bodo September 2019

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bodo DAS

09 | 19 Die besten Geschichten auf der Straße

IN STRASSENMAGAZ

2,50 Euro Die Hälfte für den Verkäufer

Jiny Lan malt neue Meisterwerke Seite 4

Sting im Interview Seite 30

FRIDAYS FOR FU TURE DJELEM DJELEM ROBIN H O OD

BESTE L AGE R E Z N I W Y B B O H T E I B E G R H U R M I

UNSER HAFEN

NUR MIT AUSWEIS

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IMPRESSUM

INHALT

Herausgeber, Verlag, Redaktion: bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.: Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de 0231 – 950 978 12, Fax 950 978 20 Layout und Produktion: Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign info@lookatnoll.de Veranstaltungskalender: Petra von Randow, redaktion@bodoev.de Anzeigenleitung: Susanne Schröder, anzeigen@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20

Jiny Lan

Von Max Florian Kühlem

Vertriebsleitung: Oliver Philipp, vertrieb@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe: René Boyke, Alexandra Gehrhardt, Guido, Peter Hesse, Wolfgang Kienast, Max Florian Kühlem, Monika, Andrea Pedrinelli, Bastian Pütter, Petra von Randow, Sebastian Sellhorst Titelfoto: Daniel Sadrowski Bildnachweise: Anton Atanasov (S. 40), Bianka Boyke (S. 16), Helge Döring (S. 41), Greg Balfour Evans / Alamy Stock Photo (S. 38), Roland Geisheimer (S. 33, 34), Wilfried Gerharz (S. 41), Felix Huesmann (S. 18, 19, 25), Ingelotte / pixelio.de (S. 38), maxpixel.net (S. 27), Reuters / Mark Blinch (S. 30), Reuters / Thomas Peter (S. 16), Daniel Sadrowski (S. 3, 4, 6, 12, 13, 14, 15, 22, 36, 37), Dieter Seitz (S. 11), Sebastian Sellhorst (S. 2, 7, 8, 9, 10, 28, 44, 45), Shutterstock.com (S. 22), Mena Elisabeth Urbitsch (S. 23) Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien Auflage, Erscheinungsweise: 20.000 Exemplare, monatlich in BO, DO und Umgebung Redaktions- und Anzeigenschluss: für die Oktober-Ausgabe 10.9.2019 Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste 06. 2019 Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Vereinssitz: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund www.bodoev.de, facebook.com/bodoev

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Sie lebt in Bochum, hat ihr Atelier in Düsseldorf und ist Mitgründerin des ersten feministischen Künstlerinnen-Kollektivs Chinas. Jiny Lan malt Angela Merkel im chinesischen Kaiserinnenstil und den österreichischen Ex-Kanzler Kurz nackt. Ein Gespräch über Beuys, Zensur und Tarantino.

Schöne Struktur

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Das Beste am Wein ist das Pils danach? Unser Autor Peter Hesse ist überzeugter Hobby-Winzer und nimmt uns mit an Orte in Bochum und Dortmund, wo in Kleingärten, Hinterhöfen oder an Häuserwänden gerade der Jahrgang 2019 reift.

Von Peter Hesse

„Wir brauchen Ergebnisse“

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Anfang August trafen sich 1.500 Jugendliche in Dortmund zum Sommerkongress der „Fridays for Future“ (FFF). Sie zelteten in Wischlingen, demonstrierten in der Innenstadt, diskutierten mit WissenschaftlerInnen und arbeiteten in Workshops an der Zukunft der Klimaschutzbewegung. Von Bastian Pütter

Vorstand: Andre Noll, Verena Mayer, Marcus Parzonka verein@bodoev.de Geschäftsleitung, Verwaltung: Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, verein@bodoev.de Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt, Bastian Pütter 0231 – 950 978 0, redaktion@bodoev.de Transporte, Haushaltsauflösungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln, 0231 – 950 978 0, transport@bodoev.de Buchladen, Spendenannahme Dortmund: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund: Schwanenstraße 38, 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 – 13 Uhr Spendenannahme Bochum: Kleiderkammer Altenbochum und Laer Liebfrauenstraße 8 – 10, 44803 Bochum Mo. 10 – 13 Uhr, Sa. 10 – 12 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Bochum: Henriettenstraße 36, Ecke Bessemerstraße 44793 Bochum, Mo., Do., Fr. 11 – 14 Uhr Di. 11 – 17.30 Uhr, Mi. 8 – 14 Uhr Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00 BIC: BFSWDE33XXX

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Guido, bodo-Verkäufer in Dortmund Liebe Leserinnen und Leser, seit einiger Zeit renoviere ich in meiner eigenen Wohnung in AltScharnhorst. An die Wohnung bin ich über eine Vermieterin gekommen, die sich bei bodo meldete, weil sie eine Wohnung zu vergeben hatte. Da sie die Wohnung gerne einem bodo-Verkäufer geben wollte und bei mir alles passte, hatte ich das Glück, so wieder eine eigene Wohnung zu bekommen, was auf anderen Wegen im Moment fast unmöglich ist. Nach viel hin und her mit dem Jobcenter war dann auch die Bürokratie geregelt. Zurzeit wohne ich noch in einem Zimmer ein Stockwerk tiefer, während wir die Wohnung, die ich hoffentlich bald beziehe, renovieren. Noch ist reichlich zu tun: Im Wohnzimmer werde ich die Decke neu machen müssen, und es muss noch tapeziert und gestrichen werden. Ab und zu bodo verkaufen gehe ich aber trotzdem. Meine Vermieterin, eine sehr nette Frau, sagt auch immer: „bodo geht vor“. Ihnen jetzt aber erst mal viel Spaß mit der September-Ausgabe und viele Grüße aus Alt-Scharnhorst. Ihr bodo-Verkäufer Guido


EDITORIAL

04 Menschen | Jiny Lan 07 Straßenleben | Ferien im Wohngebiet 08 Neues von bodo 12 Reportage | Der Weinberg im Hinterhof 16 Das Foto 16 Recht | Wert des Autos im SGB-II-Bezug 17 Kommentar | Rebellion von oben 17 Die Zahl 18 Interview | Dortmund und der rechte Terror 21 Eine Frage… | Kanalisation und Klimawandel 22 Wilde Kräuter | Schafgarbe 23 Kultur | Unser Hafen, unsere Zukunft 24 Veranstaltungskalender | Verlosungen 29 Kinotipp | The Whale and the Raven 30 Kultur | Sting 32 Reportage | „Wir brauchen Ergebnisse” 36 Reportage | Besuch aus Sherwood Forest 39 Bücher 40 Reportage | Plovdiv – Stolipinovo 44 bodo Shop | Verkäufergeschichten 45 Leserpost | Rätsel 46 Nachruf | Marcus

Liebe Leserinnen und Leser, zu den paradoxen Seiten unserer Arbeit mit VerkäuferInnen des Straßenmagazins gehört, dass wir uns im Prinzip freuen, wenn diese uns verlassen. Im Prinzip. In aller Regel bedeutet ein Abschied, dass jemand, der verzweifelt zu uns gekommen ist, sich nun einer neuen Lebenssituation – in einer Wohnung, in mehr oder weniger geordneten Verhältnissen – befindet und entschieden hat, dass die nächsten Schritte ohne uns erfolgen können. Zu diesen Abschieden gehört immer ein weinendes Auge, sie sind aber in erster Linie gemeinsame Erfolge, Aufstiegsgeschichten. Bei unserer Bochumer Verkäufersprecherin Moni ist es etwas anderes. Sie hat längst die Seiten gewechselt, wenn es so etwas gibt bei uns, und leistet seit Jahren selbst Unterstützung für Menschen, denen es schlechter geht. Sie, die nie klagt über ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen, setzt sich nun verdient zur Ruhe – nicht ohne sich rührend um ihre Nachfolger Nicole und Duilian zu kümmern. Alles Gute, Moni! Neben den schönen Geschichten gibt es bei uns auch die traurigen, die Abstürze, Abbrüche, Krankheiten. Und die Todesfälle. Manchmal sind sie eine schon lange befürchtete Folge von Sucht- und anderen Erkrankungen, selten kommen sie so aus heiterem Himmel wie bei unserem Dortmunder Stadtführer Marcus. Ihn werden wir ganz besonders vermissen. Wir verabschieden uns am Ende dieses Heftes von ihm. Viele Grüße von bodo Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de

Ihre Meinung ist uns wichtig. Seite 45

Von Nothilfe bis Neuanfang: Helfen Sie helfen.

Wenn Sie Menschen in Not treffen, erzählen Sie gerne von unseren Angeboten. Unsere Anlaufstellen haben offene Türen. Bei uns gibt es etwas zu essen, eine warme Jacke, einen neuen Schlafsack. Wir beraten, vermitteln Hilfen und unterstützen bei Neuanfängen. Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00

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MENSCHEN

Jiny Lan geboren 1970 in Xiuyan, China lebt in Bochum und hat ihr Atelier in der Düsseldorfer Innenstadt gründete die erste feministische Künstlerinnengruppe Chinas Aktuelle Ausstellung: „Meisterwerke“ bis 22.9. in der Ludwiggalerie Oberhausen

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Beide wollen sich nicht so recht einfügen in die Bochumer Beschaulichkeit: der schicke Büroturm, der nahe der Innenstadt auf einem Bunkerrest als Sockel thront, und die Künstlerin Jiny Lan, die davor im figurbetonten Kriegerinnen-Look aus ihrem Kleinbus steigt, als wäre sie einem Quentin-Tarantino-Film entsprungen. Ein kurzes Gespräch mit dem Pförtner macht klar: Das hier ist ein vermachteter Raum. Den Fahrstuhl bedient er. Fotografieren ist nur nach Genehmigung des Managements erlaubt. „Deshalb male ich, weil ich da alles darf “, sagt Jiny Lan. Von Max Florian Kühlem | Fotos: Daniel Sadrowski

Jiny Lan malt neue Meisterwerke Nach dem Fototermin steuert Jiny Lan den Bus zu ihrer aktuellen Ausstellung „Meisterwerke“ in der Oberhausener Ludwiggalerie und mixt während der Fahrt in einer atemlosen Erzählung alles zusammen: Kunst und Künstlerin-Werdung, Politik und Feminismus, das Leben im Ruhrgebiet, das immer noch nicht ganz verstanden hat, wie man gute KünstlerInnen vom Wegziehen abhält. Das Navi brabbelt unbeachtet vor sich hin, der Bus muss hinter einer staubigen Ausfahrt in Gelsenkirchen wenden. Die Malerin schert sich nicht groß drum, es gibt Dinge, über die es sich wirklich zu ärgern lohnt. Staatliche Zensur zum Beispiel. Oder Georg Baselitz. Bis sie 25 Jahre alt war, lebte Jiny Lan in China. Seitdem weiß sie, wie es sich anfühlt, einem repressiven Staatsapparat unterworfen zu sein. „Nach dem Kunststudium habe ich ein Jahr

„Ich kann nicht in die Geschichte gehen und sie verändern, ich kann nur jetzt zeigen, dass ich eine gute Malerin bin.“ für die Zeitung ‚People‘s Daily‘ gearbeitet, die auch ‚Partei-Zunge‘ genannt wird. Über diese kurze Zeit könnte ich drei Bücher schreiben, zwei davon wären Albtraumbücher.“ Danach siedelte sie in den Westen über, verliebte sich im Ruhrgebiet und blieb einfach da. Wohnsitz in Bochum, Atelier in der Joseph-Beuys-Stadt Düsseldorf.

Immerhin hat es die 1970 Geborene auch durch diese Zeit geschafft, sich den Nonkonformismus zu bewahren, mit dem sie schon im Kindergarten im kleinen Dorf in der Mandschurei angeeckt ist: „Mit fünf Jahren hat meine Mutter mich zu Hause eingesperrt, und ich habe den ganzen Boden mit Kreide bemalt.“ Ein Student, der während der Kulturrevolution als Teil der „intellektuellen Jugend“ in ihr Dorf in Nordchina geschickt wurde, entdeckte später ihr Talent. Heute ist er Professor für Malerei in Shenyang. Jiny Lan bezeichnet sich als Malerin, obwohl sie auch mit Performances, Installationen oder Video arbeitet. Es ist ein politisches Statement, ihre Form einer neuen, feministischen Geschichtsschreibung, ihre Antwort auf den deutschen Maler Georg Baselitz, der in Interviews mehrfach gesagt hat: Frauen können nicht malen. Als Beweis dafür führt er einen Kunstmarkt an, auf dem Gemälde von Männern höher gehandelt werden. Für Jiny Lan, die 2012 das erste feministische Künstlerinnen-Kollektiv Chinas „Bald Girls“ gegründet hat, ist dieser Kunstmarkt ein undurchschaubarer Wahnsinn. Dass Gemälde von Männern höher im Kurs stehen, habe vor allem mit der längeren Geschichte dieser Kunstform zu tun, Zeiten, in denen Frauen nicht an Kunstakademien durften. „Aber ich kann nicht in die Geschichte gehen und sie verändern, ich kann nur jetzt zeigen, dass ich eine gute Malerin bin.“

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MENSCHEN

In der Oberhausener Schau „Meisterwerke“ zeigt sie das mit großformatigen Porträts berühmter deutscher Künstler. Schon als Kind konnte sie Menschen wiedererkennbar porträtieren, in ihren ersten Ruhrgebietsjahren hielt sie sich als Porträtmalerin auf der Kirmes über Wasser. „Wenn ich einmal richtig berühmt werde, werden viele Arbeiterfamilien mein Glück teilen, die Originale von mir zu Hause haben“, sagt sie und lacht. Aus der Kirmeszeit stammt auch ihr Hang zum kriegerischen Outfit: „Tarantino hat die Menschen glauben lassen, dass kleine Asiatinnen sehr stark sein können. Seit ich diese Sachen trage, werde ich mit Respekt behandelt.“

„Tarantino hat die Menschen glauben lassen, dass kleine Asiatinnen sehr stark sein können. Seit ich diese Sachen trage, werde ich mit Respekt behandelt.“

Ihre „Meisterwerke“ sind beeindruckende, wild-wuchtige Mischungen aus Realität und Traumbildern. Sie sind Hommage und politisches Statement, ein Spiel mit chinesischen und europäischen Maltraditionen. Und die Malerin hat keinerlei Berührungsangst: Einmal hat sie Angela Merkel im Stile chinesischer Kaiser porträtiert, erworben hat das Gemälde Christian Lindner für sein Büro. In der aktuellen Schau lässt sie Georg Baselitz nackt einen Wasserfall hinunterstürzen. Seinem Ausspruch „Frauen malen nicht so gut. Das ist ein Fakt.“ setzt sie so einen anderen Fakt entgegen: „Wasser fließt nach unten.“ Auf einem anderen Bild schweben sich überlagernde Gesichter Gerhard Richters über jubelnden und mit Geldscheinen winkenden Anhängern. Eine kritische Hommage ist ihr Porträt des Künstlers, den sie wohl am meisten verehrt: Joseph Beuys. Er hängt kopfüber an einem rissigen Seil über Statuen. „Beuys war immer gegen Autoritäten und Bürokratie. Aber seine Schüler treten heute autoritär auf und behaupten: Wir verstehen Beuys besser als andere. Was ist, wenn sein Bild in der Öffentlichkeit fällt, sein Mythos demontiert wird?“ Wie Beuys steht Jiny Lan für das nicht abgeschlossene Kunstwerk. Ihre „Meisterwerke“ sind oft Übermalungen. Die Bilder, die es durch die Selbstzensur der Häuser schaffen, wandern als Kopien in noch monumentalerer Größe an chinesische Museen. Einige werden bald in der Biblioteca Maciana in Venedig ausgestellt. Für eine Schau in Brasilien wird sie ihre Porträts zerteilen und als Puzzle ausstellen. Und in Venedig wird das Bild „Penck Solution“ mit dem deutschen Maler A. R. Penck als zentraler Figur und dem Kopf von Tintoretto als sein Wasserspiegelbild ständig durch einen kleinen Motor im Uhrzeigersinn gedreht. Zwischen Tintoretto und A. R. Penck liegen ungefähr 400 Jahre. In diesen 400 Jahren hat sich die Definition von guter Malerei dramatisch verändert. Was sich nicht geändert hat, ist die Vorstellung, wie ein guter Maler aussehen sollte: Ein (alter) weißer Mann, am besten mit Bart.

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STRASSENLEBEN

Ferien im Wohngebiet D

ie Ruhr Nachrichten berichteten jüngst von einem krassen Fall: Mehrere Mieter in einem Wohnhaus am Schwanenwall sollten ausziehen, Eigenbedarf für die Mutter des Vermieters war der angegebene Grund. Doch eigentlich, so die Mutmaßung, wolle er sie loswerden, um die Wohnungen teuer über das Internet an TouristInnen zu vermieten. Weltweit schlagen Großstädte wegen Homesharing-Plattformen wie 9f lats, Airbnb oder Wimdu Alarm. Denn zu Menschen, die ihre selbst bewohnte Wohnung oder ein Zimmer an Touristen vermitteln, kommen zunehmend auch solche Anbieter, die ihre Wohnungen nur noch auf diese Art nutzen. Das, so die Sorge, verknappt Wohnraum und lässt Mieten steigen. Stimmt nicht, sagt Airbnb und hat eigens ein Forschungsinstitut den Einfluss von „Airbnb im Kontext regionaler Wohnungsmärkte“ in Berlin, Hamburg, München und Dortmund untersuchen lassen. Die Studie sagt: Nur bei 22 von

Verschärfen HomesharingPlattformen die Wohnungsnot in Großstädten? Nein, sagt Airbnb. Eine Geschichte aus Dortmund legt nah: vielleicht doch. Die Sorge: Werden Wohnungen dauerhaft für touristische Zwecke vermietet, steigen die Mieten und verschwindet nötiger Wohnraum vom Wohnungsmarkt. Von Alexandra Gehrhardt Foto: Sebastian Sellhorst

knapp 200 in Dortmund online angebotenen Wohnungen sei davon auszugehen, dass sie gar nicht mehr normal bewohnt werden. Nachprüf bar ist das nicht; wie viele Wohnungen in Dortmund über Internetportale vermietet werden, ist der Stadt „nicht bekannt“, hieß es im März in einem Schreiben an den Wohnungsausschuss. Dortmund hat eine Satzung, die verhindern soll, dass Wohnraum anders genutzt wird als zum Wohnen. Das Wohnungsamt muss Büros, Kanzleien, Leerstand oder Gewerbe genehmigen. Das passiert aber offenbar nicht. „Beim Amt für Wohnen sind bislang weder Genehmigungsversuche für private Ferienvermietung eingegangen noch liegen Anzeigen […] vor“, hieß es im März. Man sei auf Hinweise aus der Bevölkerung an-

gewiesen. Airbnb selbst bringt kein Licht ins Dunkel. Dortmund war die erste Stadt, an die das Unternehmen die fällige Bettensteuer direkt abführt. Allerdings wird nur eine Pauschale gezahlt, die unklar lässt, wie viele und welche Wohnungen sie umfasst. Vom Deutschen Städtetag kommt Kritik: „Eine solche Vereinbarung erleichtert die Kontrolle der Einhaltung einer existierenden Zweckentfremdungssatzung nicht“.

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NEUES VON BODO

Ein neues Zuhause Der Umzug ist geschafft: bodo e.V. hat eine neue Bochumer Adresse. Gemeinsam mit der Diakonie ist die Wohnungslosenhilfe in Zukunft im ehemaligen Antoniusstift in der Henriettenstraße 36 beheimatet. Hier befindet sich nun die Beratungsstelle für wohnungslose Männer der Diakonie, die zentrale MagazinAusgabestelle und die Sozialberatung von bodo sowie der von beiden gemeinsam betriebenen Tagesaufenthalt für wohnungslose Menschen. Im Erdgeschoss können wohnungslose Menschen montags bis freitags den Tag verbringen, duschen, Wäsche waschen und Beratungs- sowie Freizeitangebote nutzen. Im ersten Stock befinden sich die Beratungsstelle für wohnungslose Männer der Diakonie und das Vertriebs- und Beratungsbüro von bodo.

TERMINE Podiumsdiskussion: „Trinkerszene“ in Marten Mi., 11. September, 19 Uhr Nachbarschaftstreff Meilenstein In der Meile 2 44379 Dortmund Djelem Djelem 6. Roma-Kulturfestival 12. – 20. September Dortmund „Brüchige Biografien“ bodo-Doku und Filmgespräch Do., 26. September, 19 Uhr Stadtarchiv Bochum Wittener Str. 47 Soziale Stadtführungen DO, 14. September, 11 Uhr BO, 21. September, 11 Uhr Anmeldung unter 0231 – 950 978 0 8

Sachspenden

Feste Feiern

Ihre Buchspenden schaffen Arbeitsplätze, Ihre Kleider-, Hausrat- und Schlafsackspenden helfen Menschen in Not. Wir freuen uns, dass uns auch nach unserem Umzug in Bochum Ihre Spenden an unserem neuen Standort in der Kleiderkammer Altenbochum / Laer erreichen. Zum Beispiel die von Claudia Bolesta, die seit langem nicht nur ihre aussortierten Bücher und Kleidungsstücke bringt: Sie betreibt in der heimischen Garage eine wirkliche bodo-Sammelstelle. Inzwischen stellen Freunde, Nachbarn und Bekannte ganz regelmäßig Taschen und Tüten hier unter, die Frau Bolesta zu uns bringt, nun zum neuen Ort im Hof der Liebfrauenstraße 8 – 10. Herzlichen Dank!

In diesem Monat sind wir in Bochum auf zwei Stadtteilfesten mit Buch- und Infoständen vertreten. Das Spannende für uns: Beide Orte sind eng mit der Geschichte unseres Vereins verwoben. Der Hochbunker am Springerplatz war, als bodo gegründet wurde, Notschlafstelle für Obdachlose. Später zog bodo dort ein und blieb bis zum spektakulären Umbau in das „Zentralmassiv“. Hier findet am 28.9. von 14 – 18 Uhr das Westendfest statt. Für bodo ging es weiter zur Stühmeyerstraße 33, die nun zur KoFabrik geworden ist. Anfang kommenden Jahres hoffen wir, in einer Kooperation zurückzukehren, nun machen wir erst einmal eine Stippvisite beim Imbuschplatz-Fest am 13.9., 15 – 19 Uhr.


Anzeigen

Unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Dortmund haben sich rund 200 gemeinnützige Vereine, Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen. Sie bieten Unterstützungsleistungen in allen Lebensbereichen an:

Viele, viele Spiele In unserem Dortmunder Buchladen warten nicht nur 10.000 Romane, Krimis, Sach-, Kochund Kinderbücher auf neue LeserInnen. Unser Team hat auch eine große Zahl an Brett- und Familien- und Gesellschaftsspielen von günstig bis rar – alle gut erhalten und auf Vollständigkeit geprüft – im Angebot.

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Beratung bei Ehe- und Lebenskrisen Unterstützung bei der Betreuung von Kindern Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene Unterstützung bei psychischen Erkrankungen Hilfen für Menschen mit Behinderungen Hilfen in Notlagen und bei besonderen sozialen Schwierigkeiten Selbsthilfeunterstützung

Kontakt über Paritätischer Wohlfahrtsverband NRW Kreisgruppe Dortmund Ostenhellweg 42-48/Eingang Moritzgasse | 44135 Dortmund Telefon: (0231) 189989-0, Fax: -30 dortmund@paritaet-nrw.org | www.dortmund.paritaet-nrw.org

Wir verbinden Dortmunds

schönste Ecken

Brüchige Biografien Das Stadtarchiv Bochum zeigt am 26. September den Dokumentarfilm „Brüchige Biografien“, der fünf Verkäuferinnen und Verkäufer des sozialen Straßenmagazins bodo bei ihrer Arbeit und danach zeigt. In der 80-minütigen Reportage sprechen die fünf mit großer Offenheit über ihren Alltag, ihre Lebenswege, ihre Hoffnungen und Ziele – und darüber, trotz Niederlagen, Abstürzen und schwieriger Lebensbedingungen nicht aufzugeben. Im Anschluss an die Filmvorführung gibt es ein Filmgespräch mit bodo-Redaktionsleiter und Co-Produzent Bastian Pütter. Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte, Wittener Str. 47, 44789 Bochum Do., 26. September, 19 Uhr, Eintritt frei

• zahlreiche Verbindungen • dichtes NachtExpress-Netz • keine Parkplatzsuche • DSW21-App für Ticketkauf und alle Infos

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DAS STRASSENMAGAZIN

Die Hälfte für den Verkäufer

Die besten Geschichten auf der Straße

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Susanne Schröder: anzeigen@bodoev.de oder Tel. 0231 – 950 978 0

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NEUES VON BODO

Helfen, wo es nötig ist „Kaffee & Knifte“ heißen unsere wöchentlichen Touren in Bochum und Dortmund, die Wohnungs- und Obdachlose mit Getränken und belegten Broten, mit Hygieneartikeln, Schlafsäcken und Isomatten versorgen. Gleichzeitig geht es uns darum, Menschen auf der Straße über die bestehenden Angebote zu informieren und ihnen die Scheu vor Hilfseinrichtungen zu nehmen. Haben Sie Lust, samstagnachmittags unser Team in Dortmund zu unterstützen? Wir freuen uns über MitstreiterInnen. In Bochum suchen wir HelferInnen in unserer Kleiderkammer und im Tagesaufenthalt für Wohnungslose. Wenn Sie mehr wissen oder uns kennenlernen möchten, rufen Sie uns gerne an oder schreiben Sie uns: ehrenamt@bodoev.de | 0231 – 950 978 0

SOZIALES Der Bestand an Sozialwohnungen geht weiter zurück. Bis Ende des Jahres 2018 ist die Anzahl an Sozialwohnungen im Vergleich zum Vorjahr um 3,5 % gesunken. Trotz staatlicher Unterstützung und vermehrtem sozialen Wohnungsbau kann der Bedarf jedoch nicht gedeckt werden. Allein im vergangenen Jahr vielen etwa 70.000 Sozialwohnungen aus der Bindung, während bundesweit nur rund 27.000 neue gebaut wurden. Mehr Fälle von Polizeigewalt als bisher bekannt. Etwa 2.000 Anzeigen wegen unrechtmäßiger Körperverletzung durch Polizeibeamte gibt es jährlich in Deutschland, nur 3 Prozent kommen vor Gericht. Die Dunkelziffer schätzen Forscher jedoch fünfmal so hoch ein. Das geht aus der ersten Hochrechnung einer aktuellen Studie der Ruhr-Universität Bochum unter der Leitung von Tobias Singelnstein hervor. Stigmatisierung hemmt die Inanspruchnahme von Sozialleistungen. Eine aktuelle Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass die Quote der Inanspruchnahme von Transferleistungen stark variiert, je nachdem ob diese vertraulich oder öffentlich beantragt werden müssen. Etwa 34 Prozent der Menschen verzichteten auf die ihnen zustehenden Sozialleistungen, wenn Antragstellung und Auszahlung öffentlich sichtbar waren. Geringe Beschäftigungschancen für Langzeitarbeitslose: Nur etwa 1,7 Prozent der Langzeitbezieher von Hartz IV gelang im vergangenen Jahr monatlich die Integration in den Arbeitsmarkt. Das entspricht 47.000 von 2,78 Millionen Langzeitarbeitslosen, die mindestens zwei Jahre durchgängig Hartz IV bezogen. Obwohl die Langzeitarbeitslosigkeit in den letzten Jahren gesunken ist, blieben die Arbeitsmarktchancen weiterhin schlecht. 10

Diskussion Den Dortmunder Stadtteil Marten beschäftigt eine sogenannte „Trinkerszene“ – Anwohner, die im öffentlichen Raum Alkohol konsumieren. Nach der schriftlichen Beschwerde einer Bürgerin beschloss die Bezirksvertretung kurzerhand die Entfernung von Sitzmöglichkeiten, um die Männer zu verdrängen. Dagegen regte sich Widerstand, der Wirt einer angrenzenden Gaststätte schaffte sogar mobile Klappbänke an. Am Mittwoch, dem 11. September, diskutieren BezirkspolitikerInnen und bodo-Redaktionsleiter Bastian Pütter mit AnwohnerInnen über diesen Musterfall des Zusammenlebens im Stadtteil: Was ist erlaubt im öffentlichen Raum? Meilenstein, In der Meile 2, 19 Uhr Eintritt frei.


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www.facebook.com/bodoev info@bodoev.de 0231 – 950 978 0 bodo ist für Sie da Zentrale Rufnummer 0231 – 950 978 0 Mo. bis Fr. 9 – 16 Uhr Mail: info@bodoev.de Fax: 0231 – 950 978 20 Spendenannahme DO Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr Sa. 10 – 14 Uhr Spendenannahme BO Kleiderkammer Altenbochum und Laer Liebfrauenstraße 8 – 10 44803 Bochum Mo. 10 – 13, Sa. 10 – 12 Uhr

Ansprechpartner Geschäftsleitung: Tanja Walter verein@bodoev.de Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt Bastian Pütter redaktion@bodoev.de Anzeigen: Susanne Schröder anzeigen@bodoev.de Vertrieb: Oliver Philipp vertrieb@bodoev.de bodos Bücher: Suzanne Präkelt buch@bodoev.de

Wohlfühlapotheke in modernem Ambiente

Haushaltsauflösungen und Entsorgungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln transport@bodoev.de

Impfpass-Check • Haut-/Haaranalyse • Blutwertbest. Wißstr. 7 • 44137 Dortmund Mo - Fr 8.00 - 18.30 Uhr • Sa 10.00 - 15.00 Uhr Tel./WhatsApp 0231 52 29 96 hansaplatz@ausbuettels.de

Enduro-Spende

Um umweltschädlichen Plastikmüll zu vermeiden, bittet das Bochumer Modeunternehmen Baltz um 20 Cent pro Tüte, spendet aber die Einnahmen an gemeinnützige Organisationen. Alle Einnahmen des ersten Halbjahrs 2019 gingen an bodo. Noch besser: An bodo spenden konnte man an den Kassen in allen drei Baltz-Häusern auch, wenn man eine wiederverwendbare Tasche kaufte oder bereits dabei hatte. Insgesamt kamen dabei fast 4.100 Euro zusammen! Wir bedanken uns herzlich bei Andor Baltz, Heinz Illinger (Foto) und vor allem bei allen MitarbeiterInnen, die über Monate auf unsere Angebote hingewiesen haben. Das Geld kommt den Angeboten in unserer neuen Bochumer Anlaufstelle zugute.

2016 riefen Andreas König und Betty Andre, Motorradfahrer- und „bodo“UnterstützerInnen, das ReiseenduroFestival Vosswinkel ins Leben, um ihr Hobby mit sozialem Engagement zu verbinden. Im August luden sie zum vierten Mal mehr als 100 Motorradfreunde in den Ort bei Arnsberg, um zwei Tage lang auf dem Offroad-Gelände des Motocrossclubs Vosswinkel ihr Bestes zu geben. Weil alle Beteiligten – von der Organisation bis zu den Livebands am Freitagabend – ehrenamtlich tätig waren, konnte eine hohe vierstellige Summe an Spende ohne Abzüge unter mehreren Organisationen aufgeteilt werden. bodo erhält 1.000 Euro und sagt: Herzlichen Dank!

en lassen.“ „Nicht ärgern. Berat © by Photocase.de

Baltz für bodo

Mieter schützen · Mietern nützen!

Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.

Mieterverein

Bochum, Hattingen und Umgegend e.V.

Brückstraße 58 44787 Bochum Tel.: 0234 / 96 11 40 mieterverein-bochum.de

Kampstr. 4 44137 Dortmund Tel. 0231/557656-0 mieterverein-dortmund.de

Öffnungszeiten Mo - Do 9:00 - 18:00 Fr 9:00 - 12:00

Öffnungszeiten Mo - Do 8:30 - 18:00 Fr 8:30 - 14:00

Mitglieder im Deutschen Mieterbund

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REPORTAGE

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Schöne Struktur

Selfmade-Weine aus Bochum und Dortmund Marmelade selber machen – sicher, dazu gehört nicht allzu viel raffinierte Kochkunst. Aber eigenen Wein herstellen? Dazu noch in einer Gegend, die nicht gerade sonnenverwöhnt an der Mosel oder am Kaiserstuhl liegt. Unser Autor Peter Hesse ist selber überzeugter Hobby-Winzer und nimmt uns mit zu den Trauben des Ruhrgebiets, die hier nicht an steilen Weinbergen wachsen, sondern in Kleingärten und Hinterhöfen – oder an Häuserwänden. Von Peter Hesse | Fotos: Daniel Sadrowski

In Bochum-Höntrop findet sich unweit des Friedhofs ein Kleingartenverein. Zwischen rechtwinklig angelegten Wegen liegt auch die Parzelle von Rainer Dahlbeck. Der ehemalige Bautechniker ist vor zwei Jahren in Rente gegangen und quasi zeitgleich in die Hobbygärtnerei eingestiegen. „Viel Arbeit macht das nicht, regelmäßig muss man gießen und etwas Unkraut zupfen, aber sonst ist das echt kein Hexenwerk“, sagt er. Neben Mais, Roter Beete, Fenchel oder Grünkohl hat er auch zwei große Weinreben in seinem kleinen Reich, die in diesem Jahr viele Früchte tragen. „Wir sind gespannt, ob wir daraus Wein machen können“, sagt Ina Micheel, die Tochter von Rainer Dahlbeck. Die beiden teilen sich auf, wer in der Kleingartenanlage für das Wässern der Pflanzen oder den Beschnitt der Obstbäume oder Rosen zuständig ist. Gerade die Weinreben sind sehr pflegeleicht: Überflüssige Triebe werden abgeschnitten, und die Blätter dürfen nicht zu nah an Hauswänden stehen. Sie sind zu anfällig für Mehltau oder anderen Pilzbefall, wenn sie nicht ausreichend belüftet werden. „Für mich ist es vor allem faszinierend zu sehen, wie aus Mini-Setzlingen später eine richtige Ernte mit prächtigen Früchten oder Gemüsepflanzen wird – das hat schon etwas sehr Beglückendes“, sagt Ina. Ob sie in diesem Jahr noch zur Höntroper Weinkönigin gekürt wird? Nun, das kann erst in ein paar Wochen beantwortet werden.

„Das Schönste am Wein…“ Denn die Weintrauben sollten erst Ende Oktober geerntet werden. Gerade der Spätsommer sorgt mit seinen warmen Sonnenstrahlen noch für einen hohen Fruchtzuckergehalt in den Trauben – in Fachkreisen wird dieser Wert Öchsle genannt. „Wenn deine Trauben nicht mindest 85 Öchsle haben, dann brauchst du

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REPORTAGE

gar nicht erst anfangen“, sagt Heike Meschke, die schon seit vielen Jahren in Dortmund-Deusen an ihrem Haus dunkelrote Merlot-Trauben züchtet und eine Art Profi in der Weinkelterei ist. Im vergangenen Jahr hat sie aus etwa 40 Kilo Trauben 20 Liter Wein gewonnen. „Im Juni hatte ich noch Besuch aus Neuseeland, dem habe ich noch zwei Flaschen geschenkt, worüber der sich sehr gefreut hat“, sagt Heike. Der ehemalige Dortmunder Oberbürgermeister Günter Samtlebe sagte mal pointiert: „Das Schönste am Wein ist das Pils danach“, aber für Heike Meschke hat ihr Rotwein aus eigenem Anbau einen ganz anderen Hintergrund: „Das gibt einem schon ein schönes Gefühl, wenn man etwas selbst erschaffen hat. Auch wenn man sagen muss, dass die Hege und Pflege, die ich da reinstecke, in keinem Verhältnis zum Endprodukt steht. Ich könnte mir genauso gut eine Flasche Rotwein für sieben Euro im Supermarkt kaufen, aber darum geht es mir ja nicht. Bei der ganzen Sache steht im Vordergrund das Gefühl, beschenkt zu werden. Man investiert zwar etwas, auch Zeit und Arbeit, jedoch hängt der Erfolg nicht allein davon ab. Deshalb ist das Ganze schon irgendwie ein Geschenk.“

Die Hobby-Winzerin aus Deusen hat sich in den vergangenen Jahren viel Equipment zugelegt, damit sie ihre Produktion starten kann – auch ich habe meine Trauben im letzten Jahr bei ihr gepresst, den Öchslewert ermitteln und in ihren Ballon-Glasflaschen vergären lassen. In diesem Jahr wird meine Ernte allerdings nicht so opulent ausfallen wie im Jahrhundertsommer 2018, zwischendrin hat es zu viel geregnet und die Sonnenzeiten waren im Schnitt doch etwas geringer als im Vorjahr. Bei Heike sieht es nach derzeitigem Stand der Dinge anders aus: Sie erwartet in etwa die gleiche Menge wie im Vorjahr. „Ich habe mir neben meine Rebstöcke eine Rose gepflanzt, das ist ein Winzertrick, den ich mir von einem Weingut in Südtirol abgeschaut habe. Denn ein Rosenstock bekommt zuerst alle möglichen Pilze. Und wenn das eintritt, kannst du bei den Weinreben noch rechtzeitig eingreifen“, sagt die gelernte Friedhofsgärtnerin aus Dortmund Deusen und erklärt weiter: „In Profi-Weinbergen stehen die Reben sehr nah nebeneinander, damit die dort die Wurzeln besser austreiben können und sogar in zehn Metern Tiefe noch an Wasser kommen.“ Als Sonnenschutz hat Heike ihre Reben in einer Art Pergola vor ihrer Terrassentür angelegt, und wenn die Hochsommersonne zu stark sein sollte, kann sie zum Schutz der Trauben eine Markise ausfahren.

„Gut eingebundene Tannine“ Zur Ernte werden die Trauben gepf lückt und in einem Siebkorb in der Badewanne gewaschen. Danach wird die Ernte in einem riesigen Kochtopf bei etwa 80 Grad gekocht, damit mögliche Schädlinge, die sich in die Trauben eingenistet haben, absterben. Nur darf die Hitze nicht zu groß sein, weil sonst auch das Fruchtfleisch der Trauben alle Vitamine verliert. Der abgepresste Traubensaft wird dann in riesige Ballonflaschen gefüllt und eventuell mit Trockenzuchthefe angereichert, damit der Wein durchgären kann. Ein Gärverschlussventil auf den Flaschen hilft, dass über-

Links: „Chateau du Migrâne“ nennt unser Autor Peter Hesse seinen 2018er Riesling in der Totenkopfflasche – Prädikat: „wirklich sehr ordentlich“.

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flüssige Gärgase entweichen können, aber kein zusätzlicher Sauerstoff in die Ballonflaschen gelangen kann. Nach etwa sechs bis acht Wochen kann der Jungwein geklärt und gefiltert werden. Meinen eigenen Wein habe ich in Totenkopfflaschen abgefüllt, „Chateaux de Migrâné 2018“-Etiketten selbst angefertigt und an Freunde und Verwandte verschenkt. Ob die Selfmade-Qualität unserer Weine auch Profis zu wohlwollendem Schulterklopfen verleiten kann, haben wir mit dem Weinblogger Boris Kaiser getestet. Seit ein paar Jahren testet er auf seinem Instagram-Account (instagram.com/boriskaiser74) Weine – vor allem von deutschen Weingütern. „Das Ganze fing aus einer Laune heraus an, aber mittlerweile habe ich recht viele internationale Follower, so dass ich jeden Eintrag in englischer Sprache verfasse“, sagt Boris, der tagsüber als Redakteur für das Heavy-Metal-Magazin „Rock Hard“ arbeitet. Der Rotwein von Heike Meschke gefällt ihm sehr gut: „Der hat wirklich eine schöne Struktur und ist sehr ambitioniert gemacht. Die Tannine sind hier wirklich sehr gut eingebunden“, so die zustimmenden Worte des Weinliebhabers aus dem Dortmunder Kreuzviertel. Tannine sind übrigens Gerbstoffe, die vorwiegend von den Traubenstilen oder Kernen stammen. Auch meinen Selfmade-Riesling, deren Trauben am Fachwerkhaus meiner Eltern in Dortmund-Schüren wachsen, lobt Boris: „Da finden sich säuerliche Spuren von Apfel oder Mirabelle, für Rieslingtrauben ist das nichts Ungewöhnliches. Aber das Gesamtbild ist für so eine Wald- und Wiesen-Produktion wirklich sehr ordentlich.“ Gut Ding will eben Weile haben, so lautet ja eine allgemeingültige Binsenweisheit. Für die Weinmacherei gilt sie umso mehr.

Oben: Weinblogger Boris Kaiser lobt den Merlot von Heike Meschke: „Der hat wirklich eine schöne Struktur und ist sehr ambitioniert gemacht.“ Mitte: „Unter 85 Öchsle brauchst du gar nicht erst anfangen.“ Heike Meschke hat im vergangenen Jahr 40 Kilo Trauben in Dortmund-Deusen geerntet, das reichte für 20 Liter Wein. Rechts: Ina Micheel und Vater Rainer Dahlbeck teilen sich die Winzerarbeit in ihrem Bochum-Höntroper Kleingarten.

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DAS FOTO

Die Polizei feuert am 14. August bei Zusammenstößen in Sham Shui Po in Hongkong Tränengas auf Demonstranten. Die Proteste hatten sich am Entwurf eines Gesetzes zur Auslieferung Beschuldigter an China entzündet, bei Demonstrationen für mehr demokratische Rechte waren bis zu 1,7 Millionen Menschen auf der Straße. Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997 an China nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ als eigenes Territorium autonom regiert. Foto: Reuters / Thomas Peter

RECHT

Welchen Wert darf das Auto im SGB-II-Bezug haben? Von René Boyke 7.500 Euro. Dies ist seit Jahren der Freibetrag für ein „angemessenes“ Kraftfahrzeug. Muss ein wertvolleres Auto immer verwertet werden, bevor SGB II bezogen werden kann? Keineswegs. Bereits 2009 entschied das Bundessozialgericht, dass zusätzlich zu diesem Freibetrag die Grundfreibeträge nach §12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II zu berücksichtigen sind (BSG, Urt. v. 20.08.2009, B 14 AS 41/08 R) – und

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die können je nach Alter des Hilfebedürftigen deutlich darüber liegen. Außerdem: Verweigert ein Jobcenter Hilfeleistungen und beruft sich dabei auf den angeblich zu hohen Wert eines vorhandenen Fahrzeugs, muss es dies schlüssig darlegen können. Daran scheiterte jüngst ein Jobcenter in einem Eilverfahren am Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Az. L 11 AS 122/19 B ER). Es hatte einem 1961 geborenen

Antragsteller Grundsicherung verweigert und dies damit begründet, dass er einen Ford Pick Up, Modell F 150 Basic, Modelljahr 2010, besitze. Den Wagen hatte der Antragsteller nach eigenen Angaben Jahre vor seiner Hilfebedürftigkeit für 21.000 Euro gekauft. Nach Ansicht des Jobcenters war er mehr wert und darum erst zu verwerten. Dabei berief sich die Behörde auf eigene Ermittlungen auf einer Internet-Plattform.


KOMMENTAR

Rebellion von oben Von Bastian Pütter Nie alt werden. Als nach dem letzten Weltkrieg Rock’n’Roll das rituelle Aufbegehren der Jugend mit dem Markt verheiratete, konnte keiner ahnen, dass Jugendkulturen ab sofort kein Austrittsalter mehr kannten. Jung sterben setzte sich trotz charismatischer Vorreiter nicht durch, also wird seitdem Generation um Generation zwar alt und älter, aber nicht erwachsen. Das ist erstmal eine prima Sache und hat vieles angenehmer gemacht, gerade in diesem Land. Das Dumme: Ist die Generationenfolge erst einmal durcheinander, verliert man Machtkonstellationen so leicht aus dem Blick.

Die Pubertät Ü50

In rauer werdenden Zeiten erinnern sich zurzeit ältere und alte Männer an ihre Auftritte im elterlichen Wohnzimmer, als es um Garderobenfragen, Haarlängen oder Heimkommzeiten ging. Der pathetische Kampf gegen Bevormundung durch mit Macht und wunden Nerven ausgestattete Erziehende ist das Privileg der Jugend. Er geht traditionell heroisch verloren, weil das seine Bestimmung ist. „Freiheit!“ – „So gehst Du nicht vor die Tür.“ Irgendwann sitzt man selbst dem zeternden Nachwuchs gegenüber. Ausgestattet mit Macht und wunden Nerven. Heute sind die sich chronisch im Ton vergreifenden Pubertierenden Business-Punks und Aufsichtsrat-Mods über 50, Chefredakteure, Bundestagsabgeordnete. Ungefragt teilen sie mit, dass sie wegen des linksgrünen Mainstreams absichtlich mit dem Diesel-SUV zum Bäcker fahren und den Motor laufen lassen. Kolumnenschreibende Rotweinfans kokettieren mit alternativen Fakten zur Klimakatastrophe oder provozieren mit „Nazis rein“-Gelaber, als wollten sie ihren Soziologielehrer aus der Fassung bringen. Noch besser gekleidete Kollegen geben der längst eröffneten Jagd auf eine 16-jährige Schwedin einen bürgerlichen Anstrich. Im Namen der Freiheit. Denn, blökt es einem aus tausend Teppichetagen entgegen: Mann lässt sich nicht bevormunden! Die gerade an allen Enden sprichwörtlich brennende Erde vielleicht doch für zwei, drei Folgegenerationen bewohnbar halten? Verbotshysterie, Tugendterror! Trippelschritte der Umverteilung wie eine Vermögenssteuer? Kommunismus! Die, die sich nach oben gemackert haben, als die Mehrheit das noch nicht anstößig fand, verteidigen ihre Privilegien im Gestus von gerade strafmündigen Halbstarken (als Platzhalter für jeden Generationenkonflikt seit 1956). Punk is Trump. Jede konformistische Rebellion von oben mit dermaßen hohlem Freiheitsbegriff ist unredlich. Diese nervt auch noch.

In dem Verfahren vor dem LSG wurde jedoch klar, dass die Schätzung des JCs unbrauchbar war. Während das Jobcenter einerseits vom Hilfebedürftigen detaillierte Nachweise verlangte, konnte es hinsichtlich der eigenen Leistungsverweigerung damit nicht dienen. Da der Antragsteller über kein weiteres Vermögen verfügte, war laut Gericht sowohl der Freibetrag für das Auto (7.500 Euro) als auch der für den Antragsteller geltende Grundfreibetrag (9.300 Euro) zu beachten (Summe: 16.800).

DIE ZAHL

72.000 Waldbrände sind zwischen Januar und August im Amazonas ausgebrochen. Der rechtsextreme brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, der den menschengemachten Klimawandel leugnet, hat seit Amtsantritt die Kontrolle der Abholzungen und Brandrodungen des Regenwaldes weitgehend abgeschafft.

Da es sich um ein Eilverfahren handelte, verzichtete das Gericht auf die Einholung eines Gutachtens (das bleibt dem langsameren Hauptverfahren vorbehalten), machte von seiner Schätzungsbefugnis Gebrauch und verurteilte das Jobcenter vorläufig zur Leistung. Allerdings: Sollte sich der vorläufige Zahlungsanspruch im Hauptverfahren nicht bestätigten, wird der Kläger die Leistung zurückzahlen müssen.

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INTERVIEW

Seit dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke wird erneut über das Verbot von Neonazi-Organisationen diskutiert. Auch von „Combat 18“ ist immer wieder die Rede. Die Gruppe bezieht sich offen auf den bewaffneten Kampf, und zwar legal. „Es ist absurd, dass ‚Combat 18‘ nie verboten wurde“, sagt der Soziologe Hendrik Puls. Ein Gespräch über rechte Vernetzung und ihre Wege nach Dortmund. Von Alexandra Gehrhardt | Fotos: Felix Huesmann

Dortmund und der rechte Terror

Oben: Dortmund gilt seit Jahrzehnten als Vernetzungsort der extremen Rechten, hiesige Neonazis sind im Musikbusiness, Kampfsport und in Fußball-Fangruppen unterwegs. Zu einer Großdemonstration im Juni 2016 kamen fast 1.000 Neonazis aus Deutschland und dem europäischen Ausland nach Dortmund.

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Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der rassistische Anschlag in Wächtersbach, rechte Morddrohungen und Todes- und Feindeslisten – erleben wir gerade einen Ausbruch an rechter Gewalt? Es gibt einen Anstieg an rechtsextremen Drohungen, schwerwiegenden Gewalttaten und Ermittlungsverfahren gegen Neonazigruppen oder Einzelne, denen vorgeworfen wird, kriminelle oder terroristische Vereinigungen zu bilden oder schwere Straftaten vorzubereiten. Das ist durchaus eine explosive Stimmung. Auffällig ist die Parallelentwicklung: In Deutschland wird seit einigen Jahren ein aufgehetzter Diskurs

über Migration, Zuwanderung und Asyl geführt, und es ist etwas entstanden, das ich als soziale Bewegung von rechts kennzeichnen würde. Gleichzeitig gibt es eine neue parlamentarische Akteurin, die AfD, die diese Stimmungsmache mit forciert. Ist das ein neues Phänomen? Nein. Über Jahrzehnte sind immer wieder massive rechtsmotivierte Gewalttaten zu sehen. Es gab schon in den 70er und 80er Jahren organisierte Gruppen aus der Neonaziszene, die sich auf den bewaffneten Kampf vorbereitet haben und Sprengstoffanschläge und Morde verübten. Der mutmaßliche Mörder von Walter Lübcke ist als Neonazi bekannt, er wurde unter anderem für die Beteiligung am Angriff auf die Dortmunder DGB-Demo

Unten: Der Dortmunder Neonazi Robin Sch. (mit Handy) wurde

2009 verurteilt. Es gibt Mutmaßungen über Kontakte zum Netzwerk „Combat 18“. Was ist das? „Combat 18“ wurde Anfang der 1990er Jahre als eine Art Schläger-Gang in England gegründet. Im Lauf der 90er Jahre hat die Gruppe die Kontrolle über „Blood & Honour“ übernommen. Diese große Neonazi-Organisation war zum einen im Rechtsrock-Business aktiv, hat sich aber immer auch als politische Organisation verstanden, in der Konzepte des bewaffneten Kampfes diskutiert und verbreitet wurden. Mit der Zeit entwickelte sich ein internationales Netzwerk, das meistens unter dem Namen „Blood & Honour / Combat 18“ auftrat. In dieses Netzwerk sind spätestens seit Beginn der 2000er Jahre Neonazis aus Dortmund eingebunden. Die Dortmunder Band „Oidoxie“ hat sich selbst wie keine zweite als „Combat-18“-Band inszeniert, hat in ihren Liedern dafür Werbung gemacht und ist damit auch zu einer Propagandistin des Rechts-

als „Brieffreund“ der verurteilten Rechtsterroristin Beate Zschäpe bekannt. Er zeigte sich 2016 in Dortmund an der Seite von „Combat 18“-Mitbegründer William Browning (blaues Hemd) und mit Thorsten Heise (links), Führungsfigur der militanten Rechten in Deutschland und Landesvorsitzender der NPD Thüringen.

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INTERVIEW

terrors geworden. Es gibt eine Reihe sehr expliziter Liedtexte und Forderungen, sich dem sogenannten „Führerlosen Widerstand“ anzuschließen, einem Konzept, an dem sich auch der NSU orientiert hat. Machen die nur Musik? Es gibt zwei Hauptaktivitätsfelder von „Blood & Honour / Combat 18“: Zum einen werden Konzerte organisiert. Zum anderen war „Combat 18“ sowohl in England als auch in Deutschland immer verbunden mit der Propagierung des bewaffneten Kampfes und des Rechtsterrors. In konspirativ erstellten Heften wurden Rechtsterrorkonzepte vorgestellt und Ratschläge gegeben, wie man Zellen gründen kann. Dadurch ist „Combat 18“ zu einem Label für bewaffneten Kampf geworden. „Oidoxie“ hatte nachweisbar seit 2000 Kontakte zu führenden Figuren aus England, Skandinavien und Belgien und wurde von ihnen als legitimierte Vertreter des Netzwerks in Deutschland gesehen. „Combat 18“ ist nie verboten worden. Das ist absurd, weil das Bundesinnenministerium im Jahr 2000 „Blood & Honour“ verboten hat. „Combat 18“ wurde in das Verbot nicht einbezogen, obwohl seine Selbstbezeichnung stets die des bewaffneten Arms war. Das führte dazu, dass vom Verbot nur ein Teil der Neonazis betroffen waren. Die Dortmunder Neonazis zählten nicht dazu.

„Es gibt eine Gefahr von Gewalttaten, gegen die man staatlicherseits nicht gewappnet sein kann.“ Welche Spuren führen noch nach Dortmund? Seitens der Sicherheitsbehörden wurde über Jahre hinweg gesagt, dass es keine Strukturen von „Combat 18“ gebe. Nun sagt der Verfassungsschutz: Seit 2013 gibt es eine solche Struktur und dazu zählen Personen aus NRW, auch aus Dortmund. Im Vorfeld der Neubewertung hatte es einerseits Auseinandersetzungen in Untersuchungsausschüssen gegeben, andererseits

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haben antifaschistische Gruppen, unter anderem EXIF-Recherche, umfangreiches Material veröffentlicht, das die „Combat 18“-Strukturen offenlegte. Eine Person, die prominent in Erscheinung tritt, ist der Dortmunder Neonazi Robin Sch. Er ist aller Wahrscheinlichkeit nach die Person, die jüngst in einer Videobotschaft als Sprecher von „Combat 18“ in Deutschland aufgetreten ist. Sch. war schon vor 15 Jahren im Umfeld der Gruppe „Oidoxie“ unterwegs, hat sich in einer Art Kameradschafts-Saalschutz-Truppe namens „Oidoxie Streetfighting Crew“ betätigt und war involviert in Drogengeschäfte Dortmunder Neonazis. Nun hat er sich selbst in die Position einer Gallionsfigur von „Combat 18“ gebracht.

einer Reihe möglicher Verbote interveniert mit dem Argument, die Strukturen wären im Untergrund unkontrollierbar. Das hat die Gewalt aber nicht verhindert, sondern auf lange Sicht die Szene gefestigt.

Führende Figuren von „Combat 18“ haben sich auch bei einer Großdemonstration 2016 in Dortmund getroffen. Bei dieser Demonstration wurde sichtbar, dass Personen, die schon in den 2000er Jahren zu „Combat 18“ zählten, weiterhin in Kontakt stehen. Auch Personen von „Oidoxie“ und Robin Sch. waren dabei. Interessant war, dass erstmals seit vielen Jahren auch der Engländer Will Browning, einer der Gründer von „Combat 18“, wieder in Deutschland und in ihren Reihen war. Damit wurde die Wiedervereinigung öffentlich dargestellt.

Mittlerweile werden Forderungen nach einem Verbot von „Combat 18“ lauter. Wie sinnvoll wäre das? Verbote haben immer auch eine symbolische Wirkung. Es hat schon einen Sinn, damit auch ein Signal zu setzen. Das Tragische ist, dass bei einem NeonaziNetzwerk mit Strukturen, die über 20 Jahre aufgebaut worden sind, die praktischen Verbotsfolgen fraglich sind. Erschüttert das die Szene in ihren Grundfesten? Verhindert es ihre Aktivitäten? Das glaube ich nicht.

Sie haben sich im NSU-Untersuchungsausschuss für NRW auch mit der Arbeit von Sicherheitsbehörden befasst. Wie sind die gewappnet gegen rechte Netzwerke? Es gibt eine Gefahr von Gewalttaten, gegen die man staatlicherseits nicht gewappnet sein kann. Zu fordern, jeden Anschlag verhindern zu können, wäre auch falsch. Dazu wären massive Grundrechtseinschränkungen, ein totaler Überwachungsstaat, nötig. Hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben. In der Diskussion über Rechtsterrorismus nach dem NSU wurde oft der Vorwurf erhoben, den Verfassungsschutzbehörden hätten Analysefähigkeit und Wissen gefehlt. Ich glaube, dass das gar nicht der Fall war. Es gab eine riesige Informationsmenge darüber, wie gewalttätig Neonazis waren, welche Konzepte, Pläne und Waffen in der Szene kursierten, weil die Neonaziszene bis in die Führungsspitze von V-Leuten unterwandert war. Die Verfassungsschutzbehörden haben sich dadurch in Sicherheit gewiegt. Und sie haben bei

Hendrik Puls forscht zu Neonazismus und Rechtsterrorismus. Er war Mitarbeiter der Grünen im NSU-Untersuchungsausschuss im NRW-Landtag und promoviert in der von der HansBöckler-Stiftung geförderten Nachwuchsforschungsgruppe „Rechtsextreme Gewaltdelinquenz und Praxis der Strafverfolgung“ (www.nfg-rexdel.de) an der Ruhr Universität Bochum.

„Die praktischen Verbotsfolgen sind fraglich. Erschüttert das die Szene in ihren Grundfesten? Verhindert es ihre Aktivitäten? Das glaube ich nicht.“


Eine Frage, Herr Waniek:

Was macht der Klimawandel mit der Kanalisation? Rund 120 Liter Abwasser fallen pro Tag pro Person an und werden über die fast 600.000 Kilometer Kanalnetz unter Deutschlands Städten entsorgt. Extreme Wetterereignisse wie Starkregen oder Dürreperioden können die Kanalisation aber vor große Herausforderungen stellen. Was passiert also bei zu viel oder zu wenig Regen? „Wenn das Wasser bei starken Regenfällen auf der Straße stehen bleibt, handelt es sich meist nicht um eine unterdimensionierte Kanalisation, sondern um Probleme auf dem Weg in die Kanalisation“, so Roland W. Waniek, Geschäftsführer des Instituts für Unterirdische Infrastruktur. „Ist das sogenannte Schluckvermögen eines Ablaufs zu gering oder ist er verschmutzt, kann das Wasser nicht schnell genug ablaufen.“ Bei der Planung von Straßenabläufen habe man es aber auch immer mit vielen Zielkonflikten zu tun. „Natürlich will man, dass Regenwasser möglichst gut aufgenommen werden kann, andererseits möchte man natürlich 30 Zentimeter hohe Bordsteine und riesige Abläufe, die Fußgänger oder Fahrradfahrer gefährden können, möglichst vermeiden.“

Roland W. Waniek, Geschäftsführer des Instituts für Unterirdische Infrastruktur

„In dem Moment, in dem Regenwasser auf die Straße fällt, handelt es sich um Abwasser, das auf der Straße mit Reifenabrieb und Schwermetallen verunreinigt wird. Aus

ökologischen Gründen möchte man Regenwasser aber möglichst schnell an die Natur zurückgeben, um zum Beispiel Grundwasservorräte zügig wieder aufzufüllen. Um das zu bewerkstelligen, kommen immer häufiger kleine Mini-Kläreinheiten zum

Extreme Wetterereignisse wie Starkregen oder Dürreperioden können die Kanalisation vor große Herausforderungen stellen. Einsatz, die das Regenwasser direkt säubern, ohne dass es über lange Strecken größeren Kläranlagen zugeführt werden muss“, so Waniek. Doch nicht nur zu viel Wasser kann ein Problem für die Kanalisation werden. Denn Regen- und Abwasser ist auch für den Transport von Feststoffen in den Kanälen zuständig. Wenn es aber einfach nicht regnet? „Wenn der Unrat nicht vernünftig abtransportiert wird, bleibt er in der Kanalisation und modert dort. Im besten Fall kommt es nur zu einer Geruchsbelästigung, es kann dadurch aber auch zu Oxidationsprozessen kommen, die dann das Kanalnetz beschädigen“, so Waniek. Im schlimmsten Fall müsse dann von den Kommunen mit Frischwasser gespült werden. (sese)

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WILDE KRÄUTER

Unsere monatliche Exkursion in die urbane Welt der wilden Kräuter. Mit nützlichen Informationen, pointierten Fußnoten, vielen Geschichten – und immer einem originellen Rezept. Von Wolfgang Kienast

SCHAFGARBE

V REZEPT 500 g Linsen bissfest vorkochen. 1 Handvoll junge Schafgarbeblätter mit 1 TL Salz, 1 TL Olivenöl und ein wenig Chili im Mörser zu einer Paste verarbeiten. 2 Zwiebeln grob hacken, in Olivenöl anschwitzen. 400 g Lammfleisch in kleine Stücke teilen, zu den Zwiebeln geben, kurz anbraten, mit 250 ml Gemüsebrühe ablöschen und 5 Minuten köcheln lassen. Anschließend die Gewürzpaste einrühren, Linsen zugeben, alles gut vermengen und weitere 10 Minuten auf dem Feuer lassen. Mit schwarzem Pfeffer abschmecken, vor dem Servieren noch 3 TL Kapern unterrühren.

ielleicht kennen Sie das ja. Bei mir jedenfalls ist es so, dass ich, sobald ich mich intensiver mit einem Thema beschäftige, meine Umgebung grundsätzlich auch aus einer weiteren Perspektive betrachte. Die Wildkräuterkolumne schreibe ich seit 2011. Wenn ich jetzt beim Zugfahren aus dem Fenster schaue, sehe ich Rainfarn, Nachtkerze oder Goldrute. Vorher waren das allenfalls gelbe Blumen. Außerdem weiß ich, ob der Boden entlang der Gleise an dieser Stelle feucht ist oder trocken und dass der Rainfarn hier vermutlich immer schon wuchs, die Nachtkerze dagegen erst in neuerer Zeit. Die nämlich ist ein Neophyt, also erst nach der Entdeckung Amerikas bei uns heimisch geworden. Von einigen Stämmen der amerikanischen Ureinwohner wurden Blätter und Wurzeln der Pflanze als Nahrungsmittel genutzt. Rubrik unnützes Wissen, aber egal. Ich habe durchaus Spaß daran. Ich sammle nicht nur Wildkräuter, sondern auch Geschichten. Bei der Schafgarbe gibt es einige, die sind tief im Volksglauben verwurzelt. Der ausdauernde Korbblütler ist eine Heilpflanze, die meist weiß, seltener dagegen rosa blüht. Die weißen Exemplare, das hat mir eine Teilnehmerin bei einer Wildkräuterführung erzählt, das habe ihr ihre Großmutter erzählt, würden ihre Wirkung bei Frauen entfalten, die rosaroten bei Männern. Daran könne man erkennen, dass der liebe Gott die Frauen lieber habe als die Männer. Schön, oder? Kürzlich habe ich in einem Haushaltsauflösungsladen ein kleines Büchlein entdeckt: „Blumenlegenden Unserer Lieben Frau“ aus dem Jahr 1950. Ich konnte nicht widerstehen. Dreißig unbekümmert fromme Geschichten, kitschig und naiv bis an die Schmerzgrenze

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Achillea millefolium

(gelegentlich auch darüber hinaus), durchaus unterhaltsam und ein Beleg für die immerwährende Sehnsucht nach einer besseren Welt. Kulturgut oder Opium fürs Volk, nennen Sie es, wie Sie möchten. Die Schafgarbengeschichte spielt in der Kindheit Jesu und geht ein wenig über die genannte Schmerzgrenze hinaus. Kleines Zitat: „Gern ward dem Knaben verziehen. Die Mutter Maria sprach zu ihm: ‚Stecke die Pflanze in die Erde. Sie wird dort weiter wachsen und soll dich noch viele Jahre an meinen Sohn erinnern und dich immerfort mahnen, daß man kein Kinderherz betrüben, sondern nur erfreuen darf.‘“ Prosaische Information am Ende: Auf Wiesen, die übers Jahr gelegentlich gemäht werden, finden Sie die fürs Rezept benötigten jungen Schafgarben noch bis Oktober.

Schafgarbe: Im spätantiken Kräuterbuch „Pseudo-Apuleius“ wurden für die Schafgarbe folgende Anwendungen genannt: Die Wurzel gegen Zahnschmerz / Das Kraut in Fett zerrieben als Auflage zur Heilung von Schnitt- und Stichwunden / Das Kraut mit Butter zerrieben als Auflage gegen Schwellungen / Das Kraut mit Essig getrunken gegen Probleme beim Wasserlassen.


KULTUR

Lebenswelt Hafen D

ie große Turmuhr hat keine Zeiger mehr, wahrscheinlich schon ganz lange nicht. Und das alte Ziegelhaus in der Speicherstraße, die bald DigitalKreativ-Startup-Meile mit Promenade und HamburgFeeling sein soll, macht so komische Geräusche, dass der Name „Geisterhaus“ schon treffend ist. In ein paar Jahren soll es hier ganz anders aussehen. Damit beschäftigen sich seit einer Weile Erwachsene, sitzen in Planungsbüros, Bürgerwerkstätten und Podiumsdiskussionen. Auch Kinder und Jugendliche haben zwischen Sunderweg und Uhlandstraße ihr Zuhause. „Und sie merken auch, dass sich ihr Viertel verändert“, sagt die Künstlerin und Kulturvermittlerin Nina Mühlmann. Gemeinsam mit der Hamburger Fotografin Mena Elisabeth Urbitsch hat sie Kinder zwischen zehn und 14 Jahren aus dem Viertel in den Ferien eingeladen, sich genau damit künstlerisch auseinanderzusetzen. Eine Woche lang haben sie ihren Stadtteil (neu) erkundet und erzählt, was sie erleben und denken, welche Orte sie mögen und welche nicht, und wie es hier aussehen könnte, wenn die arbeitslosen Uhren und die Geisterhäuser nicht mehr da sind. „Es geht darum, Kindern zu zeigen, dass sie die Stadt, in der sie leben, mitgestalten können“, sagt Nina Mühlmann. Im Rahmen des Programms „Kulturrucksack NRW“ passiert das eben künstlerisch, übers Fotografieren, Malen, Zeichnen, Schreiben, Basteln. Ganz praktisch fängt es an mit der Überwindung von Distanzen.

Alle reden über den Dortmunder Hafen. Die, die ihn schick und gläsern haben wollen und die, die fürchten, dass nun Verdrängung und Chi-Chi Einzug ins charmant abgerockte Viertel halten. Mit Kindern und Jugendlichen aus dem Viertel haben die Dortmunder Künstlerin Nina Mühlmann und die Hamburger Fotografin Mena Elisabeth Urbitsch ein einwöchiges Gedankenexperiment gestartet: Was ist, wenn ihr mitreden könnt?

„Die meisten Kinder denken nicht im Stadtteil, ihre LebensVon Alexandra Gehrhardt welt ist die eigene Straße, der Foto: Mena Elisabeth Urbitsch Park um die Ecke“, weiß Mühlmann. So sind die Container, die Kräne und Lagerhäuser zwar eigentlich ganz nah, doch weil die große Hauptstraße eine Grenze aus Autos und Gefahren zieht, auch ganz schön weit weg. Trotzdem, einmal auf der anderen Seite, entstehen schnell Ideen, was hier auch sein könnte: ein Garten zum Beispiel, ein Party-Haus für alle, bunt und glitzernd. „Ein Schwimmbad, ohne Tiere und ohne Dreck. Wo das Wasser nicht stinkt.“ Mitgestalten, das heißt für die Projektleiterinnen auch, neue Räume einzunehmen. Werkstattraum war der „Rekorder II“, auch so ein Ort, an dem viele der Teilnehmenden noch nicht waren, weil er eigentlich für Erwachsene ist. Hier haben dann die Jugendlichen zur Vernissage geladen und die Fotos und Zeichnungen, die Häuser und Geschichten gezeigt, die in der Projektwoche entstanden sind. Wenn es nach Nina Mühlmann und Mena Urbitsch geht, nicht zum letzten Mal. Sie planen schon die Fortsetzung im kommenden Jahr, dann mit dem Schwerpunkt Natur und Ökologie.

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Kalender 09 & 10 | 2019

2 x 2 Karten | RuhrHOCHdeutsch: Rüdiger Hoffmann | Seite 26 2 x 2 Karten | Die Trockenblumen | Seite 28 2 x 2 Karten | Broken Brass Ensemble | Seite 29 bodo 1 x 2 Karten | The Whale and the Raven | Seite 29 gen

Verlosun – mitmachen und gewinnen

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SA 07 | 09 | 19 Festival | Urbanculturefest Hoeschpark Das neue „Umsonst&Draußen“-Festival bietet neben zwei Live-Bühnen und mehreren DJ-Floors ein umfangreiches Programm mit zahlreichen Trend- und Funsport-Angeboten, Streetart-Aktionen und verschiedenen Foodtrucks. Mit dabei sind u.a. Goldroger, Schulter139, Timmy the Kid, Green Ghetto Gang, Walking on Rivers, Daily Thompson, Drens, Travels and Trunks. Dazu gibt es einen Raregrove-Floor mit Soul, Funk und Electro, auf dem Delicious Frequencies, Guy Dermosessian und Max Gyver auflegen, sowie das mobile Tuk-Tuk-Soundsystem. Eintritt frei (Glas- und Getränkeverbot). Hoeschpark, Dortmund, 14 – 23 Uhr Markt | „nachtaktiv“ kultureller Nachtflohmarkt Nachtaktive Flaneure und BummlerInnen haben beim vierten „nachtaktiv“ in der Ro-

Die Verlosungsteilnahme ist ganz einfach: Schicken Sie Ihren Wunschgewinn mit Name, Telefon, Adresse und dem Betreff „Verlosung“ an redaktion@bodoev.de oder auf frankierter Postkarte an bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund. Teilnahmeschluss ist jeweils drei Tage vor der Veranstaltung. Bei mehreren Teilnehmern entscheidet das Los. Die Teilnahme ist ab 18 Jahren möglich.

Lesung | Jürgen Brôcan – „Wacholderträume“ In seinem sechsten größeren Gedichtband umkreist Jürgen Brôcan malende Autoren und literarisch begabte Maler, begibt sich auf die Spuren der Droste, besucht C.F. Meyer in der Anstalt, sieht Robert Walser im Schnee liegen, geht den Naturdarstellungen der Düsseldorfer Malerschule nach, die bis in die Neue Welt reichen, entdeckt das Aktuelle im Historischen, betrachtet Gemälde, hört Musik und erkundet wie immer bekannte oder weniger bekannte Orte im Ruhrgebiet. Literaturhaus, Dortmund, 19.30 Uhr

tunde wieder Gelegenheit, besondere Schätze, alte Lieblingsstücke und seltene Vintageund Design-Stücke zu entdecken. Umrahmt von Live-Musik bieten dann zu späten Stunden zahlreiche HändlerInnen besondere Einzelstücke sowie allerlei Krims und Krams an. Rotunde, Bochum, 17 – 24 Uhr

DO 12 | 09 | 19 Vortrag | Street Art Update Street Art ist längst fester Bestandteil gesellschaftskritischer urbaner Kunst, wird jedoch zunehmend von den Medien und der Kunst vermarktet. Am Beispiel der französischen Graffiti-Künstlerin Miss.Tic und des Hamburger Sprayers OZ skizziert HP Flügel (Journalist) Ursprünge und Intentionen der Street Art und diskutiert, ob sie weiterhin subversive Kraft hat oder sich dem Kunstmarkt anbiedert. Eintritt frei. Bahnhof Langendreer, Bochum, 19 Uhr

Lesung & Musik | Fräulein Nina – Die frontale Filosofie Fräulein Nina sinniert und singt in ihrer Gedanken- und Musikshow über „Love Stories“. Da gesellen sich bewährte, romantische Lovesongs aus den 50er und 60er Jahren zu Texten über moderne Liebesformen. Neben der obligatorischen Capri-Fischer-Gruppen-

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Djelem Djelem

12. bis 20. September Dortmund

2014 startete in Dortmund der erste Versuch, ein Zeichen zu setzen gegen den grassierenden Antiziganismus und scheinbar unerschütterliche jahrhundertealte, ständig neu belebte Vorurteile. Heute gehört „Djelem Djelem“, benannt nach der internationalen Hymne der Roma, fest zum Kulturprogramm der (Nord-)Stadt und bietet, fernab von Klischees einen offenen Blick auf die vielfältigen Facetten der Roma-Kulturen. Neun Tage lang bietet das Festival Diskussionsrunden, Feste, Konzerte, Lesungen und mehr – zum Beispiel das Theaterstück „Heroes“ über drei illegalisierte Frauen, die in österreichischer Haft zwischen Abschiebung und der Hoffnung auf ein Leben in Europa bangen (18. September), oder die Lesung aus der „Morgendämmerung der Worte“, einer einzigartigen Sammlung lyrischer Stücke von Roma und Sinti (17. September). Außerdem stellt eine Forschungsgruppe der FH Münster erste Ergebnisse ihres Projektes „Transnationaler Raum“ (siehe S.40) vor.

Aerobic zum Aufwärmen, wird kollektives Kuscheln mit Wörtern für das Publikum angeboten. Selbstgeschriebene oder -erlebte Liebesgeschichten können mitgebracht und möglicherweise vorgetragen werden. Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr

FR 13 | 09 | 19 Comedy | RuhrHOCHdeutsch: Pawel Popolski – „Außer der Rand und der Band“ In der neuen Show präsentiert Pawel Popolski weitere Sensationen aus der Welt der Popmusik. Wie Opa Popolski den Technobeat erfand oder warum der Reggae in Wahrheit nur eine Polka auf halber Geschwindigkeit ist. Dorota Popolski öffnet erstmals ihr privates Fotoalbum und enthüllt die lange Liste ihrer Liebeskatastrophen. Vom polnischen Stehgeiger David Garretski über Justin Biberek bis hin zu Prominenten aus Film, Fernsehen und Politik ist alles vertreten, was Rang und Namen hat. www.ruhrhochdeutsch.de Spiegelzelt Am Steinernen Turm, Dortmund, 20 Uhr (auch 14.9.) Musik | Fox & Bones Fox & Bones ist das Produkt eines Lebens „on the road“ zweier außergewöhnlicher Musikanten, die Anfang 2018 ihre festen Wohnsitze in Portland/Oregon hinter sich ließen. Die Straße wurde ihr Zuhause und die Fans ihre Familie. Sarah Vitort & Scott Gilmore bleiben unerbittlich auf Vollzeit-Tour, sind dabei sehr nahbar und widmen sich schonungslos ihrem künstlerischen Tun. Lyrisch bedient sich das Neo-Folk-Pop-Duo oft metaphysischer Themen. Eintritt frei. subrosa, Dortmund, 20 Uhr

SA 14 | 09 | 19 Theater | Misery Der Schriftsteller Paul Sheldon verunglückt bei einem Autounfall. Annie Wilkes bezeichnet sich selbst als Paul Sheldons größten Fan, findet den verunglückten Paul und nimmt ihn bei sich zu Hause auf. Sie macht ihn von sich abhängig und erzwingt, den besten Teil der Romanreihe „Misery“ zu schreiben. Sie sperrt ihn ein, kontrolliert seine Schmerzen durch die Verabreichung von Schmerzmitteln und verstümmelt ihn. Rottstr5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr

Die Welt besser verstehen esellschaft.nrw

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06.09.19 CHARANGO meets KANUN Ausstellung | Live-Konzert | Festival und Tanz

SO 15 | 09 | 19 Dokumentarfilm | Wer 4 sind – Die Fantastischen Vier 2019 feiern die Fantastischen Vier ihr 30-jähriges Bandjubiläum. Zum Jubiläum entstand der Dokumentarfilm „Wer 4 sind – Die Fantastischen Vier“ von Thomas Schwendemann. Dabei wirft der Regisseur einen Blick hinter die Kulissen von 30 Jahren gemeinsamer kreativer Arbeit, auf vier unterschiedliche Biografien und 30 Jahre Popkultur und Geschichte Deutschlands. Schauburg, Dortmund, 18.30 Uhr (auch 22.9., 18.30 Uhr & 25.9., 20.15 Uhr)

MI 18 | 09 | 19 Theater | Ein bisschen Ruhe vor dem Sturm Franz Prächtel und Peter Söst sind gestandene Schauspieler, und sie haben beide schon den Hitler gespielt. Ulli Lerch hat es dagegen bisher nur zum Goebbels gebracht. Als die drei sich treffen, bricht die Totalkomödie los:

21.09.19 Rumänischer Kulturabend

27.09.19 Nacht der 1000 Tänzerinnen

05.10.19

Leopoldstr. 50-58 · 44147 Dortmund Tel. 0231 50-25145 · Fax 0231 50-26019 facebook.com/DietrichKeuningHaus

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KALENDER

Wer war der beste Hitler? Und wie spielt man ihn eigentlich? Menschlich oder unmenschlich? Und dürfen Frauen Hitler spielen? Ein wilder und komischer Ritt durch die Untiefen der Schauspielkunst. Studio im Schauspiel, Dortmund, 20 Uhr

DO 19 | 09 | 19 VERLOSUNG RuhrHOCHdeutsch: bodo t os Rüdiger Hoffmann – verl 2x2 „Alles Mega“ Karten In seinem inzwischen 13. Programm „Alles Mega“ stellt sich der Godfather of Slow-Comedy den ganz großen Fragen der Menschheit: Wer sind wir? Muss das sein? Und: Was soll der Quatsch? In einer immer schnelleren Welt brauchen wir Idole wie Rüdiger Hoffmann. Ein Mann, der langsamer redet als sein Schatten. Ein Mann, der zu Gefühlen steht, die keiner gerne haben will. Ein Mann wie Rüdiger. www.ruhrhochdeutsch.de Spiegelzelt Am Steinernen Turm, Dortmund, 20 Uhr (auch 20.09.) bodo verlost Karten für den 19.9.

FR 20 | 09 | 19 Ausstellung | Pest! Von der Steinzeit über die Spätantike und vom „Schwarzen Tod“ des Mittelalters bis zum jüngsten Ausbruch auf Madagaskar: Die Pest ist eine Seuche, die die Menschheit begleitet hat und immer noch begleitet. Rund um den Globus forderte sie Millionen Tote und führte dadurch zu tiefgreifenden Veränderungen in der Gesellschaft. Die Ausstellung will die Geschichte der Pest in ihren globalen Auswirkungen erörtern. Bis 10.5.2020 lwl-landesmuseum-herne.de LWL-Museum für Archäologie, Herne Kindertheater | Ginpuin – Auf der Suche nach dem großen Glück Auf dem kleinen Eisberg kam eines Tages ein Pinguin zur Welt, der anders war als die anderen Pinguine. Sobald er den Schnabel aufmacht, lässt der kleine Pinguin die Buchstaben tanzen. Denn während die anderen Pinguine den Sonnenuntergang wunderschön finden, ruft der Kleine entzückt: „schunderwön!“. Durch seine einzigartigen Wortstolpereien fällt er auf, und die anderen Pinguine ärgern ihn so lange, bis der Ginpuin

sich auf eine Reise begibt, um ein Held zu werden und das Glück zu finden. Ab vier Jahren. KJT in der Sckellstraße, Dortmund, 19 Uhr (auch 22.9., 16 Uhr & 27.9., 10 Uhr)

SA 21 | 09 | 19 Kunst | 19. Dortmunder DEW21 Museumsnacht Insgesamt 50 Spielstätten mit über 500 Veranstaltungen und dreizehn Stunden Programm stehen zur Auswahl. Mit dabei sind unter anderem das Dortmunder U, der WDR, das Baukunstarchiv NRW, das Deutsche Fußballmuseum, das JunkYard, viele weitere Museen, Kultureinrichtungen, Ateliers und Kirchen und sogar das Polizeipräsidium. Sie alle präsentieren Shows, Musik, Theater, Comedy, Kunst und Wissenschaft, Ausstellungen und jede Menge Mitmach-Aktionen. versch. Orte, Dortmund, 16 – 5 Uhr Festival | 17 Jahre Punkrockers-Radio Bereits zum vierten Mal wird der alternative Radiosender wieder Bands auf die Bühne der Rotunde Bochum stellen. Bei der diesjährigen Festivalausgabe sind als Headliner Old Styles Best dabei, die anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens ein Spezialset spielen und die Zu-

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CSD Dortmund

14. September 12 Uhr Hauptbahnhof Dortmund

50 Jahre ist der Aufstand schwuler, lesbischer, bi- und trans-Menschen gegen brutale Polizeirazzien gegen das „Stonewall Inn“ in der New Yorker Christopher Street nun her. Vieles hat die queere Bewegung erreicht, so etwas wie Gleichberechtigung gibt es noch immer nicht. Die Zahl angezeigter homophober Gewalttaten steigt. In Dortmund hat der Christopher Street Day eine mittlerweile 22-jährige Tradition. Jetzt markiert er den Abschluss der Dortmunder CSD-Wochen, die TransBekannt, der Verein für transidente Personen und der Dachverband der lesbischen, schwulen, bisexuellen und transidenten Vereine und Initiativen Slado seit Mitte August organisiert haben. Im September stehen noch ein CSD-Bingo (7.9.) und ein Stadtrundgang zu Dortmunds schwuler Geschichte (8.9.) auf dem Programm – am 14. September lädt die Community im Anschluss an die Demonstration zum „Fest der Vielfalt“ an die Reinoldikirche und den Platz von Leeds. www.csd-dortmund.de

schauerInnen mit auf eine wilde Reise durch 30 Jahre Rock‘n‘Roll-Geschichte nehmen. Die weiteren Bands sind Pott Riddim, Kreftich, Weekly Carouse sowie Sidewalk Surfers. Rotunde, Bochum, 19 Uhr Kleinkunst | Inez Timmer – „Mademoiselle Chanel“ Coco Chanel: Die Unternehmerin, die mit Stil, zeitloser Eleganz, aber auch skrupellos und mit eiserner Disziplin ein Weltimperium erschuf. Sie gab dem weiblichen Körper die Freiheit, verbannte das Korsett und altmodische Zöpfe. Darüber hinaus kreierte sie ein berühmtes Parfum und kleidete Weltstars und Präsidentengattinnen ein. Eine fesselnde Geschichte, gespickt mit Chansons, amerikanischem Swing und deutschen UFA-Liedern. Zauberkasten, Bochum, 20 Uhr

SO 22 | 09 | 19 Tag der offenen Tür | Theaterfest Mit einem Tag der offenen Tür feiert das Schauspielhaus Bochum den Auftakt der neuen Spielzeit. Die BesucherInnen können sich auf Einblicke in die kommenden Inszenierungen, Musik, Attraktionen, Lesungen und Workshops freuen. Das genaue Programm erscheint im September. schauspielhausbochum.de Schauspielhaus, Bochum, 11-19 Uhr

DO 26 | 09 | 19 Musik | Holger Weber Trio Soul Jazz ist das rothaarige Stiefkind des Modern Jazz. Er ist die Musik der Orgelbands. Er ist funky, laut, manchmal sentimental,

lassen oder ihr Leben lang Fantasy-Serien streamen. Und das in Sekunden. Sie schaffen es aber nicht mehr, FreundInnen zum Geburtstag persönlich zu gratulieren oder den neuen NachbarInnen Brot und Salz zum Einzug zu schenken. Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr Anzeige

die vergessene Popmusik des schwarzen Nachkriegsamerika. Das Holger Weber Trio spielt mitreißenden Soul Jazz in der Tradition von Jimmy Smith, Larry Young und Jack McDuff. Mit dabei der Kölner Hammondorganist Max Blumentrath und Alex Lex am Drumset. Eintritt frei. Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr Konferenz | Rethinking / Trash Up! Der Kulturort Depot und der Verein die urbanisten haben von 2016 bis 2018 das Upcycling-Festival Trash Up! veranstaltet und sich dort auf vielfältige Art und Weise mit den Themen Nachhaltigkeit und kritischem Konsumverhalten auseinander gesetzt. Die Erste Dortmunder Nachhaltigkeitskonferenz lädt dazu ein, mit ExpertInnen und Aktiven in einem Plenum und in Arbeitsgruppen zu Themenfeldern wie urbane Zukunftsfragen, Klimaschutz und Systemwechsel zu diskutieren, wie unser Lebensstil mit den Anforderungen unserer Umwelt in Einklang gebracht werden kann. Anmeldung erforderlich. Infos: www.trashup-dortmund.de Depot, Dortmund, 9.30-16.30 Uhr

FR 27 | 09 | 19 Comedy | Sascha Korf – „Aus der Hüfte, fertig, los!“ Schlagfertig und urkomisch entzündet Sascha Korf ein Feuerwerk der Sprache. Denn darum geht es ihm: ums Sprechen. Alle kommunizieren nur noch mit Statusmeldungen und Emojis. Die Menschen können sich millimetergenau orten lassen, ihre Schritte und Pulsfrequenz zählen 27


KALENDER

BODO-TIPP

SA 28 | 09 | 19 Basar | Werkstätten Gottessegen: Herbstbasar Die Werkstätten Gottessegen laden in diesem Jahr zum Herbstbasar in die Zweigwerkstatt nach Bochum ein. Natürlich sind auch alle anderen Gruppen der Standorte in Dortmund und Bochum vertreten und bieten ihre Produkte an: von Kerzen, über Holzprodukte, Möbel, Gemüse und Saft, verschiedene Textilprodukte bis hin zu Webteppichen reicht das Angebot. Zweigwerkstatt, Schmiedestr. 33, Bochum Kunst | Offene Nordstadt Ateliers Die Offenen Nordstadt Ateliers sind ein besonderes Veranstaltungsformat in Dortmund. Die Dichte an Kunstschaffenden, Ateliers und Galerien ist im nördlichen Stadtgebiet besonders hoch, und kaum eine Veranstaltung zeigt so authentisch die Nordstadt mit ihrer breitgefächerten Kunstszene. Am 28. und 29.9. werden erneut zahlreiche Ateliers und Galerien in der Dortmunder Nordstadt ihre Türen für das kunstinteressierte Publikum öffnen. BesucherInnen erhalten einen direkten Einblick in die Arbeit der KünstlerInnen sowie eine einmalige Möglichkeit für Gespräche und Austausch. Infos: offenenordstadtateliers.de Nordstadt, Dortmund, 15 – 20 Uhr (auch 29.9., 11 – 18 Uhr) Musik | Klangsphäre DJ&SPACE – Marc Romboy Mit Marc Romboy präsentiert die Reihe DJ&Space einen vielseitigen Protagonisten der elektronischen Tanzmusik. Auf seinem Label Systematic veröffentlichte er Produkti-

Feiern vor der Haustür Straßen- und Stadtteilfeste in Bochum Dahl’sen Total: 6. bis 9.9. Kortlandstraßenfest: 8.9. Straßenfest Imbuschplatz: 13.9. Rottstraßenfest: 14.9. Lindener Meile: 14. und 15.9. Alsenstraßenfest: 15.9. Westendfest Springerplatz: 28. 9.

Stahlhausen und Ehrenfeld, das Westend und Weitmar, Stiepel und Grumme – so sehr Bochum Großstadt sein mag, so sehr hat jeder einzelne Stadtteil seinen eigenen Charakter, der von seinen BewohnerInnen auch gern gepflegt wird. Der September ist der Monat der Stadtteilfeste – und so laden gleich mehrere Straßen, Quartiere und Stadtteile ein, zum Feiern quasi nur einen Schritt aus der Haustür zu tun. In Dahlhausen wird zusammen mit Fanfarenzug der Ruhrlandbühne gefeiert, in Linden sind auch ein historischer Jahrmarkt und ein Kunsthandwerkermarkt dabei. Auf dem Springerplatz treffen sich AnwohnerInnen und soziale Initiativen des Westends. Selbstorganisiert stellen außerdem die Alsenstraße, die Kortland- und die Rottstraße sowie die Nachbarschaft am Imbuschplatz eigene Feste auf die Beine. Übrigens: Beim Fest am Imbuschplatz (13.9.) und beim Westendfest am Springerplatz (28.9.) ist bodo mit einem Bücher- und Infostand dabei.

onen von Künstlern wie Booka Shade, Blake Baxter, Phonique und Martin Landsky. Auch Romboy selbst ist mittlerweile rund um den Globus gefragt und bespielt regelmäßig in Clubs wie Berghain, Cocoon, Watergate und Fabric die Tanzflächen. Dabei zieht es ihn in den letzten Jahren vermehrt auch an klassische Musikorte, was sein zuletzt erschienenes Album „Reconstructing Debussy“ belegt. Planetarium, Bochum, 21 Uhr

SO 06 | 10 | 19

MI 03 | 10 | 19 Theater | Geschichten aus dem Wiener Wald Eine Puppenklinik, eine Fleischerei, ein Tabakladen, eine heile Welt. Marianne, die Tochter des „Zauberkönigs“, soll den Metzger Oskar

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07. SEPT. – 03. NOV. 2019

heiraten, eine gute Partie. Doch leider zieht es sie zu Alfred, dem Gigolo. Der lässt für sie die Kioskbesitzerin Valerie sitzen. Als sie aber ein Kind zur Welt bringt, bröckelt die Liebe und Mariannes Leben gerät aus der Bahn. Mit brillantem, bitterbösem Witz erzählt das berühmte Volksstück von Ödön von Horváth von einer verlorenen und verlogenen Gesellschaft. Schauspielhaus, Bochum, 19 Uhr

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VERLOSUNG Die Trockenblumen – Fensterkissen zum Hof „Die Trockenblumen“ alias Hilde Ronsberger (Marcia Golgowsky) und Ayse Horozoglu (Lilay Huser) sind nach all den Jahren Freundschaft endlich eine Familie geworden. Hildes Sohn Richard und Ayses Tochter Yasemin haben geheiratet und Zwillinge bekommen. Hilde und Ayse mischen sich natürlich noch immer in das Leben ihrer Kinder und die Erziehung der Enkel ein. Deutsch-türkisches Kabarett mit Lilay Huser („Almanya – Willkommen in Deutschland“, „Türkisch für Anfänger“) und Marcia Golgowsky („King Ping“). Eine Produktion des Wupper Theaters. Bahnhof Langendreer, Bochum, 19 Uhr

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Musik | Josh. Josh. ist der Sänger von „Cordula Grün“, dem Überraschungshit des Jahres 2018. Dieser Song hat dem Wiener die deutschösterreichi-


KINO-TIPP

schen Chartspitzen und einen tollen Karrierestart eröffnet. Nach ausverkauften Konzerten, Platin-Status, Radio-Dauerpräsenz, dem Amadeus Austrian Music Award für den „Song des Jahres“ in Österreich und über 24 Millionen Streams auf Youtube für „Cordula Grün“, legte Josh. mit „Vielleicht“ die zweite, vielversprechende Single seines Debüt-Albums „Von Mädchen und Farben“ vor. FZW, Dortmund, 20 Uhr

das Leben selbst: hart und komisch, absurd bis hoffnungslos romantisch. Werkstadt, Witten, 20 Uhr

DO 10 | 10 | 19 VERLOSUNG Broken Brass Ensemble bodo t Das Broken Brass Enos rl ve 2x2 semble hat im Februar Karten 2019 sein neues Album „With a Vengeance“ veröffentlicht. Interessant ist, dass sich das Album humorvoll auf 90er-JahreActionfilm-Kultur bezieht: Schnelligkeit, starke Charaktere, Explosionen und solche Dinge werden musikalisch übertragen. Die Musik ist sehr dynamisch, laut, schrill und der Sound mit Hilfe von witzigen Effekten tanzbar und wuchtig – kräftige Bässe und mitreißender Brass werden mit HipHop-, Funk- und Jazzelementen kombiniert. domicil, Dortmund, 20 Uhr

DI 08 | 10 | 19 Seniorennachmittag | Musikalisch in den Herbst Das Duo „Lady Sunshine & Mister Moon“ spielt nostalgischen Schlager der 1920er bis frühen 1960er Jahre und präsentiert an diesem Nachmittag ein „Best of“ ihrer Programme. Gemeinsam mit ihrem „Guten Morgen Orchester“, bestehend aus Klavier und Akkordeon, Gitarre und Cello, haben es sich „Lady Sunshine & Mister Moon“ zur Mission gemacht, deutschen Schlager wieder salonfähig zu machen. Kaffee und Kuchen runden den Nachmittag ab. RuhrCongress, Bochum, 15 Uhr Comedy | Osan Yaran – „Ostmane – Integration gelungen“ Osan Yaran ist ein waschechter Berliner mit türkischen Wurzeln. Aufgewachsen und sozialisiert in einem Problembezirk der Hauptstadt, war Osans Leben zuweilen anstrengend und aufregend zugleich. Osan Yaran nimmt seine ZuschauerInnen an die Hand und begeistert mit Geschichten aus allen Schubladen, in die er regelmäßig gesteckt wird. Sein Debüt-Programm ist wie

Kabarett & Musik | Igudesman & Joo Die Welt versinkt nicht im bunten Chaos, nein, in grauen Räumen, grauer Monotonie. Doch Rettung naht: Igudesman & Joo zeigen, wie sie es geschafft haben, ihrem Leben die nötige Portion Chaos und Humor zu geben und es dadurch frisch und bunt zu erhalten. Denn nur durch Kunst als höchste Form der Kreativität kann die Welt gerettet werden. Zu Risiken und Nebenwirkungen dieser Show fragen Sie Mozart, Bach und Beethoven. Konzerthaus, Dortmund, 20 Uhr

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endstation.kino | The Whale and the Raven Wie vielerorts kollidieren auch im kanadischen Hartley Bay im Nordwesten Kanadas Umweltschutz und Wissenschaft bodo mit wirtschaftlichen verlost 1x2 Interessen. Regisseurin Karten Mirjam Leuze porträtiert in ihrem Dokumentarfilm ein sensibles Ökosystem und reflektiert über die Zukunft der ökologisch reichen Region, die durch Profitinteressen und politische Entscheidungen aufs Spiel gesetzt wird. Mirjam Leuze, die in Köln Ethnologie, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften studierte, beschäftigt sich in vielen ihrer Arbeiten mit dem Raubbau an der Natur und den sozialen Folgen. In „The Whale and the Raven“ begleitet sie Janie Wray und Hermann Meuter, die seit über 15 Jahren das Sozialverhalten von Schwert-, Buckel- und Finnwalen in dem Naturparadies im Stammesgebiet der Gitga‘at First Nation erforschen. In der nahegelegenen Kleinstadt Kitimat wird eine gigantische Exportanlage für Flüssiggas geplant. Obwohl jahrzehntelanger Protest zunächst den Transport von Erdöl durch die Gewässer verhinderte, hat nun auch die indigene Gitga’at First Nation zugestimmt, dass zukünftig mit Gas beladene Tanker durch ihre Fjorde fahren dürfen. Der Stamm erhält dafür Gegenleistungen und willigte ein, das Projekt nicht in der Öffentlichkeit anzuprangern. Was das für die Wale bedeutet, ist nicht absehbar. Anstatt die gesellschaftlichen Konflikte zu entwirren, zeigt Mirjam Leuze vornehmlich die Faszination dieses Naturparadieses und schaut den WissenschaftlerInnen bei ihrer Arbeit über die Schulter. Zu sehen ab Freitag, den 20. September. Alle Termine: www.endstation-kino.de

MEHR INFOS UNTER: GRUENE-DO.DE

endstation.kino im Bahnhof Langendreer Wallbaumweg 108, 44894 Bochum www.endstation-kino.de 29


KULTUR

Gordon Matthew Thomas Sumner hat mit „The Police“ und als Solokünstler mehr als einhundert Millionen Alben verkauft. Zurzeit tourt er mit „My Songs“, einer Sammlung neu arrangierter und neu eingespielter Klassiker von „Message in a bottle“ bis „Englishman in New York“. Unsere italienischen Kollegen von „Scarp de' tenis“ trafen den Weltstar in Mailand. Von Andrea Pedrinelli | Foto: Reuters / Mark Blinch

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Sting Wie wurde eigentlich Ihre Leidenschaft für Musik geweckt? Meine Mutter war Musikerin und hatte viele Platten im Haus, genau wie mein Vater. Und so war ich früh begeistert von den Rodgers-und-Hammerstein-Musicals, dem Rock’n‘Roll von Jerry Lee Lewis und vor allem von Elvis. Die einflussreichste Musik meines Lebens war jedoch die der Beatles, die ich mit etwa zehn oder elf entdeckte. Dass sie aus der Arbeiterstadt Liverpool kamen, die meiner Heimatstadt Newcastle ähnelte, und trotzdem mit ihrer Musik die Welt eroberten, ließ unsere ganze Generation fragen: Warum sollten wir es nicht auch schaffen? Gleichzeitig hatte Newcastle eine reiche musikalische Vergangenheit, ein immenses Erbe traditioneller Musik, das in der Familie weitergegeben wurde. Auf „My Songs“ interpretieren Sie Ihre eigenen Hits neu. Das war gar nicht geplant. Man bat mich, bei einer Veranstaltung am Times Square „Brand New Day“ zu singen, und ich beschloss, den Bass neu aufzunehmen, um ihn kraftvoller zu machen. Das machte so viel Spaß, dass ich einfach weitermachte, bis ich plötzlich ein neues Album hatte. Nimmt man einen unveröffentlichten Song auf, singt man ihn zum ersten Mal. Mit der Zeit wächst und verändert sich die Beziehung, denn ein Song ist etwas wirklich Lebendiges. Sind Sie es nicht leid, immer noch Hits wie „Roxanne“ zu singen? Eigentlich nicht. Meine Aufgabe ist es, jedes Mal etwas Neues zu entdecken, wenn ich es spiele, und das mit der gleichen Leidenschaft zu tun, die mich dazu gebracht hat, es zu schreiben. Meiner Meinung nach geht es beim Künstlersein darum, einen Weg zu finden, kontinuierlich besser zu werden.

Sollten KünstlerInnen sich gesellschaftspolitisch positionieren? Ich kann nur für mich selbst antworten: Ich habe das immer als Auftrag empfunden. Es sind meine persönlichen Überzeugungen, die ich ausdrücke, wenn ich schreibe oder singe. Zum Beispiel habe ich in „Brand New Day“, das sich mit den Ängsten der Jahrtausendwende beschäftigt, einen bewusst optimistischen Ton gesucht, denn die beste Strategie, Menschen dazu zu bewegen, sich ihren Ängsten zu stellen, ist, ihnen Hoffnung zu vermitteln. Wo sehen Sie heute Ihre soziale Verantwortung? Die Gesellschaft daran erinnern, dass wir im Bereich der Menschenrechte noch viel zu tun haben, und die Welt aufzufordern, sich zum Schutz der Umwelt wirklich zusammenzuschließen. In einem Interview mit der britischen Straßenzeitung „The Big Issue“ sagten Sie vor einigen Jahren, dass die Zeit Ihres Lebens, in der Sie am wenigsten glücklich waren, mit dem Höhepunkt Ihres Erfolgs zusammenfiel. Wie geht es Sting heute? Heute habe ich einen klareren Blick darauf, wie intensiv meine Musik mit den Menschen kommuniziert. Für mich ist es diese Phase meiner Karriere, in der ich die Bereicherung, die das bedeutet, am stärksten spüre. In der Tat geht Erfolg nicht unbedingt mit Glück einher, sondern verstärkt eher vorhandene Probleme. Die meisten habe ich ganz gut überstanden. Vor allem habe ich es geschafft, den öffentlichen Teil meiner Arbeit aus meinem Alltag herauszuhalten.

Gordon Matthew Thomas Sumner wurde 1951 in Wallsend, nördlich von Newcastle, geboren. Nach einer Ausbildung zum Englisch- und Musiklehrer gründete er im Alter von 25 Jahren „The Police“, die 1978 mit „Roxanne“ ihren ersten Chart-Hit hatten. Seit der Trennung 1983 ist Sting als Solokünstler erfolgreich. Seit Jahrzehnten engagiert er sich für Umweltschutz und Menschenrechte.

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REPORTAGE

„Wir brauchen Ergebnisse“

Anfang August trafen sich 1.500 Jugendliche in Dortmund zum Sommerkongress der „Fridays for Future“ (FFF). Sie zelteten in Wischlingen, demonstrierten in der Innenstadt, diskutierten mit Ökonomen und Gewerkschaftern, Sozial- und UmweltwissenschaftlerInnen und arbeiteten in Workshops drei Tage lang in zwei Schulen an der Zukunft der Klimaschutzbewegung. Von Bastian Pütter | Fotos: Roland Geisheimer

Weltweiter Klimastreik 20. September 2019 Am Freitag vor dem UN-KlimaSondergipfel und am Tag, an dem das Klimakabinett der Bundesregierung Beschlüsse zur CO2-Reduktion fassen will, rufen die „Fridays for Future“ zum weltweiten Klimastreik auf.

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ach einer lauten Großdemonstration am Freitagvormittag schwärmen Gruppen von DemonstrantInnen zu einer Vielzahl – vorbildlich angemeldeter – Einzelaktionen. Vom „Die-In“ in der Fußgängerzone über Tanz- und Gesangsdarbietungen bis zum Pflanzen eines Wäldchens vor dem RWE-Tower nutzen die Jugendlichen das ganze Repertoire an Aktionsformen, um auf ihr Anliegen hinzuweisen. Ein paar S-BahnMinuten weiter, im Revierpark Wischlingen, ist ein Zeltlager aufgebaut, eine Bühne, Essenzelte und Sitzbänke unter Pavillons. Die fröhliche Geschäftigkeit, das gemeinsame Kartoffelschälen, Begrüßungs- und Zustimmungsrituale („Wie war das?“ – „Spitze!“) erinnern eher an eine Kirchenfreizeit als an ein politisches Sommercamp: Geraucht wird nicht, alle wirken erstaunlich ausgeschlafen. Doch das sind nur Äußerlichkeiten.

Die offene Bewegung „Wir sind die mit den blauen Bändchen“, sagt Christian, der, umschwirrt von Wespen, Wassermelonen schneidet. Er kommt aus Falkensee in Brandenburg, hat sich allein auf den Weg gemacht, aber bereits in Berlin im Zug die ersten MitstreiterInnen kennengelernt. „Wir gehören zum Helferteam und können bestimmt einige Fragen beantworten. Die mit den schwarzen Bändchen gehören zum Orga-Team. Wenn wir nicht helfen können – die wissen alles.“ Er grinst. „Glaub ich.“ Diese zugewandte Freundlichkeit dominiert die Demonstrationen und auch den Sommerkongress. Schaut man sich an, wie etwa seit Monaten Ulf Poschardts „Welt“ und Julian Reichelts „Bild“ mit Spott, Unter-

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REPORTAGE

stellungen und Verunglimpfungen einen Online-Mob dirigieren, der jede Äußerung einer FFF-Aktivistin mit einem Social-Media-Shitstorm orchestriert, irritiert fast, wie resistent sich die Bewegung zeigt. Der Versuch zu finden, was oft der Kitt und manchmal der Motor sozialer und politischer Bewegungen ist, läuft bei den „Fridays for Future“ ins Leere: Auf ladung über Dress- und Sprachcodes, Avantgarde-Stolz, Identitätspolitik? Eher Fehlanzeige. Spricht man mit Teilnehmenden über ihre Erfahrungen zu Hause, ist es das Erleben von Anschlussfähigkeit, über das positiv, ja, stolz berichtet wird: Zuerst wenig interessierte MitschülerInnen, die unvermittelt bei den Freitagsdemos auftauchen, heimlich unterstützende LehrerInnen und sympathisierende Eltern, Nachbarn, Verwandte. Fragt man nach dem Wert des Gemeinschaftserlebnisses bei der Konferenz, wird fast durchgehend die Vielfalt der Erfahrungen betont, das Nicht-Identische – und die Anwesenheit der teilnehmenden WissenschaftlerInnen. Kein Generationenkonf likt, keine uncoolen Alten.

Die Durchsetzung des Vernünftigen In der Tat hat sich vielköpfige wissenschaftliche Expertise nicht nur auf den verschiedenen Podien, sondern auch in der Wilhelm-Busch-Realschule und im

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Reinoldus- und Schiller-Gymnasium, die einen kleinen Fußmarsch vom Zeltplatz entfernt liegen, eingefunden. Der Sommerkongress ist ein Arbeitskongress. Die 1.500 „Schulschwänzer“ verbringen einen beträchtlichen Teil des verlängerten Sommerferienwochenendes in Klassenräumen. In einigen Workshops geht es um das Klein-Klein der ökologischen Lebensführung. Obwohl wohl jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer ohne nachzudenken die eigenen Anstrengungen zur Verkleinerung des eigenen ökologischen Fußabdrucks benennen kann, sind FFF eben nicht die Öko-Bewegung der 1970er und 80er Jahre. Bei sich selbst anzufangen, erscheint allen selbstverständlich, dass es nicht reichen wird, ist Konsens. Also wird es groß – und praktisch: Für Workshops zu inhaltlichen Vertiefungen sind ProfessorInnen und DozentInnen aus der ganzen Republik angereist. Der größere Teil der Workshops beschäftigt sich jedoch mit dem „Wie“ der Kampagnenarbeit: Storytelling und politisches Framing, Strategieentwicklung und Interviewtraining. Dass man sich stellenweise an AgenturCoachings oder GründerInnenseminare erinnert fühlt, sagt vielleicht nicht nur etwas über den Professionalitätsgrad der „Fridays“, sondern auch über den früherer sozialer Bewegungen.


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Paradoxerweise ist dieser Zug zur Praxis eher Ergebnis einer Fakten-, Theorie- und Wissenschaftsfokussierung der Bewegung: Die Jugendlichen, die nach Dortmund gekommen sind, wissen erstaunlich viel. 15-Jährige kennen nicht nur die Eckpunkte des Pariser Klimaabkommens oder den Sonderbericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) zu den Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 Grad, sondern auch über die aktuelle Dekarbonisierungs-Studie des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung. „Ein halbes Jahr ist gar nicht so wenig, um inhaltlich fit zu werden“, sagt Laura, die seit der ersten Kölner FFF-Demo dabei ist. Doch die vielleicht zentrale Frage, die die TeilnehmerInnen mit nach Dortmund gebracht haben, ist die nach der Durchsetzung des Vernünftigen.

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Revolutionäre Reformen? „Das Problem ist bekannt“, sagt Clara, die aus Mannheim nach Dortmund gekommen ist, „genauso wie der Lösungsweg und die Folgen, wenn wir es weiter ignorieren.“ Und weiter: „Die Bundesregierung verfehlt bislang bewusst die beschlossenen Klimaziele. Wir fordern erst einmal nichts weiter, als die Verträge einzuhalten. Das geht aber nicht mit Nichtstun.“ Die weiteren Forderungen der Bewegung – Kohleausstieg bis 2030, Netto-Null-Emissionen und 100 Prozent erneuerbare Energieversorgung bis 2035 – sind für die AktivistInnen keine erste Verhandlungsposition. Sie sind das Gebotene. Clara: „Wir können nicht sagen: Das Klima ist uns wichtig, CO2 in die Luft blasen ist für euch wichtig, treffen wir uns in der Mitte.“ Vielleicht ist es dieses grundsätzlich andere Politikverständnis, das AktivistInnen älterer Bewegungen wie PolitikerInnen so irritiert. Für die „Fridays for Future“ ist die Klimakatastrophe gewissermaßen „überpolitisch“ und sie ist objektiv. Das gilt für ihre hochprofessionellen SprecherInnen auf den Podien wie für die zum Teil sehr jungen Teilnehmenden. Gleichzeitig ist sie politisch, durch Regierungshandeln zu lösen. Diese Vorstellung, die Revolution gleichsam als Reform beschließen zu können, trägt den jungen AktivistInnen mitunter missmutige Kritik von links ein. Andererseits: Seit einem halben Jahr prägt die Bewegung die Debatte um die Klimakatastrophe. Der SchülerInnenprotest hat nicht nur Druck auf die Politik erzeugt – ohne sie würde über eine CO2-Steuer wohl nicht diskutiert –, sondern auch Raum für WissenschaftlerInnen und ihre Expertise in fast allen Medien freigekämpft. „Naja“, sagt Clara, „würden wir die Politik vor uns hertreiben, wie manchmal geschrieben wird, würde sie sich ja bewegen. Das tut sie noch nicht ausreichend.“ In aller Munde zu sein, Themen setzen zu können, fühle sich gut an, „aber wir brauchen Ergebnisse.“

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GESCHICHTE

Am 1. September wird im Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte (MKK) eine große Robin-Hood-Ausstellung eröffnet. Landläufig verbindet man mit dem populären Helden ein Image, das sich im Prinzip auf eine kurze Formel bringen lässt: Er hat die bösen und korrupten Reichen beraubt, um die Beute unter den Bedürftigen zu verteilen. Für bodo macht ihn das attraktiv. Was aber haben Robin und seine Merry Men in Dortmund, in einem historischen Museum mit regionaler Ausrichtung zu suchen? Erstaunlich viel, wie wir erfahren durften. Von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski, Ingelotte / pixelio.de, Greg Balfour Evans / Alamy Stock Photo

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Besuch aus Sherwood Forest Die Geschichte führt zunächst ins Mittelalter. Mündliche Überlieferungen dürften weiter zurückreichen, anhand frühester schriftlicher Quellen aber lässt sich gesichert belegen, dass eine Figur ‚Robin Hood‘ bereits im 15. Jahrhundert bekannt war. Deren Wirkungskreis ist mittels der ursprünglichen Balladen auch zu lokalisieren: Explizit erwähnt werden die Grafschaft Yorkshire im Norden Englands sowie, weiter südlich gelegen, Nottinghamshire mit dem berühmten Sherwood Forest. Es sind reale Orte. Belastbare Indizien für eine tatsächliche Existenz des Robin Hood jedoch kamen, trotz intensiver Forschung, bislang nicht ans Licht.

Projektionsfläche in Strumpfhosen Zu der Zeit, die in den Balladen genannt wird, war Dortmund eine mächtige Hansestadt auf dem Kontinent. Grund für Rang und Reichtum dürften exzellente Handelsbeziehungen vor allem nach England gewesen sein. Bei Dortmund, so heißt es, wäre im Hundertjährigen Krieg (1337 – 1453) sogar

das Königshaus hoch verschuldet gewesen. Andererseits halfen der Stadt während der Großen Fehde (1388 – 1390) dreißig englische Langbogenschützen gegen Übergriffe von kurköllner und märkischer Seite. Auch Robin war mit einem Langbogen bewaffnet. Ohne einen solchen scheint er gar nicht denkbar. Leider existiert in diesem Zusammenhang keine Legende, die ihn auf Dortmunder Zinnen agieren lässt. Auf Achse, weit über England hinaus, ist der Held dagegen heute. „Robin Hood besucht nicht nur Dortmund, sondern jede größere

Stadt in Deutschland regelmäßig im Kino“, sagt Philipp Sulzer, im Museum als Kurator an der Ausstellung beteiligt. „Der Mythos um diese Figur hat sich zu einem popkulturellen Format entwickelt, das in viele Richtungen anschlussfähig ist. Jede Generation hat ihr eigenes Bild von Robin Hood, jede Epoche hat in diesen Helden eigene Werte und Bedürfnisse hineinprojiziert.“ Robin Hood ist so gesehen ein beispielloses Phänomen. Keine andere Persönlichkeit, weder fiktiv noch real, war über Jahrhunderte einerseits stets präsent, um andererseits als Projektionsfläche immerfort sich ändernder Wertvorstellungen zu dienen – bis hin zu ihrer Rolle als Taufpate der Naturschutzorganisation Robin Wood. Denn tatsächlich kennen die eingangs erwähnten Texte aus dem 15. Jahrhundert den jetzigen Wohltäter nicht als positiv konnotierte Leitfigur. Sein ursprüngliches Image entspricht eher dem eines Wegelagerers im Sinne eines Freischärlers; gelegentlich kommt er sogar ausgesprochen blutrünstig daher.

Die Ausstellung verknüpft die Geschichte um die englische Legende Robin Hood mit historischen Exponaten aus Dortmund und Umgebung. Robins Lebenswelt, es gab sie auch hier.

Robin Hood 1. September 2019 bis 19. April 2020 Museum für Kunst und Kulturgeschichte, Hansastr. 3 44137 Dortmund mkk.dortmund.de

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GESCHICHTE

Der grüne Umverteiler? Im wechselvollen Strom der Erzählung gibt es jedoch eine Konstante. „Von Anfang an ist die Rede von einem Menschen, der abseits der Gesellschaft lebt und sich über Recht und Gesetz hinwegsetzt“, sagt Herr Sulzer. „Und das hatte im Mittelalter noch eine ganz andere Dimension, als wir uns das vergegenwärtigen können. Wer sich damals außerhalb der organisierten Systeme bewegte, war gesetzlos im fundamentalen Sinn. Dann, im Spätmittelalter, wurde der Name zu einem Attribut. Es hieß ‚das ist ein Robin Hood‘ wie man heute vielleicht sagen würde ‚das ist ein Tunichtgut‘. Aber auch dieses Bild wandelte sich. Offenbar wurde es den Leuten wichtig, dass er nicht mehr wahllos jeden überfällt, sondern nur noch Kleriker und reiche Adelige. Mit Anbruch der frühen Neuzeit kommt der Bereich, wo man sagt, nun hätten wir es gern, dass er all das Geld, das Klerus und Adel aus dem Volk gepresst haben, diesem wieder zurückgibt. Man diskutiert, ob es in Ordnung sein kann, gegen Regeln zu handeln, wenn Gutes dabei entsteht. Robin Hood wird zu einem sozialen Umverteiler.“ Ohne dieses positive Image wären weder die Filme mit Errol Flynn oder Kevin Costner gedreht worden noch gäbe es die Walt-Disney-Zeichentrickadaption der Abenteuer – und natürlich nicht die aktuelle Ausstellung, die im Übrigen vom historischen Museum der Pfalz in Speyer entwickelt wurde. „Heute steht Robin Hood exemplarisch für einen Helden, der Gutes getan hat“, sagt Daniela Brechensbauer, Leiterin der Museumspädagogik im MKK. „Anhand dieser Geschichte können wir Werte vermitteln, Solidarität, soziales Verhalten. Es geht dabei um die Rolle von Außenseitern, die Stärken und Schwächen einzelner Menschen in

„Gegen Regeln handeln, wenn Gutes daraus entsteht“: In Nottingham erinnert ein bronzenes Denkmal an den widersprüchlichen Helden.

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einer Gruppe und die Frage, wie man gemeinsam ein Ziel erreicht. Dazu wurde die Ausstellung konzipiert, als Familien- und als Mitmachausstellung.“

Familienausflug ins Mittelalter „Das Mittelalter ist immer spannend“, sagt Frau Brechensbauer. „Jeder denkt sofort an Ritter. Aber mir ist es wichtig, an die Lebenswirklichkeit der Kinder anzudocken. Das ist bei Robin Hood möglich, weil er in verschiedenartigen Räumen agiert, in Stadt, Land, Kloster oder Burg. Also fragen wir zum Beispiel, wo würde es dir besser gefallen? In der Stadt oder auf dem Land? Möglicherweise haben die Kinder solche Unterschiede ja bereits am eigenen Leib erfahren, wenn die Großeltern vielleicht in der Stadt wohnen und sie selbst bei ihren Eltern im Neubaugebiet an der Peripherie. Wo ein Wald eventuell nicht weit ist. Da fragen wir: Wie ist das denn, wenn du in den dunklen Wald gehst? Was machst du, wenn du Angst hast? Und was ist ein Held? Bei Robin Hood gibt es viele, sehr unterschiedliche Anknüpfungspunkte.“ Aufgebaut ist die Ausstellung in Kulissen im Stil einer mittelalterlichen Illustration. Aufwändige Spielstationen erlauben unter anderem den Zugang zu einem klösterlichen Kräutergarten, einem quirligen Marktplatz oder einem düsteren Verlies. Absoluter Höhepunkt dürfte der Turnierplatz sein, wo sich Kinder wie Erwachsene unter Anleitung und Aufsicht, in Speyer erprobt, auf einer ZehnMeter-Bogenschießbahn üben können – in der Paradedisziplin Robin Hoods. „Wir haben uns die Aufgabe gestellt, familiengerechte Sonderausstellungen ins Museum zu holen“, sagt Frau Brechensbauer. „Den Auftakt machte ‚Cowboy & Indianer‘. Es war ein erfolgreicher Anfang, daran möchten wir anknüpfen. Das Mittelalter bietet sich an, denn ein Interesse unserer Besucher

an dieser Epoche erleben wir nahezu täglich, nicht nur hier im Haus, sondern auch im Kindermuseum am Adlerturm. Jetzt haben wir die wunderbare Möglichkeit, die beiden Häuser gemeinsam zu bespielen. Und wir können unsere eigenen Objekte einmal in einer ganz anderen Art und Weise präsentieren.“ Denn während das Gesamtkonzept, die Kulissen und die Mitmachstationen aus Speyer kommen, stammen die gezeigten

historischen Exponate aus Dortmund oder der näheren Umgebung. Stadt, Land, Kloster und Burg, Robins Lebenswelt, sie gibt bzw. gab es auch hier. „In unserer Dauerausstellung haben wir nicht die Chance, nur einen Bruchteil unserer Sammlung zu präsentieren“, sagt Herr Sulzer. „Einige Funde bekommen die Besucher jetzt erstmals zu sehen. Und zwar nicht nur die wertvollen Stücke, sondern auch alltägliche Gebrauchsgegenstände. Töpfe und Trinkgefäßen eignen sich hervorragend, Klassenunterschiede im Mittelalter zu verdeutlichen. Wir sind als MKK ja das Magazin der Bodendenkmalpflege in Dortmund. Das heißt, was hier ausgegraben wird, landet über kurz oder lang bei uns. Und es wird viel ausgegraben. Unterm Pflaster ist diese Epoche noch sehr präsent. Und wer genau hinschaut, findet Spuren dieser Zeit sogar im heutigen Stadtbild, etwa beim Verlauf der Straßen oder rekonstruiert bei Brunnenanlagen, der Freistuhlsituation neben der Bibliothek oder eben am Adlerturm.“


BÜCHER

Gelesen von Bastian Pütter

Von der Wut „Ich will nicht zynisch oder verbittert klingen, sondern ich bin zynisch und verbittert, und dann klingt man eben so.“ Endlich ist Darren McGarveys Bestseller „Poverty Safari“ auf Deutsch erschienen. Darren McGarvey ist der bürgerliche Name des schottischen Rappers Loki, der in einem Glasgower Problemviertel, umgeben von Gewalt und Drogen – auch in der eigenen Familie – aufwuchs, und sich herauskämpfte aus Pollok und der eigenen Sucht. Jenseits der Punchlines ist McGarvey alles andere als zynisch und verbittert, er ist getrieben von einer produktiven Wut, die einen fast atemlos durch dieses Buch fliegen lässt. McGarveys Analyse des britischen Klassensystems, die Beschreibung der Ursachen und der Folgen von Armut sind so radikal, so präzise und so klug, dass sie auch als sozialwissenschaftlicher Essay lesenswert wäre. McGarvey verbindet sie mit seiner eigenen Geschichte und der großen Entschlossenheit, niemanden zu schonen, nicht den Leser und nicht sich selbst – sei es durch das Offenlegen der persönlichen traumatischen Erfahrungen oder durch das Bloßstellen von Lesererwartungen. Trainspotting-Autor und Straßenzeitungs-Botschafter Irvine Welsh fasst zusammen: „Nicht weniger als ein intellektuelles und spirituelles Rehabilitationsprogramm für die progressive Linke“. Darren McGarvey | Armutssafari. Von der Wut der abgehängten Unterschicht ISBN: 978-3-641-25017-1 Luchterhand | 320 S. | 15 Euro

Verlorene Söhne

Dominoeffekt

Der Kölner Schriftsteller Selim Özdogan liefert seit bald 25 Jahren praktisch im Jahrestakt Romane, Erzählungen, Hörbücher ab, denen es gelingt, trotz der Bandbreite an Textsorten, Sujets und Sounds diesen Selim-Vibe zu erhalten. Vielleicht ist es auch einfach Qualität. Denn abgesehen davon, dass Özdogan seit seinem Debüt „Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist“ der Großmeister der Romantitel ist (Favorit: „Wieso Heimat, ich wohne zur Miete“), sind es eher leise als laute Gründe, die für seine Texte sprechen: handwerkliche Präzision, Timing und bis ins Detail glaubwürdig gezeichnete Figuren.

Obdachlosigkeit ist in der Gegenwartsliteratur gar nicht so selten – als Vehikel für einen Krimi-Plot, als GroßstadtKolorit oder als Straßenkid-Abenteuer im Jugendbuch. Von lieblos aneinander geklatschten Klischees bis zu großer Kunst (etwa bei Virginie Despentes) ist alles dabei.

Sein neues Buch ist ein Darknet-DrogenKrimi, doch Özdogan interessieren seine Figuren viel zu sehr, um sie allein an einen Krimi-Plot zu verschenken. „Der die Träume hört“ ist eine sensibel erzählte Unverhoffter-Vater-fremder-SohnGeschichte und eine deutschtürkische Aufstiegs- und Ausstiegserzählung voller Zwischentöne – und Hiphop-Tracks. In einem seiner Podcasts sagt Özdogan, ein Buch werde nicht fertig, sondern im Prozess des stetigen Überarbeitens gebe er irgendwann auf. Auch in diesem Fall hatte er da schon gewonnen. Buchpremiere: 10.September, 19.30 Uhr, literaturhaus.dortmund. Selim Özdogan | Der die Träume hört ISBN 978-3-96054-202-5 Edition Nautilus | 288 S. | 18 Euro

In „Die Schulter des Riesen“ ist vieles anderes als sonst. Der Roman erzählt die Geschichte von Gregor Bach, dem nach einer falschen Entscheidung sein Leben entgleitet. Bereits die ersten hundert Seiten irritieren: Den Dominoeffekt, mit dem auf eine vermeintlich folgenlose falsche Entscheidung eine wahre Kaskade von kleineren und größeren Katastrophen folgt, die zu Trennung und Sorgerechtsstreit, Job- und Wohnungsverlust, Schulden und Vorstrafen führt, kennt jeder in der Wohnungslosenhilfe. Hier ist dieser Absturz, ebenso wie das Leben in der Obdachlosigkeit und das mit der Sucht, mit großer Präzision und Glaubwürdigkeit erzählt. Das ist selten. Dabei behält der Roman bei allem psychologischen Interesse an seinen Figuren einen beinahe systemischen Blick. „Die Schulter des Riesen“ ist ein so gut geschriebener wie recherchierter Gesellschaftsroman. Einer von unten. Raffael Rauhenberg Die Schulter des Riesen ISBN: 978-3-7528-3491-8 BoD | 392 S. | 12,85 Euro

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REPORTAGE INTERVIEW

Das bulgarische Plovdiv, eine der ältesten Städte der Welt mit reichem thrakischen, römischen, slawischen und osmanischen Erbe, ist Kulturhauptstadt Europas 2019. Zwischen Amphitheater und Basilika präsentiert sich Plovdiv als jung, hip und kreativ. In Städten wie Dortmund oder Duisburg hat Plovdiv einen anderen Klang. Hier ist er verbunden mit der armutsgeprägten Zuwanderung von Roma unter anderem ins Ruhrgebiet. Aber wer ist da eigentlich gekommen und warum? Von Bastian Pütter | Fotos: Anton Atanasov, Wilfried Gerharz, Helge Döring

Plovdiv – Stolipinovo

Während sich der Stadtkern von Plovdiv mit seiner historischen Altstadt für das Kulturhauptstadtjahr herausgeputzt hat, zwingen Armut und Arbeitslosigkeit viele Familien aus dem Stadtteil Stolipinovo zur Migration.

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Der Stadtforscher Sebastian Kurtenbach erforschte in Plovdiv mit Studierenden der FH Münster transnationales Familienleben unter Armutsbedingungen.

I

n einem Arbeitsraum der Fachhochschule Münster sitzt ein gutes Dutzend Studierender konzentriert vor Laptops. Draußen ist Hochsommer, hier geht es in die Schlussphase der Auswertung von mehr als 100 Interviews, die die Gruppe in Bulgarien geführt hat. Ein ganzes Paket an Forschungsfragen hatten die FeldforscherInnen dabei. In Teilgruppen analysieren sie Diskriminierungserfahrungen, die Wahrnehmung von Armut und das Leben in transnationalen Familien, in denen Eltern

oder Elternteile dauerhaft und regelmäßig zum Geldverdienen zum Beispiel im Ruhrgebiet leben. Geleitet wird das Forschungsprojekt „Transnationaler Raum“ vom Stadtforscher Sebastian Kurtenbach, der zurzeit Vertretungsprofessor für Aladin El-Mafaalani (bodo 9/18) an der FH Münster ist. Kurtenbach forscht u.a. zum Zusammenleben in herausgeforderten Stadtteilen, bereits 2013 hat er mit einem Forschungsbericht zur rumä-

nisch-bulgarischen Neuzuwanderung in das Ankunftsgebiet Dortmund-Nordstadt wichtige Impulse für Stadtgesellschaft, Verwaltung und soziale Arbeit in der Stadt gesetzt. Es ist ein zweiter Name, der in Dortmund genauso häufig fällt wie der der gegenwärtigen Kulturhauptstadt. Plovdiv-Stolipinovo, aus dem beinahe alle sogenannten ArmutsmigrantInnen stammen, ist der größte mehrheitlich von Roma bewohnte Stadtteil in der EU, 40.000 Menschen leben hier. Nach dem Ende des Realsozialismus, der für Roma Schulpflicht, Quasi-Vollbeschäftigung und damit einen verhältnismäßig hohen Integrationsgrad durchgesetzt hatte, folgten Massenentlassungen, Verarmung und Desintegration – alles begleitet von einem massiven Anstieg an Diskriminierung. Nach dem EU-Beitritt Bulgariens 2007 begannen mit einiger zeitlichen Verzögerung innereuropäische Wanderbewegungen. Bewohner von Stolipinovo versuchen in London, Paris, Köln oder eben Dortmund Geld zu verdienen. Soweit, so theoretisch. Als die Zuwanderung in der Dortmunder Nordstadt 2011 unübersehbar wurde, interessierten sich Journalisten auch für den Herkunftsort der bulgarischen Neuzuwanderer. Die Tageszeitung druckte Fotos von Müllbergen und heruntergekommenen Plattenbauten. Und heute? Wie sehr entsprach das tatsächlich Vorgefundene den Erwartungen

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REPORTAGE

der jungen ForscherInnen? „Die Vorerfahrungen in der Gruppe waren sehr unterschiedlich, gerade mit Armut außerhalb Mitteleuropas“, sagt Jana Fuchs. „Ich glaube, was viele geschockt hat, war, wie groß der Kontrast ist. Mir war nicht klar, wie schön Plovdiv ist, alles ist renoviert für die Kulturhauptstadt. Die erste Fahrt nach Stolipinovo war dann schon krass.“ „Gleichzeitig“, sagt Sebastian Ritter, „habe ich mir den Stadtteil

Unterstützt wurden die ForscherInnen von Hilfsorganisationen vor Ort, einem Übersetzer und Sozialarbeiter aus der Community, aber auch von dem Journalisten und Dokumentarfilmer Andreas Kunz, der in einem Dorf bei Plovdiv lebt und zu dem schon lange Kontakte aus Dortmund bestehen. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter ist unter anderem Mirza Demirović dabei, heute Fachreferent bei der Stadt Dortmund, auf

Eine Konsequenz sei, dass die meisten Bewohner Stolipinovos ihren Stadtteil kaum verließen. „,Überall anders kriegst du eins drüber‘“, ist eine ganz allgemeine Erfahrung, sagt Chiara. „An der Schwimmbadkasse wird ein fiktiver Eintrittspreis genannt oder die Krankenkassenkarte verlangt, Kneipen oder Clubs sind nur für Stammgäste, der Linienbus hält nicht, auch Hilfsjobs bekommt man nicht. Egal, wie sehr du dich anstrengst, du wirst den Stempel ,Roma‘ nicht los. Ein ,Wir möchten hier lieber für uns bleiben‘ ist eine Konsequenz. Eine andere ist, wegzugehen.“ „In den Gesprächen mit Mehrheitsbulgaren erlebt man einerseits ganz offenen Rassismus wie ,Roma sind faul, dreckig und sie sind Diebe‘, oder auch abgeschwächte Varianten“, sagt Sebastian Ritter. „Andererseits hört man von den älteren Bulgaren, die auch noch den Sozialismus miterlebt haben: ,Nein, die sind nicht das Problem, wir haben damals alle zusammengelebt, die sind nicht faul, ich hatte drei Kollegen, die haben mehr gearbeitet als ich.‘“ Aber dieses Wissen verschwindet nach 30 Jahren immer mehr.

viel homogener vorgestellt. Hier gibt es die Plattenbauten, aber auch Behausungen für die ganz Armen, die eher Verschläge oder Hütten sind – und ein paar Straßen weiter Villen oder fast Paläste.“ Janas Forschungsgruppe befasste sich mit dem Blick der BewohnerInnen von Stolipinovo auf Armut. „Unsere Forschungsfrage ist: Wie vergleichen sich Menschen mit anderen und welche Auswirkungen hat das auf die eigene Armutswahrnehmung?“, erklärt Felix Mecklenburg. Also: Nimmt man sich in der Blase von Stolipinovo überhaupt als arm wahr? „Und sehr deutlich kann man schon jetzt sagen: Die Menschen leben nicht in einer Blase. Jeder weiß, dass es anderen sehr viel besser geht, auch in der eigenen Stadt oder eben auch anderswo in Europa.“

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dem Höhepunkt der Neuzuwanderung noch Streetworker in der Nordstadt, der immer wieder auf alte Bekannte aus Dortmund traf. Eine Vertrauensbasis für viele Interviews. „Die Leute haben wohl deswegen zum Teil sehr offen eigene Diskriminierungserfahrungen geschildert, bei denen wir schon schlucken mussten“, sagt Chiara Brüchert. „Wie stark die Segregation, die Trennung ist, haben wir schon bei Interviews in der Innenstadt an den ersten Tagen gemerkt: Alle, die in der Stadt mit uns geredet haben, haben uns gewarnt, nicht alleine nach Stolipinovo zu gehen. In Stolipinovo selbst sind sich die Menschen sehr bewusst, welches Bild die Mehrheitsbulgaren von ihnen haben.“

Eine Folge sind Familien, Eltern und Elternteile, die eine Verbesserung ihrer Lage im europäischen Ausland suchen. Die auseinandergerissenen oder -gezogenen transnationalen Familien, die so entstehen, sind ein drittes Hauptinteresse der ForscherInnen. Die stets anwendungsorientierte Forschung Sebastian Kurtenbachs generiert hier weiter Wissen für den Umgang mit den Neuzuwanderern auch in der Dortmunder Nordstadt. Denn, so schreibt Tamara Kräwer in der ersten Bachelorarbeit, die aus der Feldforschung entstanden ist: „Wenn Transnationalisierung, im Kontext der Migration von Roma-Minderheiten nach Deutschland, als Folge von Diskriminierung begriffen wird, ergeben sich hieraus Konsequenzen für die Profession und Disziplin der Sozialen Arbeit.“ Am 19. September präsentieren die angehenden SozialwissenschaftlerInnen ihre Ergebnisse im Rahmen des Roma-Kultur-Festivals Djelem Djelem erstmals der Öffentlichkeit. transnationalerraum.wordpress.com facebook.com/djelem.djelem.dortmund


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Verkäuferin mit Herz und Seele Hallo, ich bin Monika und bodo-Verkäuferin aus Leidenschaft. Offiziell bin ich Verkäuferin seit November 1997, damals in der Bochumer Innenstadt, gemeinsam mit meinem verstorbenen Mann „Icke“. Wie viele Leute wissen, habe ich auch etliche Jahre an Sonntagen an einigen Kirchen die bodo verkauft. Nachdem die Kirchengemeinde „Liebfrauen“ das Projekt „bodo“ Anfang 1999 in Altenbochum vorstellte, verkaufte ich seit März 1999 die Zeitung. Seit Januar 2002 habe ich dort eine Wohnung und fühle mich dort sehr gut angenommen. Es hat zwar etwas gedauert, bis ich mich als Verkäuferin etabliert hatte, aber dann war es sehr gut. Im Laufe der Zeit habe ich mit vielen Leuten Kontakt bekommen, und wir haben auch viel Privates in Gesprächen ausgetauscht. So habe ich das Gefühl, dass die Leute an meinem Leben sowie ich an ihrem Leben viel Anteil habe. Im letzten Jahr fing es jedoch verstärkt an, dass ich aus gesundheitlichen und privaten Gründen nicht mehr so regelmäßig meine bodo verkaufen konnte. Anfang des Jahres bin ich innerhalb des Hauses umgezogen, und Anfang Februar verstarb auch noch mein Vater. Dies hat mich doch alles sehr mitgenommen, sodass mein Verkauf noch mehr nachließ. Aus diesem Grunde habe ich mich nach langer Überlegung nun schweren Herzens entschlossen, nicht mehr die bodo zu verkaufen. Mein Amt als Verkäufersprecherin gebe ich natürlich auch auf. Aber dem Projekt bodo bleibe ich als Mitglied weiterhin treu. Auch werde ich weiter versuchen, mit Verkäufern in Kontakt zu bleiben. Vor allem kümmere ich mich gerne um meine Nachfolger in Altenbochum. Ich möchte mich bei meiner Kundschaft sowie bei allen anderen Leuten, die mich vom bodo-Verkauf kennen, für ihre Treue bedanken. Ich wünsche Ihnen als Gute und sage herzlichen Dank für alles, Ihre „bodo“-Monika


LESERPOST & MEINUNGEN

RÄTSEL

Freundliches Lächeln Liebes bodo-Team, an einem traurig-misslungenen Tag, an dem ich einem bodo-Verkäufer am Bahnhofsgleis nur ein Kopfschütteln gönnte, konnte ich kurz vor der Abfahrt meines Zuges doch noch schnell ein Magazin kaufen. Er schenkte mir ein freundliches Lächeln, wartete am Bahngleis bis zur Abfahrt meines Zuges, um mir dann fröhlich zu winken, bis ich aus seinem Blickfeld verschwand! Er trug mir meine Unhöflichkeit nicht nach und schenkte mir großzügig einen wirklich warmen, menschlichen Moment, der mich noch immer begleitet! Dankeschön! S. G. bodo 07.19

Aufmunternde Beiträge Sehr geehrte Damen und Herren, nachdem ich die anstrengenden Kommentare der Redaktion und von Martin Kaysh gelesen hatte, kamen die Beiträge von den bodo-Verkäufern Sefa und Adolf dran. Und das Leben war wieder schön. So einfach ist das. Herzlichst, W. B. bodo 08.19

„Sabrinas Karriere“ Liebe Leute von bodo. An jedem Monatsanfang freue ich mich, meinen persönlichen Verkäufer Michael in der Wittener Bahnhofstraße zu treffen, um das neue Heft zu kaufen. Wir sind viel auf Reisen und deswegen bitte ich Michael im Voraus stets, mir ein Heft vom Vormonat zurückzulegen. Die Ausgabe vom August finde ich wieder mal besonders gelungen! Mir und meiner Frau hat insbesondere die Geschichte über „Sabrinas Karriere“ gefallen. Bitte mehr von solchen Menschen! P. W. Verlosungen

Wunderschöner Samstagabend Hallo dem bodo-Team! Vielen Dank für die beiden Tickets zur Extraschicht. Seit Jahren konnte ich nicht hin, weil ich als Krankenschwester immer auch Wochenenddienste habe. Ich habe meinen Verlosungsgewinn voll ausgenutzt und bedanke mich für einen wunderschönen Samstagabend. Am Tag der Extraschicht war ich Selbstversorgerin, somit belastete dieses Ereignis in keiner Weise mein eher knappes Budget für Unternehmungen.

Schreiben Sie uns: redaktion@bodoev.de Telefon: 0231 – 950 978 0

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Herzliche Grüße aus Bochum, R. S.

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NACHRUF

Abschiednehmen von Marcus

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s ist ein sonniger Tag am Hauptfriedhof in Dortmund-Brackel. An einem Montagvormittag stehen wir vor der großen Trauerhalle. Eine Gruppe aus bodo-Verkäuferinnen und Verkäufern gemeinsam mit ehrenamtlichen und angestellten MitarbeiterInnen. Wir alle sind gekommen, um unserem Freund und Kollegen Marcus Waskönig zu gedenken, der im Alter von 45 Jahren überraschend an einem Herzinfarkt verstorben ist. Er hinterlässt seine Frau, eine Tochter und einen Bruder. Um sowohl den Verkäufern als auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Vertrieb und Sozialarbeit die Möglichkeit zu geben, an der Trauerfeier teilzunehmen, bleibt die Dortmunder Anlaufstelle an diesem Montag geschlossen. Viele Freunde und Bekannte von Marcus sind zusammen zur Beisetzung gefahren. Jetzt warten wir gemeinsam auf den Beginn. „Das ist nicht nur ein enormer menschlicher Verlust, sondern reißt auch bei bodo eine große Lücke. Egal, mit was für einem Anliegen man zu Marcus kam – sei es Mithilfe bei Infoständen oder die Unterstützung bei der Anlieferung der aktuellen Ausgabe –, Marcus konnte man immer fragen, und sofern es sein Gesundheitszustand zuließ, war er dabei“, erinnert sich Klaus-Dieter Rohe, Sozialarbeiter bei bodo. Seit einem Arbeitsunfall hatte Marcus mit chronischen Rückenschmerzen zu kämpfen und war auf eine Gehhilfe angewiesen. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, als einer der Dortmunder bodo-Stadtführer interessierte Gruppen an Orte zu führen, die für das Leben Wohnungsloser besondere Bedeutung haben. Dabei gehörte Marcus selbst zur großen Gruppe der ehrenamtlich Helfenden: Als im vergangenen Winter das Gast-Haus bei Minusgraden Notschlafplätze einrichtete, übernahm er freiwillig Nachtschichten.

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„Fast jeden Morgen kam Marcus in unsere Anlaufstelle. Nicht selten war er der Erste. Jeder mochte ihn, und er verstand sich mit allen gut“, erinnert sich bodo-Vertriebsmitarbeiterin Melanie. „Kein Wunder, dass er in beiden Jahren, die er bei bodo war, zum Verkäufersprecher gewählt wurde.“ Während wir uns auf die letzten freien Plätze in der östlichen Trauerhalle des Friedhofes setzen, erinnert sich auch die ehrenamtliche Mitarbeiterin Gabi an ihre Arbeit mit Marcus. „Bei unserem ,Kaffee und Knifte‘-Projekt war Marcus seit der ersten Stunde mit dabei. Alle zwei Wochen half er Brötchen schmieren, und wir brachten gemeinsam Kaffee und Schlafsäcke zusammen mit anderen ehrenamtlichen Helfern zu Menschen, die aktuell auf der Straße leben.“ In seiner Trauerrede spricht auch Gemeindepfarrer Ingo Maxeiner immer wieder von Marcus‘ hilfsbereiter und offener Art. Bezeichnend, dass Marcus noch kurz vor seinem Tod einem Freund beim Umzug half. Zuletzt arbeitete Marcus an einem Kunstprojekt der Studentin Yoana Todorova mit – sie erstellte Foto-Collagen und Film-Interviews mit Passanten in der Innenstadt. Auch sie zeigte sich bestürzt, als sie von Marcus‘ Tod erfuhr. Als wir nach der Trauerfeier zusammen stehen, bitten mich viele Freunde um ein paar Erinnerungsfotos von Marcus, die in seiner Zeit als bodo-Verkäufer entstanden sind. So auch seine Freundin Jessica: „Marcus wird mir so fehlen, wir haben immer so gefeiert, wenn der BVB mal wieder gewonnen hat, und einmal waren wir sogar zusammen im Stadion.“ Wir stehen noch lange zusammen und verabreden uns zu einem Gedenkfrühstück mit allen Freunden und Kollegen. Irgendwann machen wir uns auf den Heimweg. Was bleibt, ist die Erinnerung an einen guten Kollegen, Mitarbeiter und Freund. Text und Fotos: Sebastian Sellhorst


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Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt

Erst war Kirchentag, dann der Park voller Pokémons. Die andere große Freiluftparty im Mai wurde wieder mal abgesagt. Trotzdem musste für sie teuer geplant werden, Absperrgitter, Sicherheitskonzept, Würstchenbude, das kostet. Künftig sollte unabhängig vom Saisonausgang immer gefeiert werden, inklusive Kutscherei um den Borsigplatz. Dann kann sich auch der Steuerzahlerbund nicht beschweren. Wenn es beim BVB nicht reicht, ersetzt irgendwas den BVB, zum Beispiel die AWO. Auf die ist nämlich Verlass, zum einen in der täglichen Arbeit. Zum anderen wird sie jetzt gerade hundert, auch wenn es sie eigentlich nicht mehr geben dürfte, die Arbeiterwohlfahrt. Arbeiterinnen- und Arbeiterwohlfahrt, das ginge noch. Oder gleich: Arbeiterinnen-, Arbeiter-, sowie Angestellten- und Prekären-Wohlfahrt. Die „Wohlfahrt“ lassen wir irgendwann auch noch weg, die hat so was Von-Oben-Herabhaftes. Egal, die AWO feiert, jetzt, mit Erscheinen dieses Heftes, in Dortmund, ohne Teilnahmebeitrag. Selbstverständlich bin ich dabei mit dem Geierabend. Mitglied bin ich übrigens auch, so richtig mit Beitragsmarken. Andere sind in Fanclubs. Die AWO ist salbungslos, herzkammergut, Ruhrpott halt. Das sieht man auch an ihren Devotionalien. Der Kirchentag kam mit so einem Polyacryl-Stirnband, Multifunktionstuch getauft, für Martin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.

zwölf Euro noch was. Im Onlineshop der AWO muss ich schon lange scrollen, bis es extravagant wird. „Rote Nagelfeile inkl. transparenter Aufbewahrungshülle“, kostet 79 Cent.

Sonntag

1.9.frei! Eintritt

Kinder-RockKonzert mit

RADAU! und RANDALE

r Kevin O‘Neal plus Beatboxe

Heute muss keiner mehr wissen, wofür das Akronym „AWO“ steht. Dass IKEA nicht „Ich kann es auch“ bedeutet, weiß man, wenn man sich mal durch eine Aufbauanleitung gekämpft hat, mit Inbus-Schlüssel, Inbus, „Innensechskantschraube Bauer und Schaurte“. So ist es auch mit der AWO. Du musst nicht wissen, was das heißt. Du musst wissen, wofür sie da ist. Na ja, und passen muss es.

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Sa 28.09.2019 Goran Bregović and his Wedding & Funeral Orchestra Gypsybrass, rhythmische Trompeten und Turbo-Folk

Do 05.12.2019 Altın Gün Ein aufregender Mix aus türkischem Folk, Psychedelic Rock und Funk

Fr 13.03.2020 Eivør Elfenpop von den Färöer Inseln

Do 07.05.2020 Warsaw Village Band Folklore-Klänge mit modernen Elementen

So 09.02.2020 Federspiel »Alpine World Brass« aus Österreich


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