bodo August 2019

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bodo DAS

08 | 19 Die besten Geschichten auf der Straße

IN STRASSENMAGAZ

2,50 Euro Die Hälfte für den Verkäufer

Mit bodo um die Welt: Obdachlos in der Sesamstraße Gemeingut in Gelderland

Dr. Sabrina Cohen-Hatton Seite 44

N E S S U A R D VO N N E B O H C A N K A R R IER E SABR INAS

Skippy auf dem Teller

Robert de Niro Seite 4

NUR MIT AUSWEIS

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IMPRESSUM

INHALT

Herausgeber, Verlag, Redaktion: bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.: Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de 0231 – 950 978 12, Fax 950 978 20 Layout und Produktion: Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign info@lookatnoll.de Veranstaltungskalender: Petra von Randow, redaktion@bodoev.de Anzeigenleitung: Susanne Schröder, anzeigen@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20

Robert De Niro

Von Francine White

Vertriebsleitung: Oliver Philipp, vertrieb@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe: Rhianna Boyle, René Boyke, Lisa Edge, Alexandra Gehrhardt, Wolfgang Kienast, Jürgen Klute, Aimee Knight, Sayuri Kusama, Adrian Lobb, Steven MacKenzie, Bastian Pütter, Petra von Randow, Simona, Dubravka Stojanović, Camille Teste, Francine White Titelfoto: Louise Haywood-Schiefer Bildnachweise: Fiona Aboud (S. 7), Julie Artacho (S. 13, 15), Bianka Boyke (S. 16), Isabelle Hannemann (S. 25), Louise Haywood-Schiefer (S. 45), Sayuri Kusama (S. 32, 33), Sebastian Philipp (S. 21), picture alliance / ZUMA Press / Randy Risling (S. 6), Bastian Pütter (S. 8), REUTERS / Mario Anzuoni, (S. 4) / Fabrizio Bensch (S. 19) / Mike Blake (S. 16) / Daniel Munoz (S. 42), Daniel Sadrowski (S. 3), Sebastian Sellhorst (S. 2, 8, 9, 10, 11), Shutterstock.com (S. 7, 22, 23, 41, 42), Richard Termine (S. 30), Henri van de Griendt (S. 28), Alexander Völkel (S. 10) Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien Auflage, Erscheinungsweise: 20.000 Exemplare, monatlich in BO, DO und Umgebung Redaktions- und Anzeigenschluss: für die September-Ausgabe 10.8.2019 Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste 06. 2019 Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Vereinssitz: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund www.bodoev.de, facebook.com/bodoev

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Mit einem Gesamtwerk, das mehr als 100 Filme umfasst, ist Robert De Niro einer der größten Schauspieler einer goldenen Ära Hollywoods. Obwohl er als schwieriger Interviewpartner gilt, war er nett zu unseren britischen KollegInnen von „Big Issue North“.

Noch einmal Jugoslawien?

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Die serbische Historikerin Dubravka Stojanović skizziert in ihrem Essay für „Liceulice“ aus Belgrad schwungvoll und pointiert „Eine sehr kurze Geschichte Jugoslawiens“ – als Bild einer Hassliebe: Man kann nicht zusammenleben, geschweige denn getrennt.

Von Dubravka Stojanović

Lecker Känguru?

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Wappentier oder Nationalgericht, Schädling oder Kuscheltier? Die Beziehung der Australier zu ihrem Lieblingstier ist kompliziert. Hier schließt die Liebe zu Kängurus nicht aus, sie zu essen. Ein Erklärungsversuch der australischen Straßenzeitung „The Big Issue Australia“. Von Rhianna Boyle

Vorstand: Andre Noll, Verena Mayer, Marcus Parzonka verein@bodoev.de Geschäftsleitung, Verwaltung: Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, verein@bodoev.de Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt, Bastian Pütter 0231 – 950 978 0, redaktion@bodoev.de Transporte, Haushaltsauflösungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln, 0231 – 950 978 0, transport@bodoev.de Buchladen, Spendenannahme Dortmund: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund: Schwanenstraße 38, 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 – 13 Uhr Spendenannahme Bochum: Kleiderkammer Altenbochum und Laer Liebfrauenstraße 8 – 10, 44803 Bochum Mo. 10 – 13 Uhr, Sa. 10 – 12 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Bochum: Henriettenstraße 36, Ecke Bessemerstraße 44793 Bochum, Mo., Do., Fr. 11 – 14 Uhr Di. 11 – 17.30 Uhr, Mi. 8 – 14 Uhr Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00 BIC: BFSWDE33XXX

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Simona, bodo-Verkäuferin in Bochum Liebe Leserinnen und Leser, eigentlich würde ich mich ja jetzt zusammen mit meinem Mann und meinen beiden Söhnen für ein paar Wochen von Ihnen verabschieden, um meine Familie in Rumänien zu besuchen, aber das lassen wir dieses Jahr leider ausfallen. Diesen Sommer werden Sie mich also auch weiterhin an meinem Verkaufsplatz in Bochum am Rewe an der Hiltroper Straße sehen. Nach den Sommerferien geht mein großer Sohn aufs Gymnasium. Der freut sich schon, und wir sind natürlich sehr, sehr stolz. Auch wenn wir dieses Jahr nicht wegfahren, möchte ich Ihnen einen kleinen Reisetipp mit auf den Weg geben: Mitten in Rumänien, ca. 60 Kilometer von meinem Heimatort Bacău entfernt, liegt Brașov, eine der schönsten Städte des Landes. Jeder, der Rumänien besucht, sollte dort dringend mal hinfahren und sich die wunderschöne Altstadt und die „Schwarze Kirche“ anschauen. Jetzt wünsche ich Ihnen einen schönen Sommer und viel Spaß mit der aktuellen Ausgabe, Ihre bodo-Verkäuferin Simona.


EDITORIAL

04 Menschen | Robert De Niro 07 Straßenleben | Turbanophobie 08 Neues von bodo 12 Reportage | Das falsche Ideal 16 Das Foto 16 Recht | SGB-II-Antrag nach Dienstschluss? 17 Kommentar | Trotz und Utopie 17 Die Zahl 18 Interview | Eine europaweite Antwort 22 Wilde Kräuter | Beinwell & Brennnessel 23 Wissenschaft | Eine gefrorene Arche 24 Veranstaltungskalender | Verlosungen 29 Kinotipp | Axel, der Held 30 Kultur | Sesamstraße, vorübergehend 32 Reportage | Gemeingut in Gelderland 35 Bücher 36 Essay | Eine sehr kurze Geschichte Jugoslawiens 40 Reportage | Lecker Känguru? 43 Rätsel 44 Verkäufergeschichten | Sabrina Cohen-Hatton

Liebe Leserinnen und Leser, kommen Sie mit uns auf Weltreise? In dieser Ferien-bodo gibt es statt „Geschichten von hier“ Reportagen und Interviews unserer KollegInnen der weltweiten Straßenmagazine: Robert de Niro spricht über Scorsese, Trump und Netflix, kanadische Expertinnen analysieren für uns den Diät- und Körperwahn, eine serbische Historikerin erinnert an die zweifach gescheiterte Utopie Jugoslawien – und unsere australische Kollegin Rhianna Boyle versucht zu erklären, warum Down Under das Nationalsymbol auf dem Grill landet. Falls Sie sich nicht nur die Welt mit diesem Heft nach Hause holen, sondern selbst noch auf Reisen gehen, haben wir vielleicht etwas für Sie: VerkäuferInnen von Trondheim bis Seoul haben uns Tipps gegeben, was sich in ihren Städten zu besichtigen lohnt, und was man davon vielleicht nicht im Reiseführer findet. Die Frau auf unserem Titel übrigens, Dr. Sabrina Cohen-Hatton, ist einer der vielen, vielen Gründe, warum wir unsere Arbeit lieben und unvermindert an das Konzept der sozialen Straßenmagazine glauben: Mit 15 war Sabrina obdachlos, durch den Verkauf von Straßenzeitungen verdiente sie sich ihre erste Mietkaution. Heute ist sie promovierte Psychologin, eine der ranghöchsten Feuerwehrfrauen Großbritanniens und Botschafterin von „The Big Issue“.

Mit Verk äuferReisefü hrer

Viele Grüße von bodo Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de

CH ICAGO

Von Nothilfe bis Neuanfang: Helfen Sie helfen.

Wir freuen uns auf Unterstützung bei unseren samstäglichen Versorgungstouren mit „Kaffee & Knifte“ in Dortmund, in unserer Bochumer Kleiderkammer und in unserer neuen Anlaufstelle für Wohnungslose in Bochum. Möchten Sie mitmachen? 0231 – 950 978 0 | ehrenamt@bodoev.de Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00 3


MENSCHEN

Mit einem Gesamtwerk, das mehr als 100 Filme umfasst, ist Robert De Niro einer der größten Schauspieler einer goldenen Ära Hollywoods. Obwohl er als schwieriger Interviewpartner gilt, war er nett zu unseren britischen KollegInnen von „Big Issue North“. Ein Gespräch über Karriere, Familie, Nachruhm, den Freund Martin Scorsese und den Feind Donald Trump. Von Francine White | Fotos: Reuters / Mario Anzuoni, picture alliance / ZUMA Press / Randy Risling

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„Vielleicht, vielleicht“ Von dem Moment an, als Robert De Niro als Travis Bickle im Film „Taxi Driver“ von 1976 die Zeile „You talking to me?“ sprach, war sein Platz unter den Schauspiellegenden gesichert. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits einen Oscar für den jungen Vito Corleone in „Der Pate II“ gewonnen. Tatsächlich sind er und Brando, sein Held, die einzigen beiden Personen, die einen Oscar für die gleiche Figur gewonnen haben. „Taxi Driver“ war seine zweite Zusammenarbeit mit Regisseur Martin Scorsese; die beiden hatten 1973 „Mean Streets“ („Hexenkessel“) zusammen gedreht, für De Niro der Beginn einer steilen Karriere. Heute, im Alter von 75 Jahren, mit über 100 Filmen im Gepäck, arbeitet er unvermindert weiter. Als Interviewpartner bleibt er sperrig. Mit dem 2017 verstorbenen Filmkritiker Barry Norman prügelte er sich fast, und

noch 2015 stürmte er aus einem Interview mit der Radio Times, weil er es für zu kritisch hielt. Ich habe leichte Bedenken. Der De Niro, dem ich begegne, könnte jedoch nicht freundlicher und angenehmer sein. Dabei ist ihm offensichtlich nicht sonderlich wohl dabei, über sich selbst zu sprechen. Geht es um seine Arbeit, fühlt er sich auf sicherem Boden und kommt ins Erzählen. Wir treffen uns wenige Tage, nachdem ein Trump-Anhänger auch an De Niros Büroadresse eine Brief bombe gesandt hat. Namhafte Demokraten einschließlich der Clintons hatten eine solche Bombe erhalten, der Tatverdächtige war gerade verhaftet worden. „Ja, das war schon eine ziemliche Woche“, räumt De Niro ein. „Aber man kann damit umgehen, indem man wählt. Stimmen Sie gegen Trump. Wenn ich für einen Tag Präsident wäre, würde ich eine Menge Dinge zurückdrehen, die er angerichtet hat. Im Moment ist es ein Chaos. Der Typ ist ein Chaos. Wie auch immer, was kann ich dir sagen? Was willst du wissen?“

The Big Issue North, Großbritannien

„Das Fernsehen scheint heute das zu ersetzen, was früher das Kino war. Nicht die großen epischen Filme, riesige Produktionen, aufwändige Animationen – sondern Drama.“ Wir sprechen über seine jüngst abgeschlossenen Projekte. Mit Joaquin Phoenix hat er „The Joker“ gedreht, und unter der Regie von Scorsese „Der Ire“, gemeinsam mit Al Pacino, Joe Pesci und Harvey Keitel. Beide Filme sollen in diesem Jahr anlaufen, „Der Ire“ erstaunlicherweise auf Netflix. „Ich habe schon lange versucht, das auf die Beine zu stellen“, sagt De Niro. „Ich habe mir meine Notizen angesehen, als wir anfingen zu drehen – sie waren etwa zehn Jahre alt. Ich hatte zur Recherche für ein anderes Projekt das Buch ,I Heard You Paint Houses‘ von Charles Brandt gelesen und zu Marty gesagt: ‚Du musst das lesen, ich denke, das sollten wir

Robert De Niro Aufgewachsen in Little Italy, New York Spitzname: „Bobby Milk“, weil er so blass war Erste Rolle: Der feige Löwe in einer Schulaufführung des „Zauberer von Oz“ Regiedebüt: In den Straßen der Bronx (1993) Synchronstimme seit „Der Pate II“: Christian Brückner

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MENSCHEN

machen.‘ So fing es an.“ Die Tatsache, dass ein Film mit einer solchen Besetzung seine Erstausstrahlung bei einem Streaming-Dienst und nicht im Kino findet, zeigt, wie sich die Branche seit De Niros Karrierestart verändert hat. „Das stimmt. Das Fernsehen scheint heute das zu ersetzen, was früher das Kino war. Nicht die großen epischen Filme, riesige Produktionen, aufwändige Animationen – sondern Drama.“ „Der Ire“ ist die neunte Zusammenarbeit zwischen De Niro und Scorsese, die sich als „siamesische Zwillinge“ bezeichnen. „Marty ist so bei jedem, mit dem er zusammenarbeitet. Er ist sehr locker und versucht, auf alles einzugehen. Er hat keine Angst, Dinge auszuprobieren. Ich habe das große Glück, eine tolle Beziehung zu ihm zu haben. Ich hatte Glück.“ Eine Beziehung, in der Geschichten wie die des Abstiegs des Boxers Jake La Motta entstanden. Für „Wie ein wilder Stier“ nahm De Niro 30 Kilo zu. „Ich hatte einfach das Gefühl, dass sich in

„Als es anfing, fand ich es schwierig, mit der Aufmerksamkeit umzugehen. Aber jetzt laufe ich frei durch New York. Ich werde von Zeit zu Zeit erkannt, die Leute sagen ,Hallo‘, ich sage ,Hallo‘. Im Großen und Ganzen ist es in Ordnung. So bleibst du auf dem Teppich.“

seinem körperlichen Verfall manifestierte, was seelisch in ihm vorging. Das kann man in der Maske nicht lösen. Ich habe hart an diesem Film gearbeitet, aber ich habe es gerne getan. Es war ein Werk der Liebe.“ Apropos: De Niro hat sechs Kinder im Alter von sieben bis 49 Jahren und war zweimal verheiratet. Was für ein Vater ist er? „Ich versuche mein Bestes.“ Stille, bevor er plötzlich hinzufügt: „Wenn ich nicht arbeite, bin ich immer beschäftigt: Meine Kinder zur Schule bringen, sie abholen, sie rumkutschieren. Die haben immer etwas vor.“ De Niro auf dem Schulweg, ein interessantes Bild. Sein eigener Hintergrund ist so etwas wie eine gesamteuropäische Mischung – italienisch und irisch auf der Seite seines Vaters Robert De Niro Senior und deutsch, französisch und niederländisch auf der Seite seiner Mutter Virginia Admiral. Beide waren Künstler, und obwohl sie sich scheiden ließen, als De Niro zwei Jahre alt war, blieb er seinem Vater, der 1993 starb, eng verbunden. De Niro hat dessen Atelier behalten, in den Restaurants und Hotels, die ihm gehören, hängen seine Bilder. 2014 drehte er einen Dokumentarfilm, „eigentlich für mich und meine Familie. Einige meiner jüngeren Kinder haben ihren Großvater nie kennengelernt. Ich wollte, dass sie von ihm erfahren.“ De Niro sagt, dass er nie aufgibt, nach großartigen Rollen zu suchen, und eigentlich will er von einem neuen Projekt reden, unterbricht sich aber: „Meist, wenn ich über diese Dinge spreche, passieren sie nicht. Es ist mir drei- oder viermal passiert – man redet es weg. Ich bin abergläubisch. Nur so viel: Als ich diese Figur, eine historische Figur, entdeckte, wusste ich, dass dies etwas ist, worauf ich mich festlegen und einlassen wollte.“ Ich erinnere mich an ein Interview, dass ich mit Pacino geführt habe, in dem er sagte, dass er seit über 20 Jahren nicht mehr in einer U-Bahn oder einem Supermarkt war, weil er so bekannt sei. De Niro sagt: „Ja, ja, nun, zuerst, als es anfing, fand ich es schwierig, mit der Aufmerksamkeit umzugehen. Aber jetzt laufe ich frei durch New York. Ich werde von Zeit zu Zeit erkannt, die Leute sagen ,Hallo‘, ich sage ,Hallo‘. Im Großen und Ganzen ist es in Ordnung. So bleibst du auf dem Teppich.“ Vielleicht ist es seine Wandlungsfähigkeit, die dazu führt, dass er gar nicht so oft erkannt wird, schlage ich vor: „Vielleicht, vielleicht.“ Ob er nicht an Ruhestand denke? „Ich bin beschäftigt, das ist wichtig, wenn man älter wird. Ich sage dir nur eins: Ich bin neugierig auf meinen Nachruf! Ich weiß, dass die New York Times all diese Dinge vorab geschrieben hat und dann einfach das aktuelle Material hinzufügt, wenn es nötig ist. Ich würde meinen so gern lesen.“ Mit freundlicher Genehmigung von Big Issue North / INSP.ngo

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STRASSENLEBEN

Der New Yorker Karikaturist Vishavjit Singh zeichnet Superhelden und Kunstikonen mit Turban. Und er tritt selbst im Captain-America-Kostüm mit der traditionellen Kopfbedeckung der Sikh auf, „um ein paar Intoleranten mit Mitgefühl in den Hintern zu treten“ – (Performance-)Kunst, praktische Antidiskriminierungsarbeit und ein großer Spaß. Von Lisa Edge | Foto: Fiona Aboud

Super-Sikh In seinen Cartoons spricht Singh das an, was er „Turbanophobie“ nennt, die irrationale Angst vor fremd wirkenden Kopfbedeckungen. In seinem Fall ist das der Dastar, der kunstvoll gebundene Turban, unter dem praktizierende Sikh ihr ungeschnittenes Kopfhaar verbergen. Der monotheistische Sikhismus ist die fünftgrößte Religion der Welt, ihren Ursprung hat sie im indischen Punjab. Sikhs leben seit mehr als 125 Jahren in den USA. Die Reaktionen auf sein Äußeres änderten sich mit den Ereignissen vom 11. September 2001 schlagartig, sagt Singh. Der mit den Anschlägen auff lammende Hass auf vermeintliche Muslime schloss die Bart und Turban tragenden Sikh mit ein. Die Toleranz gegenüber Turbanen sei außerhalb von Disneyfilmen eher begrenzt, formuliert Singh es ironisch. Ein interaktiver Cartoon von Mark Fiore mit dem Titel „Find the Terrorist“ aus dem Oktober 2001 brachte Singh dazu, nun selbst den Hass mit Humor und Zeichenstift zu bekämpfen. Das Farmerehepaar mit Mistgabel in Grant Woods ikonischem Gemälde von 1930 trägt bei Singh die männliche und weibliche Form des traditionellen Turbans. Über ihm prangt eine einzige große Sprechblase: „Wir sind so dermaßen von hier. Nächste Frage.“

„Die Leute mit Turban sind genau wie du, sie lieben Humor“, sagt Singh. „Wir alle sind anfällig für einfache Narrative, aber das Leben ist sehr kompliziert, Menschen sind kompliziert, jeder einzelne ist kompliziert. Jeder hat Vorurteile, aber wir können lernen, sie infrage zu stellen.“ Nach einem Terrorangriff auf einen SikhTempel in Wisconsin im Jahr 2012 entschied sich Singh, Superhelden mit Turban nicht nur zu zeichnen, sondern selbst einer zu werden. Seitdem pendelt Singh zwischen Vorträgen in Schulen, Unis und Unternehmen, Straßenaktionen und dem Zeichenbrett, um, wie gesagt, „ein paar Intoleranten mit Mitgefühl in den Hintern zu treten“.

KO PE NH AG EN

VERKÄUFER-REISEFÜHRER Csaba Setet, 56, wurde in Ungarn geboren. Er kam als Kind nach Kopenhagen und ist Verkäufer der dänischen Straßenzeitung Hus Forbi sowie Stadtführer der „Gadens stemmer“ (Stimmen von der Straße).

Café-Tipp: Operaen (die Oper), Pusher Street, Christiania. Bekanntes Café im Freistaat Christiania, dem sehr besonderen autonomen Stadtteil von Kopenhagen. Es gibt keinen Alkohol, was schön ist. Museums-Tipp: Das Arbeitermuseum. Zum 20-jährigen Jubiläum von Hus Forbi veranstalteten sie tatsächlich eine Sonderausstellung über unsere Straßenzeitung. Geheimtipp: Der Assistenzfriedhof im Bezirk Nørrebro. Eine geheime Oase, Hans Christian Andersen und Søren Kierkegaard sind hier begraben. Der wichtigste Ort für mich ist der Obdachlosenfriedhof, wo viele meiner verstorbenen Freunde liegen. Lieblingsplatz: Ich besuche gerne den Rundetårn – Europas ältestes funktionierendes astronomisches Observatorium. Beste Reisezeit: Im Sommer, da ist Festivalzeit. Der Winter ist hart. Es ist windig und regnerisch, manchmal schneit es. 7


NEUES VON BODO

Alles neu in Bochum Seit dem 1. August ist bodos neue Bochumer Adresse die Henriettenstraße 36. Wir sind im ehemaligen Antoniusstift, Ecke Bessemerstraße.

Es wird eine Kleider- und Schlafsackausgabe geben, die Annahme von Sachspenden findet aber nur in der „Kleiderkammer Altenbochum und Laer“ statt (s.u.).

bodo nutzt die neuen Räume gemeinsam mit der Diakonie, die mit der Beratungsstelle für wohnungslose Männer einzieht, bodo richtet eine Ausgabestelle sowie ein Vertriebs- und Beratungsbüro ein. Gemeinsam betreiben Diakonie und bodo den Tagesaufenthalt für Wohnungslose.

Eine Rückkehr in die Stühmeyerstraße und die dort entstehende KoFabrik wird es trotzdem geben: Nach Abschluss der Renovierungen werden wir mit der Gastronomie in unseren alten Räumen kooperieren und eine zusätzliche Ausgabestelle des Straßenmagazins einrichten.

TERMINE Soziale Stadtführungen Dortmund, 10. August, 11 Uhr Bochum, 17. August, 11 Uhr Anmeldung: 0231 – 950 978 0 100 Jahre AWO 30. August – 1. September bodo-Buch- und Infostand Katharinenstraße, Dortmund Sommer am U 8. August, 18 Uhr Dond & Daniel lesen „Endlich Nichtleser“ präsentiert von bodo Leonie-Reygers-Terrasse Dortmund 8

Sachspenden

Buchspenden

In Bochum haben wir einen neuen Ort zur Sachspendenannahme. Da die neue Anlaufstelle (s.o.) keinen Platz zum Anliefern und Lagern von Buch- und Kleiderspenden bietet, freuen wir uns über die Kooperation mit der Kleiderkammer Bochum und Laer, deren Team nun mit bodo-Mitarbeitern verstärkt wird. Im Innenhof der Liebfrauenstraße 8 – 10, hinter dem Mehrgenerationenhaus „Glockenhof “, befindet sich in einem großen Flachbau die Kleiderkammer. Es gibt Parkplätze direkt vor der Tür. Von der Bahnhaltestelle Altenbochum Kirche an der Wittener Straße sind es nur wenige Meter zu Fuß. Spendenannahme ist vorerst montags von 10 bis 13 Uhr und samstags von 10 bis 12 Uhr.

Wir freuen uns über Ihre aussortierten Bücher – vom gerade gelesenen Urlaubskrimi bis zur ganzen Wagenladung. Besonders hoffen wir, dass mit unserem Umzug in Bochum Ihre Buchspenden (neben Kleidung und Hausrat) weiterhin bei uns ankommen. Die Kleiderkammer Altenbochum und Laer (s. links) ist mit Auto und Bahn gut zu erreichen, wir planen, die Öffnungszeiten zur Spendenabgabe zu erweitern. Wenn Sie Fragen haben, rufen Sie uns gerne an. In Dortmund nehmen wir Buchspenden weiter gerne von Montag bis Samstag während der Öffnungszeiten unseres Buchladens am Schwanenwall 36 – 38 an. Weitere Informationen finden Sie bei uns im Netz: www.bodoev.de


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Unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Dortmund haben sich rund 200 gemeinnützige Vereine, Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen. Sie bieten Unterstützungsleistungen in allen Lebensbereichen an:

Dond & Daniel Die legendären Vorleser kennen „Die beste Methode, mit dem Lesen für immer aufzuhören“, so der Untertitel des Romans „Endlich Nichtleser“ des Schweizers Gion Mathias Cavelty. Ein haarsträubend komischer Text, eine mitreißende Performance, präsentiert von bodo. 8. August, 18 Uhr Sommer am U, Eintritt frei

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Beratung bei Ehe- und Lebenskrisen Unterstützung bei der Betreuung von Kindern Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene Unterstützung bei psychischen Erkrankungen Hilfen für Menschen mit Behinderungen Hilfen in Notlagen und bei besonderen sozialen Schwierigkeiten Selbsthilfeunterstützung

Kontakt über Paritätischer Wohlfahrtsverband NRW Kreisgruppe Dortmund Ostenhellweg 42-48/Eingang Moritzgasse | 44135 Dortmund Telefon: (0231) 189989-0, Fax: -30 dortmund@paritaet-nrw.org | www.dortmund.paritaet-nrw.org

Entdecken Sie sich selbst! Mit über 1.800 Veranstaltungen bietet die VHS Dortmund wieder ein abwechslungsreiches Programm:

Elementarbildung, Mathematik und Schulabschlüsse Beruf und Wirtschaft Sprachen und interkulturelle Bildung Politik, Gesellschaft und Ökologie Kunst, Kultur und Kreativität Psychologie und Pädagogik Gesundheit VHS.nach Maß

Zeitspenden Möchten Sie mitmachen bei bodo? Wir sind ein großes Team aus hauptamtlichen und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen in zwei Städten, mit den unterschiedlichsten Professionen und in sehr verschiedenen Arbeitsfeldern. Einzelne Angebote wie unsere Versorgungstouren mit „Kaffee & Knifte“ sind vollständig durch Ehrenamt getragen. Hier suchen wir in Dortmund noch MitstreiterInnen. In Bochum sind es unsere neue Anlaufstelle und die toll ausgestattete Kleiderkammer in Altenbochum, für die wir Unterstützung suchen. Wenn Sie mehr wissen oder uns kennenlernen möchten, rufen Sie uns gerne an oder schreiben Sie uns. ehrenamt@bodoev.de | 0231 – 950 978 0

Es erwarten Sie Kurse und Seminare, Workshops und Exkursionen, interessante Vorträge und vieles mehr ...

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NEUES VON BODO

100 Jahre AWO Vom 30. August bis zum 1. September steht die Dortmunder Innenstadt ganz im Zeichen der Arbeiterwohlfahrt. Mit einem fast überbordenden Programm wird gezeigt werden, dass Dortmund – auch wenn der Festakt zum Jubiläum in Berlin stattfindet – die heimliche AWOHauptstadt ist. Von morgens bis abends gibt es Konzerte, Kleinkunst, Gesprächsrunden und Einblick in die Arbeit der

AWO. Der Geierabend und die „Komm Mit Mann!s“ sind da, Konstantin Wecker kommt, es gibt ein Kinderprogramm und Familien-Rockkonzerte mit den Bands „Radau“ und „Randale“. Für das leibliche Wohl sorgt die Schlemmermeile „AWO à la Carte“. Gemeinsam mit dem Gast-Haus e.V. gratuliert bodo mit einem eigenen Stand an der Katharinenstraße. Wir sehen uns!

SOZIALES Traditionsklub öffnet Stadion für Obdachlose: Während einer Kältewelle im Südhalbkugel-Winter öffnete im Juli der argentinische Erstligist River Plate die geheizten Katakomben seines Stadions für Hunderte Obdachlose. Freiwillige organisierten Matratzen, eine Suppenküche und eine Kleiderkammer. In Buenos Aires leben mindestens 6.000 Menschen auf der Straße, bei Temperaturen um null Grad war es bereits zu Todesfällen gekommen. Italien zählt Sinti und Roma zur Vorbereitung eines „Ausweisungsplans“. Seit der Ankündigung des Innenministers Matteo Salvini im vergangenen Jahr, eine Zählung durchzuführen, nimmt die Gewalt gegen die Minderheit zu. Nun wurden die Präfekturen angewiesen, Zahlen zu erheben, um Sinti und Roma ohne italienischen Pass auszuweisen. Experten gehen von der Verfassungswidrigkeit einer Zählung auf ethnischer Basis aus. Europäische Großstädte gegen „Airbnb“: Zehn Großstädte, darunter Paris, Barcelona und Berlin fordern EU-Regeln für Vermietungsplattformen: „Unterkünfte, die von den Einwohnern zum Leben und Arbeiten in unseren Städten benötigt werden, werden zunehmend als ein Vermietungsmarkt für Touristen angesehen“, so die Kommunen in einem offenen Brief. Ein Problem, das nicht allein die klassischen Touristikzentren betrifft. 553.000 Wohnungslose in den USA erfasst die aktuelle bundesweite Stichtagszählung. Ein Drittel von ihnen lebt ungeschützt auf der Straße, ein Fünftel der Betroffenen ist minderjährig. Die Gesamtzahl blieb in den vergangenen Jahren weitgehend unverändert. Wohnungslosigkeit ist ein Problem der großen Städte mit zwei besonderen Schwerpunkten: In den Staaten Kalifornien und New York leben mehr als 40 Prozent der Wohnungslosen. 10

Biken für bodo Unterstützt von der DSW21-Gruppe ging es im Juni bei der 6. Charity-Motorrad-Tour „Biken für bodo“ auf eine 180 Kilometer lange Strecke durchs Bergische Land. Die mehr als 50 TeilnehmerInnen entrichteten eine (Mindest-)Startgebühr, die zu 100 Prozent an die Dortmunder bodo-Anlaufstelle für Wohnungslose ging. Großartige 1.300 Euro kamen dabei zusammen. Im Anschluss verdoppelten zur Überraschung des Vereins die Geschäftsführungen von DEW21 und DSW21 diesen Betrag noch. bodo freut sich über einen Geldsegen für sein spendenfinanziertes Angebot und bedankt sich herzlich bei der Initiatorin Betty André, bei der DSW21Gruppe und bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern!


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Seit 1675 Oberer Westenhellweg • Nähe Thier-Galerie

info@bodoev.de 0231 – 950 978 0 bodo ist für Sie da Zentrale Rufnummer 0231 – 950 978 0 Mo. bis Fr. 9 – 16 Uhr Mail: info@bodoev.de Fax: 0231 – 950 978 20 Spendenannahme DO Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr Sa. 10 – 14 Uhr Spendenannahme BO Kleiderkammer Altenbochum und Laer Liebfrauenstraße 8 – 10 44803 Bochum Mo. 10 – 13, Sa. 10 – 12 Uhr

Ansprechpartner Geschäftsleitung: Tanja Walter verein@bodoev.de Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt Bastian Pütter redaktion@bodoev.de

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Anzeigen: Susanne Schröder anzeigen@bodoev.de Vertrieb: Oliver Philipp vertrieb@bodoev.de bodos Bücher: Suzanne Präkelt buch@bodoev.de

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Das faire Abo für 15 Euro: Ein Gutscheinheft für sechs Ausgaben des Straßenmagazins zum Einlösen direkt bei unseren Verkäufern auf der Straße.

bodo N SCH AFF T CHA NCE

Zuwachs

Das letzte große Haareschneiden am alten Bochumer Standort: Mitte Juli waren die „Barber Angels“ noch einmal an der Stühmeyerstraße. Der Zusammenschluss von Friseurinnen und Friseuren schneidet deutschlandweit Wohnungslosen die Haare – herzlich, professionell, ehrenamtlich. Den Platz unter dem Torbogen der zukünftigen KoFabrik hatten die „Engel“ zum Freiluft-Salon umfunktioniert. Für die wartenden KundInnen gab es Frühstück, und Susanne Barbera vom Barbera Caffè versorgte die Gäste, ebenfalls ehrenamtlich, mit kostenlosen Kaffeespezialitäten und Kakao aus ihrer mobilen Cafébar. Wir freuen uns auf den nächsten Besuch, dann in der Henriettenstraße.

Am 5. Juli wurde die erste Straßenzeitung in Peru verkauft. „Peatón“ heißt das neue Projekt, es ist das neueste Mitglied in unserem internationalen Netzwerk der sozialen Straßenzeitungen INSP. „Peatón“ (deutsch: Fußgänger) kostet 4 peruanische Sol (1,10 Euro) und wird in der 400.000-Einwohner-Stadt Piura verkauft. Es stößt zur Gruppe lateinamerikanischer Magazine aus Mexiko, Uruguay, Argentinien, Brasilien und Kolumbien. Und wie die Vorbilder „Mi Valedor“ aus Mexiko Stadt oder „Factor S“ aus Montevideo beeindruckt „Peatón“ mit expressivem und farbenfrohem Design. Wir wünschen Gründer Jorge Ledesma und allen Beteiligten viel Erfolg. Herzlich willkommen!

en lassen.“ „Nicht ärgern. Berat © by Photocase.de

Barber Angels

Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Tel. 0231 – 950 978 0

Mieter schützen · Mietern nützen!

Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.

Mieterverein

Bochum, Hattingen und Umgegend e.V.

Brückstraße 58 44787 Bochum Tel.: 0234 / 96 11 40 mieterverein-bochum.de

Kampstr. 4 44137 Dortmund Tel. 0231/557656-0 mieterverein-dortmund.de

Öffnungszeiten Mo - Do 9:00 - 18:00 Fr 9:00 - 12:00

Öffnungszeiten Mo - Do 8:30 - 18:00 Fr 8:30 - 14:00

Mitglieder im Deutschen Mieterbund

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REPORTAGE

Das falsche Ideal Der Druck, sich einem bestimmten Körper- oder Gesundheitsideal zu unterwerfen, ist heutzutage auch wegen des Wachstums von Social Media und Apps enorm. Soziale Netzwerke, Werbung und Zeitschriften erinnern uns ständig daran, dass unser Körper etwas ist, dem wir besondere Aufmerksamkeit schenken sollten. Aber wie hoch ist der Preis für einen schönen Körper? Von Camille Teste | Fotos: Julie Artacho

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ATHE N

VERKÄUFER-REISEFÜHRER Mixalis Samolis, 61, kommt aus Athen und verkauft die griechische Straßenzeitung Shedia. Er sagt: „Der Zeitungsverkauf hat mir das Leben gerettet. Ich war obdachlos und wirklich verzweifelt. Wenn es Shedia nicht gäbe, weiß ich nicht, wo ich jetzt sein würde.“ Café-Tipp: Auf dem Omonoia-Platz liegt das Gianniotiko. Es hat den besten Kaffee und das beste Souvlaki in Athen und ist 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche geöffnet. Das macht es zu etwas ganz Besonderem für Menschen wie mich, die auf der Straße arbeiten.

or einiger Zeit erschien auf Instagram eine kleine Anzeige, die NutzerInnen vorschlug, „Photable“ herunterzuladen, eine App, die Personen auf Fotos diskret per Click mit Bauchmuskeln oder einem bronzenen Hautton versehen kann. Die App kam pünktlich zum Sommer. In Sekundenschnelle zur Bikinifigur und in den sozialen Medien endlich aussehen wie Influencer, die neuen Vorbilder nicht zuletzt für einen optimierten Körper. Apps wie „Pump Up“ gehen noch weiter. Als soziales Netzwerk laden sie ihre Tausenden Nutzer ein, Fotos und Daten ihrer sportlichen Aktivitäten zu veröffentlichen und auf Fotos die im Laufe der Monate gestrafften Oberschenkel oder neu definierten Arme zu zeigen. Dazu schickt man sich Motivations- und Sinnsprüche wie: „Nichts ist leichter, du bist einfach stärker geworden!“ Für die Montrealer Ernährungswissenschaftlerin Lisa Rutledge erklärt sich die Suchtwirkung dieser Art von Medien durch die menschliche Neigung, unsere Leistung mit der anderer zu vergleichen. Sie glaubt: Beim Betrachten der Bilder berechnen wir den Abstand zwischen den Modellen und unserem eigenen Körper – eine Art, sein Ego zu quälen, indem man immer neue Wege zur Perfektion suche. Die sei jedoch nur ein soziales Konstrukt. Die Konsequenzen: Die Apps sendeten „vergiftete Nachrichten“ an ihre NutzerInnen, erklärt sie. „Ich ermutige meine Patienten immer, sich zu fragen, wie sie sich fühlen: Wenn die Zeit in diesen Netzwerken Stress verursacht, muss man aufhören.“

Museums-Tipp: Meine Favoriten sind Akropolis und Parthenon. Diese beiden Orte lassen mich stolz auf mein Land und seine alte Geschichte sein. Athen ist eine der ältesten Städte der Welt, und das macht sie einzigartig. Geheimtipp: Ich fahre nach Glyfada, einem südlichen Vorort der Stadt, um im Meer zu schwimmen. Lieblingsplatz: Der Nationalpark ist ein Park voller Bäume und Blumen, mit einem See und einigen Tieren. Du hast das Gefühl, irgendwo außerhalb der Stadt zu sein. Beste Reisezeit: Von März bis September, weil das Wetter wunderbar ist, kannst du den ganzen Tag auf der Straße sein. 12


des perfekten Kรถrpers

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REPORTAGE

Reinheitswahn Im Wettlauf um einen idealen Körper ist das, was wir essen, zu einem Schlüsselfaktor geworden. Auf Instagram und in Sport- und Gesundheits-Apps sind Konten mit Tausenden von Abonnenten darauf spezialisiert, Bilder von „gesunden“ Mahlzeiten zu inszenieren. Oft werden diese Illustrationen von dem Hashtag #eatclean begleitet. Die seit einigen Jahren beliebte Philosophie des „Clean Eating“ besteht darin, nur so genannte „unverarbeitete“ Lebensmittel zu essen. Eine recht vage Definition, die auf der radikalen Vorstellung beruht, dass die meisten uns zur Verfügung stehenden Lebensmittel unreiner Natur sind. „Die Philosophie hat keine solide wissenschaftliche Grundlage, und es ist sehr schwierig zu definieren, was gesund ist und was nicht“, erklärt Rutledge. „Es ist normal, Lösungen zur Verbesserung des Wohlbefindens finden zu wollen. Aber Gesundheit ist komplexer als das Schwarzweiß der ,Clean-Eating‘-Gurus.“ Die Bloggerin Jordan Younger hat mit ihrer Seite „The Balanced Blonde“, dazu beigetragen, die Bewegung bekannt zu machen. Sie riet ihrer Community, eine vegane, rohe, zuckerfreie, getreidefreie und hülsenfrüchtefreie Ernährung zu befolgen. Im Jahr 2013 verkaufte sie innerhalb von fünf Tagen mehr als 40.000 Exemplare ihres „Entgiftungsprogramms“ auf Basis eines grünen Pflanzensafts. „Seit einiger Zeit gibt es diese seltsame Idee, dass wir, wenn wir Fastfood essen, zum Ausgleich Entgiftungsprodukte brauchen“, sagt Marie Watiez, Ernährungspsychologin an der Universität Quebec in Montreal, die über aktuelle Ernährungstrends verärgert ist. Jordan Younger wurde übrigens krank. Die Diät, die die junge Frau als Weg zur Gesundheit verkaufte, ließ ihre Haare ausfallen, unterbrach ihre Periode und gab ihrer Haut einen Orangeton, der darauf zurückzuführen war, dass sie als einzige Kohlenhydrate Süßkartoffeln und Karotten zu sich nahm. „Ich wusste, dass

ich ein Problem habe“, sagt sie heute. Unter ärztlicher Anleitung stellte sich ihrer Angst vor allem, was ihrem Körper vermeintlich schadete, und ihrer Besessenheit von gesunder, reiner, sauberer Nahrung. Innerhalb weniger Wochen verlor sie Tausende von Anhängern und erhielt zahlreiche Hassbotschaften, auch Morddrohungen. Ihr wurde vorgeworfen, nur ein „großes Stück Speck“ zu sein, dem die nötige Disziplin fehle, wirklich „rein“ zu sein.

Lasst unsere Körper in Ruhe! Wie lässt sich der Zwang erklären, unsere Körper immer extremer kontrollieren zu wollen? Laut der Philosophin Isabelle Quéval, Autorin des Essays „The Body Today“, sind wir von einer Welt, in der der Körper den Unwägbarkeiten des Lebens ausgesetzt war, zu einer Möglichkeit übergegangen, in der der Körper formbar ist, sich mit Nahrung, Sport und mit medizinischen Eingriffen verändern lässt. Dadurch ist er zu einem Werkzeug geworden, und „damit ist das Schicksal in meiner Hand“, erklärte Quéval in der Fernsehsendung Télérama. Wie aber einem Phänomen entkommen, das zu einem echten moralischen Imperativ geworden ist? Isabelle Quéval: „Man muss dünn, jung, schön und fit sein, um in Beziehungen und im Berufsleben erfolgreich zu sein. Es gibt einen hohen Druck, alle diese Standards zu erfüllen.“ Muss man fit sein, um geliebt zu werden? Das nimmt auch Lisa Rutledge an: „Heute werden sehr dünne Körper als ,normal‘ angesehen“, sagt sie. Das Problem sei, dass wir in einer Gesellschaft leben, die ungesunde Ernährungsentscheidungen bewundert und beglückwünscht, wenn sie zum Beispiel zu extremem Schlanksein führen. Schlimmer ist für Rutledge, dass diejenigen, die dem sozialen Druck widerstehen, dünn zu sein, „clean“ zu essen, Muskeln auf bauen oder Gewicht verlieren zu wollen, oft mit Abwertung konfrontiert sind. „Ich denke, viele Leute sehen ihren Weg der Selbstoptimierung

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Die in Montréal lebende Modefotografin Julie Artacho inszenierte für unsere KollegInnen von L‘Itinéraire einen provokanten Titel (S.13): „Meine Idee war es, zu zeigen, dass die Themen Nahrung und Körper uns alle betreffen, unabhängig von Alter und Hautfarbe. Diese Beziehung beginnt im Säuglingsalter und dauert ein Leben lang an.“

als eine frustrierende Entscheidung an“, sagt sie. „Wir sagen uns: ‚Ich leide darunter, meinen Körper unter Kontrolle zu behalten, also warum tust du es nicht?‘“ Für Rutledge steht außer Zweifel, dass die großen Gewinner der Entwicklung die beteiligten Industrien sind. Superfood, Fitnessstudios und Schlankheitscremes haben den „Körpermarkt“ immer weiter wachsen lassen. Im Jahr 2015 setzte die Branche weltweit 3,72 Billionen US-Dollar um und wuchs allein zwischen 2013 und 2015 um 10,6 Prozent. „Medien und Kultur haben das stark beeinf lusst“, fährt Rutledge fort. „Der Markt basiert auf einer Problemlösungslogik. Wenn es gelingt, etwa Cellulite zu einem Problem zu machen, das man bekämpfen muss, wird es einfach, eine Lösung in Form von Büchern, Kosmetik oder Dienstleistungen zu verkaufen.“ Inzwischen plädiert eine wachsende Zahl von Ernährungswissenschaftlern und Lebensmittelfachleuten dafür, den Körper so zu akzeptieren, wie er ist, und Diäten, Einschränkungen und Ängsten im Zusammenhang mit Lebensmitteln ein Ende zu setzen. „Uns wird schon lange gesagt, dass wir uns selbst nicht trauen können und dass wir nicht auf unseren Appetit hören sollen“, sagt Rutledge. „Ich glaube, dass unser Körper weiß, was gut für ihn ist. Deshalb ermutige ich zu intuitivem Essen: Ich bringe meinen Klienten bei, auf ihren Körper zu hören.“ Mit freundlicher Genehmigung von L‘Itinéraire / INSP.ngo

SEOU L

VERKÄUFER-REISEFÜHRER Yeong-su Moon wurde in Gimpo geboren, einer Stadt unweit von Seoul. Er verkauft The Big Issue Korea vor dem Bahnhof Sindorim in Seoul. Café-Tipp: Auf dem Yeonseo-Markt in Eunpyeong-gu gibt es Fischrestaurants, traditionelle koreanische Snackläden, Straßenküche, etc. Nirgendwo sonst kann man so einfach Leute kennenlernen. Museums-Tipp: Der Deoksugung-Palast ist einer von fünf königlichen Palästen der letzten Dynastie Koreas, die in Seoul verblieben sind. Geheimtipp: Seoul liegt am Han-Fluss. Ein Picknick im Haneul-Park mit einem fantastischen Blick auf den Fluss ist eine großartige Idee.

Lieblingsplatz: Am Dong-myo-Markt in Jongno-gu gibt es seltene Antiquitäten, die Sie noch nie zuvor gesehen haben, wie Puppen, alte Kameras, einzigartig gestaltetes Spielzeug, Retro-Spiele. Der Kauf solcher Gegenstände gibt einem das Gefühl, das Leben der Menschen zu besuchen, die sie in der Vergangenheit besaßen. Es ist wie eine Zeitreise! Beste Reisezeit: Korea hat vier Jahreszeiten, die in jeder Hinsicht schön sind. Aber die beste Jahreszeit ist der Herbst, der vielen Festivals wegen. 15


DAS FOTO

Zeltstädte auf Gehwegen: Skid Row in Downtown Los Angeles ist der Ort, an dem das Obdachlosigkeitsproblem der USA am sichtbarsten ist. 50.000 Menschen in L.A. sind nach Zählung der Homeless Services Authority wohnungslos, die meisten von ihnen leben ungeschützt auf der Straße. Foto: Reuters / Mike Blake

RECHT

SGB-II-Antrag nach Dienstschluss? Von René Boyke Gleich vorweg: Ja, das ist möglich! Auch wenn nicht alle Jobcenter wahrhaben wollen, dass sich die Hilfebedürftigkeit eines Antragstellers nicht an ihre Öffnungszeiten hält. Wird beispielsweise am Monatsletzten um 22 Uhr per E-Mail ein Antrag auf SGBII-Leistungen gestellt, so gilt dieser Antrag grundsätzlich rückwirkend für den ganzen

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Monat, auch wenn er erst im nächsten Monat bearbeitet wird. Obwohl dies bereits in § 37 Abs. 2. S. 2 SGB II gesetzlich geregelt ist, weigerte sich das betreffende Jobcenter, die Regelung anzuwenden. Statt nach dem Gesetz zu entscheiden, meinte das Jobcenter, es komme nicht darauf an, wann die E-Mail eintrifft, sondern, wann das Jobcenter Kenntnis nehmen könnte. Diese Bedingung steht

allerdings gar nicht im SBG II. Obwohl die öffentliche Einrichtung gesetzlich verpflichtet ist, das SGB II anzuwenden, orientierte sie sich hier lieber am Privatrecht, dem Bürgerlichen Gesetzbuch – das passt hier aber überhaupt nicht. Denn hier stehen sich nicht zwei Privatpersonen gegenüber, sondern ein einzelner Bürger dem Staat, mit all seinen Sonderpflichten.


KOMMENTAR

Trotz und Utopie Von Bastian Pütter Schaut man pragmatisch darauf, ist ein Heft wie dieses eine schöne Sache: Das kleine Ruhrgebiets-Straßenmagazin zeigt stolz, Teil eines weltweiten Netzwerks zu sein und hat noch etwas davon: Synergien, vielleicht eingesparte Honorarkosten, ein bisschen zusätzliche Aufmerksamkeit im schwierigen Ferienmonat. Ja, alles richtig. Nun sind wir nicht die Besten darin, Dinge ausschließlich pragmatisch zu tun. Und so hat diese fröhliche „Sommer-bodo“ auch eine emotionale und eine politische Seite.

Was an diesem Heft politisch ist

Als ich vor acht Jahren das erste Mal bei einer Konferenz unseres Netzwerks in Glasgow war, war die Welt auch kein friedlicher Ort. Am letzten Tag des Summits verließen meine norwegischen KollegInnen bleich die Abschlussveranstaltung. Ein Rechtsterrorist hatte soeben in Oslo und auf der Insel Utoya 77 Menschen getötet. Was anders war: Niemand verteidigte öffentlich das Handeln faschistischer „Einzeltäter“. In Europa und den USA regierten fast ausschließlich DemokratInnen. Osteuropa und Ostdeutschland gehörten ideell zu Europa. Journalismus galt als vierte Gewalt. (Es war auch das Jahr des Arabischen Frühlings, dessen Versuch, Freiheit nach westlichem Vorbild zu erstreiten, in geradezu monströser Dimension scheiterte. Auch sonst war viel unserer heutigen politischen Wirklichkeit bereits in der Welt.) Mir erschien jedoch das utopische Moment in einer globalen Zusammenarbeit gegen Diskriminierung und die Folgen von Armut als ein ganz Gegenwärtiges. Natürlich entschied auch 2011 der Zufall Staatsbürgerschaft alles, aber die Vorstellung, dass Grenzen weiter an Bedeutung verlieren würden, war noch keine Spinnerei. Dass ausgerechnet die EU und Facebook daran Anteil hatten, klingt wie ausgedacht. Heute arbeiten KollegInnen auf dem Balkan oder in den USA und Mexiko auf je zwei Seiten von Zäunen und Mauern. Die so zerstörerische wie nutzlose Übergangsideologie Nationalismus ist als Farce in eine globalisierte Welt zurückgekehrt. In 10 Downing Street und im Weißen Haus regieren größte anzunehmende Unfälle und in allen europäischen Parlamenten sitzen Leute, die jede halbwegs vernünftig geführte Kneipe vor die Tür setzen würde. In unserem Netzwerk ist der Druck auf Mitgliedsorganisationen teils massiv gestiegen. Unsere schottische Zentrale versucht, sich auf das Brexit-Chaos vorzubereiten. Aber wir alle halten vielleicht etwas trotzig fest an der Utopie einer Welt ohne Mauern. Und eben auch mit diesem Heft.

Schließlich hat in dem Fall nun sogar das Bundessozialgericht (Az. B 14 AS 51/18 R) entscheiden müssen und dem Antragsteller Recht gegeben. Das Gericht wies ausdrücklich darauf hin, es komme darauf an, ob in dem betreffenden Monat überhaupt ein entsprechender Antrag in den Macht- oder Willensbereich des Jobcenters gelangt sei. Grundsätzlich war dies auch per E-Mail

DIE ZAHL

4,6 Millionen Menschen lasen im vergangenen Jahr soziale Straßenmagazine. In unserem Netzwerk INSP sind mehr als 100 Magazine aus 35 Ländern organisiert.

möglich, da das Jobcenter dafür einen Zugang eröffnet hat, der Leistungsanträge nicht ausschließt. Zwar ist zu beachten, dass die EMails an die Jobcenter nicht ewig aufbewahrt werden und dass es so zu Beweisproblemen kommen könnte. Allerdings wies auch hier das BSG daraufhin, dass das Jobcenter Anlass hatte, der Sache nachzugehen und sich pflichtwidrig verhalten hat.

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INTERVIEW

In ganz Europa seien die Probleme ähnlich, sagt Karin Zauner-Lohmeyer, die Sprecherin der europäischen Bürgerinitiative „Housing for all“: „Wohnen ist zu teuer, die Boden- und Immobilienpreise explodieren, es wird viel zu wenig in bezahlbares Wohnen investiert, und mit dem Recht auf Wohnen wird in einem unfassbaren Ausmaß spekuliert.“ Bis zum 18. März kommenden Jahres hat ihre Initiative Zeit, in mindestens sieben Mitgliedsländern mindestens eine Million Unterschriften zu sammeln. Von Jürgen Klute | Fotos: Reuters / Fabrizio Bensch, Sebastian Philipp

„Ein europaweites Problem braucht eine europaweite Antwort“ CH IC AG O

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08 | 19 Die besten Geschichten auf der Straße

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Die Hälfte für den Verkäufer

Mit bodo um die Welt:

A. Allen, 60, ist seit rund sieben Jahren StreetWise-Verkäufer. Er verkauft an einem Bahnhof, wo Wegbeschreibungen zu liefern und beim Bedienen der Fahrkartenautomaten zu helfen mit zum „Service“ gehört. Café-Tipp: Mein Lieblingslokal heißt Valois in der E 53rd Street. Die Preise sind gut und das Essen ist lecker. Obama hat ein Haus in der Nähe, hier geht er hin, wenn er in der Stadt ist. Wenn es gut genug für Obama ist, ist es auch gut genug für mich. Lieblingsplatz: Im Millennium Park gibt es im Sommer das BluesFestival, das Jazzfestival und jede Menge Outdoor-Unterhaltung, meist kostenlos. Museums-Tipp: Direkt gegenüber dem Millennium Park befindet sich die Bohne, eine Skulptur des britischen Künstlers Anish Kapoor. Ihr offizieller Name ist Cloud Gate, wir nennen sie einfach die Bohne. Geheimtipp: Wenn Sie noch nie in Evanston waren, ist das ein wirklich schöner Ort, den Sie besuchen sollten. Es ist wie ein Chicago in klein. Beste Reisezeit: Meine Lieblingszeiten des Jahres sind Frühling und Sommer. Der Winter ist schrecklich, manchmal sind es in Chicago bis zu 20 Grad unter Null.

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Obdachlos in der Sesamstraße Gemeingut in Gelderland

Dr. Sabrina Cohen-Hatton Seite 44

VON DRAUSS EN N NAC H OBE KARRIERE SABRINAS

Skippy auf dem Teller

Robert de Niro Seite 4

NUR MIT AUSWEIS

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bodo, Deutschland

Rechts: In vielen europäischen Großstädten organisieren MieterInnen Proteste gegen Wohnungsmangel und Spekulation wie hier im April auf der „Mietenwahnsinn“Demo in Berlin.


Frau Zauner-Lohmeyer, Sie sind Sprecherin der europäischen Bürgerinitiative „Housing for all“. Wie ist es zu dieser Initiative gekommen? Ich bin beruflich in den vergangenen Jahren in Europa viel herumgekommen. Ich habe auf Konferenzen und Tagungen mit vielen WohnbauExpertinnen und -experten, Kolleginnen und Kollegen aus anderen Städten gesprochen. Fakt ist: Überall gibt es ähnliche Probleme: Wohnen ist zu teuer, die Boden- und Immobilienpreise explodieren, es wird viel zu wenig in bezahlbares Wohnen investiert, und mit dem Recht auf Wohnen wird in einem unfassbaren Ausmaß spekuliert. Wohnen ist heute ein riesengroßes Geschäft, das für die Investoren, wie Pensionsfonds, Hedgefonds, Versicherungen etc. unfassbare Renditen abwirft. Übrig bleibt die arbeitende Bevölkerung. Immer mehr Menschen müssen die Städte verlassen und stun-

denlang pendeln. Viele verlieren ihre Wohnung. Die Obdachlosigkeit steigt in fast allen Mitgliedsstaaten rasant an! Vor diesem Hintergrund habe ich mit Freundinnen und Freunden beschlossen, dass wir dringend etwas gegen diese Entwicklung unternehmen müssen. Unsere Erkenntnis: Ein europaweites Problem braucht eine europaweite Antwort. So ist „Housing for all“ entstanden. Wer sind die Initiatoren? Eine europäische Bürgerinitiative muss laut den Vorschriften der EU-Kommission von einem so genannten Bürgerkommittee, das aus sieben Bürgerinnen und Bürgern aus sieben verschiedenen Mitgliedsstaaten bestehen muss, organisiert werden. Unser „Housing for all“Bürgerkommitee besteht aus Bürgerinnen und Bürgern aus Österreich, Spanien, Deutschland,

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REPORTAGE

Schweden, Kroatien, Portugal und Zypern. Ich bin die Sprecherin. Was ist das Ziel der Initiative? Wozu wollen Sie mit Ihrer Initiative die EU verpflichten? Wir wollen erreichen, dass die EU-Gesetzgeber die Fehlentwicklung auf den europäischen Wohnungsmärkten als gesamteuropäisches Problem ernst nehmen. Wir fordern sie auf, in ihrem Kompetenzbereich bessere gesetzliche Rahmenbedingungen für bezahlbares, öffentliches und soziales Wohnen zu schaffen, damit Regionen und Städte und Gemeinden wieder mehr in bezahlbares Wohnen investieren können. Sozialpolitik – und dazu gehört die Wohnbaupolitik – gehört zu den sogenannten geteilten Kompetenzen der EU-Politik, geteilt zwischen der EU und den EU-Mitgliedsländern. Welche Forderungen richten Sie konkret an die Kommission? Wohnen ist die Sache des Mitgliedsstaates und das ist sehr gut so, denn lokale Politikerinnen und Politiker kennen die Bedürfnisse ihrer Bürgerinnen und Bürger am allerbesten. Sie brauchen entsprechende rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen und Knowhow, damit sie die Wohnversorgung der Bevölkerung sicherstellen können.

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Seit Jahren behindern EU-Gesetze, wie Bestimmungen im Beihilfenrecht oder die Fiskalregeln, Städte und Gemeinden in ihrem Bestreben, in bezahlbaren, öffentlichen und sozialen Wohnbau zu investieren. Das muss sich ändern! In wievielen Ländern ist Ihre Initiative bereits präsent und aktiv, und wo suchen Sie noch AktivistInnen? Wir sind bereits in folgenden Ländern gestartet: Österreich, Spanien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, Ungarn, Portugal, Frankreich. In allen anderen EU-Mitgliedsländern suchen wir noch Partner-Organisationen. Mit welchen Organisationen kooperieren Sie und von welchen gesellschaftlichen Gruppen bzw. Organisationen oder von welchen bekannten oder politisch relevanten Persönlichkeiten erfahren Sie Unterstützung? Wir kooperieren mit Organisationen der Zivilgesellschaft, die – so wie wir – begeisterte Europäerinnen und Europäer sind, sich für ein soziales Europa einsetzen und unsere Werte teilen. Das sind vor allem Gewerkschaften, Mieterverbände, Menschenrechtsorganisationen, soziale und kirchliche Organisationen, die sich für die Interessen von obdachlosen Menschen, von Arbeiterinnen und Arbeiter, Studierenden, Pensionistinnen und Pensionisten, Frauen und Migrantinnen und Migranten einsetzen oder die Zwangsräumungen verhindern wollen. Wir werden aber auch von Städte-Netzwerken und von der UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Wohnen, Leilani Farha, unterstützt.


Karin Zauner-Lohmeyer ist Sprecherin der Europäischen Bürgerinitiative „Housing for all“. Ihr Ziel ist es, mindestens eine Million Unterschriften zu sammeln.

Die Wohnungsfrage beschäftigt viele Menschen derzeit in Deutschland, aber auch in anderen EULändern. Ihre Initiative arbeitet zum Großteil auf ehrenamtlicher Basis und verfügt auch nicht über ein großes Budget. Wie kann man „Housing for all“ unterstützen, wer darf seine Unterschrift abgeben? Das ist richtig. Wir haben ganz wenig Geld, keine Millionen Euro an Werbe- und Marketingbudget. Wir setzen auf die Solidarität mit unserer Aktion. Für die Koordination von „Housing for all“ haben wir in Österreich den Verein „Europeans for Affordable Housing“ eingerichtet. Dort sammeln wir Spenden für die Kampagne und koordinieren die Bewerbung. Die Petition selbst wurde in alle Amtssprachen übersetzt und kann online unter www.housingforall.eu und auf analogen Unterschriftenlisten, die bei allen Partnerorganisationen aufliegen, unterzeichnet werden.

Wenn Ihre Initiative Erfolg hat, wie sieht dann der weitere Prozess aus? Wenn unsere Initiative erfolgreich ist und über eine Million Menschen hinter unseren Anliegen stehen, werden sich dadurch das Problembewusstsein und der Diskurs über das Thema in Europa verändern. Rein formal betrachtet müssen sich in der Folge die VertreterInnen der EU-Kommission mit den Organisatoren treffen, die dabei die Forderungen erläutern. Die Kommission veröffentlicht in der Folge eine offizielle Antwort, in der sie darlegt, ob und welche Maßnahmen sie als Antwort auf die Bürgerinitiative vorschlägt, und in der sie die Gründe für ihre – möglicherweise auch negative – Entscheidung argumentiert. Die Organisatoren können auch bei einer öffentlichen Anhörung im EU-Parlament ihre Forderungen präsentieren. Der Text erschien zuerst auf der journalistischen Online-Plattform europa.blog

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Unsere monatliche Exkursion in die urbane Welt der wilden Kräuter. Mit nützlichen Informationen, pointierten Fußnoten, vielen Geschichten – und immer einem originellen Rezept. Von Wolfgang Kienast

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ur wer gießt, sieht, dass es sprießt. Mag sein, dass der diesjährige Sommer nicht knochentrocken wird wie der vergangene, dennoch konnte man bereits zu dessen Beginn bei vielen Pflanzen schlappe Blättchen sehen. Gärtner mit dem Wunsch, dass es in ihren Beeten grüne, blühe und gedeihe – und wer aus dieser Szene würde es von sich weisen wollen –, müssen mithin kräftig wässern. REZEPT 200 g noch grüne BrennnesselBlütenstände waschen, gut abtropfen und bei schwacher Hitze etwa 45 Minuten im Backofen auf einem Blech ausgebreitet trocknen lassen. Anschließend lassen sich die grünen Nüsschen recht gut vom Pflanzenmaterial trennen. Die Nüsschen mit frisch gemahlenem schwarzem Pfeffer mischen. Zwei küchenfertige Forellen in der Bauchhöhle salzen und mit je 1 Handvoll junger Beinwellblätter füllen. Die Forellen in der BrennnesselPfeffer-Mischung wenden und in Öl, je nach Größe, auf jeder Seite bis zu 10 Minuten backen.

Schon im April warnte der Deutsche Wetterdienst vor der Möglichkeit (nebst den zu erwartenden Konsequenzen) eines erneuten Dürresommers, welcher gravierende Folgen auch für die Landwirtschaft hätte. Mithin kein Wunder, dass das Thema Klimawandel bei der Europawahl Ende Mai von (mit-)entscheidender Bedeutung war. Leider ebenfalls kein Wunder, dass maßgebliche Kandidaten aus dem konservativ-wirtschaftsnahen Lager für eine andere Richtung standen. Die CSU schickte Manfred Weber ins Rennen, dessen energiepolitischer Kurs getrost als irrlichternd bezeichnet werden darf, die FDP Nicola Beer, ihrer klimaskeptischen Äußerungen wegen selbst in eigenen Parteikreisen in Ungnade gefallen. Dabei ist Klima doch eine Sache für Profis. Randnotiz: Sie erinnern sich gewiss an den führenden Liberalen, der sich angesichts freitagsstreikender Schüler blamierte. Also nach Brüssel schieben, was im Bund kaum haltbar ist? Obwohl die Wahl im Mai gezeigt hat, dass „Europa“ bei den Urnengängern angekommen ist, scheint das noch immer ein Weg zu sein. Anders lässt sich ja das Geschacher um die Nominierung Ursula von der Leyens als EUKommissionspräsidentin nicht erklären. Da sollte doch bald ein klitzekleines Pöstchen auch für Julia Klöckner drinne sein. Und präsentierte sich die karnevalaffine Agrar- und Ernährungsministerin nicht schon während der

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Fastnachtssession 2018 im euroblauen Kostüm mit goldenen Sternen und bunten Flaggen? Andererseits würde sie als Pressesprecherin bei Nestlé wohl keinen schlechten Job abliefern. Sie hat‘s nämlich, wie man so sagt, mit der Wirtschaftslobby. Unter ihrer Ägide wurden im Frühjahr achtzehn neue Pflanzenschutzmittel zugelassen, darunter eins mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat. Pflanzenschutz, das möchte ich betonen, meint an dieser Stelle nicht das Gießen. Deutlich robuster als viele Zier- und Nutzpflänzchen sind die wilden Kräuter. Die sind einfach da, auch ohne wässernde Gärtner. Brennnessel und Beinwell zum Beispiel. Die vergehen nicht, aber sie schmecken. Beinwell (Symphytum) Beinwell enthält unter anderem Pyrrolizidinalkaloide, die in hohen Mengen und auf Dauer konsumiert die Leber schädigen können. Vorsicht ist also geboten; der gelegentliche Genuss kleinerer Mengen gilt jedoch in Fachkreisen als unbedenklich. Brennnessel (Urtica) Als Frühjahrsgemüse werden die jungen Brennnesseltriebe wegen ihres hohen Gehalts an Flavonoiden, Magnesium, Kalzium und Silizium, Vitamin A und C (ca. doppelt so viel Vitamin C wie Orangen), Eisen, aber auch wegen ihres hohen Eiweißgehalts geschätzt.


WISSENSCHAFT

Eine gefrorene Arche Professor Mike Bruford von der Cardiff University ist Leiter des „Frozen Ark“-Projekts, das darauf abzielt, die DNA und lebensfähige Zellen vom Aussterben bedrohter Arten zu retten. Von Steven MacKenzie Fotos: Shutterstock.com, Cardiff University

The Big Issue, Großbritannien

Professor Bruford, würde Noah es heute so machen wie sie? Es gibt keinen Ersatz für lebende Tiere, aber die Idee der Bibel, von allen Tieren je ein Paar zu retten, ist natürlich problematisch. Nur zwei Individuen sind nicht annähernd genug, in Wirklichkeit müssen wir für jede Art so viel genetische Vielfalt wie möglich erhalten. Wenn Ihre Arche kein Schiff ist, was ist sie dann? Die „Frozen Ark“ ist ein Netzwerk von Standorten, an denen wir Gefrierschränke haben, die Proben sehr lange auf bewahren können. Wenn die Gefrierschränke ausfallen oder es an einer Stelle zu einem Stromausfall kommt, haben wir tragfähige Backups an einer anderen Stelle. Konzentriert sich die gefrorene Arche auf gefährdete Tiere? Ja, wir halten nur genetisches Material von gefährdeten Arten vor. Normalerweise sind ein paar Mikrogramm (ein Millionstel Gramm) DNA genug. Unsere Bestände reichen von kleinen Baumschnecken aus dem Pazifik bis hin zu Schneeleoparden, Elefanten und Antilopen. Aber es gibt auch andere Archen (z.B. eine für europäische Zoos), die Proben für häufigere Arten haben, denn selbst die sind im Rückgang begriffen. Tiere, die heute noch weit verbreitet sind, können morgen gefährdet sein. Gibt es auf ihrer Arche auch bereits ausgestorbene Arten? Ja, leider schon. Traurigerweise sind viele Tierpopulationen, die ich in den vergangenen 30 Jahren selbst untersucht habe, bereits ausgestorben. Zum Beispiel haben wir genetische Proben des westlichen Spitzmaul-

nashorns, das in Kamerun lebte und 2010 für ausgestorben erklärt wurde. Warum ist die gefrorene Arche wichtig? Ohne unsere Arbeit fehlt Arten die genetische Vielfalt, die sie brauchen, um den Klimawandel, die Fragmentierung der Lebensräume und die Umweltzerstörung, die der Mensch auf dem Planeten verursacht, zu überleben. Genetische Vielfalt ist eine Voraussetzung für die Evolution. Evolution ist die Art und Weise, in der sich Individuen und Populationen veränderten Lebensbedingungen anpassen. Es geht also weniger um die Wiederbelebung ausgestorbener Tiere als vielmehr um die Erhaltung der genetischen Vielfalt der noch lebenden? Wir bewahren die DNA für die ferne Zukunft, und es ist unmöglich vorherzusagen, was der technologische Fortschritt in den nächsten 100 Jahren bringen wird. Eine Möglichkeit besteht darin, Sperma von Tieren, die vor Jahrzehnten gestorben sind, zu verwenden, um heute geschützten Arten „neues“ genetisches Material hinzuzufügen. Wie können wir sicherstellen, dass wir die Lehren aus dem Jurassic Park gezogen haben? Wissenschaftler werden immer Grenzen überschreiten – das ist es, was wir tun. Andererseits: Wir haben nicht die Technologie, um einen Dinosaurier nachzubauen, und selbst wenn, wäre er wie aus dem Zusammenhang gerissen, weil sich die Welt radikal verändert hat, seit sich sein Genom entwickelt hat. Er wüsste nicht, wie er sich verhalten soll und wäre anfällig für alle Krankheiten auf dem Planeten, die sich seit seinem Aussterben entwickelt haben.

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Kalender 08 & 09 | 2019

2 x 2 Karten | Johnny Armstrong | Seite 28 2 x 2 Karten | Mariama | Seite 28 2 x 2 Karten | Cityring-Konzerte: Von Star Wars bodo bis E.T. – Die Musik von John Williams | Seite 29 Verlosungen 1 x 2 Karten | Axel, der Held | Seite 29 – mitmachen

und gewinnen

Die Verlosungsteilnahme ist ganz einfach: Schicken Sie Ihren Wunschgewinn mit Name, Telefon, Adresse und dem Betreff „Verlosung“ an redaktion@bodoev.de oder auf frankierter Postkarte an bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund. Teilnahmeschluss ist jeweils drei Tage vor der Veranstaltung. Bei mehreren Teilnehmern entscheidet das Los. Die Teilnahme ist ab 18 Jahren möglich.

Hinweise zum Datenschutz: Eine Weitergabe der Daten an Dritte erfolgt grundsätzlich nicht, mit Ausnahme an den jeweiligen Veranstalter (zum Beispiel, um Ihren Namen auf die Gästeliste zu setzen). Sie erhalten ca. einmal jährlich postalisch Informationen zu den Aktivitäten unseres Vereins. Dem Erhalt können Sie jederzeit widersprechen. Eine weitergehende Datenverarbeitung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Weitere Hinweise zum Datenschutz entnehmen Sie unserer Homepage unter www.bodoev.de.

DO 01 | 08 | 19 Ausstellung | Gestrandete Erinnerungen Gegenwärtig sind über 69 Millionen Menschen auf der Flucht. „Gestrandete Erinnerungen“ ist ein Spielraum, in dem Fluchtgeschichten aus einer anderen Perspektive erzählt werden. An fünf Stationen versuchen die BesucherInnen die Spuren von 15 Fluchtbiografien aus drei Jahrhunderten zu retten. Für Kinder und Jugendliche von 12 bis 16 Jahren. Bis 15.11, Infos: www.mondomio.de Kindermuseum mondo mio!, Dortmund Ausstellung | ÜberLebensmittel In der Wechselausstellung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt dreht sich alles um

Lebensmittelproduktion, Ernährung und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft. 16 interaktive Exponate ermöglichen einen Blick hinter die Kulissen der Lebensmittelproduktion: BesucherInnen können in deutsche Hühnerställe schauen, ihre eigene Wiese bewirtschaften und mehr über nachhaltiges Handeln in der Landwirtschaft erfahren. Bis 8.9., Infos: www.dasa-dortmund.de DASA, Dortmund

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23. – 25.08. 2019 Friedensplatz Dortmund

Essen & Trinken | Bochum kulinarisch „Bochum kulinarisch“ feiert in diesem Jahr den 30. Geburtstag. 16 Restaurants aus Bochum, Hattingen und Witten werden ihre kulinarischen Köstlichkeiten in der Bochumer Innenstadt anbieten. Mit dabei sind: An de Krüpe, Borgböhmer’s „Waldesruh“, Diergardts „Kühler Grund“, Franz Ferdinand, Gasthaus Weiß, Haus Kemnade, Hoppe’s sinn.esslust, Kümmel Kopp, Livingroom, Meistertrunk, Pablo, Strätlingshof, Takeshi, Tucholsky, Vitrine und das Waldhaus. Boulevard, Bochum

SA 10 | 08 | 19 Kabarett | Pottsäue Wir werden immer dicker und überall wird das hohe Lied der Fettverbrennung gesungen. Witta und Betti (Lioba Albus und Andrea Badey) werfen sich in ihrem Grillstudio „Mayo and More“ dem Trend entgegen und schmeißen mit Frikadellen, Lebensweisheiten und Pointen nur so um sich. Cabaret Queue, Dortmund, 19.30 Uhr


KAZ Open Air

24. August Hibernia-Skatepark Koniner Straße, Herne

Wenn Herne anruft, haben Bands wie Egotronic, Love A oder Ira Atari Zeit. Das Kulturell-Alternative Zentrum Herne hat es geschafft, das KAZ Open Air in zwölf Jahren vom Provisorium zum namhaften Festival zu bringen. Mit dem Anspruch gestartet, musikalische und politische Ansprüche wieder mit dem Rollbrettsport zu verbinden, ist das Herner Open Air heute weit über das Ruhrgebiet hinaus bekannt. Das gesamte Programm wird ehrenamtlich organisiert und ist kostenlos. In diesem Jahr deckt das Programm von Alternative Rock bis Ska-Punk wieder so einiges ab: „Idols of the Cave“ aus Herne, „Whatever“ aus Köln, „F*cking Angry“ aus Bonn, „Graue Zellen“ aus Rendsburg/Hamburg, „Vitamin X“ aus Amsterdam, „Hammerhai“ aus Hannover (Foto) und „The Movement“ aus Kopenhagen gestalten das Programm. Es gibt eine eigene HipHopCorner, und schon am Vormittag startet der KAZ-Skatecontest. Und wer sich selbst im KAZ einbringen will, ist herzlich willkommen. www.kaz-herne.de

MO 12 | 08 | 19 Kabarett | RuhrHOCHdeutsch: Fischer & Jung Was macht man mit Mitte 40, in der Mitte des Lebens? Zu jung für die Midlife-Crisis, zu alt für eine YouTube-Karriere. Lade ich die Praktikantin zum Essen ein oder meine Frau? Geh ich fett essen oder lass ich Fett absaugen? Werde ich Frührentner oder entwickle ich noch mal ‘ne App? Porsche oder Pokémon go? Zenkloster oder Swingerclub? Oder geh ich einfach ins Nonnenkloster – vielleicht geht da ja beides? Spiegelzelt Am Steinernen Turm, DO, 20 Uhr

DO 15 | 08 | 19 Musik | Sommer am U: Jason Pollux Die starke soulige Stimme und der glockige, verruchte Klang des Pianos treffen auf elektronische Klänge und Beats. Sehnsucht und Melancholie kleiden die eigenwillige, aber eingängige Definition von Popmusik. Jason Pollux vereint Stimme und den Klang eines alten Rhodes mit der Welt analoger Synthesizer und gesampleter Geräusche. Ganz ohne Laptop. Dortmunder U, Dortmund, 18 – 22 Uhr

FR 16 | 08 | 19 Musik | Paul Weber & Frère Schön früh kam Paul Weber mit Musik und Instrumenten in Berührung. Neben klassischem Gesangsunterricht lernte er Gitarre, Klavier und Cello. 2018 erschien seine erste deutschsprachige Single „Sag mir was du brauchst“. Frère begann zwischen U-BahnStationen und schalem Bier seinen Alltag musikalisch niederzuschreiben. Sein eins-

tiges Songwriter-Projekt ist mittlerweile zu einer elektronischen Post-Folk-Symbiose in Form einer vierköpfigen Band gewachsen. Im Biergarten der Freilichtbühne wird Frère seine Songs solo zum Besten geben. Eintritt frei. Biergarten / Freilichtbühne Wattenscheid, Bochum, 20 Uhr

SA 17 | 08 | 19 Musik | Summersounds DJ Picknick Bereits im elften Jahr ziehen die Summersounds DJ Picknicks durch die Parks und Grünanlagen der Stadt und sorgen für Urlaubsstimmung direkt vor der Haustür. Für die perfekte Festival-Atmosphäre in den urbanen Grünoasen sorgen wechselnde Funsport-Aktionen, mehrere Foodtrucks und über 100 Liegestühle, die für die Picknicker bereitstehen. Am 17.8. sind DJ Supermarkt, Hade & Disco Colada mit dabei. Eintritt frei. Wiese a. d. Westfalenhallen, DO, 14 – 22 Uhr

SO 18 | 08 | 19 Musik | The Neckbellies Ihre handgemachte akustische Musik ist geprägt von Eddie Arndts rauem, kraftvollem Gesang und dem volltönenden Fundament seines Gitarrenspiels sowie Thomas Heckings lebendigem Akkordeonspiel, das durch Irish Folk und Cajun-Musik inspiriert ist – typisch irische Jigs und Reels, Stücke aus dem Bereich der keltischen Musik sowie Songs aus dem Rock und Popbereich. Eintritt frei. Biergarten / Freilichtbühne Wattenscheid, Bochum, 11 Uhr

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bodo verlost 2x2 Karten

Flohmarkt *

Musik・Kinderprogramm・Essen & Trinken

Sonntag, 8. September 2019, 11–16Uhr

Informationen im Union Gewerbehof und im Hofcafe Huckarder Straße 10 -12, 44147 Dortmund *Anmeldung bis zum 30. August unter flohmarkt@union-gewerbehof.de

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KALENDER

DO 22 | 08 | 19

SA 24 | 08 | 19

FR 23 | 08 | 19

Musik | Sommer am U: Die Freedes Am 22.8. laden Die Freedes im Rahmen der Reihe „Sommer am U“ herzlich ein, gemeinsam zur musikalischen Mischung aus Funk, Kraut & Rock in den Farben psyfry bis mellowdrift und im Ambiente aus Sommer, Sonne, Stein & mehr den donnerstäglichen Dortmundabend maximal spielerisch fühlen und begreifen zu lernen. Dortmunder U, Dortmund, 18 – 22 Uhr Offenes Treffen | Seebrücke Dortmund Wie auch in vielen anderen Städten, trifft sich in Dortmund regelmäßig eine lokale Gruppe der Seebrücke. Das europaweite Bündnis setzt sich für sichere Fluchtwege nach Europa sowie gegen das Sterben auf dem Mittelmeer ein und kämpft für eine menschliche Migrationspolitik. Die Stadt Dortmund hat sich auf Druck der lokalen Seebrücke Ende Mai zum sicheren Hafen erklärt und somit das Ziel beansprucht, eine humane Geflüchtetenpolitik in Dortmund zu realisieren. Die nächsten Aktionen stecken schon in der Startlöchern und warten auf Unterstützung. Haus der Vielfalt, Dortmund, 18 Uhr

Kabarett | Duo Diagonal – „Branka & Roger“ Slawische Seele trifft auf deutschen Humor. Branka, draufgängerischer Charmebolzen, wirft mit ihrer unausweichlichen Art Klischees über den Haufen und bleibt dabei ihrem Motto treu: „Egal was Leben bringt – trink!“ Roger, Entertainer mit einem Charisma irgendwo zwischen Gebrauchtwagenhändler und Goofy, will mit Branka den internationalen Durchbruch erreichen. Zauberkasten, Bochum, 20 Uhr

FR 23 | 08 – SO 25 | 08 | 19 Festival | Mikro!Festival Das Kulturfestival mit der heiteren Atmosphäre einer mediterranen Piazza verbindet ein anspruchsvolles Programm mit dem Charakter eines Stadtfestes. Es präsentiert faszinierende Einblicke in fremde Länder und Kulturen. Mit dabei sind u. a. Il Civetto, Iva Nova, Sitting Duck, Soweto Soul, Alarm Theater, Lauschelieder, die Kinderkulturkarawane, Flo Cangiano. www.dortmund.de Friedensplatz, Dortmund, Fr. und Sa. ab 17 Uhr, So. ab 16 Uhr

Markt | Flowmarkt Der Flowmarkt mit ausgesuchten Designerstücken, Second-Hand- und Vintageschätzen, subkulturellen und popkulturellen Trödelstücken, Handgemachtem und Upcycling-Sachen von Kleidung über Kunst und Einrichtung bis hin zu Schnickschnack kommt in seiner Sommerausgabe nach Bochum. In und um die Rotunde gibt es wieder viel Schönes, Individuelles, Edles und Abgefahrenes zu entdecken. Rotunde, Bochum, 11 – 18 Uhr Theater | 1984 Winston Smith arbeitet für die Victory Corporation, ein visionäres Technologieunternehmen. Das Unternehmen hat eine Welt erschaffen, in der es keine Geheimnisse mehr gibt und jedes Verbrechen aufgedeckt wird. Der Community steht Winston insgeheim ablehnend gegenüber, er sucht nach einem Weg, ihr zu entfliehen. Ein Tagebuch wird zum Spiegel seiner Seele, bis er Julia trifft. Gemeinsam schließen sie sich einer Untergrundbewegung an, die der Diktatur der Victory Corporation den Kampf angesagt hat. Rottstr5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr

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Urbane Künste Ruhr

Tony Cokes 23.8.— 29.9. Mixing Plant Pop Music is a social praxis

19

Mischanlage Kokerei Zollverein Ausstellungseröffnung 22.8.2019, 17 Uhr

Offnungszeiten Di–So 12–20 Uhr

Eintritt frei

www.urbanekuensteruhr.de Eine Produktion von Urbane Künste Ruhr für

Gestaltung: Lamm & Kirch

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Gesellschafter und öffentliche Förderer


BODO-TIPP

100 Jahre Menschlichkeit AWO Jubiläumsfest 30. August bis 1. September Dortmund, Innenstadt

Ein ganzes Jahrhundert hat die Arbeiterwohlfahrt in diesem Jahr auf dem Buckel. In Berlin wird im Dezember groß gefeiert, Dortmund, Teil des größten Regionalverbandes und selbsternannte „heimliche AWO-Hauptstadt“, lädt am letzten Augustwochenende zum großen Innenstadtfest für FreundInnen, Verbundene und alle Interessierten. Rund um Reinoldikirche, Alter Markt, Kamp- und Kleppingstraße gibt es Bühnenprogramm und Kinderspaß, von der Kleppingstraße bis zum Katharinenplatz werden mehr als 100 Vereine und Organisationen, die die AWO als Kooperationspartner begleiten, sich und ihre Arbeit vorstellen. Auf der Abendbühne auf dem Friedensplatz geben sich am Freitag und Samstag außerdem lokale Größen und alte Bekannte die Ehre: die „Komm Mit Mann!s“ (Foto), das „Geierabend“Ensemble und Konstantin Wecker kommen zum Jubiläum. Am Sonntag laden „Radau!“ und „Randale“ zum großen Familien-Rockkonzert. www.100-jahre-awo.de

FR 30 | 08 | 19 Theater | Patchwork 7.0 „Von der Macht und Ohnmacht des Augenblicks und den Sehnsüchten des Lebens.“ Ein Schauspielabend mit Monologen und Dialogen aus Klassik, Moderne und Gegenwart. Es spielt das Ensemble des Theater-AtelierWitten unter der künstlerischen Leitung von Christopher Hustert. Werkstadt, Witten, 19 Uhr

Kleinkunst | Matthias Rauch – „Neues aus der Raucherzone“ Zauberkünstler Matthias Rauch – Deutscher Meister der Zauberkunst – präsentiert eine außergewöhnliche Mischung aus Zauberkunst und Komik. Er lässt Tische fliegen, zaubert Geld aus dem Nichts herbei, und seine Comedy-Acts strapazieren die Bauchmuskeln. Eine Zaubershow mit Magie, Parodie, Musik, Wortwitz und erfrischender Unterhaltung. Zauberkasten, Bochum, 20 Uhr

Party | 10 Jahre „Sommer – La Boum“ Anno 2009, in einem wirklich sehr heißen Sommer, hatten Timmi & Martini die eher verrückte Idee, zu einer zusätzlichen Party in den wirklich sehr heißen Keller unterm Sissikingkong zu laden. Das wurde begeistert angenommen – und das liegt jetzt tatsächlich auch schon 10 Jahre zurück. Es gilt also, ein kleines Jubiläum zu feiern. Musikalisch mündet natürlich auch die Sommer – La Boum in einen fulminaten Retro-Rausch. Mit ein paar sommerlichen Einflüssen, versteht sich. Sissikingkong, Dortmund, 22 Uhr Party | Nice Up – Special! Neben dem Blockbuster Soundsystem und WickedMarcus legt Mr. Märis aus Wuppertal auf. Der gebürtige Remscheider steht seit über einer Dekade hinter den Decks und konnte sich als DJ in zahlreichen Clubs sowie bei namhaften Festivals sowohl in Deutschland als auch im Ausland beweisen. Mit seinem abwechslungsreichen Mix aus ReggaeKlassikern, Modern-Roots-Tunes, aktuellen Dancehall-Hits und Soca kommen LiebhaberInnen der jamaikanischen Musik, aber auch Reggae-Neulinge voll auf ihre Kosten. Großmarktschänke, Dortmund, 23 Uhr Anzeige

30.08.19

Theater | WortSinnWeisen Europa, die gealterte Schönheit, trifft auf das Ehepaar Paula und Ferdinand in der Schweiz, den ehemaligen Soldaten Charles in einem südfranzösischen Hafenstädtchen, Herrmann, der die unberührten Wälder Skandinaviens liebt, den deutschen Soldaten Wilhelm irgendwo in Russland, den Dichter Viktor in Paris sowie den Syrer Issam, jetzt neu in Deutschland... Eintritt frei, eine Spende für die Medizinische Flüchtlingshilfe Bochum wird erbeten. Bahnhof Langendreer, Bochum, 19.30 Uhr

Markt | YO! – Der Hip Hop Flohmarkt From Old School to New School: Für junge und junggebliebene Fans der Hip Hop-Szene wird mit „YO! Der Hip Hop Flohmarkt“ die Rotunde zum wahren Eldorado für Sneakers, Hoodies, Jerseys, Collegejacken, Platten, CDs und viele Hip Hop-Schätze. Rare und seltene Accessoires werden die BesitzerInnen genauso wechseln wie Klassiker und neue Ware. Rotunde, Bochum, 12 – 19 Uhr

06.09.19

Musik | Johanna Klein Quartett Die vier Mitglieder des 2017 gegründeten Quartetts um die Bandleaderin Johanna Klein haben sich im Studium an der Musikhochschule für Musik und Tanz Köln zusammengefunden. In den Eigenkompositionen werden Modern Jazz und Avantgarde sensibel kombiniert und verschmolzen mit sphärischen, polyrhythmischen und barocken Elementen. Eine kosmische Flaschenpost, die die Erdatmosphäre durchbricht und hinaus in den interstellaren Raum schwebt. domicil, Dortmund, 20 Uhr

Kindertheater | Der Fischer und seine Frau / Allerleirauh Zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein können: Die eine, die alles will und dadurch alles verliert, die andere, die alles gibt und ihren Prinzen gewinnt. Zwei große Märchen auf kleiner Bühne gespielt. Mit feinen Holzfiguren und wenigen Requisiten erzählt der Kunstfänger die Märchen „Der Fischer und seine Frau“ und „Allerleirauh“. Für Kinder ab sechs Jahren. Theater der Gezeiten, Bochum, 16 Uhr (auch 1.9.)

27.09.19

SA 31 | 08 | 19

TALK IM DKH mit Armin Nassehi CHARANGO meets KANUN Ausstellung | Live-Konzert | Festival und Tanz

21.09.19 Rumänischer Kulturabend Nacht der 1000 Tänzerinnen

Leopoldstr. 50-58 · 44147 Dortmund Tel. 0231 50-25145 · Fax 0231 50-26019 facebook.com/DietrichKeuningHaus

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KALENDER Schwerte ist irgendwie immer die kleine Schwester von Dortmund, doch in Sachen Kleinkunst hat es einen Spitzenruf. Vor 30 Jahren begonnen, steht das Welttheater der Straße heute für Straßentheater erster Klasse und ist mit bis zu 20.000 BesucherInnen eines der größten Spartenfestivals bundesweit.

SO 01 | 09 | 19 Lesung | Emmi und Einschwein: Im Herzen ein Held Astrid Freudenberger von „Mentor – die Leselernhelfer e.V.“ liest die Geschichte über einen magischen Tausch, über Freundschaft und wahre Helden. Neben Emmi und Einschwein sind auch eine Flussjungfrau und ein Spuckewurm mit dabei. Kindermuseum mondo mio!, DO, 15 Uhr

Welttheater der Straße

30. und 31. August Schwerte

DO 05 | 09 | 19 Vortrag | Jonas Staal – „Von der Alt-Right zur populären Propagandakunst“ Anhand konkreter Fallstudien aus dem Bereich der zeitgenössischen Kunst zeichnet der Künstler und Propagandaforscher Jonas Staal die Rolle von Propagandakunst bei der Gestaltung unserer heutigen Welt nach – vom „Krieg gegen den Terror“ bis hin zum Aufstieg der Alt-Right. Doch jenseits dieser negativen Beispiele gibt es laut Staal Formen progressiver und „populärer“ Propagandakunst, die sich in sozialen Bewegungen und neuen Praktiken der radikalen Demokratie äußern. Kino im U, Dortmund, 18 – 19.30 Uhr Anzeige

# RETHINKING Erste Dortmunder Nachhaltigkeitskonferenz DO 26.9.2019 9:30 – 17:00 Uhr Kulturort Depot

Anmeldung und weitere Infos unter www.trashup-dortmund.de

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Mehr als 23 Acts tummeln sich am letzten Augustwochenende in Schwerte – in der Fußgängerzone und auf der Ruhrstraße, am Kleinen Markt und am Wuckenhof, und das bei freiem Eintritt. Da sind die israelischen Zirkusartisten Noa und Uri Weiss, die als Duo „Kaborka“ mit artistischem Slapstick-ComedyTheater verzaubern, oder die Pianisten Stenzel & Kivits (Foto) aus den Niederlanden, die es schaffen, ein „unmögliches Konzert“ zu spielen. Oder Ulik Robotic aus Deutschland, artistisches Theater der neuen Generation, das die Mensch-Maschine-Interaktion in ihren Vorstellungen ganz wörtlich nimmt. www.welttheater-der-strasse.de

VERLOSUNG Johnny Armstrong Im zweiten Solo des Comedy-Hooligans bietet Johnny Armstrong eine komplett neue Show in englischer Comedy-Manier – nur eben auf Deutsch. Johnny zielt mit schwarzem Humor auf das Trauma des Lebens und lindert den Schmerz durch gemeinsames Lachen. Ein Manifest der Zusammenhanglosigkeit prall gefüllt mit kurzweiligen Geschichten, mariniert in Selbstironie und gewürzt mit Wortwitz. Wer einen roten Faden braucht, bedient sich einfach an Johnnys Barthaaren. Werkstadt, Witten, 20 Uhr

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FR 06 | 09 – SO 08 | 09 | 19 Musik | 13. Bochumer Musiksommer Mit vielen Überraschungen präsentiert sich im September der 13. Bochumer Musiksommer zusammen mit dem Winzerfest in der Bochumer City. Vom 6.9 bis 8.9. treten viele ausgesuchte KünstlerInnen auf. Getreu dem Motto „ein Fest von vielen für alle“ werden wieder Bochumer KünstlerInnen und Musikgruppen in die Veranstaltung integriert. Mit dabei sind u.a. Mike Litt, ATB, Anna Loos, Jeangu Macrooy, Macondito, The Bland. bochumer-musiksommer.de, Eintritt frei Innenstadt, Bochum

FR 06 | 09 | 19 Musik | Cityring-Konzerte: „Un bel di vedremo – der Abend der großen Stimmen“ Das Konzertwochenende auf dem Dortmunder Friedensplatz beginnt am Freitag mit der

Operngala „Un bel di vedremo – der Abend der großen Stimmen“. Die Solisten der Oper Dortmund und der Dortmunder Opernchor werden große Meisterwerke und berühmte Arien zu Gehör bringen, begleitet von den Dortmunder Philharmonikern unter der Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz. Friedensplatz, Dortmund, 19.30 Uhr

VERLOSUNG Mariama Nachdem sie mit ihrem ersten Album „The Easy Way Out“ um den Globus gereist ist, präsentiert Mariama ihre neuesten Aufnahmen auf „Love, Sweat & Tears“, ein Werk mit vierzehn Facetten, die in verschiedenste Richtungen reflektieren. Begleitet von ihrer Pariser Band trägt Mariama auf ihrer Reise einen Hauch Folk in ihrem Herzen, lässt Basslines mit Fender Rhodes und einer Vielzahl von Synthesizern verschmelzen. Von sanfter Melancholie über Einladungen auf die Tanzfläche bis hin zu Liebeserklärungen an die westafrikanischen Klänge, die ihre Kindheit in Deutschland prägten. Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

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SA 07 | 09 | 19 Mischmasch | Kostümverkauf: Dandies, Ladies, Kuschelmonster Im Foyer des Opernhauses (Platz der Alten Synagoge) werden unter dem Motto „Dandies, Ladies, Kuschelmonster“ Kostümteile, Hüte, Schuhe und weitere Versatzstücke aus allen Sparten des Hauses angeboten. Unter den angebotenen Stücken gibt es vie-


KINO-TIPP

le tragbare Unikate, wie Jacketts und Kleider, aber auch Ausgefallenes für die nächste Karnevals- oder Mottoparty. Opernhaus, DO, 10 – 17 Uhr (auch 8.9.) Tanzdemo | Träume unter Asphalt Das Ruhrgebiet hat dank Strukturwandel, Brachen und Leerständen einiges an Potenzial für das, was sich „Recht auf Stadt“ nennt: die Gestaltung der Stadt „von unten“, durch die, die drin wohnen. Regionale Initiativen tragen unter dem Motto „Träume unter Asphalt – Stadt selber machen“ ihre Forderungen tanzend auf die Straße. Katharinentreppen, Dortmund, 17 Uhr Mischmasch | ArtSpace – URBANATIX-Show URBANATIX ist als große Attraktion und als Publikumsmagnet weit über Bochum hinaus bekannt geworden. Akrobaten und StreetArtisten finden in den Shows eine passende Kulisse. In der Reihe ArtSpace können die BesucherInnen durch die Projektion von animierten Sequenzen des Fotokünstlers Heinrich Brinkmöller-Becker auf der Kuppel des Planetariums die URBANATIX-Show „Road Trip“ in besonderer Weise nacherleben. Planetarium, Bochum, 21 Uhr

SO 08 | 09 | 19 Familie | Familiensonntag „Umsonst & Draußen“ Nach der Sommerpause kehrt der Familiensonntag in der Werkstadt Witten mit einer Outdoor-Spezialausgabe zurück. Verschiedene Spiele- und Mitmachaktionen, darunter zwei Hüpfburgen, Kinderschminken, Basteln, Torwandschießen sowie Wasserspiele,

laden zum Austoben ein. Wer es relaxter mag, geht einfach ins Strandparadies. Werkstadt, Witten, 14 – 18 Uhr Sommerfest | Sommerfest & Flohmarkt Am 8. September wird auf dem Gelände des Union Gewerbehofes das 8. Sommerfest gefeiert. Rund um den Flohmarkt werden ein Kinderprogramm und Führungen durch den Union Gewerbehof und die Umgebung angeboten. Für Essen und Trinken sorgen das Hofcafè, ein Grillstand, ein Bierstand mit selbstgebrautem Bier. „Hitzefrei“ bietet im Eingangsbereich besondere Eissorten an. Darüber hinaus können verschiedene selbstgezüchtete Pilzsorten probiert werden. Union Gewerbehof, Dortmund, 11 – 16 Uhr

VERLOSUNG Cityring-Konzerte: Von Star Wars bis E.T. – Die Musik von John Williams Am Sonntagabend bringen die Dortmunder Philharmoniker den Glanz Hollywoods auf die Bühne. Bei der Filmmusikgala dreht sich alles um die Stücke des US-amerikanischen Komponisten, Dirigenten und Film- sowie Orchestermusik-Produzenten John Williams. Die Musik des fünffachen Oscar-Gewinners wird den Gästen viele Lieblingsszenen und Figuren aus Filmen wie Jurassic Park, Harry Potter, Schindlers Liste oder Indiana Jones ins Gedächtnis rufen. www.cityringkonzerte.de Friedensplatz, Dortmund, 19 Uhr

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Anzeige Musikförderung

Kunstförderung

Wissenschaft

Denkmalschutz

Jugendsport

Soziales & Bildung

Werner Richard - Dr. Carl Dörken Stiftung Herdecke

02.08. - 25.08.2019 | LICHTECHT | Thematische Ausstellung | Aquarell-Malerei Eine Ausstellung von Künstlerinnen und Künstlern aus Litauen und Mitgliedern des Westdeutschen Künstlerbundes Dovydas Alčauskis Voldemaras Barakauskas Irene Breiveinė Salomėja Jastrumskytė Eugenijus Nalivaika Nikola Hamacher Ines Hock Jaimun Kim Mi-Kyung Lee Edith Oellers Willi Otremba Eglė Petrošiũtė Thomas Prautsch Simans Skrabulis Dr. Carl Dörken Galerie der Werner Richard - Dr. Carl Dörken Stiftung | Infos, Tickets & Öffnungszeiten: s. Website

Wetterstraße 60 · 58313 Herdecke · www.doerken-stiftung.de

sweetSixteen-Kino | Axel, der Held Es war einmal... Nein. Axels Leben ist wahrlich kein Märchen. Axel: Hasenfuß, Spinner, Tagträumer. In seiner selbstmodellierten Fantasiewelt ist alles so bodo viel besser als in der verlost 1x2 Realität. Hier lässt er Karten sich nicht von Manne, dem Besitzer der örtlichen Hühnerfarm und des Spielcasinos, knechten. Hier hat er keine Spielschulden und muss auch keine Klos schrubben. Die Bewohner der kleinen Siedlung, in der er wohnt, verarschen ihn nicht mehr, Tante Vera hält endlich mal ihren Mund und seine Jugendliebe Jenny ist mit ihm zusammen und nicht mit Manne. Ein Traum, in Miniatur nachgebaut in Axels Datsche. Doch dann findet Axel doch noch einen Freund: seinen Nachbarn Heiner, einen schrulligen Typen, der darum kämpfen muss, sein Haus nicht an einen Spekulanten zu verlieren, immerzu Karl May zitiert und sich ständig mit einem Huhn unterhält. Wie Winnetou und Old Shatterhand halten die beiden zusammen, stellen sich ihren Feinden und dem echten Leben. Howgh! „Axel, der Held“ ist ein modernes Heldenmärchen für Erwachsene, das von Existenzkrisen, vom Kapitalismus und der Macht der Freundschaft erzählt. Mit skurrilen Figuren und visuellen Überraschungen schafft Regisseur Hendrik Hölzemann („Kammerflimmern“) einen originellen Spielfilm, der ganz bewusst künstlich ist und über dem stets der augenzwinkernde Geist Karl Mays schwebt. „Axel, der Held“ wurde beim Filmfestival Max Ophüls Preis 2018 in Saarbrücken uraufgeführt. (Komödie, Deutschland 2019, 90 Min., Regie: Hendrik Hölzemann) Bundesstart am 15. August, weitere Termine unter www.sweetsixteen-kino.de sweetSixteen-Kino Immermannstr. 29, 44147 Dortmund www.sweetsixteen-kino.de 29


KULTUR

Sesamstraße, übergangsweise Das in der Mitte ist Lily. Nachdem sie ihre Wohnung verloren hat und Zeit in einem Obdachlosenheim verbracht hat, wohnen sie und ihre Familie in der Sesamstraße bei ihrer Freundin Sofía – gespielt von der Schauspielerin Jasmine Romero – , während sie nach einer Unterkunft suchen. Von Aimee Knight | Foto: Richard Termine

The Big Issue, Australien

„Ich liebe es, Lily zu sehen“, sagt Kama Einhorn vom Sesame Workshop, die den „süßen, hoffnungsvollen, jungen Muppet“ mitentwickelt hat. Der Sesame Workshop mit Sitz in New York City ist die gemeinnützige Organisation hinter der Sesamstraße. Er möchte die jungen Fans der am längsten laufenden Kindershow Amerikas unterhalten – und ihnen Werte vermitteln. Zusätzlich zur Sendung, die mittlerweile in mehr als 150 Ländern ausgestrahlt wird, führt die Organisation nationale und internationale Kampagnen durch, die die Geschichten auf dem Bildschirm ergänzen. Seit ihrem Debüt 1969 spiegelt die Sesamstraße die Vielfalt des urbanen Lebens wider. Ganz selbstverständlich gehören Schauspieler mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund und Menschen mit Behinderungen zur Besetzung – neben Krümelmonster, Samson, Tiffy, Grobi, Ernie und Bert. In den vergangenen Jahren hat die Sesamstraße mit ihren vielen

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internationalen Koproduktionen auch neue Muppets willkommen geheißen, auch solche mit Problemen, wie Lily. Die Sesamstraße hat schon immer Themen wie etwa Trauer, Scheidung oder familiäre Gewalt dargestellt, nun also auch Familienobdachlosigkeit. „Wir erleben einen drastischen Anstieg“, sagt Kama Einhorn. „In den USA sind 2,5 Millionen Kinder wohnungslos. Fast die Hälfte ist unter sechs Jahre alt.“ Da der Mietmarkt in Metropolen weltweit ein Problem ist, kämpfen Familien wie Lilys erfolglos darum, erschwingliche Wohnungen zu finden. Bei Obdachlosigkeit denkt man an Männer in Schlafsäcken im öffentlichen Raum, doch für Familien wäre das viel zu gefährlich. Sie verbringen die Nächte in Notunterkünften, in Autos oder bei Verwandten und Freunden – und verschwinden so aus der öffentlichen Wahrnehmung. Auch in den USA wird Fami-


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Einfach nah.

lienwohnungslosigkeit kaum wahrgenommen. Die betroffenen Kinder werden, wie Einhorn sagt, zu unsichtbaren Kindern. Die MacherInnen der Sesamstraße erkannten einen Bedarf an Materialien, die den Vorschülern Obdachlosigkeit erklären. „Wir wussten, dass wir dieses Thema den Kleinsten auf diese besondere Art und Weise präsentieren können“, sagt Kama Einhorn. „Mit den Muppets fällt der Kontakt mit schwierigen Themen leicht.“ Sie machten sich daran, Videos, Artikel, Arbeitsblätter und sogar ein von Einhorn selbst geschriebenes Bilderbuch mit Lily in der Hauptrolle zu erstellen, um Obdachlosigkeit mit Kindern zu diskutieren. Das stiftungsfinanzierte Onlineangebot des Sesame Workshop stellt eine Vielzahl von Materialien zur Verfügung. Ein nationales Beratungsgremium half, Lilys Geschichte zu erzählen. Schließlich sprachen sie mit aktuell oder ehemals betroffenen Eltern über deren Erfahrungen mit Obdachlosigkeit. „Wir haben alles mitgenommen, was wir gelernt haben, und haben es ,sesamisiert‘“, sagt Kama Einhorn. Gerade das ist wohl der Faktor, der den Erfolg der Sesamstraße so beständig macht – seit einem halben Jahrhundert ist sie auf Sendung. „Wir scheuen nie vor schwierigen Themen zurück. Kinder haben es mit der gleichen Welt zu tun wie wir. Sie brauchen einen fürsorglichen Erwachsenen, der die Dinge ehrlich erklärt und der das Gefühl vermittelt, dass man schwierige Fragen stellen kann.“ Am Ende überwindet Lilys Familie übrigens ihre Krise. „Und das hoffen wir für jedes Kind und jeden Erwachsenen, der solch ein Trauma durchlebt“, sagt Kama Einhorn. Alles Gute, Lily. Mit freundlicher Genehmigung von The Big Issue Australia / INSP.ngo

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REPORTAGE

Der niederländische Hof van Twello knüpft an die mittelalterliche Tradition kooperativer Landwirtschaft an. Er verbindet kleinbäuerliche Selbstversorgung mit der Produktion von Biogemüse und -obst zu besonders günstigen Preisen und zieht jährlich 40.000 umweltbewusste Besucher an. Unsere Tokioer Kollegin Sayuri Kusama besuchte den Hof für die japanische Straßenzeitung „The Big Issue Japan“.

The Big Issue, Japan

Text und Fotos: Sayuri Kusama

Gemeingut in Gelderland

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I

ch möchte Bio-Produkte kaufen, aber es ist einfach zu teuer!“ Eine nicht unbedeutende Zahl von Menschen denkt wahrscheinlich so, obwohl die Zahl der Bioabteilungen in Supermärkten in den letzten Jahren, auch in Japan, stetig gestiegen ist. Der Preisunterschied zwischen „normalem“ Obst und Gemüse und seinen ökologischen Gegenstücken ist sowohl in Japan als auch im Westen ein Problem. Der Ort Twello in der niederländischen Provinz Gelderland hat 13.000 Einwohner. Der nächste Bahnhof ist 20 Minuten mit dem Fahrrad entfernt. Hier liegt die 2003 gegründete Kooperative van Twello, auf der im Laufe des Jahres bis zu 45 Obstund Gemüsesorten ohne chemischen Dünger oder Pestizide angebaut werden. In den Niederlanden kosten Bioprodukte, die in Supermärkten verkauft werden, doppelt oder dreimal so viel wie nicht-biologische Produkte. Im Gegensatz dazu kosten Bioprodukte im Direktverkauf des Hofs van Twello nur etwa das 1,2-fache. Die niedrigen Preise werden durch die Senkung der Arbeitskosten ermöglicht. Hof besitzer Gert Jansen erklärt: „Bioprodukte kosten so viel, weil Aufgaben wie das Unkrautziehen viel Arbeit erfordern.“

Links: „Auf diesem Bauernhof haben alle – vom Akademiker bis zum Menschen mit Behinderung – die Möglichkeit, in ihrer gewünschten Weise zu arbeiten“, sagt Bauer Jansen. „Ich betrachte den Hof van Twello als Gegenpol zu unserer heutigen Gesellschaft, die Menschen, die nicht genug leisten, für überflüssig hält. Ich setze eine Alternative zum Kapitalismus in die Praxis um.“

Auf der Suche nach einer Möglichkeit, Bioprodukte zu einem vernünftigen Preis anzubieten, kam Jansen auf die Idee, Einheimische mit einem Interesse am Gemüseanbau dazu zu bringen, als Bürger auf dem Bauernhof zu arbeiten – ein altes Landwirtschaftsmodell aus dem Mittelalter. Die Einheimischen einigten sich darauf, Pflanzen auf den vom Bauernhof geliehenen Flächen anzubauen, um im Gegenzug qualitativ hochwertigen Boden, organischen Dünger und landwirtschaftliches Know-how zu erhalten. Die Hälfte der geernteten Pflanzen erhalten die Teilnehmer, die andere Hälfte wird im Hofladen verkauft. Ein Gemeinschaftsgarten als Hobby und die freiwillige Teilnahme am landwirtschaftlichen Betrieb – das ist das Geschäftsmodell des Hofs. Zurzeit produzieren 25 „Kleinbauern“ etwa die Hälfte des Obstes und Gemüses, das im Hof laden verkauft wird. Koos baut hier zwei Sorten Kartoffeln an und erzählt: „Mein Garten

Oben: Im europäischen Mittelalter waren die Gemeingüter Räume, in denen Einheimische (Bürgerliche) das Land gemeinsam bewirtschafteten. Kooperativen wie der Hof van Twello beleben dieses System wieder.

CA NB ER RA

VERKÄUFER-REISEFÜHRER Luceil verkauft das Straßenmagazin The Big Issue Australia in der australischen Hauptstadt Canberra. „Der Verkauf hat mein Leben verändert“, sagt sie.

Café-Tipp: Ich mag das Buffet im Burns Club in Kambah, es ist das beste Angebot in der Stadt zum Mittagessen. Und ich würde empfehlen, nach Chinatown in der Woolley Street, Dickson, zu fahren, um gute Restaurants zu finden – Rasa Sayang ist besonders gut. Museums-Tipp: Das Parlamentsgebäude ist ein großartiger Ort, auch das Australian Museum ist immer einen Besuch wert. Geheimtipp: Um den Lake Burley Griffith kann man herum wandern. Oder man mietet ein Tretboot, um das Captain Cook‘s Memorial zu sehen. Lieblingsplatz: Tidbinbilla, ein Naturschutzgebiet im Süden Canberras, ist ein guter Ort, um verschiedene Tiere zu sehen und Spaziergänge zu unternehmen. Beste Reisezeit: Herbst und Frühling sind gute Zeiten für einen Besuch. Der Sommer ist zu heiß und der Winter zu kalt. Im Herbst kann man sehen, wie sich die Bäume verfärben und die Tage schön sind. Im Frühjahr bietet das kostenlose Floriade-Festival viele schöne Blumen. 33


REPORTAGE

zu Hause ist einen Kilometer entfernt. Er hat genug Platz für einige Blumen, aber nicht für den Gemüseanbau. Mir gefällt, dass ich durch diese Art von Arbeit etwas Bewegung bekomme.“

Aufbau einer lokalen Wirtschaft Saatbeete, Gartenbedarf, Milchprodukte, Würstchen, Trockenfutter und Alkohol werden neben Frischprodukten ebenfalls im Hofladen verkauft. Die meisten Lebensmittel stammen von 35 lokalen Herstellern. „Die Einheimischen stellen die Produkte in der Region her“, sagt Jansen. „Ich wollte diesen Hof zum Zentrum eines Systems abseits der industriellen Landwirtschaft machen, das Geld lokal zirkulieren lässt.“ Jansen kam nach seinem Abschluss an einer landwirtschaftlichen Universität in Mexiko auf den Gedanken. „Ich arbeitete als land-

wirtschaftlicher Berater in einer ländlichen Kommune und man sagte mir, ich solle den Einheimischen landwirtschaftliche Praktiken beibringen, die auf Pestizide und Düngemittel von großen Chemieunternehmen aus den USA und Europa zurückgreifen“, erklärt er. Das bedeutet: „Wenn sie diese Produkte nicht weiter kaufen würden, könnten sie nicht mehr produzieren. Es ist falsch, solche Praktiken ,Entwicklungshilfe‘ zu nennen. Ich war schockiert zu erfahren, dass Menschen nur 15 Kilometer von der Stadt entfernt an Hunger sterben. Als ich nach Hause zurückkehrte, beschloss ich, einen Bauernhof zu gründen, der der lokalen Gemeinschaft zugutekommt.“

Gemeinschaft geliehen. Unser Hof ist unabhängig von der kapitalistischen Wirtschaft, in deren Mittelpunkt große Konzerne wie Pestizidproduzenten stehen.“ Darüber hinaus nutzt die Kooperative den „grünen Tourismus“ als weitere Einkommensquelle. Jährlich wandern rund 40.000 Menschen auf dem zwei Kilometer langen Barfußpfad des Hofs van Twello, wo sie über feuchten, schlammigen Boden und durch Bambushaine gehen und plötzlich auf ein verstecktes Feld treffen. Der Weg wurde als natürliche Attraktion angelegt, um den Menschen eine direkte sensorische Verbindung zur Natur zu vermitteln. Ein Café in einem Gewächshaus lockt auch im besucherschwachen Winter Gäste auf den Hof. Die Gerichte und Desserts auf der Karte werden aus dem Gemüse und Obst hergestellt, das auf dem Hof wächst und direkt vor ihren Augen geerntet wird.

Jansen fährt fort: „Eine lokale Wirtschaft aufzubauen bedeutet, über eine nachhaltige Wirtschaft auf menschlicher Ebene nachzudenken. Hier gibt es keine Ausbeutung durch große Kettenhändler, die als Vermittler fungieren.“ „Als wir Investitionen benötigten, haben wir uns nicht auf Banken verlassen, sondern uns Geld von der lokalen

Mit freundlicher Genehmigung von The Big Issue Japan / INSP.ngo

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Als Treffpunkt, Baustelle und Bühne wird der von RAUMLABORBERLIN gestaltete Third Space in diesem Jahr auch zur Werkskantine und lädt ein zum Gespräch. Der Eintritt zu den Veranstaltungen im Third Space ist frei. Das gesamte Programm des Third Space unter: ruhr3.com/thirdspace

21. Aug – 29. Sept 34

THIRD SPACE RAUMLABORBERLIN ab 23. Aug Vorplatz der Jahrhunderthalle Bochum Öffnungszeiten Mi – Fr 15.00 – 21.00 Uhr Sa – So 14.00 – 21.00 Uhr Bei Veranstaltungen im Third Space und zu Vorstellungen in der Jahrhunderthalle länger. ruhrtriennale.de Gesellschafter und öffentliche Förderer

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BÜCHER

Gelesen von Bastian Pütter

30 Stadtansichten „Der Flaneur ist ein Mensch, der im Spazierengehen schaut, genießt und planlos umherschweift – er flaniert“, sagt das Online-Lexikon. Überflüssig zu erwähnen: Er ist ein Mann. Wie Balzac, Flaubert, Zola den Betrachter der Stadt als Mann erfanden, bleibt auch der spätere literarische Blick auf die Stadt männlich. In „Flexen“ fragt im Vorwort eine fiktive „Flâneuse*“ im Chor mit den Herausgeberinnen: „Wo sind meine Perspektiven in der Literatur? Wo sind die Blicke der Frauen*, der People of Colour, der Queeren?“, und stellt fest: „Mir fehlt meine Stadterfahrung in den geschriebenen Geschichten“.

30 Abenteuerreisen Jede Leserin, jeder Leser weiß: Um zu reisen muss man nicht das Bett, das Sofa, die Gartenbank verlassen. Für diejenigen jungen und nichtmehrjungen Menschen, die (erste) Orientierung in der Welt der fantastischen Literatur suchen, hat Cris F. Oliver einen Reiseführer geschrieben, den der Illustrator Julio Fuentes in einen wunderbaren rotblauen Atlas verwandelt hat.

In Berlin, in Chemnitz, in Istanbul, in Beirut, in Sarajevo, als Wissenschaftlerin, als Frau, die als Mädchen gelernt hat, sich draußen zu fürchten. Als Autorin, die das türkisches Personalpronomen o benutzt, das für alle Geschlechter steht. Als Inderin, deren Spazierengehen Protest gegen die allgegenwärtige Gewalt ist. Als Begehrende, als lesbische Mutter, als Teil einer gewalttätigen Mädchengang.

In 30 Kapiteln widmet sich die Autorin alten und neuen Klassikern der Fantasyliteratur und bereist mit ihren LeserInnen Liliput und Mittelerde, Camelot und Panem, Hogwarts und Gotham. Dabei liefert sie allerlei hilfreiche Informationen für Touristen: eine Packliste für die Reise zum Mittelpunkt der Erde, Empfehlungen für einen Ausflug in die Umgebung von Oz (Vorsicht im Porzellanland!), ein Architekturführer Wunderland, sehr kurze Hinweise zum Erkunden des Asteroiden B 612 des kleinen Prinzen (dauert nur wenige Sekunden), Phantasien-Tipps für die Anreise zur Kindlichen Kaiserin usw. Dazu gibt es ganz ernst gemeinte Hintergrundinformationen zu Werk und AutorIn, und, wie gesagt, die stimmungsvollen Karten und Illustrationen von Julio Fuentes. Gute Reise!

Özlem Özgül Dündar, Ronya Othmann, Mia Göhring, Lea Sauer Flexen. Flâneusen* schreiben Städte ISBN: 978-3-95732-406-1 Verbrecher | 272 S. | 18 Euro

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Als eine Antwort versammelt „Flexen“ 30 Texte als 30 Perspektiven auf Stadt: subjektiv, vielstimmig, widersprüchlich. Es sind Beobachtungen, Aneignungen und Dekonstruktionen – und sie handeln von der Macht der Blicke und der (Un-) Möglichkeit weiblichen Flanierens.

30 Sprachen In dreißig Sprachen, darunter Chinesisch, wurde die wahre Geschichte des Katers, der einen Straßenzeitungsverkäufer rettet, bereits übersetzt. Nun ist eine deutsche Ausgabe in einfacher Sprache erschienen. Millionen Menschen haben Schwierigkeiten, komplizierte Texte zu verstehen, können nicht gut lesen oder Deutsch verstehen. Für sie gibt der Münsteraner Verlag „Spaß am Lesen“ Romane, Krimis und Klassiker der Weltliteratur in einfacher Sprache heraus. Die Sätze sind kürzer und haben höchstens ein Komma. Meist reicht ein Gedanke pro Satz. Wo Fremdwörter nicht vermeidbar sind, werden sie am Ende des Buches erklärt. Bei dem Weltbestseller „Bob, der Streuner“ folgt zusätzlich auf jeden Punkt ein Absatz. Das gibt der Geschichte einen neuen Rhythmus, weniger eindringlich wird sie dadurch nicht: Um einem verletzten Kater zu helfen, nimmt der drogensüchtige James sein Leben wieder selbst in die Hand. Aus ihm wird der berühmteste Straßenzeitungsverkäufer und schließlich ein Bestsellerautor – und aus dem Kater Bob wird ein Filmstar. „Jeder verdient eine zweite Chance“, sagt James Bowen am Ende des Buches. „Bob und ich haben unsere Chance genutzt.“ James Bowen Bob, der Streuner. In einfacher Sprache ISBN: 978-3-947185-62-7 Spaß am Lesen | 136 S. | 14 Euro 35


ESSAY

Eine sehr kurze Geschichte Jugoslawiens Jugoslawien: zweimal gebaut, zweimal zerstört. Das Bild einer Hassliebe – man kann nicht zusammenleben, geschweige denn getrennt. Seltsame Vorurteile und noch unangenehmere Anziehungskräfte sind hier am Werk. Je größer die Unterschiede, desto stärker die Intimität, sagt man. Fehlt das richtige Maß an Unterschieden, werden sie geschaffen, erfunden, überproportional aufgeblasen und zur unumstößlichen Wahrheit. Von Dubravka Stojanović

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G

ehen wir zurück zum Anfang, oder? Das erste Jugoslawien wurde nach dem Ersten Weltkrieg vor 100 Jahren, 1918, geboren. Es war ein Königreich mit einem einheitlichen Regierungssystem und enormen kulturellen und wirtschaftlichen Unterschieden zwischen den verschiedenen Landesteilen – einige entstammten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, andere hatten seit Jahrhunderten unter osmanischer Herrschaft gestanden. Es war ein multinationaler, multireligiöser, mehrsprachiger, faszinierender und aufregender Ort, der eine hervorragende, kritisch-intellektuelle Elite hervorbrachte. Es war weder demokratisch noch wirtschaftlich erfolgreich; seine Straßen, seine Industrie und seine Urbanisierungsversuche ließen viel zu wünschen übrig; es gelang ihm nicht, die Massenbildung zu sichern oder die nationale Frage zu lösen. Die Serben waren eine dominante Mehrheit, ethnisch und politisch, für andere sank der Grad an Autonomie, den sie unter der Habsburger Monarchie genossen hatten. Die Geschichte des Königreichs wurde weitgehend von politischer Gewalt und Diktatur begleitet. Das Königreich Jugoslawien zerfiel kampflos, kurz nach einem von Deutschland geführten Angriff im Frühjahr 1941. Die Menschen wurden in einen Albtraum aus Krieg und interethnischem Blutvergießen hineingezogen. Eine kommunistische Revolution, angeführt von Tito und seinen Partisanen, ging Hand in Hand mit dem erfolgreichen Widerstand gegen die Nazi-Besatzer. Titos Truppen befreiten das Land, legten die Grundlagen für eine neue, kommunistische Herrschaft und gewannen die Führer der Alliierten – die wohl schwierigste Aufgabe. Und sie haben es geschafft. Bei der Gründung des neuen Staates 1943 verließen sich die Kommunisten auf Prinzipien, die das genaue Gegenteil von denen waren, auf de-

Liceulice, Serbien

nen das Königreich Jugoslawien beruhte. Das zweite Jugoslawien war eine Föderalrepublik, es wurde urbanisiert, modernisiert, industrialisiert und gebildet, und es befasste sich mit den bitteren nationalen Fragen der Vergangenheit, indem es Republiken und Provinzen für alle seine Völker schuf und dabei das Ideal der „Brüderlichkeit und Einheit“ förderte. Dennoch war es weder demokratisch noch wirtschaftlich effizient. Um Rechtsstaatlichkeit, freie Wahlen, Pressefreiheit und unabhängige Institutionen ging es nie. Der neue Staat brach gemeinsam mit der Berliner Mauer zusammen, und genau wie im ersten Jugoslawien geschah dies, während sich auch Europa in einem gewaltigen Umbruch befand. Das jugoslawische Volk begann einen weiteren blutigen Krieg,

MA ILA ND

VERKÄUFER-REISEFÜHRER Aldo Scaiani, 67, geboren in Mailand, verkauft die Straßenzeitung Scarp de‘ Tenis. Zuvor lebte er zwei Jahre lang auf der Straße und wurde „unsichtbarer Reisender“. Jeden Abend fuhr er zu einem der Mailänder Flughäfen, übernachtete dort und kehrte am nächsten Morgen in die Stadt zurück. Lieblingsplatz: Ich mag das Viertel Vigentino, vielleicht, weil es l‘Opera Cardinal Ferrari gibt, eine Institution, die seit fast 100 Jahren Obdachlosen und bedürftigen Familien hilft. Museums-Tipp: Die Stadtmuseen im Schloss Sforzesco und das Naturkundemuseum am Corso Venedig bieten beide an zwei Nachmittagen im Monat freien Eintritt.

Geheimtipp: Ein idealer Ort, um dem Trubel der Stadt zu entfliehen, ist das Kloster Chiaravalle Milanese. Es stammt aus dem 12. Jahrhundert und befindet sich zwischen den Stadtvierteln Vigentino und Rogoredo. Beste Reisezeit: Im Herbst gibt es viele Gemeindefeste. Die sind tolle Anlässe, um typische Gerichte und alte Traditionen kennenzulernen und vor allem viele Menschen zu treffen. 37


ESSAY

diesmal ganz allein. Es hoffte, die Unruhe zu nutzen, um sich einen immer wiederkehrenden Traum zu erfüllen – einen Nationalstaat, dessen Grenzen so weit wie möglich reichten und dessen Bevölkerung so ethnisch homogen wie möglich sei. Auftakt für ethnische Säuberungen, Kriegsverbrechen und Völkermord. Warum haben wir zwei Jugoslawien gegründet? Noch wichtiger: Warum haben wir sie zerstört? Was hindert uns zu erkennen, ob es uns mit oder ohne Jugoslawien schlechter geht?

B

eide Jugoslawien wurden von Großmächten erschaffen. Nach zwei Weltkriegen schien es den Alliierten, dass ein großes Land der Südslawen die beste und dauerhafteste Lösung für den zankenden, ethnisch verflochtenen Balkan sein könnte. Der neue Staat wurde als politische Pufferzone zwischen Ost und West konzipiert und spielte die Rolle vor allem während des Kalten Krieges und an der Spitze der Blockfreien-Bewegung sehr erfolgreich. Jugoslawien ähnelt insofern der heutigen Europäischen Union, als es in beiden historischen Fällen ein friedenserhaltendes Projekt war, um die zuvor in einen blutigen Krieg verwickelten Nationen zu versöhnen. Die Schaffung eines gemeinsamen Staates war der Weg, um Frieden zwischen den jugoslawischen Völkern auf allen Seiten des Konflikts zu schließen. Die Massaker des Zweiten Weltkriegs hatten nicht

nur vernarbte interethnische Beziehungen, sondern auch einen gedämpften, aber starken Rachedurst hinterlassen. Jugoslawien war in der Tat eine Lösung. Als supranationaler Staat diente es als Dach, um kleine Nationen vor dem Aussterben zu schützen. Darüber hinaus schuf es einen ziemlich großen, fast selbsttragenden Markt, der den unterentwickelten Regionen ernsthaften Auftrieb gab und den besser entwickelten Regionen die Möglichkeit, weiter zu wachsen. Es war eine dynamische, wettbewerbsfähige Arena mit mehreren großen Zentren, die auch in der Kultur außergewöhnliche Leistungen erbrachte. Jugoslawien war eine eigenständige Sportmacht, ein Film-Mekka, Schauplatz einer ganz spezifischen Vielfalt von Rock- und Popmusik, und es hatte seinen eigenen Weg zum Sozialismus auf der Grundlage eines sehr eigenen Systems der Selbstverwaltung eingeschlagen. Jugoslawien agierte als Mittelmacht und außenpolitischer Schiedsrichter und setzte sich für die Interessen der kürzlich befreiten Länder der Dritten Welt ein. In der Schule wurde uns beigebracht, dass es das schönste Land der Welt sei, dass unser Meer das blaueste, unsere Berge die höchsten, unsere Seen die tiefsten und unsere Ebenen die fruchtbarsten seien. Wir hielten das für Propaganda, aber selbst wenn wir Recht gehabt hätten, wäre es eine schlechte Kampagne gewesen – in Wirklichkeit ist Jugoslawien noch viel schöner, als man uns gesagt hatte.

A

ndere Aspekte waren schlecht. Jugoslawien war nie eine Demokratie. Es hat die Kluft zwischen reichen und armen Regionen des Landes verringert, aber nie ganz geschlossen. Vor allem aber hat es nie die entscheidende Frage gelöst; die gleiche, die heute die Europäische Union auseinanderreißt: Hätte es mehr oder weniger davon geben sollen? Genauer gesagt lag die Wahl zwischen einer engen Föderation, die kleinere Nationen schwer akzeptieren konnten, und einer lockereren Konföderation, die den dominanten Völkern überhaupt nicht gefiel. Asymmetrischer Föderalismus, der mit unterschiedlicher Geschwindigkeit erreicht werden sollte, war der nächste Vorschlag, aber er kam einfach nicht zustande. Nach jahrzehntelanger Suche nach einer akzeptablen verfassungsmäßigen Lösung starb der Staat in einem klassischen Territorialkrieg mit dem alten Ziel, so viel wie möglich für sich selbst zu gewinnen. Offensichtlich hat kein Jugoslawien den Schlüssel zur Langlebigkeit gefunden. Beide zerfielen, weil sie interne Differenzen nicht ausgleichen konnten. Beide waren entstanden, weil dieselben internen Unterschiede ohne sie nicht ausgeglichen werden konnten. Ohne ein Jugoslawien würden schwelende Konf likte zwischen seinen Völkern offenbar werden; mit einem solchen würden sie entweder institutionalisiert oder unter den Teppich gekehrt. Was denken Sie? Welche ist die bessere Option?

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Vielleicht können uns die Zeiten vor oder nach Jugoslawien mehr darüber erzählen. Damals lebten die jugoslawischen Völker ihr provinzielles, kleines Fischteichleben. Abgeschlossen und engstirnig erstickten sie an ihrer verbissenen Entschlossenheit, an ihren Animositäten, an ihrer Kurzsichtigkeit, ihrem Zorn, ihrer Korruption und Gewalt. Unwichtige Punkte auf der Karte Europas, die sie waren, hinkten diese selbstisolierten, autarken, hysterischen, paranoiden, hysterischen Gemeinschaften hinterher, eingehüllt in ihr egozentrisches Selbst. Jugoslawiens Geburt 1918 wurde mit dem Öffnen eines Fensters verglichen.

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nd schon wieder sind wir in der gleichen, alten Situation. Fast 30 Jahre nach dem Zusammenbruch des zweiten Jugoslawiens herrscht Hoffnungslosigkeit. Was wir haben, ist eine Ansammlung von de-facto-Staaten auf Kriegsfuß, erfolglos, undemokratisch, unterentwickelt, schlecht organisiert und völlig unfähig, selbst die einfachsten Probleme für ihre Bürger zu lösen. Offensichtlich überlebten die inhärenten Probleme Jugoslawiens den Staat und machen deutlich, dass es nicht Jugoslawien war, das sie geschaffen hat, sondern umgekehrt: Es sind die strukturellen Probleme, mit denen die Völker Jugoslawiens zu kämpfen hatten, die den Staat zerstört haben. Unterentwicklung, Armut, eine undemokratische politische Kultur und frustrierte Nationen sind viel älter als Jugoslawien.

Wenn die postjugoslawischen Gesellschaften die Kraft haben, das Ruder herumzureißen, sollten sie sich der Tatsache stellen, dass es zu viel für sie war, zu intensiv, zu anspruchsvoll. Mit anderen Worten: Sie haben Jugoslawien nicht verdient. Wenn in Zukunft neue Integrationsinitiativen entstehen, werden die jugoslawischen Völker die Chance haben zu beweisen, dass sie in der Lage sind, die Selbstzerstörung zu überwinden, in die der nationalistische Anti-Jugoslawismus sie hineingeführt hat, um neu zu starten und weiterzumachen.

Dubravka Stojanović ist eine angesehene serbische Historikerin. Ihr Essay erschien zuerst in „Belgrad Less Ordinary“, dem englischsprachigen Schwestermagazin der serbischen Straßenzeitung Liceulice.

Mit freundlicher Genehmigung von Liceulice / INSP.ngo

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REPORTAGE

Wappentier oder Nationalgericht, Schädling oder Kuscheltier? Die Beziehung der Australier zu ihrem Lieblingstier ist kompliziert. Hier schließt die Liebe zu Kängurus nicht aus, sie zu töten. Ein Erklärungsversuch der australischen Straßenzeitung „The Big Issue Australia“. Von Rhianna Boyle | Fotos: Shutterstock.com, Reuters / Daniel Munoz

Lecker Känguru? The Big Issue, Australia

CAM BRI DGE

VERKÄUFER-REISEFÜHRER Lee Welham, 34, kommt aus Great Yarmouth. Seit dem vergangenen Sommer verkauft er The Big Issue in Cambridge. Regelmäßig ist er von Passanten umgeben, die anhalten, um seinen von Big Issue inspirierten Witzen zuzuhören. Café-Tipp: Ich bekomme meinen Tee von Bould Brothers Coffee, die sind wirklich nett zu mir. Sie waren gerade erst in Vanity Fair. Jetzt kennt diese kleine Teestube in der Nähe meines Verkaufsplatzes die ganze Welt. Museums-Tipp: Mein Platz ist vor der ältesten Rundkirche Großbritanniens, die einfach „The Round Church“ heißt, gebaut in den 1130er Jahren. Sie ist rund, damit sich der Teufel nicht in einer Ecke verstecken kann. Nach den Kreuzzügen wurden alle Kirchen in Form eines Kreuzes angelegt, so dass Gott, wenn er nach unten schaute, das christliche Kreuz sehen konnte. Der alte Erzbischof von Canterbury, Rowan Williams, ist großartig. Er kommt zweimal pro Woche zu mir, um mich zu fragen, wie es mir geht.

Das Känguru-Steak, könnte man argumentieren, ist eine der seltenen Gemeinsamkeiten zwischen Australiern über das gesamte politische Spektrum hinweg. Kängurus für das Nationalgericht zu schießen, ermöglicht es Farmern, ihre Weiden vor den Beuteltieren zu schützen, und befriedigt gleichzeitig den Appetit umweltbewusster Stadtbewohner, die sich um den Treibhausgasausstoß traditioneller Viehhaltung sorgen. Und vielleicht steckt im Grillen des Nationalsymbols eine ganz eigene Form australischen Widerstandsgeistes. Zumindest ist das die Geschichte, die von der Kängurufleischindustrie erzählt wird und weite Verbreitung gefunden hat. Ein genauerer Blick deutet jedoch darauf hin, dass die Situation angespannter ist, als es scheint. Charlotte Craw von der Monash University hat sich mit der gesellschaftlichen Rolle des Kängurufleisches beschäftigt. Sie schreibt, dass „ein Kängurusteak in den Medien niemals einfach nur Fleisch ist“. Wenn sich angeblich die gesamte Nation um den Grill versammle, gehörten dazu auch protestierende Tierrechtsaktivisten, streitende Wissenschaftler und australische Ureinwohner, die irritiert zusähen.

Delikatesse und Notration Die ersten Europäer waren in der Regel überfordert beim Anblick der australischen Fauna. John Simons, Autor des naturkundlichen Buches „Kangaroo“, schreibt, dass der erste Impuls der Kolonisatoren darin bestand, unbekannten Arten bekannte

Geheimtipp: Auf dem Gelände des Trinity Hall College befindet sich ein direkter Nachkomme des Apfelbaums, der Isaac Newton geholfen hat, die Schwerkraft zu verstehen. 40


Namen zu geben. So kamen wir zu Koalabären, tasmanischen Tigern und Flughörnchen. Obwohl es Versuche gab, das Känguru in bekannte Raster von Hirsch bis Windhund zu pressen, waren Kängurus doch so seltsam, dass sie dem Benennungstrend widerstanden. Stattdessen erhielten sie einen Namen, der sich vom Wort Gangurru ableitet, aus der Guugu-Yimidhirr-Sprache der Region Far North Queensland.

halt von Kängurufleisch sowie die wahrgenommene Konkurrenz zwischen Kängurus und der Viehwirtschaft bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zu einer Umklassifizierung von Kängurus von Nahrung zu Schädlingen geführt habe. Die Tiere wurden unter einem staatlichen Fangprämien-System gejagt, später auch zur Tierfutterherstellung. In einem scheinbaren Paralleluniversum traten Kängurus als liebenswerte Begleiter in die Populärkultur ein.

Die Tiere waren für die Ureinwohner als Totemtier, Nahrungs- und Fellquelle bedeutend. Die einheimische Kängurujagd, die in einigen Gebieten noch immer praktiziert wird, beinhaltet begrenzte Brandrodungen, das sogenannte „firestick-farming“. Die Tiere werden von der Vegetation angezogen, die nach dem Verbrennen sprießt, was die Jagd erleichtert, aber durch die bessere Nahrungsversorgung auch den Bestand der Population sichert.

Ökologie als Argument

In der frühen Kolonialgeschichte aßen Nicht-Indigene wildes Kängurufleisch sowohl als exotische Neuheit als auch, um ihr Überleben zu sichern. Kochbücher der damaligen Zeit enthielten häufig Rezepte wie Känguruschwanzsuppe, aber diese Rezepte fielen in Ungnade, als anderes Fleisch leichter erhältlich wurde. Die Umwelthistorikerin Dr. Nancy Cushing schreibt, dass der geringe Fettge-

Die moderne Kängurufleischindustrie wurde Mitte der 1980er Jahre vom Ökologen Gordon Grigg angeregt. Die Schafzucht in trockenen Gebieten hatte Bodenerosion und Schäden an der einheimischen Vegetation verursacht, während die Marktkonkurrenz dazu führte, dass die Bauern Schwierigkeiten hatten, Gewinne zu erzielen. Kängurufleisch für den menschlichen Verzehr zu vermarkten, sei ein Allheilmittel, das es den Landwirten in den Trockengebieten ermögliche, Geld zu verdienen und gleichzeitig ihre Tierhaltung zu reduzieren. Außerdem fungiere die Industrie als „selbstfinanzierender Schädlingsbe-

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REPORTAGE

kämpfer“, der Schäden durch Kängurus an Weiden und Nutzpflanzen begrenze. Kängurus können nicht wie Nutztiere im herkömmlichen Sinn gehalten werden. Die Kosten für Zäune wären zu hoch, in Gefangenschaft sterben viele Kängurus an Stress. Also wurde die Jagd nach einem staatlich geregelten Quotensystem eingeführt. Kängurufleisch wurde 1993 in allen australischen Bundesstaaten für den menschlichen Verzehr zugelassen und im Jahr 2000 erstmals von australischen Supermärkten verkauft. Etwas mehr als sieben Millionen Kängurus wurden 2017 kommerziell getötet, wobei 60 Prozent des Fleisches für den menschlichen Verzehr bestimmt waren. TR ON DH EIM

Während Kängurus den Weg auf die Teller der Stadtbewohner gefunden haben, trifft man sie

VERKÄUFER-REISEFÜHRER Odd Erling verkauft Sorgenfri seit sechs Jahren. Er wurde in diesem Jahr nach einem Auftritt in einem Musikvideo zu einer lokalen Berühmtheit. Café-Tipp: Mein liebstes Lokal ist ein kleines italienisches im Zentrum, das Ristorantino, fast neben der Frauenkirche. Sehr, sehr gut. Als Tourist sollten Sie aber die vielen lokalen Gerichte probieren. Lachs und Rentier zum Beispiel. Museums-Tipp: Der Nidarosdom ist fast 1.000 Jahre alt. Hier ist das Grab von Olaf dem Heiligen, der Norwegen christianisiert hat, aber nicht auf die nette Art: Entweder du bist Christ oder wir spießen deinen Kopf auf einen Pfahl. Lieblingsplatz: Wir haben viel Natur rund um Trondheim. Wenn man am Ufer entlanggeht, gibt es Naturpfade durch Berge und Wälder. Manchmal verlaufen sich Elche in die Stadt, und die Polizei muss sie vertreiben. Beste Reisezeit: Im Winter werden es leicht 20, manchmal 30 Grad unter Null. Wir haben ein Sprichwort in Norwegen: „Det fins ikke dårlig vær, bare dårlige klær.“ Das reimt sich auf Norwegisch und bedeutet etwa, dass es so etwas wie schlechtes Wetter nicht gibt, nur schlechte Kleidung. 42

zunehmend auch in Hinterhöfen. Zersiedelung und das Vordringen der Siedlungen ins Buschland haben viele Menschen in engen Kontakt mit den Beuteltieren gebracht. Im Gegensatz zu anderen einheimischen Arten kann das weit verbreitete Östliche Graue Riesenkänguru in der Nähe von Menschen existieren – bis sein Siedlungsraum von Golfplätzen und anderer Zivilisation eingeschlossen ist. Die Folgen zeigen sich in vermehrten Verkehrsunfällen, seltenen Känguru-Angriffen, aber auch in Überweidung der Vegetation und dem Verhungern der Tiere. Es gibt zwar einen Trend zur Kontrolle dieser Känguru-Populationen mit nichttödlichen Methoden wie Geburtenkontrolle, doch die Jagd ist schneller und billiger. Wie auf dem Land endet das Leben auf engstem Raum mit Kängurus oft damit, dass wir sie erschießen.

Befindlichkeiten Eine Studie der Universität Wollongong in New South Wales über die Einstellungen zu Kängurufleisch ergab, dass einige Teilnehmer wegen der „ikonischen“ Rolle der Tiere kein Känguru essen wollten. Ein Teilnehmer sagte, er würde kein Känguru essen, weil das Tier symbolisch für ihn als weißer Australier stehe. Es ist ein interessanter Befund, wenn der konservative Patriot die gleiche ethische Wahl trifft wie der grün wählende Veganer, und wenn stolze Weiße Kängurufleisch meiden, weil sie es genauso als Totem sehen wie die Aborigines der Western Desert. Im Gegensatz zu konservativen Känguru-Abstinenzlern stehen die fortschrittlichen Konsumenten, die Kängurufleisch wegen seiner wahrgenommenen Umweltfreundlichkeit essen. Mit


RÄTSEL

Der Ökologe Gordon Grigg regte Mitte der 1980er Jahre die moderne Känguruf leischindustrie als nachhaltige Form der Bewirtschaftung von Trockenzonen an, die gleichzeitig Schäden an Weiden und Nutzpf lanzen begrenzte.

der australischen Besonderheit der „kangatarians“ – der Vegetarier, die beim Kängurufleisch eine Ausnahme machen. Doch ihren grünen Heiligenschein mag die Kängurufleischindustrie zu Unrecht tragen. Dr. Louise Boronyak vom „Centre for Compassionate Conservation“ an der Technischen Universität Sydney ist eine von mehreren WissenschaftlerInnen, die nicht mit den Umweltnormen der Branche einverstanden sind. Das derzeitige Wirtschaftsmodell komme Jägern und Verarbeitern zugute, aber nicht Landwirten, die wenig Anreize für den Wechsel von Schafen zu Kängurus sehen. „Die Behauptung ist, dass durch Kängurufleisch der Konsum von rotem Fleisch von Rindern und Schafen reduziert würde, aber das ist nicht passiert“, sagt Boronyak. „Kängurufleisch hat die anderen Fleischindustrien nicht verdrängt, es ist einfach dazugekommen.“

Während die Kängurus beim Hüpfen, Grasen und der Aufzucht der Jungen nichts mitbekommen von der Identitätskrise, die sie auslösen, tun wir gut daran, uns daran zu erinnern, dass es nicht ihre Identität ist, um die es geht, sondern unsere eigene. Mit freundlicher Genehmigung von The Big Issue Australia / INSP.ngo

AUFLÖSUNG HEFT 07.19

Aber für Boronyak ist das Hauptanliegen der Tierschutz. „Das Problem ist, dass die Jagd nachts in ländlichen Gebieten stattfindet, unkontrolliert.“ Tierschützer sind seit Langem besorgt darüber, wie Kängurus gejagt werden. Drastisch zeigte das 2017 der Dokumentarfilm „Kangaroo: A Love Hate Story“, der massive öffentliche Reaktionen hervorrief. Doch Fiona Simpson, Präsidentin der „National Farmers‘ Federation“, sagte dem Fernsehsender ABC, dass der Film „Schocktaktiken“ anwende und ein „kompletter Witz“ sei. Angesichts der Reaktionen könnte man sagen, der Film wirkte wie ein Benzinkanister auf dem Grill mit den Kängurusteaks.

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REPORTAGE

Von draußen nach oben Sie stahl Essen und schlief auf der Straße, aber mit großer Entschlossenheit – und mit Hilfe von The Big Issue – drehte Sabrina CohenHatton ihr Leben um. Heute ist sie eine der ranghöchsten Feuerwehrfrauen Großbritanniens und leitete etwa die Einsätze nach den Terroranschlägen in London 2017. Fast nebenbei ist sie eine preisgekrönte Wissenschaftlerin und Autorin mit Doktortitel. Von Adrian Lobb | Foto: Louise Haywood-Schiefer

„Ich war 16 Jahre alt, als ich anfing, Straßenmagazine zu verkaufen. Naja, eigentlich war ich 15, ich habe mit meinem Alter geschummelt“, sagt Sabrina Cohen-Hatton. „Ich verkaufte The Big Issue nach der Schule. Ich lebte in der Innenstadt, ich machte kein Geheimnis daraus, dass ich obdachlos war. Ein Lehrer sah mich sogar die Zeitschrift verkaufen, aber er wechselte die Straßenseite, um mir nicht zu begegnen.“

HAN NOV ER

VERKÄUFER-REISEFÜHRER Thomas, 48, verkauft nach einer sehr schweren Zeit mit Obdachlosigkeit und Drogensucht das niedersächsische Straßenmagazin Asphalt. Café-Tipp: Die historische Altstadt ist ein guter Ort zum Bummeln, Verweilen und Einkehren. Das Café Konrad hat einen besonderem Charme und eine lebensfrohe Offenheit. Geheimtipp: Der Stadtteil Linden ist viel älter als Hannover und gilt noch heute als Arbeiterbezirk und sozialer Brennpunkt der Stadt. Alternative Lebensformen werden noch heute gelebt, und die Menschen kämpfen für Gerechtigkeit. Eine große, bunte Gemeinschaft mit viel Seele auf den Straßen und deren Gassen.

Sie lacht kurz bei dem Gedanken und nennt ihn leise einen Idioten. Jahrelang hat Cohen-Hatton solche Erinnerungen unterdrückt. Sie findet es schwierig, über ihre Vergangenheit zu sprechen, aber sie tut es jetzt, sagt sie, „um den Leuten, die sich heute in einer solchen Situation befinden, zu sagen: Deine Lebensumstände entscheiden nicht, wo du landest, sondern von wo aus du anfängst. Sie definieren dich nicht und bestimmen nicht, was du tun kannst.“ Mit 15 war Sabrina obdachlos. Ihr Leben vor den Toren Cardiffs war sechs Jahre zuvor durch den Tod ihres Vaters erschüttert worden, und wie viele junge Menschen rutschte sie durch das Netz der Hilfsdienste. „Das Leben war wunderbar, bis mein Vater krank wurde. Die Ärzte gaben ihm sechs Monate, am Ende waren es sechs Jahre. In meiner Familie macht einfach niemand, was man ihm sagt“, sagt sie. „Er war ein großartiger Mann. Meine Mutter hat seinen Tod nie verwunden. Nach seinem Tod ging es ihr psychisch sehr schlecht.“

Lieblingsplatz: Das „Faustgelände“ in Linden-Nord beherbergt ein großes soziokulturelles Zentrum mit jeder Menge Angeboten und mehreren Kneipen. Im Sommer ist hier jeden Sonntag Flohmarkt. Spar-Tipp: Ein guter Ort ohne Eintrittspreis ist der grüne Park „Tiergarten“, wo man sich zwischen freilebenden Wildtieren bewegt. In einer weitläufigen Anlage kann man Hirsche, Wildschweine oder Dachse beobachten. Der Wald der Tiere liegt unweit der Eilenriede, dem großen Stadtwald von Hannover. 44


Auf der Straße „Die Dinge waren wirklich schwierig. Wir waren völlig verarmt. Unser Schulessen war das einzige richtige Essen, das wir bekamen. Wir hatten keine Heizung und kein warmes Wasser, ich schwänzte den Schulsport – ich wollte mich nicht umziehen, weil meine Füße schmutzig waren.“ Sabrina Cohen-Hatton schlief auf fremden Sofas und bald immer wieder auf der Straße. „Du denkst, dass dir das nie passieren wird. Wir schliefen im Eingang einer leerstehenden Kirche, bis er vernagelt wurde. Danach schlief ich in der U-Bahn, bis ich aufwachte, als ein Typ auf meinen Schlafsack pinkelte.“ Unterstützung fand sie bei der britischen Straßenzeitung The Big Issue und einer Gruppe von Obdachlosen, die sich auf der Straße um sie kümmerten. „Es war wie eine Gemeinschaft, in gewisser Weise eine, die ich vorher nicht erlebt hatte“, sagt sie. „Denn wenn das Leben so schwierig ist, fühlt man sich sehr isoliert, auch innerhalb einer Familie.“

„Ich hatte großes Glück: Ich bin nie an Drogen geraten“, fährt sie fort. „Dabei kann man dieses Leben nicht leben, ohne mit Drogen in Kontakt zu kommen. Mit 17 war ich auf sieben Beerdigungen von Menschen, mit denen ich obdachlos gewesen war, die an einer Überdosis gestorben waren. Das passiert direkt neben dir. In einer Minute sind sie da, in der nächsten sind sie für immer weg. Alle diese Menschen sind der Sohn oder die Tochter von jemandem. Einige waren Mütter oder Väter. Und das ist es dann, das Leben wird ausgelöscht. Und das war wirklich, wirklich schwer.“

The Big Issue, Großbritannien

Menschen retten Nach ihrem Schulabschluss trifft Sabrina CohenHatton eine Entscheidung: „Als ich sah, wie Leute um mich herum starben, beschloss ich, auf Biegen und Brechen aus diesem Leben herauszukommen. Ich stand um 6 Uhr morgens auf und verbrachte eine Stunde im Bus, dann verkaufte ich The Big Issue von 7 bis 19 Uhr.“ Sabrina konnte drei Monatsmieten Kaution für eine billige Mietwohnung außerhalb von Newport sparen. „Es war nicht viel, aber es war meins. Und ich war sehr stolz darauf, dass ich es mir verdient hatte. Ich lebte dort mit

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REPORTAGE

meinem Hund Menace, der immer auf meinen Füßen schlief – so wie in der Zeit auf der Straße.“ Ab jetzt ging es bergauf. Sabrina Cohen-Hatton hatte ihren Wohnort wegen der niedrigen Miete gewählt, aber auch wegen der Nähe zu einer Feuerwache. „Ich wollte wirklich zur Feuerwehr gehen. Schon als ich obdachlos war, hatte ich mir das vorgenommen“, sagt sie. „Ich habe mich bei 30 Feuerwehren im ganzen Land beworben. Ich wäre überall hingegangen, aber ich habe den Job in Südwales bekommen. Und von da an war mein altes Leben vorbei.“ Dort stellte man jemanden ein, der Jahre ohne festen Wohnsitz verbracht hatte und dessen größte Leistung bis dahin gewesen war, Big-Issue-Verkäuferin der Woche gewesen zu sein – dreimal übrigens. Aber Sabrina war ehrgeizig, brachte ihre eigenen Erfahrungen und eine besondere Motivation mit: „Ich wusste, wie sich der Tiefpunkt anfühlt. Ich wusste, wie sich der schlimmste Tag

PR AG

VERKÄUFER-REISEFÜHRER Slavko Ševčík, 55, lebt seit 36 Jahren in Prag. Er hat eine Sehbehinderung, die es ihm schwer macht, Arbeit zu finden, und so begann er vor sieben Jahren mit dem Verkauf der tschechischen Straßenzeitung Nový Prostor. Café-Tipp: Wenn Sie jemals nach Prag kommen, wäre es eine Sünde, nicht das Café Slavia zu besuchen, das sich gegenüber dem Nationaltheater befindet. Museumstipp: In Prag muss man natürlich die Burg, aber auch Hradčany, die Burgstadt besuchen. Von der Alten Schlosstreppe hat man eine unvergleichliche Aussicht.

anfühlt. Und ich wusste ganz sicher, wie sich Verletzlichkeit anfühlt. Ich betrachtete die Arbeit als eine Gelegenheit, andere Menschen auf eine Weise zu retten, auf die mich niemand gerettet hat. Das ist etwas, das ich jeden Tag mitnehme, wenn ich zur Arbeit gehe.“

Dr. Cohen-Hatton Sabrina Cohen-Hatton stieg schnell auf, mit 25 leitete sie ihre Wache. Als sie fürchtete, dass ihr damaliger Verlobter und heutiger Ehemann, der selbst Feuerwehrmann ist, bei einem Einsatz verletzt wurde, traf sie eine weitere Entscheidung. „Es war ein Einsatz mit nur einem Fahrzeug, ich wusste, dass er dabei war. Als klar war, dass es einen Verletzten gab, standen die Chancen 1 zu 4. Es war einfach abscheulich“, erinnert sie sich. „Als ich sah, dass es ihm gut ging, hatte ich dieses Gefühl der Erleichterung, aber massive Schuldgefühle: Die ganze Zeit über drückte ich die Daumen, dass er es nicht war – und damit nicht nur ein Kollege, sondern einer unserer Freunde.“ Cohen-Hatton entschied sich, dies produktiv zu nutzen, indem sie nach Möglichkeiten suchte, die Zahl der Unfälle bei Einsätzen zu reduzieren: Sie studierte Psychologie. „Was ich bei meinen Forschungen herausfand, war, dass 80 Prozent aller Arbeitsunfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen sind. Nicht der Ausfall des Equipments oder fehlerhafte Abläufe, sondern einfache menschlicher Fehler. Jemand, der effektiv die falsche Entscheidung am falschen Ort zur falschen Zeit trifft – mit dem Ergebnis, dass Menschen verletzt werden. Ich begann zu versuchen, die Prozesse im Gehirn zu entschlüsseln, die in diesen Situationen ablaufen. Das hat mich direkt durch meine Doktorarbeit getrieben und beschäftigt mich seit fast einem Jahrzehnt.“ Ihre berufsbegleitende Promotion schloss sie in nur drei Jahren ab. Ihre inzwischen mehrfach preisgekrönte Forschung begann sie direkt nach der Geburt ihrer heute neunjährigen Tochter Gabriella. Wie geht so etwas? „Jemand sagte mir, dass man nicht dachte, dass ich es schaffen könne – das war alles, was ich brauchte.“ Mit freundlicher Genehmigung von The Big Issue UK / INSP.ngo

Geheimtipp: Prag hat so viele spannende Orte. Im dritten Innenhof der Prager Burg etwa befindet sich ein versteckter Garten, in dem Pflanzen aus aller Welt wachsen. Lieblingsplatz: Ich empfehle jedem, ein paar Leckereien zu kaufen und dann in die Schlucht von Modřany zu fahren. Du bist inmitten der Natur, aber gleichzeitig auch in der Nähe der Stadt. Du kannst die Zeit mit Freunden am Lagerfeuer verbringen, eine warme Mahlzeit genießen – es ist einfach schön. 46


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