bodo November 2018

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bodo DAS

11 | 18 Die besten Geschichten auf der Straße

IN STRASSENMAGAZ

„Heart’s Fear“: Bettina Kenter Seite 4

2,50 Euro Aeneas Rooch Seite 38

Die Hälfte für den Verkäufer

KANN JEDER OBDACHLOS WERDEN? DR. KNOPFS ROMBERGPARK

§ 219 UND DIE FOLGEN DAS MUNDORGELPROJEKT

DIE R E H C A B M HA W EN DE

NUR MIT AUSWEIS

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IMPRESSUM

Herausgeber, Verlag, Redaktion: bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.: Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de 0231 – 950 978 12, Fax 950 978 20 Layout und Produktion: Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign info@lookatnoll.de Veranstaltungskalender: Petra von Randow, redaktion@bodoev.de

INHALT

Bettina Kenter

Von Bastian Pütter

Anzeigenleitung: Susanne Schröder, anzeigen@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Vertriebsleitung: Oliver Philipp, vertrieb@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe: René Boyke, Chris, Peter Hesse, Alexandra Gehrhardt, Tony Inglis, Wolfgang Kienast, Max Florian Kühlem, Bastian Pütter, Tilman Radix, Petra von Randow, Sebastian Sellhorst, Sebastian Weiermann Titelfoto: Roland Geisheimer Bildnachweise: Robert Beske (S. 6), Toby Binder (S. 4), Bianka Boyke (S. 16), Danny Clinch (S. 45), Jack Donaghy (S. 42), Alexandra Gehrhardt (S. 41), Roland Geisheimer (S. 13, 14), Tim Kramer (S. 27), Sabine Musik (S. 23), Norbert Niemeyer (S. 10), Reuters / Simon Dawson (S. 16), Reuters / Suzanne Plunkett S. 43), Daniel Sadrowski (S. 3, 18, 19, 20, 30, 32, 33, 34, 35, 38), Sebastian Sellhorst (S. 2, 7, 8, 9, 10, 11, 46), Shutterstock.com (S. 22), Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien Auflage, Erscheinungsweise: 20.000 Exemplare, monatlich in BO, DO und Umgebung Redaktions- und Anzeigenschluss: für die Dezember-Ausgabe 10. 11. 2018 Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste 03. 2018 Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Vereinssitz: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund www.bodoev.de, facebook.com/bodoev

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Sie blickt auf eine lange Karriere im Schauspiel- und Synchronfach zurück. Anders als die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen spricht sie seit Jahren offen über Armut im Schauspielberuf und „Heart’s Fear“, die Herzensangst im System Hartz IV.

Schwangerschaftsabbruch

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Abtreibungen sind Straftaten, die unter bestimmten Voraussetzungen straffrei bleiben. Für sie zu werben, ist verboten. Was bedeutet die Gesetzgebung für Schwangere und Ärzte? Ein Gespräch mit Carla Roder und Dorothee Kleinschmidt von Pro Familia in Bochum. Von Sophie Schädel

Rombergpark

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Dr. Patrick Knopf war Dozent an der Yale University, entschied sich aber gegen unbegrenzte Forschungsmöglichkeiten und für die Leitung des Dortmunder Botanischen Gartens, über den er wohl mehr Anekdoten zu erzählen vermag, als Bäume dort stehen. Von Wolfgang Kienast

Vorstand: Andre Noll, Verena Mayer, Marcus Parzonka verein@bodoev.de Geschäftsleitung, Verwaltung: Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, verein@bodoev.de Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt, Bastian Pütter 0231 – 950 978 0, redaktion@bodoev.de Transporte, Haushaltsauflösungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln, 0231 – 950 978 0, transport@bodoev.de bodos Bücher, Modernes Antiquariat: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund: Schwanenstraße 38, 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 – 13 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Bochum: Stühmeyerstraße 33, 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr, Fr. 14 – 17 Uhr Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00 BIC: BFSWDE33XXX

Chris, bodo-Verkäufer in Bochum Liebe Leserinnen und Leser, Sie können mich jetzt nicht nur an meinem Verkaufsplatz treffen, sondern auch gemeinsam mit mir durch Bochum laufen. Letzten Monat habe ich zum zweiten Mal die soziale Stadtführung durch Bochum geführt. Auch wenn ich anfangs etwas nervös war, hat es am Ende doch ganz gut geklappt, denke ich. Wenn man wie ich viel draußen unterwegs ist und viele der Einrichtungen, die wir auf Tour besuchen, aus eigener Erfahrung kennt hat, kann man ja was erzählen. In Zukunft werde ich die sozialen Stadtführungen in Bochum wohl regelmäßig abwechselnd mit meinem Kollegen Markus durch die Stadt führen. Wenn es Sie also interessiert, was für Hilfsangebote es gibt und wie Menschen auf der Straße ihren Tag verbringen, kommen Sie mit. Wenn Sie mich in Dortmund sehen wollen, geht das auch. Am 11. November zeigt die Suppenküche Kana den Film „Brüchige Biografien“, in dem ich mitspiele. Oder Sie kommen einfach zu mir an meinen Verkaufsplatz in der Bochumer Innenstadt. Bis bald, Ihr Chris

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EDITORIAL

04 Menschen | Bettina Kenter 07 Straßenleben | Vor dem Winter 08 Neues von bodo 12 Reportage | Die Hambacher Wende 16 Das Foto 16 Recht | Jobcenter muss alle Unterlagen berücksichtigen 17 Kommentar | Wenn nichts sicher ist 17 Die Zahl 18 Interview | Schwangerschaftsabbruch 22 Wilde Kräuter | Beifuß 23 Kultur | The Mundorgel Project 24 Veranstaltungskalender | Verlosungen 29 Kinotipp | Cold War 30 bodo geht aus | Pizza 32 Reportage | Rombergpark 36 Bücher 37 Eine Frage… | Wer macht das Licht an? 38 Interview | Wie man Cappuccino zum Singen bringt 41 Soziales | Seebrücke Bochum 42 Soziales | Kann Obdachlosigkeit jeden treffen? 44 bodo Shop | Leserpost 45 Leserpost | Rätsel 46 Verkäufergeschichten | Chris

Liebe Leserinnen und Leser, sie liegen nicht nur räumlich weit auseinander: Die 200 Hektar Hambacher Forst zwischen Köln und Aachen und die 65 Hektar Botanischer Garten Rombergpark in Dortmund haben scheinbar so gar nichts miteinander zu tun. Alter Baumbestand hin, Bechsteinfledermaus her – der nur noch aus einem schmalen Band an der Abbruchkante des Tagebaus bestehende Rest Hambacher Wald ist in erster Linie ein Symbol für den energiepolitischen Irrweg der Braunkohleverstromung. Und für eine kopflos agierende Landesregierung, die dafür sorgte, dass sich um das Nischenthema eine neue Klimabewegung bildete, schreibt unser Autor Sebastian Weiermann. Der Rombergpark hingegen, angelegt Anfang des 19. Jahrhunderts und seit 1927 im Besitz der Stadt, wirkt beschaulich – trifft man nicht seinen Leiter, der mit Begeisterung und einer Sammelleidenschaft für Anekdoten (und Gehölze aus aller Welt) die vielen Superlative um Dortmunds Botanischen Garten zu vermitteln weiß. Und sonst? Eine Schauspielerin, die entschlossen das Tabuthema Armut in der Schauspielbranche thematisiert; eine Ärztin und eine psychosoziale Beraterin zur Rechtslage bei Schwangerschaftsabbrüchen; ein Bochumer Mathematiker über Physik im Alltag und unsere Wissenschaftsbilder zwischen „Star Trek“ und „Big Bang Theory“; eine Sozialwissenschaftlerin, die erklärt, wer obdachlos werden kann und wer nicht – und vieles mehr. Schön, dass Sie dabei sind! Viele Grüße von bodo Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de

Ihre Meinung ist uns wichtig. S.4 4

Von Nothilfe bis Neuanfang: Helfen Sie helfen.

„Kaffee und Knifte“: Auf regelmäßigen Rundgängen durch Dortmund und Bochum versorgen wir Wohnungslose mit Essen, heißen Getränken, Schlafsäcken und Hygieneartikeln. Möchten Sie uns unterstützen? Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00

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MENSCHEN

Bettina Kenter Geboren in eine Theaterfamilie nach dem Abitur Schauspielschule des Piccolo Teatro in Mailand Theater-, TV- und Kinoschauspielerin Synchronsprecherin, -regisseurin und -autorin Bühnenstück: „Von Chancen und Schangsen. Ein Hartz-Grusical mit Hoffnungsschimmer“ Buch: Heart‘s Fear. Hartz IV. Geschichten von Armut und Ausgrenzung

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Bettina Kenter blickt auf eine lange Karriere im Schauspiel- und Synchronfach zurück. Zu dieser Karriere gehörten – berufstypisch – „Lücken“ zwischen zwei Engagements; als junge Singlemutter, bei einer Auftragsflaute und während einer langen Krankheit war sie (ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld und Krankengeld) auf staatliche Leistungen angewiesen. Anders als die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen spricht sie seit Jahren offen über Armut im Schauspielberuf und „Heart’s Fear“, die Herzensangst im System Hartz IV. Von Bastian Pütter | Fotos: Toby Binder, Robert Beske

Eine Parallelwelt Die Begrüßung ist herzlich. Bettina Kenter ist eine elegante Frau mit neugierig strahlenden Augen. Sie lacht gerne, man hört ihr gern zu. Sowohl ihren Anekdoten als auch den entschlossenen, politischen Sätzen, deren Brisanz sich durch die angenehme, geschulte Sprechstimme mit ganz leichtem Münchener Einschlag verzögert entfaltet. Wir sind in einem Dortmunder Innenstadt-Café verabredet. Seit mehr als 40 Jahren war sie nicht hier. Bis ein Brief von Schauspiel-Intendant Kay Voges kam, „eine sehr nette Einladung“ zum 50. Jubiläum des Hauses am Hiltropwall. „Ich war von 1972 bis 1974 da, mit Herzblut“, erinnert sie sich. „Es war ein schönes Engagement. Dortmund war mir vertraut, mein Vater war Oberspielleiter am Theater Essen gewesen.“ Doch dann kommt ein Angebot aus Australien, eine Fernsehserie von Regisseur Peter Weir (Club der toten Dichter, Truman Show). Das Theater Dortmund lässt sie ziehen. Nach Australien geht es freiberuf lich weiter, sie zieht in die Film- und Fernsehmetropole München. „Ich hab viel Fernsehen gemacht, an Theatern gastiert und war dann zwei Jahre fest am Luzerner Theater – und als ich zurückkam, war ich schwanger.“ Ein Einschnitt, denn sie war von Anfang an alleinerziehend: Mit staatlichen Unterstützungsleistungen hat Bettina Kenter das erste Mal als junge Mutter zu tun, Anfang der 1980er Jahre, im alten System der Sozialhilfe. „Ich habe das alles als sehr ärgerlich und zeitraubend empfunden, aber nicht als ein gesellschaftliches Problem.“ Aber: „Ein Kind war letzten Endes eine Entscheidung gegen den Beruf in dieser Form. Ich habe drei Versuche gemacht mit dem Theater, bis meine Tochter in die Schule kam, das war jedes Mal gleich katastrophal. Einmal hab‘ ich zwischen den Szenen Wadenwickel für mein fieberndes Kind gemacht.“

Es folgte eine Ausbildung zur Yogalehrerin und dann der Einstieg ins Synchrongeschäft. „Das ist familienfreundlich von den Arbeitszeiten und emotional nicht rund um die Uhr fordernd. Es ist ein anspruchsvolles Handwerk, aber wenn die Studiotür zu ist, ist man wieder frei.“ In den folgenden 25 Jahren arbeitete sie erfolgreich als freiberufliche Sprecherin, u.a. in der Serie „Reich und Schön“, sie schrieb Synchronbücher und führte Regie. Das ändert sich schlagartig, als sie nach der Pleite des Kirch-Konzerns aufstocken muss und 2004 / 2005 den Übergang zu Hartz IV als Betroffene erlebt: „Das war ein kompletter Stimmungswechsel.“ Die HartzGesetze wurden mit einer Diffamierungskampagne gegen die vermeintlich Faulen durchgesetzt, erinnert sie sich. Die Selbstständige wird zu einem Buchhaltungskurs verdonnert. „Gut, ich fand das interessant, aber als Buchhalterin wäre ich eine Katastrophe.“

„Es muss dieses Einzelkämpfertum aufhören. Es sitzen fünf Leute an einem Tisch, vier sind von Hartz IV betroffen und alle tun so, als wäre alles in Ordnung.“ Bald verbessert sich die Auftragslage wieder, Bettina Kenter kehrt dem Jobcenter den Rücken, bis Jahre später der gesundheitliche Einbruch kommt: eine rheumatische Erkrankung und zwei Operationen – „Wie bei den meisten Schauspielern ohne Arbeitslosengeld, ohne Krankengeld. Nach zwei Jahren waren die Rücklagen weg. Und ich erlebte das neue System in voller Blüte, von 2009 bis 2012.“ Bettina Kenter findet sich in einer Parallelwelt wieder. „Ich merkte, dass Nichtbetroffene gar nicht

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MENSCHEN

wahrnehmen, dass es sie gibt.“ Sie erhält Autorenpreise, muss aber bei Lesungen im Publikum Geld für die Rückfahrt leihen, denn Reisekosten sind bei Hartz IV nicht vorgesehen und Preisgelder darf man nicht behalten. Während Theaterproben in Stuttgart „musste ein Freund aus Straßburg anreisen, um mir Lebensmittel zu bringen. Wer in Hartz IV steckt, dem kann man nicht einfach Geld überweisen. Was auf dem Konto eingeht, gilt als Einkommen und wird wieder abgezogen.“

„Ich koche für Bekannte, es gibt einen Kürbis, alle sagen: Der schmeckt ja gut, wo hast du denn den tollen Kürbis her? Ich sage: Von der Tafel – und alle sind plötzlich satt.“ Eine nachhaltig prägende Phase: „Nach einem Jahr mit elf Bescheiden, zehn Widersprüchen und einer ‚Sanktion‘ wusste ich, dass Hartz IV nicht die Armut bekämpft, sondern die Armen.“ In sechs Bezugszeiten bekommt sie fünfmal nur mit anwaltlicher Hilfe das Existenzminimum. Das Schlimmste in dieser Zeit? „Die Erfahrung, dass die Menschen, die mir vertraut sind, keinen Zugang mehr hatten zu dem, was ich erlebte. Sogar Freundinnen haben mich angeguckt, und ich habe an ihren Blicken gesehen, dass sie mir nicht glauben.“

Ihre Meinung ist uns wichtig. reda ktion@ bodoev.de

Dass Leistungsbezieher Reiseverboten unterliegen, dass Sanktionen – „eine mittelalterliche Leib- und Hungerstrafe“ – ein Massenphänomen sind, werde höchstens theoretisch gewusst. Zu nah dürfe die Armut im Alltag nicht kommen: „Ein Beispiel: Ich koche für Bekannte, es gibt einen Kürbis, alle sagen: Der schmeckt ja gut, wo hast du denn den tollen Kürbis her? Ich sage: Von der Tafel – und alle sind plötzlich satt.“ Dorthin begleiten möchte sie niemand außer ihrer Tochter. „Da zu stehen“, sagt sie, „besonders beim ersten Mal, ist eine zutiefst verstörende Erfahrung. Das ist schwer auszuhalten.“ 2011 reicht es ihr. Bei der Verleihung des Stuttgarter Autorenpreises, den sie für ihr Bühnenstück „Hartz Grusical mit Hoffnungsschimmer“ erhält, macht sie ihre Erfahrungen öffentlich. Bettina Kenter lächelt ironisch. „Mir war klar, dass das nicht auftragsfördernd sein würde. Aber die Armut muss ein Gesicht bekommen.“ Ein Grundproblem der Branche: Nur zwei Prozent der Schauspielerinnen und Schauspieler können dauerhaft von ihrem Beruf leben, sagt Bettina Kenter. Und das werde tabuisiert. „Es muss über Gagen offen geredet werden. Es muss dieses Einzelkämpfertum aufhören. Es sitzen fünf Leute an einem Tisch, vier sind von Armut betroffen und alle tun so, als wäre alles in Ordnung.“ Dieser neuen Rolle, das auszusprechen, was niemand hören möchte, widmet sie sich seitdem mit Herzblut. „Das Wichtigste ist, dass die Grundrechte wieder für alle gelten“, sagt sie. „Daraus ergibt sich alles andere: die notwendige Erhöhung des Regelsatzes, die Abschaffung von ,Sanktionen‘. Schon die Wiedereinführung der früheren Arbeitslosenhilfe wäre ein riesiger Schritt. Außerdem muss das Diffamieren von Armen in den Medien aufhören.“ Wie im Gespräch mischt sie in ihrem aktuellen Buch Anekdoten, Fakten zum Sozialsystem und politische Forderungen. Der Titel: „Heart’s Fear – Hartz IV – Geschichten von Armut und Ausgrenzung“. Und „Heart’s Fear“, Herzensangst, klingt eben ganz wie „Hartz IV“. Auf einer Lesereise wird sie im neuen Jahr zurück ins Ruhrgebiet kommen. Heute jedoch ist sie zum Jubiläum des Theaters hier und wird noch durch die Nordstadt spazieren, wo sie zur Untermiete lebte, vor über 40 Jahren, als junge Schauspielerin am Schauspiel Dortmund.

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STRASSENLEBEN

Zum zweiten Mal hatten die Kana Suppenküche, das Gast-Haus und bodo am 17. Oktober, dem internationalen Tag für die Beseitigung der Armut, zu einer Kundgebung vor das Dortmunder Rathaus geladen. Angesichts der steigenden Wohnungslosenzahlen stellt sich für viele NutzerInnen der Einrichtungen weiter die Frage: Wohin im Winter? Von Alexandra Gehrhardt | Foto: Sebastian Sellhorst

Vor dem Winter D

er anhaltende Mangel an günstigen Wohnungen, weiter steigende Mieten und wachsende Armut sind nur ein paar Gründe, die die Zahl derer, die sich in Dortmund nicht selbst mit Wohnraum versorgen können, auf über 2.200 hat ansteigen lassen (bodo 10/18). Das im Frühjahr in Dortmund veröffentlichte Konzept zur „Weiterentwicklung der Wohnungslosenhilfe“ setzt vor allem auf die Ausweitung der Platzkapazitäten in Unterkünften und betreuten Wohnformen. Vieles davon existiert bisher nur auf dem Papier, der Zeitraum der Umsetzung ist offen. Und auch bei den Notschlafstellen verzögert sich die „Weiterentwicklung“: Ein neuer Standort für die Frauenübernachtungsstelle ist auch nach anderthalb Jahren nicht gefunden, die Männerübernachtungsstelle wird statt Ende 2018 erst im Januar 2019 eröffnet. Die Einrichtungen rufen – wieder – nach Sofortmaßnahmen. Bernd Büscher von Kana forderte die Öffnung von U-Bahnstationen bei Minusgraden – ein in vielen Großstädten, auch in der Nachbarstadt Bochum, praktizierter Weg. Gast-HausLeiterin Katrin Lauterborn mahnte: „Ein Winternotprogramm, das es in vielen anderen Städten gibt, fehlt in Dortmund.“

Vor dem Winter dürfte sich daran nicht viel ändern, also werden die Organisationen selbst aktiv. Mit Ehrenamtlichen wird das Gast-Haus bei Minusgraden eine Notübernachtungsstelle für Menschen einrichten, die die städtische Notunterkunft nicht nutzen können, weil sie Hunde haben, in Dortmund nicht gemeldet sind oder als EU-Zugewanderte vom Sozialleistungsanspruch ausgeschlossen sind. Die Katholische Stadtkirche wird im Winter mit einem Wärmebus durch die Innenstadt fahren, um Obdachlose mit warmen Getränken und Mahlzeiten zu versorgen und ihnen zu ermöglichen, sich aufzuwärmen. Wichtig ist den Initiativen auch, die Vertreibung und Sanktionierung von Menschen ohne Wohnung zu beenden. „Die Stadt ist für alle da“, sagte Bernd Büscher vor dem Rathaus.

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NEUES VON BODO

Edelweißpiraten TERMINE „Brüchige Biografien“ bodo-Doku und Filmgespräch So., 11. November, 16 Uhr Suppenküche Kana Mallinckrodtstraße 114 44145 Dortmund Sascha Bisley und Norbert Ripke lesen: „Latscher, Pimpfe und Gestapo“ Fr., 30. November, 20 Uhr bodo Buchladen Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund The Mundorgel Project Fr., 30. November, 20 Uhr in Kooperation mit bodo (s.S.23) Pauluskirche, Schützenstr. 35 44147 Dortmund Gedenkfeier für verstorbene Wohnungslose Fr., 30. November, 15 Uhr Ostfriedhof Robert-Koch-Straße 35 44143 Dortmund Soziale Stadtführungen Dortmund, 10. Nov., 11 Uhr Bochum, 17. Nov., 11 Uhr Anmeldung: 0231 – 950 978 0 8

Sascha Bisley und Norbert Ripke lesen „Latscher, Pimpfe und Gestapo – Geschichte eines Edelweißpiraten“. Der Autor Kurt Piehl erlebte als Jugendlicher die Nazizeit in Dortmund und überlebte als Edelweißpirat das Gefängnis Steinwache. Später verarbeitete er seine Erlebnisse zu einer Romanreihe. Sie ist Dokument einer Jugend in Opposition zu den Nazis und eine Art historischer Stadtführer. „Latscher, Pimpfe und Gestapo“ ist ein nach wie vor wichtiges Buch. Mit authentischem Ruhrgebiets-Slang hauchen Sascha Bisley und Norbert Ripke der Geschichte Leben ein. (Nachholtermin der im Mai krankheitsbedingt ausgefallenen Veranstaltung.) Freitag, 30. November, 20 Uhr, bodo Buchladen, Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund

Stadtführungen

Gedenken

So kennen Bochum und Dortmund nur wenige: Auf unseren sozialen Stadtführungen zeigen wir, was es bedeutet, ohne Wohnung zu leben. Unsere Stadtführer besuchen mit Ihnen Orte und Einrichtungen, beschreiben eigene Erfahrungen und liefern Informationen zu den Hilfe- und Selbsthilfenetzen in der Stadt. An jedem 2. Samstag im Monat beginnt um 11 Uhr die Dortmunder Tour in unserem Buchladen am Schwanenwall. An jedem 3. Samstag ist in Bochum Treffpunkt um 11 Uhr in unserer Anlaufstelle Stühmeyerstraße. Anmeldung bitte unter 0231 – 950 978 0, Kosten: 5 Euro, ermäßigt 2,50 Euro pro Person. Sonderführungen sind buchbar unter vertrieb@bodoev.de

Wir trauern um unseren Bochumer Verkäufer Thomas, der nach schwerer Krankheit im Alter von 49 Jahren verstorben ist. Thomas nutzte unsere Angebote seit Jahren, er war ein von allen geschätztes Mitglied der bodoFamilie. Die gesundheitlichen Probleme begleiteten ihn, seit wir ihn kennen, zuletzt schaffte er es nur noch selten zu uns. Seiner wird gedacht beim Gedenkgottesdienst für Unbedachte am 27. November um 17 Uhr in der Bochumer Pauluskirche. In Dortmund findet am 30. November um 15 Uhr die jährliche Gedenkfeier für verstorbene Wohnungslose statt. Treffpunkt ist das Grabfeld für Wohnungslose auf dem Ostfriedhof. Beginn ist in der Franziskanerkirche.


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Unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Dortmund haben sich rund 200 gemeinnützige Vereine, Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen. Sie bieten Unterstützungsleistungen in allen Lebensbereichen an:

Recherche Am Schauspiel Essen inszeniert Magz Barrawasser das Stück „Ungefähr gleich“ von Jonas Hassen Khemiri. Es verzahnt die Schicksale von fünf Menschen, unter ihnen ist Peter, der obdachlos ist. Bei einer Stadtführung in Bochum recherchierten und diskutierten Regisseurin und Ensemble. Premiere ist am 30. November.

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Beratung bei Ehe- und Lebenskrisen Unterstützung bei der Betreuung von Kindern Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene Unterstützung bei psychischen Erkrankungen Hilfen für Menschen mit Behinderungen Hilfen in Notlagen und bei besonderen sozialen Schwierigkeiten Selbsthilfeunterstützung

Kontakt über Paritätischer Wohlfahrtsverband NRW Kreisgruppe Dortmund Ostenhellweg 42-48/Eingang Moritzgasse | 44135 Dortmund Telefon: (0231) 189989-0, Fax: -30 dortmund@paritaet-nrw.org | www.dortmund.paritaet-nrw.org

Musikförderung

Kunstförderung

Wissenschaft

Denkmalschutz

Jugendsport

Soziales & Bildung

Werner Richard - Dr. Carl Dörken Stiftung Herdecke

21.09.2018 - 27.01.2019 | Für eine lebendige Kultur | Ausstellung der stiftungseigenen Sammlung 25.11.18 | 11 Uhr | Kindgerechter Rundgang durch die Jubiläums-Ausstellung ‚Für eine lebendige Kultur‘ | 24. + 25.11.18 | Kindergartenkunstwerke der Kita Westende zum Thema ‚Hundertwasser‘ im Foyer | Dr. Carl Dörken Galerie der Werner Richard - Dr. Carl Dörken Stiftung | Infos & Öffnungszeiten: siehe Website

Wetterstraße 60 · 58313 Herdecke · Web: www.doerken-stiftung.de

bodo-Film bei Kana Der Dokumentarfilm „Brüchige Biografien“ begleitet fünf Verkäuferinnen und Verkäufer des sozialen Straßenmagazins bei ihrer Arbeit und danach. Mit großer Offenheit sprechen sie über ihren Alltag, ihre Lebenswege, ihre Hoffnungen und Ziele. Es sind Menschen, die in Krisen Unterstützung gesucht und bei bodo gefunden haben. Vor allem aber sind es Menschen, die sich trotz Niederlagen, Abstürzen und schwieriger Lebensbedingungen entschieden haben, nicht aufzugeben. Die Suppenküche Kana am Dortmunder Nordmarkt lädt für Sonntag, den 11. November, um 16 Uhr ein zur Filmvorführung mit anschließender Diskussion. Der Eintritt ist frei.

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Modernes Antiquariat Schwanenwall 36 – 38 Mo. – Fr. 10 bis 18 Uhr Bürozeiten: 44135 Dortmund Sa. 10 bis 14 Uhr montags bis freitags bodo e.V. Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund

von 9 bis 16 Uhr Tel. 0231 – 950 978 0

RufenBÜCHER Sie uns an – wir erstellen ein unverbindliches Angebot. Tel. 0231 – 950 978 0 10.000 GUTE BEI Ihnen BODO AM SCHWANENWALL Ansprechpartnerin: Brunhilde Dörscheln www.bodoev.de

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NEUES VON BODO

Barber Angels Nach dem erfolgreichen Auftakt bei bodo in Bochum (bodo 9/18) fand Anfang Oktober der erste „Friseurbesuch“ der Barber Angels in Dortmund statt. Elf ehrenamtliche Profi-Friseurinnen und -Friseure in Lederkutten schnitten rund 80 wohnungslosen und armen Menschen – und natürlich auch bodo-Verkäufern – im Gast-Haus an der Rheinischen Straße die Haare. Herzlich und bei bester Stimmung – und natürlich kostenlos. Die 2016 gegründeten Barber Angels sind inzwischen in ganz Deutschland und darüber hinaus aktiv. In festen Kooperationen mit Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe kommen sie inzwischen auf mehr als 15.000 Haarschnitte. Organisatorin Claudia Wimmers weiß, was ihr Einsatz bewirkt. In Bochum sagte sie uns: „Das Selbstbild ändert sich. Die Haare sind so wichtig, um sich wohlzufühlen.“ Wir freuen uns auf die kommenden Termine.

SOZIALES „Armut stört“ lautet der Titel des soeben erschienenen Schattenberichts der deutschen Armutskonferenz, in der sich Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Betroffenenorganisationen zusammengeschlossen haben. Als Antwort auf den 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung verbindet er Analysen und Positionen mit Statements von Betroffenen. Der ganze Bericht unter www.bodoev.de. Vier Mieterschutzverordnungen der rot-grünen Vorgängerregierung in NRW will die schwarz-gelbe Koalition zwischen 2019 und 2021 aufheben. Dabei geht es um Mietpreisbegrenzungen, Kündigungsfristen, die Zweckentfremdung von Wohnraum für Gewerbe und die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum. Mieter, Sozialverbände, Kirchen und Gewerkschaften bereiten eine Protestkampagne gegen dieses „völlig falsche Signal“ vor, so der Mieterbund NRW. In Ungarn ist ein Gesetz, das Obdachlosigkeit unter Strafe stellt, in Kraft getreten (bodo 6/18). Wer dreimal im öffentlichen Raum ohne Wohnsitz angetroffen wird, kommt vor Gericht und kann zu Haft oder gemeinnütziger Arbeit verurteilt werden. Der persönliche Besitz von Obdachlosen soll, sofern er nicht lagerbar ist, verbrannt werden. Vereine, die Obdachlose unterstützen, bezeichnen das neue Gesetz als unmenschlich. „Der größte Steuerraub aller Zeiten“, so nennen das Recherchezentrum Correctiv und 19 kooperierende Medien aus zwölf Ländern den Skandal um „steuergetriebene Aktiengeschäfte“, die als Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäfte bekannt wurden. Banker, Anwälte und Superreiche haben in den vergangenen Jahren mindestens 55 Milliarden aus den Steuerkassen Deutschlands und denen mindestens zehn weiterer europäischer Länder geraubt. 10

Mit Ihrer Hilfe Als gemeinnütziger Verein unterstützen wir Menschen in sozialen Notlagen. Dabei versuchen wir, über unsere „Produkte“ – das Straßenmagazin, Bücher, Dienstleistungen – einen großen Teil unseres Finanzbedarfs selbst zu erwirtschaften. Spenden brauchen wir dort, wo sich unsere Mitarbeiterschaft unterscheidet von der eines „normalen“ Betriebs. In allen Arbeitsbereichen gehören Beratung und Begleitung zu unseren Aufgaben. Die soziale Arbeit bei bodo, der Unterhalt unserer Anlaufstellen ebenso wie die Versorgungs- und Betreuungsangebote für bodo-Verkäufer und andere Wohnungslose sind allein spendenfinanziert und nur möglich dank Ihrer Unterstützung.


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www.facebook.com/bodoev info@bodoev.de

Ansprechpartner

0231 – 950 978 0

Geschäftsleitung: Tanja Walter verein@bodoev.de

bodo ist für Sie da montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr zentrale Rufnummer: 0231 – 950 978 0 Mail: info@bodoev.de Fax: 0231 – 950 978 20 Besuchen Sie uns Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr Sa. 10 – 14 Uhr Stühmeyerstraße 33 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr Fr. 14 – 17 Uhr

Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt Bastian Pütter redaktion@bodoev.de Anzeigen: Susanne Schröder anzeigen@bodoev.de Vertrieb: Oliver Philipp vertrieb@bodoev.de bodos Bücher: Suzanne Präkelt buch@bodoev.de bodos Bücher online: Gordon Smith basar@bodoev.de Haushaltsauflösungen und Entsorgungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln transport@bodoev.de

Wir schützen kleine

Wüstenblumen

TABU INTERNATIONAL

Aufklärung Bildung Kinderschutz SPARKASSE Dortmund ▪ gemeinnützig ▪

IBAN: DE 73 4405 0199 0211 0141 64 spenden@verein-tabu.de - www.verein-tabu.de

Bochum hilft

Gemeinsam mit den Dortmunder Wohnungslosenhilfe-Einrichtungen Gast-Haus und Kana bittet bodo um Schlafsackspenden. Nicht mehr benötigte Schlafsäcke können während der Öffnungszeiten in unserem Dortmunder Buchladen abgegeben werden. Sie werden dann nach Bedarf unter den drei Einrichtungen aufgeteilt. Auch in unserer Bochumer Anlaufstelle an der Stühmeyerstraße nehmen wir sehr gerne Schlafsäcke entgegen, die wir gemeinsam mit den Organisationen des Arbeitskreises „Straße“ sinnvoll aufteilen. Für unser aufsuchendes Angebot „Kaffee und Knifte“ freuen wir uns auch über Selbstgemachtes: Ab November verteilen wir auch warme Wollsocken und Selbstgebackenes.

Am 21. November lädt der Freundeskreis „Bochum hilft“, gemeinsam mit wohltätigen und kulturellen Einrichtungen, wieder zum Solidaritätsfest für hilfsbedürftige Menschen. Von 17 bis 23 Uhr gibt es in der Rotunde kostenlos heiße Suppen und frische Brötchen, Livemusik und einen Auftritt von Ensemble-Mitgliedern des Schauspielhauses. Und Geschenke: „Bochum hilft“ ruft wieder auf, Päckchen mit Duschgel, Süßigkeiten etc. zu packen. Sie können mit persönlicher Widmung am 19. und 20. November im Schauspielhaus abgegeben werden und werden beim Fest verteilt. Auch wir werden in der Rotunde zu finden sein. Wer mithelfen oder spenden will, findet „Bochum hilft“ auf Facebook.

en lassen.“ „Nicht ärgern. Berat © by Photocase.de

Schlafsäcke

Mieter schützen · Mietern nützen!

Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.

Mieterverein

Bochum, Hattingen und Umgegend e.V.

Brückstraße 58 44787 Bochum Tel.: 0234 / 96 11 40 mieterverein-bochum.de

Kampstr. 4 44137 Dortmund Tel. 0231/557656-0 mieterverein-dortmund.de

Öffnungszeiten Mo - Do 9:00 - 18:00 Fr 9:00 - 12:00

Öffnungszeiten Mo - Do 8:30 - 18:00 Fr 8:30 - 14:00

Mitglieder im Deutschen Mieterbund

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REPORTAGE

Die Hambacher Wende W

o soll eine Geschichte beginnen, in der es um den Widerstand im Hambacher Forst geht und darum, wie er in den vergangenen Wochen gewachsen ist? Vor 40 Jahren, als die Braunkohleförderung begann? Im Jahr 2012, als erstmals Aktivisten Bäume besetzten? Oder vielleicht am 18. August an der Autobahnraststätte Bedburger Land West. Dort beginnt eine Reihe von teils absurden Polizeieinsätzen im Kontext Hambacher Forst.

„Waldfremde Gegenstände“ Was war geschehen? Jährlich gibt es im Rheinland ein Klimacamp. Aktivisten aus dem ganzen Bundesgebiet kommen zusammen, diskutieren einige Tage miteinander, veranstalten Demos und Kundgebungen. Im Camp in diesem Sommer wurde eine Gartenlaube gebaut, mit Solidaritätsbotschaften für die Besetzer des Hambacher Forstes versehen und auf einen LKW verladen. Die Laube sollte in den Wald gebracht werden. Ein kleines, nicht weiter bedeutendes Zeichen der Verbundenheit miteinander. Die Polizei verfolgte den LKW und forderte ihn vor der Autobahnraststätte zum Anhalten auf. Den Klimaaktivisten wurde erklärt, die Hütte werde beschlagnahmt, man vermute einen geplanten Verstoß gegen das Landesforstgesetz, das es verbietet, „waldfremde Gegenstände“ in Wälder zu bringen. Um die Beschlagnahmung der Gartenlaube durchzusetzen, sperrte die Polizei die Autobahnraststätte über mehrere Stunden, forderte Abschleppwagen und Gabelstapler an und war mit einer kompletten Hundertschaft im Einsatz. Wenige Tage später ging es dann im Hambacher Wald los, zuerst mit kleineren Polizeieinsätzen. Mal mussten an Barrikaden im Erdboden versenkte Feuerlöscher aus dem

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Wald geholt werden, weil es sich bei ihnen um Sprengvorrichtungen handeln könnte, ein anderes Mal, nach Steinwürfen von Aktivisten, ein Tatort gesichert oder eine Delegation von Amtsvertretern durch den Wald geführt werden. Eine kleine Gruppe von 10 bis 20 Waldbesetzern reagierte darauf aggressiv, in Tarnfarben gehüllt griff sie immer wieder Polizeibeamte an. Die Polizei erklärte den Wald zum gefährlichen Ort, wer über einen der regulären Wege in den Wald wollte, wurde kontrolliert. Kletterzubehör wurde konfisziert. Anfang September lud NRW-Innenminister Herbert Reul dann zu einem Pressegespräch ein, das Ministerium klärte die versammelte Landespresse darüber auf, wie gefährlich die „linksextremistischen“ Waldbesetzer seien und präsentierte zwei Tische voller Waffen. Kleiner Schönheitsfehler dabei: Es wurde nicht erwähnt, dass die Messer und Co. schon vor über zwei Jahren gefunden wurden und nicht bei Durchsuchungen in diesem Jahr. Dies fiel erst beim Vergleich mit alten Meldungen auf. Einer von vielen Tricks, mit denen sich die Landesregierung unglaubwürdig machte.

Alles für den Brandschutz Noch interessierten sich aber nicht wirklich viele Menschen für die Vorgänge in und um den Wald. Dort tummeln sich Aktivisten, kochen, lesen, führen kleine Besuchergruppen herum, sprechen über den Zusammenhang von Kapitalismus und Naturzerstörung. Ein Nischenthema. Als die Polizei dann am 5. September mit einem Großaufgebot im Wald anrückt, um RWE dabei zu unterstützen, der „Verkehrssicherungspflicht“ im Wald nachzukommen und Unrat zu beseitigen. Praktisch hieß das, dass alle Barrikaden von Wegen geräumt


Der Konflikt um den Hambacher Forst bestimmte ßber Wochen die politischen Schlagzeilen in Nordrhein-Westfalen. Daran, dass sich um das Wäldchen eine riesige Protestbewegung gebildet hat, trägt die Politik eine Mitschuld. Von Sebastian Weiermann | Fotos: Roland Geisheimer

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REPORTAGE

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www.schutzgemeinschaft-fluglaerm.de wurden und die „Bodenstrukturen“ der Besetzer, etwa Küchen, Infostände und Zelte mit Couch-Ecken, aus dem Wald geräumt wurden. Die Besetzer verhielten sich dabei passiv, beschimpften zwar Polizei und RWE-Mitarbeiter, griffen diese aber nicht an. Einzig ihre Körper setzten sie ein, etwa wenn sie sich an Tripods, dreibeinige Türme aus Baumstämmen, über den Wegen festschnallten.

Jeder Mensch möchte ein Dach über dem Kopf

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Wenige Tage später begann dann die Räumung der Baumhäuser. Vorgeblich nicht, um RWE die Rodung zu ermöglichen, sondern aus Brandschutzgründen. Über 80-mal wiederholte sich dann ein ähnliches Schauspiel. Ein Mitarbeiter der Stadt Düren oder des Kreises Kerpen verlas mit einem Megafon einen Räumungstitel, dann rückten speziell geschulte Polizeikletterer, oftmals Mitglieder von Sondereinsatzkommandos, an und räumten mit der Hilfe von Hubsteigern die Baumhäuser. Dabei trafen sie auf mehr oder weniger Widerstand, in wenigen Fällen bewarfen Besetzer Polizisten mit Fäkalien, in anderen kletterten sie auf andere Bäume. Die meisten ließen sich allerdings problemlos in die Hubsteiger führen.

Um diese Vorgänge besser dokumentieren zu können, begab sich der Blogger Steffen Meyn am 19. September in ein Baumhaus. Auf einer Brücke zwischen zwei Häusern stürzte er, nachdem ein Balken durchgebrochen war, aus 20 Metern in die Tiefe und starb. Ein Schock für Aktivisten wie auch Polizisten, der für eine kurze Pause der Räumung sorgte. Doch auch danach handelten Politik und Polizei instinktlos. Innenminister Reul forderte die Besetzer auf, den Wald zu verlassen, im Wald wurde eine Aktivistin 24 Stunden nach dem tödlichen Sturz bei einer Trauerfeier von der Polizei kontrolliert, inklusive Konfiszierung ihres Klettergurts.

Vom Nischenthema zur Bewegung Diese Mischung aus Tricks der Regierung und einem tragischen Todesfall brachte immer mehr Menschen dazu, sich für den Hambacher Wald zu interessieren und zu den sonntäglichen Waldspaziergängen zu kommen. Und dabei passierte etwas, das der Innenminister wohl nicht einkalkuliert


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www.schutzgemeinschaft-fluglaerm.de hatte: Die Menschen ignorierten die Polizei. Zu Hunderten liefen ganz normale Bürger einfach an den Absperrungen der Polizei vorbei. Sie hatten keine Lust auf Taschenkontrollen und Gängelungen. Im Wald begnügten sich die Menschen dann auch nicht, die Baumhäuser zu bestaunen, sondern halfen den Aktivisten, Barrikaden zu errichten. Geholfen hat das freilich alles nicht. Am 2. Oktober meldete die Polizei, dass alle 86 Baumhäuser geräumt seien und der Einsatz beendet werde. Der Wald wurde zum Betriebsgelände von RWE erklärt, eigentlich hätten die Rodungen Mitte Oktober beginnen können. Wäre da nicht das Oberverwaltungsgericht in Münster: Das untersagte die Rodung, da erstmal eine Klage des BUND entschieden werden müsse, ob der Hambacher Wald, wegen des Vorkommens der Bechsteinfledermaus, nicht als „FloraFauna-Habitat“ gelten müsse. Bis diese Klage entschieden ist, können mehrere Jahre vergehen. Nach der Gerichtsentscheidung geriet eine Kundgebung mehrerer Umweltverbände mit 50.000 Teilnehmern zur Party am Waldrand und zum Beginn der Wiederbesetzung des Hambacher Forstes. Und auch hier spielt eine Gartenlaube, die der vom Klimacamp ganz ähnlich sieht, eine Rolle. Aktivisten aus Pödelwitz, einem Dorf bei Leipzig, das dem Mitteldeutschen Braunkohlerevier weichen soll, hatten sie aus Solidarität mit den Protesten mitgebracht. Die Gartenlaube aus Pödelwitz steht heute im „Krähennest“, der ersten Neubesetzung im Hambacher Forst. Die Laube vom Klimacamp irgendwo auf dem Gelände der Aachener Polizei.

1978 begann der Braunkohleabbau im Tagebau Hambach. 2045 soll er enden. Die von der Bundesregierung eingesetzte „Kohlekommission“ berät allerdings über einen früheren Ausstieg. 15 Prozent des NRW-Stroms werden laut RWE mit Braunkohle aus Hambach produziert. Klimaschützer kritisieren den niedrigen Wirkungsgrad. 15 Millionen Tonnen weniger Kohle kann RWE nach dem Rodungsstopp fördern, so der Konzern. Dadurch sollen Arbeitsplätze in Gefahr sein. 4 Prozent der Aktien von RWE hält die Stadt Dortmund und will auch daran festhalten. Andere Kommunen, wie etwa Bochum, haben sich von ihren Aktienpaketen getrennt.

Es muss ja nicht gleich Millionen kosten Sie können sich wehren. Mit der Schutzgemeinschaft Fluglärm Dortmund / Kreis Unna e.V.

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DAS FOTO

Aufkleber-Protest: Die Tür des „Cabinet Office”, der zentralen Behörde in London, die die britische Regierungsarbeit koordiniert, nach einer Anti-Brexit-Demonstration am 20. Oktober. Foto: Reuters / Simon Dawson

RECHT

Jobcenter muss alle Unterlagen berücksichtigen Von René Boyke Wer Sozialleistungen in Anspruch nehmen will, der muss der Behörde nachweisen, dass er auch wirklich bedürftig ist; nicht anders ist es bei ALG-II-Leistungen. Dennoch passiert es hin und wieder, dass zu hohe Sozialleistungen gezahlt werden; etwa weil sich die wirtschaftliche Situation des Leistungsempfängers geändert hat. Grundsätzlich müssen ungerechtfertigt erbrachte Leistungen auch zurückgezahlt werden. Das Jobcenter hebt in einem solchen Fall per Be-

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scheid rückwirkend die Zahlung auf und macht Rückzahlungen ebenfalls mit einem Bescheid geltend. Es kann jedoch auch vorkommen, dass das Jobcenter sich geirrt hat, der ursprüngliche Bescheid völlig in Ordnung war und die Rückforderung rechtswidrig ist. In einem solchen Fall sollte unbedingt Widerspruch eingelegt werden. Teilweise ignorieren Jobcenter jedoch auch Unterlagen, die lediglich verspätet eingereicht wurden.

Auch in derartigen Fällen sollte der Leistungsempfänger unbedingt Widerspruch einlegen und auch noch fehlende Belege nachreichen. Nicht selten ignorierten Jobcenter jedoch auch erstmals im Widerspruchsverfahren eingereichte Unterlagen. Dem hat das Bundessozialgericht (BSG) (Az.: B 4 AS 39/17) nun einen Riegel vorgeschoben. In seinem Urteil wies das Gericht darauf hin, dass der Leistungsempfänger zwar durchaus Mitwirkungspflichten habe.


KOMMENTAR

Wenn nichts sicher ist Von Bastian Pütter

Lebenslagen von Wohnungslosen

In einem Land, das zu praktisch allem detailversessen Statistiken führt, weiß man über Obdachlosigkeit erstaunlich wenig. Eine Ende Oktober erschienene Berliner Studie bringt etwas Licht ins Forschungsdunkel und untersucht erstmals systematisch die Lebenslagen wohnungsloser Menschen. In Nordrhein-Westfalen zählt man wenigstens Menschen ohne eigene Wohnung, die in den Kommunen untergebracht oder von Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe betreut werden. Das jedoch so schlampig, dass eine Großstadt wie Dortmund eine „Null“ melden kann, ohne dass es auffällt oder die Stadt auch nur den Fehler korrigiert (bodo 10/18). Wie viele Menschen auf der Straße schlafen, hat noch nie jemand gezählt. Man begnügt sich mit Schätzungen. Über die Lebenssituation von Menschen, die in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, in Übergangswohnungen, in Notschlafstellen oder auf der Straße leben ist – systematisch – ähnlich wenig bekannt. Natürlich sammelt sich Wissen in den Einrichtungen, Gegenstand der Forschung ist es kaum. Damit bleibt auch Politik für konkrete Handlungsbedarfe oft blind. Die neue Studie unter Leitung von Prof. Susanne Gerull zeichnet ein differenziertes Bild der objektiven und der subjektiven Lebenslagen von Wohnungslosen. Während Wohnungslose in stationärer Betreuung, in Wohngruppen oder im betreuten Einzelwohnen sich oft in mittleren bis sogar guten Lebenslagen befinden, geht es Menschen, die ungeschützt auf der Straße leben, wenig überraschend, „in seiner Deutlichkeit aber alarmierend“, besonders schlecht. Auffällig: Notschlafstellen verbessern die Lebenslagen, vor allem in Bezug auf Sicherheitsgefühl, Wohnzufriedenheit und Zugang zu medizinischer Versorgung, kaum. Ohne ein sicheres und menschenwürdiges Wohn- bzw. Übernachtungsangebot ist alles nichts. Wer jede Nacht Angst vor Übergriffen hat, wird kaum die Kraft finden, sich seinen anderen Problemen zu stellen. Die Studie möchte diese Befunde auch als „Plädoyer für das Menschenrecht auf Wohnen“ gelesen wissen. Während in Deutschland Menschen erst in oft schlimmen Notunterkünften untergebracht werden, bevor sie sich einen Aufstieg „verdienen“, dadurch, dass sie ihre „Wohnfähigkeit“ nachweisen, machen die meisten westlichen Länder es inzwischen anders. „Housing first“ bedeutet: so schnell wie möglich eine eigene Wohnung, verbunden mit freiwilligen begleitenden Hilfen.

Allerdings habe die Behörde gemäß § 20 SGB 10 ihrerseits die Pflicht, den Sachverhalt zu untersuchen. Tatsächlich regelt Absatz zwei der Vorschrift auch wörtlich: „Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.“ Zwar regle die Vorschrift des § 41a Abs. 3 SGB 2, dass die Behörde abschließend entscheide. Gemäß dem Urteil des BSG habe das Jobcenter verspätet eingereichte Unterlagen

DIE ZAHL

19 Seit 1949 gab es in der Bundesregierung mehr beamtete Staatssekretäre, die Hans hießen, als Frauen in dieser Position. Von 692 Staatssekretären waren nur 19 weiblich. Unter dem Titel „Die HansBremse“ analysierte die Wochenzeitung „Die Zeit“: „Die Bundesregierung hält Frauen systematisch von der Macht fern.“

jedoch auch noch im Widerspruchsverfahren zu berücksichtigen. Wichtig für den Leistungsempfänger: Während eines laufenden Widerspruchsverfahrens oder einer laufenden Klage ist die geforderte Rückzahlung noch nicht zu erbringen. Dies ist erst der Fall, wenn die Rückzahlung rechtlich abschließend geklärt ist.

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INTERVIEW

„Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ist nichts wert, wenn es keine Möglichkeit gibt, ihn durchzuführen.“

Eine Abtreibung ist nach Paragraf 218 StGB eine Straftat. Nur unter bestimmten Voraussetzungen bleibt sie straffrei. Paragraf 219 regelt die Beratung in einer „Not- und Konfliktlage“, 219a verbietet die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche. Was bedeutet die Gesetzgebung für Schwangere und Ärzte? Wie erfahren Frauen trotz Werbeverbots, wo in der Region sie abtreiben lassen können? Carla Roder und Dorothee Kleinschmidt beraten ungewollt Schwangere bei Pro Familia in Bochum und haben mit bodo über die aktuelle Lage gesprochen. Von Sophie Schädel Fotos: Daniel Sadrowski

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Was müssen Frauen tun, die straffrei abtreiben wollen? Roder: Sie müssen ein Beratungsgespräch bei einer anerkannten Beratungsstelle vereinbaren, zum Beispiel bei uns. In der Beratung kann die Frau – wenn sie möchte – über ihre Lebenssituation, ihre Ambitionen und Gefühle sprechen, und wir zeigen Hilfen auf. Frauen können nicht gezwungen werden, mit uns zu sprechen, aber sie müssen zumindest kommen, um sich eine Beratungsbescheinigung ausstellen zu lassen. Wir setzen in der Beratung immer auf die Selbstbestimmung der Frau. Die Entscheidung, ob sie abtreiben will, trifft sie immer selbst.

Kleinschmidt: Nach der Beratung kann die Schwangere einen Termin in einer gynäkologischen Praxis vereinbaren, in der Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden. Dafür gibt es aktuell zwei Verfahren: ein kleiner chirurgischer Eingriff innerhalb der ersten zwölf Wochen nach Beginn der Schwangerschaft oder ein medikamentöses Verfahren, das bis zur neunten Schwangerschaftswoche ab dem ersten Tag der letzten Blutung erlaubt ist. Ärzte und Ärztinnen dürfen in Deutschland nach Paragraf 219 nicht öffentlich angeben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Woher wissen unge-

wollt Schwangere dann überhaupt, an wen sie sich wenden können? Roder: In der Beratung bekommt die Schwangere Informationen über die Praxen, an die sie sich in der Region wenden kann. Leider können die Frauen sich darüber nicht selbst informieren. Das sogenannte Werbeverbot ist sehr alt, es stammt aus einem Gesetz aus dem Jahre 1933. Kleinschmidt: Werbung ist aber unserer Meinung nach ein falscher Begriff dafür. Schwangerschaftsabbrüche werden von Praxen angeboten wie andere Dienstleistungen auch, beispielsweise Krebsvorsorge oder Ultraschalluntersuchungen. Frauen führen nicht mehr Schwangerschaftsabbrüche durch, weil Praxen auf ihrer Homepage darüber informieren. Sie treffen ihre Entscheidungen aufgrund einer besonderen Lebenssituation, weil der

Carla Roder und Dorothee Kleinschmidt beraten ungewollt Schwangere bei Pro Familia in Bochum.

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INTERVIEW

Partner die Schwangerschaft ablehnt, weil sie Angst haben, ihre Ausbildung nicht zu schaffen, oder weil sie sich überfordert fühlen. In den Niederlanden zum Beispiel gibt es kein Werbeverbot, und dort wird nicht häufiger abgetrieben als hier. Und ein erschwerter Zugang verhindert keine Abbrüche. In Ländern mit strengerer Gesetzgebung wie Polen oder Irland reisen viele Frauen in liberalere Staaten, um dort die Schwangerschaft zu beenden. Frauen finden immer einen Weg.

Gibt es im Ruhrgebiet genügend Ärzte und Ärztinnen, die Abtreibungen anbieten? Roder: Wir sind hier vergleichsweise gut ausgestattet. Auch hier in Bochum gibt es noch eine Praxis, in der Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden. Aber in Urlaubszeiten wird es manchmal eng. In anderen Regionen allerdings, wie in Baden-Württemberg oder Bayern, müssen manche Frauen 200

Kilometer bis zum nächsten Arzt fahren. Und auch im Ruhrgebiet verschlechtert sich die Situation, sodass die Versorgung hier schon in naher Zukunft problematisch wird. Insgesamt ist die Zahl der abtreibenden Ärzte in den letzten 15 Jahren um 40 Prozent gesunken. Warum führen immer weniger Ärzte Schwangerschaftsabbrüche durch? Roder: Wer abtreibt, wird oft von sogenannten Lebensschützern angefeindet und verklagt. Abtreibung ist ein Tendenzthema, das sich viele nicht zumuten wollen. Wir beobachten ein Generationenproblem: Ältere abtreibende Ärzte gehen in Rente, und kaum junge Ärzte übernehmen ihre Aufgabe. Das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ist nichts wert, wenn es keine Möglichkeit gibt, ihn durchzuführen. Kleinschmidt: Abtreibungen sind eine anständige und wichtige Arbeit, aber Ärzte und Ärztinnen dürfen öffentlich nicht dazu stehen. Die aktuelle Gesetzgebung dient vielen als Instrument, um Ärzte zu drangsalieren. Außerdem wird Abtreibung häufig nicht im Studium und in der Facharztausbildung gelehrt. Und wenn, dann die Ausschabungsmethode statt der moderneren und sichereren Vakuumaspiration. Studierende und Ärzte organisieren sich teilweise selbst eine Fortbildung in Studierendengruppen oder hospitieren im Ausland, um Abtreibungen sicher durchführen zu können.

Was bedeutet diese Situation für die Schwangeren? Kleinschmidt: Die meisten Kliniken sind konfessionell und bieten keine Abtreibungen an. Daher werden sie meist in Praxen durchgeführt. Das ist aber dann ein Problem, wenn eine Frau eine schwere Grunderkrankung hat, zum Beispiel eine Niereninsuffizienz. Sie sollte eigentlich für den Eingriff in eine große Klinik gehen, damit auf Notfälle schnell reagiert werden kann. Das Recht auf freie Arztwahl ist aktuell deutlich eingeschränkt. Frisch operierte Frauen sollten keine langen Fahrten auf sich nehmen müssen. Roder: Lange Wege machen es für Frauen außerdem schwieriger, die Schwangerschaft und die Abtreibung geheim zu halten. Wenn zum Beispiel eine Frau schon Mutter ist und für ihre Abtreibung mit An- und Abreise einen ganzen Tag von zu Hause wegbleiben muss, ist sie gezwungen, andere einzuweihen, um Betreuung für ihre Kinder zu finden. Kleinschmidt: Der Paragraf 218 verschiebt Abtreibungen in spätere Schwangerschaftswochen, was medizinisch nicht sinnvoll ist. Viele Frauen haben ihre Entscheidung schon vor der Beratung längst getroffen. Trotzdem müssen sie sich beraten lassen und danach noch drei Tage warten, bevor der Arzt den Eingriff durchführen darf. Zwischen dem ersten Schwangerschaftstest und der Abtreibung verlieren die Frauen dadurch viel wertvolle Zeit.

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Kampf ums Grundsätzliche

Von Alexandra Gehrhardt

Die Verurteilung der Gießener Ärztin Kristina Hänel im November 2017 wegen des Werbens für Schwangerschaftsabbrüche hat eine bundesweite Debatte um eine Abschaffung des Paragraf 219a ausgelöst. Hänel hatte auf ihrer Webseite angegeben, neben anderen privat zu zahlenden Dienstleistungen auch Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Nach Recherchen des Nachrichtenportals BuzzfeedNews gab es zwischen 2012 und 2016 in Deutschland 78 Strafanzeigen wegen unerlaubter Werbung für Schwangerschaftsabbruch. Lediglich viermal kam es auch zu Verurteilungen.

In Deutschland gilt Abtreibung als Tötungsdelikt (Paragraf 218 StGB), das, bis zur zwölften Woche und nach dem nachgewiesenen Besuch einer Beratungsstelle, lediglich straffrei bleibt. Paragraf 219 regelt die Schwangerenberatung in Konfliktlagen, Prämisse ist der „Schutz des ungeborenen Lebens“. Paragraf 219a deklariert die Bereitstellung von Informationen über Abbrüche als Werbung – sofern es „in grob anstößiger Weise“ oder eines „Vermögensvorteils wegen“ geschieht. Das allerdings kann, weil Abbrüche keine Kassenleistung sind, im Prinzip immer unterstellt werden.

Dabei geht es um Grundsätzliches, nämlich die Legalität von Abtreibungen. Nach Angaben des Weltwirtschaftsforums ist Schwangerschaftsabbruch in 26 Ländern der Erde ausnahmslos illegal – auch wenn die Schwangerschaft Resultat von Vergewaltigung ist oder sie das Leben der Mutter gefährdet. In Irland machte das Parlament im Mai den Weg für ein liberaleres Abtreibungsrecht frei, in Argentinien verhinderte der Senat dies gegen ein Parlamentsvotum. Papst Franziskus, Oberhaupt der katholischen Kirche, setzte bei einer Generalaudienz im Oktober Schwangerschaftsabbrüche mit Auftragsmorden gleich.

In Deutschland wird derzeit um den Paragraphen gerungen. Die Große Koalition ist uneinig. Grüne und Linke fordern weiter die Abschaffung von Paragraf 219a, die FDP eine weitreichende Reformierung. Das Landgericht Gießen bestätigte am 12. Oktober das Urteil gegen Kristina Hänel und machte damit den Weg in die nächste Instanz frei. Hänel wolle, kündigte sie an, notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Ihre Meinung ist uns wichtig. redaktion@ bodoev.de

Was tun, wenn jemand ungewollt schwanger ist, aber kein Geld hat? Roder: Krankenversicherungen bezahlen grundsätzlich keine Abtreibungen. Wenn eine Frau unterhalb der Einkommens- und Vermögensgrenze liegt, übernimmt das Land die Kosten. Dafür muss die Frau aber hier gemeldet sein

oder sich nachweislich länger als sechs Monate in Deutschland aufhalten. Kleinschmidt: Wir suchen in unserer Beratung immer nach Möglichkeiten. Allerdings sollte man schon früher ansetzen: Viele Frauen werden ungewollt schwanger, weil sie sich keine Verhütungsmittel leisten können. Jede

Stadt sollte einen Verhütungsfonds für Frauen in prekären Situationen haben. Dortmund hat einen solchen Fonds, Bochum nicht. Allgemeinplätze wie „Heute muss niemand mehr ungewollt schwanger werden“ gelten eben nicht für alle von uns. Das verstößt gegen die Menschenwürde.

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WILDE KRÄUTER

Unsere monatliche Exkursion in die urbane Welt der wilden Kräuter. Mit nützlichen Informationen, pointierten Fußnoten, vielen Geschichten – und immer einem originellen Rezept. Von Wolfgang Kienast

BEIFUSS (2) Artemisia vulgaris

G REZEPT Salz, Pfeffer und gestoßenen Kümmel mit Öl mischen. Bei 1,5 kg Schweineschulterbraten mit Schwarte in letztere kreuzförmig fingerbreite Rauten schneiden und diese mit 3 EL Beifußgelee (bodo 9/18) bestreichen. Die übrigen Teile des Bratens mit der Gewürzmischung bepinseln. Das Fleisch, Schwarte nach oben, in eine gefettete Auflaufform legen. 2 Zwiebeln halbieren und an den Braten legen. Im vorgeheizten Backofen bei ca. 200 Grad etwa zwei Stunden garen, dabei den Braten gelegentlich mit dem austretenden Saft bepinseln. Sollte die Kruste weich bleiben, auf Oberhitze wechseln bzw. diese erhöhen.

elegentlich und in kleinem Rahmen organisiere ich Lesungen und Konzerte. Neulich stand eine Band auf meiner Bühne. Das Konzert war gut besucht. Es gab bei freiem Eintritt vorab den Hinweis, eine Spende für die Musiker sei willkommen. Aus diesem Grund ging ich gegen Ende ihres zweistündigen Auftritts sammelnd durch die Reihen. Eine junge Frau, der Kleidung nach hatte sie nicht am Hungertuch zu nagen, gab sieben Cent. Mit einer rundum herablassenden Geste warf sie die beiden Münzen in den Hut. Wie geil ist Geiz? Anfang der 2000er Jahre prägte das Elektrohandelsunternehmen Saturn den korrespondierenden Werbeslogan. Er zählt zu den ‚erfolgreichsten‘ seiner Art und hat es längst zum eigenen Wikipedia-Eintrag gebracht – auch als deutliches Indiz in Sachen deutscher Zeitgeist und Konsumverhalten. Meine Sieben-Penny-Lady wäre eine passable Repräsentantin. Wesentlich sympathischer ist mir die Mentalität, die beim sogenannten Meätensingen zum Ausdruck kam, einem Heischebrauch, wie er im Rheinland und im Bergischen allerorts zu Hause war. Am 10. November, dem Vorabend des Martinstages, zogen Kinder von Tür zu Tür, um singend eine Gabe zu erbitten. Wurde sie verweigert, kam die schlüssige Replik: „Dat Huus, dat steht op Sterken, hie wonnen en paar jizzije Ferken.“ (Das Haus, das steht auf Stützen, hier wohnen ein paar geizige Schweine.) Belegt ist das Ersingen kleiner Gaben um Martini seit dem 16. Jahrhundert, allerdings wird dieser Brauch nur noch in wenigen Gemeinden gepflegt. Was seinen Ursprung betrifft, wird ein zeitlicher Zusammenhang mit Ende und Neuanfang des bäuerlichen Wirtschaftsjahres vermutet. Dazumal wurde am

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11. November auf den Höfen gefeiert, dem Gesinde der Lohn ausgezahlt, die Pachtherren erhielten ihren Zins. Die Zahlungen erfolgten teils in Naturalien, wobei manche Gans ums Leben kam. Pragmatiker meinen, es wäre eh wenig sinnvoll gewesen, die jetzt fetten Tiere über den Winter zu bringen. Folgt man den Thesen diverser Religionsethnologen, wurzelt der Umgang mit dem Federvieh jedoch in tieferer Vergangenheit. So sollen bereits nordeuropäische Schamanen gegen Winteranfang ihren Naturgeistern eine Gans geopfert haben. Das Tier wurde mit Beifuß geräuchert, um mit Hilfe dieser Pflanze ein Tor zum Jenseits aufzustoßen. Keine Angst, Sie bringen sich nicht um, wenn Sie mit Beifuß würzen. Er hilft Ihnen, fette Speisen verdaulich zu machen. Nicht nur Gänse.

Der Beifuß wird regional auch Besenkraut, Fliegenkraut, Gänsekraut, Jungfernkraut, Sonnenwendkraut, Weiberkraut, Wilder Wermut oder Wisch genannt. Die Pflanze kann pro Jahr bis zu 500.000 Früchte produzieren. Nach Plinius dem Älteren (24 bis 79 n.Chr.) sollen Wanderer, die „Artemisia“ bei sich tragen, auf der Reise nicht müde werden.


KULTUR

Komm, sag es allen weiter In einem Sommerlager des Evangelischen Jungmännerwerkes entstand 1951 die Idee, ein handliches Liederbuch zusammenzustellen. Beginn einer beispiellosen Erfolgsgeschichte: Bisher wurde die Mundorgel rund 14 Millionen Mal verkauft. Der Dortmunder Musiker Tommy Finke hat das rote Büchlein auf die Bühne geholt. Doch der Star ist das Publikum. Von Peter Hesse Foto: Sabine Musik

The Mundorgel Project – Weihnachtsspecial Freitag, 30. November, 20 Uhr Pauluskirche Dortmund, Schützenstr. 35 Vorverkauf 10 Euro im bodo-Buchladen, Schwanenwall 36 – 38, Abendkasse 12 Euro bodo erhält 1 Euro pro verkaufter Eintrittskarte

2015 holte Tommy Finke, damals frisch berufener musikalischer Leiter am Schauspiel Dortmund, das rote Büchlein auf die Schauspielbühne. Im Kontrast zu den komplexen elektronischen Loop- und Klanglandschaften, die der studierte Komponist für Stücke wie „Das Goldene Zeitalter“ schuf, traf die Liedersammlung seine zweite Leidenschaft: die für eingängige Mitsingmusik. „Hier finden sich ganz viele schöne Lieder“, sagt Finke über die Mundorgel, „aber auch ein paar Kuriositäten. Ich liebe den Song ,Nehmt Abschied, Brüder‘ heiß und innig, das ist die deutsche Version von ,Auld Lang Syne‘. Auch ,Kein schöner Land‘ oder ,Der Mond ist aufgegangen‘ kriegen mich, wenn sie ohne Volkstümelei gesungen werden.“ Für „The Mundorgel Project“ formte Finke mit Daniel Brandl, Stefan „Pele“ Götzer und Hannes Weyland so etwas wie eine Folk-Pop-Allstar-Band. Sie bringen Cello, Gitarre, Klavier, Bass, Elektro-Schlagzeug und alles, was sie sonst noch in ihrem Proberaum finden, mit auf die Bühne, um den traditionsreichen Liedern – und auch

mal einem Popsong mit Mitsingpotenzial – neues Leben einzuhauchen. Das kommt einfach gut an. Inzwischen hat das Konzept das „Institut“ im Schauspiel Dortmund verlassen und bereist ausverkaufte Spielstätten. In der Hauptrolle dieser Liederabende: die Stimmen der Gäste. Das kleine rote Büchlein trägt dazu bei, dass der gemeinsame Gesang nicht nach der ersten Strophe wegen Textunsicherheit abbricht und der Rest nur noch mitgesummt wird. „Wir haben dabei bemerkt“, erklärt Tommy Finke, „wie gut man das Publikum dabei einbinden kann.“ Denn Singen macht nicht nur Spaß, es stärkt Geist und Seele. „Unser Mundorgel-Abend soll so etwas wie ein positiver Rückzugsort sein. Und vielleicht singen sich die Leute auch einfach total gerne zwei Stunden lang den persönlichen Frust von der Seele.“ Es geht hier nicht um die Leistung, den lupenreinen Sound herzustellen, der mit den Fischer-Chören gleichziehen kann. Nein, hier steht Entdeckung der Heilkraft des Singens im Fokus. Und zwar so, dass es einfach nur Freude macht.

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Adresse und dem Betreff „Verlosung“ an redaktion@bodoev.de oder auf frankierter Postkarte an bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund. Teilnahmeschluss ist jeweils drei Tage vor der Veranstaltung. Bei mehreren Teilnehmern entscheidet das Los. Die Teilnahme ist ab 18 Jahren möglich. Eine Weitergabe der Daten an Dritte erfolgt grundsätzlich nicht, mit Ausnahme an den jeweiligen Veranstalter (zum Beispiel, um Ihren Namen auf die Gästeliste zu setzen). Sie erhalten ca. einmal jährlich postalisch Informationen zu den Aktivitäten unseres Vereins. Dem Erhalt können Sie jederzeit widersprechen. Eine weitergehende Datenverarbeitung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Weitere Hinweise zum Datenschutz entnehmen Sie unserer Homepage unter www.bodoev.de.

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DO 01 | 11 | 18 Ausstellung | Computer Grrrls Die Ausstellung versammelt internationale künstlerische Positionen, die das Verhältnis von Geschlecht und Technologie in Geschichte und Gegenwart verhandeln. „Computer Grrrls“ beschäftigt sich mit der komplexen

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VERLOSUNG The Pink Floyd Exhibition: Their Mortal Remains Eine der erfolgreichsten Bands der Musikgeschichte lässt hinter die Kulissen ihrer über 50-jährigen Geschichte schauen. „The Pink Floyd Exhibition: Their Mortal Remains“ gewährt dabei seltene wie außergewöhnliche Einblicke. Nach London und Rom ist die Ruhrgebietsmetropole bis zum 10. Februar 2019 die erste und einzige Station in Deutschland. Die Erlebnisausstellung im Dortmunder U, die nicht nur Fans von Pink Floyd anspricht, blickt zurück auf mehr als fünf Jahrzehnte prägende Rockgeschichte. Infos: dortmunder-u.de Dortmunder U, Dortmund

MI 07 | 11 | 18 Theater | Orlando 1586: Der junge und bildschöne englische Adlige Orlando flüchtet nach einer enttäuschten Liebschaft als Dichter in die Einsamkeit der Natur. Mit 30 wird er Botschafter im damaligen Konstantinopel. Hier geschieht das Ungeheuerliche: Orlando fällt in einen tiefen Schlaf, aus dem er erst nach sieben Tagen erwacht – als Frau! Sie kehrt nach England zurück und hier wird ihr Frausein zum Problem: Darf die weibliche Orlando Adelstitel und Besitztümer behalten? Studio des Schauspiel, Dortmund, 20 Uhr

FR 09 | 11 | 18 Show | Besinnlich geht anders Diesen Winter wird es jung, modern und dynamisch. Moderator Luke Dimon führt das 24

Publikum in charmant-mitreißender Manier und mit magischem Händchen durch den Abend. Begleitet wird er dabei vom Meister der Grimassen und Stimmungskanone Jeff Hess. Des Weiteren werden in der Wintershow Carina & Leonid (Trapez), Sebastian Stamm (chinesischer Mast), Michael Evolution (Basketball-Jonglage), Little Angels (Partnerperformance) und Jonas Witt (CryRing) zu sehen sein. Weitere Termine: www. variete-et-cetera.de Varieté et cetera, Bochum, 20 Uhr

SA 10 | 11 | 18 Festival | Trash Up! Zum dritten Mal findet in Kooperation mit den Urbanisten das Upcycling-Festival Trash Up! im Depot statt. Viele spannende Ideen, Projekte, Mitmachaktionen und ein Markt bieten den Besuchern die Möglichkeit, die verschiedenen Aspekte des Upcyclings kennenzulernen. Die BesucherInnen sammeln Ideen, den eigenen Umgang mit Müll aufzugreifen, Upcyclingprodukte zu erwerben und mit den Akteuren der Szene in Kontakt zu treten. Filmbeiträge, Vorträge und Diskussionsrunden lassen tiefer eintauchen in verschiedenste Themen des wabernden Begriffs Nachhaltigkeit. Depot, Dortmund, 12 – 18 Uhr (auch 11.11., 11 – 18 Uhr) Ausstellungseröffnung | „Summer of 2018“ Im Sommer 2018 konnte Alexandra Breitenstein einen Foto-Workshop mit acht Teenagern im Alter von 14 bis 17 Jahren realisieren. Sie haben Fuji-Instax-Bilder von ihrem täglichen Leben gemacht und sich mit Fragen rund um Grenzen des Alters, Genderdiversität und der eigenen Zukunft auseinandergesetzt. Die Bilder geben einen kleinen Einblick darauf, wie es sich anfühlen muss, heute ein Teenager zu sein. Bis 24.11.18 Projektraum Kaisern, Kaiserstr. 75, DO, 19 Uhr Party | NICE UP! In gemütlicher Atmosphäre garantieren ein entspanntes Publikum und die Mischung aus Dancehall, Reggae, Old School Rap und World Beats beste Vibes. Am 10.11. versprühen die


Wer morgens in der verspäteten Regionalbahn durchs Ruhrgebiet fährt oder sich durch den Stau auf der A 40 kämpft, weiß: Mobilität geht alle an. In der DASA Arbeitswelt Ausstellung ist eine Ausstellung gestartet, die sich genau damit beschäftigt: Was bewegt uns täglich – und wie? Und wie steht es eigentlich um die Zukunft der Mobilität?

Stop and Go Eine Ausstellung über Mobilität bis 19. Juli 2019 DASA Friedrich-Henkel-Weg 1 – 25 Dortmund

In der DASA ist eine Art Spielfeld aufgebaut, in der an jeder Kreuzung neue Entscheidungen getroffen werden. Mal bewegen sich die BesucherInnen mit dem Rad, mal mit der Bahn, mal mit dem Auto, mal zu Fuß, mal mit dem Bobby Car. Die Idee ist, sich zum einen über das eigene Verhalten in Sachen Fortbewegung Gedanken zu machen, zum anderen sich mit Aktionsformen wie der Critical Mass, einer Art Fahrradparade, oder dem Parking Day zu beschäftigen, an dem zum Beispiel in Bochum regelmäßig Straßen für einen Tag zu autofreien Zonen erklärt und für Flohmärkte, Konzerte, Essensstände oder Lesungen benutzt werden. Infos: www.dasa-dortmund.de

Jungs vom Blockbuster Soundsystem zusammen mit NasAIR echtes Jamaica-Feeling. Großmarktschänke, Dortmund, 23 Uhr Party | Queerbeatzz Aufgrund der großen Nachfrage bleibt die Partyreihe Queerbeatzz für Schwule, Lesben und Freunde nun in der Rotunde und wird einmal im Monat durch NRW bis nach Köln leuchten. Je kälter die Temperaturen, desto heißer wird es bei Queerbeatzz bei vielen Specials, Top-DJs und der großen FlirtAttacke (rote Knicklichter = tabu, grüne Knicklichter = offen/single). Rotunde, Bochum, 23 Uhr

DI 13 | 11 | 18 Lesung | Meinen Hass bekommt ihr nicht Am 13. November 2015 sah Antoine Leiris seine Frau Hélène zum letzten Mal – sie wurde an diesem Tag mit neunundachtzig weiteren Personen im „Le Bataclan“ Opfer der Terroranschläge in Paris. Während die Welt versuchte, eine Erklärung zu finden, postete der Journalist auf Facebook einen offenen Brief. In bewegenden Worten wandte er sich darin an die Attentäter und verweigerte „den toten Seelen“ seinen Hass – und den seines damals siebzehn Monate alten Sohnes Melvil. Foyer Schauspielhaus, Bochum, 20 Uhr

MI 14 | 11 | 18 Kleinkunst | Tim Becker In seinem neuen Programm „Tanz der Puppen“ entführt der Bauchredner Tim Becker das Publikum in seine verrückte Wohngemeinschaft. Hier geben sich halluzinierende Kiffer,

coole Musicalstars, sprechende Lebensmittel, mies gelaunte Gestalten und herzerwärmende Angsthasen die Klinke in die Hand. Hier kollidiert ausgeprägter Sinn für Ordnung mit chaotischen Partys, Diskussionen über Anstand mit exzentrischem Narzissmus und Größenwahn mit knallharten Fakten. Zauberkasten, Bochum, 20 Uhr Musik | Lutz Drenkwitz Lutz Drenkwitz hätt’s gern „Uneilig“ und nennt auch sein neuestes, sechstes, Studioalbum so. Unrast, die Hatz nach – ja, nach was eigentlich? – hat er als ein Grundübel unserer Zeit ausgemacht und schreibt in gewohnt unorthodoxer Weise kleine Pamphlete und Anleitungen zur Rettung der Welt. Er ist halt nicht so der Typ von der Stange, der Wahlbremer. Er lehnt sich nicht zurück, legt noch eins drauf und haut sie zu tollen Melodien raus aus seiner selbst aufgemachten Schublade namens Countrybluespunkrock, die deutschen Liedermachertexte. Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr

SA 17 | 11 | 18 Musik | Roger Stein Regeln, Revolte und Post-Romantik – nach drei intensiven Bühnenjahren präsentiert Roger Stein „Flegeljahre“. Mitreißendes Musik-Flegel-Entertainment zwischen Comedysongs, Liedermacherei und Post-Romantik. In verspielter Vielseitigkeit mit Selbstironie und Charme rauscht er multiinstrumental durch sein Soloprogramm und gibt zeigefingerlos – aber nicht mittelfingerlos – eine feurige Anleitung für diszipliniertes Revoluzzertum. Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

Markt | Design Gipfel Rund 60 Designer aus Deutschland bieten wieder handgemachte und innovative Produkte abseits der Massenproduktion an – genau das Richtige für Individualisten, die für clevere, außergewöhnliche Produkte zu begeistern sind. Depot, Dortmund, 12 – 18 Uhr (auch 18.11., 13 – 18.30 Uhr) Musik | Kinga Glyk Trio Diese junge Frau ist ein Internet-Phänomen. Was andere im Pop und Mainstream-Bereich bereits vorgemacht haben, ist im Jazz beispiellos. Und plötzlich ist sie da, eine echte Musikerin, jung, hübsch, hochtalentiert, deren Internetklickzahlen durch die Decke schießen. Kinga Glyk ist mit ihren 20 Jahren nicht nur die einzige Frontfrau einer Jazzband in ihrer Heimat Polen, sondern eine große Jazzsensation auf allen sozialen Netzwerken europaweit. Dr. Carl Dörken Stiftung, Herdecke, 20 Uhr Musik | Klangsphäre DJ&SPACE: Mixmaster Morris Die Reihe „DJ&SPACE“ präsentiert regelmäßig Größen der Club- und DJ-Szene unter Anzeige

09.11.18

Mozart, Webber und Co. Musicalabend der Musikschule Dortmund

17.11.18 DO-Ton & Friends

30.11.18 Rumänischer Kulturabend

01.12.18 Fado-Konzert mit Gerações und Miguel Ramos

Leopoldstr. 50-58 · 44147 Dortmund Tel. 0231 50-25145 · Fax 0231 50-26019 facebook.com/DietrichKeuningHaus

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KALENDER

der Sternenkuppel des Zeiss-Planetariums in Bochum. Der Brite Mixmaster Morris zählt seit den Neunzigerjahren zu den erfolgreichsten DJs des Chill-Out und Ambient-Genres. Im Umfeld des Drum’n’Bass Kultlabels Ninja Tune sorgte er schon damals für Aufsehen. Mehrfach wurde er von

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PRÄSENTIERT :

SCHRÄGE VÖGEL 27.10.–22.12.2018 im Fritz-Henßler-Haus Geschwister-Scholl-Straße 33 in Dortmund S a , 2 7.1 0 . 2 0 1 8 SEBASTIAN 23 D i , 3 0 .1 0 . 2 0 1 8 MAXI GSTETTENBAUER Fr, 0 2 .1 1 . 2 0 1 8 DANIELA BEN SAID S a , 0 3 .1 1 . 2 0 1 8 HELGE TIMMERBERG D i , 0 6 .1 1 . 2 0 1 8 INGMAR STADELMANN M i , 0 7.1 1 . 2 0 1 8 SANDRA DA VINA D o , 0 8 .1 1 . 2 0 1 8 – i m F Z W ! MAYBEBOP Fr, 0 9.1 1 . 2 0 1 8 SISSI PERLINGER S a , 1 0 .1 1 . 2 0 1 8 TAHNEE S o , 1 1 .1 1 . 2 0 1 8 BAUMANN & CLAUSEN M i , 1 4 .1 1 . 2 0 1 8 BEN REDELINGS G A S T: ULI BOROWKA D o , 1 5 .1 1 . 2 0 1 8 SALIM SAMATOU Fr, 1 6 .1 1 . 2 0 1 8 LISA ECKHART S a , 1 7.1 1 . 2 0 1 8 INGO OSCHMANN S o , 1 8 .1 1 . 2 0 1 8 NICO SEMSROTT M i , 2 1 .1 1 . 2 0 1 8 LMBM LESEBÜHNE D o , 2 2 .1 1 . 2 0 1 8 HORST EVERS Fr +S a , 2 3 .+2 4 .1 1 . 2 0 1 8 CAVEMAN S o , 2 5 .1 1 . 2 0 1 8 VINCENT PFÄFFLIN D i , 0 4 .1 2 . 2 0 1 8 – i m F Z W ! DAS LUMPENPACK SUPPORT ACT: JASON BARTSCH D o , 1 3 .1 2 . 2 0 1 8 ZUCCHINI SISTAZ Fr+Sa, 21.+22.12.2018 AKTE X-MAS

w w w.f hh .de TICKETS: www.PROTICKET.de und www.EVENTIM.de Stadt Dortmund Jugendamt

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diversen internationalen Musikzeitungen zum besten Ambient-DJ der Welt gekürt. Mit seinen bisweilen Nächte füllenden DJSets ist er von Sao Paulo bis Tokio auf Festivals in der ganzen Welt gefragt. Planetarium, Bochum, 21 Uhr Party | La Boum Während unzählige Kometen am allnächtlichen Partyhimmel verglühen, hat sich La Boum längst als ewig junge Konstante im Dortmunder Nachtleben etabliert. Beat und Soul, Swing und Rock'n'Roll sind die Grundfesten im äußerst flexiblen Set, mit dem sich die DJs Timmi & Martini in die Herzen der Tanzgemeinde im Sissikingkong spielen. Präsentiert wird ein furioser Stilmix im Retrogewand, eine Achterbahnfahrt aus raren Originalen, abenteuerlichen Coverversionen und obskurem Edeltrash. Eintritt frei. Sissikingkong, Dortmund, 22 Uhr

SO 18 | 11 | 18 Kinder | Die Legende der Heiligen Barbara Zum Advent gehört auch der Gedenktag der Heiligen Barbara, der Schutzpatronin der Bergleute, am 4. Dezember. Kinder und Eltern können der schönen, alten BarbaraLegende lauschen und anschließend für die Adventszeit eine Tischlaterne mit Bergbauund Barbaramotiven gestalten. Für Kinder ab 6 Jahren. Deutsches Bergbau-Museum, BO, 13 – 16 Uhr Theater | Frankenstein Getrieben von dem Zwang, etwas Neues zu erschaffen, gelingt es Victor Frankenstein, toten Dingen Leben einzuflößen. Auf der Suche nach Liebe regieren die Menschen auf die Erscheinung der Kreatur mit Gewalt, und so wird auch sie gewalttätig. Frankenstein verspricht der Kreatur, einen Partner zu erschaffen, damit sie nicht mehr in Einsamkeit leben muss. Doch kurz vor der Vollendung zerstört er sein Werk und erntet dafür unauslöschlichen Hass. Rottstr5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr Musik | Editors Nach mittlerweile 14 Jahren Bandgeschichte präsentieren sich die Musiker um Tom Smith kein bisschen alt. Editors haben unzählige ausverkaufte Konzerte gespielt und bereiten mit ihren Hymnen wie „An End Has a Start“,„Papillon“ und „Ocean Of Night“ immer noch unvergessliche Nächte in den Clubs und Hallen dieser Welt. Dieses Jahr setzt die Band aus Birmingham mit dem Album „Violence“ ihre Erfolgsgeschichte fort. Warsteiner Music Hall, Dortmund, 20 Uhr

DI 20 | 11 | 18 Musik | Gentleman Gentleman ist wieder auf Tour. Der Kölner Reggae Künstler ist mit seinem Best Of Album „The Selection“ seit Wochen in den Top 20 der deutschen Charts vertreten und hat mit dem jamaikanischen Superstar Sean Paul die Single „Ovaload“ veröffentlicht. RuhrCongress, Bochum, 20 Uhr

MI 21 | 11 – SA 24 | 11 | 18 Festival | Kinofest Lünen Vom 21. – 24. November präsentiert das Kinofest Lünen eine vielseitige Filmauswahl aktueller deutschsprachiger Filmproduktionen verschiedenster Filmgenres. Das komplette Programm des 29. Festivals für deutsche Filme gibt es auf www.kinofest-luenen.de. Cineworld, Lünen

MI 21 | 11 | 18 Vortrag & Diskussion | Ungewisser Brexit: Wohin steuern Großbritannien und die EU? Mehr als zwei Jahre nach dem mehrheitlichen Votum ist der Ausgang des Prozesses weiterhin ungewiss. Auf der einen Seite fehlt eine klare Linie der britischen Regierung, auf der anderen hält sich die Opposition alle Optionen offen, obgleich immer deutlicher wird, dass es einen – gerade auch wirtschaftlich vorteilhaften Brexit – für Großbritannien wohl nicht geben wird. Nicht nur deswegen hat die EU wiederholt betont, dass sie auch weiterhin Möglichkeiten für einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU sieht. Den aktuellen Stand der Verhandlungen will der Vortrag von Dr. Andreas Marchetti beleuchten. Eintritt frei. Auslandsgesellschaft e.V., Dortmund, 18 Uhr Kabarett | Gerhard Polt und die Well-Brüder aus’m Biermoos Im Zusammenspiel von Gerhard Polt und den Wellbrüdern entsteht ein unterhaltsamer „Bairischer Abend“ der besonderen Art, fernab von weiß-blauer Weißwurstidylle und Bierseligkeit. Der Menschenkenner Polt bespiegelt die Abgründe des „Bayern an sich“, ohne ihn dem unreflektierten Gelächter des homo googleensis preiszugeben, und die Wellbrüder liefern den Soundtrack zum Panoptikum Bavaricum. Ruhrfestspielhaus, Recklinghausen, 20 Uhr Kabarett | William Wahl Als Mitbegründer und kreativer Kopf der erfolgreichen A-Cappella-Band basta ist William Wahl schon ein „alter Bekannter".


20. November, 20 Uhr Sonnendeck Quellenweg 3 Bochum

Der Bochumer Ben Redelings erzählt Herzensgeschichten von Fußballfans über ihre Liebe zum Sport. Der „Scudetto“-Schöpfer, Filmemacher und ntv-Kolumnist gehört zu den beliebtesten Fußballgeschichtenerzählern Deutschlands und hat im Oktober ein neues Buch veröffentlicht. Aus diesem liest er am Dienstag, 20. November, im Sonnendeck in Bochum. Tickets sind im Sonnendeck, bei der Bochum Marketing Tourist-Info und bei „wohnbar“ erhältlich.

Nun wagt er sich zum ersten Mal allein auf die Bühne und stellt sich mit seinem ersten Solo-Programm „Wahlgesänge" einer neuen Herausforderung: ohne den Rückhalt seiner Bandkollegen, dafür mit Klavier und einer Menge neuer Lieder im Gepäck. Fletch Bizzel, Dortmund, 20 Uhr

DO 22 | 11 | 18 VERLOSUNG Max Raabe & Palast Orchester Für das neue Album und die Tournee 2018 hat Max Raabe herausgefunden, wie man gute Lieder schreibt: Man tut am besten nichts! Nur so kann Raum für den perfekten Moment entstehen, in dem die Muse küsst. „Der perfekte Moment … wird heut verpennt“ ist der Titel des neuen Programms von Max Raabe. Mit Leichtigkeit verbindet sich die feine Ironie der Lieder aus den 20er und 30er Jahren mit dem schrägen Humor in „Raabe-PopSongs“ wie „Guten Tag, liebes Glück“, „Ich bin dein Mann“ und „Willst du bei mir bleiben“. Oder dem rasanten „Fahrrad fahr’n”. Jahrhunderthalle, BO, 20 Uhr (auch 23.11.) bodo verlost 1 x 2 Karten für den 22.11.

bodo verlost 1x2 Karten*

SA 24 | 11 | 18 Musik | Tatort Jazz: „Milli sings Monk“ „Milli sings Monk" ist eine eigenwillige Hommage an die Bebop-Legende, den musikalischen Architekten und Pianisten Thelonious Monk. Das Besondere: Jazzsängerin Milli Häuser hat für ihr Quartett die im Ur-

sprung instrumentalen Stücke neu arrangiert und singt Monks Werke mit überwiegend eigenen Texten. Darüber hinaus gibt es Jazzimprovisationen der MusikerInnen sowie biographische Momente anhand kleiner Geschichten über Monks Leben. Planetarium, Bochum, 21 Uhr

VERLOSUNG Oumou Sangaré Aufgewachsen in Malis Hauptstadt Bamako erforscht Sängerin Oumou Sangaré ihre musikalischen Wurzeln im entlegenen Süden des Landes: Der Musik der Wassoulou-Jäger sagt man magische Kräfte nach, und Sangaré vereint in ihren Songs die hypnotischen Tanzrhythmen ihrer Vorfahren mit modernen Instrumenten. In ihren Texten thematisiert sie gesellschaftliche Tabus und singt gegen Missstände an. Konzerthaus, Dortmund, 20 Uhr

bodo verlost 1x2 Karten*

Lesung | Bochumer Ermittlungen Am 9. November 1938 brennt in Bochum die Synagoge. Elf Jahre später unternimmt das Landgericht den Versuch, die Schuldigen zu finden und zu verurteilen. Die Ver-

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Dortmunder Weihnachtsmarkt DortmunderWeihnachtsmarkt.de

Ben Redelings Fussball. Die Liebe meines Lebens

An der Hand des Papas das erste Mal ins Stadion gehen. Mit den Freunden glücklich in der Kurve stehen. Die Asche des allerersten Platzes noch in den Knien tragen. Nach einem Sieg niemals nach dem Morgen fragen. Große Spiele feiern ohne Sinn und ohne Verstand. Das Kind nach der Geburt beim Verein des Herzens anmelden. Die Idole bleiben ewig unsere Helden. Sich freudetrunken in den Armen liegen. Singen, tanzen, lachen. Das runde Leder als Quell allen Strebens.

22. Nov – 30. Dez

25. Nov und 25. Dez geschlossen (Feiertage)

mo – do fr und sa so 24. Dez 26. Dez

10 – 21 Uhr 10 – 22 Uhr 12 2 – 21 Uhr 0 – 14 Uhr * 10 12 – 21 Uhr

Verkaufsoffener Sonntag: 2. Dez * nicht alle Aussteller

Kabarett | Horst Evers In Horst Evers Programm „Früher war ich älter“ geht es ums Ganze. Es ist ein Rückblick auf die Zukunft. Also die, mit der man vielleicht mal gerechnet hätte. Denn schließlich wissen wir alle nicht, welche Vergangenheit uns erwartet, wenn wir schon bald auf das Demnächst zurückschauen. Fritz-Henßler-Haus, Dortmund, 20 Uhr 27


KALENDER

nehmungsprotokolle der damaligen Justiz werden im Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte aufbewahrt und kommen in dieser Lesung mit dem Bochumer Ensemble zu Gehör. Die Akten vermitteln ein Bild der Ereignisse, zugleich legen sie aber auch offen,

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knowbotiq: Amazonian Flesh Neue Imaginationen des Arbeitskampfes.

23. und 24. November Dortmund

An einigen Orten im Ruhrgebiet ist Bergbau der Logistik gewichen. Ähnlich wie in der Schwerindustrie arbeiten hier Menschen unterschiedlicher Herkünfte und Erfahrungen zusammen, allerdings nun in hochtechnologisierten Prozessen mit intelligenten Maschinen. Diesen neuen Prozessen und den Grenzen zwischen Menschen und Maschinen widmet sich die KünstlerInnengruppe knowbotiq in ihrem Projekt „Amazonian Flesh“. Seit 2017 hat die Gruppe die Verknüpfung von Migration und Logistik in Logistikzentren in NRW untersucht – auch in Dortmund, wo Amazon ein solches Zentrum betreibt. Die Ergebnisse stellt knowbotiq gemeinsam mit Interkultur Ruhr am 23. und 24. November in einer Ausstellung, einem Spaziergang durch den Logistikpark und einem Diskussionsabend vor – und will dabei nicht nur den Ist-Zustand beschreiben, sondern auch künftige Formen von Arbeitskampf, Solidarität und Optionen einer Gesellschaft nach der Lohnarbeit diskutieren. www.knowbotiq.net | www.interkultur.ruhr

mit welch aberwitzigen Ausflüchten oder Erinnerungslücken die Täter sich herausgeredet haben, um nicht verurteilt zu werden: Die Ermittlungen mussten eingestellt werden. Kammerspiele, Bochum, 16 Uhr

SO 25 | 11 | 18 Mischmasch | Der gute Geist von Brünninghausen. Eine Weltreise unter Glas Nachdem ihr Ehemann Gisbert den englischen Garten (1818-1822) hatte anlegen lassen, tat Caroline von Romberg (Caroline Keufen) den Schwur, dieses Fleckchen Erde nie mehr zu verlassen. Als Schlossgespenst ging sie in den Gebäuden von Brünninghausen um. Doch nach der Zerstörung des Haupthauses sucht sie nach einer neuen Bleibe. So gerät sie in die Pflanzenschauhäuser, wo sie auf Parkleiter Dr. Patrick Knopf trifft, der eine Besuchergruppe durch die verschiedenen Erdteile und Klimazonen unter Glas führt, und hat viel zu erzählen. Anmeldung erforderlich: yankova@agnrw.de Botanischer Garten Rombergpark, Dortmund, 18 Uhr

MO 26 | 11 | 18 Comedy | Wallis WeibsBilder Reinigungsfachkraft Waltraud Ehlert lädt sich zwei Damen ein, die Einblicke in ihre Bühnenprogramme geben. Sozusagen als „Vorgucker" für das gesamte Abendprogramm, das diese Künstlerinnen dann an anderen Terminen im Zauberkasten präsentieren werden. Zauberkasten, Bochum, 20 Uhr

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DO 29 | 11 | 18 Lesung & Musik | Die Route des Raben Eine Begegnung mit Edgar Allan Poe Am 29.11. wird im Bochumer Rottstr5 Theater Werner Streletz‘ neue Erzählung „Die Route des Raben – Eine Begegnung mit Edgar Allan Poe“ vorgestellt. Es wird nicht nur bei Passagen aus dem neuen Buch bleiben: Musiker und Autor Zepp Oberpichler wird Songs spielen, die durch Themen aus Poe-Geschichten inspiriert worden sind. Auch Poeme des Dichters werden zu hören sein, so die berühmten Verse um den Raben, die Schauspieler Joachim H. Luger rezitieren wird. Rottstr5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr Theater | Murmel Murmel 1974 bringt Dieter Roth im Eigenverlag „Murmel“ heraus, ein 18 x 11,5 cm messendes Buch mit 176 Seiten auf gebräuntem Papier. Es enthält ein Wort: „Murmel“, in x Varianten. 2012 bringt Herbert Fritsch an der Berliner Volksbühne Murmel Murmel heraus, eine neunzig Minuten währende Vorstellung mit 11 Schauspieler*innen in bunten Kostümen. Sie sprechen ein Wort: „Murmel“, in x Varianten. – Jetzt, 2018, nach einem Triumphzug um die halbe Welt, findet die Inszenierung mit ihrem Turboslapstick eine neue Heimat in Bochum. Schauspielhaus, Bochum, 19.30 Uhr Musik | Winston McAnuff & Fixi Jamaican Vibes, Soul- und Bluesanleihen, aufgebrochen durch nigerianischen Afrobeat, brasilianische Samba und kolumbi-


anische Cumbia, befeuert durch MaloyaRhythmen aus La Réunion und rockige Musette-Noten aus Frankreich – wenn Winston McAnuff und Fixi aufeinander treffen, geschieht Magisches. Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

FR 30 | 11 | 18 Theater | Am Boden „Am Boden“ ist ein packender Monolog über die virtuellen Kriege der Gegenwart und handelt von einer US-Kampfpilotin, die ungewollt schwanger wird und statt selbst zu f liegen nun am Bildschirm Kampfdrohnen durch Afghanistan navigiert und Schießbefehle erteilt. Regie führt Thorsten Bihegue, der zuletzt am Schauspiel Dortmund „After Life“ mit dem Dortmunder Sprechchor und „Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm“ inszeniert hat. Studio des Schauspiel, Dortmund, 20 Uhr

SO 02 | 12 | 18 Lesung & Kabarett | Schöne Bescherung – Eine satirisch-literarische Weihnachtmatinée mit Sandra Da Vina und Christoph Tiemann Sandra Da Vina ist seit Jahren erfolgreich auf den Poetry-Slam- und Kabarett-Bühnen unterwegs und gewann 2014 als erste Frau die NRW-Landesmeisterschaften im PoetrySlam. Und wenn sie schreibt, liegen Tragik und Komik dicht beieinander. Der Schauspieler, Sprecher und Autor Christoph Tiemann ist extrem wandelbar, und mit Vorliebe für messerscharfe Zuspitzungen spielt er Stereotype vom Kunstprofessor bis zum Ruhrpottproleten. Studio B der Stadt- und Landesbibliothek, Dortmund, 11 Uhr

MI 05 | 12 | 18 VERLOSUNG Vonda Shepard Vonda Shepard zählt zu den bekanntesten amerikanischen Singer-Songwriterinnen, die mit ihrer Rolle als Pianistin und Sängerin in der Fernsehserie „Ally McBeal“ ihren Durchbruch feierte. Sie erhielt zwei Golden Globes, zwei Emmys, zwei Screen Actors’ Guild’ Awards und einen Billboard Award für die meisten verkauften TV-Soundtrack-Platten der Geschichte. Nach zahlreichen Konzerten und Theater-Projekten liebt sie es immer noch, ihre souligen Songs live zu präsentieren. Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

bodo verlost 1x2 Karten*

DO 06 | 12 | 18 Musik | Grand JAM in Hendrix Fünf Musiker und ein Tontechniker ehren einen ganz großen Meister auf ihre ganz besondere Art und Weise. „Jimi Hendrix war und ist immer ein Thema in unser aller musikalischer Laufbahn“, bestätigt die Band einstimmig. Spielfreude, Können, Virtuosität, Erfahrung und Spaß zeichnen die sechs Freunde aus, die schon seit Ewigkeiten immer wieder in diversen Bands zusammen gespielt haben und nun gemeinsam den Spirit von Jimi Hendrix weiterleben lassen. domicil, Dortmund, 19.30 Uhr

FR 07 | 12 | 18 VERLOSUNG Guildo Horn & die Orthopädischen Strümpfe – Weihnachten mit Guildo Guildo Horn: Musiker, Entertainer, Diplompädagoge, Genussmensch, Musical- und Operettendarsteller, Multiinstrumentalist. Ein Tausendsassa und Genre-Tourist. Kein Mensch, sondern ein Naturereignis. Wer Guildo Horn einmal live erlebt hat, kann sich seiner Faszination nicht entziehen und wird zum Wiederholungstäter. Auch im Jahr 2018 werden Guildo Horn & seine Orthoposteln wieder gemeinsam auf dem Weg zum Christkind unterwegs sein und zelebrieren eines ihrer Weihnachtskonzerte am 07.12. im FZW in Dortmund. FZW, Dortmund, 19.30 Uhr

bodo verlost 3x2 Karten*

SA 08 | 12 | 18 Musik & Lesung | ZAPP! – oder: Wo blieb nur unser Leben? Farce mit Gedichten und Musik von Oscar Borkowsky und Hannes Sänger: H & O, zwei androgyne Figuren der medialen Endzeit, reden sich auf der Suche nach einem Knopf um Kopf und Kragen: Ihre Schädel sind nicht deshalb rund, damit das Denken die Richtung ändern kann, und so kreisen sie in ihrer Welt, welche ein großer Haufen ist, ständig um sich selbst. Irgendwie wagen die beiden alles, indem sie zwar ständig plappern, aber eigentlich nicht viel sagen. Doch auch das will ja immerhin erst einmal geleistet werden. „Blaues Zimmer“ der Geigenbauwerkstatt Volker Bley, Dortmund, 20 Uhr

endstation.kino | Cold War Während des polnischen Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg ist der Komponist Wiktor auf der Suche nach traditionellen Melodien für ein neues bodo Tanz- und Musikenverlost 1x2 semble. Unter seinen Karten* Studentinnen ist auch Zula, und gleich im ersten Augenblick elektrisiert sie ihn. Zula ist schon bald der Mittelpunkt des Ensembles und die beiden verlieben sich ineinander. Doch als das Repertoire des Ensembles zunehmend politisiert wird, nutzt Wiktor einen Auftritt in Ostberlin, um in den Westen zu fliehen. Zula bleibt der zwischen den beiden verabredeten Flucht fern. Trotzdem führt das Schicksal die beiden später erneut zueinander. Wiktor und Zula begegnen sich lange Zeit später in Paris. Und so sehr ihre Liebe wieder aufflammt, so zerrissen sind die beiden. Zwischen Heimat und Exil, zwischen Leidenschaft und Verlust sind Frankreich, Jugoslawien und Polen die Schauplätze der fatalen Liebe eines Paares, das vor dem Hintergrund des Kalten Krieges ohne einander nicht leben kann und miteinander fast keinen Frieden findet. Oscar-Preisträger Paweł Pawlikowski (Ida) hat „Cold War – Der Breitengrad der Liebe“ seinen Eltern gewidmet, nach ihnen sind auch die beiden Protagonisten benannt. Der echte Wiktor und die echte Zula starben 1989 kurz vor dem Fall der Berliner Mauer. Sie hatten zuvor die letzten 40 Jahre zusammen verbracht, sich getrennt und sich immer wiedergefunden, sich gegenseitig jagend und bestrafend auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs. Zu sehen ab Sonntag, 25. November. Alle Termine: www.endstation-kino.de endstation.kino im Bahnhof Langendreer Wallbaumweg 108, 44894 Bochum www.endstation-kino.de

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BODO GEHT AUS

„Pizza“ Hans-Ehrenberg-Platz 5 44789 Bochum

Pizza in Bestform Petersburg, Neapel, Bochum „In der Gastronomie arbeiten die meisten Amateure.“ Das sagt Michael Grabarovski, Jurist, der mit seiner Frau Natalia, die Architektur studiert hat, die vielleicht beste Pizza in Bochum backt. Der kleine Laden des aus St. Petersburg stammenden Paars heißt schlicht „Pizza“ und liegt mitten im Bochumer Ehrenfeld. Am Standort, der immer noch den Nimbus des Szeneviertels genießt, haben sie auf verständige Kundschaft gehofft und sie auch gefunden. „Manchmal beschweren sich allerdings immer noch Gäste“, erzählt Michael Grabarovski: „Die Pizza sei außen verbrannt, der Teig zu weich, es fehle das Oregano.“ Dabei sind genau das die Qualitätskriterien bei „Pizza“: Hier backt man eben keine römische Pizza, sondern eine neapolitanische. Im Norden Italiens soll der Rand knusprig sein, in Neapel mag man ihn eher fluffig. Der in einem langen Prozess hergestellte Teig bleibt nach dem kurzen Backen in hoher Hitze weich und elastisch, in der Mitte ist er gerade eben gar. Und auf dem Rand sind ein paar dunkle Stellen ganz typisch. Nachdem Michael und Natalia nach Deutschland übersiedelten, mussten sie sich mit Jobs in der Gastronomie über 30

Von Max Florian Kühlem Fotos: Daniel Sadrowski Wasser halten. „Eine typische Geschichte von Ausländern“, kommentiert der heutige Pizzabäcker trocken. Pizza hat er kennen gelernt, wie man sie hier häufig findet: kross gebacken, mit Gouda und Oregano drauf, mit viel Öl und versalzen. Nach zehn Jahren und viel absolviertem Lesestoff über das offene Geheimnis der perfekten neapolitanischen Pizza wagte das Paar die Selbstständigkeit. Wie ihr Erfolgsrezept funktioniert, erklären sie jedem, der fragt, denn mit ihrem Laden verfolgen sie auch eine Art Mission für das gute Essen. Neben dem Teig sind es handverlesene Zutaten, die

die Pizza bei „Pizza“ so genial machen: Die „Sauce“ besteht allein aus guten, sanft passierten Tomaten, der Käse ist Mozzarella Fior di latte. Oliven, Olivenöl, Kapern, Schinken oder die scharfe Nduja Wurst – fast alles, was als Belag auf den Teigfladen kommt, ist Feinkost aus Italien. „Die teuren Einkaufspreise können wir uns nur leisten, weil wir selbst am Ofen stehen und backen“, sagt Michael Grabarovski. Außer den Pizzen in Einheitsgröße bietet der Laden nur noch Getränke und Kaffeespezialitäten – die natürlich auch beispielhaft lecker sind.


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Der Pizzateig 1 kg gutes, italienisches Weizenmehl mindesten 65 Prozent, also 650 ml, Wasser weniger als 2 g Hefe 30 g Salz Den Teig kneten bis er glatt ist. Das Salz erst später dazu geben und am Ende noch ein wenig Wasser nachgießen.

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Gut verpacken, ein paar Stunden gehen lassen und dann mindestens 24 Stunden im Kühlschrank ruhen lassen. Danach Kugeln aus dem Teig formen und noch einmal ein paar Stunden stehen lassen. Erst dann ist der Teig bereit für den Pizzaofen.

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REPORTAGE

Kleine Geschichten aus einem großen Garten Der Dortmunder Rombergpark Die Anfänge

Südlich des Emschertals, zwischen den Dortmunder Stadtteilen Brünninghausen und Hacheney, liegt der Rombergpark. Er ist Naherholungsgebiet, Bildungsforum und Ort der Forschung. Historisch gilt er mit einer Fläche von 65 ha als viertgrößter botanischer Garten weltweit. Seit Mai 2014 liegt die Leitung in den Händen von Dr. Patrick Knopf. Stundenlang könnte er über die 1929 eröffnete Anlage erzählen. Eine Handvoll dieser Geschichten haben wir für Sie aufgeschrieben. Von Wolfgang Kienast Fotos: Daniel Sadrowski

„Im 15. Jahrhundert gelangte Schloss Brünninghausen in den Besitz einer Familie Rodenberg. Später sollte sich das Geschlecht in Romberg umbenennen. Die am Schloss gelegenen Ländereien wurden sukzessive in einen Landschaftspark umgewandelt. Anfangs gab es da noch einen Garten nach französischem Konzept, mit vielen Sichtachsen, symmetrisch angelegt. Das Motto: Der Mensch als Krone der Schöpfung beherrscht die wilde Natur und bringt sie in eine geordnete Form. Später, um 1820, wurde der Düsseldorfer Hofgärtner Friedrich Weyhe beauftragt, das bislang landwirtschaftlich genutzte Tal vor dem Schloss als Park nach englischem Vorbild zu gestalten. Ziel war jetzt eine überidealisierte Natur, mittels gärtnerischer Mittel in den perfekten Zustand gebracht, was sie aus eigener Kraft niemals geschafft hätte. Und bereits in diesem Zusammenhang wurde hier begonnen, seltene Hölzer zu sammeln.“

Der Schulgarten

„Es passiert immer wieder, dass nach unserem ‚Botanischen Garten‘ gefragt wird. Neulich meldete sich ein Busunternehmer aus dem Münsterland: ‚Zwei Stunden haben wir uns in Ihrem wunderschönen Park aufgehalten. Leider haben wir den Eingang zum Botanischen Garten nicht finden können. Bitte schildern Sie das besser aus.‘ Selbst bei alteingesessenen Dortmundern ist diese Vorstellung verwurzelt. Grund ist, dass es in der Stadt früher einen Botanischen Schulgarten gegeben hat. Der wurde 1887 an der Beurhausstraße eröffnet, musste aber wegen Erweiterungen des Krankenhauses permanent umziehen. Schließlich wurden die Pflanzen auf einer Fläche an der heutigen B1 eingelagert. Als die Stadt den Rombergschen Besitz erwarb, wurde der Schulgarten dort angelegt – als gesonderte Fläche im Park, eingezäunt, zugänglich nur für Schüler der Maschinenbauschule. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er aufgegeben. Jetzt haben wir da die Rosenachse. Botanischer Garten ist, seit 1929, tatsächlich der gesamte Rombergpark.“

Der letzte Romberg

„Die Rombergs haben Geld mit Steinkohle gemacht. Heute kennt jeder den Namen Krupp, aber es war Gisbert I. von Romberg (1773 – 1859), der in hiesigen Zechen erste Dampfmaschinen aufstellte. Das markiert den Beginn des Tiefenbergbaus, wie er

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REPORTAGE

grundlegend für die Industrialisierung des Ruhrgebiets war. Der letzte Romberg auf Schloss Brünninghausen, Gisbert Friedrich Christian, war eher ‚grün‘ angehaucht. Der Ruß in Dortmund war ihm zuwider. Als man ihm sagte, sein ganzer Reichtum beruhe doch auf Kohle und Dreck, verkaufte er den hier befindlichen Besitz an die Stadt und zog sich auf sein Schloss Buldern im Münsterland zurück. Vertraglich ließ er sich zusichern, dass der Park fortan der Erholung der schwer arbeitenden Dortmunder Bevölkerung dienen und jeden Tag im Jahr rund um die Uhr frei zugänglich sein solle. Von daher dürfen wir, auf Ewigkeit, nie Eintritt nehmen.“

Über das Sammeln

„Wenn Sie Bierdeckel sammeln, haben Sie drei Möglichkeiten. Sie können systematisch sammeln, zum Beispiel alle Bierdeckel der Gruppe ‚Brau und Brunnen‘. Oder Sie sammeln geografisch nach Herkunft. Oder, drittens, Sie organisieren Ihre Sammlung so, dass alles optisch harmoniert. Eine Baumsammlung, ein Arboretum, funktioniert nach gleichen Kriterien. Sie können systematisch sammeln wie Herr Nose (Richard Nose, von 1920 – 1938 Gartendirektor in Dortmund, d. Red.). Ihm verdanken wir das Nose-Arboretum. An dieses grenzt südlich das KrüßmannArboretum (Gerd Krüßmann, von 1947 – 1974 Leiter des Bo-

� tanischen Garten Rombergpark, d.Red.), wo die Bäume nach ästhetischen Kriterien gruppiert sind. Herr Krüßmann hat außerdem den geografischen Garten im Osten des Parks angelegt, unser Amerika und Asien. Tulpenbäume stehen bei uns also an drei unterschiedlichen Stellen. Systematisch natürlich im Nose-Arboretum, geografisch sind sie in China beheimatet und sie haben, ästhetischen Gesichtspunkten folgend, ebenso ihren Platz im Krüßmann-Arboretum gefunden.“

Der Honigbaum

„Den Honigbaum finden Sie im Asiatischen, in Japan. Das ist ein Styraxgewächs. Styraxgewächse riechen wunderbar, nicht nur das Harz, auch die Blüten. Sowieso sind das ganz spannende Pflanzen. Der Schneeglöckchenbaum gehört dazu, der Storax an sich, den man so kennt. Außerdem ist die Gruppe übersichtlich genug, dass man in unseren Breiten sogar versuchen kann, komplett alle winterharten Gewächse zu sammeln. Uns fehlte noch ein ausgesprochen seltener Baum der Familie. Einen solchen habe ich zufällig in einem Vorgarten in Holland gesehen. Ich habe geklingelt und den Besitzer, das war ein älterer Herr, gefragt, ob er den Baum verkaufen würde. Erst wollte er nicht, aber immer, wenn ich in Holland war, habe ich ihn aufgesucht. Irgendwann kam sein okay, weil er, wie er sagte, aus Altersgründen das Haus aufgeben müsse.“

Der Z oo

„Der Dortmunder Zoo wurde als Tierpark vom Botanischen Garten aus gestartet. 1953 hatte Herr Krüßmann entschieden, zu den Rehen und Wildschweinen, die bereits im südlichen Teil gehalten wurden, weitere Tiere zuzukaufen. Man bereitete sich in Dortmund auf die Bundesgartenschau 1959 vor und wollte den Gästen etwas bieten. Das bedeutete zusätzliche Arbeit, die der Leiter eines Botanischen Gartens nicht mehr leisten konnte. Also wurde der Zoo eigenständig. Einziges Gemeinschaftsprojekt waren die 1958 gebauten Gewächshäuser. Hier waren Pflanzen und Tiere gleichermaßen untergebracht. Beide Direktoren haben sich immer gestritten, wer da der Chef ist. Das wurde so wild, dass 1982 eine saubere Trennung vollzogen wurde. Alle Tiere mussten raus und bekamen ihr Amazonashaus im Zoo.“

Die Düne

„Ich dachte, Dortmund fehlt eine Düne. 1985 wurde ein Heidemoor nach Dortmund transplantiert. Das kleine Moor musste an seinem ursprünglichen Ort einer Autobahn weichen. Schicht um Schicht wurde es abgetragen und bei uns wieder aufgebaut. Man wollte schauen, ob so etwas funktionieren kann. Moore wachsen lang-

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sam. Unseres ist jetzt etwa zwei bis drei Zentimeter höher als 1985, es hat sich also gut entwickelt. Mit 9.000 qm gilt es als weltweit größtes künstliches Moor – künstlich, weil der Unterbau künstlich geschaffen wurde. Aber wo kommen Moore her? Heidelandschaften entwickeln sich aus Dünen. Wir wollen diesen Prozess zeigen, vom Strandbereich über Vor-, Weiß-, Grau- und Braundüne mit jeweils der entsprechenden Pflanzenwelt bis hin zu Moor und Heide. Auf unserem Dünenweg laufen Sie dabei über Muschelschalen. Die haben wir aus der Lebensmittelindustrie. Pro Muschel einer Frutti di Mare fallen zwei Schalen an.“

Dr. Patrick Knopf

„Bevor ich die Stellung in Dortmund antrat, war ich Dozent an der Yale University in New Haven, Connecticut. Die Yale University ist eine der reichsten Universitäten der Welt. Man hat dort die sprichwörtlich unbegrenzten Möglichkeiten. Und New Haven ist eine überschaubare Stadt, schön altmodisch, mit vielen Bäumen. Ich wohnte in einem kleinen Holzhaus, kaum dreihundert Meter vom Meer entfernt, hatte eine Aufenthaltsgenehmigung und verdiente ein Vielfaches von dem, was ich hier bekomme. Meine Mutter hatte mir von der vakanten Stelle im Rombergpark erzählt. Beworben habe ich mich aus

der reinen Neugier, ob ich für einen solchen Job überhaupt in Frage käme. Die Zusage kam dann auch für mich überraschend. Viele meiner Bekannten haben mir den Vogel gezeigt, als ich, nach einigem Überlegen, von der Yale an den Rombergpark wechselte. Heute kann ich sagen, das ist der tollste Job der Welt. Ich gehe Montagmorgens gern zur Arbeit. Wenn man das sagen kann, hat man es wohl richtig gemacht.“

Die Arbeit

„Den Job habe ich auch deswegen bekommen, weil ich klassische Biologie studiert habe und nicht, wie heute viele, Genetik oder Molekularbiologie. Der Schwerpunkt im Romberpark liegt traditionell bei der Baumkunde, der Dendrologie. Unter anderem wird derzeit inventarisiert. Meine Vorgänger haben zwar peinlich genau katalogisiert, was sie wo für wie viel Geld gekauft haben, allerdings nicht, wo die Bäume gepflanzt wurden und ob sie überlebt haben. Viele dieser Bäume sind mittlerweile sehr alt. Auch ein Baum hat das Recht, in Würde zu sterben. Wir möchten sie aber früh genug durch neue Exemplare ersetzen, damit es hier nicht aussieht, wie die Begrünung eines jungfräulichen Parkplatzes. Wenn Sie eine Gruppe Rentner haben, ist es absolut sinnvoll, eine präpubertierende Jungeiche dazwischen zu stellen.“

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BÜCHER

Gelesen von Bastian Pütter

Radikalisierung Vorab: Der Debütroman von Lukas Rietzschel, geboren 1994 in der Lausitz, ist eine dichte, psychologisch präzise und gekonnt erzählte Milieustudie. Er handelt in einem Satz davon, wie in Ostsachsen in den 2000ern Jungs zu Nazis werden. Zum Text gehört die Rezeption, die nach den Ausschreitungen von Chemnitz den „Roman der Stunde“ witterte, ostdeutsche Selbsterklärprosa. Nun ist es so, dass gute Literatur ganz wunderbar darin ist, Fragen zur gesellschaftlichen Gegenwart zu beantworten – wenn auch nicht zwingend die, die man an sie stellt. Die eingespielte Weltlage in „Mit der Faust…“, vom 11. September bis zur beginnenden „Flüchtlingskrise“ 2015, liefert ein zeitliches Raster, einen Rhythmus, nicht mehr. Die Wegzüge und Selbstmorde, die Tristesse und die unterschwellige oder sehr manifeste Gewalt, das Abgehängtsein und die nicht verwundenen biografischen Brüche – das ist alles sehr präzise erzählt, eine einfache Erklärung will es nicht sein. Wir wissen will, wie z.B. in Sachsen beginnend in Vorwendezeiten der Neonazismus gleichzeitig attraktive Gegenkultur und jugendkultureller Mainstream wurde, gehätschelt, geschützt, ignoriert, integriert, findet die Antworten nicht hier. Hier gibt es nur einen wirklich guten Roman aus der ostdeutschen Provinz. Lukas Rietzschel Mit der Faust in die Welt schlagen ISBN: 978-3-8437-1851-6 Ullstein | 20 Euro 36

Rendite Die Fernsehjournalistin Utta Seidenspinner spürt in hervorragend lesbaren Reportagen der Frage nach: „Warum Mieten immer teurer und Eigentum unbezahlbar wird“. Die hier stark verkürzte Antwort: Der ursprünglich strikt lokale deutsche Immobilienmarkt ist längst ein durch fahrlässige Deregulierungen kaum kontrollierbares globalisiertes Business. Das gilt gleichermaßen für die überhitzten Wohnungsmärkte etwa in München wie auch für das Ruhrgebiet, wo Seidenspinner am Dortmunder Beispiel nachzeichnet, wie gemeinnützige Wohnungsunternehmen erst konzentriert, dann an die Deutsche Annington (heute Vonovia) verkauft und diese schließlich an die Börse gebracht wurde – der „Urknall“ für die Globalisierung des deutschen Immobilienmarkts. Längst seien die Preise von den lokalen Märkten – dem, was Mieter zahlen können – entkoppelt, ohne dass Eingriffe der Regierung helfen. Denn nicht sie steuere den Immobilienmarkt, „sondern Aktiengesellschaften, Großkonzerne, Geldwäscher, Steuerhinterzieher, saudische Prinzen und chinesische Neureiche.“ Ein vergleichsweise tröstliches Schlusskapitel versammelt politische Lösungen und Praxistipps „von Mieten bis Kaufen“. Utta Seidenspinner | Wohnwahnsinn. Warum Mieten immer teurer und Eigentum unbezahlbar wird. ISBN: 978-3-8270-1381-1 Berlin | 18 Euro

Resi schreibt „Wie schafft ihr das?“ Der Abgrenzungssatz der eigenheimbesitzenden ehemaligen Freunde. Kein Kompliment, sondern „eine Umschreibung dafür, dass der Fragende denkt, es sei nicht zu schaffen – und auch dumm, es überhaupt zu versuchen“. Was Resi versucht, ist ein Leben zu führen als freie Schriftstellerin, mit einem Mann, der Künstler ist, und ihren vier Kindern. In „Bodentiefe Fenster“ (bodo 10/15), der im selben Milieu spielte (dazwischen der beeindruckend unangenehme Roman „Fürsorge“), war die Protagonistin Sandra noch Teil der urbanen, linksliberalen Hausgemeinschaftsidylle – und ihr innerer Monolog einer der Verachtung. Resi hingegen gehört auch „objektiv“ nicht mehr dazu, Freundschaft endet bei Besitz und mit Macht. Im Juni sprach die Autorin bei einer Tagung zur „Literatur in der neuen Klassengesellschaft“ im Fritz-Hüser-Institut in Dortmund: „Wenn ich ,ich‘ sage und anhand meines Beispiels etwas und mich selbst behaupte, dann geschieht das gegen Widerstände. Und erzählt deshalb von ihnen.“ Das gilt für beide Schriftstellerinnen und ist eine Definition von politischer Literatur. Die Bücher von Anke Stelling gehören zur besten, die wir haben. Anke Stelling Schäfchen im Trockenen ISBN: 978-3-95732-338-5 Verbrecher | 22 Euro


Eine Frage, Herr Krischnak:

Wer macht das Licht an?

Kai Krischnak von den Stadtwerken Bochum

Die ersten Straßenlaternen gab es bereits in der Antike. Nachdem viele Jahre Öl und Petroleum die Städte erhellte, ging 1667 in Paris die erste gasbetriebene Straßenbeleuchtung in Betrieb. Gut 200 Jahre später war Nürnberg dann die erste Stadt in Deutschland mit einer dauerhaft elektrisch betriebenen Beleuchtung. Dass abends die Straßenlaternen angehen, auch ohne dass ein Laternenanzünder seine Runde gemacht hat, ist mittlerweile selbstverständlich. Doch wer sorgt dafür, dass mit der Dämmerung das Licht auf unseren Straßen an und morgens wieder ausgeht? „Unsere Straßenbeleuchtung wird über sogenannte Lichtfänger gesteuert“, sagt Kai Krischnak von den Stadtwerken Bochum. „Diese Geräte messen die Umgebungshelligkeit und schalten dementsprechend die Straßenlaternen über Steuerschränke, die für einzelne Straßenzüge zuständig sind, an und aus.“ Ab wann die Laternen geschaltet werden, regelt dabei eine europäische Norm,

in der festgeschrieben ist, wie hell Straßen und Fußgängerwege beleuchtet sein müssen. Die Beleuchtung passt sich so automatisch an die sich ändernden Witterungs- und Beleuchtungsverhältnisse im Sommer und Winter an, um den Stromverbrauch zu minimieren. Deutschlandweit werden ca. 9,5 Millionen Straßenlaternen betrieben. „In Bochum haben wir im Stadtgebiet 38.500 Leuchten in Betrieb, von denen sukzessive ein Großteil von Quecksilberdampflampen auf Halogenund LED-Technologie umgestellt wird, die wartungsärmer sind und weniger Strom verbrauchen. 2017 hat die Straßenbeleuchtung in Bochum 9,73 Millionen Kilowattstunden Strom verbraucht.“ Das entspricht ca. dem Jahresverbrauch von 2.800 Haushalten. „Wann sie defekt sind, melden die Laternen leider nicht automatisch“, so Krischnak. „Das überprüfen weiterhin unsere Techniker, oder Bürger melden defekte Beleuchtung über den Mängelmelder der Stadt. Bei ca. 60.000 Betriebsstunden aktueller Leuchtmittel kommt das aber zum Glück nicht allzu oft vor.“

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INTERVIEW

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Herr Rooch, 29 naturwissenschaftliche Experimente umfasst ihr Buch „Rubbel die Katz“. Haben Sie alle selbst durchgeführt? Ja, das habe ich.

Wie man Cappuccino zum Singen bringt Auch wenn Physik nicht zu den klassischen Entertainern unter den Schulfächern zählt, hat sie doch das Zeug zum Pausenclown. Der Bochumer Wissenschaftsjournalist Aeneas Rooch befreit Naturwissenschaft aus trockenen Schulbüchern und Klassenzimmern. Im Radio, der Zeitung und in seinem Buch „Rubbel die Katz“ weist der promovierte Mathematiker kuriose physikalische Prozesse in unserem Alltag nach. Im Interview erklärt der 35-Jährige, wie man einen Cappuccino zum Singen bringt, was WissenschaftsjournalistInnen leisten müssen und warum Nerds gar nichts Negatives sind. Von Tilman Radix Foto: Daniel Sadrowski

Sie haben tatsächlich auf dem Mount Everest versucht, Eier zu kochen? (Lacht) Nein, das nicht. Es gibt in dem Buch zwei Experimente, die auf theoretischen Betrachtungen beruhen. Den Mount Everest habe ich noch nicht bestiegen. Haben Sie ein Lieblingsexperiment in Ihrem Buch? Das Experiment, das ich am coolsten finde, ist der CappuccinoEffekt. Es ist ganz einfach durchzuführen und gleichzeitig relativ kompliziert zu erklären, was dahintersteckt. Man kann es in ein, zwei Sätzen grob erklären, aber bis ich alle Zusammenhänge komplett verstanden habe, hat es eine Weile gedauert. Nehmen wir die unkomplizierte Variante... Man klopft mit seinem Löffel durch den Cappuccino auf die Unterseite der Tasse, und das macht ein Geräusch. Es wandert als Schallwelle durch den Cappuccino und kommt oben raus. Beim Umrühren rührt man nun Milchschaum in den Cappuccino, das sind im Wesentlichen Luftblasen, und mit eingerührten Luftblasen ist der Ton, der aus dem Cappuccino kommt, tiefer, weil der Schall im Cappuccino langsamer ist. Nach und nach steigen die Luftbläschen aber auf und zerplatzen, und mit jedem Luftbläschen, das verschwindet, wird der Schall im Cappuccino wieder ein bisschen schneller und der Ton damit ein bisschen höher. Das Ganze dauert 10 bis 20 Sekunden, und wenn man die ganze Zeit klopft, hört man deshalb eine Tonleiter.

Gehen Sie denn durch den Alltag und notieren sich Dinge, die Sie untersuchen möchten? Kurioserweise ja. Ich bin froh, dass es Apps mit Notizfunktion gibt, weil ich mir die ganzen Dinge, die mir auffallen, gar nicht merken kann. Ich kann mich stundenlang an einer Frage oder einer Beobachtung festbeißen. Deshalb speichere ich das dann lieber in meinem Notizbuch, wo es dann auch monatelang ruhen kann. Das ist quasi mein Friedhof für Ideen. Ein paar werden dann vielleicht nochmal exhumiert. Einige davon verwenden Sie für Ihre Arbeit als Wissenschaftsjournalist. Wie schafft man es, Zuhörern solche Themenbereiche nahezubringen, wo doch allein das Wort Naturwissenschaften bei vielen Menschen Abneigung auslöst? Ein Wissenschaftsjournalist ist in gewisser Weise ein Übersetzer und muss beide Sprachen beherrschen: Auf der einen Seite muss er von der Wissenschaft so viel verstehen, dass er Zusammenhänge grob erklären kann, auf der anderen Seite muss er wissen, welche Interessen und welches Vorwissen sein Publikum mitbringt. Ich versuche, Menschen für Physik zu begeistern, und das mache ich gern über Physik im Alltag. Natürlich untersuchen Physiker im echten Leben nicht, wie man eine Flasche Wein mit einem Schuh aufkriegt, aber mit dem Beispiel, das viele spannend und lustig finden, vermittelt man ein Gefühl da-

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INTERVIEW

für, was Physik ist. Ein Wissenschaftsjournalist muss auch einordnen. Auf viele Fragen, über die man sich in der Gesellschaft streitet, gibt es wissenschaftliche Antworten. Dass Menschen ein Gefühl für diese Fragen und die Antworten bekommen, das muss der Wissenschaftsjournalist leisten. Auch, weil die meisten Wissenschaftler selbst dafür nicht besonders geeignet sind. Woran liegt das? Wenn ich mich sehr lange und detailliert mit etwas befasse, werde ich darin zwangsläufig so ein Experte, dass Nicht-Experten da nicht mehr mitreden können. Mir geht das zum Beispiel bei Handwerkern so. Da lege ich die Ohren an, weil ich in diesem Fall der Nicht-Experte bin, die Begriffe nicht kenne und auch gar kein Gefühl für das Problem habe. Letztens habe ich mit Handwerkern gesprochen, da ging es um „abmauern“, „Rähm“ und „Felder“. Ich höre die Wörter, aber verstehe kein einziges. Jeder ist in seinem Thema Experte.

Aeneas Rooch Rubbel die Katz oder

Hat es die Wissenschaft im von vielen ausgerufenen „postfaktischen Zeitalter“ schwerer? Heute glaubt jeder, sich durch zwei Minuten googlen eine profunde Meinung bilden zu können. Das ist aber bei vielen Themen unmöglich, weil die Zusammenhänge einfach zu kompliziert sind. Leute fühlen häufig nicht, dass sie mit einer Meinung Unrecht haben könnten, dass es eine zweite Meinung geben könnte oder dass Dinge viel komplizierter sind, als sie sich das vorstellen. Das ist es, was man in der Wissenschaft vor allem lernt. Auch deshalb sind Wissenschaftler für unsere Gesellschaft so wichtig.

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Aber in der medialen Darstellung werden Wissenschaftler häufig belächelt und als Nerds dargestellt... Das trifft oft auch zu, da würde ich mich selber nicht ausnehmen (lacht). Ein Nerd ist ja nichts ausschließlich Negatives, sondern jemand mit speziellen Interessen und speziellem Wissen. Was vielleicht noch oben draufkommt: Menschen werden in der Wissenschaft auch ein bisschen skurril.

Oder Wissenschaft zieht von Anfang an skurrile Menschen an, das kann auch sein. Viele Menschen, die ich kenne – ich vielleicht auch –, sind genauso wie in der Comedy-Serie „Big Bang Theory“, nur ohne Lacher. Manchmal sitzt man mit Freunden vor dem Fernseher, es kommt eine Werbung für Kopfschmerztabletten, und einer sagt: „Die Wolken, die da im Hintergrund durchs Bild fliegen, kann es so gar nicht geben, weil…“, und dann kommt ein Vortrag über Wolkenentstehung. Bei uns ist das ziemlich normal, andere finden das wahrscheinlich skurril. Nerven Sie diese Klischees über Wissenschaftler denn nicht? Doch. Das fängt schon an bei den Bösewichten aus Comicverfilmungen: Das sind Wissenschaftler, die durch einen Laborunfall zum Schurken geworden sind. Wissenschaft ist Bedrohung, ist der Subtext. Natürlich ist das Unterhaltung, aber ich befürchte, es produziert Vorurteile. Es gibt zwar auch Fälle, in denen Wissenschaft als etwas Gutes dargestellt wird – die Forschungsausrichtung bei Star Trek, die High-Tech-Ausrüstung bei James Bond –, aber die Protagonisten sind selten selbst Wissenschaftler. Und auch bei Formaten, die keine Fiktion sind, bei Spielshows im Fernsehen zum Beispiel, werden Wissenschaftler oft mit strubbeligen Haaren und schiefer Brille in Szene gesetzt. Die kauzige Optik gibt einem die Möglichkeit, sich zu sagen: Das ist abgehobenes Zeug, das muss man gar nicht verstehen. Diese Ansicht müsste man den Leuten dringend austreiben! Viel von dem, was wir in unserem Leben toll finden, die Spitzentechnologien, die wir nutzen, unsere Gesundheit und unser Wohlstand basieren alle auf Wissenschaft und Technik. Wir fahren Autos mit Einparkhilfe und Spurassistent, mögen unser Smartphone und wasserdichte Funktionsjacken. All das ist Wissenschaft!


SOZIALES

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Am Ende waren es 5.500 Menschen, die im Oktober in Bochum für eine „Seebrücke“ demonstrierten. Sie fordern, die Seenotrettung von Menschen im Mittelmeer nicht weiter zu blockieren und sichere Fluchtwege zu schaffen. Und sie appellieren konkret an die Bochumer Stadtspitze: Nehmt mehr Geflüchtete auf! Text und Foto: Alexandra Gehrhardt

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as Orange der Bewegung steht für die Rettungswesten, die, zurückgelassen an italienischen oder griechischen Stränden oder treibend auf dem Mittelmeer, ein Symbol geworden sind für die lebensgefährliche Flucht nach Europa. Ob die Pflicht zur Seenotrettung auch für Flüchtende gilt, scheint seit diesem Sommer eine diskutable Frage zu sein. Mit „Oder soll man es lassen?“ war das Pro und Contra zur Rettung sterbender Menschen in der „Zeit“ überschrieben. Mehrfach blieben nichtstaatlich eingesetzte Rettungsschiffe tagelang mit geretteten Geflüchteten auf See, weil mehrere EUStaaten ihnen das Einlaufen in ihre Häfen verboten. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind von Januar bis August dieses Jahres rund 1.500 Flüchtende im Mittelmeer gestorben. Die „Seebrücke“ will dem etwas entgegenstellen. „Anstatt Grenzen dicht zu machen und SeenotretterInnen zu kriminalisieren, brauchen wir sichere

Fluchtwege und Häfen und solidarische Städte, die bereit sind, Geflüchtete aufzunehmen“, hieß es im Aufruf. Eine davon solle, so der Appell an Rat und Verwaltung, Bochum sein. Weil die Kommune eine Erstaufnahmeeinrichtung mit 1.000 Plätzen betreibt, muss sie 1.000 Menschen weniger auf eigene Kosten unterbringen. Diese Plätze, fordert die „Seebrücke“, sollten für aus Seenot Gerettete zur Verfügung stehen. Düsseldorf, Köln und Bonn hatten der Bundesregierung im Juli entsprechende Angebote gemacht. Auch für hier lebende Menschen fordert die „Seebrücke“ Verbesserungen: Bürokratieabbau bei der Wohnungs- und Jobsuche, bezahlbaren Wohnraum, ausreichend Plätze in Kitas und Schulen. An diesen Forderungen will das Bündnis gemeinsam mit anderen Interessierten und Engagierten langfristig weiterarbeiten. Für den 29. November plant die Initiative einen Aktionstag rund um die nächste Ratssitzung.

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SOZIALES

Obdachlosigkeit kann jeden treffen. Oder nicht? Suzanne Fitzpatrick, Professorin für Wohnen und Sozialpolitik an der Heriot-Watt University in Edinburgh, hat begründete Zweifel. Auf der Internationalen Konferenz der Straßenzeitungen in Glasgow trug sie ihre Forschungsergebnisse vor. Von Tony Inglis und Bastian Pütter | Fotos: Jack Donaghy, Reuters / Suzanne Plunkett

Wer Lobbyarbeit für Wohnungslose macht, wählt häufig die vermeintliche Nähe: Die Krisen, die in Obdachlosigkeit enden, könnten jeden treffen, weil wir alle „zwei Gehaltsschecks davon entfernt sind, obdachlos zu werden“. Die Belege für diese These seien jedoch dünn, sagt Suzanne Fitzpatrick (Foto): „In einem lobenswerten Versuch, die weitere Ausgrenzung derjenigen zu vermeiden, die unter akuten Formen der Benachteiligung wie Armut oder Obdachlosigkeit leiden, wird argumentiert, dass dieses Unglück jedem passieren kann‘“, sagt die Forscherin. „Gerade in Bezug auf Obdachlosigkeit proben sympathische Politiker, Wissenschaftler und andere Mantras wie ,Obdachlosigkeit hat viele Ursachen‘ und ,Obdachlosigkeit ist enorm komplex‘.“ Fitzpatricks These: Solch „integrative“ Erzählungen lenken von tieferen strukturellen Ursachen ab, die identifizierbar und möglicherweise auch vermeidbar sind, wenn sich Politik ihnen stellt. Die Forscherin ist sich sicher, dass es tatsächlich identifizierbare Faktoren gibt, die einen tiefgreifenden Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit haben, dass eine Person in die Obdachlosigkeit rutscht. Sie betont: „Wir sprechen nicht von kleinen Unterschieden – das sind grundlegende Unterschiede, die bedeuten, dass bestimmte Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit obdachlos werden, während andere praktisch nicht gefährdet sind.“ Suzanne Fitzpatrick hat zusammen mit ihrem Kollegen Glen Bramley drei große britische Umfragen ausgewertet, die nach früheren Erfahrungen mit Obdachlosigkeit fragen: die „Scottish Household Survey“, die britische „Poverty and Social Exclusion Survey“ und die „British Cohort Study.“ Die Auswertung zeigt, dass Armut – insbesondere Kinderarmut – bei weitem der stärkste Marker für spätere Obdachlosigkeit im

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jungen Erwachsenenalter ist. Gesundheits- und Suchtprobleme vergrößern zwar ebenfalls das Obdachlosigkeitsrisiko, aber ihre Aussagekraft ist geringer als die von Armut. Soziale Unterstützungsnetzwerke sind ein wichtiger schützender „Puffer“, aber auch hier ist die Verbindung zu Obdachlosigkeit schwächer als die zur materiellen Armut. Der Wohnort und die Wohnungsmarktlage sind ebenfalls Faktoren, aber diese zusätzlichen „Flächeneffekte“ sind wesentlich weniger wichtig als Einzel- und Haushaltsvariablen. „Tatsache ist, dass die Wahrscheinlichkeit von Obdachlosigkeit für einige systematisch benachteiligte Gruppen in Großbritannien so hoch ist, dass sie fast zur ,Norm‘ wird“, sagt Suzanne Fitzpatrick. „Umgekehrt ist die Wahrscheinlichkeit, obdachlos zu werden, für andere Bevölkerungsgruppen extrem gering, da sie durch viele Schutzfaktoren abgefedert werden.“ In ihrem Aufsatz präsentieren Fitzpatrick und Bramley zwei Fall-Vignetten, die von den beiden Enden dieses Risikospektrums stammen: Für einen weißen Mann mit unproblematischer Schullaufbahn und höherem Bildungsabschluss, der im ländlichen Südengland aufgewachsen ist und mit 26 bei seinen Eltern wohnt, liegt die Wahrscheinlichkeit, mit 30 obdachlos zu sein, bei 0,2 Prozent. Für eine nichtweiße Frau mit 26, die mit einem alleinerziehenden Elternteil in Armut aufwuchs, selbst Mutter ist und ohne Arbeit, liegt die Wahrscheinlichkeit, mit 30 obdachlos zu sein, bei 71,2 Prozent. Vor diesem Hintergrund sei die Behauptung, es könne jeden treffen, eine „massiv irreführende Aussage“. Auch wenn sie helfe, Unterstützung in der Bevölkerung für die Anliegen der Wohnungslosenhilfe zu gewinnen, sei sie – zumindest für Großbritannien – nachweislich falsch. „Solche Mythen werden gefährlich, wenn sie so oft wiederholt werden, dass diejenigen, die es besser wissen sollten und vielleicht auch müssen, anfangen, ihnen zu glauben“, sagt Suzanne Fitzpatrick. Politik und Wohnungslosenhilfe müssten sich davon trennen, „damit


wir die Art von wirksamen, langfristigen Präventivmaßnahmen entwickeln können, die ihren vorhersehbaren, aber keineswegs unvermeidlichen Charakter erkennen.“ Das führt Suzanne Fitzpatrick zu einer grundsätzlichen Kritik: „Auf einer anderen Ebene scheint die Wiederholung dieser Lüge einen zutiefst deprimierenden Zustand zu signalisieren: dass wir die Notwendigkeit verspüren, die moralisch zweifelhafte

Kommentar

Haltung zu unterstützen, dass etwas ,Schlechtes‘ wie Obdachlosigkeit nur dann zählt, wenn es einem selbst passieren könnte.“ Um diese Nähe herzustellen, seien viele bereit, die Existenz struktureller Ungleichheiten zu leugnen: „Also lassen wir es hinter uns. Seien wir so ehrlich, dass Obdachlosigkeit uns wahrscheinlich nicht passieren wird, wenn wir zur Mittelschicht gehören. Aber wir sollten uns trotzdem darum kümmern. Weil es einer wachsenden Zahl unserer Mitbürger passiert.“

Von Bastian Pütter

Bereits in Glasgow wurde nach dem Vortrag von Prof. Suzanne Fitzpatrick viel diskutiert. In der deutschen Wohnungslosenhilfe setzt sich diese Diskussion fort. Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „wohnungslos“, herausgegeben von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, hat den Aufsatz von Fitzpatrick und Bramley abgedruckt. Die vielleicht entscheidende Frage ist die, inwieweit sich die britischen Forschungsergebnisse auf andere Gesellschaften übertragen lassen. Einzigartig jedenfalls ist die Datenbasis: So umfangreiches Material zu biografischen Erfahrungen

mit Obdachlosigkeit gibt es wohl nur in Großbritannien. Abgesehen davon unterscheidet sich die britische grundlegend von der deutschen Gesellschaft. Soziale Sicherungssysteme, Mieter- und Arbeitnehmerrechte waren (und sind oft noch) in Deutschland weiter und anders entwickelt, Migration ist grundlegend anders verlaufen, Klassengrenzen sind vielleicht nirgends so undurchlässig wie in Großbritannien; gleichzeitig ist die britische Gesellschaft der US-amerikanischen spätestens seit dem „neoliberal turn“ mit der Wahl Thatchers in

Großbritannien (1979) näher als der deutschen. Margarets Thatchers Amtszeit bleibt mit einem einzigartigen sozialen Kahlschlag und einer Erhöhung der Lebensrisiken – einschließlich Obdachlosigkeit – verbunden. Die „nachholende Entwicklung“, mit der Rot-Grün ab 2002 das britische „New Labour“-Modell adaptierte und geradezu eskalierte, verwischt zunehmend die Unterschiede. Mit Hartz IV ist ein Fall aus der Erwerbstätigkeit verbunden mit unmittelbarer und dauerhafter Armutsgefährdung. Der einzigartige Niedriglohnsek-

tor reduziert Armutsgefährdung und sogar Armut selbst bei voller Berufstätigkeit nicht. Kinder allein sind ein Armutsrisiko, jedes siebte – das sind zwei Millionen – lebt in einer Hartz-IV-Familie. Zusätzlich ist nirgends in Europa der Schulerfolg so sehr vom Status der Eltern abhängig. Wenn, wie Fitzpatricks Studie nahelegt, tatsächlich Kinderarmut am stärksten mit späterer Obdachlosigkeit korreliert, und dies in Grundzügen auf Deutschland übertragbar ist, sind die Ergebnisse alarmierend.

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2 | Ziehen Sie uns warm an! Ein Kapuzenpullover für einen bodo-Verkäufer. Mit Ihrer Spende ermöglichen Sie die Anschaffung eines warmen Kapuzenpullovers.* 15 Euro 3 | „Brüchige Biografien“ Dokumentarfilm 79 Minuten. bodo-Sonderheft A5 inkl. DVD. 2,50 Euro zzgl. 2 Euro Versand 4 | Ein halbes Jahr bodo! Verschenken Sie ein Gutscheinheft für sechs Ausgaben des Straßenmagazins. Das faire Abo: zum Einlösen direkt bei unseren Verkäufern auf der Straße. 15 Euro 5 | Schenken Sie Lesefreude! Ein Geschenkgutschein für unseren Buchladen. Auswahl aus 10.000 Romanen, Krimis, Koch-, Sachund Kinderbüchern, frei wählbar. ab 10 Euro 6 | bodo zum Umhängen! Tasche aus LKW-Plane mit Schultergurt aus Autosicherheitsgurt, Maße 29 x 19,5 x 8 cm. 29,90 Euro zzgl. 4,90 Euro Versand

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* Alle unsere Verkäufer erhalten

einen Kapuzenpullover und eine Regenjacke als Verkaufskleidung. Ermöglicht wird dies mit Ihrer Spende. Sie erhalten auf Wunsch eine Spendenbescheinigung.

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bodo e.V. Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund Tel. 0231 – 950 978 0 | info@bodoev.de Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr www.bodoev.de VE RSAN D MÖGL ICH

„Die übersehene Krise“ Vielen Dank für Euren sehr guten Artikel zur verschwiegenen Wohnungsnot in Dortmund. Ich finde, es ist eine Unverschämtheit, dass die Stadt Dortmund die tatsächlichen Wohnungslosenzahlen einfach verschweigt. Ich finde super, dass Ihr auch mit einer Demonstration darauf aufmerksam gemacht habt. Ich konnte nicht dabei sein und schlug gespannt am folgenden Tag, dem 18. Oktober, die Ruhr Nachrichten auf: Nichts zur Demonstration, nichts zu den nur von Euch gemeldeten 2.300 (!) Wohnungslosen in Dortmund. Stattdessen als Titelthema und als ganze Seite die 9 (!) Bettler auf dem Westenhellweg und wie sie angeblich dem Einzelhandel „schaden“. Ärgerlich! Warum ich bodo kaufe? Weil es einem armen Menschen hilft. Warum ich bodo lese? Damit ich erfahre, was in meiner Stadt los ist. Weiter so! K. R. Sachspenden

„Tierische Artikel“ Hallo bodo, in sporadischer Regelmäßigkeit fahre ich zur Stühmeyerstraße 33 in Bochum, um eine Kofferraumladung Spenden zu bringen. Bis vor kurzer Zeit waren es Haushalts- und Hygieneartikel, Kleidung (männlich wie weiblich), Handtücher, Bücher u.v.m. Vor einigen Wochen habe ich an einem Mittwoch auch ein neues Hundekörbchen mit weicher Kisseneinlage mitgebracht. Am folgenden Montag, also grad mal fünf Tage später, war ich wieder dort – und das Körbchen hatte bereits einen dankbaren Abnehmer gefunden! Seitdem ist bei jeder Fahrt mindestens eine große Tasche mit an Bord, gefüllt mit Equipment für die Pfoten. Und dieser Leserbrief soll somit ein Aufruf sein an alle bodo-Leser: Bitte bringt auch tierische Artikel mit, wie z.B. Halsbänder, Geschirre, Leinen, Wintermäntelchen, Spielzeug, Leckerchen, Futter- und Wasser-Näpfe, Decken, Körbchen, Futter. Viele „Zweibeiner“, die dringend unsere Hilfe benötigen, haben selbst auch einen „Vierbeiner“. Denn Tiere – egal, ob Hund oder Katze – sind positiv für Herz und Seele. Jeder Vierbeiner ist Partner, Freund, Lebensgefährte, Vertrauter, Zuhörer u.v.m. Wenn Sie selbst kein Tier haben, aber Freunde, Bekannte, Nachbarn, Kollegen von Ihnen, dann fragen Sie dort bitte nach. Denn jeder Mensch, der Tiere liebt, ist von Herzen gern bereit, anderen Tieren zu helfen und deren Herrchen oder Frauchen zu unterstützen. Eure T. R. Liebe Frau R., dem können wir uns nur anschließen! Vielen Dank und viele Grüße von bodo


RÄTSEL

Die US-Rockband Pearl Jam hat mit ihrer Stiftung elf Millionen Dollar gesammelt, die nun rund 100 Wohnungslosenhilfe-Organisationen in der Region Seattle erhalten. Auch die Straßenzeitung „Real Change“ um unseren wunderbaren Kollegen Tim Harris erhält 50.000 Dollar. Foto: Danny Clinch

Schreiben Sie uns: redaktion@bodoev.de Telefon: 0231 – 950 978 0 bodo 10.18

„Damit nichts passiert“ Wird der Kommentar von Bastian Pütter, der begonnen hat, die Peinlichkeiten des NRW-Innenministers Herbert Reul aufzuzählen, eigentlich eine Fortsetzungsgeschichte? Wenn Herr Reul so weitermacht, könnt ihr in jeder Ausgabe eine Seite reservieren. Besonders dreist fand ich zuletzt die Behauptung, für Windräder im Raum Aachen würde eine größere Waldfläche gerodet als der Hambacher Wald. Fake-News, die x-te. Solidarische Grüße, S. B.

bodos Bücher Liebes bodo-Buchladenteam, hiermit möchte ich mich bei Euch für Euren tollen Laden bedanken. Da ich neben meinem neuen Job viel lese, bin ich oft im Laden und finde, das, was es bei Euch an Büchern gibt, toll! Danke für die Arbeit, A. K. Straßenmagazin

„Weil Ihr es wert seid!“ heute habe ich im bodo-Buchladen vier Kartons Bücher abgegeben und wollte mich damit bei bodo bedanken, denn Euer Magazin zählt zum Besten, was ich an Straßenmagazinen je gelesen habe. Weiter so, O. T.

AUFLÖSUNG HEFT 10.18

Hallo bodo-Redaktion,

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VERKÄUFERGESCHICHTEN

Christian verkauft das Straßenmagazin auf der Kortumstraße in Bochum

„Man steht schneller ohne Wohnung da, als man denkt“

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Noch ganz neu in Bochum ist Christian. Seit Ende September hat er seinen Verkaufsplatz auf der Kortumstraße. Wir haben uns zum Frühstück getroffen und uns über Probleme bei der Wohnungssuche und den Verkauf des Straßenmagazins unterhalten.

Als wir morgens zum Verkäufercafé in die Stühmeyerstraße kommen, wartet Christian bereits auf uns. Seit der gebürtige Bielefelder bodo verkauft, beginnt sein Tag meist mit einem Frühstück in der Bochumer Anlaufstelle. Zurzeit wohnt er zusammen mit einem Freund in einem verlassenen Haus am Rande der Bochumer Innenstadt. „Natürlich ist das nicht die Lösung. Aber besser, als sich alleine in der City eine Ecke zu suchen. Da sind wir auf jeden Fall gut versteckt und uns findet so schnell niemand. Zu zweit ist man sowieso immer sicherer unterwegs“, erzählt er, während wir frühstücken.

Text und Foto: Sebastian Sellhorst

Seine Wohnung hat Christian verloren, als er eine Gefängnisstrafe wegen einer Geldstrafe, die er nicht bezahlen konnte, absitzen musste. Als er wieder raus kam, war seine Wohnung weg. „Dann steht man natürlich erst mal doof da und guckt, wie man über die Runden kommt. Eine Zeit lang habe ich gebettelt. Wenn du dich dann auf Wohnungssuche machst, wird es richtig unangenehm. Du rufst irgendwo an und sagst, dass du zurzeit ohne festen Wohnsitz bist, dann gibt es meistens nur ein ‚Danke, wir melden uns‘ zu hören. Aber irgendwie kann ich es auch verstehen. Wenn du die Wahl hast zwischen dem Studenten und dem Typen, der gerade auf der Straße lebt, dann musst du wahrscheinlich nicht lange überlegen, wem du deine Wohnung vermietest“, erzählt Christian von den Hürden der Wohnungssuche.

Nach seiner Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur ging der 35-Jährige zur Bundeswehr. Zweimal war er für drei Monate im Kosovo stationiert. „Die Geschichten über den traumatisierten Bundeswehrsoldaten in der letzten bodo habe ich daher natürlich mit besonders viel Interesse gelesen“, erzählt er uns. „Ich lese immer die ganze bodo und versuche den Leuten dann die Geschichte zu verkaufen, von denen ich glaube, dass sie sie am meisten interessiert. Damit fahre ich bisher eigentlich ganz gut.“ Mit seinem Verkaufsplatz in der Innenstadt ist Christian zufrieden. Es gebe zwar auch mal Stunden, in denen nicht viel los sei, aber damit komme er zurecht. „Du musst immer gucken, wo die Leute gerade herkommen. So etwas kann sich von Stunde zu Stunde verändern. In der Mittagspause sind die Leute eher gestresst und wollen einfach nur schnell was essen, dann mache ich lieber auch eine Pause, weil da eh kaum jemand stehen bleibt. Wenn die Leute dann Feierabend haben, sind sie schon wieder um einiges entspannter.“ Christians nächstes großes Ziel ist es, noch möglichst vor dem Winter wieder irgendwo unterzukommen. „Wenn mein Leben dann wieder etwas geordneter verläuft, möchte ich mich auch unbedingt wieder bei der freiwilligen Feuerwehr engagieren. Das hab ich seit ich ein Kind war gemacht, aber wenn du so lebst, wie ich im Moment, bleibt für so etwas einfach keine Kraft.“


Anzeige Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Westliches Westfalen e.V.

Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt

Zum Glück muss meine Oma das nicht mehr erleben. Der Lobbyclub Foodwatch hält Frauen wie sie für Dealerinnen des Todes, die Kinder anfixen mit der Höllendroge Zucker. Vom Süßen abgesehen, nehme ich auch heute praktisch keine Drogen. Bei den Foodwatchern bin ich mir nicht so sicher. Die sagen, kurz gesagt: Schon Grundschüler werden hinabgezogen in den tödlichen „Kakaosumpf“. Das geschieht nicht nur unter den Augen staatlicher Behörden, das geschieht unter ihrem Mitwirken. Was passiert morgens um halb zehn in Schuldeutschland? Achtjährige entscheiden sich in acht von zehn Fällen freiwillig gegen die gute Milch und für den zuckrigen Todestrunk. Möglich nur, weil die Kakaokiller ihren Stoff staatlich subventioniert direkt in die Grundschule liefern. Schlecht, wenn alle Welt nur über die Umwelt redet. Dann sind Deutsche Umwelthilfe und Greenpeace top. Dumm für Foodwatch. Beim Handelsabkommen TTIP gelang es mit der Erfindung des Chlorhuhns noch, sich bei diesem spröden Thema nach vorn zu schieben. Bei Diesel und Braunkohle denkt aber keiner ans Mittagessen, auch Bechsteinfledermäuse stehen selten auf dem Speiseplan.

Martin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.

SAVE THE DATE: 30./31.8. + 1.9.2019 barett, leinkunst, Ka K k, si u M e g Drei Ta en in der Überraschung Aktionen und ty! Dortmunder Ci

Über Grundschulen könnten wir streiten, über die zunehmend scheiternde Inklusion, über fehlende Lehrer, über knapp ausgebildete und sparsam bezahlte Hilfskräfte im Kollegium. Foodwatch kommt mit Kakao und erfindet die Maßeinheit . „Stücke Würfelzucker“. Plötzlich sind sie überall drin. Sie lassen sich zwar schwer durch einen Strohhalm saugen, machen sich aber gut auf Horrorfotos. Sieben! Stücke!! Würfelzucker!!! in einem Getränkepäckchen. Das klingt schlimm, ganz anders als nach der Umrechnung: Man gebe zu einer Tasse heißer, fetter Milch einen Teelöffel vom guten, bitteren holländischen Kakao, dazu zwei Teelöffel Zucker. So hat es Oma gemacht, die alte Dealerin. Im Winter gab es vorm Einschlafen noch einen Löffel Honig.

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Klosterstraße 8-10 • 44135 Dortmund 0231 - 99 340

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