bodo Oktober 2018

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bodo DAS

IN STRASSENMAGAZ

10 | 18 Die besten Geschichten auf der Straße

2,50 Euro Die Hälfte für den Verkäufer

ÄPFEL, ADEL, DAMPFMASCHINE SHAWARMA IST HEIMAT PTBS: KRIEG IM KOPF

, T L E W , E L I E V ERW M U H C O B N I ON S

STOLPERSTEINE

J OH A N S I M

Dortmunds übersehene Wohnungskrise Seite 12

NUR MIT AUSWEIS

Nahid Farshi Seite 4 1


IMPRESSUM

Herausgeber, Verlag, Redaktion: bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.: Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de 0231 – 950 978 12, Fax 950 978 20 Layout und Produktion: Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign info@lookatnoll.de Veranstaltungskalender: Petra von Randow, redaktion@bodoev.de

INHALT

Nahid Farshi

Von Ursula Maria Wartmann

Anzeigenleitung: Susanne Schröder, anzeigen@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Vertriebsleitung: Oliver Philipp, vertrieb@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe: René Boyke, Alexandra Gehrhardt, Ahmad Kamalmaz, Wolfgang Kienast, Max Florian Kühlem, Lacramiora, Dirk Planert, Bastian Pütter, Petra von Randow, Sebastian Sellhorst, Ursula Maria Wartmann Titelfoto: Daniel Sadrowski Bildnachweise: Bianka Boyke (S. 16), Dirk Planert (S. 38, 40), Bastian Pütter (S. 45), Reuters / Wolfgang Rattey (S. 16), Sabrina Richmann (S. 4, 6), Daniel Sadrowski (S. 3, 14, 19, 21, 30, 32, 33, 34, 35, 43), Oliver Schaper (S. 23), Sebastian Sellhorst (S. 2, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 14, 23, 46), Shutterstock.com (S. 22), Stadt Bochum, Referat für Kommunikation (S. 27), Henk Wittinghöfer (S. 25) Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien Auflage, Erscheinungsweise: 20.000 Exemplare, monatlich in BO, DO und Umgebung Redaktions- und Anzeigenschluss: für die November-Ausgabe 10. 10. 2018 Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste 03. 2018 Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Vereinssitz: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund www.bodoev.de, facebook.com/bodoev

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Als Studentin in Teheran hilft sie Flüchtlingen und muss schließlich aus der iranischen Diktatur fliehen. Sie lernt Deutsch, studiert, wird Diplom-Informatikerin und Projektmanagerin in internationalen Projekten – und Dortmunds bekannteste Flüchtlingshelferin.

Das schönste Theater

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„Auf der Straße sieht man einen Mix von Leuten unterschiedlichster Herkunft, das muss ein Ensemble doch widerspiegeln“, sagt Johan Simons, neuer Intendant des Schauspielhauses Bochum. Und „ein StadttheaterProgramm muss auch politisch sein.“ Von Max Florian Kühlem

Krieg im Kopf

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Fast hat er ein Auto von der B1 gedrängt, weil er sich wieder im Krieg wähnte. Fünf Jahre hat es gedauert vom Einsatz nach der Bombardierung der Tanklastzüge bei Kundus bis zu dem „Flashback“ in Dortmund. Hans K. leidet unter PTBS, einem Kriegstrauma. Von Dirk Planert

Vorstand: Andre Noll, Verena Mayer, Marcus Parzonka verein@bodoev.de Geschäftsleitung, Verwaltung: Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, verein@bodoev.de Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt, Bastian Pütter 0231 – 950 978 0, redaktion@bodoev.de Transporte, Haushaltsauflösungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln, 0231 – 950 978 0, transport@bodoev.de bodos Bücher, Modernes Antiquariat: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund: Schwanenstraße 38, 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 – 13 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Bochum: Stühmeyerstraße 33, 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr, Fr. 14 – 17 Uhr Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00 BIC: BFSWDE33XXX

Lacramiora, bodo-Verkäuferin in Dortmund Liebe Leserinnen und Leser, als ich vor einigen Wochen nach einer etwas längeren Pause zurück an meinen Verkaufsplatz kam, hatten sich schon einige meiner Stammkunden nach mir erkundigt. Ich habe ein paar Wochen nicht verkauft und die Schulferien meiner beiden Söhne genutzt, um meine Familie in Rumänien zu besuchen. Die Reise war unglaublich anstrengend. Fast 40 Stunden haben wir im Bus gesessen, und das fast komplett ohne Pause. Als wir in meiner Heimatstadt in Bacău bei meiner Mutter angekommen sind, mussten wir uns erst mal erholen. Aber einmal im Jahr möchte ich natürlich auch Familie und Freunde besuchen, und meine Söhne haben sich riesig gefreut, ihre Großmutter zu treffen. Zurück an meinem Verkaufsplatz haben mich dann einige meiner Stammkunden gefragt, wo ich so lange war, und mir erzählt, dass sie sich schon Sorgen gemacht hätten. Es ist immer ein gutes Gefühl zu wissen, dass man vermisst wird, wenn man mal ein paar Tage nicht verkauft. Viele Grüße, Ihre Lacramiora

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EDITORIAL

04 Menschen | Nahid Farshi 07 Straßenleben | Wohin im Winter? Nachgehakt. 08 Neues von bodo 12 Reportage | Die übersehene Krise 16 Das Foto 16 Recht | Jobcenter muss Computer für Schüler bezahlen 17 Kommentar | Damit nichts passiert 17 Die Zahl 18 Interview | Johan Simons 22 Wilde Kräuter | Taubnessel 23 Neues von bodo | Rosa Winkel, schwarzer Winkel 24 Veranstaltungskalender | Verlosungen 29 Kinotipp | Der Affront 30 bodo geht aus | Begopa. Gangnam Style in Bochum 32 Reportage | Äpfel, Adel und eine Dampfmaschine 36 Bücher 37 Eine Frage… | Wie findet man eigentlich Blindgänger? 38 Reportage | Krieg im Kopf 42 Reportage | Ein wenig Zuhause auf dem Teller 44 bodo Shop | Leserpost 45 Leserpost | Rätsel 46 Verkäufergeschichten | Christian

Liebe Leserinnen und Leser, das ging schnell. Unser Septemberheft mochten wir selbst ziemlich gerne, und so freut es uns, wie schnell es „unter die Leute“ kam. Bereits zwei Wochen vor Erscheinen dieses Heftes waren unsere Ausgabestellen ausverkauft und die letzten der 20.000 Exemplare auf dem Weg zu ihren Leserinnen und Lesern. Vielen Dank! Nach den vielen Hitzetagen, an denen wir uns sehr um unsere VerkäuferInnen, vor allem um die mit Vorerkrankungen gesorgt haben, war der lange Spätsommer nicht nur eine Erholung, sondern offensichtlich gutes Straßenzeitungswetter – für Kunden und Verkäufer. Wir hoffen, dass Sie weiter regelmäßig bei uns reinschauen – auch, um zu sehen, dass wir uns Mühe geben, unsere Gegenstände der Berichterstattung paritätisch in Bochum, in Dortmund und in der Umgebung zu finden. Da gibt es immer mal einen kritischen Hinweis von Ihrer Seite… In diesem Heft also: Zeitenwende am Bochumer Schauspielhaus mit einem ziemlich coolen Johan Simons – die erschreckende Wohnungslosenzahl in Dortmund, die nirgends steht – eine Geschichte aus Unna und Kundus darüber, dass Soldat kein normaler Beruf ist – Obst, Schnaps und Klimawandel im Ruhrtal – Dortmunds Flüchtlingshelferin Nummer 1 – koreanischer Kimchi-Eintopf in Bochum und syrische Shawarma-Startups in Dortmund – und eine Menge mehr.

Ihre Meinung ist uns wichtig. S.4 4

Schreiben Sie uns, was Ihnen gefällt, was Sie ärgert, was Ihnen bei uns fehlt – wir freuen uns auf Ihre Kritik. Viele Grüße von bodo Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de

Von Nothilfe bis Neuanfang: Helfen Sie helfen.

Wer einmal obdachlos war, lebt oft in Angst vor dem neuerlichen Verlust der Wohnung. Wir beraten, begleiten und betreuen ehemals Obdachlose – und geben die Sicherheit, die nötig ist. Mit Ihrer Hilfe. Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00

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MENSCHEN

Die Botschafterin

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Nahid Farshi ist so eine: Sie will nicht nur nehmen, sie will auch geben. Wie ein roter Faden zieht sich das Thema Flucht durch ihr Leben. Damals in Teheran fing das an, 1984, als sie selbst verfolgt wurde und mit zwanzig Jahren plötzlich politischer Flüchtling war. In Deutschland ging ihr Leben weiter. Wo sie angekommen, wo sie geblieben ist. Wo sie Karriere machte und dennoch das große Thema ihres Lebens nie vergaß. Im Mai wurde sie ausgezeichnet: Die Bundeszentrale für politische Bildung ehrte sie als „Botschafterin für Demokratie und Toleranz“. Von Ursula Maria Wartmann | Fotos: Sabrina Richmann

Zu Hause in Teheran riskiert Nahid Farshi damals Kopf und Kragen. Sie hat gerade das Abitur gemacht, geht zu Demonstrationen, arbeitet mit Geflüchteten aus Afghanistan. „Wenn du nur ein bisschen sozial engagiert warst“, sagt sie, „warst du als links abgestempelt. Und links sein war gefährlich.“ Dieser ganz normale Tag damals: Ayatollah Chomeini ist an der Macht, der erste Golfkrieg erschüttert die Welt. Die Repressionen unter dem Regime der Mullahs nehmen zu. In deren Gefolge verändert sich an diesem ganz normalen Tag Nahid Farshis Leben von einer Sekunde auf die nächste. Sie wird gewarnt, eindringlich; die Polizei habe ihre Wohnung durchsucht. Dorthin zurückzukehren sei lebensgefährlich. Es ist bitter, es ist entsetzlich, aber es ist Fakt: Nie wieder wird sie in ihre Wohnung zurückkehren. Als sie 1984 in Düsseldorf aus dem Flieger steigt, ist sie im vierten Monat schwanger und hat nicht viel mehr dabei als die Kleider auf dem Leib.

Farshi arbeitet als Diplom-Informatikerin bei verschiedenen Firmen. Projektmanagerin, Freelancerin, internationale Projekte in Wien, London, Prag. Ihr guter Ruf eilt ihr voraus. Sie verdient viel Geld, kann sich ohne Risiko finanzielle Auszeiten leisten, tut das auch und widmet sich in diesen Zeitblöcken von bis zu zwei Jahren dem Ehrenamt, der Flüchtlingshilfe. Dem großen Thema ihres Lebens.

„Wenn du nur ein bisschen sozial engagiert warst, warst du als links abgestempelt. Und links sein war gefährlich.“

Die junge Iranerin arbeitet hart. Anfangs lebt sie in Bochum, sie hat Asyl beantragt und besucht Deutschkurse. Gleich drei am Tag sind es am Anfang, „solchen Schiss hatte ich, dass sie mich in der Klinik bei der Entbindung nicht verstehen.“ Es folgt das Studienkolleg, dann das Informatik-Studium an der FH Dortmund. So ziemlich von Anfang an ist da Dunja Bertold als Weggefährtin und „Patin“ von Nahid Farshi. „Mit ihr“, sagt sie dankbar, „bin ich wirklich gut befreundet. Sie hat mir immer sehr geholfen.“

Sie ist für kurze Zeit die erste Leiterin des damaligen Flüchtlingshauses in der Adlerstraße. Und gründet dann, Anfang 2015, mit ein paar MitstreiterInnen das Projekt Ankommen e.V., das im ehemaligen Büro des Quartiersmanagements in der Heinrichstraße angesiedelt ist. „Wir waren“, sagt sie, „erst eine Handvoll Leute. Jetzt sind es über 400.“ Den Integrationspreis der Stadt Dortmund und viele weitere Preise hat der Verein Projekt Ankommen e.V. für sein Engagement bekommen, erst jüngst wurde er von der Stadt Münster ausgezeichnet. Nahid Farshi selbst trägt den Ehrenring der Innenstadt-West. Im Mai dann die Feierstunde in Berlin: Die Bundeszen-

Nahid Farshi Geboren in Teheran Flucht nach Deutschland Diplom-Informatikerin malt und spielt Santur (eine Art Zither) Mitgründerin des „Projekt Ankommen e.V.“ mehrfach ausgezeichnete Flüchtlingshelferin

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MENSCHEN

trale für Politische Bildung ehrte sie als „Botschafterin für Demokratie und Toleranz“; eine hohe Auszeichnung – und eine unbedingt verdiente. Sie war eine von fünfen, die auf der Bühne im Rampenlicht standen; 189 hatten sich beworben. Seit 2015 ist sie Mitglied des Sprecherrats von „Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe Dortmund“. Seit fast zwei Jahren ist sie bei der Stadt Dortmund angestellt. „lokal willkommen“ heißt das Format. Zu den Aufgaben gehören u.a. Netzwerkarbeit mit den unterschiedlichsten Akteuren, Runde Tische sowie der Auf bau weiterer Beratungsstellen, verteilt über die Stadt. Nahid Farshi entspannt sich beim Malen – Frauen in bunten Saris sind ein bevorzugtes Motiv – und bei Musik. Sie hat gelernt, Santur zu spielen, eine Art Zither, die zwischen Westeuropa und China verbreitet ist. Und weil Nahid Farshi das, was sie macht, gerne richtig macht, hat sie Unterricht bei einem Profi aus Essen genommen. Kioomars Musayebi, der wie sie aus Teheran stammt, ist ein bekannter Santurspieler und Komponist. Mitglied des „Transorient Orchestra“ außerdem, einer Bigband aus dem Ruhrgebiet.

„Wir waren erst eine Handvoll Leute. Jetzt sind es über 400.“

Nahid Farshi liebt auch das Reisen. Nach Indien besonders, wo sie „trotz aller Armut die Lebensfreude faszinierend“ findet. Und dann Backgammon… Das ist eine echte Leidenschaft. Wie oft schon ist sie in Griechenland gewesen, um dort an Turnieren, Freundschaftsspielen allesamt, teilzunehmen? Sie kann es kaum zählen. Und wie oft hat sie gewonnen? Auch kaum mehr zu zählen. In Dortmund hat sie ebenfalls bei Turnieren gespielt; Freunde, Freundinnen haben mitgefiebert. Ach ja, die Leute hier: Ihr gefällt das lockere, das offene Visier der meisten „Ruhris“, und auch, wenn es kein Land gibt, das Nahid Farshi Heimat nennen kann (auch nicht, obwohl sie längst die deutsche Staatsangehörigkeit hat), so kann sie doch sagen: „Ich bin eine Dortmunderin“, und das macht sie froh. Als ihr Vater vor vier Jahren starb, 5.000 Kilometer entfernt an diesem anderen Ende der Welt, wäre sie gern die letzten Tage bei ihm gewesen, doch einen Weg zurück, den gibt es nicht für eine wie sie. Nicht einmal dann, wenn ein Vater stirbt. So etwas auszuhalten ist schwer, manche zerbrechen daran, doch Nahid Farshi wächst. Ihr Sohn, erzählt sie, sei einmal in Iran gewesen: Er habe das Grab seines früh verstorbenen Vaters besucht. Man sieht sich öfter, redet, kocht zusammen. „Und wenn er mal Fragen zur Informatik hat“, sagt Nahid Farshi, „dann kann ich ihm ein wenig zur Seite stehen…“ Lange wird das nicht mehr nötig sein, das Ende des Studiums naht. Nahid Farshi macht weiter auf ihrem Weg. Unbeirrt. Empathisch. Freut sich über Erfolge, den einen oder anderen Preis. Steckt Rückschläge weg. Sie ist so eine: Sie will nicht nur nehmen. Sie will auch geben.

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STRASSENLEBEN

Am 17. Oktober, dem Tag für die internationale Beseitigung der Armut, laden die Suppenküche Kana, die Wohnungsloseninitiative Gast-Haus und bodo um 17 Uhr zu einer Kundgebung vor das Dortmunder Rathaus. In Interviews wird über die Situation der Wohnungslosenhilfe vor dem Winter berichtet, und es werden neue Projekte vorgestellt. Die Veranstalter rufen dazu auf, nicht mehr benötigte Schlafsäcke zum Rathaus zu bringen. Von Bastian Pütter | Foto: Sebastian Sellhorst

Und wohin im Winter? Nachgehakt.

Vor genau einem Jahr luden die Initiativen zum ersten Mal vor das Rathaus. Anlass waren die rapide steigenden Wohnungslosenzahlen und die zunehmende Überlastung von Notschlaf- und Versorgungsangeboten. Seitdem ist viel passiert. Einerseits ist der weitere Anstieg der Wohnungslosenzahlen dramatisch (s.S.12). Andererseits unterzog die Verwaltung nach der vielstimmigen Kritik im vergangenen Jahr „das bestehende und gut vernetzte Versorgungssystem einem konsequenten Check“, mit dem Ziel, es dem tatsächlichen Bedarf anzupassen. Heraus kam das Konzept „Wohnungslose Menschen in Dortmund. Weiterentwicklung der Wohnungslosenhilfe“, das vor allem eine vorsichtige Erweiterung und eine Neustrukturierung der Notschlafund Unterbringungsplätze vorsieht. Auf den Rathaustreppen wird über den – um es vorwegzunehmen: noch bescheidenen – Stand der Umsetzung berichtet. Es soll eine Notschlafstelle für drogenabhängige Menschen geschaffen werden und endlich ein neuer Platz für die Frauenübernachtungsstelle gefunden werden. Obdachlosen EU-Ausländern wird in der Regel weiterhin eine Rückkehrhilfe statt

eines Schlafplatzes angeboten, Obdachlose mit Haustieren erhalten weiterhin keinen Zugang zu Notschlafstellen. Da bis zum Winter kaum Entlastungen zu erwarten sind, erneuern die Initiativen am 17. Oktober ihren Aufruf nach Sofortmaßnahmen. Die Akteure vom GastHaus bis zur Katholischen Stadtkirche sind jedoch selbst nicht untätig geblieben und stellen ihre frei finanzierten Hilfsprojekte für die kalte Jahreszeit vor. Die reichen von aufsuchenden Versorgungsangeboten und einem Kältebus bis hin zur Schaffung von ergänzenden Notschlafplätzen bei Minustemperaturen.

17. Oktober, 17 Uhr Kana, Gast-Haus und bodo laden ein zur Kundgebung vor dem Dortmunder Rathaus

Vor dem Rathaus wird es Kaffee und Kuchen und ein musikalisches Rahmenprogramm geben. Kana, Gast-Haus und bodo freuen sich über Schlafsackspenden.

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NEUES VON BODO

Kaffee & Knifte Auf regelmäßigen Touren durch die Bochumer und die Dortmunder Innenstadt versorgen wir außerhalb der Öffnungszeiten der Anlaufstellen Wohnungslose mit „Kaffee und Knifte“: Heiße Getränke, belegte Brote und in Zukunft auch Suppe, Hygieneartikel und Schlafsäcke bringen wir mit unseren ehrenamtlichen Teams zu einer stetig steigenden Zahl Menschen. Neu dabei sind unsere bei der Post ausrangierten und von uns in bodoRot lackierten Kaffee-und-Knifte-Mobile, die hier mit Vertrieblerin Gaby Schleusser, Stadtführer Marcus Waskönig und bodo-Vertriebsleiter Oliver Philipp ihren ersten Praxistest bestehen.

TERMINE

Wenn Sie zu festen Terminen mit uns auf Tour gehen möchten, schreiben Sie uns oder rufen Sie uns an: ehrenamt@bodoev.de oder 0231 – 950 978 0.

Soziale Stadtführung in Dortmund Sa., 13. Oktober, 11 Uhr Treffpunkt: bodo-Buchladen Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Soziale Stadtführung in Bochum Sa., 20. Oktober, 11 Uhr Treffpunkt: bodo-Anlaufstelle Stühmeyerstraße 33 44787 Bochum „arm in Arm“: Wohnen ist ein Menschenrecht! Mi., 10. Oktober, 18 Uhr Wichernhaus, Stollenstraße 36 44145 Dortmund Kundgebung am Tag der Armut Mi., 17. Oktober, 17 Uhr Friedensplatz, Rathaustreppen Dortmund 8

Recht auf Wohnen

Ein anderer Blick

Am Mittwoch, dem 10. Oktober um 18 Uhr, lädt das Netzwerk „arm in Arm“ zu einer Veranstaltung unter dem Titel „Wohnen ist ein Menschenrecht! – Für bezahlbaren Wohnraum!“ ins Dortmunder Wichernhaus. An der Veranstaltung nehmen auch Stadtrat Ludger Wilde, Dezernent für Umwelt, Planen und Wohnen, sowie Thomas Böhm, Leiter des Amtes für Wohnen und Stadterneuerung, teil. Dem Netzwerk „arm in Arm“ gehören neben den Wohlfahrtsverbänden, den Kirchen und der Jüdischen Kultusgemeinde auch Mieterverein, Arbeitslosenzentrum, Schuldnerberatung, Kinderschutzbund und Frauenzentrum sowie die freien Träger der Wohnungslosenhilfe wie bodo und Gast-Haus an.

Mehr als 32.000 Wohnungslose zählt NRW aktuell. In vielen Großstädten gibt es ein dichtes Netz an Einrichtungen und Initiativen, die wohnungslose Menschen unterstützen. Dieses Netz machen wir bei unseren Sozialen Stadtführungen sichtbar. Einmal im Monat nehmen Stadtführer und bodoVerkäufer Interessierte in Bochum und Dortmund mit an Orte, die viele nicht kennen, die aber essenziell für Wohnungslose sind, um zu frühstücken, zu duschen, den Tag zu verbringen. Sie berichten von eigenen Erfahrungen mit Wohnungslosigkeit, von Hürden und Erfolgen. Immer am 2. Samstag des Monats in Dortmund und am 3. Samstag des Monats in Bochum. Kostenbeitrag: 5 Euro, Anmeldung: 0231 – 950 978 0.


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Unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Dortmund haben sich rund 200 gemeinnützige Vereine, Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen. Sie bieten Unterstützungsleistungen in allen Lebensbereichen an:

Neue Ausweise Bis November tauschen unsere Verkäuferinnen und Verkäufer ihre bodo-Verkaufsausweise gegen neue Exemplare. Die Kunststoffkarte ähnelt den Jetzt anmelden! bisherigen Ausweisen, hat aber gut sichtbar ein Gültigkeitsdatum aufgedruckt. Zwar gibt es bislang kaum Probleme mit den Ausweisen, das Ablaufdatum soll jedoch helfen, Missbrauch vorzubeugen.

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Beratung bei Ehe- und Lebenskrisen Unterstützung bei der Betreuung von Kindern Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene Unterstützung bei psychischen Erkrankungen Hilfen für Menschen mit Behinderungen Hilfen in Notlagen und bei besonderen sozialen Schwierigkeiten Selbsthilfeunterstützung

Kontakt über Paritätischer Wohlfahrtsverband NRW Kreisgruppe Dortmund Ostenhellweg 42-48/Eingang Moritzgasse | 44135 Dortmund Telefon: (0231) 189989-0, Fax: -30 dortmund@paritaet-nrw.org | www.dortmund.paritaet-nrw.org

Entdecken Sie sich selbst!

Mit über 1.689 Veranstaltungen bietet die VHS Dortmund wieder ein abwechslungsreiches Programm:

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Körperschulung, Bewegung, Kochen und Ernährung, Sprachen, Politik, Gesellschaft, Ökologie, - EDV, - interessante Vorträge und Exkursionen.

Kleiderspenden Auch wenn es lange nicht so aussah – auch dieser Ausnahmesommer ist nun vorbei. Die nassen und vor allem kälter werdenden Tage zeigen die Lücken in unseren Kleiderkammern für Wohnungslose. Wir benötigen Nachschub: Besonders Herrenkleidung in normalen und großen Größen fehlt zurzeit: Hosen, Hemden, Pullover, Jacken, Mäntel sowie feste Schuhe. Auch die Nachfrage nach gebrauchten Schlafsäcken steigt in der nassen Jahreszeit wieder an. Gerne nehmen wir Ihre gut erhaltenen Kleiderspenden während der Öffnungszeiten unserer Bochumer Anlaufstelle in der Stühmeyerstraße 33 und in unserem Dortmunder Buchladen am Schwanenwall 36 – 38 entgegen.

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NEUES VON BODO

Taler, Taler Geldsegen für bodo: In der Schwanen Apotheke am Dortmunder Westenhellweg 81 wurde in den vergangenen Monaten für bodo gesammelt. Zwei stattliche Talersäckchen überreichten Inhaberin Gisela Ausbüttel und Susanne Diedrich, Filialleiterin der Schwanen Apotheke, nun an Susanne Schröder und Oliver Philipp von bodo. Ausbüttels Taler erhalten Kunden bei einem Einkauf ab 7,50 Euro. Taler können gegen eine Prämie eingetauscht oder für einen guten Zweck gespendet werden. Am Ende einer Sammelaktion verdoppelt Familie Ausbüttel den Wert der gespendeten Taler. Diesmal war unsere Dortmunder Anlaufstelle das Spendenziel: 2.537,18 Euro kamen zusammen. Vielen Dank! Und noch ein Grund zur Freude: Bis Ende November können in der Corso Apotheke am Westenhellweg 7 ebenfalls Taler für bodo gespendet werden. Wir freuen uns sehr, denn kleine und große Spenden machen unsere Arbeit für Menschen in Not erst möglich.

SOZIALES „Bochum: Deins, meins, unsers? Innenstadt gemeinsam gestalten!“ heißt die Kampagne des Netzwerks „Stadt für alle“. Seit dem Frühjahr diskutierte eine offene Stadtversammlung die kommunalen Pläne für die Innenstadt. Inzwischen läuft eine Unterschriftenkampagne mit dem Ziel, Musikschule und das Gesundheitsamt als Gebäude zu erhalten und die Privatisierung der Innenstadt-Grundstücke zu verhindern. stadt-fuer-alle-bochum.net Der Paritätische fordert einen Hartz-IV-Regelsatz von 571 Euro statt der geplanten Erhöhung um 8 Euro auf 424 Euro für Singles und um 5 Euro auf 245 Euro für kleine Kinder. „Der jetzige Regelsatz ist das Ergebnis manipulativer Eingriffe in die statistischen Berechnungen, kleinlicher Missgunst und armutspolitischer Ignoranz“, kritisierte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. 38,4 Prozent der Lehrerstellen bleiben in diesem Schuljahr in NRW unbesetzt. Das Land konnte von landesweit 9.623 offenen Stellen nur 5.929 besetzen. In ganz Deutschland fehlen 40.000 Lehrer, besonders kritisch ist die Situation an Grund- und Förderschulen. Wie viel Unterrichtsausfall der Mangel zur Folge hat, will das Schulministerium ab diesem Schuljahr viermal jährlich für jede Schule erheben. Fast 80 Prozent der in der Krankenpflege Arbeitenden fühlen sich häufig gehetzt, in der Altenpflege sind es fast 70 Prozent, so die Ergebnisse einer Umfrage des DGB. Nicht einmal jede vierte Pflegekraft ist der Ansicht, ihren Beruf unter den derzeitigen Arbeitsbedingungen bis zur Rente ausüben zu können. Bis 2030, rechnet der DGB hoch, werden in der Altenpflege 300.000 Kräfte fehlen. 10

bodo packt an Zurück in den ersten Arbeitsmarkt: Das bodo-Projekt Transport versteht sich als Beschäftigungsinitiative, die Langzeitarbeitslosen und ehemaligen Verkäufern des Straßenmagazins einen neuen Start ins Berufsleben ermöglicht. Möchten Sie die Unterstützung unseres Teams? Wir bieten an: Haushaltsauf lösungen von der Einzimmerwohnung bis zum großen Wohnhaus, Keller- und Dachbodenentrümpelungen, den Transport von Kartons und Kisten, die Entsorgung von Gartenabfällen oder die Entfernung von Tapeten, Bodenbelägen, Wand- oder Deckenverkleidungen. Wir freuen uns auf Ihren Anruf, beraten Sie gerne und vereinbaren einen Termin für einen unverbindlichen Kostenvoranschlag.


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www.facebook.com/bodoev Ansprechpartner

0231 – 950 978 0

Geschäftsleitung: Tanja Walter verein@bodoev.de

bodo ist für Sie da montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr zentrale Rufnummer: 0231 – 950 978 0 Mail: info@bodoev.de Fax: 0231 – 950 978 20 Besuchen Sie uns Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr Sa. 10 – 14 Uhr Stühmeyerstraße 33 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr Fr. 14 – 17 Uhr

Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt Bastian Pütter redaktion@bodoev.de Anzeigen: Susanne Schröder anzeigen@bodoev.de Vertrieb: Oliver Philipp vertrieb@bodoev.de

en lassen.“ „Nicht ärgern. Berat © by Photocase.de

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Mieter schützen · Mietern nützen!

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Mieterverein

Bochum, Hattingen und Umgegend e.V.

Brückstraße 58 44787 Bochum Tel.: 0234 / 96 11 40 mieterverein-bochum.de

Kampstr. 4 44137 Dortmund Tel. 0231/557656-0 mieterverein-dortmund.de

Öffnungszeiten Mo - Do 9:00 - 18:00 Fr 9:00 - 12:00

Öffnungszeiten Mo - Do 8:30 - 18:00 Fr 8:30 - 14:00

Mitglieder im Deutschen Mieterbund

bodos Bücher: Suzanne Präkelt buch@bodoev.de bodos Bücher online: Gordon Smith basar@bodoev.de Haushaltsauflösungen und Entsorgungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln transport@bodoev.de

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Kunst für die Hälfte

Ihre Bücher

Wegen der großen Nachfrage verlängern wir in diesem Jahr unsere Kunstbuchaktion. Von Anfang Oktober bis Ende November gibt es in unserem Buchladen am Dortmunder Schwanenwall alle Großformate auf unseren Sonderflächen für die Hälfte: hochwertige Bildbände, seltene Ausstellungskataloge, Kunst- und Fotobücher – alles zum halben Preis. Auch sonst lohnt der Besuch am Wall: Rund 10.000 oft neuwertige Krimis und Romane sowie Sach-, Fach-, Koch- und Kinderbücher warten auf Zweitleser. Auch CDs und Schallplatten finden Sie bei uns. Wir haben montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 14 Uhr für Sie geöffnet und freuen uns auf Ihren Besuch.

Unser Buchteam freut sich über jede Buchspende, auch über den einzelnen Urlaubskrimi. Doch auch mit großen Mengen kommen unsere MitarbeiterInnen zurecht. Anfang September spendete uns der Lions-Club „Via Regis“ aus Unna ein „etwas größeres“ Gebinde. Fünf Europaletten mit Büchern waren beim Büchermarkt zugunsten der „Aktion für Kinder in Unna e.V.“ in der Bürgerhalle Unna übriggeblieben – darunter viele schöne, gut verkäufliche Bücher. Auch Ihre gut erhaltenen Bücher nehmen wir zu den Öffnungszeiten unseres Buchladens und unserer Bochumer Anlaufstelle gerne entgegen. Es gibt Park- und Halteplätze vor der Tür, unsere MitarbeiterInnen helfen gerne beim Ausladen. 11


REPORTAGE

Die übersehene Krise

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Weil es „ein technisches Problem mit der Datenbank“ gab, meldete Dortmund für die aktuelle Landesstatistik „Null“ durch die Stadt untergebrachte Wohnungslose. Bisher fragte niemand, wie viele es denn wirklich sind. Die tatsächlichen Zahlen sind erschreckend. Sie haben sich innerhalb eines Jahres mehr als verdreifacht. Von Alexandra Gehrhardt und Bastian Pütter Fotos: Sebastian Sellhorst, Daniel Sadrowski

S

tatistiken sind kompliziert, da macht auch die „Wohnungsnotfallberichterstattung“ von NRW keine Ausnahme. Jedes Jahr am 30. Juni erfassen die NRWKommunen, wer in (Not-)Unterkünften und -wohnungen untergebracht ist, um Obdachlosigkeit zu vermeiden. Dazu zählen die freien Träger der Wohnungslosenhilfe die von ihnen betreuten Menschen ohne eigene Wohnung. Kein perfektes System: Wer etwa auf der Straße lebt, ohne Hilfe in Anspruch zu nehmen, geht nicht in die Statistik ein. Aber ein System, das immerhin über einen langen Zeitraum – die Statistik gibt es seit 1965 – Entwicklungen ablesbar macht.

2.300 Wohnungslose Ebenjene Entwicklung ist besorgniserregend. Schon in den vergangenen Jahren stieg die Zahl mit wachsender Dynamik, von 2016 auf

2017 beträgt der Zuwachs beinahe 30 Prozent. Zum Stichtag waren 32.300 Personen in NRW wohnungslos gemeldet – so viele Menschen leben in einer Mittelstadt wie Werl, Waltrop oder Gevelsberg. Die Dortmunder Zahlen offenbaren eine weitaus dramatischere Entwicklung als in den meisten NRW-Kommunen. Die Zahl der von der freien Wohnungslosenhilfe Betreuten stieg im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Viertel auf 509. Wirklich aus den Fugen ist jedoch die Zahl der von der Stadt untergebrachten Personen, die in der Statistik falsch mit Null angegeben ist. Im Vorjahr standen hier 249 Personen, die in städtischen Wohnungen und (Not-) Unterkünften lebten. Auf Nachfrage von bodo nennt die Stadt Dortmund nun aktuell 874 nach Ordnungsbehördengesetz Untergebrachte, unter ihnen 116 BewohnerInnen des vor einem Jahr geräumten Wohnkomplexes Hannibal, die nicht auf dem Wohnungsmarkt unterkommen und um Hilfe nachgesucht haben. Dazu kommen noch einmal 939 anerkannte Flüchtlinge in den Unterkünften. Obwohl die

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REPORTAGE

Von links: Thomas Bohne, Leiter der Zentralen Beratungsstelle für Wohnungslose Katrin Lauterborn, Geschäftsführerin des Gast-Haus e.V. Dr. Tobias Scholz, wohnungspolitischer Sprecher des Mietervereins Dortmund

als wohnungslos gelten, hat Dortmund ihre Zahl auch in den vergangenen Jahren für die Statistik unterschlagen. Unter dem Strich beträgt die offizielle Wohnungslosenzahl für Dortmund nun 2.322 – eine Verdreifachung seit dem Vorjahr!

Viel Hoffnungslosigkeit, wenig Chancen Katrin Lauterborn, Geschäftsführerin im GastHaus, erlebt zweierlei: „Einerseits beobachten wir einen Anstieg der Not: Unsere Gästezahlen sind im vergangenen Jahr um zehn Prozent gestiegen. Auf der anderen Seite haben wir immer mehr mit Hoffnungslosigkeit zu tun. Viele unserer Gäste haben keine Chance auf dem Wohnungsmarkt, sei es durch negative Schufa-Einträge oder den Status als obdachlos oder wohnungslos. Das schreckt Vermieter ab. Das Hauptproblem liegt darin, dass ,Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten‘ nicht in der Lage sind, ihre Probleme alleine zu lösen, sie brauchen eine engmaschige Begleitung. Wir nennen dies ,mobile Einzelfallhilfe‘. So etwas ist in der städtischen Wohnungslosenhilfe nicht vorgesehen.“ Auch bei der Diakonie steigt die Zahl der Hilfesuchenden – allein in diesem Jahr im Schnitt um 15 Prozent, „obwohl wir schon über jede Grenze hinaus sind“, sagt Thomas Bohne, Leiter der Zentralen Beratungsstelle für Wohnungslose. Die Wohnungslosigkeit nimmt seiner Beobachtung nach nicht nur durch fehlenden Wohnraum und steigende Mieten zu, sondern auch durch wachsende Armut: „Neben denen im Transferleistungsbezug haben wir auch Klienten, deren Situation

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ungeklärt ist, deren Einkommen trotz Arbeit nicht reicht, oder die wegen eines negativen Schufa-Eintrags keine Wohnung bekommen“, so Bohne. „Es ist nicht so, dass wir grundsätzlich keine Wohnungen mehr finden. Aber der Aufwand wird größer. Wir kennen einige Vermieter, die Vertrauen zu uns haben. Aber bei den großen Wohnungsgesellschaften scheint der Leerstand gleich Null zu sein.“ Auch beim Gast-Haus läuft eine ständige Suche: „Unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter haben sogar manchmal Erfolge, wenn sie unsere Gäste begleiten. Nur über persönliche Kontakte erhalten wir Wohnraum. Der Wohnungsmangel ist hier jedoch deutlich spürbar.“ Bei Zwangsräumungen, von denen es immerhin im Schnitt zwei pro Tag gibt in Dortmund, steigt auf einem überlasteten Wohnungsmarkt die Gefahr, dauerhaft „draußen“ zu bleiben: „Mehrere Fälle von Wohnungsverlust konnten wir vermeiden, wenn unsere Gäste rechtzeitig unsere Hilfe in Anspruch genommen haben“, sagt Katrin Lauterborn. „Wenn die Zwangsräumung durchgeführt wurde, haben wir immer wieder Fälle, die danach keine eigene Wohnung mehr finden. Die Situation ist sehr schwierig.“

Notlösungen statt Wohnungsbau Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist nicht neu. Die Angebotsmiete in Dortmund lag 2017 bei 6,63 Euro pro Quadratmeter – ein Spottpreis im Vergleich zu Hamburg, Köln oder München, eine Menge für Leute, bei denen das Geld knapp ist. „Weil es weniger günstige Wohnungen gibt, wächst auf dem Wohnungsmarkt die Konkurrenz um knapper


werdende Ressourcen“, sagt Dr. Tobias Scholz, wohnungspolitischer Sprecher des Mietervereins Dortmund. „Geringverdiener, RentnerInnen, Langzeitarbeitslose, Geflüchtete und Studierende können da nicht mehr mithalten. Selbst Haushalte mit mittleren Einkommen spüren mittlerweile die Anspannung des Marktes.“ Wenn schon die Konkurrenz zwischen denen wächst, die eine Wohnung haben, fallen die, die keine haben, hinten herunter. Die Stadt steuert vor allem wohnungspolitisch gegen, mit Fördermitteln für günstigen Wohnraum, einer Sozialwohnungsquote und kommunalem Wohnungsbau. Hier sieht der Mietervereinssprecher auch die Kommune in der Pflicht: „Die Stadt sollte selbst dafür sorgen, dass mehr bezahlbare Wohnungen entstehen, die auch dauerhaft in kommunaler Hand bleiben“, so Scholz. Dass die städtische Wohnungsgesellschaft Dogewo21 geförderte Wohnungen auf städtischen Grundstücken baut, ist für ihn ein vorstellbares Szenario.

Zugleich unternimmt die Verwaltung, quasi unsichtbar, enorme Anstrengungen, um offene Obdachlosigkeit zu verhindern. Seit Anfang 2016 hat sie das Wohnraumvorhalteprogramm von 69 auf 705 aufgestockt. Dieses ist gedacht, um Menschen in Notfällen unterzubringen – zum Beispiel, nachdem vor einem Jahr der Hannibal in Dorstfeld wegen Brandschutzmängeln geräumt wurde. Binnen Stunden mussten 753 Menschen ihre Wohnungen verlassen, jahrelang hatte es Beschwerden über defekte Fahrstühle und andere Mängel gegeben. Mehr als 100 ehemalige HannibalBewohner leben noch in Notwohnungen. Das erhält Nothilfe aufrecht – bezahlbaren Wohnraum schafft es nicht. Selbst Bauherrin sein will die Stadt in Zukunft nicht mehr. „So lange es genug private Investoren gibt, ist das ein gutes Zeichen“, sagte Wohnungsamtsleiter Thomas Böhm im September. Kein gutes Signal für 2.322 Menschen.

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DAS FOTO

Spaß bei der Arbeit: Vermummte Polizisten machen Selfies, bevor sie am 13. September mit der Räumung von rund 50 Baumhäusern im Hambacher Forst beginnen. Klimaaktivisten versuchen die Ausweitung des Braunkohletagebaus durch RWE zu verhindern. Die Räumung sei einer der größten Polizeieinsätze in der Geschichte Nordrhein-Westfalens. Foto: Reuters / Wolfgang Rattay

RECHT

Jobcenter muss Computer für Schüler bezahlen Von René Boyke Bereits vor 20 Jahren hatten Schüler mit eigenem Computer in der Schule erhebliche Vorteile gegenüber anderen Schülern, die keinen Computer besaßen. Anfertigen von Hausaufgaben, Facharbeiten und Internetrecherche waren schon damals möglich, verbreitet und gern gesehen. Heute ist ein Computer für Schüler schlicht unentbehrlich. Das ist ein Problem für Schüler, die sich einen Computer nicht

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ohne weiteres leisten können, etwa wenn sie im Leistungsbezug sind. Darum beantragten zwei leistungsbeziehende Schüler die Erstattung der Kosten für einen internettauglichen Computer, um schulische Aufgaben wie Hausarbeiten und Referate erfüllen zu können. Das zuständige Jobcenter lehnte jedoch ab. Daher klagten die Achtklässler vor dem Sozialgericht Gotha (S 26 AS 3971/17), welches ihnen Recht gab

und das Jobcenter verpflichtete, die Kosten von 600 Euro als einmaligen Mehrbedarf gemäß §21 Abs. 6 SGB II zu übernehmen. Die Worte des Gerichts sind deutlich: „Jeder, der Kinder im schulfähigen Alter hat – und das hat eine Vielzahl der MitarbeiterInnen des Jobcenters –, müsste eigentlich wissen, dass ohne einen internetfähigen PC die Befolgung organisatorischer Vorgaben der Schule zu großen Teilen gar nicht mehr möglich ist.


KOMMENTAR

Damit nichts passiert Von Bastian Pütter

Reul im Porzellanladen

„Was ist das eigentlich für ein Scheißladen hier?“, fragte Herbert Reul auf einer Pressekonferenz – und er meinte das Bundesland, in dem er als Innenminister dilettiert, und dessen angeblich verrohte Insassen. Reul, „so etwas wie der Volksmund im Ministerrang“ (WAZ), ist das wandelnde kleinere Übel. Während seine ungelenken Feindbeschimpfungen mit fröhlichem „Schwamm drüber“ wechseln, wenn es um seinen Laden geht, denkt man: immerhin kein Seehofer. Reul wackelte nach der illegalen Abschiebung des Bochumers Sami A. Dass eine Landesregierung bewusst das Recht beugte, war schon genug. Reuls Satz von den Richtern, die im Blick haben sollen, „dass ihre Entscheidungen dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entsprechen“, war eigentlich zu viel. Vielleicht weiß er erst nach Intervention der Kanzlerin, dass die Nazis 1935 das „gesunde Volksempfinden“ genau auf diese Weise zur Rechtsnorm im Strafrecht machten. Aber Desinteresse an rechtlichen Vorgaben für seinen Apparat demonstriert der ausgewiesene Polizei-Laie weiterhin. Dort hat man verstanden, dass man dem jovialen Onkel hanebüchenen Quatsch vorlegen kann, er wird’s schon vertreten. Nach der wohl illegalen Durchsuchung des Dortmunder Kulturzentrums „Langer August“ (bodo 9/18) antwortete Reuls Ministerium auf eine Kleine Anfrage der Grünen sinngemäß, dass man Gegenstände, die man nicht gesucht habe, in Räumen gefunden habe, die man nicht durchsucht habe. Respekt. Um im Sinne von RWE die Erzählung zu untermauern, dass alles Böse der Welt in Baumhäusern in einem Wald bei Köln hockt, ließ Reul schimpfend Asservate präsentieren. Dass die gleiche Messerkollektion schon einmal vor zwei Jahren Empörung generieren sollte – ein Detail. Und der Auftakt zur staatlichen Fake-News-Produktion rund um den Hambacher Forst mit Tunneln, aus denen Vietcong-gleich Hippies sprängen, und tödlichen Fallen, die eigentlich Fundamente für Abspannseile sind. Nach dem Unfalltod eines Journalisten behauptete die Polizei, es habe zu diesem Zeitpunkt keinen Räumungseinsatz gegeben. Ebenfalls eine Lüge. Vor seinem Tod hatte der Journalist übrigens geklagt, die Polizei verhindere journalistische Arbeit am Boden. Zu all dem schweigt der Chef, aber als nach dem Sturz die BesetzerInnen innehielten und auf Schuldzuweisungen verzichteten, instrumentalisierte Reul den Toten und forderte die AktivistInnen auf, die Baumhäuser freiwillig zu verlassen, „damit nichts passiert“. Das war wieder geschmacklos. Aber was hätte Seehofer draus gemacht?

Das fängt bei der Essensbestellung (…) an, geht weiter über oftmals täglich aktualisierte Vertretungspläne der Schule und weiter über Referate (…) deren Abfassung am Computer als selbstverständlich vorausgesetzt (…) wird. Das ist offensichtlich und selbstverständlich, dass es hier keiner gesonderten Darlegung mehr bedarf.“ Und weiter: „Die vom Beklagten (…) geäußerte Gegenauffassung zeugt dann doch von einer gewissen Weltfremdheit.“

Man muss dem Richter für seine klaren Worte danken. Das Gericht wies allerdings darauf hin, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt und diese etwa bei älteren Schülern, die sich einen Computer im Rahmen eines Ferienjobs verdienen könnten, auch anders ausfallen könnte.

DIE ZAHL

82

Prozent

der Deutschen sind für eine weitere Aufnahme von Flüchtlingen, nur 16 Prozent sind dagegen, so eine Studie des USamerikanischen Pew Research Center. Der europäische Durchschnitt liegt bei 77 Prozent. Deutschland liegt mit Spanien, den Niederlanden, Schweden und Frankreich über dem Eurodurchschnitt, in Ungarn sind die Befürworter in der Minderheit.

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INTERVIEW

„Es ist das schönste Theater Deutschlands“

Johan Simons will als neuer Intendant des Schauspielhauses Bochum wirklich etwas verändern, das verdeutlicht schon die Wahl seines Arbeitsorts. Im weitläufigen ehemaligen Chefbüro mit Parkett lässt jetzt die Dramaturgie gemeinsam die Köpfe rauchen. Johan Simons empfängt in einem kargen, länglichen Raum, der nur aus einem großen Konferenztisch und einem kleinen Bett besteht. Hier will der frühere Intendant der Ruhrtriennale gemeinschaftlich arbeiten und ruhen. Hier entfaltet er uns seine Vision eines Stadttheaters der Gegenwart. Von Max Florian Kühlem Fotos: Daniel Sadrowski

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Wie viel Ruhrtriennale steckt im neuen Schauspielhaus Bochum? Ich habe natürlich einen bestimmten Geschmack, den ich überall hin mitbringe. Und ich denke Stadttheater anders. Ich versuche in der Organisation und in der Art, wie man miteinander umgeht, Hierarchien so flach wie möglich zu halten. Ein Beispiel: Ich habe das traditionelle Intendantenzimmer an die Dramaturgie abgeben, weil ich viel lieber rumlaufe, auch in die Werkstätten komme und mit den Leuten rede, also wirklich auf Augenhöhe. Die Dramaturgen und die Künstler sehe ich sowieso, aber ich muss auch die Leute begeistern, die völlig andere Arbeit tun. Eine der großen Veränderungen ist die Bespielung der Kammerspiele als

„En suite“-Theater. Dort wird also wochenlang nur ein Stück gespielt, was den Vorteil hat, dass die Bühnenbilder nicht abgebaut werden müssen. Bringt das auch längere Probenzeiten mit sich? Ja, das ist bei uns aber generell der Fall. Wir produzieren weniger Stücke, sorgen aber dafür, dass sich die Probenzeiten verlängern. Für „Die Jüdin von Toledo“ nehme ich mir neun Wochen Zeit, Eleanor Bauer probt für „New Joy“ in den Kammerspielen insgesamt zehn Wochen in drei Phasen; und für die zweite Spielzeit denke ich über „König Lear“ nach mit zwölf Wochen. Früher, vor 30 Jahren, war das ganz normal, und in den Niederlanden kennt man das auch noch. Man kann in

zwölf Wochen viel tiefer in die Stoffe einsteigen und sich wirklich neue Bilder und Herangehensweisen überlegen. Ich finde, in Deutschland wird viel zu viel in viel zu wenig Zeit produziert – oft sind inzwischen sechs oder sieben Wochen der Standard – und die Stücke verlieren an Qualität. Ganz neu denken Sie auch das Theater Unten – es wird mit der Eve Bar zum Oval Office. Was bedeutet das? Früher war das ein Raum, wo zum Beispiel die Regieassistenten eine Arbeit gemacht haben. Ich möchte die Assistenten größer wahrnehmen. Wir sind schließlich auch verantwortlich für den Nachwuchs, bilden sie aus zu großen Regisseuren. Das Theater Unten wird als Oval Office ein Raum für Ausstellungen

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INTERVIEW

und Performances, eine Schnittstelle zwischen Theater und bildender Kunst. Den Anfang macht der audiovisuelle Künstler Kurt Hentschläger. Das ist dann ja wirklich das Prinzip Ruhrtriennale – die Verbindung der Künste. Aber warum braucht das Stadttheater Bochum einen Ausstellungsraum? Weil Disziplinen immer mehr zusammenwachsen. Und weil das kein Ausstellungsraum wird, sondern ein Erlebnisraum – übrigens bei freiem Eintritt! Im Theater geht es um Erlebnisse, um sinnliche Erlebnisse. Dazu gehören Schauspiel, Tanz, Musik oder eben auch Rauminstallationen – was diese Verbindungen angeht, habe ich vieles vor. Tanz

manns verknüpft, wird aber nicht nur Ort für Tanz sein. Es wird ein Theaterraum mit einer anderen Bühnensituation sein – zum Bespiel Benny Claessens‘ Produktion „White People’s Problems / The Evil Dead“. Tanz kann bei uns auch im Foyer stattfinden. Ich mische alles auf. Das Junge Schauspielhaus wird auch überall stattfinden – natürlich auch im Großen Haus. Der Vorplatz wirkt gerade öde und leer, nachdem Olaf Kröck ihn in seiner Interimsspielzeit genial belebt hat. Was haben Sie dort vor? Den Vorplatz zu beleben, war natürlich eine gute Idee. Als ich 2016 berufen wurde, haben wir auch schnell darü-

„Wenn man auf die Straße geht, sieht man einen Mix von Leuten unterschiedlichster Herkunft, das muss ein Ensemble doch widerspiegeln!“ zum Beispiel gehört unbedingt zu meinen Ausdrucksformen. Ich komme aus dem Tanz und bin später in die Schauspielschule gegangen. Warum haben Sie die Zeche Eins als neuen Spielort dazu genommen? Weil es manchmal auch wichtig ist, aus dem Haus hinauszugehen und eine neue Perspektive einzunehmen. Die Zeche Eins ist geschichtlich zwar mit der Tanz-Kompanie Reinhild Hoff-

ber nachgedacht, wie man diesen großen Asphaltplatz einladender machen könnte. Olaf ist uns dann zuvorgekommen – und das hat er gut gemacht. Wir werden das mit unserer eigenen Setzung wieder tun ab Ende Oktober und auch mit unseren eigenen Mitteln. Warum soll man immer Leute von außen holen? Wir funktionieren viel aus eigener Kraft, haben unsere eigenen Werkstätten, und unsere Bühnenbildassistenten müssen auch Chancen bekommen, etwas zu gestalten.

Kern des Hauses bleibt auch bei Ihnen das Ensemble. Es ist sehr international geworden, vereint unterschiedliche kulturelle Einflüsse. Wie haben Sie das gemacht? Früher gab es in Ensembles nur Altersunterschiede, aber die Frauen und Männer waren völlig weiß. Ich freue mich, ein Ensemble gefunden zu haben, das verschiedene Mentalitäten vereint, verschiedene Altersgruppen, verschiedene Nationalitäten, unterschiedliche Klänge der Sprache. Wenn man auf die Straße geht, sieht man einen Mix von Leuten unterschiedlichster Herkunft, das muss ein Ensemble doch widerspiegeln! Warum passiert das in Deutschland bisher so wenig? Ich habe wirklich keine Ahnung. Aber es ist nicht mein Problem. Man findet die Leute, wenn man sie sucht, einige sogar an deutschsprachigen Schauspielschulen. Eins meiner Ziele ist auch, ein diverses Publikum ins Haus zu holen. Dafür sind zum Beispiel auch Konzerte wichtig. Muss sich das Publikum auf andere Sprachen auf der Bühne einstellen? Das hier bleibt ein deutsches Stadttheater und auf der Bühne wird vor allem Deutsch gesprochen. Aber das Deutsch von jemandem, der aus Kenia kommt, hat sicher einen anderen Klang. Genauso wenn ein Niederländer auf der Bühne steht. Ich bin übrigens ein schlechtes Beispiel: Ich spreche Deutsch wie Rudi Carrell und ich kann nicht anders. Schau-

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spieler wie Elsie de Brauw oder Pierre Bokma sprechen natürlich perfekt, aber irgendwann kommt mal ein Wort daher, bei dem man aufhorcht. In Ihrer ersten Saison feiert das Schauspielhaus Bochum hundertjähriges Jubiläum. Wie ist Ihre eigene Geschichte mit dem Haus verwoben? Als ich auf der Schule und später der Schauspielschule war, gab es hier Intendanten wie Zadek und Peymann, und wir sind sehr oft mit den Lehrern nach Bochum gefahren. Man sagte: „Es ist ein unfassbar gutes Theater.“ Ich habe wenig verstanden, weil mein Deutsch noch nicht so gut war, aber ich habe eine riesen Qualität auf der Bühne gesehen und fand den Saal unglaublich toll. Auf jedem Stuhl hat man einen wirklich guten Blick. Ich finde, es ist das schönste Theater Deutschlands. Man muss wirklich ein Scheiß-Regisseur sein, um hier nichts Gutes zu machen. (lacht) Warum ist „Die Jüdin von Toledo“ ein gutes Eröffnungsstück? Das Hauptthema der Verständigung der drei Weltreligionen ist heute natürlich ein brennendes. Im Vergleich zu Umweltthemen ist es allerdings sehr menschlich. Den Klimawandel halte ich für das brisante und bestimmende Thema der kommenden Jahre überhaupt. Er wird nie dagewesene Migrationsbewegungen auslösen. Eine Krise wird auf die nächste folgen. Da komme ich auch noch drauf zurück, denn ein Stadttheater-Programm muss selbstverständlich auch politisch sein.

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WILDE KRÄUTER

Unsere monatliche Exkursion in die urbane Welt der wilden Kräuter. Mit nützlichen Informationen, pointierten Fußnoten, vielen Geschichten – und immer einem originellen Rezept. Von Wolfgang Kienast

TAUBNESSEL

K REZEPT 1 kg Boskop schälen, vierteln, entkernen, in dünne Scheiben schneiden und in Zitronenwasser legen. 2 bis 3 Handvoll nicht zu alte Taubnesselblätter fein hacken. 60 g Perl- oder echtes Sago in einer Mischung aus 200 ml Gemüsebrühe und 400 ml Cidre kurz aufkochen lassen. Auf kleine Stufe schalten, den Saft von ½ Zitrone, die Apfelscheiben, die gehackten Blätter und 2 EL braunen Zucker zugeben und bei geschlossenem Deckel etwa 20 bis 25 Minuten garen und gelegentlich rühren. Währenddessen 3 Aachener Printen reiben. Vor dem Servieren Grießklößchen (alternativ Scheiben von trockenem Weißbrot) zugeben und mit den geriebenen Printen bestreuen.

aum vorstellbar ist es, über Taubnesseln zu schreiben und eine andere Pflanzengattung unerwähnt zu lassen: die Brennnesseln. Auch im Rahmen von Wildkrautführungen, die ich zuweilen leite, wird die Relation zwischen beiden stets Thema. Gleichwohl sind die Arten nicht einmal verwandt. Die Taubnesseln (aus der Familie der Lamiacea) verdanken ihren Namen ausschließlich der Tatsache, dass sie den ‚brennenden‘ Urticaceen bis zum Beginn der Blütezeit recht ähnlich sehen. Da Kontakte mit ihnen schmerzfrei bleiben, machte der deutsche Sprachgebrauch sie aus diesem Grunde „taub“ im Sinne von tumb beziehungsweise dumm.

erfahren. Taubnesseln drängen sich schlicht nicht auf. Im Gegenteil – und vielleicht ist das ja gar nicht dumm –, womöglich geht von ihnen etwas ausgesprochen Gelassenes aus. Frau von Bingen habe ich bereits erwähnt, es böte sich noch ein Blick ins „Handbuch des deutschen Aberglaubens“ an. Dort wird unter anderem ein Trank aus Zypresse und Taubnessel genannt, der den Besitzer sanft und gütig machen soll. Das wäre allerdings prima, wenn die Herrschaften, die heuer „Lügenpresse“ schreien und „alternativen Fakten“ Glauben schenken, in dieses Handbuch schauen und besagtem Ratschlag folgen würden. Dann müsste das Rezept nur noch funktionieren.

Gelegentlich nur wurde die taube Nessel sonnig beurteilt. „Wer sie genießt, lacht gern, da ihre Wärme auf die Milz einwirkt und so das Herz erheitert“, behauptete zum Beispiel die längst unsterbliche Hildegard von Bingen. Man muss nicht alles beim Wortlaut nehmen, was ihr zugeschrieben wird. Warum aber bis heute der Taub-, anders als der Brennnessel, in Volksheilkunde wie Wildkrautküche vergleichsweise wenig Raum gegeben wird, ist in der Tat ein bisserl schleierhaft. Punkten kann sie mit verbreitetem Vorkommen, ausgedehnter Vegetationsperiode, zahlreichen Mineralwie Gerbstoffen sowie nicht zuletzt dem Umstand, von Triebspitze bis Wurzelausläufer ganz und gar genießbar zu sein. Und Dank fehlender Brennhaare gerät das Sammeln eben nicht zum Martyrium. Steffen Guido Fleischhauer, er gilt als Papst der Wildkrautköche, lobt den feinen Pilzgeschmack.

Hier könnte jetzt eine Phrase über Hoffnung stehen. Für das nebenstehende Rezept bürge ich.

Jetzt sitze ich selbst im Glashaus. Die „Wilden Kräuter“ erscheinen bereits im achten Jahr, bis dato aber war über den facettenreichen Lippenblütler auch an dieser Stelle nichts zu

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Lamium

Die Taubnesseln sind eine Pflanzengattung in der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae). Die Blüten stellen Lippenblumen bzw. Hummelblumen dar und werden durch Hummeln und andere Apoiden bestäubt. Die Ausbreitung ihrer Teilfrüchte erfolgt durch Ameisen.


NEUES VON BODO

Drei Stolpersteine verlegte der Künstler Gunter Demnig am 15. September in der Dortmunder Innenstadt. Sie erinnern an Männer, die ihrer Homosexualität wegen von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden. Der Stolperstein für den Wohnungslosen Kurt Dorr liegt direkt an den Rathaustreppen. Am Vorabend lud bodo zu einer Diskussionsveranstaltung. Von Bastian Pütter Fotos: Oliver Schaper, Sebastian Sellhorst

Rosa Winkel, schwarzer Winkel Der Dortmunder Publizist Dr. Frank Ahland hat die Verfolgung Homosexueller durch die Nazis u.a. in Dortmund erforscht. Er ist der Initiator der Stolpersteinverlegung für drei schwule Dortmunder. Markus Günnewig, stellvertretender Leiter der Steinwache, erarbeitet zurzeit die künftige Dauerausstellung im alten Polizeigefängnis, in der lange vernachlässigte Opfergruppen wie die der „Asozialen“, zu der Kurt Dorr gehörte, eine größere Rolle spielen werden. Beide Historiker diskutierten im gut gefüllten Buchladen des bodo e.V. über die konkrete Verfolgungspraxis in Dortmund sowie über Nachkriegskontinuitäten und Erinnerungskultur. Eine musikalische Einstimmung lieferten „Minor Swing“ mit zeitgenössischem Swing im Stile Django Reinhardts. Nach der Vorstellung von Gunter Demnigs inzwischen 70.000 mit Messing überkronte Gedenksteine umfassendem StolpersteineProjekts führte Frank Ahland in die Biografien des jüdischen Arztes Hugo Cohen, des jüdischen kaufmännischen Angestellten Friedrich Heimann aus der Nordstadt und des Wohnungslosen Kurt Dorr ein. Ahland betonte den Eifer, mit dem die Dortmunder Kriminalpolizei nach der Verschärfung des Paragraphen 175 im Jahre 1935 schwule Männer verfolgte. Markus Günnewig skizzierte die Tradition der Kriminalisierung von Obdachlosigkeit und Betteln im 19. Jahrhundert am Beispiel der Arbeitshäuser. Und er beschrieb den Weg in die Eskalation im Umgang mit den „Gemeinschaftsfremden“ bis zu den zentral

gelenkten Verhaftungswellen der später so genannten „Aktion Arbeitsscheu Reich“ 1937 und 1938, in der die Dortmunder Polizei das Soll an Verhaftungen freiwillig übererfüllte. Opfer dieser Verhaftungswelle wurde auch Kurt Dorr, er starb 1940 im KZ Mauthausen. Beide Experten betonten das Ausbleiben einer „Stunde Null“. Der verschärfte Paragraf 175 von 1935 blieb bis 1969 unverändert in Kraft, abgeschafft wird er erst nach der Wiedervereinigung. Viele schwule NS-Opfer wurden nach 1945 wieder verurteilt. Arbeitshäuser bestanden ebenfalls bis 1969. Eine Anerkennung von „Asozialen“ und „Berufsverbrechern“ als Opfer steht immer noch aus. Eine Petition des emeritierten Sozialwissenschaftlers Frank Nonnenmacher versucht, das endlich zu ändern. An der Stolpersteinverlegung am Samstagmorgen nahm auch Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau teil. Er wies auf die vor dem Rathaus wehende Regenbogenfahne hin und lobte die Stärke der Dortmunder Zivilgesellschaft. Frank Ahland erinnerte daran, dass zwei Tage zuvor die AfD-Abgeordneten Stephan Brandner (Vorsitzender des Rechtsausschusses) und Jens Maier (Richter aus Dresden) im Bundestag Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle sowie die nach dem jüdischen Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld benannte Bundesstiftung verhöhnt hatten. „Mit dem Lächerlichmachen fängt es an“, sagte Ahland.

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Adresse und dem Betreff „Verlosung“ an redaktion@bodoev.de oder auf frankierter Postkarte an bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund. Teilnahmeschluss ist jeweils drei Tage vor der Veranstaltung. Bei mehreren Teilnehmern entscheidet das Los. Die Teilnahme ist ab 18 Jahren möglich. Eine Weitergabe der Daten an Dritte erfolgt grundsätzlich nicht, mit Ausnahme an den jeweiligen Veranstalter (zum Beispiel, um Ihren Namen auf die Gästeliste zu setzen). Sie erhalten ca. einmal jährlich postalisch Informationen zu den Aktivitäten unseres Vereins. Dem Erhalt können Sie jederzeit widersprechen. Eine weitergehende Datenverarbeitung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Weitere Hinweise zum Datenschutz entnehmen Sie unserer Homepage unter www.bodoev.de.

Jazz Hausband entsteht ein musikalisch-kultureller Austausch. Eintritt frei. Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

MI 03 | 10 | 18 Musik | Tatort Jazz mit Günter „Baby“ Sommer Günter „Baby“ Sommer ist einer der bedeutendsten Vertreter des zeitgenössischen europäischen Jazz. Mit einem hoch individualisierten Schlaginstrument hat er eine unverwechselbare musikalische Sprache entwickelt. Seine musikalischen Beiträge zu den wichtigsten Jazzgruppen der DDR ermöglichten Sommer den Einstieg in die internationale Szene. Zusammen mit der Tatort Anzeige

FR 05 | 10 | 18 Ausstellung | Leuchtendes Dortmund Die Künstlerin Ina Heckeler zeigt im Oktober ihre Ausstellung „Leuchtendes Dortmund“ im caféplus in der Dortmunder City. Zu sehen sind die Highlights der Stadt Dortmund wie das „Dortmunder-U“, das Stadion, das Konzerthaus oder die Thomasbirne am Phoenixsee. Für interessierte Schnäppchenjäger gibt’s eine Collage als Plakat, welche erworben werden kann. Zusätzlich werden erstmals Arbeiten des neuesten Projektes „Leuchtendes Ruhrgebiet“, z.B. der gläserne Elefant aus Hamm, das Tetraeder Bottrop oder das Bergbaumuseum Bochum gezeigt. Eintritt frei. caféplus, Dortmund, 18 – 22 Uhr

SA 06 | 10 | 18 02.10.18

06.10.18 Portugiesisches Fest – R. F. St. Antonio

10.10.18 Konzert Brazil – Lisboa Alexandre Santos & Leonardo Barbosa

13.10.18 Gospel meets Hip-Hop Leopoldstr. 50-58 · 44147 Dortmund Tel. 0231 50-25145 · Fax 0231 50-26019 facebook.com/DietrichKeuningHaus

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Lesung & Gespräch | Aladin el-Mafaalani: Das Integrationsparadox El-Mafaalani fragt, warum gelingende Integration - und nicht deren Scheitern - Rassismus und Nationalismus nach sich zieht. Er stellt sein neues Buch vor und entwickelt im Gespräch mit Sascha Bisley seine zentralen Thesen. Der Soziologe el-Mafaalani, zunächst Lehrer, dann Dozent u.a. an der FH Dortmund und zuletzt Professor an der FH Münster, ist seit 2018 Abteilungsleiter im NRW-Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration. Hier koordiniert er die Integrationspolitik in NRW. Schauspielhaus, Dortmund, 19.30 Uhr Musik | Hannes Sänger und Oscar Borkowsky „It ain’t me, Babe“ – Bob Dylan???“ Ein Abend mit Bob Dylan, an dem der Protagonist natürlich mal wieder nicht persönlich, doch ideell anwesend sein wird, und zwar in Gestalt der beiden Dortmunder Künstler Hannes Sänger (Musik) und Oscar Borkowsky (Rezitation), und das in Form von Songs, Gedichten und diversen Spielszenen zur Biographie des Sängers und Dichters. Wer dieser

Bob Dylan ist? Der Titel als Programm liefert bereits einen Hinweis darauf, wer er mal war und vielleicht auch nicht mehr ist; bleiben allerdings wird er als Nobelpreisträger für Literatur des Jahres 2016. Taranta Babu, Humboldtstraße 44, Dortmund, 19.30 Uhr

SO 07 | 10 | 18 Theater | Der Wendepunkt In seinem hochkonzentrierten Solo geht Sven Gey der Kernfrage von Klaus Manns Autobiograhie „Der Wendepunkt“ nach: Wie konnte es zum Dritten Reich kommen, während die ganze demokratische Welt zuschaute? Heute, wo sich dieser gespenstische Vorgang in verschiedenen Teilen der Welt unter neuen Vorzeichen zu wiederholen scheint, sind die Fragen, die dieser Abend aufwirft, prekärer denn je. Rottstr5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr

MI 10 | 10 | 18 Kindertheater | Fred und der geheimnisvolle Fleck Die Schmuddels haben es sich in der Besenkammer rumpelpumpel gemütlich gemacht – da schleicht sich ein ungebetener Gast herein. Überall hinterlässt er seine „fettigen“ Spuren. Mit detektivischem Spürsinn gehen Beppo „Sherlock“ Besen und Klodwig „Watson“ Bürste dem Geheimnis auf den Grund. Für Kinder ab 4 Jahren. Fletch Bizzel, Dortmund, 10 Uhr Theater | Jungfrau ohne Paradies Paul träumt davon, ein berühmter Rapper zu werden. Der Erfolg will sich allerdings nicht einstellen. Er fühlt sich benachteiligt und ausgegrenzt. Bei einem religiösen Fanatiker findet er ein offenes Ohr und radikalisiert sich schnell. Cem, sein bester Freund, hält davon überhaupt nichts. Johanna ist total verliebt in Paul. Aus Rebellion gegen ihre Eltern, deren Fremdenfeindlichkeit sie fassungslos macht, steigert sie sich zunächst in den religiösen Fanatismus hinein. Bei einem missglückten Rap-Auftritt von Paul eskaliert die Situation. Ein mobiles Thea-


Das Innovative Citizen Festival verbindet die Idee des Selbermachens mit modernen digitalen Techniken. Als Festival „für eine demokratischere Technik“ setzt es darauf, Möglichkeiten und Chancen moderner Technik zu erkunden und smarte wie kritische Wege zu finden, sie einzusetzen.

Innovative Citizen

26. bis 28. Oktober Dortmunder U, Werkhalle im Union Gewerbehof Dortmund

„Wir vertreten die Meinung, dass Bürger an moderner Technikentwicklung teilnehmen können müssen, um die Anwendungskontexte mitzugestalten und in ihren Entscheidungen über Technik mündig zu werden“, erklären die Organisatoren um das Dortmunder U, das Fraunhofer UMSICHT Institut und die Folkwang Universität der Künste, und setzen dabei gleichermaßen auf Kennenlernen und Selbermachen: In Workshops kann man sich selbst beim Roboterbau oder Getränkefermentieren ausprobieren oder sich in Workshops, bei Vorträgen und auf Partys mit Gleichgesinnten austauschen. Informationen und Anmeldung zu Workshops: www.innovative-citizen.de

terstück zur Extremismusprävention für Jugendliche ab 14 Jahren. Rottstr5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr

SA 13 | 10 | 18 Mischmasch | Tag der offenen Tür Tag der offenen Tür in der Hauptwerkstatt der Werkstätten Gottessegen: In der Zeit von 10.30 bis 16.30 Uhr laden die Werkstätten Gottessegen wieder herzlich zum Bummeln und Verweilen auf dem gesamten Werkstattgelände ein. Werkstatt Gottessegen, DO, 10.30 – 16.30 Uhr Kindertheater | Coraline – Sei vorsichtig, was du dir wünscht Die kleine Coraline zieht mit ihren Eltern in ein neues Haus. Hinter einer Geheimtür stößt sie auf eine spektakuläre, aber gruselige Parallelwelt. Hier wartet eine viel schönere Version ihres eigenen Lebens auf sie. Bis ihre Parallelwelt-Mutter versucht, Coraline für immer in ihrem fiktiven Zuhause gefangen zu halten. Coraline muss großen Mut beweisen, um sich und ihre wahren Eltern zu retten. Behilflich sind ihr dabei ihre Nachbarn und eine sprechende schwarze Katze. Ab 8 Jahren. Theater im Depot, Dortmund, 18 Uhr

SO 14 | 10 | 18 Figurentheater | Fischgericht Luise soll den Tisch decken, sagt die Stimme ihrer Großmutter. Sie schüttet Wasser in ein Cognacglas, das zum Meer wird, und die Reise durch ihre eigene Fantasie beginnt – sie springt in das Glas und wird zur Seejungfrau. Doch die Seejungfrau möchte nichts lieber

als die Menschenwelt kennenlernen. Die Seejungfrau tauscht ihre Stimme gegen zwei Beine. Wie sollte sie sonst dem Einen – einem Mensch nahe sein? Eine skurrile Figurentheaterinszenierung für Menschen ab 11 Jahren. Theater der Gezeiten, Bochum, 16 Uhr

MI 17 | 10 | 18 Erzähltheater | Erotische Geschichten aus Tausendundeiner Nacht „Tausendundeine Nacht“, eine Textsammlung aus dem frühen Mittelalter, übte seit ihrer Verbreitung im europäischen Raum im 18. und 19. Jahrhundert eine ungeheure Wirkung auf Literatur und bürgerliche Lesegewohnheiten aus. Die frühen Übertragungen ins Deutsche entschärften jedoch seinen erotischen Charakter und brachten ihn mit den Kindermärchen der Romantik in Verbindung. Achim Brock stellt nun gerade diese vernachlässigte Seite in den Vordergrund seines Erzähltheater-Abends. Klinks Schneckenhaus, Dortmund, 19 Uhr Show | Emscherblut: „Gemischte Tüte – Alles außer Impro“ Die Schauspielerinnen und Schauspieler von Emscherblut tummeln sich neben der Improbühne auch noch in ganz anderen Künstenund das zeigen sie an diesem ungewöhnlichen Abend. Das Publikum erwartet eine abwechslungsreiche Show mit Geschichten, Theater, Musik – alles außer Impro. Fletch Bizzel, Dortmund, 20 Uhr Party | WHY – Die 2-Stunden-Party Alle zwei Monate schickt euch die WHY – Die 2-Stunden-Party in den Kurzurlaub. Vom

Schreibtisch, von der Uni, vom Burn-Out, Bore-Out, was auch immer. In den zwei Stunden ist alles egal, mal Pause machen, gepflegt ausrasten auf der Tanzfläche, bis um 23 Uhr die Musik verstummt, ihr zurück nach Hause geht und am nächsten Morgen fit wie ein Turnschuh euren Pflichten wieder nachkommen könnt. Warum? Warum nicht! Eintritt frei. Sissikingkong, Dortmund, 21-23 Uhr

DO 18 | 10 | 18 Lesung & Performance | Fräulein Nina Fräulein Nina – immer was anderes. Sie tut nichts, sondern einfach nur, was sie will. Sie singt, sie zetert, sie ruft zur „Capri-FischerGruppen-Aerobic“ auf. „Ein künstlerisches Gesamtkunstwerk“ wurde sie mal genannt. Auf ein bestimmtes Genre festlegen lassen wollte sie sich nie, ebenso wenig, wie sich fest an ein Haus zu binden. Ihre Texte handeln oft von Fräuleins und Italiani (Fräulein Nina ist Halb-Italienerin). Sie liefert kulturgeschichtliche Reflektionen zu Freizeit, Lifestyle, Kultur, Musik, Formen und Gesellschaft der Nachkriegsjahre in der BRD. Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr

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lesen lauschen lächeln

12.1O. sowie O2.–1o.11.2o18

Literaturfestival LiteraturFestival Dortmund

Joachim Meyerhoff • Heide Keller Navid Kermani • Frantz Wittkamp Ben Redelings • Titanic Boygroup Leo & Gutsch • Kathrin Gerlof Burghart KlaußneR • U.v.a.M.

•••www.lesart.ruhr

FLETCH BIZZEL

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KALENDER

Musik | GoGo Penguin Das in Manchester ansässige Trio Gogo Penguin, bestehend aus dem Pianisten Chris Illingworth, dem Bassisten Nick Blacka und dem Schlagzeuger Rob Turner, ist bekannt für seine hypnotischen Melodien, instinktiven Basslinien und seinen unverwechselbaren Rhythmus. Seine Musik wird als AkustikElectronica beschrieben, aber sie ist ebenso von Rock, Jazz, Minimalismus, Game Soundtracks und Glitchy-Electronica beeinflusst und kreiert einen einzigartigen Sound. FZW, Dortmund, 20 Uhr

FR 19 | 10 | 18 Festival | Rituals. Intercultural Coffee- and Tea-Festival Die Auslandsgesellschaft veranstaltet ein interkulturelles Festival, anlässlich dessen verschiedenste Formen, Zeremonien und Rituale der Kaffee- und Teezubereitung präsentiert werden. Neben den verschiedenen Probierstationen und Zeremonien wird zudem ein kleines musikalisches Begleitprogramm die Veranstaltung abrunden. Darüber hinaus werden Organisationen und Händler eingeladen, die sich für einen fairen und ökologisch wie ökonomisch nachhaltigen Anbau und Handel mit den jeweiligen Rohstoffen einsetzen. Dietrich-Keuning-Haus, DO, 15.30 – 19 Uhr

SA 20 | 10 | 18 Musik | Mr. Irish Bastard 12 Jahre nach Bandgründung und mit der Erfahrung von über 800 Konzerten in 14 Ländern im Rücken, erscheint 2018 das neue Album „The Desire for Revenge“ von Mr. Irish Bastard. Wie bei den letzten Alben, ist die Band immer für eine Überraschung gut und kümmert sich nicht um Klischees und das Korsett des Genres. Die Maxime lautet: „Folkpunk fängt mit Folk an – also halt dich Anzeige

auch daran!“ Selbst wenn er hier mal rüpelhaft zugeht, tragen Flöte, Banjo, Akkordeon und Fiddle die Songs. FZW, Dortmund, 19.30 Uhr

DO 25 | 10 | 18 bodo verlost 3x2 Karten*

VERLOSUNG Daniel Helfrich Auch wenn er es in der Tanzschule nicht über den Grundkurs hinaus gebracht hat: eigentlich ist er ja Tänzer. Skurril, geistreich und auch etwas morbid zeigt Daniel Helfrich in seinem neuen Programm, dass das ganze Leben ein einziges Tänzeln zwischen Fettnäpfchen und großem Auftritt, zwischen Taktgefühl und Taktlosigkeit, zwischen anmutigem Ballett und wildem Breakdance ist. Eigentlich ist er ja Tänzer, aber immer wieder kommt etwas dazwischen, was ihn davon abhält, seine Leidenschaft weiter zu verfolgen. So ergründet er am Klavier virtuos und herrlich schräg die schwierigen Fragen des Lebens. Werkstadt, Witten, 20 Uhr

DI 23 | 10 | 18 bodo verlost 2x2 Karten*

VERLOSUNG | Bombino In den letzten zehn Jahren hat sich der nigrische Tuareg-Gitarrenvirtuose Bombino zu einem international bekannten und bewunderten Musiker entwickelt. Wegen Aufständen wurde er mehrfach aus seiner Heimatregion vertrieben, erarbeitete sich als Musiker aber trotzdem einen fast mythischen Ruf unter den Tuareg. Sein neues Album „Deran“ – was so viel wie „mit besten Wünschen“ heißt – ist Bombinos bislang konzentriertestes und vielschichtigstes Album und ein Statement der Hoffnung, mit Wünschen an eine Welt, die gerade voller Schmerz und Chaos ist. Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

MI 24 | 10 | 18 Musik | Small Beast: Elysian Fields Zum zweiten Mal ist die amerikanische Band Elysian Fields zu Gast beim Small Beast. Diesmal haben Oren Bloedow und Jennifer Charles ihr neues Album „Pink Air“ im Gepäck. Ihre Musik verbindet jazzige Elemente mit Indierock. „Pink Air“ ist ihr insgesamt elftes Album, und trotz der für sie charakteristischen, melancholischen Kompositionen hat die Musik eine sinnliche Leichtigkeit mit einer Prise Satire und Humor. Gastgeber Paul Wallfisch kommt regelmäßig mit seinem kleinen Musiksalon ins Schauspiel Dortmund zurück. Studio im Schauspiel, Dortmund, 20 Uhr

Musik | Sébastien Lemoine In Frankreich ist er ein Star: attraktiv, charmant, samtweiche Stimme. Sébastien Lemoine ist mit seinem Quartett Les Stentors bekannt geworden, das er – ausgebildeter Opernsänger – 2010 gegründet hat. Ihr Debütalbum „Voyage en France“ belegte im Sommer 2012 drei Wochen Platz 1 der französischen Charts, mittlerweile haben Les Stentors mit ihren 4 Alben über eine Million CDs in Frankreich verkauft. In die Christuskirche kommt er mit seinem Soloalbum „Chanson Francaise“. Christuskirche, Bochum, 20 Uhr Kunst & Kultur | Edelweißpiraten & friends Wer waren die Edelweißpiraten? Die AWO erinnert mit einer Informations- und Kulturveranstaltung an jene Gruppe junger Menschen, die während der NS-Zeit Widerstand leistete. Andreas Müller von der Geschichtswerkstatt hält einen Vortrag zu den Edelweißpiraten.

Tag der offenen Tür

13. Oktober 2018 | 10.30 - 16.30 Uhr Großer Herbstbasar mit Produkten aus der Werkstatt und Kunstgewerbe

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Christopherus-Haus Werkstätten Gottessegen gGmbH · Kobbendelle 40 · 44229 Dortmund · Tel. 02 31 / 97 38-0 · www.werkstaetten-gottessegen.de 26


Wenn das Bochumer Schauspielhaus am 27. Oktober in die neue Spielzeit startet, wird vieles anders sein: der neue Intendant Johan Simons (s.S. 18), ein in großen Teilen neues und internationales Ensemble, ein neues Logo und ein frisch renoviertes Gebäude. Das soll angemessen gefeiert werden – und zwar mit einer Neuauflage der Ritournelle.

Ritournelle Spielzeiteröffnung Schauspielhaus Bochum 27. Oktober Königsallee 15 Bochum

Eigentlich für die Ruhrtriennale 2015 bis 2017 konzipiert, holen das Schauspielhaus und die Brost-Stiftung die lange Nacht der elektronischen Popmusik jetzt zurück nach Bochum – und zwar für eine Nacht an die Königsallee. Die Schauspielbühne, auf der in den kommenden Monaten Hauptmann, Rau oder Büchner aufgeführt werden, wird zur Plattform für internationale Bands, DJs, Live-Acts und Klangperformances, das Parkett wird, dank zur Renovierung ausgebauter Sitzreihen, zur Tanzfläche. Info und Tickets: www.schauspielhausbochum.de

Verwandte von Edelweißpiraten erzählen aus jener Zeit, und es wird aus den Memoiren von Kurt Piehl, eines verstorbenen Dortmunder Edelweißpiraten, gelesen. Eintritt frei. Saal Biercafé West, Eugen-Krautscheid-Haus, Dortmund, 17 Uhr

FR 26 | 10 | 18 Figurentheater | Neville Tranter – „Babylon“ Figurentheater-Legende Neville Tranter zeigt in „Babylon“ Gott unter Geflüchteten. Ein einsamer Strand in Nordafrika. Ein nervöser Kapitän wartet ungeduldig auf seine letzten Passagiere, alles Flüchtlinge. Sie versuchen um jeden Preis, auf dem letzten Boot nach Babylon in das gelobte Land zu kommen. Mit am Strand wartet das Böse. Der Teufel selbst. Eine griechische Tragödie kündigt sich an. Und Gott, etwas desorientiert auf der Suche nach seinem mal wieder verloren gegangenen Sohn, muss schließlich selbst eingreifen. Dabei erweist sich Gott als ziemlich ungeschickt.

Das Boot geht unter. Wer überlebt und wird gerettet? Wer nicht? Flottmann-Hallen, Herne, 20 Uhr

VERLOSUNG Jens Heinrich Claasen Es ist zum Mäusemelken: Da hatte Jens Heinrich Claassen endlich eine tolle Freundin gefunden, alles war rosarot und jetzt ist sie weg. Einfach so. Schlimmer noch, die blöde Kuh hat ihn aus der gemeinsamen Wohnung geworfen. In seinem Programm „Ich komm‘ schon klar“ lädt Jens Heinrich Claassen sein Publikum ein, mit ihm gemeinsam über all das zu lachen, worüber man sich zu Hause allein die Augen ausweinen würde. Denn sobald man über etwas lachen kann, verliert es an Ernst und Schrecken. Das gilt nicht nur für einen selbst. Es gilt auch für den Rest der Welt. Zauberkasten, Bochum, 20 Uhr

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Ausstellung | „Stop and Go“ Ein bunter Erlebnisparcours zu allem, was uns täglich bewegt. „Stop and Go“ ist eine Art Spielfeld, auf dem die BesucherInnen an Kreuzungspunkten ihre Mobilitätsentscheidungen treffen. So wie eben jeden Tag. Die Ausstellung gibt inspirierende Einsichten auf die Straße: ins Herz von Bus und Bahn, ins Innerste von Autos, auf Sättel und Reifen und natürlich für Fußgänger – und fragt nach der Zukunft der Mobilität. www.dasa-dortmund.de DASA, Dortmund

SA 27 | 10 | 18 bodo verlost 2x2 Karten*

VERLOSUNG Ich, Europa Wer kann schon auf eine solch lange Beziehung von Nähe und Distanz, Liebe und Hass, fruchtbarer Koexistenz und konfliktreichem Streit blicken wie Asien und Europa, wie Morgenland und Abendland, wie Islam und Christentum? „Ich, Europa“ erzählt die über 1.400 Jahre währende Liebes- und Leidensgeschichte aus der Perspektive von AutorInnen aus der Türkei, Kurdistan, Irak, Iran, Libanon, Syrien, Jordanien, Palästina, Ägypten, Libyen, Tunesien, Algerien und Marokko. In ihren Texten lassen sie die fiktive Figur Europa sprechen, verkörpert vom Ensemble. Schauspielhaus, Dortmund, 19.30 Uhr Comedy | Sebastian 23 Sebastian 23 hat den Schwarzen Gürtel im Poetry Slam und den grauen Gürtel, den er sich vor einem halben Jahr gekauft hat. Mit beiden kommt er auf Tour und bringt sein neues Soloprogramm „Endlich erfolglos“ auf die Bühne. Fein verlötete Wortakrobatik trifft auf grob gehauene Schlagfertigkeit. Fritz-Henßler-Haus, Dortmund, 20 Uhr

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KALENDER Mit dem Motto „lesen lauschen lächeln“ geht das LesArt.Festival in Dortmund im November in seine 19. Runde. Vom 2. bis zum 10. November gibt es Lesungen und Autorengespräche, Lyrikabende und Theater.

Party | Rock It! Einfach gute Gitarrenmusik jenseits von Genres und Klischees bietet die „Rock It!“Party. In bester Rock’n’Roll-Manier wird hier wild zu den besten Songs aus 50 Jahren RockGeschichte abgefeiert. Kevin Lietz, Rockkärr und DJ Hamsti Bamsti bringen dabei alles auf die Plattenteller, was das Gitarrenherz zum Glühen bringt: Mit ihrem Set aus 90s Rock, Alternative, Rock Classics und Hard Rock liefern sie den perfekten Soundtrack für eine ordentlich durchtanzte Partynacht. Großmarktschänke, Dortmund, 23 Uhr

LesArt.Festival

2. bis 10. November Dortmund

VERLOSUNG Der Weibsteufel Wir befinden uns in der Zeit kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Ein Schmuggler setzt seine Frau darauf an, dem Leutnant schöne Augen zu machen, der kurz davor ist, den Schmuggler zu überführen. Dieser ist verdächtig, mit den „Roten“ im Bunde zu stehen und sie mit Waren und Waffen zu versorgen – ein gefundenes Fressen für den Leutnant, der in der Verhaftung seine Karrierechance wittert. Doch er hat nicht mit den Verführungskünsten des „Weibsteufels“ gerechnet. Mit „Der Weibsteufel“ feiert glassbooth das 15jährige Jubiläum in der Off-Szene. Theater im Depot, Dortmund, 20 Uhr

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Und auch der Nachwuchs bekommt seinen Raum: Vom 5. bis 9. November laden 15 Kindergärten zum Kindergartenbuchtheaterfestival, und schon am 3. November präsentieren Zehra Cirak und Akos Doma die Texte zweier Schreibwerkstätten an der Gertrud-Bäumer-Realschule und Droste-Hülshoff-Realschule in Dortmund. Zum Festivalfinale am 9. November wird außerdem der LesArt-Preis für junge Literatur verliehen. Infos und Tickets: www.lesart.ruhr

Dies ist das Anliegen des innovativen Musikprojektes des Ensemble Ruhr in Zusammenarbeit mit Jason Bartsch, einem der gefragtesten Nachwuchs-Slammer Deutschlands. Bei Poetry Slam und klassischen Klängen, die den Rhythmus der Industriegeschichte nachempfinden, setzen sich die Interpreten sowohl mit der Geschichte des Bergbaus als auch der Zukunft der Ruhrregion auseinander. Deutsches Bergbau-Museum, BO, 15 Uhr

DI 30 | 10 | 18 Musik & Poetry Slam | Slammen nach klassischen Klängen Wenn junge Wortkunst auf klassische Musik trifft, entsteht aus dem Stehgreif etwas Neues.

Gemeinsam mit literaturhaus.dortmund, Kulturbüro und Stadt- und Landesbibliothek holt der Verein „Kultur und Projekte“ geschätzte AutorInnen nach Dortmund: Friedenspreisträger Navid Kermani, die Autorin Kathrin Gerlof, Schauspieler und Schriftsteller Joachim Meyerhoff (Foto), Satiriker Martin Sonneborn oder den Fußballexperten Ben Redelings.

MI 31 | 10 | 18 Show | Urbanatix – Road Trip Urbanatix geht in die nächste Runde. Mit dem neuen Programm „Road Trip“ können

sich die Besucher und Besucherinnen auch in diesem Jahr auf ein Show-Spektakel voller Action, Adrenalin und großen Emotionen mit Tanz, Artistik, Parcours, BMX und vieles mehr freuen. Jahrhunderthalle, Bochum, 20 Uhr Musik | 13. Jazzband Ball feat. Mel Maroon & Swingin’ Mallets & Gäste Entertainer und Sänger Mel Maroon kommt abermals mit seinen „Swingin‘ Mallets“, der international besetzten kleinen Big Band, und spielt nicht nur seine Originals, sondern wirft von Pop bis Rock so ziemlich alles in seine unwiderstehliche Swing-Waschmaschine. domicil, Dortmund, 20 Uhr

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Alles aus einer Hand! in den Senioreneinrichtungen der Familie Mohring

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In Dortmund • Seniorenhaus Gartenstadt, Kohlgartenstraße 5 • Seniorenhaus Kurler Busch, Kurler Straße 134 In Lünen • Seniorenhaus Wethmar Mark, Wethmar Mark 76 Ambulante In Holzwickede Pflege • Seniorenhaus Neue Caroline, Carolinenallee 15 • Betreutes Wohnen in Holzwickede an drei Standorten Ansprechpartner bei der Zentralen • Ambulanter Pflegedienst Caroline, Nordstraße 2 Verwaltung in Lünen, Merschstraße 20 • Tagespflege Caroline, Nordstraße 2 Unsere kostenlose Servicenummer: In Iserlohn 0800 – 792 32 56 • Seniorenheim Gerlingsen, Hülsebuschweg 32 In Dortmund www.pflege-mohring.de [Neueröffnung In • Hagen am 1. Oktober] Seniorenhaus Gartenstadt, Kohlgartenstr. 5 • Tagespflege Am Markt, Brüderstraße 21 • Seniorenhaus Kurler Busch, Kurler Str. 134 In Selm Pflege-Wohn• Seniorenresidenz Selm, Ludgeristraße 123 mit Tagespflege und Service-Wohnen In Lünen • Pflege-Wohngemeinschaften mit ambulanten Pflegedienst, Ludgeristraße 100 • Seniorenhaus Wethmar Mark, Wethmar Mark 76 gemeinschaft 28

In Holzwickede • Seniorenhaus Neue Caroline, Carolinenallee 15

Tages-

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Pflege

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Wohnen mit Service

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Stationäre Pflege


MI 31 | 10 – SA 03 | 11 | 18 Festival | Parzelle-Festival 20 Jahre Parzelle im Depot. Ein Geburtstag und Anlass, die seither in der Parzelle produzierten und veranstalteten Kunstprojekte in einen aktuellen Diskurs zu stellen. Es werden visuelle, objekt- und bewegungsbezogene PerformerInnen, MusikerInnen und KünstlerInnen präsentiert. Es wird analog oder digital gespielt, frei improvisiert oder mit festgelegten Passagen experimentiert. Mit Joke Lanz & Audrey Chen, Trionys, Limpe Fuchs & Jan Klare, Achim Zepezauer und Tasos Stamou u.v.a. Infos: www.licht-schatten-projekte.de Parzelle im Depot, Dortmund

FR 02 | 11 | 18 Theater | Der Hamiltonkomplex Dreizehn 13-jährige Mädchen und ein Bodybuilder: Wer sind sie, woher kommen sie, und was tun sie? Mal sind sie alle gleich, dann wieder unverwechselbar sie selbst. Sie verwandeln sich von manipulierenden Monstern in selbstbewusste Teenager, von verstörenden Lolitas in liebenswürdige Mädchen. Dabei kopieren, zitieren und vermischen sie Geschichte und Gegenwart, bringen die Verhältnisse zum Tanzen. Ein Abend über Gewissheit und Erwartung, Macht und Provokation und über Momente, in denen die Welt ins Taumeln gerät. Kammerspiele, Bochum, 18 Uhr

SO 04 | 11 | 18 Musik | Mariza Mit ihrer Interpretation des traditionellen portugiesischen Fado hat sich Mariza welt-

weit eine Fangemeinde ersungen. In wenigen Jahren ist sie vom gut gehüteten, lokalen Phänomen in Lissabon zu einem Star der Szene geworden, der mit dem Fado ein Weltkulturerbe mit seinem Publikum teilt. Konzerthaus, Dortmund, 18 Uhr

FR 09 | 11 | 18

sweetSixteen-Kino | Der Affront

Musik | Too Many Zooz New York entdeckte die Brasshouse-Sensation Too Many Zooz in der Union Square U-Bahn-Station, wo das Trio 2014 anfing, Straßenmusik zu machen. Nachdem eines der von Passanten gefilmten Videos zum viralen Hit wurde, gingen die Verkaufszahlen durch die Decke. So spielten sie sich nicht nur in die Herzen der Fans, sondern auch auf die Agenda von Weltstars wie Questlove und Beyoncé. Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

SA 10 | 11 | 18 Theater | Penthesilea Die Szene ist ein Schlachtfeld. Und die zwei Hauptfiguren sind zugleich Krieger und Liebende: Penthesilea und Achilles. Nur als Kriegsbeute kann die stolze Amazone den griechischen Heerführer als Mann gewinnen. Doch ihr Rausch endet tödlich. Für beide: „Küsse, Bisse, das reimt sich, und wer recht von Herzen liebt, kann schon das Eine für das Andre greifen.“ Die Neuinszenierung von Johan Simons in einer Textfassung von Vasco Boenisch fokussiert den Kern des berühmten Dramas von Heinrich von Kleist auf nur diese zwei Akteure: Penthesilea und Achilles. Schauspielhaus, Bochum, 19.30 Uhr

Anzeige Musikförderung

Kunstförderung

Wissenschaft

Denkmalschutz

Jugendsport

Soziales & Bildung

Werner Richard - Dr. Carl Dörken Stiftung Herdecke

21.09.2018 - 27.01.2019 | Für eine lebendige Kultur | Ausstellung der stiftungseigenen Sammlung 14.10.2018 | Klavierduo Franziska & Florian Glemser | 10,- Euro | Schüler & Studierende: Eintritt frei. Dr. Carl Dörken Galerie der Werner Richard - Dr. Carl Dörken Stiftung | Infos & Öffnungszeiten: siehe Website

Wetterstraße 60 · 58313 Herdecke · Web: www.doerken-stiftung.de

Regisseur Ziad Doueiri hat sein Handwerk unter anderem als Kameraassistent bei Quentin Tarantino gelernt. Mit „Der Affront“ hat er nun eine Geschichte bodo aus dem Beirut der verlost 1x2 Gegenwart inszeKarten* niert: Ein harmloser Streit zwischen einem libanesischen Christen und einem Palästinenser eskaliert, und in einer Art Dominoeffekt entwickelt sich aus dem Streit um ein Abflussrohr und eine Beleidigung eine das ganze Land einnehmende juristische Fehde. Am Beispiel eines Gerichtsfalles zeigt Doueiri die Konfliktlinien, die sich auch Jahrzehnte nach dem Bürgerkrieg durch die Gesellschaft des Libanons ziehen. Er beschreibt in seinem Drama, wie schwierig und komplex eine Situation werden kann, wenn sehr unterschiedliche Bevölkerungsgruppen zusammenkommen. „Der Affront“ wurde von internationalen Kritikern gefeiert und war als offizieller Beitrag des Libanon bei der Oscar-Verleihung 2018 als bester fremdsprachiger Film nominiert. Das packende Porträt eines zerrissenen Landes ist ein brillantes Gesellschaftsdrama über die Lächerlichkeit von verletzter Ehre, religiösem Eifer sowie Fanatismus jeder Art und ein kraftvolles Plädoyer für Toleranz und Aussöhnung. Unterhaltsam und klug – aufklärerisches ArthausKino mit Klassiker-Qualitäten. Bundesstart am Donnerstag, 25. Oktober, um 19 Uhr. Anschließend regulär im Programm, mittwochs im Original mit deutschen Untertiteln. FR/LYB/ZYP/BEL 2018, 112 Minuten, Regie: Ziad Doueiri Spielzeiten und Infos: www.sweetSixteen-Kino.de sweetSixteen-Kino Immermannstr. 29, 44147 Dortmund www.sweetsixteen-kino.de

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BODO GEHT AUS

Begopa Restaurant Gangnam-Style Kitchen Nordring 100 44787 Bochum

Gangnam Style

Begopa kocht original koreanisch In den 1960er-Jahren kamen nicht nur Menschen aus der Türkei oder Italien als Arbeitsmigranten nach Deutschland – auch viele Koreaner zogen zum Beispiel ins Ruhrgebiet, um im Bergbau zu arbeiten. So der Vater von Koang-Min Kim, der mit seiner Mutter 1980 hinterher zog. Jetzt hat er über Umwege zurück in die Region gefunden: Im Restaurant Begopa am Bochumer Nordring bietet er authentische koreanische Küche an – mit Gerichten, die teilweise einzigartig sind im Ruhrgebiet. Den scharfen Kimchi-Eintopf (Kimchi Zigae) oder den Softtofueintopf (Sundubu Zigae) gibt es laut Koang-Min Kim zum Beispiel in der näheren Umgebung sonst nirgendwo. Und auch Tteokboki, den Reiskuchen mit Fischfrikadelle in pikanter Sauce, isst man in Korea zwar an jeder Straßenecke – im Ruhrgebiet war er bislang noch nicht zu finden. In den 1980er-Jahren hat die Familie Kim schon einmal ein koreanisches Restaurant betrieben, in der Nähe von Düsseldorf. Damals stand die Mutter in der Küche, und es war noch nicht so einfach, die deutschen Gäste von den unbekannten Speisen zu überzeugen: „Sie haben keinen Algensalat

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Von Max Florian Kühlem Fotos: Daniel Sadrowski

bei ihm gibt es das Original – von der ReisSchale Bibimbap (übersetzt etwa „Misch den Reis“) bis zur pikanten Nudelsuppe Ramyun.

angerührt, und Knoblauch war auch nicht besonders beliebt“, sagt Koang-Min Kim. „Mit der heutigen Generation ist das alles kein Problem mehr.“

Die Preise hält Familie Kim bewusst nicht so hoch, weil man in Korea normalerweise mit mehreren Leuten ein Hauptgericht und sechs bis sieben Beilagen bestellt und alles teilt. „Dieses Prinzip muss in Deutschland erst noch bekannter werden“, sagt Koang-Min Kim.

Kim ist eigentlich gelernter Sushi-Koch und hat diese Tätigkeit früher in einem Lokal in Wattenscheid ausgebübt. Nach einer Station in Frankfurt am Main, wo es eine große koreanische Community gibt, fand er nach Bochum und sah die Lücke. In der Stadt hat zwar bereits der Kimbap Spot Erfolg mit leckerer, koreanischer Fusion-Küche, doch

Wie die Bedeutung des Außenschilds: „Begopa – Gangnam Style Kitchen“ steht da. Dass Gangnam für den angesagten Stadtteil Seouls steht und sich dahinter einfach ein gutes, originales koreanisches Restaurant verbirgt, wissen noch zu wenige Menschen.


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Tteokboki 1 Ei 150 g Reiskuchen (Rice Cake), koreanische Art, gekühlt, aus dem Asiashop 50 g Fischfrikadellen (Fish Cake), koreanische Art, tiefgekühlt, dünne Platten, aus dem Asiashop 1 Frühlingszwiebel

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1. Frühlingszwiebel fein würfeln, Fish Cake in mundgerechte Stücke schneiden. 2. Reiskuchen, Fischkuchen, Zucker und Chilipaste in einen Topf mit kochendem Wasser geben und etwa 25 Minuten köcheln lassen. Etwa 5 bis 10 Minuten vor Ende der Garzeit die Frühlingszwiebeln und das zerteilte, gekochte Ei dazu geben. Mit Sojasauce, Zucker und Chilipaste abschmecken, auf Tellern anrichten. Fertig!

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REPORTAGE

Ina Bimberg ist Landschaftsarchitektin. Nebenberuflich wirtschaftet sie auf Gut Lenninghausen bei Iserlohn, seit 1811 in Besitz der Familie ihres Mannes. Ein Großteil der Gebäude nebst deren Einrichtung steht unter Denkmalschutz – nicht zuletzt eine komplett erhaltene Kornbrennerei aus dem 19. Jahrhundert, funktionstüchtige Dampfmaschine inklusive. Von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski

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Äpfel, Adel und eine Dampfmaschine

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er Oktober gilt als Erntemonat. Christliche Dankgottesdienste, aber auch Weltliches wie Apfel- oder Kürbisfeste werden jetzt überall gefeiert, unabhängig davon, ob ein Landstrich agrarisch geprägt ist oder nicht. Mag sein, dass in diesem Kontext im Ruhrgebiet obendrein die Frage eine Rolle spielt, was vor Stahl und Kohle die Gegend links wie rechts der Emscher prägte. Mit dem allmählichen Verschwinden der Schwerindustrie jedenfalls wächst das Interesse an diesbezüglichen Antworten. Ein Beleg dafür war die selbst für Optimisten unerwartet große Aufmerksamkeit, die vor acht Jahren der Ausstellung „AufRuhr 1225!“ im Herner LWL-Museum für Archäologie zuteil wurde. Thema war der Mord an Engelbert I, Erzbischof zu Köln, am 7. November 1225 – und welche Folgen dieser Tat bis heute nachzuweisen sind.

Ein Fenster ins 19. Jahrhundert Parallel zum Ausstellungskatalog erschien ein Reiseführer zu 100 Burgen, Schlössern und Herrensitzen im Revier. Solche gab es einst weit mehr, längst nicht alle haben die Zeiten überdauert, doch gilt die Ruhrregion als eine der burgenreichsten in Europa. Zu den vorgestellten Anwesen gehört Gut Lenninghausen, nördlich von Iserlohn über dem Ruhrtal gelegen. Von der ursprünglichen, wohl durch Gräben und Palisaden befestigten Anlage ist freilich nichts mehr zu erkennen. Vermutet werden kann deren Gründung bereits im 9. Jahrhundert, urkundlich belegt ist ein Geschlecht namens Lennynchusen im Jahr 1402. „Es handelt sich um einen ganz alten Besitz“, sagt Frau Bimberg. „Der war in früheren Zeiten Eigentum adeliger Familien, die zwischenzeitlich auch gewechselt haben. Oft haben die gar nicht hier gewohnt, es wurden Verwalter eingesetzt. Im 18. Jahrhundert erwarb schließlich ein Schulte zu Lenninghausen das Gut. Als er 1811 kinderlos starb, heiratete seine Schwester einen Herrn Bimberg. So kam die Familie meines Mannes auf den Hof. Dieser erste Bimberg hat sorgfältig ein Wirtschaftsbuch geführt. Wie er sich beschwert, dass ein Rittmeister mit preußischen Soldaten einquartiert wurde, dass er die versorgen muss, wie die ihm seine Teiche leerfischen und ordentlich viel Branntwein saufen, das ist da zum Beispiel wörtlich nachzulesen. In diesen Aufzeichnungen deckt sich Familien- mit Zeitgeschichte.“ Faszinierend wäre das Dokument aber nicht nur solcher Anekdoten wegen. Insgesamt erlaube es präzise Einblicke in ökonomische, soziale und sogar klimatische Bedingungen, die für landwirtschaftliche Betriebe in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Bedeutung waren.

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REPORTAGE

Im Übrigen belegt es, dass der alte Herr Bimberg sein Handwerk verstand. Offenbar konnten ihm weder Preußen noch anderes Ungemach etwas anhaben. Der Hof florierte, was seinen Sohn in die Lage versetzte, ihn nach einem Brand infolge Blitzschlag umgehend wieder aufzubauen. Repräsentativ wieder aufzubauen: Das Gutshaus zeugt in spätklassizistischem Stil vom damaligen Selbstbewusstsein. In weiten Teilen ist das Ensemble, errichtet zwischen 1855 und 1858, unverändert erhalten geblieben. Ein Glücksfall für die Denkmalpflege.

Der landwirtschaftliche Kreislauf Besucht man den Hof, fällt sofort ein markanter Schornstein aus Feldbrandziegeln neben einem zweigeschossigen Wirtschaftsgebäude ins Auge. Es beherbergt eine historische Kornbrennerei, deren Zustand einzigartig in Westfalen ist. Dampfmaschine, Gärbottiche und Destillierkolonne sind im Prinzip funktionsfähig und könnten ohne Umstände in Betrieb genommen werden. Derzeit wird auf Gut Lenninghausen allerdings nicht gebrannt. „Im vergangenen Jahr ist in Deutschland das Branntweinmonopol gefallen“, sagt Frau Bimberg. „Bis dahin hatte der Staat Rohsprit, wie auch wir ihn hergestellt haben, zu einem festen Preis aufgekauft. Das war ein sehr angenehmes Arrangement. In großen Brennereien wurde der Rohsprit dann zu Feinsprit veredelt, die Grundlage für Spirituosen. Den haben wir als Basis für unsere hauseigenen Ansätze und Liköre zurückgekauft. Ökonomisch gesehen ist es zwar Irrsinn, aber wir kaufen ihn jetzt noch immer. Die Spirituosenherstellung auf Gut Lenninghausen hat eine beinahe 170-jährige Tradition. Im gesamten Märkischen Kreis existieren überhaupt nur zwei oder drei Unternehmen, die noch älter sind. So etwas gibt man nicht einfach auf.“ Ziegelschornstein und Dampfmaschine lassen eher an die frühe Industriegeschichte denken, dabei gehörten Einrichtungen wie diese nicht selten zum Inventar größerer Bauernhöfe. Beim Brennen des Korns würden natürlich Reste bleiben, erklärt Frau Bimberg, vom Alkohol befreite Maische. Diese sogenannte Schlempe stelle ein vorzügliches Viehfutter dar. Eine Brennerei würde sich also perfekt in den landwirtschaftlichen Kreislauf fügen.

Das Branntweinmonopol Tiere werden auf Gut Lenninghausen nicht mehr gehalten, die Kornfelder sind mittlerweile verpachtet. Bewirtschaftet werden noch Wälder, Streuobstwiesen mit vielen Apfelbäumen sowie ein großer Garten. „In diesem Jahr gibt es unglaublich viel Obst. Im Moment weiß ich nicht so recht, was ich damit machen soll. Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Quitten, Nüsse, Beeren. Ich bin eine Landfrau. Ich habe es so gelernt, dass man nicht alles verkommen lässt. Die Walnüsse geben wir wohl an die Tafeln, bei Nüssen gibt es keine hygienischen Probleme. Und Marmelade koche ich, die verkaufen wir neben den Spirituosen im Hofladen.“ Zukünftig wird es für das Obst jedoch eine neue Art der Verwertung geben. Mit dem Branntweinmonopol fiel nämlich auch die Regelung, was in welcher Region zu destillieren war. Abhängig war das tatsächlich von der jeweils üblichen Erbfolge. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise, wo im Wege einer Sonderrechtsnachfolge die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe an nur einen Hoferben übergeben

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werden, durften, anders als in vielen süddeutschen Bundesländern, keine Obstbrände hergestellt werden. Nun gibt es konkrete Pläne, die technische Anlage auf dem Gut so zu erweitern, dass demnächst Obstler und Himbeergeist aus eigener Ernte gebrannt werden können.

Wetter und Klima Für Obstbauern ist 2018 ein ertragreiches Jahr. 2017, als ein später Frost in die Blüte kam, fiel die Ernte nahezu aus. Vor einem Desaster stehen heuer Landwirte, die Kornfelder beackern. Vieles spricht dafür, dass Wetterextreme zunehmen werden. Bäuerinnen und Bauern könnten nach Lage der Dinge die ersten deutschen Opfer des Klimawandels sein. Frau Bimberg, Landfrau, im Hauptberuf Landschaftsarchitektin, beobachtet die Prozesse genau. Und sie weiß zu differenzieren. „Dass es in diesem Jahr viel Obst gibt, hat nichts mit dem Klimawandel zu tun“, sagt sie. „Es hat schon immer gute und schlechte Jahre gegeben. Aber den Klimawandel registriere ich durchaus. Auch in meinem Hauptberuf. Wir stellen bei unserer Arbeit fest, dass wir über dreißig Jahre ein festes Repertoire an Bäumen hatten, die wir pflanzen konnten. Wenn wir jetzt bestimmte Planungsaufgaben haben, müssen wir darüber nachdenken, ob wir auf die überhaupt zurückgreifen können, oder ob wir Alternativen suchen müssen. Zum Teil sind wir ratlos. Auf der anderen Seite stellen wir fest, dass es eine ganze Reihe Pflanzen gibt, die, als ich noch studiert habe, in Deutschland als nicht winterhart galten. Palmen, Zitronen, der Mittelmeerschneeball. Der blüht sehr hübsch im Spätwinter. Es kann natürlich immer sein, dass es Frost gibt und die kaputtgehen. Aber das kann Ihnen theoretisch auch in Italien passieren. Ich bin auch relativ häufig Preisrichterin bei städtebaulichen Wettbewerben. Da achte ich jetzt immer darauf, dass bei den entsprechenden Projekten Bäume gepflanzt werden, dass die Freiräume angemessen beschattet werden. Denn ich glaube, dass man sich in Zukunft nicht mehr auf Plätzen aufhalten kann, die total sonnenexponiert sind. Das wird zu heiß.“

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BÜCHER

Gelesen von Bastian Pütter

Haltung Anja Reschke ist Journalistin. Sie moderiert das ARD-Magazin Panorama und das NDR-Medienmagazin ZAPP. Im Sommer 2015 sprach sie in einem Tagesthemen-Kommentar das aus ihrer Sicht Selbstverständliche aus. Es war das Jahr, als wieder so viele Asylanträge gestellt wurden wie 1992 – und wieder brannten Flüchtlingsheime. Auf prominentem Sendeplatz bezog Reschke Stellung und erntete Hass und Morddrohungen. In ihrem gerade erschienenen Essay reflektiert sie über Haltung und deren kleine Schwester, die Einstellung. In fast schlichter Sprache erklärt sie, warum Journalisten nicht die Welt verdoppeln, indem sie sie eins zu eins abbilden: Es geht nicht. Und sie erklärt noch einmal den Kontext eines Zitates, das so etwas wie der kategorische Imperativ für Journalisten geworden ist, das Hajo-Friedrichs-Dogma. Der langjährige Tagesthemen-Moderator sagte dem „Spiegel“: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten.“ In Wirklichkeit sprach Friedrichs über seinen Umgang damit, die täglichen Katastrophen vor der Kamera verlesen zu müssen. Einen Anti-Haltungs-Kodex hatte er nicht im Sinn. In diesem Jahr erhielt Reschke, die Journalistin mit Haltung, den nach ihm benannten Journalistenpreis. Anja Reschke Haltung zeigen! ISBN 978-3-499-63424-6 Rowohlt | 5 Euro 36

Landunter Wie seine Schriftstellerkollegin Sarah Meyer-Dietrich (bodo 4/17) unterrichtet der Dortmunder Autor Sascha Pranschke kreatives Schreiben. Mit rund 100 Jugendlichen entwickelten die beiden in Exkursionen, Expertengesprächen und Workshops einen Ruhrgebiets-KlimaKrimi mit dem Titel „Uferlos“, erschienen 2017 im Klartext-Verlag. Offenbar ließ den Coach das Sujet nicht los, und er setzte sich selbst als Autor an den Schreibtisch. Mitte August erschien in der schön gemachten Reihe „Ruhrgebiet Deluxe“ Pranschkes dystopischer Roman „Am Ende der Welt liegt Duisburg am Meer“. Durch das überschwemmte, weitgehend entvölkerte und in einen Zustand brutaler Gesetzlosigkeit zurückgeworfene Ruhrgebiet kämpfen sich die Geschwister Mara und Ben Richtung Osten. Von Duisburg aus versuchen sie, nach Dortmund zu gelangen. Sie folgen der Verheißung einer modernen Arche, die Kinder aufnimmt und in Sicherheit bringt. Bei allen thematischen Anklängen von „Herr der Fliegen“ bis „Walking Dead“ ist „Am Ende der Welt…“ ein linear erzählter Roman, der auf Referenzen, jeden literarischen Effekt und jeden Genre-Pomp verzichtet. Leise, düster, eindringlich, traurig. Sascha Pranschke | Am Ende der Welt liegt Duisburg am Meer ISBN 978-3-942094-85-6 Henselowsky | 9,90 Euro

Grauzone „Solange man den Krieg aus der Ferne beobachtet, ist die Lage eindeutig.“ So leitet Jutta Sommerbauer, MoskauKorrespondentin der österreichischen Tageszeitung „Die Presse“ den Bild- und Reportageband „Grauzone“ ein, für den sie mit dem Fotografen Florian Rainer „eine Reise zwischen den Fronten im Donbass“ unternahm. Und gerade für den erstarrten Krieg in der Ukraine, an der Bruchkante zwischen europäischem und russischem Einflussgebiet, sind die Meinungen umso fester, je ferner man dem Geschehen ist. In der „Grauzone“ ist die große Politik meist weit weg. Stattdessen ist das Gemüse zwangsläufig bio, der HipHop „real“, die Schikanen an den Checkpoints nervenraubend, Privatpartys wieder in und die Tristesse mit Händen zu greifen. Hier weiß man, sich auf den Boden zu werfen und den Mund zu öffnen, wenn Granaten kommen. Die Jungen wollen weg, die Alten können nicht. Überzeugte Ukrainer oder überzeugte Russen sind so selten wie die Hoffnung auf Besserung. Ein liebevoll gemachter Band mit fantastischer Reportagefotografie und Texten, die vielleicht nicht den Konflikt erklären, aber ein Gefühl geben vom Leben in einem Krieg, der vergessen hat, zu enden. Florian Rainer, Jutta Sommerbauer Grauzone. Eine Reise zwischen den Fronten im Donbass ISBN 978-3-903022-83-6 Bahoe | 24 Euro


Eine Frage, Herr Gremmler:

Wie findet man eigentlich Blindgänger? Gefühlt alle paar Tage müssen im Ruhrgebiet Straßenzüge gesperrt und Menschen vorsorglich evakuiert werden, weil in ihrem Wohnviertel eine alte Weltkriegsbombe gefunden wurde. Aber wie findet man diese Bomben eigentlich? Und warum tauchen heute noch so viele von ihnen auf?

Simon Gremmler, Geophysiker bei der Kampfmittelräumfirma Tauber

Im Zweiten Weltkrieg war die Rhein-RuhrRegion wichtigster Industriestandort des Reichs. Fast 50 Prozent der alliierten Luftangriffe richteten sich gegen die Region – und darum ist die Belastung mit Kampfmitteln hier besonders hoch, sagt der Geophysiker Simon Gremmler von der Kampfmittelräumfirma Tauber. Relevant wird das immer, wenn irgendwo neu gebaut wird. „Bevor man als Bauherrin ein Bauvorhaben beginnt, muss man sich um die Frage möglicher Kriegsaltlasten kümmern, und der erste Schritt dazu ist immer die Beauftragung einer Luftbildauswertung.“ Zur Vorbereitung und zur nachträglichen Kontrolle ihrer Luftangriffe haben die Alliierten großflächig Aufklärungsfotos der von ihnen bombardierten Gebiete angefertigt. Ca. 330.000 dieser Aufnahmen, die nach dem Krieg in britischen und amerikanischen Archiven aufbewahrt wurden, stehen mittlerweile zur Kampfmittelbeseitigung zur Verfügung. „Stark vereinfacht kann man sagen,

dass man an der Größe der Krater auf den Luftbildern erkennt, ob eine Bombe detoniert ist oder nicht. Ein kleiner Krater ist ein Indiz für einen Blindgänger“, so Gremmler. Wenn Luftaufnahmen einen diffusen Bombenverdacht ergeben, werden in Zusammenarbeit mit privaten Dienstleistern vor Ort geomagnetische Messungen durchgeführt, um mehr darüber zu erfahren, wie groß die Bombe ist und wie tief sie liegt. Dann wird

Fast 50 Prozent der Luftangriffe richteten sich gegen die Region – und darum ist die Belastung mit Kampfmitteln hier besonders hoch. der Fund von speziell geschulten Feuerwerkern freigelegt, identifiziert und je nach Möglichkeit entschärft. „Wie so eine Entschärfung genau abläuft, darüber sprechen wir aber nicht. Denn der Versuch, so etwas nachzuahmen, wäre lebensgefährlich. Das wollen wir verhindern.“

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INTERVIEW REPORTAGE

Wenn der Krieg im Kopf nicht aufhört Autos rollen über die B 1 in Dortmund. In einem davon sitzen Hans K. (Name v. d. Red. geändert) und seine Ehefrau. Es ist das Jahr 2014, eigentlich ein normaler Tag. Von hinten setzt ein Auto zum Überholen an. Hans K. sieht das im Rückspiegel und erkennt „südländisch wirkende Männer“. Es dauert nur Bruchteile von Sekunden und die B1 ist Kriegsschauplatz. Die Straße ist jetzt Afghanistan, die Männer sind Taliban. Zumindest im Kopf von Hans K. Von Dirk Planert | Fotos: Dirk Planert, privat

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I

n Afghanistan überholt kein Auto die Kolonne“, sagt er. „Ich habe das Lenkrad nach links gerissen und wollte den Wagen von der Straße drängen. Hätte meine Frau mich nicht durch ihr Schreien zurückgeholt, dann hätte ich den von der Straße geschubst.“ Seit diesem Tag nimmt Hans K. Medikamente gegen Aggressionen. Er war insgesamt acht Monate in stationären Therapien. Noch heute fährt er regelmäßig zur ambulanten Therapie nach Essen. Hans K. ist dienstunfähig, deshalb seit Beginn dieses Jahres Rentner. Er ist einer von 1.233 Soldaten, die unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden, einem Kriegstrauma, das von der Bundeswehr anerkannt wurde.

„Die Bundeswehr rechnet die Zahlen herunter.“ Seit Somalia 1993 waren 400.000 Soldaten und Soldatinnen im Auftrag der Bundeswehr im Auslandseinsatz. Jeder 324. also erleidet ein Kriegstrauma. Zumindest sagt das das Verteidigungsministerium. Merkwürdig, denn allein zwischen 2003 und 2014 waren 5.058 Bundeswehrsoldaten zur PTBS-Behandlung in Bundeswehrkliniken. Der Bund Deutscher Veteranen spricht von 180.000 Soldaten mit PTBS. Das entspricht den Ergebnissen einer Studie der TU Dresden, die ebenfalls davon ausgeht, dass rund die Hälfte aller Bundeswehrsoldaten mit einer unsichtbaren Verletzung nach Hause zurückkommt. Man muss die Hölle, die ein Krieg ist, nicht einmal selbst erlebt haben, um die Zahlen des Veteranenverbandes für realistischer zu halten. „Die Bundeswehr rechnet die Zahlen herunter, das hat ja auch mit Geld zu tun“, sagt der Veteranenverband. „Therapien, womöglich über Jahre, sind teuer.“ Erst kämpfen sie in Afghanistan, dann müssen sie zu Hause für die Anerkennung ihrer PTBS kämpfen. Hans K. hat fünf Auslandseinsätze hinter sich, war in Kuwait, Bosnien, zweimal in Afghanistan und zuletzt im Kosovo. Die Erkrankung lässt sich bei Hans K. nicht an einem Ereignis festmachen. Es waren viele, zu viele für die Seele des Mannes, der

als Kompaniechef 350 Soldaten unter sich hatte. Er spricht ruhig, aber angespannt über Panzerfaustprojektile, die nur Zentimeter an seiner Windschutzscheibe vorbei donnerten, von Kameraden, die morgens auf Patrouille fuhren, und abends hieß es: „Gefallen“. „Du weißt nie, ob du abends im Feldbett schläfst oder in der Blechkiste liegst“.

Die Tanklaster bei Kundus Und dann spricht er vom 4. September 2009. Dieser Tag hat sich in sein Hirn gebrannt. Nicht nur in den Teil, der unser normaler Gedächtnisspeicher ist, sondern auch in ein Hirnareal, das ausschließlich für Emotionen zuständig ist. Wird dieses aktiviert, dann spricht man von Flashback. Oberst Georg Klein hatte damals bei der US-Army Luftunterstützung angefordert. Zwei von Taliban gestohlene Tanklastzüge sollten zerstört werden, damit sie nicht als rollende Bomben genutzt werden können. In der Nacht starben Dutzende Menschen, darunter Kinder, die das wertvolle Benzin abzapfen wollten. Mit Aufgang der Sonne bekam Hans K. seinen Einsatzbefehl. Hinfahren, Schaden feststellen: „Wenn Sie da Körperteile und Innereien sehen, das nimmt man mit. Ich konnte eine Woche kein Fleisch essen, weil ich den Geruch noch in der Nase hatte, und ich habe meine ganze Ausrüstung, Stiefel, Jacke, Hose umgetauscht. Ich konnte das nicht mehr anziehen, weil ich damit über all das gegangen war.“ Fünf Jahre hat es gedauert, von der Bombardierung der Tanklastzüge bis zu dem „Flashback“ auf der B1 in Dortmund. Ungewöhnlich ist das nicht. Es dauert, bis es sich bemerkbar macht. Auch bei Hans K.

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REPORTAGE

Zuerst war es Kameraden aufgefallen, dann Freunden und am intensivsten seiner Frau, die ihm „die rote Karte“ zeigte: „Das geht jetzt hier alles nicht mehr so, hat sie gesagt. Wenn ich meinen Sohn, einen erwachsenen, jungen Mann anschreie, weil er irgendwas ganz Banales gemacht hat, und sie sich dann dazwischen stellt und zu meinem Sohn sagt „Lass ihn schreien“, dann siehst du dich selber und fragst Dich: Was machst du da, doch du kannst nichts dagegen tun“.

„Lernen, es zu kontrollieren.“

Traumafolgen Die Wahrscheinlichkeit, dass ein traumatisierendes Ereignis negative Folgen hat, hängt von der Schwere und von der Art des Ereignisses ab. Dabei können die Reaktionen auf ein erlebtes Trauma bei Erwachsenen und besonders bei Kindern und Jugendlichen sehr unterschiedlich sein. Jedoch muss ein schlimmes Ereignis nicht zu einem Trauma führen. Oft lassen die eigenen Selbstheilungskräfte akute Belastungsreaktionen abklingen, und der Betroffene kann das Erlebte zurücklassen, ohne dass es ihn in seinem weiteren Leben bedeutend beeinträchtigt. Wirken jedoch mehrere belastende Faktoren zusammen, können neben Angststörung und Depression sogenannte posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) auftreten, obwohl das traumatische Ereignis bereits Wochen oder Monate, zum Teil auch Jahre zurückliegt. PTBS gehört zu den bekanntesten Traumafolgestörungen. Wird eine posttraumatische Belastungsstörung nicht durch eine Therapie behandelt, kann sie ernste Folgen haben, z.B.:

· Wiedererleben der traumatischen Situation in Form von Bildern, Gefühlen (Flashbacks) · Symptom-Ausweitung auf immer mehr Situationen (Vermeidung auslösender Situationen) · Verlust an Lebensfreude und -qualität · zunehmende Belastung für Partnerschaft oder Familie · drohende Arbeitsunfähigkeit, Erwerbsminderung mit finanziellen Einbußen · zunehmende Schwierigkeiten in sozialen Beziehungen · soziale Isolation, Rückzug und Vereinsamung Quelle: deutsche-traumastiftung.de

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Mittlerweile tut Hans K. etwas dagegen. Sein Therapeut hat ihm eine tischtennisballgroße Holzkugel mit harten, spitzen Stacheln gegeben. Wenn der Krieg plötzlich wieder da ist, dann drückt der 52-jährige den Ball fest in den Händen. Der stechende Schmerz holt ihn zurück ins Hier und Jetzt. Wird ein Kriegstraumatisierter angetriggert, durch ein Geräusch, einen Geruch oder etwas, das er sieht, wird er in den Krieg zurückversetzt. Dann gibt es keinen Raum und keine Zeit. Dann ist Krieg. Jetzt und hier. Die Holzkugel und Atemübungen helfen Hans K., sich nicht in Panik und Todesangst hineinzusteigern, sondern wieder runterzukommen. „Mein Ziel ist es, mit meiner Frau mal wieder entspannt in ein Musical gehen zu können oder in den Urlaub zu fliegen. Das geht alles nicht. Bei Menschenmengen bekomme ich Panik.“


Das Leiden zu verkürzen sei durch die Therapie möglich, sagt sein Therapeut, der Psychiater und Psychotherapeut Andreas Cyfka: „Stabilisierung ist erst einmal das Wichtigste.“ Die Holzkugel und die Atemübungen gehören dazu. Wenn die Kontrolle in solchen Momenten funktioniert, dann erst geht es um das zentrale Thema: die Traumaverarbeitung. „Man konfrontiert den Betroffenen erneut mit dem Erlebten und versucht, diese eingefrorenen Erinnerungen neu zu bearbeiten.“ Auf die Frage, ob Hans K. sein Ziel, ein normales Leben, erreichen kann, sagt Cyfka: „Ja. Ganz verschwinden werden diese Erinnerungen nicht. Aber er kann lernen, es zu kontrollieren, damit umzugehen“.

Noch immer trägt Hans K. seine Baseballmütze aus Afghanistan. Hinten ist eingestickt die deutsche Flagge zu sehen, darüber der Name der Stadt, die er wohl niemals vergessen wird: Kundus. Die Mütze gibt ihm Sicherheit: „Mit ihr auf dem Kopf ist mir ja nie was passiert.“ Seine linke Hand hält seine Frau. Sie hält viel, sehr viel mehr als nur die Hand. In der Rechten der Holzball und die Hundeleine. Therapiehund Buddy ist darauf trainiert, Körperkontakt zu halten, wenn sein Herrchen unruhig wird. „Buddy“ ist ein Wort, das man oft hört, wenn man mit Veteranen spricht. Buddy ist der Mann an Deiner Seite, der für Dich sein Leben

geben würde. Das verbindet. Nichts so sehr wie das. Sein Buddy trägt jetzt keine Uniform mehr, sondern hat ein weiches, warmes Fell. Buddy schläft nachts in den Armen seines Herrchens. Das beruhigt den Ex-Soldaten. Seitdem braucht er keine Schlaftabletten mehr. „Dafür bin ich ihm ewig dankbar. Er reißt mich aus meiner Lethargie, strukturiert meinen Tag. Er ist neben meiner Frau das Einzige, was mich wirklich zu etwas bewegen kann. Ohne ihn hätte ich den einen oder anderen Tag überlegt, vielleicht doch Schluss zu machen.“

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REPORTAGE

5,6 Millionen Menschen sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks seit 2011 aus Syrien geflohen. Rund 800.000 Syrer leben in Deutschland, und viele von ihnen sind mittlerweile hier heimisch geworden. Sie haben ihre Familien nachgeholt, sich Arbeit gesucht oder sie sich als Unternehmer selbst geschaffen. Mancher versucht sein Glück in der Gastronomie – und bringt so nicht nur noch wenig bekannte Küche nach Westeuropa, sondern auch Orte der Vertrautheit für andere Geflüchtete. Von Ahmad Kamalmaz | Fotos: Daniel Sadrowski

Ein wenig Zuhause auf dem Teller Herr Jundie, Sie sind 2015 als Flüchtling nach Deutschland gekommen, Herr Mehmud, Sie sind bereits seit 2010 hier. Wie kam Ihnen die Idee, ein Restaurant hier zu eröffnen? Salah Jundie: Ich habe schon in Damaskus, wo ich herkomme, als Profikoch gearbeitet. Als ich in Deutschland arbeiten durfte, war ich zuerst in einem türkischen Restaurant in Bochum und habe dann Geschäftsleuten geholfen, eigene Restaurants zu eröffnen, eins in Lüdenscheid und eins in Gelsenkirchen. Seit März habe ich meinen eigenen Laden. Swar Mehmud: Bis ich meine Aufenthaltserlaubnis bekam, habe ich in Bochum gelebt. Später bin ich nach Münster umgezogen, doch wegen meiner Frau kam ich zurück. Eigentlich wollte ich wieder in meinem ursprünglichen Job in der Aluminiumindustrie arbeiten, aber ohne eine abgeschlossene Ausbildung kann ich das hier nicht. Mein Schwiegervater hatte einen Friseursalon, aber die Arbeit dort gefiel mir nicht. Also habe ich in der Gastronomie gearbeitet. Als 2015 meine Brüder aus Syrien herkamen, haben wir überlegt, ob wir nicht etwas Gemeinsames machen können. Und weil wir viel Erfahrung in der Gastronomie haben, kam uns die Idee mit dem Restaurant. Warum haben Sie sich Dortmund ausgesucht? Salah Jundieh: Die hohe Bevölkerungsdichte, Diversität und Multikulturalität der Gesellschaft. Wir richten uns nicht an ein bestimmtes Kundensegment, also nicht ausschließlich an Einheimische oder an Zugewanderte, sondern entscheidend ist die Kombination. Unsere Kunden sind Menschen, die bereit sind, etwas Neues auszuprobieren. Dortmund kann das bieten. 42

Merken Sie das auch an Ihrer Kundschaft? Wer sind die Menschen, die zu Ihnen kommen? Salah Jundieh: Es kommen viele Syrer her, die etwas genießen wollen, was sie aus ihrer Heimat kennen. Ich würde sagen, etwa 60 Prozent unserer Kunden sind Araber, manche sind schon sehr lange hier, andere erst seit wenigen Jahren. Etwa ein Drittel sind Deutsche, ungefähr zehn Prozent sind Menschen aus allen Teilen der Welt, die wegen des Studiums oder ihres Jobs hier sind. Sich in Deutschland mit einem Restaurant selbstständig zu machen, ist langwierig. Welche Schwierigkeiten sind Ihnen begegnet? Swar Mehmud: Hier ist es anders als in Syrien, hier muss man alles Mögliche berücksichtigen: Steuern, Versicherung, Rechnungen, Mülltrennung, Mitarbeitergehälter. Um das komplexe Genehmigungsverfahren zu vermeiden, habe ich mir ein Lokal gesucht, das schon als Restaurant zugelassen war. Damit habe ich viel Mühe und Zeit gespart. Salah Jundieh: Die Bürokratie ist sehr kompliziert, man braucht Dutzende Bescheinigungen und Papiere. Und eigentlich pendelt man zwischen Finanzamt, Gesundheitsamt, der Stadt und der Versicherungsgesellschaft hin und her. Viele hören darum mit ihren Projekten wieder auf. Auch der Aufenthaltsstatus spielt eine Rolle. Ich musste einen Monat lang auf meinen Gewerbeschein warten, weil ich erst die Verlängerung meines Aufenthaltstitels brauchte. Und als ich ein Lokal für mein Restaurant gefunden hatte, wollte das Maklerunternehmen meine unbefristete Aufenthaltserlaubnis sehen. Sonst hätte ich die Miete ein halbes Jahr im Voraus zahlen müssen.


Der 38-jährige Salah Jundieh war schon in seiner Heimatstadt Damaskus als Profikoch tätig. Im Mai 2015 kam er nach einer langen Flucht in Deutschland an. In den letzten Jahren hat er in Bochum, Gelsenkirchen und Lüdenscheid vor allem türkische Küche kreiert. Seit März betreibt er gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Meyassar Mohammad das „Schami chicken“ in der Dortmunder Brückstraße.

Entwickeln sich denn oft Gespräche mit Syrern, die zu Ihnen kommen? Worum geht es dann? Swar Mehmud: Der Großteil der Gespräche dreht sich um Geschichten über das Heimatland. Politische Debatten sind selten, aber wir versuchen auch immer, sensibel zu sein und zu vermeiden, dass zu viel über die sehr schwierige Situation in Syrien gesprochen wird. Außerdem haben die Syrer selbst den Konflikt satt und suchen nun ein friedlicheres Leben. Und wie kommt Ihr Essen bei den Kunden an? Salah Jundieh: Eigentlich sind alle Kunden zufrieden. Im Vorfeld habe ich mich informiert, was ihnen gefallen könnte. Meine Cousine zum Beispiel, die in Rumänien ein berühmtes Restaurant führt, hat mir gesagt, dass der europäische Geschmack anders ist als der syrische, und hat mir empfohlen, weniger Knoblauch zu verwenden. Davon war ich total verwirrt, denn Knoblauch ist eine Grundlage von Shawarma. Ohne Knoblauch heißt es nicht mehr Shawarma. Ich habe es dann so gemacht, wie ich es kannte. Und viele deutsche Kunden wollen gar nicht weniger, sondern mehr Knoblauch haben. Wir merken auch, wie beeindruckt viele Kunden sind, die syrisches Essen nicht kennen, wie viele kostenlose Bei-

Swar Mehmud stammt aus dem kurdischen Norden Syriens. Dort arbeitete er in der Aluminiumindustrie, nebenbei half er im Restaurant aus, das die Familie dort hatte. Mittlerweile betreibt er mit insgesamt vier Mitarbeitern das „Al Afandi“ auf dem Ostenhellweg; sein Schwiegervater betreibt ein Restaurant schräg gegenüber.

lagen sie bekommen. Wir bekommen viele freundliche Worte für ein paar eingelegte Gurken oder einen Teller Knoblauchsauce. Wie ist die Konkurrenz? Swar Mehmud: Zur deutschen Küche gibt es keine Konkurrenz, dazu sind wir zu unterschiedlich. Die syrische und die türkische Küche sind aber näher beieinander, wir haben fast gleiche Mahlzeiten mit kleinen Unterschieden. Und ich glaube, türkische Restaurants merken, dass die Beliebtheit der syrischen Küche wächst. Was haben Sie in Zukunft vor? Salah Jundieh: Ich bin mit anderen Restaurantbesitzern in Nordrhein-Westfalen vernetzt und tausche mich mit ihnen aus. Vielleicht machen wir irgendwann etwas Gemeinsames. Aber erstmal möchte ich einfach nur, dass mein Geschäft weiter so gut läuft wie jetzt. Mehr nicht. Swar Mehmud: Ich versuche, meinen Laden weiter zu fördern. Wir wollen in Zukunft auch Veranstaltungen und Feiern mit Essen versorgen und einen Lieferservice anbieten. Shawarma hat noch nicht die Popularität von Döner Kebap erreicht, aber ich glaube, dass wir das erreichen können. 43


LESERPOST & MEINUNGEN

BODO-SHOP

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Schöne Dinge, die Sie bei uns auch kaufen können: für sich, für Freunde, für unsere Verkäufer. Erhältlich in unserem Dortmunder Buchladen und in unserer Bochumer Anlaufstelle oder auf Wunsch per Post. Bestellen Sie per Mail oder kommen Sie vorbei. Wir freuen uns auf Sie.

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„Rechtsfreie Räume?“ Hallo bodos, zu Eurem Artikel zur Razzia im „Langen August“ müsste man einen Blick auf die hanebüchene Erklärung des Innenministers nachtragen, die erst zeigt, wie willkürlich dieser Polizeieinsatz gewesen sein dürfte. Die Behauptung, die zu durchsuchenden Räume seien nicht zuordbar gewesen, erschließt sich mir genauso wenig wie die, man habe keine weiteren Räume durchsucht. Wenn Polizeibeamte vor einer Durchsuchung nicht wissen, wohin genau sie müssen, empfehle ich einen Blick auf die Klingel. Wenn Gegenstände in Räumen gefunden werden, die man nicht durchsucht hat, klingt das für mich eher nach einem Zaubertrick. Mit welcher Selbstverständlichkeit das Innenministerium hier agiert, ist erschreckend. Bleibt zu hoffen, dass Gerichte hier Klarheit schaffen. Viel Erfolg weiterhin für Eure wichtige Arbeit! C. T.

Geburtstagsspende Liebes bodo-Team, am Freitag, dem 31. August, haben wir an meinem 50. Geburtstag nicht nur für die Party, sondern auch für Eure wertvolle, menschliche Arbeit im bodo e.V. gesammelt. Fast 70 Menschen und ich freuen sich, Euch 900 Euro zu überreichen. Macht weiter so! Liebe Grüße, Jutta & Friends Liebe Jutta, wir freuen uns riesig! Viele Grüße von bodo auch an die Geburtstagsgäste – und herzlichen Glückwunsch nachträglich. Das bodo-Team bodo 09.18

„Streetfood, hipsterfrei“ Liebe bodo-Mitarbeiter, der Grund, warum ich bodo so gern lese, ist, dass Sie Themen „ausgraben“ und so mit Herz erzählen, wie es anderswo gar nicht stattfindet. Ich glaube kaum, dass „Adrianos Pizzamobil“ schon einmal in einem Restaurantführer erwähnt wurde. Aber Sie schreiben von einem Mann, der selbst einmal obdachlos war und mit unglaublicher Bescheidenheit und einem großen Herzen seine Arbeit liebt und auch mal Essen verschenkt, an Menschen, die es nötig haben. Das hat mich sehr gerührt. Herzliche Grüße, A.W.

Schreiben Sie uns: redaktion@bodoev.de Telefon: 0231 – 950 978 0


RÄTSEL

Unsere Verkäuferin Lamiita, gemalt von der Dortmunder Künstlerin – und nimmermüden politischen Aktivistin – Ursula Richter. Foto: Bastian Pütter

bodo 07.18

„Man muss das Leben nehmen, wie es kommt“ bodo gehört schon lange zu meinem Leben – bei Birgitt in Hombruch habe ich das Heft monatlich erstanden. Dann habe ich sie vermisst, hoffte aber, dass sie trotz ihrer vielen Erkrankungen doch noch wiederkäme. Heute lese ich die neue bodo und erfahre von ihrem Tod. Hoffentlich war er ein leichter! Ich bin ein sehr alter Mensch (82 Jahre) und darf noch leben; bei der Nachricht habe ich geweint. Bei Ihrem Gedenken an Birgitt sagen Sie bitte auch, dass sie in Hombruch „viele Freunde“ hatte! Ich werde mich oft an sie erinnern – sehe sie an ihrem Platz im Rewe sitzen. Den Nachfolgern halte ich die Treue. Glück für alles Beginnen und Ausführen wünscht R. P. bodo 09.18

„Hat mir gut gefallen“ Liebe bodo-Redaktion, als regelmäßige Leserin schätze ich Euer Magazin seit Jahren. Selten aber hat mir ein Heft so gut gefallen wie dieses. Von vorne bis hinten – das Augen öffnende Interview mit Herrn El-Mafaalani, die Reportage vom Werkhof, der bei mir in der Nachbarschaft ist, die traurige Zwangsräumungsgeschichte bis zu Eurem Verkäufer Thorsten – habe ich es wirklich ganz gelesen. Da freue ich mich schon auf die nächste bodo. H. M.

Hallo Frau Posegga-Dörscheln, komme leider jetzt erst dazu, mich zu bedanken. Sie und Ihre Kollegen haben ganz, ganz tolle Arbeit geleistet. Vielen lieben Dank! Werde Sie weiterempfehlen! Viele Grüße und noch eine schöne Woche, A. R.

AUFLÖSUNG HEFT 09.18

bodo Transport

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VERKÄUFERGESCHICHTEN

Christian und Lilly verkaufen das Straßenmagazin auf dem Westenhellweg in Dortmund

„Mein nächstes Projekt ist wieder eine eigene Wohnung“ Wer sich mit einem Straßenmagazin auf die Straße stellt, braucht eine große Portion Mut und Selbstbewusstsein. Umso mehr freuen wir uns, wenn Leute auch trotz anfänglicher Berührungsängste zu uns finden, um den nächsten Schritt zu wagen und das Straßenmagazin zu verkaufen. Text und Foto: Sebastian Sellhorst

An seinem 51. Geburtstag treffen wir Christian zusammen mit seiner ständigen Begleiterin Lilly beim bodo-Verkäuferfrühstück in Dortmund. Seit einem Monat kommen die beiden regelmäßig in unserer Anlaufstelle vorbei. „Morgens zum Frühstück bei bodo, das ist eigentlich immer meine erste Station des Tages“, erzählt uns Christian, der erst seit kurzem bodo-Verkäufer in der Dortmunder Innenstadt ist. Immer mit dabei: Mischlingshündin Lilly, die über einen Verein, der sich um Straßenhunde aus Rumänien kümmert, zu Christian gefunden hat und ihm seitdem nicht mehr von der Seite weicht. „Ich glaube, die findet es eigentlich ganz gut, dass wir so viel unterwegs sind. Sie ist jetzt fast vier Jahre alt und braucht unglaublich viel Auslauf. Da passt es ganz gut, dass wir jeden Tag so lange Strecken zurücklegen“, erzählt Christian, während Lilly mit den Schinkenbrötchen auf dem Tisch liebäugelt. Die letzten Jahre hat Christian in verschiedenen Städten in ganz Deutschland verbracht. 2007 habe er nach zehn schlimmen Jahren eine Suchttherapie in Berlin begonnen. „Seit dem 14. Mai 2007 habe ich nix mehr angerührt und bin clean. Und das, obwohl fast 80 Prozent aller Teilnehmer rückfällig werden“, erzählt er stolz. „In den Jahren nach meiner Therapie bin ich durch ganz Deutschland gereist, war mal hier und mal dort, in erster Linie, um alten Kollegen aus dem Weg zu gehen und nicht wieder mit Drogen in Kontakt zu kommen.“

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Zu bodo gekommen ist Christian über seinen jetzigen Kollegen und Platznachbarn Markus. „Nicht weit von der Ecke, an der ich mal eine Zeit mit Lilly gesessen habe, hat er seinen Verkaufsplatz. Anfang des Jahres hat er mich das erste Mal gefragt, ob ich nicht auch Lust auf bodo hätte. Damals war ich aber noch nicht soweit“, erzählt Christian. Vor einigen Wochen habe sich das geändert. „Als ich dann noch mal bei ihm vorbeischaute, hat er mich quasi direkt mit zur Anlaufstelle genommen. Zwei Stunden später hatte ich einen Verkaufsausweis, und Lilly und ich einen bodo-Verkaufsplatz auf dem Westenhellweg.“ Eine Wohnung hat Christian zurzeit nicht. „Das ist aber meine nächste große Baustelle. Gerade zum Winter hin will man nicht draußen sein.“ Zurzeit schläft er etwas außerhalb der Stadt. „Das ist einfach sicherer, als sich in der Innenstadt irgendwo eine Ecke zu suchen. Aber auch überall anders schläft man natürlich immer mit einem offenen Auge und gespitzten Ohren. Da bin ich schon ganz froh, dass ich Lilly dabei habe, die mit aufpasst, ob uns jemand zu nah kommt.“


Anzeige Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Westliches Westfalen e.V.

Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt

Danke, Deutschland. Am 28. Oktober ist Schluss. Der große Sommer geht zu Ende, zeitlich. Die Uhr wird zurückgestellt, zurück, auch wenn Facebook wieder überquellen wird von Idiotenposts, Motto: „Hach, ich kann es mir bis heute nicht merken!“ Bleibt einfach in Eurer eigenen Zeit, auch ihr Feinde des Lichts. Millionenfach habt ihr gegen das Schönste gestimmt, was Europa uns beschert hat: Den langen Sommerabend. Irgendwie beklemmend, dass von den 4,5 Millionen Teilnehmern der EU-Befragung drei Millionen aus Deutschland kamen, mit ddr-licher Mehrheit gegen die Zeitumstellung stimmten. Knapp 497 Millionen Europäer genossen währenddessen lieber draußen mit Freunden das Leben, die Liebe, das Licht. Mir ist völlig egal, ob Ihr aus gründlicher Griesgrämigkeit dagegen seid oder schlicht aus deutscher Schulmeisterlichkeit, also nur, um es diesen Europäern mal zu zeigen. Sollt Ihr künftig in feuchten Kellern im Licht einer 60-Watt-Glühbirne an Eurem Graubrot nagen und Euch noch mal die schönsten Spiele von „Die Mannschaft“ in Russland angucken. Ein Sommermärchen wird es für Euch nicht mehr geben. Wer klagt über diese eine Stunde, rennt auch zum Scheidungsrichter, wenn der monatliche Sexualakt mal vier statt der ehevertraglich vereinbarten drei Minuten dauert. GejamMartin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.

mert und gelabert wurde über die geschenkte Abendstunde schon lange. Auffällig jedoch: Wirkmächtig wurde diese . deutsche Bewegung erst in der Zeit von Pegida, AfD und Chemnitz.

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Sie Mitgli Werden auch in der AWO!

Also, wo längst nicht mehr nur Uhren umgestellt werden

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sollen, sondern gleich Kalender, Motto: „Jetzt schlägt´s 33!“ Bei den Grünen ist es immer irgendwie fünf vor zwölf, die Liberalen halten es biblisch, dort hat bekanntlich jeder seine Zeit. Da fühle ich mich gut aufgehoben bei denen, die schon lange singen: „Mit uns zieht die neue Zeit“, und dann geht es dem Morgenrot entgegen, aber bitte nicht vor acht.

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