, Bochum, 19.30 Uhr

DI 11 | 12 | 18

DO 13 | 12 | 18

Daumenkinographie | Bilder lernen laufen, indem man sie herumträgt Mit einem Bauchladen, auf dem sechs seiner fotografischen Daumenkinos liegen, geht Volker Gerling regelmäßig auf Wanderschaft. Er reist zu Fuß und zeigt seine Daumenkinos den Leuten über den Gartenzaun, besucht Dorffeste und führt seine Bilder abends in Kneipen vor. Aus einigen der vielen Begegnungen entstehen neue Daumenkinos, die Volker Gerling in seinem Bühnenprogramm zeigt. prinzregenttheater, Bochum, 20 Uhr Musik | Chantik Chantik – Aus dem Indonesischen stammt das Wort, welches die Schönheit der Frauen beschreibt. Doch nicht nur mit weiblicher Schönheit, sondern auch mit seiner natürlichen Lebendigkeit verzaubert das Ensemble. Mal kraftvoll, mal sanft und mit beeindruckender stimmlicher Intensität präsentieren die vier Sängerinnen Elke Nappers, Klara Brandi, Tina Koch und Sya Rabstein ihren strahlend klaren Gesang. Ihr Repertoire reicht von gefühlvollen irischen Balladen über rhythmische afrikanische Lieder bis zum temperamentvollen finnischen Gesang. Eintritt frei. Johanneskirche, Bochum, 20 Uhr

MI 12 | 12 | 18 Lesung | I Have A Dream Das Ensemble des Schauspielhauses Bochum trägt große Reden vor, die Geschichte

Theater | Heilig Abend Ein Stück für zwei Schauspieler und eine Uhr Eine Frau, ein Mann, ein Verhör. Der Mann behauptet, die Frau wolle gemeinsam mit ihrem Ex-Mann um Punkt Mitternacht einen terroristischen Anschlag durchführen. Was hat die Philosophie-Professorin mit dschihadistischem Gedankengut zu tun? Noch wäre Zeit, den Anschlag zu verhindern. Während die Akademikerin alles vehement abstreitet, hängt die tickende Uhr wie ein Damoklesschwert über der Verhörsituation. prinzregenttheater, Bochum, 20 Uhr Poetry Special | Björn Rosenbaum vs. Jan Schmidt Björn Rosenbaum lädt zum traditionellen XMas-Poetry-Special ein. Es wird noch heiterer und schriller als sonst, so munkelt man. Denn der Dortmunder Poetry-Slam-Künstler und Moderator des ROXY-Slams verschenkt dieses Jahr nicht nur Schokonikoläuse, gibt einige seiner komischen Slam-Texte zum Besten und fordert das Publikum mit weihnachtlichem Quiz und Gesang heraus, nein: Er lässt dieses Mal auch Slam-Phänomen und Hampelmann Jan Schmidt aus dem Käfig. Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr

SA 15 | 12 | 18 Markt | YARD Design Markt Zahlreiche KünstlerInnen und DesignerInnen werden beim YARD ihre kreativen


Was kommt dabei heraus, wenn klassische Weihnachtstexte und Lieder auf moderne Satire, Musiker und Bühnenliteratur treffen? Wenn man die Akte X-Mas aufschlägt: ungefähr alles, bloß keine „Stille Nacht“. Sondern ein festlicher Clash der Kulturen unter dem Weihnachtsbaum!

Akte X-Mas

21. und 22. Dezember Fritz-Henßler-Haus Dortmund

Vor acht Jahren rief Thomas Koch, Autor, Moderator, Musiker und Dortmunder, die Weihnachtsrevue mit einigen Kollegen und befreundeten KünstlerInnen ins Leben. „Wir gönnen uns und unserem Publikum dieses sehr spezielle Programm, in dem wir laut, besinnlich, satirisch, ernsthaft und auch extrem albern sein können“, sagt er. In diesem Jahr tourt die Akte XMas neben Koch mit Fritz Eckenga, Charlotte Brandi, Paul Wallfisch, Sandra Da Vina, Katinka Buddenkotte, Andy Strauß, Jenny Laura Bischoff, Björn Jung und Ulrich Schlitzer durch NRW. Weitere Termine: 14. Dezember, Gelsenkirchen 18. Dezember, Unna, 19. Dezember, Oberhausen

Produkte vorstellen. Es gibt viel zu entdecken: Illustrationen, Mode, Accessoires, UpcyclingKreationen, Schmuck, Fotografien, handgemachte Unikate u.v.m. Untermalt wird der YARD von zwei DJs, die abwechselnd Soul, Funk, Boogie & Jazz auf die Plattenteller bringen. Neben dem musikalischen Rahmenprogramm wird es auch ein vielfältiges kulinarisches Angebot aus dem Food-Truck geben. Rotunde, Bochum, 12 – 19 Uhr (auch 16.12.) Theater | Freaks! – Get ready for a horror show Beim jungen Ensemble der Kulturbrigaden erwecken Freaks Märchenfiguren zum Leben. Die Freaks wissen aus eigener Erfahrung, wie schwer es ist, ein Anderer zu sein, zeigen uns

die finsteren Seiten der Märchen und den Dämon im Menschen. Hänsel ist ein Opfer von fatshaming, seine Schwester leidet unter Kontrollzwang, Dornröschen schluckt Tabletten, die böse Königin ist süchtig nach Schönheit und die Hexe im falschen Körper gefangen. Fletch Bizzel, DO, 20 Uhr (auch 16.12., 19 Uhr) Theater | A Christmas Carol Die erfolgreiche verrückt-komische Inszenierung des Theaters im Depot geht in ihr elftes Jahr. Scrooge, der verbissene, alte Kaufmann, quält rücksichtslos unglückliche Schuldner, demütigt seinen unterbezahlten Sekretär und begegnet seinen Mitmenschen mit Verachtung. Doch dann, in der Weihnachtsnacht,

wird er von einigen Geistern heimgesucht. Weitere Termine: www.depotdortmund.de Theater im Depot, Dortmund, 20 Uhr

SO 16 | 12 | 18 WEIHNACHTS-VERLOSUNG Gregor Meyle & Band Eine Gitarre, ein Hut, eine Brille und eine ChampionsLeague-Band im Rücken. So steht der SingerSongwriter Gregor Meyle auf der Bühne. Viele kennen ihn aus „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ und seiner eigenen Musikshow „Meylensteine“. Seit vielen Jahren ist Meyle von kleinen und großen Bühnen nicht mehr wegzudenken. Mit seiner Band zaubert er auch 2018 wieder Intimität auf die Bühne mit altbekannten Klassikern wie „Keine ist wie du“ oder „Niemand“ und zündet ein Feuerwerk voller starker Gefühle und Rock’n Roll. FZW, Dortmund, 20 Uhr bodo verlost 2 x 2 Karten Kabarett | Liza Kos „Was glaub’ ich, wer ich bin?!“ ist ein vielschichtiges Kabarett-Comedy-Programm, das u.a. Liza Kos’ eigene und eigentümliche Integration erzählt. Sei es über ihr Herkunftsland Russland, die Türkei oder ihre Wahlheimat Deutschland. Die Bühne ist ihre Welt, in der sie trocken-humorvoll, augenzwinkernd und mit Leichtigkeit mit vorherrschenden Klischees spielt. Schlagfertig und mit verblüffenden Wendungen spielt sie mit ihren drei Identitäten und dem Selbstverständnis der Frau. Bahnhof Langendreer, Bochum, 19 Uhr

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KALENDER

MO 17 | 12 | 18 Lesung | Karl Nagel – Leitkultur für Gestörte, Desorientierte und Wichser Karl Nagel: Nestbeschmutzer, Demagoge und Schundliterat. Ein faschistoider Anarchokommunist bürgerlich-liberaler Gesinnung. Anzeige

Bekannt als Polit-Fun-Musik-Sauf-KrawallPeace-Dada-PoserPunk und Selbstdarsteller. Von früh bis spät besoffen von drei Litern Leitungswasser täglich. Und live ein lupenreiner Demokrat. „Schlund“: Ein Buch über den medialen und mentalen Lärm, dem wir täglich ausgesetzt sind. Wie er uns in den Wahnsinn treibt. Darüber, was aus alten Punks wird, über Junkfraß und Suff, über Supermärkte, Fußgängerzonen, U-Bahnen, Nazi-Fetisch und den Sex der Gestörten. Die Unfähigkeit, das Richtige zu tun. Trinkhalle, Bochum, 20 Uhr

DI 18 | 12 | 18 Lesung & Talk | Tana – Wer? Sie hat ihren eigenen Platz gegenüber dem Schauspielhaus, aber wer war sie? Am Vorabend des 10. Todestags und 93. Geburtstags der Bochumer Kult-Schauspielerin wirft das Schauspielhaus Bochum einen Blick in die Archive und geht dem Phänomen Tana Schanzara auf den Grund. Kostenlose Karten sind an der Theaterkasse erhältlich. Oval Office Bar, Bochum, 19.30 Uhr Comedy | Feierabend-Comedy Feierabend-Comedy ist die neue Stand-UpMix-Show in der Werkstadt in Witten. Neben vielversprechenden Newcomern erwarten das Publikum etablierte Größen der Comedyszene. Gemixt wird der Comedy-Cocktail diesmal von Lukas Wandke, Salim Samatou, Der Storb und Florian Simbeck. Werkstadt, Witten, 20 Uhr

FR 21 | 12 | 18

„Pointiert, meinungsstark, sehenswert“ (RN)

Lesung | Ralf Richter liest „Der Pütt hat mich ausgespuckt.“ Den Krieg überlebt, aus Schlesien geflüchtet, im Ruhrgebiet Brot und Wohnung gefunden. Und dann 25 Jahre unter Tage geschuftet. Nachtschicht, Grubenunglück, das ganze Palaver. Saupütt, so hart der Anfang, die Arbeit. Erst Bullenkloster, und dann in die Siedlung. Das war eine Hochschule für Menschenkunde. Herbert Bergers autobiografischer Rückblick erzählt ehrlich und unverblümt vom Leben im Ruhrgebiet. Fletch Bizzel, Dortmund, 20 Uhr

SA 22 | 12 | 18 www.theaterdo.de Tickets: 0231/50 27 222 Sonderfreikartenkontingent für Geflüchtete unter: lbunse@theaterdo.de 38

Film & Musik | Drei Haselnüsse für Aschenbrödel Für viele Menschen gehört der Film „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ zu Weihnachten wie Kerzenlicht und Tannenbaum. Zum Weihnachtsfest 2018 wird das romantische Werk aus dem Jahr 1973 mit Karel Svobodas

traumhafter Musik auf ganz besondere Weise gezeigt: im Kinoformat, mit Orchesterbegleitung. Ein großes Symphonieorchester bringt unter der Leitung eines international renommierten Dirigenten die unverwechselbaren Melodien live zu Gehör, während der Film auf einer Großleinwand zu sehen ist. Konzerthaus, DO, 16 Uhr (auch 19.30 Uhr) Musik | Walking On Rivers Die Dortmunder Local Folk Heroes Walking on Rivers stellen nach über 100 Festival- und Club-Shows in ihrer kurzen Bandgeschichte endlich das erste Release auf die Beine. „Off the Trails“ heißt das gute Stück und kommt Ende des Jahres. Die Boys haben mittlerweile fast jede Venue in Dortmund abgegrast - dieses Mal geht es ins JunkYard. Es gibt feinsten mehrstimmigen Indiefolk, der zum Mitsingen, Schwelgen und zum Tanzen einlädt. JunkYard, Dortmund, 19 Uhr Musical | West Side Story New York in den 1950er Jahren. Die Mitglieder der verfeindeten Gangs der „Jets“ sowie der puertoricanischen „Sharks“ ringen um das Revier. Beim abendlichen Tanz erhitzen sich jedoch nicht nur die Gemüter, auch verbotene Gefühle entbrennen: Tony, Mitglied der Jets, und Maria, die Schwester des gegnerischen Anführers Bernardo, verlieben sich auf den ersten Blick. Damit ist das Unglück programmiert. Opernhaus, Dortmund, 19.30 Uhr Party | NATIVE Party Seit fast fünf Jahren gilt die NATIVE-Party im Sissikingkong als die unabhängigste aller Indie-Partys und lässt sich auch kurz vor Weihnachten nichts vorschreiben. Indierock, Britpop, Beat, 60‘s tanzbar und gitarrenlastig unten im Sissikeller und oben wie gehabt abhängen, quatschen und trinken. Sissikingkong, Dortmund, 22.30 Uhr

SO 23 | 12 | 18 Musik | Die Komm’Mit Mann!s Jetzt, über 20 Jahre nach ihrer Gründung, nach über 1.400 Auftritten im In- und Ausland, nach 100tausenden gefressenen Autobahnkilometern, nach Gigs mit Soulgrößen, wie z.B. „The Temptations“ und dem Godfather James Brown, gilt die Band „Die Komm’Mit Mann!s“ als Kult. Längst als legitime Nachfolger der Leinwandbilder aus Alan Parkers Kino-Kultfilm „The Commitments“ etabliert, geht die Band auch dieses Jahr auf ihre große Soul-Konzert-Tour quer durch die Republik. Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr


26. Dezember 20 Uhr FZW, Dortmund

Auch die „Idiots“ touren wieder. Vor allem ist es aber der „Honigdieb“ mit dem verrückten Mix aus Punk, Chanson, Polka, Klassik und Rock, der Hannes am Herzen liegt. Wie er überhaupt nur Dinge macht, „wo ich mit dem Herzen dabei bin“. Auch wenn man davon nicht reich wird. Zum 17. Mal nun (auch eine Weihnachtstradition) laden „Honigdieb“ – in diesem Jahr zusammen mit „Leberek“ und „Miss Me On Friday“ – zum X-Mas-Konzert ins Dortmunder FZW. Präsentiert von bodo.

DO 27 | 12 | 18 WEIHNACHTS-VERLOSUNG Carmen Flamenco Georges Bizets berühmte Oper „Carmen“ ist eines der beliebtesten Werke in den Repertoires der großen Spielhäuser. Zu den erfolgreichsten Interpretationen des Stoffes zählt dabei Rafael Aguilars verführerische Carmen Flamenco. Von der legendären spanischen Compagnie Ballet Teatro Español dargeboten, kehrt das sinnliche Werk in diesem Winter nach zehn Jahren zurück nach Dortmund. Zu erleben ist das herausragende Ensemble aus 30 Tänzern, Musikern und Sängern mit diesem meisterhaften Bühnenwerk vom 27. bis 30. Dezember im Konzerthaus. Konzerthaus, Dortmund, 20 Uhr bodo verlost 4 x 2 Karten für den 27. 12.

Magie und feinste Live-Musik. Dazu lockt in diesem Jahr ein Winterbuffet in drei Akten mit exquisiten Gaumenfreuden und kulinarischen Kunststücken. Infos: www.roncalli.de/dinner-show Spielbank Hohensyburg, DO, 19.30 Uhr bodo verlost 2 x 2 Karten für den 28. 12.

WEIHNACHTS-VERLOSUNG Schwanensee – Präsentiert vom russischen Nationalballett aus Moskau Die Geschichte der verzauberten Schwanenprinzessin, die nur wahre Liebe aus dem Bann des bösen Zauberers erlösen kann, die Geschichte von Schwanensee, ist auf der ganzen Erde bekannt. Die weißen Schwäne und ihre zerbrechliche Königin Odette, die mit ihrem ätherischen Zauber den unglücklichen Prinzen betört, oder die festlichen Ballszenen, in denen ein ganzer Hofstaat wie im Rausch der verführerischen Odile verfällt, all das gehört zum Mythos Schwanensee. Eine märchenhafte Handlung, eine opulente Ausstattung, atemberaubende Tänze - und die unsterbliche Musik von Peter I. Tschaikowski. RuhrCongress, Bochum, 20 Uhr bodo verlost 1 x 2 Karten

SA 29 | 12 | 18 Theater | Der Kirschgarten „Der Kirschgarten“ zählt zu den meistgespielten Werken Anton Tschechows. Im Mittelpunkt eine brüchig werdende Welt, in der das verloren geht, was doch eigent-

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Dortmunder Weihnachtsmarkt DortmunderWeihnachtsmarkt.de

Honigdieb X-Mas Show

Hannes Smith war einer der ersten Dortmunder Punks, flog zu Hause raus, schlief auf dem Dach des FritzHenßler-Hauses. 1978 gründete er die DeutschpunkPioniere „The Idiots“, wurde Einzelhandelskaufmann und gründete „Idiots Records“, Dortmunds legendären Plattenladen, den es schon gegenüber dem Dortmunder U gab, als an der Rheinischen Straße noch überhaupt gar nichts schick war.

22. Nov – 30. Dez

25. Dezember geschlossen (Feiertag)

mo – do fr und sa so 24. Dez 26. Dez

10 – 21 Uhr 10 – 22 Uhr 12 2 – 21 Uhr 0 – 14 Uhr * 10 12 – 21 Uhr

Verkaufsoffener Sonntag: 2. Dez * nicht alle Aussteller

FR 28 | 12 | 18 WEIHNACHTS-VERLOSUNG Roncalli Dinner-Show Nach einem erfolgreichen Auftakt im letzten Jahr holt die Spielbank Hohensyburg in diesem Winter erneut die Roncalli Dinner-Show nach Dortmund. Bis zum 6.1. bietet das winterliche Varietéspektakel an 30 Abenden ein exklusives Programm. Über 20 Artisten und Musiker versprechen atemberaubende Akrobatik, mitreißende Komik, fesselnde 39


KALENDER

lich „schon immer“ selbstverständlicher Teil der eigenen Identität war. Was passiert, wenn sicher geglaubte Konstanten wegbrechen? In einer Zeit der Um- und Abbrüche, in der nur scheinbar unumstößliche Werte zu Kapital werden, bleibt der Einzelne letztlich allein zurück: Wie konnte es so weit kommen? Studio im Schauspielhaus, DO, 20 Uhr Musik | Pink Floyd – Nguyên Lê Celebrating the Dark Side of the Moon „The Dark Side Of The Moon“, das 1973 erschienene Werk von Pink Floyd, ist mit über 50 Millionen verkauften Exemplaren eines der meistverkauften Rockalben aller Zeiten. Es braucht einen kreativen Kopf, um einem solchen Monumentalwerk neue Impulse zu verleihen. Der Gitarrist Nguyên Lê hat bereits mit seinen Interpretationen von Cream bis Led Zeppelin in seinem Programm „Songs Of Freedom“ bewiesen, wie er Material der Rockgeschichte in einen neuen musikalischen Kosmos überführen kann. Im Rahmenprogramm der Pink-Floyd-Ausstellung im Dortmunder U. domicil, Dortmund, 20 Uhr

SO 30 | 12 | 18 Kleinkunst | Thomas Anzenhofer – urban urtyp Thomas Anzenhofer ist Johnny Cash oder war es umgekehrt, was wird er als urban urtyp machen? Lesen möglicherweise. Oder singen? Vielleicht lädt er ja auch zur Jahresabschlussbastelstunde ein oder verteilt Kochrezepte, oder er klärt ein paar Morde auf, was auch immer, stop mal: Morde? Fragen über Fragen, die Antwort: Freispiel für Thomas Anzenhofer im urban-urtyp-Kubus. Möglich, dass er mit Band kommt, möglich auch, dass seine Jungs mit ihren Gibson Les Paul herumfuchteln oder mit ihren Smith & Les Wesson. Christuskirche, Bochum, 19 Uhr

MO 31 | 12 | 18 Party | Silvester – Die Party Das Jahresendfest haben bereits die Römer gefeiert. Klar. Der Name Silvester geht aufs Lateinische zurück und bedeutet Waldmensch. Aha. Die Holländer nennen’s Qudejaarsavond und die Spanier Nochevieja. Soso. Tüchtig feiern tut man schon immer und überall. So auch im Bahnhof Langendreer. Mit zwei DJs auf

zwei Dancefloors. Im endstation.kino gibt’s zudem um 21.30 Uhr einen Überraschungsfilm und im Café Platz zum Chillen. Bahnhof Langendreer, Bochum, 21 Uhr Party | Silvesterparty Am Ende eines jeden Jahres haut das FZW noch mal alles raus, was geht. Party auf allen Floors, die der Laden hergibt, stimmungsvoll illuminierter Biergarten mit Cocktailbar und Grill. Musikalisch geht es von Charts & Klassikern, einem Best Of der letzten Jahrzehnte über Rock & Alternative bis hin zu Funk & Soul. FZW, Dortmund, 21 Uhr

DI 01 | 01 | 19 Musik | Neujahrskonzert – Alles Walzer! Gabriel Feltz wendet sich dem Klassiker aller Neujahrs-Programme zu: dem Walzer! Alle Varianten und Metamorphosen, die dieser Tanz in den letzten 300 Jahren erlebt hat, stehen auf dem Programm: Von Händel und Mozart bis zu Strauß und Tschaikowsky. Mit dabei ist auch die Sopranistin Hulkar Sabirova. Opernhaus, Dortmund, 19 Uhr

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09. NOV. 2018 – 03. MÄRZ 2019

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WEIHNACHTS-VERLOSUNG Besinnlich geht anders! Diesen Winter wird es jung, modern und dynamisch. Moderator Luke Dimon führt das Publikum in charmant-mitreißender Manier und mit magischem Händchen durch den Abend. Begleitet wird er dabei vom Meister der Grimassen und Stimmungskanone Jeff Hess. Des Weiteren werden in der Wintershow Carina & Leonid (Trapez), Sebastian Stamm (chinesischer Mast), Michael Evolution (Basketball-Jonglage), Little Angels (Partnerperformance) und Jonas Witt (Cry-Ring) zu sehen sein. Weitere Termine: www.variete-et-cetera.de Varieté et cetera, Bochum, 20 Uhr bodo verlost 3 x 2 Karten

SO 06 | 01 | 19

SHOW Do.-Sa. 20.00 Uhr, So. 19.00 Uhr

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Kinder | Familienlesung Das Kindermuseum mondo mio! im Dortmunder Westfalenpark begibt sich immer am ersten Sonntag des Monats ab 15 Uhr auf eine spannende Geschichten- und Märchenreise. Jeden Monat wird literarisch ein anderer Winkel der Welt erkundet. Der Eintritt zu den Lesungen ist im Parkeintritt enthalten. Kindermuseum mondo mio!, DO, 15 Uhr


Mit Silvestervorstellungen und großen Silvesterpartys laden das Schauspielhaus Bochum und das Theater Dortmund am 31. Dezember zum feierlichen Jahreswechsel.

Silvester im Theater

31. Dezember Schauspiel & Oper Dortmund Schauspielhaus Bochum

Den Auftakt im Schauspiel Dortmund macht am Nachmittag der ehemalige Oberspielleiter Andreas Weißert mit seiner Silvesterlesung. „Silvester ohne seine Lesung ist kein wahres Silvester“, heißt es (16 Uhr). In der Spätvorstellung zeigt das Schauspiel „Tartuffe“, Molières Komödie um einen intriganten Hausgast (19.30 Uhr). Im Opernhaus geht es in der „West Side Story“ ins New York der 50er Jahre (20 Uhr). Danach feiern Gäste und KünstlerInnen mit DJs im Foyer des Opernhauses gemeinsam ins neue Jahr. Auch das Schauspielhaus Bochum zeigt zu Silvester, dass es Party kann. Auf der Bühne werden am Abend erst „Die Philosophie im Boudoir“ und „Der HamiltonKomplex“ (Foto) gezeigt, nach der Spätvorstellung heißen DJs und Liveacts im Foyer des Hauses 2019 feierlich willkommen (22.30 Uhr).

MI 09 | 01 | 19

DO 10 | 01 | 19

Lesung | Ngo Nguyen Dung Tausend Jahre im Augenblick Kurz vor dem Ende der französischen Kolonialisierung kommt ein Fremder nach Cai Bau, einem Dorf im Mekong-Delta des südlichen Vietnams. Er freundet sich mit einem Jungen aus einer Bauernfamilie an, die unter der Knechtschaft eines Grundbesitzers leidet. Auf einer anderen Zeitebene läuft das Leben eines katholischen Priesters ab, der seine Kindheit in Aix-en-Provence verbringt und dann im Dienst der Kirche in Annam missioniert. Studio B der Stadt- und Landesbibliothek, Dortmund, 19.30 Uhr Anzeigen

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Ruhrpott-Karneval | Geierabend Der letzte Pütt im Pott ist dicht, doch in Dortmund fährt ein Trupp von 13 Kabarettisten, Comedians und Musikern auch 2019 unbeirrt zur Spätschicht an. Der Geierabend, der wahre Ruhrpott-Karneval, tobt vom 10. Januar bis zum 5. März an 37 Abenden im LWL Industriemuseum Zeche Zollern. Mit neuen Kräften, neuen Figuren und neuen Ideen starten die Geier unter dem Motto „Zechen und Wunder“ in ihre 27. Session. Ausführliche Infos unter www.geierabend.de Zeche Zollern, Dortmund, 19.30 Uhr

sweetSixteen-Kino | Die Erscheinung „Kommen Sie bitte in den Vatikan. Wir möchten dringend mit Ihnen sprechen!“ Dieser geheimnisvolle Anruf wird das Leben des renommierten Journabodo listen Jacques Mayano verlost 1x2 maßgeblich verändern. Karten* Im offiziellen Auftrag der Kirche soll er in Erfahrung bringen, was es mit der Marien-Erscheinung auf sich hat, die sich in einem Dorf im Südosten Frankreichs zugetragen haben soll. Die 18-jährige Anna behauptet, dort der Jungfrau Maria begegnet zu sein. Die Pilger strömen bereits in Massen in den kleinen Ort. Ein deutscher Priester plant die weltweite Vermarktung des Ereignisses, den lokalen Pfarrer hingegen scheint ein ganz besonderes Verhältnis mit dem strenggläubigen Teenager zu verbinden. Mit einer Untersuchungskommission macht sich der hartnäckige Reporter an die Arbeit und bei seinen Recherchen zunehmend verstörende Entdeckungen. Je mehr er die einzelnen Puzzleteile zu einem Bild zusammensetzt, desto näher kommt er der Wahrheit. Als Jacques schließlich seinen versiegelten Bericht an den Vatikan sendet, wird sich sein Leben nachhaltig verändert haben. Er wird eine Welt entdeckt haben, in der ein Beweis nichts wert ist und in der das Unsichtbare seine Geheimnisse behält. Ein clever konstruierter Thriller mit Tiefgang, den Cannes-Preisträger Xavier Giannoli mit französischer Eleganz, psychologischer Präzision sowie einer ausgesprochen hochkarätigen Besetzung inszeniert: von Bond-Bösewicht Anatole Taubman über Jungstar Galatéa Bellugi bis zu Vincent Lindon, dem das Drehbuch auf den Leib geschrieben wurde. Ab Donnerstag, 13. Dezember. Alle Termine: www.sweetsixteen-kino.de sweetSixteen-Kino Immermannstr. 29, 44147 Dortmund www.sweetsixteen-kino.de 41


BODO GEHT AUS

Chancen-Café 103 Oesterholzstraße 103 44145 Dortmund

Chancen-Café 103 Hineingehen, teilhaben

Die Oesterholzstraße verbindet Borsigplatz und Westfalenhütte, ein geschichtsträchtiges Pf laster in Dortmund. Keine Frage, das ganze Viertel hat schon bessere Zeiten gesehen. Es gibt wiederum Spielräume, die man woanders so nicht findet. Im Haus Oesterholzstraße 103 zum Beispiel, Ecke Robertstraße, wurde 2014 das Chancen-Café eröffnet. Es resultiert aus dem Projekt „Public Residence“. Sieben Künstler entwickelten damals gemeinsam mit Anwohnern konkrete Vorhaben, dem Stadtteil ein neues Gesicht zu geben. Die erstellte Liste wurde vom Wunsch nach einem Nachbarschaftstreff angeführt. Der existiert noch immer. Als wir das Ladenlokal betreten, werden Zwiebeln geschnitten. Am Herd in der offenen Küche steht Fereydun Kohestani. Herr Kohestani stammt aus Afghanistan. Er bereitet, tatkräftig von mehreren Assistenten unterstützt, ein Auberginengericht aus seiner Heimat: Burani Bangan. Die Töpfe sind groß. Man weiß nicht, wie viele Gäste später an der langen Tafel Platz nehmen werden. Satt sollen alle werden.

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Von Wolfgang Kienast Fotos: Daniel Sadrowski

Von 14 bis 18 Uhr hat die 103 geöffnet, gekocht wird nahezu täglich. Es gibt programmatische Reihen. Das heutige Motto lautet „Soulfood“ und meint interkulturelle Küche. Immerhin leben Menschen aus mehr als 120 Nationen im Stadtteil – und grundsätzlich könnte hier jeder mal den Löffel schwingen. Bei einem anderen Kochprojekt, „Restlos glücklich“, steht nachhaltiger Umgang mit Lebensmitteln im Vordergrund. Eine Speisekarte gibt es nicht. Auch keine Preisliste. Das Essen ist

gratis, genauer, es ist spendenfinanziert. Man gibt, was man geben möchte. Die Atmosphäre ist herzlich. Wer die 103 betritt, wird freundlich begrüßt und gehört dazu. Ganz einfach. So wie bei den Musik-, Tanz- und Theaterworkshops, den Mal- und Zeichenkursen oder der Schneiderwerkstatt. Eine Givebox für Bedürftige besteht auch. Ein turbulenter Ort, der Probleme nicht leugnet, der aber Chancen bietet, sie kreativ und individuell zu lösen.


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Burani Bangan Eine große Gemüsezwiebel würfeln und die Zehen einer Knoblauchknolle pressen. Gemeinsam bei hoher Temperatur anbraten und ein paar Tomaten in Stücken zugeben. Mit Garam Masala nicht zu knapp würzen.

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Mehrere Auberginen geschält und in Scheiben geschnitten zugeben. Sobald ein Großteil der Flüssigkeit verkocht ist, die Temperatur reduzieren.

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Noch eine halbe Zwiebel sowie eine Paprikaschote, beide gewürfelt, zugeben. Kochen, bis alles sehr weich ist. Das kann durchaus länger als 90 Minuten dauern. Vor dem Servieren Joghurt verschlagen, auf Tellern verteilen, das Gemüse darauf anrichten und zum Schluss noch mit etwas Joghurt verzieren. Dazu Brot (oder Reis) und Salat reichen.

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REPORTAGE

Das Wunder von Chanukka in Zeiten des Antisemitismus

Wenn Christinnen und Christen die Adventszeit begehen, feiern Menschen jüdischen Glaubens Chanukka, das Lichterfest. Es ist ein Fest für die ganze Familie mit Leckereien, Geschenken und Spielen. Aber auch ein Fest, das politischer ist, als man auf den ersten Blick vielleicht glaubt. Denn es geht um Hoffnung und den Kampf gegen die Dunkelheit. Und der wird für Jüdinnen und Juden in Deutschland wegen des zunehmenden Antisemitismus immer wichtiger. Text und Fotos: Alexander Völkel

E

s geht darum, die Angst zu verdrängen. Aus dem heutigen Leben ganz besonders“, betont Dortmunds Rabbiner Baruch Babaev. „Darum, Sorgen zu vertreiben und Mut zu finden. Und auch, um für die gute Sache einzustehen. Das ist das Symbol von Chanukka“, erklärt der 42-Jährige. Seit zwei Jahren ist Babaev nun Gemeinderabbiner in Dortmund, nachdem er zuvor zweieinhalb Jahre lang als Wanderrabbiner für den Jüdischen Landesverband in Westfalen gearbeitet hat.

Von Duschanbe nach Dortmund

Das Fest Chanukka Das achttägige Fest Chanukka erinnert an das Wunder der Befreiung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem im Jahr 164 vor Christus. Eine Handvoll Menschen hatte sich nicht unterwerfen wollen und sich gegen eine Übermacht aufgelehnt. Ihr Sieg war damals keineswegs sicher. „Sie fanden die Moral, gegen den Strom zu schwimmen, den Schwachen zu helfen“, erklärt der Rabbiner. Die zahlenmäßig weit unterlegenen Makkabäer stellten sich gegen die riesige Armee der Griechen. „Sie haben sich aufgelehnt und hatten am Ende Erfolg. Sie wussten vorher nicht, ob es gelingen könnte. Doch sie haben die Moral im Herzen nicht ausgehen lassen“ und den zweiten jüdischen Tempel in Jerusalem befreit. Dort brannte auch der siebenarmige Leuchter, die Menorah, mit dem ewigen Licht. Dies durfte nie verlöschen. Doch die Befreier fanden nur Öl für einen Tag. Die Herstellung neuen Öls brauchte aber acht Tage. Dennoch ging die Flamme nicht aus – ein Wunder, an das das achttägige Fest Chanukka erinnert. 44

Er wird – wie Millionen Menschen jüdischen Glaubens weltweit – vom 2. bis 10. Dezember jeden Tag ein weiteres Licht entzünden. Man feiert dabei das Wunder von Chanukka. „Das achttägige Fest Chanukka erinnert an das Wunder der Befreiung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem im Jahr 164 vor Christus“, erklärt der Rabbiner. Er ist es gewohnt, die jüdischen Traditionen, Riten und Symbole zu erklären. Er erklärt sie auf Deutsch, Hebräisch oder auch auf Russisch. Denn das ist die Sprache, die die meisten der knapp 3.000 Gemeindemitglieder in Dortmund am besten sprechen. Babaev ist einer von ihnen. Er stammt gebürtig aus Tadschikistan und kam wie viele Juden aus der ehemaligen Sowjetunion 1991 als Kontingentflüchtling nach Deutschland. „Ich war 15 Jahre alt und wurde sofort eingeschult“, erinnert sich Baruch Babaev. Er lernte die Sprache. Aber seinen Glauben musste er – anders als viele seiner Landleute – nicht erst neu lernen. Denn die Familie kam aus Duschanbe, politischer, kultureller und wirtschaftlicher Mittelpunkt des zentralasiatischen Landes. „Dort gab es sogar jüdisches Leben“, erzählt Babaev – zumindest bis zur Öffnung des „Eisernen Vorhangs“. Heute ist das Gemeindeleben dort Geschichte: Bis auf wenige Familien sind alle Juden ausgewandert. Viele gingen nicht ganz freiwillig: Denn die Unabhängigkeit wurde erkämpft,


Baruch Babaev ist seit zwei Jahren Gemeinderabbiner in Dortmund.

es gab Krieg. Daher verließ auch Familie Babaev das Land. Sie fand in Deutschland eine neue Heimat. Doch ein erneutes Auswandern ist in den vergangenen Jahren für viele Menschen jüdischen Glaubens in Europa wieder Thema. Der zunehmende Antisemitismus macht vielen Menschen jüdischen Glaubens nicht nur in Deutschland große Sorgen.

„Ja, es gibt antisemitische Vorfälle“ Der Antisemitismus sei niemals weggewesen. „Er war nur nicht so sichtbar. Die Gedanken gab es immer in bestimmten Köpfen. Sie kommen heute nur mehr und mehr zum Vorschein“, verdeutlicht der 42-Jährige. „Das Unsagbare wird ausgesprochen. Jetzt trauen sie sich, das wieder zu sagen.“ Es bleibt nicht beim Reden: Beschimpfungen, Anfeindungen, Bedrohungen. Ja sogar körperliche Angriffe gehören mittlerweile zum Alltag für Menschen jüdischen Glaubens. „Du Jude“ ist eines der gängigsten Schimpfwörter auf deutschen Schulhöfen.

Doch die Gemeinde will in Dortmund bleiben und ihren Mitgliedern den Rücken stärken. Daher soll der eigene Kindergarten wachsen und auch eine eigene jüdische Grundschule entstehen. Bislang gibt es nur eine – wenn auch gut funktionierende – Kooperation mit einer Dortmunder Grundschule. „Die eigene Schule ist unser wichtigstes Projekt“, verrät der Rabbiner. Denn die Nachfrage nach Plätzen ist deutlich gestiegen. Das hohe Interesse ist zwar positiv. Aber vielen Eltern geht es nicht nur um die religiöse Identifikation, koscheres Essen und das leichtere Begehen von jüdischen Feiertagen. Es geht ihnen vor allem auch um Schutz ihrer Kinder. Denn die Anfeindungen, denen die Kinder auch in Dortmund ausgesetzt sind, machen vielen Familien zu schaffen. „Ja, es gibt antisemitische Vorfälle. Aber nicht alle Eltern wollen das an die große Glocke hängen“, bestätigt der Rabbiner. Die Familien sähen auch von Anzeigen ab, auch wenn die Polizei konsequentes Handeln verspreche. „Aber der Polizeiprä-

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REPORTAGE

sident muss nicht jeden Tag in die Schule gehen. Da bedeutet jeder Tag eine Strapaze statt Spaß am Lernen. Für eine jüdische Schule würden Eltern sogar umziehen.“ Noch wichtiger wäre da auch ein Angebot im Sekundarbereich. „Doch wir können uns eine weiterführende Schule nicht leisten.“

Leben unter Polizeischutz

Rechts: Baruch Babaev beim öffentlichen Gebet in der Synagoge Aalten und beim Gedenken zum 80. Jahrestag der

Neonazi-Aktivitäten in Dortmund tun ihr übriges: „Eine Welt ohne Zionismus“ war das Banner des Lautsprecherwagens beim braunen Aufmarsch „Europa erwache“ im April in der Dortmunder City. „Israel ist unser Unglück“ war Kundgebungsthema im Mai. Die aus Dorstfeld gesteuerte Splitterpartei „Die Rechte“ stellt die bekannteste Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck (90) als Spitzenkandidatin für die Europawahl auf. Und im September schallten „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit“-Sprechchöre bei einer Neonazi-Demo durch die Straßen von Dorstfeld und Marten. In Marten hatte es zuvor drei Übergriffe auf einen jüdischen Mitbürger gegeben – die Täter wurden als Neonazis identifiziert.

Novemberpogrome in Dortmund-Dorstfeld.

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Beim Holocaust-Gedenken in Dorstfeld kann der Rabbiner nicht ohne Sicherheitsdienst und Polizeischutz auftreten. Die eigene Security kontrolliert alle Briefe, die in der Gemeinde eingehen, und die Polizei fährt vor der Synagoge und vor dem jüdischen Kindergarten Patrouille. Jüdisches Leben spielt sich daher zunehmend wieder hinter verschlossenen Türen ab. „Es hat Gründe, dass es seit fünf Jahren keinen Israel-Tag mehr auf dem Friedensplatz gegeben hat“, machte Babaev deutlich. Die Gemeinde und ihre Mitglieder fühlen sich von Staat und Gesellschaft zunehmend im Stich gelassen.

„Der Antisemitismus, der die Welt vergiftet, wird von Juden fein wahrgenommen“, machte Babaev bei den Holocaust-Gedenkveranstaltungen zum 80. Jahrestag der Reichsprogromnacht in Dorstfeld und am Platz der Alten Synagoge Anfang November deutlich. „Wir dürfen vor der Ideologie des Hasses nicht zurückweichen, denn sie gefährdet Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit, Demokratie und Wissenschaft.“


„Die AfD ist ein Irrweg“ Bei allen Bedrohungen: Chanukka – das Fest der Hoffnung und gegen die Angst – lassen sich die Dortmunder allerdings nicht nehmen. Anders als viele andere Gemeinden halten sie weiterhin daran fest. „Wir wollen zeigen, dass wir uns nicht verstecken, und deutlich machen, dass das Judentum nach wie vor zu Deutschland gehört und wir unzertrennlich mit der Geschichte Deutschlands verbunden sind“, gibt sich der Rabbiner entschlossen. Daher lädt die Jüdische Gemeinde alle Interessierten am Sonntag, 9. Dezember, um 18 Uhr auf die Kulturinsel auf dem Phoenixsee in Hörde ein. Babaev hofft, dass mehr Menschen zu der Veranstaltung kommen. Sie könnten damit der Gemeinde und den Menschen jüdischen Glaubens den Rücken stärken. „Viele machen sich Gedanken, ob Deutschland noch ihre Heimat sein kann. Jeder Vorfall ist ein weiterer Tropfen auf der Waagschale“, gesteht der Rabbiner. „Egal, mit welchen Schwierigkeiten wir rechnen und leben müssen, tun wir nach wie vor sehr viel für die Verständigung“, betont der 42-Jährige.

Links: Antisemitischer Protest an der Katharinentreppe: Neonazis mit Reichsund Palästinaf laggen. Polizeischutz für den jüdischen

Sein Verständnis hört allerdings bei der AfD auf: Klare Worte findet er für die Gründung der Gruppe „Juden in der AfD“. „Die AfD ist eine Partei, in der Judenhass und die Relativierung bis zur Leugnung der Schoa ein Zuhause haben. Die AfD ist antidemokratisch, menschenverachtend und in weiten Teilen rechtsradikal“, machen Babaev und seine Mitstreiter deutlich. „Die AfD ist ein Irrweg. Wir werden das nicht tolerieren, denn eine Mitgliedschaft dort ist nicht vereinbar mit unseren jüdischen Werten. Sie sollen verstehen, dass die jüdische Community nicht mitgeht. Damit keiner

Kindergarten.

sagen kann von unseren Leuten, dass er das nicht wissen konnte“, gibt sich Baruch Babaev kämpferisch. Wo der gemeinsame Kampf gegen Rechtspopulisten und Antisemitismus endet und wie er ausgeht, weiß er nicht. Doch der Rabbiner hat die Hoffnung und den Mut, entschlossen weiterzumachen. Das passt zum Geist und zum Wunder von Chanukka.

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Ein frohes Fest und ein gutes neues Jahr!

Ihre Flussmanager freuen sich, auch in 2019 die Region neu zu gestalten. 47


KINDERBÜCHER

Gelesen von Bastian Pütter

Hundert Ist „Hundert“ ein Kinderbuch? Auf den ersten Seiten bestimmt, zwischendurch eher nicht. Am Ende sicher wieder. Kinder und Erwachsene werden es von vorn lesen. Großeltern mit ihren Enkeln vielleicht von hinten nach vorn. Das Buch der Journalistin Heike Faller und des italienischen Illustrators Valerio Vidali besteht aus hundert Schritten, hundert kleinen und großen Ereignissen auf 100 Doppelseiten. Zusammen sind sie ein wunderschönes Bilderbuch – und ein Leben. Es sind die Lektionen, die man im Laufe eines Lebens lernt: Was Schwerkraft ist, was Vertrauen, wie ein Purzelbaum geht, wie zweifeln, wie küssen. Plötzlich Kaffee zu mögen, zu lernen, fast keinen Schlaf zu brauchen, wenn Kinder da sind, irgendwann die eigenen Eltern zu akzeptieren, wie sie sind. Stärker das Rasen der Zeit zu spüren und gleichzeitig für alles doppelt so lang zu brauchen, zurückzuschauen mit der Frage: „Hast Du irgendwas im Leben gelernt?“ und dann auch die Angst vor dem Tod zu verlieren. In diesem jeweils einen Satz pro „Lektion“ steckt so viel Klugheit und so viel Wissen über das Leben, dass man immer wieder innehält, auch zurückblättert, von vorn beginnt. Ein Blätterbuch sozusagen, voller Wärme, die die Illustrationen verströmen – und genug Brombeermarmelade ist auch immer da. Heike Faller, Valerio Vidali | Hundert ISBN: 978-3-0369-5781-4 Kein & Aber | 20 Euro Ab 6 Jahren 48

Hunger

Otter

Die vielschreibende britische Autorin Louise Spilsbury hat mehr als 200 Kinderbücher verfasst. Das muss einen nicht misstrauisch machen. Das selbstbewusste Auftreten ihres Buchs über Armut vielleicht schon. Ähnlich kategorisch wie der Untertitel „Alles über Armut und Hunger“ verspricht, gibt sich der Klappentext: „Dieses Buch erklärt kindgerecht, warum es Armut gibt, manche Menschen keine Arbeit haben oder nicht alles kaufen können, was sie für ein gesundes Leben brauchen.“ Das wäre in der Tat eine Leistung.

Otto ist ein bisschen schüchtern, und Angst vor Monstern hat er auch. Aber er kann nähen und backen – Kuchen, die Ottofees heißen, mit so viel Zucker, dass man Sterne sieht – und sich alles merken. Lotti kann Fische fangen und Räuberhöhlen bauen, und wenn sich da ein Monster hineintraut, gibt es Monstersalat!

Auf den ruhigen, erdfarbenen Illustrationen von Hanane Kai liegen kurze, von einer eher unangenehmen Traurigkeit durchzogene Texte, die sich leider an Oberflächen abarbeiten. Nein, arm ist man nicht, weil „das Geld nicht reicht“, Tafeln beenden nicht die Armut, und Entwicklungsarbeit bedeutet nicht, armen Bauern zu zeigen, wie man Dünger richtig einsetzt. Der Elefant im Raum, über den Spilsbury nicht sprechen will, ist die Erkenntnis, dass Armut heute menschengemacht ist – und ihre Entstehung komplex. Statt Kindern zu raten, Kuchen zu verkaufen, um Spenden zu sammeln, könnte man sie ernst nehmen in ihrem Wunsch, die Welt zu verstehen. Louise Spilsbury, Hanane Kai Wie ist es, wenn man arm ist? Alles über Armut und Hunger ISBN: 978-3-522-30510-5 Gabriel | 10 Euro Ab 5 Jahren

Die Schauspielerin und Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes hat mit der Illustratorin Carola Sieverding ein VorleseKinderbuch gemacht, dessen Held und Heldin Otter sind, was als Kaufempfehlung eigentlich ausreichen sollte. Wenn nicht: Diese Geschichte über vermeintliche Jungssachen und angeblichen Mädchenkram ist das feministische Kinderbuch, das dem Geschlechterrollen-Backlash und dem Gendermarketing-Mist mit rosa Prinzessinnen-Zahnbürsten und „nur für Jungs“-Feuerwehr-Raumfahrer-Gedöns die Wirklichkeit um die Ohren haut: Alle Otter sind gleich, alle Otter sind verschieden. Das ist – man muss es heute dazusagen – nicht der Untergang des Abendlandes, sondern erstens wunderschön gezeichnet wie erzählt und zweitens fast so etwas wie eine Rückbesinnung: Erinnern Sie sich an Pippi Langstrumpf, Ronja Räubertochter und Bibi Blocksberg? Sehen sie. Collien Ulmen-Fernandes, Carola Sieverding | Lotti & Otto ISBN 978-3-96129-008-6 Edel Kids | 13,99 Euro Ab 3 Jahren


Eine Frage, Frau Töllner:

Wer beantwortet die Post ans Christkind? Egal ob Christkind, Weihnachtsmann oder Nikolaus – was alle eint, ist, dass sie zur Weihnachtszeit Empfänger von Weihnachtspost und Wunschzetteln werden. Doch wer beantwortet diese Post eigentlich? Bei dem Wunschzettel, der unter das Kopfkissen gelegt wird, werden die Eltern oder Angehörige die Empfänger sein und sich um die Beantwortung kümmern. Doch wer kümmert sich um die Weihnachtspost, die in offiziellen Briefkästen landet? Britta Töllner von der Deutsche Post DHL Group

„Die Beantwortung der weltlichen Weihnachtspost übernehmen wir von der Post“, sagt Britta Töllner von der Deutsche Post DHL Group. Das Ganze begann, als 1985 in der kleinen Stadt Engelskirchen in NRW die ersten Briefe adressiert an das Christkind eintrafen. Die Mitarbeiterinnen am dortigen Postschalter überlegten sich, dass es doch schön wäre, wenn man diese Briefe beantwortet, statt sie mit dem nicht sehr weihnachtlichen Vermerk „Empfänger unbekannt“ an die Absender zurückzusenden. Waren es

zuerst nur zwei Briefe, kümmern sich mittlerweile sieben Postämter in Deutschland – ausgestattet mit speziellem Briefpapier und Poststempel – um Weihnachtspost aus der ganzen Welt. Der Weihnachtsmann empfängt Post in den Städten Himmelspfort und Himmelstür. Das Christkind wartet in Engelskirchen, Himmelpforten und Himmelstadt auf Weihnachtspost, während in Nikolausdorf und St. Niklaus natürlich der Nikolaus für die Weihnachtspost zuständig ist. Dabei helfen ihnen sowohl hauptamtliche Mitarbeiter der Post als auch ehrenamtliche Helfer aus den jeweiligen Städten. An einigen Terminen nehmen sie die Post auch persönlich in Empfang. „Was genau in den Briefen steht, verraten wir natürlich nicht, um die Spannung nicht kaputtzumachen“, so Töllner. „Unser Ziel es ist, Kinder und Jugendliche an das Briefeschreiben heranzuführen.“ Das scheint zu funktionieren. 2017 kamen insgesamt 650.000 Briefe aus der ganzen Welt bei den sieben Weihnachtspostfilialen an. (sese)

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SOZIALES

Weite Wege für Wohnungslose Nach rund einem halben Jahr Bauzeit ist im November die neue Notübernachtungsstelle für Wohnungslose eröffnet worden. Direkt neben dem alten Fliednerhaus sind in dem Neubau am Stadion nun auch die Suppenküche und der Verein „Aufsuchende medizinische Hilfe“ zu finden. Die Neusortierung der Einrichtungen könnte auf Kosten der Erreichbarkeit gehen. Von Alexandra Gehrhardt | Foto: Sebastian Sellhorst

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Spätestens, als der Verein „Aufsuchende medizinische Hilfe“ vor rund anderthalb Jahren öffentlich die Fortführung seiner Arbeit im Fliednerhaus am Stadion verweigerte, stand fest, dass die Tage der Notschlafstelle gezählt waren. Schimmelbefall und Mängel hatten das 90 Jahre alte Gebäude marode gemacht. Nachdem die Suche nach einer geeigneten Immobilie über Monate erfolglos geblieben war, fiel im September 2017 der Entschluss zum Neubau nur ein paar Meter weiter. Direkt gegenüber dem alten Haus, und weiterhin im Schatten des VfL-Stadions, ist der nun im November feierlich eröffnet worden. Dort finden nun auch die Suppenküche und die „Aufsuchende medizinische Hilfe“ ihre neue Adresse, zwei ehrenamtlich tätige Vereine, ohne die die Versorgung von Menschen ohne Wohnung in Bochum wohl deutlich schlechter wäre. „Versorgung und Bleibe unter einem Dach“ nennt es die Stadt Bochum und spricht von einem bundesweit einzigartigen Projekt. Entsprechend stolz zeigte sich


Oberbürgermeister Thomas Eiskirch auch bei der Eröffnung. Gut sechs Monate hatte das kommunale Wohnungsunternehmen VBW für die Errichtung des Modulbaus benötigt, die Stadt mietet ihn zurück. Betreiberin bleibt die Innere Mission des Diakonischen Werks, die die Wohnungslosenhilfe im Auftrag der Stadt verantwortet. Die Unterbringungssituation hat sich deutlich verbessert: Statt früher sechs schlafen nur noch zwei Personen in einem Zimmer, das barrierearme Haus hat einen abgeschlossenen Frauenbereich, mehrere behindertengerechte und Genesungszimmer für erkrankte Wohnungslose. Keine Verbesserung gibt es bislang bei den Öffnungszeiten. Von 7.30 Uhr bis 19 Uhr bleibt das Fliednerhaus geschlossen. DiakonieGeschäftsführer Jens Fritsch wiederholte bei der Eröffnung dann auch den Wunsch an das Sozialdezernat, in Zukunft wenigstens eine Stunde früher öffnen zu können. Tagsüber können sich Wohnungslose nur draußen aufhalten oder die übrigen Einrichtungen in der Innenstadt aufsuchen. Und das kann zum Problem werden. Denn mit dem Umzug von Suppenküche und Medizinischer Hilfe endet die zentrale Bündelung essenzieller Angebote der Wohnungslosenhilfe in der Innenstadt. Bisher teilten sich beide Vereine mit dem Tagesaufenthalt Räume in der alten BO-Fabrik in der Stühmeyerstraße. Die Beratungsstelle für Wohnungslose und der bodo e.V. waren – und sind noch – wenige Gehminuten entfernt bzw. direkt nebenan. Wer morgens das Fliednerhaus verließ, musste erst am Abend zurück.

Nach Beschluss der Stadt ziehen die Beratungsstelle für Wohnungslose, der Tagesaufenthalt und bodo darum im kommenden Jahr aus dem Innenstadtring heraus ins frühere Antoniusstift in der Bessemerstraße. Das Haus in Ehrenfeld war vor Jahren als Geflüchtetenunterkunft ausgesucht und renoviert, aber nie als solche genutzt worden. Derzeit wird das Gebäude für seine zukünftige Nutzung umgebaut, wann der Umzug tatsächlich stattfinden wird, ist bisher unklar. Zuletzt hatte die Stadt das zweite Quartal 2019 als Umzugszeitraum angekündigt. Für Wohnungslose, die alle Einrichtungen nutzen, verlängern sich die Wege mit der Neusortierung erheblich. Wer morgens zur Beratungsstelle muss, mittags essen, nachmittags zum Tagesaufenthalt möchte und abends zum Schlafen zum Stadion zurückkehrt, läuft insgesamt zwölf Kilometer am Tag. Eine Strecke, die wohl nur bewältigen kann, wer gesund und gut zu Fuß ist. Wer nicht gut laufen kann und auch nicht „schwarzfahren“ möchte, verzichtet möglicherweise entweder auf ein warmes Mittagessen oder auf einen warmen Aufenthaltsort.

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ALLES GUTE FÜR 2019

Auch die übrigen Einrichtungen werden nicht in der Stühmeyerstraße bleiben. Für die alte BO-Fabrik, die bis auf das Erdgeschoss jahrelang leergestanden hatte, hat die Stadt einen Investor gefunden. Die gemeinnützige Montag-Stiftung errichtet in dem denkmalgeschützten Gebäude gerade ein Stadtteilzentrum, in dem Räume für „kooperatives Arbeiten, urbane Produktion und nachbarschaftliche Begegnung“ entstehen sollen.

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3 | „Brüchige Biografien“ Dokumentarfilm 79 Minuten. bodo-Sonderheft A5 inkl. DVD. 2,50 Euro zzgl. 2 Euro Versand 4 | Ein halbes Jahr bodo! Verschenken Sie ein Gutscheinheft für sechs Ausgaben des Straßenmagazins. Das faire Abo: zum Einlösen direkt bei unseren Verkäufern auf der Straße. 15 Euro 5 | Schenken Sie Lesefreude! Ein Geschenkgutschein für unseren Buchladen. Auswahl aus 10.000 Romanen, Krimis, Koch-, Sachund Kinderbüchern, frei wählbar. ab 10 Euro 6 | bodo zum Umhängen! Tasche aus LKW-Plane mit Schultergurt aus Autosicherheitsgurt, Maße 29 x 19,5 x 8 cm. 29,90 Euro zzgl. 4,90 Euro Versand

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* Alle unsere Verkäufer erhalten

einen Kapuzenpullover und eine Regenjacke als Verkaufskleidung. Ermöglicht wird dies mit Ihrer Spende. Sie erhalten auf Wunsch eine Spendenbescheinigung.

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bodo e.V. Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund Tel. 0231 – 950 978 0 | info@bodoev.de Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr www.bodoev.de VE RSAN D MÖGL ICH

Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch Liebe bodo, danke für den Artikel über Schwangerschaftsabbrüche. Mich hat schockiert, dass die Krankenkassen das nicht bezahlen. Ich wusste auch gar nicht, dass so viele ÄrztInnen keine Abtreibungen mehr machen. Das ist wirklich schlimm! Die veraltete und diskriminierende Gesetzgebung muss sich dringend verändern. Jede Frau muss selbst über ihren Körper entscheiden dürfen, und wir müssen uns dafür gemeinsam stark machen. Für mich zeigt dieses Thema, wie wichtig Feminismus heute immer noch ist. Ich freue mich immer sehr über die lokalen und auch politischen Geschichten in der bodo. In Hamburg, wo ich herkomme, gibt es die fantastische Hinz&Kunzt, und ich freue mich voll, dass es hier auch so eine gute Straßenzeitung gibt. H. S.

bodo-Film

Sehr geehrtes bodo-Team, wir haben den Film „Brüchige Biographien“ gesehen. Hierzu möchte ich dem bodo-Team, dem Filmteam und vor allem den fünf Protagonisten für ihre offene und ehrliche Art große Bewunderung aussprechen. Mit freundlichen Grüßen, R. S.

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Die Hambacher Wende Hallo bodo-Team, Sebastian Weiermann schreibt recht ausführlich über „den Konflikt um den Hambacher Forst“. Allerdings fehlt ein wesentlicher Teil in seinem Bericht. Es wird nicht eindeutig erwähnt, warum ein Polizeieinsatz nötig wurde. Illegales Bauen von Baumhäusern, Beschädigungen im Wald durch Nicht-Eigentümer und nicht erlaubter Aufenthalt auf Privatgelände sind auch in einer Demokratie mit geltenden Gesetzen nicht zu vereinbaren. Der Aufbau von Barrikaden, das Graben im Waldboden und ein Hinterlassen von Schmutz und Müll auf privatem und öffentlichem Waldgelände wird vom Recht auf Proteste nicht gedeckt. Im Einführungstext wird der Rombergpark genannt. Was, wenn dort wie im Hambacher Forst „protestiert“ würde? Wie würde bodo dann darüber schreiben? E. K.


RÄTSEL

„(I Wish You) A Merry Christmas And A Happy New Year“ heißt der erste Solo-Song des Dortmunder Musikers Chris Riza, Gitarrist in der Psychedelic-Beat-Band „The Cheeks“. Der Sixties-Powerpop-Ohrwurm ist auf allen Musikportalen als Download erhältlich. Die Hälfte aller Einnahmen geht an bodo!

Schreiben Sie uns: redaktion@bodoev.de Telefon: 0231 – 950 978 0

Bußgelder für Obdachlose Sehr geehrte Damen und Herren, nachdem ich erfahren habe, dass die Stadt Dortmund von Obdachlosen eine „Sondersteuer“ wegen Obdachlosigkeit verlangt, wegen des Nächtigens unter Brücken, auf Parkbänken oder vor Schaufensternischen (eine Ordnungswidrigkeit), möchte ich auf Folgendes hinweisen: In San Francisco wurde kürzlich eine Steuer zugunsten von Obdachlosen eingeführt. Geplant ist, dass Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen USDollar (43 Millionen Euro) eine Abgabe für Obdachlose leisten: Wie wäre es, sich in Deutschland ebenso für eine solche Steuer zu engagieren? Mit guten Wünschen für Sie und lieben Grüßen, U. M.

Es mag richtig sein, dass das Ordnungsamt nur auf Beschwerden handelt, aber wie es handelt, obliegt nur dem Ordnungsamt. Niemand zwingt das Ordnungsamt, derartig sinnlose, asoziale und menschenverachtende Maßnahmen zu ergreifen. Niemand hält die Stadt davon ab, die Probleme anders, sozial verträglich und lösungsorientiert anzugehen. Und niemand als die Stadt ist dafür verantwortlich, dass es zu wenige und unzumutbare Notplätze gibt. M. R., via facebook

AUFLÖSUNG HEFT 11.18

Bußgelder für Obdachlose

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VERKÄUFERGESCHICHTEN

Marion und Tom verkaufen in Bochum das Straßenmagazin.

„Kommt erstmal rein“ Als wir uns das letzte Mal mit Marion und Tom an ihrem Verkaufsplatz trafen, waren die beiden gerade auf der Suche nach einer Wohnung. Jetzt sind sie in ein Übergangs-Appartement unseres Wohnprojektes gezogen, um erst einmal für den Winter ein Dach über dem Kopf zu haben. Wir haben sie dort besucht. Text und Foto: Sebastian Sellhorst

Als wir bei Tom klingeln, dauert es eine Weile, bis er aufmacht. „Entschuldigt, wir waren grad beim Frühstück, aber kommt erst mal rein“, begrüßt er uns. Zusammen mit seiner Freundin Marion hat er es sich in einem der beiden Zimmer des kleinen Zwei-Zimmer-Appartements gemütlich gemacht. Auf dem aus zwei Stühlen und einer Tischplatte improvisierten Tisch steht noch das Frühstück. „Tut mir leid, hier sieht es ein bisschen wüst aus, aber ich hab noch keinen Kleiderschrank“, entschuldigt er sich. Zwei Reisetaschen am Fußende seines Bettes sind alles, was Tom mitgebracht hat. In der kleinen Wohnung ist der Herner Verkäufer zusammen mit seiner Freundin Marion jetzt erstmal angekommen, während die beiden auf der Suche nach einer eigenen Wohnung sind. Kennengelernt haben sie sich, als sie in Bochum ohne feste Bleibe unterwegs waren und die Nächte draußen verbracht haben. Die nächsten Schritte: Behördengänge, jede Menge Papierkram und am Ende, mit etwas Glück, die eigene Wohnung mit eigenem Mietvertrag. „Bis dahin ist das hier aber auf jeden Fall eine gute Lösung“, erzählt Marion. „Hier bin ich das erste Mal seit langem mal wieder richtig zur Ruhe gekommen. Die erste Nacht war noch etwas komisch, aber jetzt schlafe ich wie ein Stein.“ Eigentlich wohnt Marion in der gegenüberliegenden Wohnung mit ihrer Mitbewohnerin, die meiste Zeit verbringt sie aber

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hier zusammen mit Tom. „Was sollen wir denn jeder alleine frühstücken. Da machen wir es uns lieber hier zusammen gemütlich.“ „Hier kann man wenigstens mal wieder kochen, das geht auf der Straße ja nicht, da isst du jeden Tag nur irgendwelchen Mist von der Bude“, stimmt Tom ihr zu. Ähnlich wie bei den beiden ist die Situation auch bei ihrem Mitbewohner, der das andere Zimmer des Appartements bewohnt. „Wir kommen aber gut klar. Manchmal kochen wir zusammen, aber sonst ist halt jeder in seinem Zimmer und macht sein eigenes Ding. Klar, hier sieht es noch etwas wild aus, aber ich komme zurecht. So viele Sachen hatte ich ja nicht. Das Wichtigste ist, dass man nachts eine Ecke hat, die einem ganz alleine gehört.“ Während Tom mit bodo-Mitarbeiter Oliver Philipp bespricht, wann das Transport-Team des Vereins einen Kleiderschrank aus einer Haushaltsauflösung liefern kann, kommt auch Toms Mitbewohner aus seinem Zimmer. „Wir kommen super klar hier zu dritt. Wenn nur Marion nicht immer so lange duschen würde“, erzählt er lachend. Dass ihr Appartement etwas außerhalb liegt, stört niemanden der drei. „Wir sind zwar den ganzen Tag unterwegs, aber kommen hier ganz gut weg. Da vorne an der Hauptstraße fährt regelmäßig ein Bus“, sagt Tom.


Anzeige Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Westliches Westfalen e.V.

Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt

Wenn dich in zehn Jahren einer fragt, was du am 21. Dezember 2018 gemacht hast, wirst du dich nicht erinnern. An dem Tag endet der Steinkohlebergbau hier bei uns im Pott, in Bottrop. Der Bundespräsident kommt, spricht. Und du rennst rum, weil noch ein paar Zutaten fürs Weihnachtsmenü fehlen. Normal. Wir empfinden Geschichte anders als die Schreiber von Chroniken. Früher waren mal 600 000 Menschen im Bergbau, aber früher gab es auch Wählscheibentelefone. Gut, ohne die Kohleförderung hätte es die Moderne nicht gegeben, das Wirtschaftswunder nicht und nicht die Europäische Union. Klar, wir verbrennen immer noch Kohle. Die ist jetzt nur von anderswo weg. In diesem Anderswo verschwinden dafür schon mal ganze Berge und Landschaften, und keiner trägt Fledermäuse ins neue Quartier. In China krepieren immer auch ein paar Kumpel, täglich. Also täglich bis zu zwei Dutzend. Die stehen aber nicht täglich in der WAZ. Trotzdem kein Grund für sinnlose Sentimentalität. Richtig gut war die Arbeit auf dem Pütt erst, als sie anfing zu verschwinden. Mein Oppa hatte noch die große Stahlflasche zuhause, Sauerstoff, Staublunge. Die Silikose schwand erst langsam, als sie als Berufskrankheit anerkannt wurde, als Oppas Atemnot den Zechenbaron plötzlich Kohle kostete. Martin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.

Nun hocke ich beim Geierabend immer noch als „Steiger“ in einem Kohlewagen auf der Bühne, lächerlich irgendwie. Viele . Zuschauer wissen nicht, dass Steiger untertage selten beliebt waren. Sie grüßen nett.

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Vorbei. Was bleibt, ist Haltung. Soll uns keiner blöd kommen. Sagt einer: „Hier in der Zeche“, bläst ihn die Kollegin um: „Datt heißt auffe Zeche. Aum Pütt. Vonne Schule, nache Arbeit, ausse Siedlung, umme Ecke, auffe Schicht. Nach Untertage. Im Streb, inne Dunkelheit, am Malochen, vor Kohle, mitte Kumpels, anne Schüppe, zum Ende, vorre Rente, aus, zu, vorbei, bisse im Arsch. Is datt denn so schwer?“. Szenenapplaus.

Unterbezirk Dortmund

Unterbezirk Ruhr-Mitte

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Klosterstraße 8-10 • 44135 Dortmund 0231 - 99 340

Bleichstraße 8 • 44787 Bochum 0234 - 96 47 70

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