bodo Juli 2020

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bodo DAS

07 | 20 Die besten Geschichten auf der Straße

IN STRASSENMAGAZ

2,50 Euro Die Hälfte für die Verkäuferin den Verkäufer

Die CoronaSymphoniker Seite 32

Judith Kuckart Seite 4

IN DER WILDNISSCHULE IM HOMEOFFICE

E D N E W D A R DI E E R ST R A S SE

AUF DER STRASSE IM RATHAUS

D R U C K VO N D

NUR MIT AUSWEIS

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IMPRESSUM

Herausgeber, Verlag, Redaktion: bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.: Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de 0231 – 950 978 12, Fax 950 978 20 Layout und Produktion: Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign info@lookatnoll.de Veranstaltungskalender: Petra von Randow, redaktion@bodoev.de

INHALT

In der Wildnisschule

Von Wolfgang Kienast

Anzeigenleitung: Susanne Schröder, anzeigen@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Vertriebsleitung: Oliver Philipp, vertrieb@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe: Dennis, Alexandra Gehrhardt, Peter Hesse, Aichard Hoffmann, Wolfgang Kienast, Max Florian Kühlem, Bastian Pütter, Petra von Randow, Sebastian Sellhorst, Ursula Maria Wartmann Titel: Daniel Sadrowski Bildnachweise: Brendan McDermid / Reuters (S. 16), Burkhard Peter (S. 4, 6), Projektraum Fotografie (S. 23), Daniel Sadrowski (S. 3, 12, 13, 14, 15, 18, 19, 20, 30, 32, 33, 34, 40, 41, 42), Sebastian Sellhorst (S. 2, 7, 8, 9, 10, 11, 21, 28, 46), Shutterstock.com (S. 22), The Big Issue (S. 45) Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien Auflage, Erscheinungsweise: 20.000 Exemplare, monatlich in BO, DO und Umgebung Redaktions- und Anzeigenschluss: für die August-Ausgabe 10.07. 2020 Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste 06. 2019 Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Vereinssitz: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund www.bodoev.de, facebook.com/bodoev Vorstand: Andre Noll, Verena Mayer, Marcus Parzonka verein@bodoev.de

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Der Naturführer und Wildnistrainer Martin Maschka betreibt zwischen Hattingen und der Elfringhauser Schweiz eine Bildungsstätte ohne Tafel, Klassenzimmer, Pausenglocke oder Noten. Dafür gibt es Gelbbauchunken, Zauneidechsen und ein Loblied auf die Brennnessel.

„Lieber so als gar nicht“

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Desinfektionsständer am Notenpult, stetig wechselnde Abstandsregeln für Blechbläser, Personenhöchstgrenzen auf und hinter der Bühne und die Angst, zu husten: Wir haben die Vorbereitung der Bochumer Symphoniker auf ihr erstes Konzert in Corona-Zeiten begleitet. Von Max Florian Kühlem

Die Radwende

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Nirgends in Deutschland gibt es mehr Autos pro Kopf als in Bochum. Ein Fahrradverkehrskonzept blieb über Jahre Absichtserklärung, selbst Hauptstrecken in der Innenstadt sind für Radfahrer lebensgefährlich. Doch inzwischen entsteht Bewegung, durch Druck von der Straße. Von Bastian Pütter

Geschäftsleitung, Verwaltung: Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, verein@bodoev.de Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt, Bastian Pütter 0231 – 950 978 0, redaktion@bodoev.de Transporte, Haushaltsauflösungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln, 0231 – 950 978 0, transport@bodoev.de Buchladen, Spendenannahme Dortmund: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund: Schwanenstraße 38, 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 – 13 Uhr Spendenannahme Bochum: Kleiderkammer Altenbochum und Laer Liebfrauenstraße 8 – 10, 44803 Bochum Mo. 10 – 13 Uhr, Sa. 10 – 12 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Bochum: Henriettenstraße 36, Ecke Bessemerstraße 44793 Bochum, Mo., Do., Fr. 11 – 14 Uhr Di. 11 – 17.30 Uhr, Mi. 8 – 14 Uhr Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00 BIC: BFSWDE33XXX

Dennis, bodo-Verkäufer in Dortmund Liebe Leserinnen und Leser, ich hoffe, Sie sind gesund. Bei mir läuft es gerade sehr gut. Vor kurzem bin ich in ein Wohnprojekt der Diakonie in Dortmund eingezogen. Dort habe ich endlich ein eigenes Zimmer, eine Tür, die ich hinter mir zumachen kann, ein vernünftiges Bett und einen eigenen Kühlschrank. Nur das Bad und die Küche muss ich mir mit den anderen Bewohnern teilen. Das ist nach der Zeit in der Männerübernachtungsstelle, in der ich mit zwei anderen Leuten auf einem Zimmer war, eine echte Erleichterung für mich, und ich komme etwas zur Ruhe. Gerade jetzt in Zeiten von Corona. Jetzt warte ich darauf, dass die sozialen Stadtführungen von bodo wieder losgehen können. Dann werde ich mich nämlich auch als Stadtführer hier in Dortmund versuchen und hoffentlich einigen Interessierten die anderen Seiten von Dortmund zeigen. Im nächsten Monat starten unsere regelmäßigen Führungen wieder, ich freue mich darauf. Bis dahin. Viel Spaß beim Lesen und bleiben Sie gesund! Ihr Verkäufer Dennis

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EDITORIAL

04 Menschen | Judith Kuckart 07 Straßenleben | Immer noch Krise 08 Neues von bodo 12 Reportage | In der Wildnisschule 16 Das Foto 16 Mieten & Wohnen | Home-Office: Was ist erlaubt? 17 Kommentar | Wieso Generalverdacht? 17 Die Zahl 18 Interview | Maresa Feldmann 21 Soziales | Zur Kasse 22 Wilde Kräuter | Schmalblättriges Weideröschen 23 Kultur | 10 Jahre Projektraum Fotografie 24 Veranstaltungskalender 29 Kinotipp | Die Kordillere der Träume 30 bodo geht aus | Gut Königsmühle 32 Reportage | Corona-Symphoniker 35 Bücher 36 Gesellschaft | Rassismus: Vier Positionen 40 Reportage | Die Radwende 43 Eine Frage… | Eichen-Prozessionsspinner 44 bodo Shop | Leserpost 45 Leserpost | Rätsel 46 Verkäufergeschichten | Cetin

Liebe Leserinnen und Leser, erinnern Sie sich an „Vor dem Virus sind wir alle gleich“? Kalendersprüche kosten nichts, und so gibt es kaum ein Medienhaus, in dem dieser Satz nicht mehrfach gedruckt, keinen Sender, in dem er nicht mehrfach zur Anmoderation genutzt wurde. Aus dem Elfenbeinturm selbsternannter „Zukunftsforscher“ – Geschäftsmodell: Danebenliegen – wurde zusätzlich das Ende von Zynismus, Hassdebatten und der Überbewertung des Ökonomischen ausgerufen: „Wichtiger sind gute Nachbarn und ein blühender Gemüsegarten.“ Wenige Monate später sind eigentlich unbewohnbare Wohnblocks zu Quarantänefallen für MigrantInnen geworden, die Covid19-Erkrankten sind die Ausgebeuteten der Fleischindustrie in ihren verschimmelten Massenunterkünften und Geflüchtete in Lagern. Naja, und wir schlagen uns mit Bußgeldern für Wohnungslose herum, die man in Notunterkünften in Mehrbettzimmer schiebt, aber die auf der Straße vermeintlich Abstandsregeln missachtet haben. Entschuldigen Sie den schlechtgelaunten Einstieg, der nur eines sagen soll: Der berechtigte Optimismus, die Freude am Gelingenden, am Guten und Schönen darf nicht erkauft sein mit dem Ausblenden dessen, was da auch noch ist: Krisen verstärken soziale Ungleichheit, ihre Fliehkräfte verlangen die Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Wie übrigens auch sonst versuchen wir uns in diesem Heft an jenem weiteren Blick. Denn: Das blöde Virus hin oder her, unsere Welt bleibt gestaltbar.

Ihre Meinung ist uns wichtig. Seite 44

Viele Grüße von bodo Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de

Von Nothilfe bis Neuanfang: Helfen Sie helfen.

Viele Anlaufstellen und Tagesaufenthalte für Wohnungslose, oft die einzigen Orte, um zur Ruhe zu kommen, müssen geschlossen bleiben oder sind nur eingeschränkt nutzbar. Wir beraten, versorgen und helfen auf der Straße. Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00

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MENSCHEN

Vom Ausräumen des Kitschverdachts „Wenn man Faszination und Lust auf etwas entwickeln will, muss eine bestimmte Zeit vergangen sein“, sagt die Autorin, Tänzerin und Regisseurin Judith Kuckart. Ihren emotionalen Abschied von der Stadt Dortmund erlebte sie 1973 in ihrer Teenagerzeit. Das ist lang genug her, um jetzt richtig Lust zu haben auf ihren Job als Dortmunder Stadtschreiberin. Von Max Florian Kühlem | Fotos: Burkhard Peter

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ur Aufgabe der Stadtschreiberin gehört laut Ausschreibung, den inhaltlichen Schwerpunkt auf die „Transformation Dortmunds von der Stadt der Montanindustrie zum Standort von Wissenschaft, Technik und Dienstleistungen“ zu legen. Das ist für Judith Kuckart kein Problem: „Ich habe wahrscheinlich das gleiche Dortmundbild wie eine Fremde zum Beispiel aus der Schweiz“, sagt sie. „Es ist ein Bild, das unter Kitschverdacht steht. Ein Bild wie aus Ralf Rothmanns ‚Junges Licht‘. Aber ich erinnere mich noch an den Schmutz und wie wir mit der Nagelbürste gewaschen wurden.“ Judith Kuckart wuchs zwar in Schwelm auf, verbrachte aber einen prägenden Teil ihrer Kindheit bei Verwandten in einer Bergarbeitersiedlung in Dortmund-Hörde. Die Transformation des Stadtteils kennt sie: In der Nähe des künstlich angelegten Phoenix-Sees leben immer noch Verwandte. „Eigentlich ist das ein schrecklicher Ort“, gesteht sie irgendwann ein. „Er lässt mich an Los Angeles denken, wo ich einmal in die Villa eingeladen war, in der Lion Feuchtwanger gelebt hatte. Das war eine absolut abgeschottete Community, die Autos fuhren direkt in das Kellergeschoss hinein, und draußen an den geleckten Ecken lagen die Obdachlosen.“ In den Neubauvierteln von Hörde kann Judith Kuckart diese Entwicklung im Ansatz erkennen: „Das, was drum herum gebaut ist, ist so künstlich wie der Phoenix-See. Das ist Ausdruck für einen Strukturwandel, bei dem ich mich frage, wie schnell die Menschen hinterherkommen, wie es ihnen damit geht.“ Dort verläuft für sie eine Grenze – zwischen gestern und morgen, zwischen den unterschiedlichen Milieus, die dort wohnen und dort ihre Freizeit verbringen, feiern. „Solche Grenzstellen interessieren mich. Das Niemandsland zwischen dem Neuen und dem Alten. Wie laut darf man hier sein, wie leise dort?“ Auch ihre eigene Biographie weist eine Transformation, einen Wandel auf: Nach ihrer Tanzausbildung an der Folkwang-Universität Essen studierte Judith Kuckart Literaturund Theaterwissenschaft in Köln und Berlin, arbeitete aber erst einmal viele Jahre als Tänzerin und Choreographin. 1989, im Jahr, das alle und alles in einen Strudel der Ver-

Judith Kuckart geboren in Schwelm, lebt in Zürich und Berlin Neuer Lieblingsort in Dortmund: Der Club Domicil Alter Lieblingsort in Dortmund: „Das war ein Laden an einer Bushaltestelle in Hörde, wo man Abziehbildchen kaufen konnte. Den gibt es aber gar nicht mehr.“ Aktueller Roman: Kein Sturm, nur Wetter.

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MENSCHEN

änderung riss, schrieb sie selbst einen Text für das Tanzstück „Charlotte Corday, Mörderin Marie“ am Opernhaus Duisburg. „Zwanzig Minuten vor Premierenbeginn fiel die zweite Hauptrolle aus“, erinnert sie sich. Also zwang sie sich selbst in deren eigentlich zu kleines Kostüm, quälte sich durch die Rolle und hörte, während sie vorne an der Rampe zur Musik der Einstürzenden Neubauten tanzte, zwei ältere Damen sagen: „Hätte sie sich nicht wenigstens mal die Beine rasieren können?“ Hinterher stand dann eine andere Dame in der Tür ihrer Garderobe: „Das war ganz toll! Von wem waren denn die Texte?“ Die Frau war Monika Schoeller, Leiterin der S. Fischer Verlage. Bei einem Spaziergang durch Duisburg sagte sie zu Judith Kuckart: „Ich glaube, sie können einen Roman schreiben.“ Und als die Tänzerin und Choreographin das vorgeschlagene Vorschusshonorar vorgelegt bekam, glaubte sie das auch.

Die Stelle der Dortmunder Stadtschreiberin war die erste seit zehn Jahren, auf die sie sich selbst beworben hat. Die Verlockung war einfach zu groß.

Heute lebt Judith Kuckart ganz selbstverständlich mehrere Identitäten, heimst für ihre literarische Tätigkeit Preise wie den Literaturpreis Ruhrgebiet 2009 ein, inszeniert aber auch Theaterstücke, und Stipendien bringen sie nach Südafrika, Istanbul oder New York. „Meistens ist das zuletzt auf Einladung geschehen“, sagt sie. „Ich finde, man sollte sich ab einem bestimmten Alter nicht mehr auf Stipendien bewerben, um den Jüngeren den Platz zu lassen.“ Die Stelle der Dortmunder Stadtschreiberin war die erste seit zehn Jahren, auf die sie sich selbst beworben hat. Die Verlockung war einfach zu groß. Eigentlich hätte sie ihre Arbeit hier schon im Frühjahr aufnehmen sollen. Doch auch ihre Pläne wurden von der Corona-Krise durchkreuzt. „Nach jetzigem Stand bleibe ich vom 1. August bis Ende Januar“, sagt sie, „muss dann parallel aber auch andere Aufgaben bewältigen. Meine Zeit war eigentlich bis 2022 durchgeplant.“ Als Langzeitprojekt will sie in Dortmund für einen Roman recherchieren, der den Arbeitstitel „Die Unsichtbaren“ trägt. Mehr verrät sie nicht, weil sie glaubt, dass man im Vorhinein nicht zu viel über ein Schreibvorhaben reden sollte. Was sie aber verrät: dass sie generell am Thema „Verschwinden“ interessiert ist. „Meine Familie ist polnisch und irgendwann eingewandert als angeworbene Bergarbeiter“, erzählt sie, „und es ist, als wäre die Landschaft mit den Menschen hierher gekommen. Ich erinnere mich manchmal an Landschaften, die ich gar nicht kenne. Die Erzählungen der Verwandten wandern in den Kopf, als wären es die eigenen Erinnerungen.“ Neben ihrem Roman will sie ein Erzähltheaterprojekt mit Menschen aus Hörde realisieren, ein visuelles Tagebuch mit dem Arbeitstitel „Sätze mit Datum“, und drei Lesungen mit LieblingsautorInnen im Literaturhaus Dortmund organisieren: Peter Stamm, Gunther Geltinger und Ivette Vivien Kunkel werden kommen. Daneben arbeitet sie nach Jahren wieder an einer Tanztheaterpremiere, wahrscheinlich für das Theater Dortmund, die die gealterten Mitglieder ihrer Kompanie Skoronel wieder zusammenbringen wird. „Wie schafft man es, dass das Prekäre seine eigene Art von Glanz behält? Wie schafft man es, dass man gerne lebt bis zum Schluss?“, sind ihre Leitfragen für das Stück mit dem Titel „Die Erde ist gewaltig, doch sicher ist sie nicht“. Aber eigentlich versucht Judith Kuckart, die in der Nordstadt am Borsigplatz leben wird, keine allzu detaillierten Ziele und Pläne zu verfolgen: „Ich kann ja nicht mit meinen Erwartungen durch die Gegend laufen und schauen, ob die Stadt sie erfüllt.“

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STRASSENLEBEN

Immer noch Krise Während in mehr und mehr Bereichen nach dem Lockdown so etwas wie Normalität zurückkehrt, ist die Lage von Wohnungs- und Obdachlosen weiter problematisch. Von den Lockerungen der vergangenen Wochen war die Wohnungslosenhilfe quasi ausgeschlossen, noch immer fehlen Beratungsorte und Aufenthaltsräume. Doch nun werden die ersten Nothilfeangebote zurückgefahren. Von Alexandra Gehrhardt | Foto: Sebastian Sellhorst

Seit mehr als drei Monaten sind Tagesaufenthalte geschlossen und Beratungsstellen häufig im Notbetrieb, Mahlzeiten gibt es nur zum Mitnehmen. Es fehlen wichtige Aufenthaltsräume, die Orte des Kontakts und Schutzräume sind vor Witterung, Stigmatisierung und staatlicher Sanktion, die auch in der Pandemie konsequent ist (bodo 06.20). Wann sie wieder öffnen, ist ungewiss. In Bochum fiel mit der Schließung der Suppenküche im Fliednerhaus das einzige Angebot einer täglichen warmen Mahlzeit weg. Ein Ersatzangebot zum Mitnehmen erfasst nur eine Teilgruppe der bisherigen Nutzer. In Dortmund fingen vor allem nichtstaatliche Organisationen die größte Not auf und schafften es, täglich Frühstück und eine warme Mahlzeit anzubieten. Das funktionierte bisher vergleichsweise gut. Doch nun werden die HelferInnen der vergangenen Wochen wieder an ihren eigentlichen Arbeitsplätzen gebraucht,

und das wohl auf Kosten der Nothilfe. Das „Streetworker-Café“ des Jugendamtes musste sein Angebot eingrenzen und Hilfesuchende über 27 wegschicken. Der Wärmebus hat seine Touren schon von sieben auf zwei Tage reduziert. Derweil steigen die Zahlen bei den Einrichtungen. Denn zu den klassischen Wohnungslosen und Armen kommen nun die, die bisher noch irgendwie klarkamen und die erst jetzt durch Kurzarbeit, Jobverlust oder den Wegfall von Tafeln und Schulspeisungen ins Straucheln kommen. Sozialverbände warnen vor wachsender Armut infolge der Pandemie, die Nationale Armutskonferenz sieht die Ärmsten nicht genug gegen die sozialen Folgen der Krise abgesichert. Anfang Juni hat die Bundesregierung einen Kinderzuschlag von einmalig 300 Euro verabschiedet. Ein Zuschlag für alleinlebende SozialleistungsempfängerInnen, wie von Verbänden gefordert, ist nicht Teil des Konjunkturpakets.

Seit Monaten im Notbetrieb: Während andere Bereiche Stück für Stück zur Normalität zurückkehren, ist in der Wohnungslosenhilfe von Entspannung wenig zu spüren. Und die Zahl der Hilfesuchenden steigt.

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NEUES VON BODO

Geierabend für bodo Seit vielen Jahren sind die Menschen hinter dem Ruhrpott-Comedy-Kabarett-Karneval Geierabend Freunde und Unterstützer. In jeder Session ist auch bodo-Verkäufer Harald bei den Vorstellungen – und unsere große Spendenbox. Die füllen die ZuschauerInnen nach und nach mit ungenutzten Wertmarken, das Ensemble spendet den Gegenwert dann an uns – in diesem Jahr sind 7.725 Euro zusammengekommen! „Gerade jetzt hilft uns die Spende sehr“, freut sich bodo-Vertriebsleiter Oliver Philipp, „wir können so weiterhin Menschen auf der Straße versorgen und diejenigen Verkäufer unterstützen, die zu Risikogruppen gehören und noch nicht wieder mit dem Magazin auf die Straße können.“ Herzlichen Dank! Wir freuen uns, dass es trotz Corona auch für den Geierabend weitergeht, vom 9. bis 12. Juli im Schalthaus auf Phoenix West. Glück auf! (s.S.25).

TERMINE

Dürfen wir Sie auf dem Laufenden halten? Dinge ändern sich schnell in Zeiten von Corona. Aktuelle Informationen auf www.bodoev.de und in unserem Newsletter:

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Hausbesuche

Hygienezentrum

Das Frauenzentrum Dortmund, das GastHaus und bodo haben sich zusammengeschlossen, um Familien in der Not zu unterstützen. Noch immer fallen Versorgungsangebote in Schulen zu großen Teilen weg, auch Tafeln fahren ihre Angebote erst langsam wieder hoch. Auch bei den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe ist sichtbar geworden, wie unmittelbar das Wegfallen von Versorgungsangeboten ganze Familien trifft. „Wir sind erschrocken über die Armutsproblematik, die sich mit der Pandemie entwickelt hat“, sagt Karin Lauterborn vom Gast-Haus. Einmal in der Woche liefern die Einrichtungen an rund 20 Familien mit Kindern, die sie in ihrer Arbeit begleiten, Pakete mit Lebensmitteln aus.

Seit Mitte April betreiben Gast-Haus, das Team Wärmebus und bodo ein temporäres Hygienezentrum für alle, die keine eigene Wohnung oder keine adäquate Duschmöglichkeit haben. Weil bestehende Einrichtungen durch die Corona-Vorschriften weiter geschlossen bleiben müssen, schließt das Angebot eine große Versorgungslücke. Die BesucherInnen erhalten außer einer kostenlosen Dusche auch ein Wäsche- und Hygienepack. Nach jedem Gebrauch werden die Duschbereiche von einer professionellen Reinigungsfirma fachgerecht gereinigt und desinfiziert. In den ersten acht Wochen nutzten rund 1.200 Menschen die Einrichtung, die zu 80 Prozent ausgelastet ist.


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Unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Dortmund haben sich rund 200 gemeinnützige Vereine, Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen. Sie bieten Unterstützungsleistungen in allen Lebensbereichen an:

Stadtführungen Es geht langsam wieder los: Mit einem neuen Konzept und neuen Stadtführern kommen unsere sozialen Stadtführungen aus der Corona-Pause. Gruppenbuchungen sind ab sofort möglich, die monatlichen offenen Führungen in Dortmund und Bochum starten wieder am zweiten bzw. dritten Samstag im August.

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Beratung bei Ehe- und Lebenskrisen Unterstützung bei der Betreuung von Kindern Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene Unterstützung bei psychischen Erkrankungen Hilfen für Menschen mit Behinderungen Hilfen in Notlagen und bei besonderen sozialen Schwierigkeiten Selbsthilfeunterstützung

Kontakt über Paritätischer Wohlfahrtsverband NRW Kreisgruppe Dortmund Ostenhellweg 42-48/Eingang Moritzgasse | 44135 Dortmund Telefon: (0231) 189989-0, Fax: -30 dortmund@paritaet-nrw.org | www.dortmund.paritaet-nrw.org

„Normalbetrieb“ Bis auf weiteres – eine Einschränkung, an die wir uns in Corona-Zeiten schon fast gewöhnt haben –, geht bei bodo vieles wieder seinen gewohnten Gang. Wir sind zu den üblichen Bürozeiten zu erreichen, Buchladen und Kleiderkammer haben wieder die eingespielten Öffnungszeiten. Schmerzlich vermissen wir immer noch die Möglichkeit, unsere Anlaufstellen zum Frühstück, zum Aufenthalt und zur Beratung zu öffnen. Noch immer findet Wohnungslosenhilfe meist unter freiem Himmel statt. Eine besondere Belastung für die Menschen, denen eigene Rückzugsorte fehlen. Wir selbst vermissen vor allem die Vorträge, Diskussionsveranstaltungen und Schulbesuche.

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Die Hälfte für den Verkäufer

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VIDEOÜBERWACHUNG

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Knast und Krise Seite 18

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NUR MIT AUSWEIS

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bodo in Zahlen 16 Seiten mehr

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HEUTE: KEIN KONZERT

Covid-19 und Obdachlosigkeit

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Die besten Geschichten auf der Straße

Die Hälfte für den Verkäufer

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NEUES VON BODO

Notunterkünfte schützen! 14 Vereine, Netzwerke und Initiativen, unter ihnen bodo e.V., haben einen offenen Brief an Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und Sozialdezernentin Britta Anger verfasst. Darin drücken sie ihre große Sorge um die Situation in den Bochumer Not- und Sammelunterkünften für Wohnungslose und Geflüchtete aus. Unterzeichnet ist der Brief außerdem vom Initiativkreis Flüchtlingsarbeit, in dem sich mehr als 40 Bochumer Organisationen zusammengeschlossen haben. Gemeinsam fordern die Organisationen acht Maßnahmen, um die Unterbringungssituation zeitnah und substanziell zu verbessern, „damit notwendige Abstands- und Hygieneregeln überhaupt eingehalten werden können“. Notwendig sei vor allem die „konsequente und weitreichende Reduzierung der Belegungsdichte“ durch die Anmietung zusätzlicher Wohnungen und ggf. Hotel- und Herbergskapazitäten.

SOZIALES Häusliche Gewalt während Corona: Rund drei Prozent der Frauen und 6,5 Prozent der Kinder in Deutschland wurden während der strengen Kontaktbeschränkungen zu Hause Opfer körperlicher Gewalt. Besonders belastende Einwirkungen wie Quarantäne, finanzielle Nöte oder Depression machten die TU München und das RWI Leibniz Institut für Wirtschaftsforschung in der Studie mit 3.800 Teilnehmerinnen als Risikofaktoren aus. SGB-II-Regelsatz reicht nicht: Nach einer Forsa-Umfrage halten 80 Prozent der Bevölkerung das gesetzliche Existenzminimum in Deutschland für zu niedrig. Rund 728 Euro nannten die Befragten im Durchschnitt als notwendig für das Bestreiten des Lebensunterhaltes – der SGB-II-Regelsatz liegt zurzeit bei 432 Euro. Einen Corona-Zuschlag für Leistungsbeziehende hat die Bundesregierung im Juni abgelehnt. Sicheres Zuhause für alle: Bundesweit protestierten am 20. Juni Initiativen gegen steigende Mieten und für eine grundlegende Wende in der Wohnungspolitik. Auch in der Coronakrise sind die Mieten weiter gestiegen, das dreimonatige Zahlungsmoratorium für MieterInnen in Finanznöten wird Ende Juli auslaufen. Eine Anschlussregelung, wie vom Mieterbund und den Verbraucherzentralen gefordert, existiert bisher nicht. Kein Cent für die Pflege: Ihnen wurde gedankt und für sie geklatscht. Wenn es um strukturelle Verbesserungen geht, bleiben PflegerInnen in Zeiten von Corona jedoch größtenteils außen vor. Die im Mai beschlossene Einmalzahlung von bis zu 1.500 Euro greift bisher nur in der Altenpflege, nicht aber in Kliniken oder in der Pflege von chronisch Erkrankten. Im Konjunkturpaket der Bundesregierung taucht der Begriff nicht auf. 10

Helfen statt Laufen Eigentlich wären Ende Mai rund 150 Läuferinnen und Läufer aus Dortmund zu ihrer „100km RundumDortmund“-Tour gestartet. Seit 2006 veranstalten die Lauftreffs Bittermark, Wischlingen, BrechtenGrävingholz, Dortmund-Ost und die Viermärker Waldlauf-Gemeinschaft die fünf Termine entlang des „Dortmunder Rundwegs“. Corona-bedingt fällt die Veranstaltung in diesem Jahr aus. Das Organisationteam beschloss, die Startgelder zu spenden: bodo freut sich über eine Spende von 3.425 Euro. „Die Läuferinnen und Läufer unterstützen damit die Notversorgung Wohnungsloser“ sagt bodoGeschäftsführerin Tanja Walter. „Vielen Dank an alle SpenderInnen!“


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0231 – 950 978 0 bodo ist für Sie da Zentrale Rufnummer 0231 – 950 978 0 Mo. bis Fr. 9 – 16 Uhr Mail: info@bodoev.de Fax: 0231 – 950 978 20 Spendenannahme DO Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr Sa. 10 – 14 Uhr Spendenannahme BO Kleiderkammer Altenbochum und Laer Liebfrauenstraße 8 – 10 44803 Bochum Mo. 10 – 13, Sa. 10 – 12 Uhr

Ansprechpartner Geschäftsleitung: Tanja Walter verein@bodoev.de Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt Bastian Pütter redaktion@bodoev.de Anzeigen: Susanne Schröder anzeigen@bodoev.de Vertrieb: Oliver Philipp vertrieb@bodoev.de

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Westenhellweg 81 • 44137 Dortmund Tel./WhatsApp* 0231 84 01 00 90 schwanen@ausbuettels.de *Bitte beachten Sie bei der Benutzung von WhatsApp unsere Hinweise zum Datenschutz. Diese erhalten Sie in unseren Apotheken oder unter www.ausbuettels.de/datenschutz.

bodos Bücher: Julia Cöppicus buch@bodoev.de Haushaltsauflösungen und Entsorgungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln transport@bodoev.de

bodo packt an

Hallo Bochum!

Bisher am besten durch die Krise gekommen ist unser Beschäftigungsprojekt „Transport“, das auch unter Lockdown-Bedingungen ohne Pause und mit großem Einsatz Haushaltsauf lösungen durchführte, Keller- und Dachböden besenrein entrümpelte, Kartons und Kisten transportierte, Gartenabfälle entsorgte und vieles mehr. Nun ist wieder etwas Luft im Terminkalender, und unsere Teams freuen sich auch auf Ihren Auftrag. Mit unserer Teamleiterin Brunhilde Posegga-Dörscheln können Sie kurzfristig einen Besichtigungstermin verabreden, wir erstellen danach einen unverbindlichen Kostenvoranschlag. Sie erreichen uns unter 0231 – 950 978 0 oder per Mail unter transport@bodoev.de

Noch ist die Tinte unter dem Mietvertrag kaum getrocknet, und ein Zeitplan für Renovierung und Einzug steht auch noch nicht – mitteilen wollen wir es trotzdem schon einmal: bodo beseitigt ein lange beklagtes Ungleichgewicht und eröffnet auch in Bochum einen Buchladen! Voraussichtlich im September eröffnet in unmittelbarer Nähe des Schauspielhauses auf der Königsallee „bodos Bücher Bochum“, ein modernes Antiquariat als Beschäftigungs- und Qualifizierungsprojekt, getreu unserem Motto „Bücher schaffen Stellen“. Auch unsere VerkäuferInnen freuen sich, gibt es damit doch endlich wieder eine Ausgabestelle des Straßenmagazins in zentraler Lage. Mehr dazu im nächsten Heft.

en lassen.“ „Nicht ärgern. Berat © by Photocase.de

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Mieter schützen · Mietern nützen!

Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.

Mieterverein

Bochum, Hattingen und Umgegend e.V.

Brückstraße 58 44787 Bochum Tel.: 0234 / 96 11 40 mieterverein-bochum.de

Kampstr. 4 44137 Dortmund Tel. 0231/557656-0 mieterverein-dortmund.de

Öffnungszeiten Mo - Do 9:00 - 18:00 Fr 9:00 - 12:00

Öffnungszeiten Mo - Do 8:30 - 18:00 Fr 8:30 - 14:00

Mitglieder im Deutschen Mieterbund

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REPORTAGE

Nicht der Englische Garten Hören, Riechen, Schmecken, Sehen, Tasten – das sind die fünf Sinne, mit denen Menschen ihre Umwelt wahrnehmen. Mit allen Sinnen die Natur bewusst zu erleben ist eine unvergleichliche Erfahrung. Ein Ort, an dem es möglich ist, wo man viel lernen kann, ist die Wildnisschule Ruhr. Der Naturführer und Wildnistrainer Martin Maschka zeigt uns die Bildungsstätte ohne Tafel, Klassenzimmer, Pausenglocke oder Noten. Von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski

Die Wildnisschule Ruhr bei Hattingen Richtig wild sieht es momentan am Zippe 50 aus. Das ist die Adresse der außergewöhnlichen Lehranstalt in Sachen Natur. Die Wildnisschule liegt südlich der Ruhr, zwischen Hattingen und der Elfringhauser Schweiz. Auf dem Gelände schickt sich üppig wucherndes Grün an, die schmalen Pfade zu überkrauten. An mehreren Stellen entziehen sich die Wasserf lächen der zahlreichen Teiche und Tümpel bereits neugierigen Blicken. Laut vernehmliches Quaken von Fröschen zeigt an, dass sie bewohnt sind. Vögel singen, Bienen summen, Schmetterlinge tanzen im Wind. Eine Feuerstelle wirkt verwaist.

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Coronabedingt musste auch die Wildnisschule im Frühjahr ihre Tore schließen. Alle Veranstaltungen wurden abgesagt. Doch der Dornröschenschlaf endet bald: Mit reduzierten Teilnehmerzahlen und unter besonderen Auflagen darf das Sommerprogramm starten. Längst ausgebucht ist das beliebte Kinder-Feriencamp. Bis die Kinder kommen können, ist allerdings noch viel zu tun. Martin Maschka sieht es gelassen. „Hier darf und soll ja alles wild wachsen“, sagt er. „Wir wollen schließlich keinen Englischen Garten haben.“ Mit beiden Händen streicht er über Blüten von Wilder Möhre und Margeriten. Maschka hat schon ganz andere Sachen geschafft.

Wildwuchs mit System Die Anfänge der Wildnisschule gehen zurück auf die 1980er Jahre. Damals hatte das Hattinger Arbeitslosenzentrum (HAZ), ein 1984 gegründeter Jugendhilfeverein, am Zippe ein ökologisches Garten- und Landschaftsbauprojekt ins Leben gerufen. „Bei denen habe ich 1998 ein Praktikum gemacht“, erzählt Maschka. „Ich war fünfzehn und hatte gerade meine Eltern verloren. Beide sind kurz nacheinander an Krebs verstorben. Es war bestimmt auch Ablenkung vom Tod meiner Eltern, dass ich begonnen habe, mich so intensiv für den Naturschutz zu engagieren. Ein Jahr


später habe ich mich in der Eifel zum Naturführer ausbilden lassen. Den Kontakt zum HAZ habe ich gehalten. Hier wurden dann die ersten Steinmauern und kleine Teiche angelegt. Und ich dachte mir, wenn das Gelände irgendwann einmal nicht mehr genutzt werden sollte, würde ich es gern selber pachten.“ Eigentümerin ist die Stadt Hattingen. Den erhofften Pachtvertrag bekam Martin Maschka um die Jahrtausendwende. Er pflanzte vierundfünfzig Obstbäume, Pflaumen, Pfirsiche und alte Apfelsorten. Der Erlös aus Führungen und Sponsorengeldern reichte für einen großen Teich. Ein

Steinbruch spendete Trümmer für weitere Mauern, wo jetzt Ringelnattern, Eidechsen und Blindschleichen Unterschlupf finden. Unterstützung kommt von mehreren Landschafts- und Gartenbaubetrieben. Sie stiften Material für Totholzhaufen oder Insektenhotels, die in der Wildnisschule gefertigt und an Kindergärten oder Grundschulen abgegeben werden. „Am Anfang habe ich alles allein gemacht. Das war wahnsinnig viel Arbeit. Man stößt an seine Grenzen. Inzwischen sind wir ein Team von drei selbständigen Umweltpädagogen. Außerdem haben wir den Verein ‚Artenschutz Ruhrgebiet‘

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REPORTAGE

mit ins Boot geholt.“ Das bedeutet helfende Hände und die Möglichkeit, Spendenquittungen auszustellen.

Zauneidechse und Gelbbauchunke

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wir die Jungtiere hier wieder aus. Das ist ja eine vom Aussterben bedrohte Art, und wir können ihr ein wichtiges Refugium zum Überleben in der freien Natur bieten.“

Die Naturführer und der Verein betreuen nicht nur das Areal am Zippe. In der näheren Umgebung stehen fünf weitere Grundstücke unter ihrer gemeinsamen Obhut, zum Beispiel eine Feuchtwiese im Felderbachtal. Dort werden regelmäßig Krötenzäune errichtet. Erträge müssen die reinen Schutzgebiete nicht erzielen. Gelegentlich findet mal ein Kurs im Sensen und Dengeln statt. Dann kann es vorkommen, dass ein Bauer um Ratschläge fragt, der seinen Hof auf nachhaltigen und Biobetrieb umstellen möchte.

Die Tätigkeit der Wildnisschule spricht sich herum. Sonst wäre vor einiger Zeit wohl kaum der Anruf aus Sprockhövel gekommen. Es hieß, beim Abriss einer Gartenlaube wären mehrere Gelbbauchunken gefunden worden. Martin Maschka war skeptisch. Seit den 1940er Jahren gilt die Gelbbauchunke im Ruhrgebiet als ausgestorben. Dennoch setzte er sich ins Auto und staunte nicht schlecht, als man ihm an der genannten Adresse tatsächlich die versprochenen Amphibien zeigte. Vermutlich hatte sie jemand ausgesetzt. Seither haben sie ihren Platz in der Wildnisschule.

Kooperationen gibt es mit anderen Vereinen, Veranstaltern, Umweltbehörden, der Stadt Hattingen und dem Tierpark Bochum. „Der bekommt Zauneidechsen von uns. Wenn sich bei denen Nachwuchs einstellt, setzen

Es ist kein Geheimnis, dass mit seltenen Tieren illegal Handel getrieben wird. Auf dem Schwarzmarkt werden mitunter hohe Preise erzielt. Aus diesem Grund wird das Gelände am Zippe rund um die Uhr bewacht. Dieb-

stahlversuche haben bereits stattgefunden und wurden zur Anzeige gebracht. Leider ist längst nicht allen Menschen bewusst, wie wichtig Naturschutz und ein verantwortungsvolles Verhalten sind. Ein Ziel der Wildnisschule ist es, zu sensibilisieren und vielleicht sogar dafür begeistern zu können.

Gold waschen im Bach Weil man damit gar nicht früh genug anfangen kann, richten sich viele Angebote an Kinder. Im Rahmen von Kursen, Wanderungen, Camps oder Festivals kommen sie spielerisch mit der Natur in Kontakt. „Der Gruselwald zu Halloween ist sehr beliebt“, sagt Herr Maschka. „Oder unser Winterzauber mit Weihnachtsmarkt. Jetzt sind wir dabei, eine Goldwaschanlage aufzubauen. Im Prinzip könnte man ganz in der Nähe sogar echtes Gold finden: im Sprockhöveler Bach, wo wir auch das Angeln von Flusskrebsen anbieten. Ganz legal. Dort gibt es den amerikanischen Flusskrebs. Der wurde hier in den 1980er Jahren ausgesetzt und hat sich rasend schnell ver-


breitet. Wenn wir den wegangeln, helfen wir den heimischen Arten. Und in diesem Bach kann man tatsächlich Gold waschen. Allerdings ist das sehr mühselig, eine stundenlange Plackerei für vielleicht ein winziges Stückchen. Kinder brauchen aber Erfolgserlebnisse. Deswegen verstecken wir kleine Muscheln oder Edelsteine in der Erde. Die können sie dann rauswaschen, bei einem Kindergeburtstag vielleicht.“ Doch nicht nur Kindgerechtes findet man im Programm der Wildnisschule. Erwachsene können sich hier sogar zu zertifizierten Wildnistrainern oder Walderziehern aus- und fortbilden lassen. Natürlich geht es bei dem breit gefächerten Programm oft weniger gewichtig zu. Selbst Junggesellenabschiede werden gelegentlich gebucht. „Das ist aber eher selten der Fall. Bei jungen Männern muss sich dabei ja in der Regel alles ums Trinken drehen. Das sieht bei Frauen schon anders aus. Da kommt eine gemeinsame Übernachtung im Wald-Tipi mit Kräuterführung und an-

schließendem Kochen gut an. Dann gibt es eine Suppe oder unsere Brennnesselmaultaschen. Die sind der Hit.“ Es muss nämlich nicht immer das offensichtlich Spektakuläre sein, was Menschen fasziniert. Martin Maschka, der Fachmann für Amphibien und Reptilien, outet sich als Fan der Brennnessel. Auch über das Allerweltsgewächs gibt es Interessantes zu berichten. „Das ist die mit Abstand beste Pflanze, die wir haben. Sie enthält mehr Eiweiß als Soja, ist also ein vollwertiges Nahrungsmittel. Und sie kann bei vielen schmerzhaften Krankheiten helfen. Die therapeutische Wirkung ähnelt der einer Akupunktur. In Frankreich hat es vor wenigen Jahren einen regelrechten Brennnesselkrieg gegeben, weil es auf einmal verboten war, Brennnesselprodukte zu verkaufen. Die Pharmaindustrie wollte sie vom Markt drängen. Selbst das Informieren über Brennnesseln stand unter Strafe. Man konnte ins Gefängnis kommen. Erst nach jahrelangen, heftigen Protesten wurde das umstrittene Gesetz wieder fallengelassen.“

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DAS FOTO

Straßen-Protest: Riesige „Black Lives Matter“-Schriftzüge, wie hier in Brooklyn, NY, entstanden, ausgehend von Washington D.C., in mehreren Staaten der USA. Die Proteste gegen die tödliche Polizeigewalt, der George Floyd in Minneapolis am 25. Mai zum Opfer fiel, weiteten sich im Juni weltweit aus. Foto: Brendan McDermid / Reuters

MIETEN & WOHNEN

Home-Office: Was ist erlaubt in der Wohnung? von Aichard Hoffmann, Mieterverein Bochum, Hattingen und Umgegend Wegen der Corona-Pandemie arbeiten derzeit mehr Menschen als je zuvor zu Hause. Doch eine Wohnung, die ausschließlich zu Wohnzwecken vermietet wurde, darf man nicht so ohne Weiteres gewerblich nutzen. Wer in der Wohnung einer beruflichen Tätigkeit nachgeht, riskiert eine Abmahnung und möglicherweise sogar eine Kündigung wegen vertragswidrigen Gebrauchs der Mietsache.

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Etwas anderes gilt nur, wenn im Mietvertrag auch eine gewerbliche Nutzung ausdrücklich vereinbart ist (Mischmietverhältnis) oder wenn der Vermieter der beruflichen Nutzung der Wohnung zustimmt bzw. wenn er sie erlauben muss. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH VIII ZR 165/08) dürfen Mieter von zu Hause aus arbeiten und kön-

nen auch einer freiberuflichen oder gewerblichen Tätigkeit nachgehen, wenn anderen Bewohnern keine unzumutbaren Belästigungen der Mitbewohner durch Kundenverkehr entstehen, sich der Wohnungscharakter nicht ändert und die Wohnräume nicht baulich verändert oder beschädigt werden. In allen anderen Fällen ist die Genehmigung des Vermieters notwendig. Das gilt


KOMMENTAR

Wieso Generalverdacht? Von Bastian Pütter Wer etwa mit LehrerInnen spricht, gerät schnell in recht freimütige Gespräche darüber, was strukturell an ihrer Schule und individuell in ihrem Kollegium schiefläuft. Wer mit ÄrztInnen spricht, kann in spannende Diskussionen über schwarze Schafe und falsche Anreize geraten.

Polizei und Kritikfähigkeit

LehrerInnen oder ÄrztInnen sind zwei Beispiele für stark „gelabelte“, von außen markierte und nach innen organisierte Berufsgruppen. Beide wissen um ihre Bedeutung im gesellschaftlichen Gefüge, beide erleben Privilegien und kennen Ressentiments und Misstrauen. Trotzdem begegnet mir nicht Abschottung, sondern die wie selbstverständliche Wahrnehmung der eigenen beruflichen Sphäre als gesellschaftlich diskussionswürdig. Sowohl das Gesundheitswesen als auch das System Schule darf ich zudem öffentlich und als Ganzes kritisieren. Zweiklassenmedizin anzuprangern und die Unfähigkeit von Schule, soziale Ungleichheit zu mildern, trägt einem nicht die Feindschaft des Berufsfeldes ein. Was ist also anders im Feld Polizei? Inzwischen entzieht sie sich fast vollständig „zivilen“ diskursiven Logiken. Die würden Polizei wie Bildungs- und Gesundheitswesen als gestaltbare gesellschaftliche Funktion begreifen, als Teil eines demokratischen Gemeinwesens, das als Ganzes seine Bedingungen aushandelt – und dazu gehört Kritik. Stattdessen geht mit der Militarisierung der Länderpolizeien (Schützenpanzer, Handgranaten, schusssichere Helme. Im Ernst?) eine Verschiebung in Freund-Feind-Schemata einher, betrieben von Polizei-Lobbygruppen und schwarzroten Innenpolitikern. Das ist nicht banal: In der Logik des Krieges ist Zivilität Schwäche, erkennt man im Feind sich selbst, bekommt der Krieg Probleme. Wir sind aber nicht im Krieg. Die wütende Abwehr jeder Kritik hat mit den gegenwärtigen Diskussionen um rassistische Polizeigewalt eine neue Dimension erreicht. Wenn eine SPD-Vorsitzende fast gesteinigt wird – auch von „GenossInnen“ –, weil sie vorsichtig anmerkt, dass Rassismus auch ein Problem der Polizei sein könnte, ist die Lage ernst. Wer die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den unzähligen Erfahrungsberichten über Diskriminierung, wer die Forderung nach der Aufklärung von Todesfällen und von rechtsterroristischen Netzwerken in der Polizei als einen vermeintlichen „Angriff von außen“ verhindern will, hat ein gefährliches Bild von Gesellschaft. „Unsere Polizei“, so der Jargon derer, die überall den Generalverdacht wittern, wäre nämlich eigentlich unsere Polizei, und auch die von Oury Jalloh, Ahmad A. und Adel B.

schon für den Fall, dass die Wohnung beim Gewerbeamt als Betriebsstätte angegeben und als Geschäftsadresse genutzt wird (BGH VIII ZR 149/13) oder wenn der Mieter zum Beispiel an drei Werktagen in der Woche für rund zwölf Schüler Gitarrenunterricht erteilt und es so zu Lärmstörungen kommt (BGH VIII ZR 213/12). Das gilt erst recht bei sonstigem störenden Publikums- und Kundenverkehr, wenn Angestellte in der Wohnung beschäftigt werden, oder Mieter dort zum Beispiel

ein Makler- oder Ingenieurbüro oder ein Kosmetik- oder Fußpflegestudio betreiben. Auch die entgeltliche Betreuung von mehreren Kindern als Tagesmutter ist als teilgewerbliche Nutzung verboten (BGH V ZR 204/11 für fünf Kinder). In all diesen Fällen ist dringend zu raten, sich vorher mit dem Vermieter zu verständigen.

DIE ZAHL

1.900 Mängel stellte im Juni das NRW-Arbeitsministerium bei der Überprüfung von 650 Sammelunterkünften und Werkswohnungen für insgesamt 5.300 Mitarbeiter der Fleischindustrie fest, darunter Überbelegungen, massive Hygiene- und Brandschutzmängel, Schimmel- und Ungezieferbefall.

Mieterverein Bochum, Hattingen und Umgegend e. V. Brückstraße 58 , 44787 Bochum

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INTERVIEW

Das hat es noch nie gegeben. Aber, kein Zweifel, da liegt er. Druckfrisch auf dem Tisch, brandaktuell und inhaltsschwer. Maresa Feldmann und ihr Team verantworten den ersten umfassenden Tätigkeitsbericht des Gleichstellungsbüros der Stadt Dortmund. Sein Titel ist Programm: „ChancenGleichGestalten“. Die 46-jährige Sozialwissenschaftlerin hat Biss, ein feines Gespür für politische Schieflagen und ganz schön viel Charme. Im Lauf der Jahre hat sie mit alledem manches erreicht. Von Ursula Maria Wartmann | Fotos: Daniel Sadrowski

„Mach was!“ „Das Gute ist“, sagt sie, „dass ich die Argumente auf meiner Seite habe. Die Solidarität von vielen MitstreiterInnen auch in den Ämtern der Stadt. Und die Gesetze.“ In Zeiten von Corona ist auch für die Leiterin des Gleichstellungsbüros viel zu tun. Alte Rollenverteilungen zwischen den Geschlechtern sind wieder verstärkt erlebbar. Wie unter einem Brennglas, formuliert Feldmann, werden die Probleme sichtbar. „Rollenstereotype greifen neu, im Zweifel bleiben Frauen bei den Kindern, kochen, wickeln, sind Teilzeit im ‚home office‘, kümmern sich um den Schulunterricht per Internet. Und der Mann, meist besser bezahlt, geht nach draußen – wie es halt immer schon war.“ Auch Gewalt gegen Frauen ist jetzt ein größeres Thema als ohnehin. „Wir arbeiten mit der Frauenberatungsstelle und dem Frauenhaus Dortmund zusammen, haben zum Beispiel Info-Broschüren in verschiedensten Sprachen an Arztpraxen verteilt, um aktuelle Hilfsangebote öffentlich zu machen.“ Und dann ist da der Rechtsruck mit seinem einhergehenden Antifeminismus. Im August wird es dazu eine große Veranstaltung in der Petrikirche geben. Maresa Feldmann und sechs Mitarbeitende, darunter ein Mann, sorgen dafür, dass Probleme beim Namen genannt und Finger weiter in Wunden gelegt werden. Sie machen sich damit nicht nur beliebt, so viel ist klar, aber klar ist auch: „Wenn mir eine Sache wichtig ist, dann bleibe ich dran und habe einen langen Atem.“ Ihr sind viele Sachen wichtig; das wurde ihr quasi in die Wiege gelegt. Ihre Mutter war großes Vorbild in Sachen Sich-gerade-Machen: „Häufig, wenn ich mich über etwas aufgeregt habe, sagte sie: ‚Mach was!‘“ So gehen klare Ansagen, durch die Weichen gestellt werden: ob ein Mensch sich duckt. Oder aufbegehrt. Ihre Mutter jedenfalls machte ebenfalls: Sie heiratete einen Landwirt im Emsland, und als sich ihr Traum von der Entwicklungshelferin nicht re-

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INTERVIEW

alisieren ließ, krempelte sie vor Ort die Ärmel hoch. Leitete lange den Verein „Frauen helfen Frauen Emsland“ und organisierte z.B. Projekte für Mosambik, um Frauen Kleinkredite zu beschaffen. „Vor Ort“, erklärt Maresa Feldmann, das sei übrigens eine Bauernschaft namens Moorlage, „da fährst du durch und hast nicht mal gemerkt, dass du da gewesen bist.“ Sie erklärt es mit ihrem charmanten Lächeln; keine Frage also, auch Moorlage wird geliebt. Mit zwölf ist sie in heller Empörung. Ihre drei Brüder dürfen Messdiener sein – sie nicht; der Pastor erlaubt keine Mädchen für diese Aufgabe. „Mach was!“, sagt die Mutter, und Maresa schreibt den Bischof an: Wie konnte so etwas sein? Der Bischof verweist in seiner Antwort lapidar auf die zwölf Apostel. Keine Frau darunter. Deshalb! „Ich fand das damals unmöglich“, sagt Maresa Feldmann. Sie wurde dann Lektorin, was ihr auch Spaß gemacht hat. Trotzdem blieb das Thema ein Stachel im Fleisch. Wie so vieles mehr. Vergleichsweise wenige Frauen in Führungspositionen, die magere Frauenquote im Top-Management, ungleiche Bezahlung, Unvereinbarkeit von Familie und Beruf, Ehegattensplitting („Das geht ja quasi in Richtung Herdprämie!“) ... Die Liste der Felder, die beackert werden wollen, ist nach wie vor lang.

Neben der Mutter spielt Dr. Monika Goldmann („Meine Mentorin! Sie berät mich zu vielen Themen!“) eine wichtige Frauenrolle in Feldmanns Leben und hat ihr politisches Bewusstsein geprägt. Die Freundschaft begann, als sie nach dem Studium an der Sozialforschungsstelle in Eving durchstartete (eine Einrichtung der TU Dortmund), und die Gleichstellungsthemen gemeinsam mit Dr. Goldmann bearbeitete. Dort lernte sie übrigens auch ihren Mann kennen. Dass sie nach der Heirat ihren Namen behielt, war für Maresa Feldmann selbstverständlich; sie war damals verwundert, dass es diese Möglichkeit gerade erst gab. Zwanzig Jahre war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Sozialforschungsstelle, bevor sie dann über das Kompetenzzentrum Frau und Beruf Westfälisches Ruhrgebiet ihre Chance bei der Stadt bekam; seit 2016 ist sie Chefin des Gleichstellungsbüros. Hier schlägt ihr gern auch scharfer Wind entgegen. Insbesondere die Frage gendergerechter Sprache sorgt für Kontroversen. Dabei geht es schlicht nur darum, alle (!) Menschen in der Sprache sichtbar zu machen. Wenn dies um den Preis einiger Änderungen – wie dem Gendersternchen – geschieht... Sprache war und ist immer im Wandel, passt sich der Realität an. Deshalb haben Feldmann und eine Projektgruppe der Verwaltung einen Leitfaden entwickelt: ein sehr differenziertes Werk für MitarbeiterInnen der Stadt, um „im Schriftverkehr, in Veröffentlichungen und Formularen“ eine geschlechtersensible Sprache zu etablieren. OB Ullrich Sierau unterschreibt im Vorwort, dass Sprache unsere Wahrnehmung prägt und Auswirkungen auf unser Denken und Handeln hat. „Es gibt“, verrät Maresa Feldmann, „in unserer Familie eine Art ‚running gag‘.“ Wenn sie zusammensitzen, Mutter, Vater, Anna (18) und Jannis (20) und jemand sprachlich mal daneben liegt, sprich, nicht korrekt gendert, weist die Tochter argumentationsstark darauf hin. Die ist nämlich seit einer ganzen Weile im Dortmunder Debattierclub, den das Gleichstellungsbüro initiiert. „Und da“, so Feldmann, „wird die Kunst des Debattierens vermittelt.“ Sie selbst hat neben ihren Aufgaben als Gleichstellungsbeauftragte in zwei Positionen Gelegenheit, diese Fertigkeit anzuwenden. Als Mitglied im Aufsichtsrat des Frauenzentrums Dortmund. Und als Vorstandsfrau des Dortmunder Forums Frau & Wirtschaft e.V.

Termine | www.gleichstellungsbuero.dortmund.de Frühjahrsakademie: Gendergerechte Sprache im Fokus Aufzeichnungen ab Anfang Juli online

Ihre Mutter in Moorlage hat vor einer Weile für ihren Einsatz das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten. Maresa Feldmann wurde im Februar im Dortmunder Industrieclub von der AG der Dortmunder Frauenverbände für ihren Einsatz für die Sache der Frauen geehrt. Irgendwo muss man ja anfangen.

Dortmunder Debattierclub (DDC): 13. Aug., 16.30 – 20 Uhr, Rathaus Dortmund Die Instrumentalisierung feministischer Themen durch RechtspopulistInnen 18. Aug., 18.15 – 19.45 Uhr, Stadtkirche St. Petri

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SOZIALES

Mit Beginn der Covid-19-Pandemie wurde der öffentliche Raum zur Verbotszone. Während Kontakte und Ansammlungen untersagt waren und sich Deutschland nach Hause zurückzog, hatten diejenigen Pech, die das nicht konnten. In Dortmund erhielten mehrere Wohnungslose Bußgelder wegen des Verstoßes gegen die Coronaschutzverordnung. Es geht zum Teil um vierstellige Summen. Von Alexandra Gehrhardt | Foto: Sebastian Sellhorst

Wenig Augenmaß D

ie Pandemie ist global, die im März in NRW verhängten weitreichenden Kontakt- und Ansammlungsverbote sollen ihre Ausbreitung eindämmen und letztendlich Tote verhindern. „Bleiben Sie zu Hause“ ist aber nur für die erfüllbar, die ein Zuhause haben. Als niemand mehr draußen sein sollte, blieben nur die, die nirgendwohin können. Die Wohnungslosenhilfe warnte früh, dass die allzu strenge Auslegung Randgruppen hart treffen könnte. Die Sorge war, scheint es, berechtigt. Mehrere Wohnungsund Obdachlose wurden im April und Mai mit Bußgeldern belegt, weil sie gegen das Verbot der „Zusammenkunft oder Ansammlung im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen“ verstoßen hatten. Die zu zahlende Summe: inkl. Gebühr und Auslagen 228,50 Euro. In der Drogenhilfeeinrichtung Kick geht es um ungleich höhere Summen: 1.473,50 Euro bzw. 2.313,50 sollen zwei Männer zahlen, weil sie gleich mehrfach vom Ordnungsamt aufgegriffen worden waren. Das Kick-Team weiß von etwa einem Dutzend Fälle. „Meistens ging es aber um drei Personen, auch wenn nur einer zu uns kam. Wir gehen von einer großen Dunkelziffer aus“, sagt Sozialarbeiter Andreas Müller. In der Theorie sind die Regeln klar, die Folgen des Verstoßes auch. Auf einigen vorliegenden Bescheiden ist zu lesen, dass es sich um vorsätzliche oder Wiederholungsfälle handelt. Andere Betroffene betonen, dass sie bei Zufallsbegegnungen aufgegriffen worden seien (bodo 06.20). In der Praxis geht es um Augenmaß und Verhältnismäßigkeit. „In den ersten Wochen der Pandemie war ja gar nicht klar, welche Anlaufstellen überhaupt geöffnet sind, wo man etwas zu essen bekommt oder duschen kann“, sagt KickLeiter Jan Sosna: „Viele können nicht mal eben ins Internet schauen und konnten ja gar nicht anders, als sich mit anderen auszutauschen, was wo geöffnet ist.“ Noch immer arbeiten Tagesaufenthalte und Anlaufstellen eingeschränkt oder sind ganz geschlossen. Verdrängungsmaßnahmen treffen Randgruppen wie Wohnungslose besonders hart, weil Alternativen zum öffentlichen Raum fehlen.

Wohnungslose sollen in Dortmund wegen Verstößen gegen die Coronaschutzverordnung 228,50 Euro Bußgeld zahlen. Manche Bescheide liegen auch deutlich höher.

Die meisten Bescheide, mit denen die Kick-Klienten kamen, wurden im Stadtgarten ausgestellt. „Das ist auffällig, denn unsere Klienten haben sich in unserem Arbeitsalltag immer sehr vorbildlich verhalten“, sagt Jan Sosna, „und das haben uns die Ordnungsbehörden auch über den Stadtgarten signalisiert.“ Für die Betroffenen dürften die hohen Summen unbezahlbar sein. Die Konsequenz: Zahlt man nicht, erhöht sich die Strafe, wird ein Einspruch abgelehnt, wird aus der Ordnungswidrigkeit eine Strafsache. Am Ende droht eine Ersatzfreiheitsstrafe. Das Kick-Team hofft, dass es soweit nicht kommt. „Wir hoffen in unseren Fällen, dass die Staatsanwaltschaft die Fälle wegen Geringfügigkeit einstellt“, so Müller. Die Stadt sieht keinen Anlass zu handeln. Einen von Linken und Piraten in der letzten Ratssitzung eingebrachten Antrag auf Rücknahme der Knöllchen lehnten SPD, FDP und AfD ab. Die CDU, Partei des zuständigen Rechtsdezernenten, enthielt sich.

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WILDE KRÄUTER

Unsere monatliche Exkursion in die urbane Welt der wilden Kräuter. Mit nützlichen Informationen, pointierten Fußnoten, vielen Geschichten – und immer einem originellen Rezept. Von Wolfgang Kienast

SCHMALBLÄTTRIGES WEIDENRÖSCHEN

M

an muss kein Prophet sein, um für die nahe Zukunft zahlreiche Studien vorherzusagen, die sich nicht zuletzt an den Folgen der Maßnahmen gegen das Corona-Virus abarbeiten. Man wird dann lesen können, dass einige Schritte zu früh kamen, andere zu spät, einige zu lax und wieder andere zu einschränkend waren.

REZEPT 2 Handvoll junge, zarte Blätter vom Schmalblättrigen Weidenröschen (am besten an eher feuchten Standorten gepflückt, dann sind die Aromen feiner) etwa 4 bis 5 Minuten zugedeckt über heißem Wasser dämpfen, abschrecken, mit 1 EL Balsamico mischen und eine halbe Stunde ruhen lassen. 2 knackige Zucchini in 2 bis 3 cm lange Stücke teilen und anschließend stifteln. Zucchini und Weidenröschenblätter vermengen und mit Salz und Pfeffer abschmecken. 2 Pfirsiche achteln und in ein wenig Olivenöl anbraten. 1 Mozzarella in daumengroße Stücke rupfen. Die Weidenröschen-ZucchiniMischung auf einem Teller anrichten, die Pfirsichspalten und den Käse darüber verteilen, mit etwas Olivenöl und Balsamico beträufeln und mit Weidenröschenblüten dekorieren.

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Bei aller berechtigten Kritik: Jede dieser Maßnahmen war eine Premiere. Es gab keine Musterbeispiele, an denen die Entscheider sich hätten orientieren können. Zwangsläufig wurde mit der heißen Nadel gestrickt, es wurden Fehler gemacht. Dies schreibe ich, während weitgehende Lockerungen beschlossen werden, die Angst vor einer zweiten Welle in vielen Köpfen steckt, während ein Teil der Bevölkerung die Masken gelassen akzeptiert, ein anderer sie attackiert als sinnbildlichen, nicht zu übersehenden Maulkorb. Nun ist Covid-19 als Pandemie per Definition global. Ethnologen, die unser Verhalten neutral von außen beurteilen könnten, müssten womöglich von einem anderen Himmelskörper kommen. Auf welchem Stern sich zu Hause fühlt, wer als Teilnehmer von Corona-Demonstrationen glaubt, ausgerechnet Nazis würden über seine freiheitlich-demokratischen Grundrechte wachen, möchte ich gar nicht wissen. Es ist wohl die berühmte Frage der Perspektive, ob man eine solche Maske eher als Schutz oder als Unterdrückung empfindet. Ähnlich heiß wurde 1962 ein anderes Stückchen Stoff diskutiert. Damals flimmerte in dem Film „Bahía de Palma“ erstmals ein Bikini über francospanische Leinwände. Fundamentalistische Christen liefen Sturm und warnten vor dem Untergang des Abendlandes. Freisinnige Geister standen Schlange vor den Kinos, deren Eingänge die Guardia Civil streng kontrollierte: Kein Minderjähriger sollte das moralfreie Machwerk zu

Epilobium angustifolium

sehen bekommen. Volljährig wurde man in Spanien seinerzeit mit dreiundzwanzig Jahren. Stoff hier, Stoff da. Werden hier nicht Äpfel mit Birnen verglichen? Zugegeben, mich faszinieren die gegensätzlichen Resultate, die ein ideologisch oder religiös motivierter Perspektivwechsel zeitigen kann. Nur selten verläuft das undramatisch wie beim Schmalblättrigen Weidenröschen. Der fromme Volksmund nannte es Muttergotteskraut – Unholdenkraut war der alternative Name. Der Pflanze wird es egal gewesen sein. Wie sowieso ein wenig mehr Gelassenheit in vielen Fällen ratsam wäre. Beruhigend soll Weidenröschentee wirken. Die aromatischen Blätter schmecken auch als Salat.

Die jungen Blätter sind etwas säuerlich im Geschmack (Vitamin C) und bilden die Grundlage für „Russischen Tee“ oder „IwanTee“, den fermentierten Weidenröschentee. Deswegen heißt das schmalblättrige Weidenröschen im Russischen „IwanteeWeidenblatt“. Der Tee schmeckt dem Schwarztee ähnlich, ist aber ohne Teein und soll verschiedenste Heilwirkungen haben.


KULTUR

10 Jahre Projektraum Fotografie Daniel Sadrowskis Fotos machen dieses Magazin seit vielen Jahren zu dem, was es ist. Seit 10 Jahren betreibt er gemeinsam mit Gerhard Kurtz im Dortmunder Union Gewerbehof einen unabhängigen Ausstellungsraum mit internationaler Ausstrahlung, einen Ort für den Austausch über Fotografie und Kunst, der gleichzeitig Atelier, Labor und Bibliothek ist. Von Bastian Pütter | Fotos: Projektraum Fotografie

S

pricht man mit Gerhard Kurtz und Daniel Sadrowski über ihre Arbeit, fallen in steter Folge Wörter wie „unabhängig“, „selbstständig“, „Austausch“, „Begegnung“ und „Kontakt“. Die Entscheidung für einen quasi öffentlichen Arbeitsraum, in dem ohne Auftrag, Finanzierung und Abhängigkeit vom Kulturbetrieb KünstlerInnen zusammengebracht werden, fiel bereits 2009. Ein leerstehendes Atelier im Union Gewerbehof ließ die beiden und Mitgründer Haiko Hebig schnell handeln. Hier entstand nach Vorbild unter anderem des damaligen Kölner „Projektraum weiss“ ein Arbeitsraum, der auch vielbeachteter Ausstellungsort und Treffpunkt für FotokünstlerInnen und Kunstinteressierte ist. Auf rund drei Dutzend Ausstellungen können die Macher zurückblicken. Anfragen kommen aus Frankreich, Italien oder Kanada. Den japanischen Fotokünstler Koji Onaka holten sie 2014 erstmals mit einer Ausstellung nach Deutschland. Die beiden pflegen Kontakte zu freien Räumen in Köln, Düsseldorf oder Paris.

Die Jubiläumsausstellung wird im wahrsten Sinne groß. Der Projektraum breitet sich in den öffentlichen Raum aus, „das Museum für alle“, sagt Gerhard Kurtz. Was wie eine Reaktion auf Corona wirkt, wird schon seit vergangenem Jahr geplant. Sonst für Werbung vorbehaltene Displays in der Stadt werden zur Galerie. Reicht das Geld, geht es auf das „18/1“-Format, das sind die richtig großen Plakatwände im Stadtraum. Im September geht es los, im Juli startet ein Crowdfunding, denn Zahl und Größe der Ausstellungsorte ist „nach oben offen“. „Natürlich kommen zu unseren Ausstellungen Fotokunst- und Kulturinteressierte“, sagt Gerhard Kurtz. „Der ,white room‘ erzeugt Schwellenängste: ,Muss ich Kunst verstehen?‘ Das ist im öffentlichen Raum anders.“ „Democratic Gallery“ heißt das Projekt folglich.

Dort seien zusätzlich die Reibungen mit der Umgebung und die Erwartungen an sonst so eindeutige Kommunikation spannend. „Da ist die Plakatwand, aber anders als sonst ist da keine Werbung, da wird auf nichts hingewiesen, Du musst Dich mit dem Bild beschäftigen“, sagt Gerhard Kurtz. Und noch eine Neuerung bringt das Jubiläumsjahr. „Wir haben uns über die Jahre ein großes Umfeld ,erspielt‘“, sagt Daniel Sadrowski. Kollaborationen, die nun in eine neue Struktur münden: Der Projektraum wird zum Verein. Auch hier ist die Pandemie Katalysator, nicht Auslöser. „Natürlich hat Corona die Situation für Selbstständige wie für KünstlerInnen verschärft“, sagt Daniel Sadrowski, „hier aber Kompetenzen zu bündeln und die Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen, ist auch so sinnvoll.“ Gemeinsam, unabhängig, eigentlich wie bisher.

www.projektraumfotografie.de

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Kalender Juli | 2020

Das gesellschaftliche Leben mit Covid-19 ist vor allem auch eins in der Gegenwart: „Stand jetzt“ heißt es im Hinblick auf das, was erlaubt und möglich ist. Die langund mittelfristigen Planungen, ohne die auch in der Kulturbranche wenig geht, vom KünstlerInnen-Booking bis zur Medienarbeit, sind Ad-Hoc-Entscheidungen gewichen. Unser Kalender versammelt aber immerhin wieder eine Reihe spannender Veranstaltungen „in der wirklichen Welt“. Doch halten Sie die Augen auf, weitere werden dazukommen – „Stand jetzt“.

MI 01 | 07 | 20 LIVE | Audio-Installation | „Dora war nicht im Widerstand“ Dora, 45 Jahre alt, dreifache Mutter und alleinige Versorgerin: Sie war eine von Millionen „durchschnittlichen Deutschen“ der Nachkriegszeit. Zwei Studierende der Fachhochschule Dortmund haben sie nun zum Sprechen gebracht: Jan und Sophia Firgau haben sich für ihre Abschlussarbeit im Studiengang „Szenografie und Kommunikation“ an der FH Dortmund am Beispiel ihrer Urgroßmutter mit der Rolle der zahlreichen Mitläuferinnen und Mitläufer und dem Fortbestehen der NS-Ideologie in der Nachkriegszeit beschäftigt. Entstanden ist eine Audio-Installation, die noch bis 11. August zu sehen ist. Eintritt frei. Mahn- und Gedenkstätte Steinwache, DO LIVE | Theater | Ein Sommernachtstraum In „Ein Sommernachtstraum“ sieht Hermia die Flucht mit ihrem Geliebten Lysander als einzigen Ausweg, um der von ihrem Vater ge-

forderten Heirat mit Demetrius zu entkommen. Letzterer ist jedoch fest entschlossen, sie zu heiraten, und folgt dem Liebespaar – ebenso wie Hermias Freundin Helena, die ihrerseits unsterblich in Demetrius verliebt ist. Als sie im Wald auf ein Heer von Elfen treffen, deren Könige die Menschenwelt mit einem Liebeszauber verwirren, entbrennt ein Kampf. Eifersucht, Neid, Gier und Mordlust greifen um sich. Einzig die Natur wartet geduldig auf verständigere Menschen. Schließlich versucht eine Schar von einfachen Handwerksleuten im Wald mit frohem Mut aus all dem Aufruhr das Beste zu machen. Weitere Termine: www.theatertotal.de Theater Total, Bochum, 19.30 Uhr

ab MI 01 | 07 | 20 LIVE | Kurse Workshops | HellwegSommer 2020 Auch in diesem Jahr kann der traditionelle HellwegSommer in den Sommerferien stattfinden – trotz Corona-Einschränkungen. Neben altbewährten Kursen wie Yoga, Zum-

ba oder Pilates im Bereich der Erwachsenenbildung können sich die TeilnehmerInnen auch in diesem Jahr auf neue Kursangebote wie beispielsweise Tabata, eine hochintensive Variante des Intervalltrainings, oder einen lehrreichen Erste-Hilfekurs der Tremonia Akademie freuen. Auch für ein vielseitiges Kinderprogramm ist gesorgt. Hier können bereits die ganz Kleinen ab einem Jahr gemeinsam mit Eltern, aber auch Geschwistern von 5 bis 12 Jahren am „Familie in Aktion“-Familienspezial teilnehmen. In einer Zeit, in der Flexibilität und Organisationstalent gefragt sind, hat sich auch das balou für die Sicherheit und Gesundheit aller TeilnehmerInnen und KursleiterInnen umgestellt und zusätzlich vereinzelt Kurse kurzerhand ins Freie verlegt. Infos unter www.balou-dortmund.de Kulturzentrum balou e.V., Dortmund LIVE | Ausstellung | Der kuratierte Kleiderschrank – Zwischen Modelust und Modefrust Wie kann man im Wissen um vorherrschende Probleme, von Umweltverschmutzung

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BODO-TIPP Lange war nicht klar, wie ein Sommer-Kulturprogramm überhaupt aussehen kann. Das Kabarettfestival Ruhrhochdeutsch blieb trotzig und wird belohnt: Bis Oktober sind mehr als 100 Veranstaltungen geplant – wenn auch dank Corona anders, als man es kennt. Statt ins Spiegelzelt an der B1 geht es in diesem Jahr ins Schalthaus auf dem ehemaligen Industriegelände Phoenix West. Bekannt bleibt die bunte Mischung: Es kommen alte Bekannte (z.B. das Kom/(m)ödchen-Ensemble, Django Asül) und neue wie Tutty Tran, HeimspielerInnen (Fritz Eckenga, Jochen Malmsheimer) und Zureisende (Nightwash Live, Maxi Gstettenbauer). Immer montags gibts Kabarett bei Pommes, Currywurst und Bier, immer dienstags das RuhrHOCHdeutschEnsemble „Mit Kuballa anne Bude“. Auch mit dabei: das Geierabend-Ensemble (Foto, S. 8), das vom 9. bis 12. Juli zum sommerlichen „Camp Geier“ einfliegt.

RuhrHOCHdeutsch

bis 11. Oktober Schalthaus, Phoenix-West, Dortmund

Tickets und Info: www.ruhrhochdeutsch.de

und Arbeitsbedingungen der Textilindustrie, den Spaß an Mode und schönen Dingen behalten? Die UZWEI bietet Raum für die Debatte und Auseinandersetzung mit der eigenen konkreten Lebenswelt. Sind DIY, Second Hand, Slow Fashion oder ein Capsule Wardrobe mögliche Alternativen? In begleitenden Workshops und einem offenen Fotostudio zur Selbstdarstellung oder Inszenierung von Instagram-Botschaften kann man ausprobieren, stöbern und entdecken und so einer ganz eigenen Haltung zum Thema auf die Spur kommen. Bis 23.8., Eintritt frei. UZWEI im Dortmunder U, Dortmund LIVE | Ausstellung | Deutsches Fußballmuseum Das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund ist ein Ort der Begegnung, eine Erlebniswelt, die 1.600 Exponate und 25 Stunden Filmmaterial mit raumgreifenden Inszenierungen kombiniert. Die Trophäensammlung des Fußballmuseums ist weltweit einzigartig. Sie umfasst u.a. den FIFA World Cup, den Coupe Henri Delaunay, die UEFA Champi-

ons-League-Trophäe, die Meisterschale, den DFB-Pokal und den WM-Pokal der Frauen. Infos: www.fussballmuseum.de Deutsches Fußballmuseum, Dortmund LIVE | Ausstellung | Neon Delight Mit „Neon Delight“ widmet das Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna eine Ausstellung dem Material, das in der Lichtkunst am meisten Verwendung findet, und versammelt die bekanntesten internationalen KünstlerInnen der neonbasierten Lichtkunst in seinen einzigartigen, unterirdischen, roh belassenen Räumlichkeiten. Mit Arbeiten aus den 1960er Jahren bis in die Gegenwart wird ein repräsentativer Überblick über Neon in der Lichtkunst gezeigt. Bis 16.8., Reservierung erforderlich, Infos: www.lichtkunst-unna.de Zentrum für Internationale Lichtkunst, Unna LIVE | Ausstellung | Pia sagt Lebwohl Der Tod ist für viele Menschen ein oft verdrängtes Phänomen. ArbeitnehmerInnen, die sich mit Tod und Sterben auseinandersetzen,

sind hier in einer anderen Situation: Sie gehen tagtäglich mit Trauer und Sterben um. Wie finden sie eine Balance zwischen emotionaler Betroffenheit und professioneller Distanz? Die DASA-Ausstellung erzählt in einer Abfolge von Erlebnisräumen die bewegende Geschichte der 17-jährigen Pia, die mit dem Tod ihrer geliebten Oma Ruth fertig werden muss. Im Verlauf der Story treffen die Gäste mit Pia auf Profis, die das Mädchen auf ihrer Reise durch die Gefühlswelten begleiten. Eine Reise aus dem Leben, die überrascht und verwandelt. Bis 13.9., Infos: www.dasa-dortmund.de DASA, Dortmund

ab DO 02 | 07 | 20 LIVE | Ausstellung | 25 Jahre Depot Ein künstlerischer Dialog Anne Fischer war Gründungsmitglied des Depot e.V. Sie stellte Siebdrucke her, die der Konkreten Kunst zuzurechnen sind. Nach ihrem Tod hielt ihr Mann Dieter Fischer die Erinnerung an sie wach, indem er die Galerie Dieter Fischer im Depot betrieb, eine Stiftung für kulturelle Projekte des Depot ins Leben rief und Anne Fischers Atelier weiterhin unterhielt. Die Kulturschaffenden, die im Depot ansässig sind, werden an Anne Fischer und ihr Wirken erinnern, indem sie eine Ausstellung gestalten: Ihre Siebdrucke werden verfremdet, ergänzt, bearbeitet, mit eigenen Arbeiten konfrontiert. Es entsteht ein künstlerischer Dialog. Bis 12.7., Eintritt frei, Infos: www.depotdortmund.de Galerie im Depot, Dortmund

ab SA 04 | 07 | 20 LIVE | Ausstellung | Grafik aus Dortmund 48 heimische KünstlerInnen bewerben sich in diesem Jahr mit jeweils zwei Grafikarbeiten um die Aufnahme in den Dortmunder Kunstkalender. In der Ausstellung haben

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KALENDER

die BesucherInnen die Möglichkeit, alle Originalgrafiken der KünstlerInnen zu sehen und auch zu erwerben. Eine Jury wird am Ende zwölf Werke für den Kalender auswählen, welcher dann in limitierter Auflage erscheint. Bis 26.7., Eintritt frei, Infos unter www.depotdortmund.de Depot, Dortmund

SA 04 | 07 | 20 LIVE | Musik | KulturOpenAir Bandfusion Solo Edition Zwischen den grünen Hügeln, neben dem alten Backsteingemäuer kündigt sich Frohsinn an: gute alte, handgemachte Musik inmitten der Bienchen und Blümchen auf den satten Wiesen der Flottmann-Hallen. Sie sind tief in die Minen der lockdownversehrten Herner Musikszene gestiegen und mit einem großen Schatz zurückgekehrt: ein bis zwei Hände voll Singer-/ SongwriterInnen. Und die gute alte Hektik, Taktgeberin einer jeden Bandfusion, führt auch in pandemischen Zeiten Regie. Jeder, jede KünstlerIn hat einen kurzen Slot, und alle spielen über das gleiche Equipment. Infos: www.flottmann-hallen.de Flottmann-Hallen, Herne, 19.30 Uhr Anzeige

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LIVE | Musik | Lilou Schon seit ihrer frühen Jugend beschäftigen Lilou Menschen, Zwischenmenschliches und Dinge, die nicht nur sie persönlich bewegen, und so verleiht sie ihren Ideen seit nun mehr als 10 Jahren lyrisch-musikalische Ausdrücke. Mit ihrer Kunst möchte Lilou aktiv in einen Dialog treten, der nicht zuletzt für einen offenen Umgang miteinander plädiert. Live ist die studierte Komponistin der Folkwang Universität der Künste mit Gitarre und einer Fülle von digitalen Effekten für Stimme und Instrument zu hören. Eintritt frei, Anmeldung erwünscht. Infos unter: www.freilichtbuehne-wattenscheid.de Freilichtbühne Wattenscheid, BO, 20 Uhr

SO 05 | 07 | 20 ONLINE | Ausstellung | Wandersalon #21 On Air – mit dem Künstler Stefan Marx Am Sonntag, den 5. Juli 2020 um 18 Uhr veranstaltet Urbane Künste Ruhr einen Wandersalon On Air mit dem Zeichner Stefan Marx. Im Live-Stream stellt der Künstler seine Arbeit vor, dessen humoristische Figuren und typografische Designs sowohl auf T-Shirts und Plattencovern als auch in Galerien und

auf Hauswänden zu Hause sind. Infos unter www.urbanekuensteruhr.de LIVE | BOYS – Der schwule Kaffeeklatsch Am ersten Sonntag im Juli steht U-GO-BOY im Biergarten des K-Manns, der Gastwirtschaft im Bahnhof Langendreer, am DJ-Pult und serviert den Hintergrundsoundtrack für BOYS – Der schwule Kaffeeklatsch. Es wird zwar nicht getanzt – das ist leider noch nicht wieder möglich –, dafür aber geschlemmt. Das K-Manns bietet an diesem Nachmittag köstliche Kuchen und Kaffee in verschiedenen Varianten an. Der Eintritt ist frei, die Tisch- und Platzanzahl ist aufgrund der Hygiene- und Abstandsregeln aber begrenzt, daher wird um eine vorherige Tischreservierung gebeten. Infos unter www.bahnhof-langendreer.de K-Manns, Bochum, 15 – 18 Uhr

ab SO 05 | 07 | 20 LIVE | Musik | Musiksommer im Fredenbaum Nachdem die ersten Veranstaltungen des Musiksommers aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden mussten, startete am 14.Juni der Musiksommer im Fredenbaum mit der Band „Lulu’s Salonkapelle“. In der Zeit von 15


BODO-TIPP

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Es ist zwar nicht das einzige Open-Air-Kino in der Region, aber wohl das erste, das im Zuge der Covid19-Einschränkungen ohne Autos auskommt. Bis Mitte August lädt die Fiege-Brauerei wieder zum allabendlichen Sommerprogramm in den Brauhof.

Fiege KinoOpenAir

2. Juli bis 16. August Brauhof der Fiege-Brauerei, Bochum

Selbstverständlich gelten auch hier Corona-Regeln: Um ausreichend Abstand zu gewährleisten, steht nur ein Drittel der Plätze zur Verfügung, und ohne Vorabreservierung geht es in diesem Jahr nicht. Wer rechtzeitig da ist, kann Gassenhauer und Schätzchen aus der Kinowelt schauen, Bands und Singer/Songwriter von vor der Haustür – die Feuersteins, Edy Edwards oder Vanessa Wiebe – stehen vorab auf der Bühne und bestreiten den WarmUp, bis der Film bei Einbruch der Dunkelheit beginnt. Und als Ersatz für das ausgefallene „Bochum total“ hat das Fiege-Team eine Musikfilmreihe eingeplant: Wacken – Louder than hell, Lindenberg – mach Dein Ding!, Bohemian Rhapsody und Rammstein – Paris. Info und Tickets: www.fiegekino.de

bis 17 Uhr erwartet die BesucherInnen eine Reise durch die Jazz- und Popmusik der 30er bis 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Weitere Veranstaltungen sind für diesen Sommer noch geplant, Änderungen aufgrund der Corona-Pandemie vorbehalten. Im Juli spielen folgende Bands: Kraftrock (5.7.), Hohenlimburger Akkordeonorchester (19.7.), RevierSteirer (26.7.). Eintritt frei. Fredenbaumpark, Dortmund, 15-17 Uhr

DO 09 | 07 | 20 LIVE | Ausstellung | Irrlichter-Touren zu den Wandmalereien von Stefan Marx Die schrägen Figuren des Hamburger Künstlers und Zeichners Stefan Marx sind nicht nur auf T-Shirts und Plattencovern, sondern auch in Galerien und an Hausfassaden zu finden. In großen Wandmalereien hält er häufig alltägliche Beobachtungen bildlich und typografisch fest. So entwarf er für das Ruhr Ding: Territorien drei monochrome Arbeiten in Bochum, Dortmund und Essen, die poetisch bis melancholisch das Leben und den Alltagstrott im Ruhrgebiet besingen. Anmeldung erforderlich: www.urbanekuensteruhr.de Treffpunkt Bochum: Vorplatz Haltestelle „Universität“ (U35), Treffpunkt Dortmund: Hbf, Ausgang City/Königswall, je 18 Uhr (auch 10.7. und 11.7.)

FR 10 | 07 | 20 LIVE | Comedy | Johannes Flöck „Entschleunigung, aber Zack Zack!“ „Die meisten unter uns kommen doch heute vor lauter Yoga gar nicht mehr zum Entspan-

nen." Und genau da setzt das neue Programm „Entschleunigung, aber Zack Zack!" von Johannes Flöck an. „Entspann dich mal" ist im Zeitalter des Turbokapitalismus und der digitalen Revolution auch einfacher gesagt als getan. Dadurch nimmt der Achtsamkeitswahn bedenkliche Formen an. Flöcks Auftrag: mehr Lebensqualität generieren, ohne sich zu genieren. Seine sympathische, persönliche Art lässt nur eins zu: Leichtigkeit für alle. Karten gibt es nur im Vorverkauf, Infos unter www.zauberkasten.de Zauberkasten, Bochum, 20 Uhr ONLINE | Infoveranstaltung | Zum Thema Trans Wenn sich ein Kind als trans outet, sind viele Eltern und Lehrkräfte erst einmal ratlos und überfordert. Die Sorgen darüber, das Kind nicht gut unterstützen und auf seinem Weg begleiten zu können, resultieren oft auf der schweren Zugänglichkeit zu transbezogenem Wissen und der fehlenden Austauschmöglichkeit zu anderen Angehörigen und Fachkräften. Diesem Problem möchte die queere Jugendbildungs- und Beratungseinrichtung Sunrise in Dortmund mit Informationsveranstaltungen zum Thema Trans entgegenwirken. In der Veranstaltung am 10.7. (18-19.30 Uhr) geht es um transfeindliche Mythen und Medienberichte. Anmeldung erforderlich, Infos: www.sunrise-dortmund.de

5. – 11. Juli Anmeldung und Informationen: facebook.com/DietrichKeuningHaus keuninghaus2togo@gmail.com keuninghausofficial YouTube "Keuninghaus to Go"

Leopoldstr. 50-58 | 44147 Dortmund Telefon 0231 50-25145

SO 11 | 07 | 20 LIVE | Musik | Sunday Jam Der „Sunday Jam“ steht unter dem Motto „Ein Sonntag. Drei Bands.“ Es handelt sich dabei um eine Konzertreihe des Musikbüros 27


KALENDER

BODO-TIPP

Bochum e.V., deren Ziel es ist, MusikerInnen aus Bochum und der Region eine weitere attraktive Auftrittsmöglichkeit zu schaffen. Außerdem möchten sie das Miteinander und den Austausch der Musikszene im Bochumer Umkreis stärken. Eintritt frei. Infos unter: www.freilichtbuehne-wattenscheid.de Freilichtbühne Wattenscheid, BO, 18 Uhr

Nordstadtsommer am Dietrich-Keuning-Haus

SA 11 | 07 | 20 LIVE | Theater | KulturOpenAir Die Prinzessin kommt um vier Ein Theaterstück über unerwarteten Besuch für die ganze Familie. Die Hyäne ist das scheußlichste aller Tiere, hässlich und verlogen, das Fell zerfranst und fleckig. Der Sabber läuft ihr aus dem Maul, sie liebt verfaultes Fleisch, ihr Atem stinkt wie die Pest und Fliegen umschwirren ihren Kopf. Niemand würde sie zum Kaffeetrinken einladen. Doch wenn sie nun in Wirklichkeit eine verzauberte Prinzessin ist? Nun ist die Prinzessin in Herne geladen, ein Besuch voller Überraschungen. Infos: www.flottmann-hallen.de Flottmann-Hallen, Herne, 16 Uhr

MO 13 | 07 – SA 18 | 07 | 20 LIVE | Kinder | Kinder-Zauberkurs Die Kinder lernen in diesem Kurs, mit ganz gewöhnlichen Dingen ungewöhnliche Sachen zu machen. Das Erarbeiten der Kunststücke und die Möglichkeit, im Zauberkasten gleich von Beginn an auf der Bühne im Rampenlicht zu stehen, geben den Zauberkindern vom ersten Tag ein einen guten Einstieg in ihre Kunststücke. Am letzten Kurstag wird ein Zauberfest veranstaltet, an dem die Kinder ihre Kunststücke vorführen werden. Infos zur Anmeldung unter www.zauberkasten.de Zauberkasten, BO, Mo. bis Fr.: 15 – 17 Uhr, Sa: Zauberfest ab 15 Uhr

5. bis 11. Juli Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund

Der Nordstadtsommer gehört so lange zur Nordstadt wie das Dietrich-Keuning-Haus, das ihn ausrichtet: 38 Jahre. Vom 5. bis 11. Juli lädt das Team des Kulturzentrums zum Fünftage-Kultur-Festival mit Musik, Poetry Slam, Tanz und Draußen-Kino aus aller Welt bei freiem Eintritt. Mit „Pottkultur“ bringt der Nordstadtsommer gleich ein neues Format mit: ein Abend voller Musik, Poetry Slam, Singing/Songwriting – und voller Liebe. Ein Highlight: das Konzert (11. Juli) mit Edo Maajka & Dj Pjer, Schlakks&Opek&Razzmatazz und der Gipsy Mafia (Foto). Zweitere sind aus der hiesigen HipHop-Szene nicht wegzudenken. Letztere lenken mit ihrer Musik den Blick auf Flucht, nationale Abschottung und die Lage von Roma in ganz Europa. Edo Maajka gilt heute als größter MC des Balkans und verarbeitet in seinen Songs Krieg, Korruption und Nationalismus, aber auch Liebe und Beziehungen. Info & Voranmeldung: www.dortmund.de/dkh

MI 15 | 07 | 20 ONLINE | Poetry Slam | FZW Edition Bereits zum vierten Mal präsentiert WortLautRuhr den Online Poetry Slam – live auf ihrem twitch-Kanal und mit Abstimmung durch die ZuschauerInnen. Ein Line-Up von SlammerInnen aus dem deutschsprachigen Raum trägt live aus dem FZW ihre besten Texte vor. Mit dabei sind u.a. Hinnerk Köhn und David Friedrich. Moderiert wird der Abend von Jan Schmidt und Sandra Da Vina, und als musikalisches Feature ist Aylin Celik mit dabei. Also alles wie gewohnt beim FZW Poetry Slam Dortmund – nur sitzen die ZuschauerInnen nicht im FZW, sondern zu Hause auf der Couch. Infos: www.wortlautruhr.com

ab MI 15 | 07 | 20 LIVE | Open Air Kino | PSD Bank Kino Die Vorbereitungen für das PSD Bank Kino

2020 sind trotz Covid-19 im vollen Gange. Unter Einhaltung der Auflagen freuen sich die Veranstalter jetzt schon, auch in diesem Sommer wieder spannende Kooperationen und unzählige Film-Highlights zu präsentieren. Alle Infos zum Programm und den Öffnungszeiten gibt es auf www.psd-bank-kino.de Seebühne Westfalenpark, Dortmund

DO 16 | 07 | 20 LIVE | Musik | La vie en rose. Chansons über die Liebe und das Leben an der Seine „La vie en rose“ ist ein verführerischer Abend über eine außergewöhnliche Stadt, ein wunderbares Gefühl und eine ganz spezielle Musik. Sabine Paas und Ralf Gscheidle verführen ihre ZuhörerInnen mit kleinen Geschichten und großen Chansons von Edith Piaf bis Jacques Brel, von Juliette Greco bis Gilbert Bécaud zum französischen Lebensgefühl. Anmeldung erbeten, Infos gibt’s auf der Seite

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KINO-TIPP

der Auslandsgesellschaft: www.agnrw.de Café Orchidee, Mergelteichstraße 40a, Dortmund, 19 Uhr

SA 18 | 07 | 20 LIVE | Kinder | Lars – der kleine Eisbär In dem spannenden Abenteuer „Kleiner Eisbär in der Walbucht“ von Hans de Beer rettet Eisbär Lars die Wale vor den Walfängern und aus einer großen Not, in die sie durch das Abschmelzen eines Gletschers geraten sind. Die Produktion führt von den Bären am Himmel zu der liebevoll erzählten Geschichte von Lars und seinen Freunden bis hin zur Arktis, in der die Kinder mit eindrucksvollen Bildern den Lebensraum der wirklichen Eisbären kennenlernen. Ein Abenteuer für PolarforscherInnen ab ca. 4 Jahren. Infos und weitere Termine: planetarium-bochum.de Planetarium, Bochum, 13 Uhr

DO 23 | 07 | 20 LIVE | Musik | I'm Your Man – Leonard Cohen mit Martin Giessmann und Klaus Grabenhorst Während seines künstlerischen Schaffens von 1956 bis 2016 schrieb der kanadische Rockpoet zahlreiche Gedichtsammlungen und Romane und brachte 14 Studioalben heraus. Er war der Schöpfer unsterblicher Songs wie „Suzanne", „Bird on the Wire", „I'm Your Man" und „Hallelujah". Der Sänger, Schauspieler und Erzählkünstler Klaus Grabenhorst wird begleitet von Martin Giessmann von der Jazzund Worldmusic-Formation „Tukano". Anmeldung erbeten, Infos gibt’s auf der Seite der Auslandsgesellschaft: www.agnrw.de Café Orchidee, Mergelteichstr. 40a, Dortmund, 19 Uhr LIVE | Hörspiel | Maigret und sein Revolver Spannende Hörspiele unter Sternen: Einmal im Monat können die BesucherInnen des Planetariums ihren Abend mit Mord und Totschlag zu verbringen – natürlich ohne jedes Risiko für Leib und Leben. In der Wohnung der Maigrets am Boulevard Richard-Lenoir taucht ein junger Mann auf, der den Kommissar dringend zu sprechen wünscht. Madame Maigret ruft ihren Ehemann an. Als dieser erscheint, ist der Besucher schon wieder verschwunden und mit ihm eine Smith & Wesson. Nach dem Mord an einem Abgeordneten rückt die Waffe in den Mittelpunkt der Ermittlungen. Es gibt Hinweise, dass sich der Unbekannte nach London abgesetzt hat. Kommissar Maigret folgt ihm. Infos und weitere Termine: planetarium-bochum.de Planetarium, Bochum, 20 Uhr

LIVE | Kino Zahlreiche Kinos in Bochum und Dortmund haben das Programm unter den entsprechenden Hygiene- und Sicherheitsvorschriften wieder aufgenommen. Darunter das Lichtspieltheater Schauburg in Dortmund, das Casablanca in Bochum, das Union Filmtheater in Bochum (ab 2.7.), das sweetSixteen Kino in Dortmund, das Capitol in Bochum (ab 2.7.). Alle Informationen zum Kinobesuch findet ihr auf den Homepages der einzelnen Kinos. ONLINE | Clubs | Party im Wohnzimmer Zahlreiche Clubs bieten zurzeit außergewöhnliche Formate an und bringen Party und Konzert direkt ins Wohnzimmer. Die Rotunde Bochum, die Trompete in Bochum, der Rekorder in Dortmund und die Großmarktschänke in Dortmund laden regelmäßig zur gestreamten Party mit ihren Club-DJs. Darüber hinaus gibt es Talks, Comedy-OnlineÜbertragungen etc. Es lohnt sich also, die Homepages und anderen Kanäle der Clubs in der Region im Auge zu behalten, um die Party ins eigene Wohnzimmer zu verlagern und die Clubs gleichzeitig zu unterstützen. ONLINE | Musik | Cooltour.live Bochum Total muss in diesem Sommer leider ausfallen. Aber die Streamingplattform www. cooltour.live soll dabei helfen, den CoronaBlues zu vertreiben: eine interaktive Plattform für live im Netz übertragene Konzerte aus Clubs, Wohnzimmern, Partykellern, Gärten, Wohnmobilen, deren BesucherInnen die KünstlerInnen mit virtuellen Tickets und realem Geld supporten oder besondere Performances direkt unterstützen können. Anzeige

KunstFest

PASSAGEN 1. bis 13. September 2020 Gut Rödinghausen | Menden

ab DO 16 | 07 | 20 LIVE | endstation.kino | La cordillera de los sueños Das endstation.kino im Bahnhof Langendreer wird Anfang Juli wieder seine Türen öffnen. Es wird im Juli und August noch ein bisschen anders laufen als sonst: Zum Beispiel wird es kein komplettes Monatsprogramm geben. Auf der Webseite des Kinos werden wir darüber informieren, welche Filme aktuell gezeigt werden. Am 16. Juli startet Patricio Guzmáns neuer Dokumentarfilm „La cordillera de los sueños – Die Kordillere der Träume“ in den deutschen Kinos und wird sehr wahrscheinlich im endstation.kino zu sehen sein. Mit dem dritten Teil seiner Trilogie über seine chilenische Heimat hat der Regisseur 2019 bei den Filmfestspielen in Cannes eine Goldene Palme für den besten Dokumentarfilm gewonnen. Neben den Bergen, die Chiles Landschaft dominieren, beschäftigt Patricio Guzmán die Geschichte des Landes. Somit steht das, was man Erinnerung nennt, im Zentrum, und Erinnerungen sind heute mehr denn je mit Bildern verbunden, die gemacht werden. Guzmàn betrachtet die Natur seiner Heimat als Sinnbild der politischen Geschichte von revolutionärer Utopie, faschistischer Diktatur und neoliberalem Raubbau. 80 Prozent der Oberfläche Chiles machen die Anden aus, und doch bleiben sie ein blinder Fleck im chilenischen Bewusstsein. Patricio Guzmán führt uns, begleitet und geleitet von seiner sanften Stimme und einem persönlichen Text, sowohl hin zu politischen Fragen und ökonomischen Realitäten des Landes als auch hinein ins künstlerische Verarbeiten und ins Bildermachen. endstation.kino Wallbaumweg 108 44894 Bochum www.endstation-kino.de

vielfältig | anregend | anders 29


BODO GEHT AUS

Gut Königsmühle Ellinghauser Str. 309 44359 Dortmund

Kleiner König Kinder- und Familienparadies Als wir den Kleinen König auf Gut Königsmühle besuchen, kann der uns gar nicht zeigen, was er alles drauf hat. Jedenfalls, was die Küche betrifft. Sowohl drinnen als auch an Tischen draußen vor dem hübschen Nebengebäude sollte man jetzt eigentlich Flammkuchen essen können, Salate, Nudeln und selbstgebackenen Kuchen – zu fairen Preisen und in bester Bioqualität. Viele Zutaten stammen schließlich aus der hier ansässigen Gärtnerei und die ist demeterzertifiziert. „Sämtliche coronabedingten Hygienestandards für den regulären Betrieb zu erfüllen, das können wir uns finanziell nicht leisten“, erklärt Fabian Neuser, dem die gastronomische Leitung obliegt. „Deswegen bewirtschaften wir den Kleinen König derzeit nur als Kiosk. Wir backen Waffeln, dazu gibt es Kaffee oder Tee, kalte Getränke oder Eis am Stiel. Wenigstens ein paar Snacks möchten wir unseren Gästen anbieten.“ Und die Gäste bleiben nicht aus. Das Gut und mithin der Kleine König liegen am Emscherweg, Höhe Dortmund-Mengede. Die familienfreundliche Pausenstation im Grünen ist gut erreichbar und dennoch weit genug entfernt von Lärm und Hektik der 30

Von Peter Hesse Fotos: Daniel Sadrowski

Stadt. Besucher finden auf dem insgesamt elf Hektar großen Anwesen einen weitläufigen Spielplatz, Tiere, einen Barfußpfad, einen kostenlosen Fahrradverleih und darüber hinaus ein umfangreiches (Ferien-) Programm für Kinder. Eltern wissen an diesem Ort ihren Nachwuchs stress- und organisationsfrei in guten Händen. Grundsätzlich ist das Gelände öffentlich zugänglich. Bisweilen reicht es ja, an einem Nachmittag und nur für ein paar Stunden einfach mal abschalten zu können. Oft jedoch, sagt Herr Neuser, würden sich Besu-

cher anschließend über das breit gefächerte pädagogische Angebot auf dem Gut informieren. Als Beispiele nennt er Hofrallyes, eine Kreativwerkstatt und ein Forschungslabor zum Experimentieren. Als Koch freut er sich natürlich besonders darüber, bald im Hauptgebäude eine nagelneue Lehrküche für die Kleinen eröffnen zu können.


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„help and hope“ Die 2005 gegründete Stiftung „help and hope“ konnte das historische Gut Königsmühle im Jahr 2016 erwerben. Ziel der Stiftung ist es, benachteiligten Kindern und Jugendlichen langfristig und nachhaltig Chancen auf eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Bevor „help and hope“ das Gut übernahm, waren hier bereits soziokulturelle Betriebe ansässig. Zu nennen wären Zweigstellen der Werkstätten Gottessegen, die hier unter anderem eine Demeter-Gärtnerei und eine Wohn- und Lebensgemeinschaft für Menschen mit Assistenzbedarf betreiben, sowie ein WaldorfKindergarten.

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Diese Betriebe sind Mieter der Stiftung. Wo es möglich und sinnvoll ist, kooperieren Stiftung und Betriebe. Die Gärtnerei beispielsweise liefert Obst und Gemüse für den Kleinen König und die Lehrküche und ermöglicht außerdem Workshops im Ferienprogramm. Die gemeinsame Vision aller ist es, das Gut als sozialen Ort der Begegnung und der inklusiven Arbeit weiter zu entwickeln.

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REPORTAGE

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Wenn man die ersten Konzerte der Bochumer Symphoniker im wieder eröffneten Musikforum als Gradmesser dafür nimmt, wie stark die Menschen die Kultur während des Corona-Lockdowns vermisst haben, dann müsste man feststellen: offenbar kaum. Doch das ist natürlich nicht die ganze Wahrheit. Von Max Florian Kühlem | Fotos: Daniel Sadrowski

Husten kommt nicht gut Wir schreiben den 11. Juni 2020, und die Bochumer Symphoniker haben zum ersten Mal seit fast drei Monaten wieder öffentliche Konzerte angesetzt. Der Stresstest war kurz vorher ein Abend für Ehrenamtliche, die sich in verschiedenen Bereichen der Stadt in der Corona-Krise verdient gemacht haben. Hinter der Bühne steht Leif Holberg, einer der Meister für Veranstaltungstechnik – und wenn man das Musikforum durch seine Augen sieht, wird klar, wie krass derzeit alles auf den Kopf gestellt ist. Im so genannten Green Room zum Beispiel, der vor und nach Konzerten Aufenthaltsraum für die MusikerInnen ist, ihnen auch zum Anstoßen und Feiern dient, stehen derzeit nur noch wenige Sessel, Stühle und Hocker an der Bar. Ein Aufkleber mit der Aufschrift „Ihr Platz“ markiert, dass sie auch genau an diesen Plätzen – und den bestimmten Abständen zueinander – stehen bleiben sollen. „Im Moment dürfen sich 26 Musiker im Green Room aufhalten“, sagt Leif Holberg, der seit Wochen alle neuen Corona-Bestimmungen wälzt und ein Hygienekonzept für mögliche Auftritte aktuell hält.

Am Tag des ersten Konzerts der Bochumer Symphoniker dürfen genau 35 Menschen auf die Bühne. Sonst spielen hier gerne mal 85 oder mehr. Leif Holberg zeigt vor dem Bühneneingang auf den Boden: Auch dort kleben im Abstand von eineinhalb Metern die „Ihr Platz“Aufkleber, denn so viel Abstand sollen die MusikerInnen beim Einlaufen halten. Auf der Bühne lenkt der Veranstaltungsmeister die Aufmerksamkeit auf kleine Eimer in den hinteren Reihen: Dort sitzen die Blechbläser, die ab und zu kondensiertes Wasser aus ihren Trompeten, Posaunen oder Hörnern lassen müssen, das von ihrem Atemausstoß stammt. Normalerweise

„Fast täglich kommen neuen Wasserstandsmeldungen“, sagt er. „Sänger und Bläser zum Beispiel sollten erst zwölf Meter Abstand voneinander halten, dann wurde die Zahl auf acht, sechs und schließlich vier reduziert.“ Eine Zeit lang hieß es, es sollten gar keine Bläser auf die Bühne, dann waren Holzbläser erlaubt, jetzt darf ein kleines, gemischtes Ensemble spielen. Das machte es auch für die Programmplaner schwierig, festzulegen, was eigentlich gespielt wird – weil für jede Komposition andere Instrumente und Mengen an SpielerInnen erforderlich sind.

Links: „Einerseits stimmt es erstmal traurig, vor so wenig Menschen zu spielen“, sagt Oboist Nathanael Amrany. „Andererseits merkt man, dass die, die kommen, sehr dankbar sind und sich sehr freuen.“ Rechts: Nur rund jeder fünfte der rund 1.000 Sitzplätze darf zurzeit vergeben werden. Zu den ersten Konzerten trauten sich jedoch nur jeweils 60 BesucherInnen.

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REPORTAGE

lassen sie es einfach auf den Boden ab. Jetzt müssen sie es sorgsam in ihre Eimer fließen lassen. „Das ist im Prinzip Sondermüll“, sagt Leif Holberg, „jeder Bläser muss die kleine Plastiktüte am Ende selbst entsorgen.“ „Es ist 19 Uhr, wir machen Einlass“, tönt die Stimme des Orchester-Oberinspektors Jürgen Eckstein aus den Lautsprechern im Backstage-Bereich. Leif Holberg dreht noch einmal eine Runde durch den Foyer-Bereich, natürlich mit Mund-Nase-Bedeckung, die hier alle tragen müssen, wenn sie sich durch das Gebäude bewegen: Orchestermitglieder, Mitarbeiter- und ZuschauerInnen. Vor den Eingängen stehen MitarbeiterInnen hinter Notenpulten. Auf ihnen müssen die Gäste ihre Eintrittskarten ablegen, damit sie mit einem Edding am langen Arm entwertet werden. „Kontaktlosigkeit“ heißt das Gebot der Stunde. An den Haupteingängen präsentiert Leif Holberg noch stolz die Desinfektionsspender, die sein Kollege Winfried Kircher aus Notenpulten (sogar mit Notenblättern) gebastelt hat. Viele Hände haben im Orchester also ineinander gegriffen, damit es wieder spielen kann. Denn daran lässt Musiker Nathanael Amrany keinen Zweifel: „Wir wollen spielen. Alle Kollegen, die ich gesprochen habe, haben sich darauf gefreut.“ Die neue Situation sei zwar gewöhnungsbedürftig: „Es war erst

schwierig, mit den größeren Abständen auf der Bühne zu spielen, weil man sich anders hört und sieht“, sagt der Oboist. „Deshalb haben wir für das neue Programm verhältnismäßig lang geprobt.“ Aber letztendlich habe es sich gelohnt: „Lieber so spielen als gar nicht.“ Das Publikum allerdings scheint das noch nicht ganz so zu sehen – oder es braucht eben auch eine längere Eingewöhnungszeit. Der große Saal im Bochumer Musikforum steht bei den ersten Konzerten für rund 200 BesucherInnen offen. Beim ersten von zwei Konzerten an diesem Feiertags-Donnerstag kommen allerdings nur rund 60. Beim zweiten sind es unwesentlich mehr. Ähnliches hört man von anderen Kulturstätten: Die kurzfristig anberaumten Konzerte im Konzerthaus Dortmund sind nicht ausverkauft – und die neue Corona-Premiere im Schauspielhaus Bochum wohl vor allem deshalb so schnell ausgebucht, weil man dort nur rund 50 Menschen bei freiem Eintritt in den eigentlich für 800 Gäste ausgelegten Saal lässt. „Einerseits stimmt es erstmal traurig, vor so wenig Menschen zu spielen“, sagt Oboist Nathanael Amrany. „Andererseits merkt man, dass die, die kommen, sehr dankbar sind und sich sehr freuen. Sie bemühen sich sichtlich, extra laut zu klatschen.“ Tatsächlich wirken die Menschen, die einzeln oder zu zweit zwischen notdürftig abgesperrten Sitzen Platz nehmen, gespannt und aufgeregt, verfolgen das Programm fast atemlos. Husten kommt in der aktuellen Situation nicht gut an, erntet böse oder zumindest verängstigte Blicke. Für das Programm hat Symphoniker-Chef Steven Sloane drei Kompositionen gewählt, die alle mit einem Adagio, also einem langsamen, eher traurigen oder düsteren Satz anfangen – und zu einem strahlenden oder hoffnungsvollen Ende finden. Der Dirigent, der sich bei jedem Auf- und Abgang eine Maske ins Gesicht nestelt, leitet zwischen zwei klassischen Symphonien von Joseph Haydn ein Violinkonzert von Karl Amadeus Hartmann, des überzeugten Antifaschisten, der die Nazizeit in Deutschland in der inneren Emigration überstanden hatte. Hier überzeugt nicht nur die großartige Solistin Antje Weithaas, die jede emotionale Tiefe des selten gespielten „Concerto funebre“ voll auskostet. Ein programmatischer Neustart nach der kulturarmen Zeit der Corona-Isolation. Vielleicht trauen sich nach dem Sommer wieder mehr Menschen in die Konzerthäuser und Theater.

Links: Leif Holberg, Meister für Veranstaltungstechnik, wälzt seit Wochen Corona-Bestimmungen und hält das Hygienekonzept für mögliche Auftritte aktuell. „Fast täglich kommen neuen Wasserstandsmeldungen“, sagt er.

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BÜCHER

Gelesen von Bastian Pütter

Was ist Rassismus? Die Journalistin Ijeoma Oluo hat mit dem 2018 erschienenen „So you want to talk about race“ einen New-York-Times-Bestseller geschrieben. Ende Mai, drei Tage nach der Tötung von George Floyd ist die deutsche Übersetzung erschienen. Der Ton ist offensiv: „Du wirst das hier königlich vermasseln“, leitet sie etwa eine Liste grundlegender Tipps ein, um beim Sprechen über Rassismus eine „Gesprächskatastrophe“ abzuwenden. Sehr private Beispiele von Rassismuserfahrungen wechseln mit Listen, Argumentsammlungen, Erklärungskapiteln, und die mit Exkursen über Gegenwart und Geschichte des spezifisch US-amerikanischen Rassismus: Oluo beschreibt die „school-to-prison“-Pipeline, die Entstehung der US-Polizei aus den „Slave Patrols“ und den „Night Watches“ und die gesellschaftlichen Folgen rassistischer Polizeikontrollen, für die das sarkastische Kürzel DWB, „Driving while Black“, steht. Der Verlag wählt als Untertitel eine Anspielung auf „Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche“ der Britin Reni Eddo-Lodge (Klett-Cotta, bodo 6/19). Gemeinsam mit der deutschen Perspektive von Alice Hasters („Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen“, Hanser) sind das Positionen aus drei Gesellschaften, alle schonungslos persönlich, analytisch und auf eine entschlossene Art didaktisch. Ijeoma Oluo | Schwarz sein in einer rassistischen Welt. Warum ich darüber immer noch mit Weißen spreche. ISBN: 978-3-89771-275-1 Unrast | 240 S. | 16 Euro

Das System Tönnies Was sagst Du? Fragen in Großbuchstaben, zuerst wie Statusabfragen – WO BIST DU JETZT? – dann auch dringlicher, anfragestellend. Ein wirklicher Dialog wird das nicht, eher vielleicht eine Selbstbefragung in verteilten Rollen. Um was hier in so markanter Form gerungen wird, ist die Geschichte einer jungen Frau, geboren in der DDR als Tochter eines angolanischen Vaters: ihr Aufwachsen in den „national befreiten Zonen“ der neuen Bundesländer. Eine Mutter, die als Punk die DDR gehasst hat, der ferne Vater, Tragödien, die Omnipräsenz von Hautfarbe und eine andere Wirklichkeit in den USA, Therapiesitzungen, Freundschaften, Affären. Ein Graffito, an dem die Protagonistin vorbeigeht, fragt: „Was sind Bilder von uns, wenn sie uns in uns selbst einschließen?“ „1.000 Serpentinen Angst“ ist nicht einfach die Biografie einer Schwarzen Ostdeutschen, auch wenn die namenlose Protagonistin der in Weimar geborenen Schriftstellerin Olivia Wenzel wahrscheinlich nicht allzu fern ist. Jene hat aber entschieden, die Fragen um Schwarze deutsche Identität mit allen Mitteln großer Literatur zu verhandeln, komplex, vielstimmig, souverän. Ein großartiges Buch. Olivia Wenzel 1000 Serpentinen Angst ISBN: 978-3-10-397406-5 S.Fischer |352 S. | 21 Euro

Am Mittwoch, dem 18. Juni, bat der Kreis Gütersloh um Amtshilfe durch die Bundeswehr. Am Tag zuvor waren Hunderte Mitarbeiter des Fleischkonzern Tönnies positiv auf Covid-19 getestet worden, die Zahl stieg schnell auf über 1.500. Ebenfalls am 18. Juni stellten die „Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg“ gemeinsam mit fünf der zehn AutorInnen ihre Veröffentlichung über das „Schweinesystem“ im Stadthaus Wiedenbrück vor. Nun geht es hier nicht um gutes Timing. Dass Clemens Tönnies eingereiste Rumänen und Bulgaren verantwortlich machte – und der Ministerpräsident sich dem anschloss –, dann noch entschuldigend mitteilte, sein Konzern kenne gar nicht die Wohnadressen der Mitarbeiter, die lägen bei Subunternehmern, zeigt, worum es den GewerkschaftlerInnen geht: In der Fleischindustrie hat sich eine fast extraterritorial empfundene Rechtspraxis etabliert und ein Geschäftsmodell, das von Ausbeutung und Entmündigung lebt. „Das Schweinesystem“ liefert tiefe Einblicke in die Welt der deutschen Großschlachtereien und ist aus der langjährigen Erfahrung der Gewerkschafter heraus getragen von Misstrauen angesichts der staatlichen Versprechungen und derer der Industrie. Jour Fixe Gewerkschaftslinke Hamburg (Hg.) | Das Schweinesystem. Aufhebung der Werkverträge und des Subunternehmertums! ISBN: 978-3-9822036-0-7 Die Buchmacherei | 124 S. | 10 Euro

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GESELLSCHAFT

In der Mitte der Gesellschaft Vier Positionen

Wieder am selben Punkt

I

ch habe mein gesamtes Leben in Dortmund gelebt und arbeite in der Schulleitung der Anne-Frank-Gesamtschule in der Nordstadt. Ich bin Mutter von drei Kindern, Schwarze Deutsche, ich bin verheiratet, mein Mann ist weißer Deutscher. Schule ist je nach Standort ein Ort der Mehrheitsgesellschaft. Andererseits ist Diversität längst in der Schule angekommen. Aber aus Studien wissen wir, dass man Rassismus in allen Ecken der Gesellschaft findet, auch in Schule und Lehrerschaft. Schule diesbezüglich ist nicht immer für alle ein sicherer Ort. Ich sehe es auch als meine Aufgabe, Kolleg*innen und mein Umfeld zu ermuntern, rassismuskritisch und vorurteilsbewusst an Dinge heranzugehen. Hanau war richtig hart. Es hat die Situation von Schwarzen Menschen in Deutschland, Migrant*innen und POCs deutlich verschärft. Hanau hat uns drastischer noch als die NSU-Morde gezeigt, dass wir jede Minute zum Opfer von irgendjemandem werden können, der uns aufgrund rassifizierter Merkmale aussucht. In den Tagen danach hab ich meine Community und andere Minderheiten als hochtraumatisiert wahrgenommen. Für die Mehrheitsgesellschaft lief das Leben weitestgehend weiter. Der Tod von George Floyd hat durch dieses Video, in dem vollkommen klar ist, er schafft das nicht, der Wut, der Trauer und der Fassungslosigkeit noch einmal ein Gesicht gegeben. Das Sterben geht übrigens weiter, auch ohne Bilder. Dass die Polizei, ob in den USA, in Frankreich, in Deutschland für eine Schwarze Person weder Freund noch Helfer ist, ist mir seit dem Kindergarten klar. Die Gespräche, die in den USA „The Talk“ heißen, hab ich auch mit meinen Kindern, vor allem mit meinem Sohn geführt: Wenn Du angehalten wirst, heb die Hände, sag, dass du nicht bewaffnet bist. Lauf nicht weg, mach alles, was die Polizisten wollen. Das Ziel ist, unbeschadet aus der Situation zu kommen.

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Positiv an der „Black Lives Matter“-Bewegung ist für mich, dass die Communities in Deutschland sich formieren, laut sind und sich solidarisieren. Neu ist, dass viele weiße Leute mitmachen. Wenn die aber auf der Straße die Schwarze Faust heben, frag ich mich: Was lebst Du da jetzt aus? Ich glaube, meine Sache nicht. Eine Freundin berichtete, dass sie bei der Kundgebung aus Versehen jemanden angerempelt habe. Die Person drehte sich wütend um, sah, dass sie Schwarz ist und sagte: „Du darfst das.“ Das ist es nicht. Was mich an der Rassismusdebatte gerade unfassbar nervt, ist, dass wir über den Punkt nicht hinauskommen, an dem Schwarze Menschen gebetsmühlenartig ihre Fallbeispiele runterleiern und die Mehrheitsgesellschaft dann weiter diskutiert, ob es Rassismus in Deutschland überhaupt gibt, ob es nicht eine überreizte Gefühlslage der Communities sein könnte, ob es nicht auch Rassismus gegen Deutsche gebe. Das macht mich fassungslos. Ich erwarte, dass Schwarze Expert*innen gehört werden. Rassismus ist gut erforscht. Die Ergebnisse sprechen eine klare Sprache. Rassismus ist da und wird nicht verschwinden, dafür ist er als Konstrukt zu wichtig für die Mehrheitsgesellschaft. Ein realistisches Ziel wäre, rassismuskritisch und vorurteilsbewusst leben zu lernen und damit die Bedürfnisse aller Menschen in Deutschland einzudenken. Dass der Schwarze Mensch fast täglich Rassismus erlebt oder eine Handlung als weißer Mensch möglicherweise rassistisch ist, ohne rassistisch intendiert zu sein. Wenn das aus „Black Lives Matter“ erwächst, ist es eine gute Bewegung. Wenn es einfach die Corona-Sommerpause ist, eine Chance, vor die Tür zu gehen, ist es schade.

Isabelle Spieker Lehrerin Dortmund


Der Anschlag am 19. Februar in Hanau war trotz der ungebrochenen Kontinuität rassistischer Gewalt eine Zäsur und führte zu einem erneuten Verstummen in vielen migrantischen Communities, während die Mehrheitsgesellschaft zur Tagesordnung überging. Wir suchten Stimmen, die das Schweigen brachen – dann kam Corona. Nach dem Polizeimord an George Floyd in Minneapolis folgte auch in Deutschland eine erneute Debatte über (institutionellen) Rassismus und Polizeigewalt. Wie hängt beides zusammen und was bedeutet es für die, die gemeint sind?

Es geht ums Zuhören

W

oher kommen Sie? Aus Dortmund. – Nein, ich meine ursprünglich. Aus Duisburg, dort studierte ich Sozialwissenschaften. – Und Ihre Eltern? Aus Gladbeck. So verlaufen manchmal die Gespräche mit Menschen, die ich neu kennenlerne und die aufgrund meines Aussehens nach meinem „Ursprung“ fragen. Der Small-Talk über die Herkunft ist vielleicht nett gemeint, aber bewusst oder unbewusst will mein*e Gesprächspartner*in mir mit der zweiten Frage mitteilen, dass ich „fremd“ und nicht Teil der Gesellschaft sei. Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets und identifiziere mich stark mit dieser Region. Aber mich als Deutschen zu sehen, ist schon schwieriger, weil nicht wenige Menschen, welcher Herkunft auch immer, mich nicht als solchen einzuordnen vermögen. Die Diskussion um Identität ist die eine Seite. Die andere Seite ist der Rassismus in unserer Gesellschaft, der negiert oder verharmlost wird. Wenn ich mit weißen Menschen darüber rede, schauen einige von ihnen mich ungläubig an. Mir wird vorgeworfen, ich sei zu emotional, lege alles auf die Goldwaage oder stelle die Gesellschaft schlecht dar. Wenn ich vom NSU-Komplex, rechten Prepper-Gruppen oder von den Anschlägen von Solingen und Mölln erzähle, wird mir das Gefühl vermittelt, als spräche ich von einem anderen Land. Augenrollen, gelangweiltes Ausatmen, Whataboutism sind manchmal die Reaktionen auf das Thema. Ich thematisiere nämlich auch den strukturellen Rassismus in unserer Gesellschaft, den Rassismus in der Mitte der Gesellschaft. Dabei erzähle ich auch von meinen Erfahrungen im Alltag. Wie ich schon als Sechsjähriger im Supermarkt von einem älteren Herrn beleidigt wurde und niemand das Wort gegen ihn ergriff. Vom Gefühl der Ohnmacht und des Fremdseins. Bei Polizeikontrollen, bei der Wohnungssuche, bei der Jobsuche und im Freundeskreis.

Es ist schwer, dies in Worte zu fassen, dieses vermittelte Gefühl, fremd zu sein, nicht dazuzugehören, sich erklären zu müssen. Diese Erfahrungen sind es, die mich dazu bewegen, mich gegen Rassismus in der Freizeit und im Beruf zu engagieren. In meinem Job beim Planerladen e.V. laden wir AkteurInnen und Betroffene bzw. Opfer rechter Gewalt ein, die sich gegen Rassismus einsetzen, führen Antirassismus-Workshops für Jugendliche durch. Mir ist es wichtig, den Diskurs mitzugestalten. Betroffene sollen mitreden und mitentscheiden. Ihnen sollte zugehört werden. Ich engagiere mich auch im Bündnis „Tag der Solidarität – Kein Schlussstrich“. Wir erinnern an Mehmet Kubaşık, der am 4. April 2006 vom NSU ermordet wurde. Seit 14 Jahren fordern die Angehörigen umfassende Aufklärung und lokale Ermittlungen in Dortmund. Ihre Forderungen sind aktueller denn je. Der rassistische Terrorakt in Hanau, der Mord an Walter Lübcke, der antisemitische Terroranschlag in Halle und Morddrohungen gegen Politiker*innen, Jurist*innen und Menschen, die sich gegen Rassist*innen und Neonazis stellen, machen dies auf traurige Weise deutlich. Wir wehren uns gegen die nicht enden wollende Verharmlosung und Vertuschung extrem rechter Verbrechen. Als Bündnis wollen wir eine Gesellschaft, in der Rassismus keinen Platz hat und wir gemeinsam unsere Zukunft gestalten. Diese (politische) Solidarität mit der Familie Kubaşık missfällt einigen in der Stadt – aber dies ist eine andere Geschichte. Mein Engagement gegen Rassismus ist zugleich eins für das Miteinander!

Ali Şirin Sozialwissenschaftler Dortmund

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GESELLSCHAFT

Eine Reihe tiefer Wunden

H

ast Du mitbekommen, was in Hanau passiert ist?“, fragte mein Freund am Morgen des 20. Februar. Ich war früh schlafen gegangen und hatte nicht mehr auf mein Smartphone gesehen. Ich griff zum Telefon, um herauszufinden, ob meine Verwandten unter den Mordopfern waren. Bruchstückhaft wiederholten sich die Gedanken in meinem Kopf: „Hanau ist nicht groß“ – „Meine Cousins“. Ich versuchte, ruhig zu bleiben. Nach langen 40 Minuten die Nachricht, dass es ihnen gut ging. Ich weinte und ich war wütend. Ferhat, Vili, Mercedes, Sedat, Kaloyan, Hamza, Said, Gökhan, Fatih. Mein Mitgefühl und all meine Kraft gelten den Angehörigen. Hanau war die nächste einer Reihe tiefer Wunden, die in das Fleisch derer gehauen wurde, die schon so viel hier ertragen mussten. Mölln, Solingen, NSU, Halle und all die bekannten wie unbekannten Morde – die Liste ist lang. Rassismus und Gewalt gehören zur Alltagsrealität migrantischer und als migrantisch gelesener Menschen in Deutschland. Jeder Mord, jede Tat. Gemeint sind wir alle. Meine Eltern leben seit 40 Jahren hier. Mühsam haben sie sich ein Leben aufgebaut, versucht, ihren Kindern eines zu ermöglichen, das sie selbst nie führen durften. Über zehn Jahre betrieben sie einen Kiosk, in dem ich nach der Schule arbeitete. Sie waren stets darum bemüht, unauffällig, angepasst und freundlich zu sein. Dennoch: „Scheiß Türke“, „Geh zurück in dein Land“ bekamen auch sie oft zu hören. Die Sorge um die Liebsten vor rassistischen Angriffen ist unser stetiger Begleiter. Ich bin deutsche Akademikerin. Mein Auftreten und Aussehen bietet für Rassist*innen weniger Angriffsfläche, obwohl auch ich meine Erfahrungen gemacht habe, wie es ist, hier als Deutsch-Türkin zu leben, ob im Freundeskreis, Beruf oder Alltag. Aber das ist nicht der Punkt. Es spielt keine Rolle, was wir tun und wie sehr wir uns bemühen. Für Rassist*innen und Neonazis wird es immer heißen: Ein Kanake bleibt ein Kanake.

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Dies sind keine Vorfälle am Rande der Gesellschaft. Es geht nicht darum, Gäste und Fremde zu schützen. BIPOCs, migrantische und jüdische Communities sind fester Teil der deutschen Gesellschaft. Sie müssen von Staat und Justiz vor den Täter*innen, anderen Gesellschaftsmitgliedern, beschützt werden, denn Rassismus und Antisemitismus sind in dieser Gesellschaft tief verankert. Seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie laufen Holocaustleugner*innen, Rassist*innen und Verschwörungstheoretiker*innen Seite an Seite. Das Urteil im NSU-Prozess war ein Schlag ins Gesicht aller von Rassismus Betroffenen, insbesondere der Angehörigen der Opfer. Die Einbettung des NSU in die deutschen Neonazistrukturen und die Rolle des Verfassungsschutzes sind ungeklärt, Akten vernichtet oder verschlossen. Justiz und Behörden haben versagt und eine vollständige Aufklärung sogar verhindert. Das Anerkennen der Morde reicht nicht aus. Deutschland muss Verbindungen aufdecken, auch in den eigenen Reihen, und die Betroffenen unterstützen, statt sie zu Verdächtigen zu konstruieren. Alle Täter*innen verbindet ein rassistisches, antisemitisches und antifeministisches Weltbild. Wir müssen selbst aktiv werden. Bildungsprogramme schaffen, aufklären, Druck ausüben und uns mit den Kämpfen der Betroffenen solidarisieren. Ich habe keine Lust mehr, zuzusehen, wie in Talkrunden Alice Hasters einem Norbert Röttgen (CDU) erklären muss, dass es auch in Deutschland strukturellen und institutionellen Rassismus gibt. Gerade jetzt gilt es rassismus- und antisemitismuskritische Initiativen zu stärken und die Perspektiven von Betroffenengruppen ernst zu nehmen.

Melis Avkiran Kunsthistorikerin Bochum


Das Schweigen ringsum

M

eine Mutter ist eine kleine, weiße Frau mit blonden Haaren. Mein braunhäutiger Vater ist in Indien geboren. Weil meine Eltern nicht heirateten, wurde er abgeschoben, kurz nachdem ich auf die Welt kam. Meine deutsche Oma wollte, dass meine Mutter mich abtreibt. Es ging nicht darum, dass Papa Ausländer war. Wäre er beispielsweise weißer Franzose, wäre es für Oma erträglicher. Es ging um seine Hautfarbe. Als ich geboren wurde, hatte sie mich dann doch lieb. Ihr gilt mein erster Gedanke, an den ich mich erinnern kann. Ich spielte in ihrem Garten und sie holte mich herein. Sie stellte mich vor das Waschbecken, stand in ihrer geblümten Schürze hinter mir und schrubbte meine Hände mit einer Wurzelbürste, schrubbte und schrubbte. „Das Braune kriegen wir auch noch ab.“ Und da kommt er, mein erster erinnerter Gedanke, unausgesprochen: Oma, du bist doof, das ist doch meine Hautfarbe. Mein Gefühl war Erstaunen, Trauer kam erst, als ich verstand, welche Ideen das Denken meiner Oma prägten, die in der Nazizeit groß geworden war. Nicht erinnern kann ich mich an die zahlreichen Begegnungen mit fremden Weißen, die in meinen Kinderwagen guckten und fragten: „Ist der adoptiert?“ Wenn meine Mama, diese Frau voller Liebe und Güte, diese Worte nachäfft, wird ihre Stimme hässlich. Da ist der Moment, als ich bei der Führerscheinprüfung mit dem Fahrschulwagen einparkte. Neben mir mein Fahrlehrer (weiß) und auf der Rückbank der Fahrprüfer (auch weiß). „Gut gemacht, David“, sagt mein Fahrlehrer, „den Lappen haste.“ – „Nein, hat er nicht“, kommt es von hinten. Die beiden reden, ohne mich. Später erzählt mir mein Fahrlehrer: „Der hat gesagt, ‚Bei mir hat noch nie ein Kanake den Führerschein bekommen, das wird nicht der erste sein.‘“ Steht natürlich in keiner offiziellen Begründung. Keine Ahnung, warum mich das so traf, keine Ahnung, warum ich mich schämte und die Klappe hielt.

mich nicht, das ist okay. Sie hängt einen „Ein Herz für Kinder“-Aufkleber an ihre Tür, schneidet das K aus und klebt es an den Anfang. Meine Vorgesetzte verbietet mir, den Aufkleber abzumachen. Rüttgers‘ CDU-Wahlkampfspruch „Kinder statt Inder“ ist da zehn Jahre alt. Eine Mischung aus CDU und meiner Oma traf ich wieder, als ich in die Bezirksvertretung der Dortmunder Nordstadt gewählt wurde. Erst für die Piraten, jetzt für die DOS-Partei. Da ist die herzliche alte Dame, mit der ich mich trotz verschiedener Meinungen gerne unterhalte. Andere erzählen mir, dass sie hinter meinem Rücken vor mir warnt, dem „Ausländer“. Ich mag sie trotzdem. Ich glaube nicht, dass es ihr um Ausländer geht, sie erzählte, ihr Vater sei Holländer gewesen – es geht wohl um Hautfarbe. Andere in der Bezirksvertretung empfinde ich als unangenehmer. Da ist der SPD-Vertreter, der von „Zigeunern“ spricht; man wisse ja, wie die sind. Solange er in der Bezirksvertretung sei, gebe es keine Auszeichnung für sie, das setze die falschen Signale. Das Schlimme ist oft gar nicht der offene Rassismus, sondern das Schweigen drumherum, das ihn als normal erscheinen lässt. Der SPD-Vertreter ist mittlerweile im Dortmunder Rat. Eine Auszeichnung für eine Romnija gab es trotzdem. 2017 hat Marcella Montean den „Engel der Nordstadt“ bekommen. Eine kleine Auszeichnung. Für mich hat es sich wie ein großer Sieg angefühlt.

David Grade Kinder- und Jugendpsychotherapeut Dortmund

Da ist mein erster Job nach dem Studium bei der Jugendhilfe St. Elisabeth in Dortmund. Eine Jugendliche mag

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REPORTAGE INTERVIEW

Druck von der Straße Die OrganisatorInnen wirken überrascht. Immer mehr Menschen mit Fahrrädern sammeln sich trotz unbeständigen Wetters an diesem Samstagmittag auf dem kleinen Randstück des Kurt-Schumacher-Platzes, das sechs Fahrspuren vom Bahnhofsvorplatz trennen. Die Radwende Bochum, ein Bündnis aus Klima- und FahrradaktivistInnen und unterstützt von ADFC bis FFF, hat zu einer erneuten Demonstration aufgerufen. Von Bastian Pütter | Fotos: Daniel Sadrowski

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„Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich ohne Angst am Bahnhof mit dem Rad losfahre.“

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uf einem temporären Radweg, für den eine Spur des Südrings für eine Stunde gesperrt wird, will sie zeigen, mit wie wenig Aufwand aus dem lebensgefährlichen Abenteuer Ring eine mit dem Fahrrad nutzbare Infrastruktur werden kann. Acht Minuten dauert der Aufbau. Mit 50 Teilnehmenden hatten die Veranstalter gerechnet, nun fahren rund 250 Touren-, E- und Rennräder, Kinderanhänger-Gespanne und ein Tandem Runde um Runde: westwärts auf dem mit Leitkegeln abgetrennten Kurzzeitradweg, zurück im Verbund auf einer Spur des Südrings. „Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich ohne Angst am Bahnhof mit dem Rad losfahre“, freut sich eine Teilnehmerin. Auch für die PolizeiEinsatzleitung sind Fahrräder auf dem Ring etwas Neues. Sie fragt die OrganisatorInnen freundlich-nervös, ob die Dauer der Demonstration verkürzt werden könne – man behindere ja den gesamten Verkehr.

Zeit des Stillstands „Corona hat bei vielen Leuten für einen Aha-Effekt gesorgt“, erklärt Christoph Bast von der Radwende die große Resonanz. Die während des Lockdowns versiegten Blechlawinen hätten sichtbar gemacht, wie viel Platz man dem Autoverkehr überlasse und wie er sinnvoller zu nutzen sei. Gleichzeitig gebe es endlich Bewegung in Fahrradfragen in der Stadt, und die Erfahrung zeige, dass die ohne Druck schnell wieder einschlafe. In der Tat blickt Bochum verkehrspolitisch auf eine bemerkenswert lange Zeit des Stillstands. Die Auftaktkundgebung beginnt entsprechend sarkastisch. In leuchtenden Farben zeichnet sie die Veränderungen in der Stadt nach, seit der Rat vor einem Jahr alle Entscheidungen unter Klimavorbehalt gestellt hat, um abrupt in die graue Wirklichkeit zu kippen: Tatsächlich sei nichts geschehen. Das Wort Klimanotstand ergibt keinen Treffer auf dem stadteigenen Internetauftritt. Emissionsdaten werden seit 2014 nicht veröffentlicht. Ad-hoc-Lösungen, wie sie etwa Berlin mit temporären Radwegen in der Corona-Krise umgesetzt habe, gebe es in Bochum nur, wenn man sie stundenweise als Demonstration durchsetze. Das Problem ist allerdings viel älter. Seit zwei Dekaden laboriert die Stadt an einem Radverkehrskonzept. Zuletzt musste sogar der Klageweg beschritten werden, um Auskunft über den Bearbeitungsstand zu erhalten.

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REPORTAGE

„Schaut man sich die letzten 20 Jahre an, muss man feststellen, die Ratsbeschlüsse zum Thema Radwegekonzept wurden von der Verwaltung konsequent ignoriert, deren Umsetzung wird verschleppt und die Berichterstattung an die Politik über den Stand der Umsetzung wird bewusst unterlassen“, fasste Volker Steude von den Stadtgestaltern Anfang des Jahres zusammen.

Autostadt Bochum Mit der Radwende Bochum ist allerdings im vergangenen Jahr ein Akteur hinzugekommen, der verkehrspolitische Kompetenz mitbringt, keine Scheu vor Gremienarbeit hat und gleichzeitig lautstark die Öffentlichkeit sucht. Im Mai 2019 hatten die Radwende-Akteure erste gemeinsame Forderungen entwickelt, im Januar folgte ein zehnteiliger Forderungskatalog. Die wichtigsten Punkte: Die Schaffung von Radwegen zuerst auf Ring und den Radialen, später auf allen Hellwegen und wichtigen Achsen. Tempo 30 dort, wo es keine Radwege gibt. Neue Schwerpunktsetzungen bei der Verkehrsplanung,

der autofreundlichsten Städte der Welt. Für Schritte Richtung Verkehrswende nimmt man jedoch hier 6,4 Millionen Euro an EU- und Landesmitteln in die Hand. Und haut eine Million gleich wieder für die PR-Kampagne „UmsteiGERN“ raus, als sei die Entscheidung zwischen Auto und Rad/ÖPNV die zwischen zwei Waschmittelmarken. In Fragen der Radinfrastruktur im Citybereich liegt Dortmund gleichwohl weit vor dem kleineren Nachbarn.

Endlich Bewegung Die fröhliche Demonstration am Bochumer Südring macht vor allem eins sichtbar: Verkehrsinfrastruktur ist vielerorts ein Nullsummenspiel. Wer einem Verkehrsträger in Innenstädten neuen Raum schaffen will, muss das auf Kosten der anderen tun. Farbenfrohe Radwege in der Peripherie sind richtig und sinnvoll, aber sie kosten „nur“ Geld“. Fahrradinfrastruktur in der City zu schaffen, heißt, das Auto zurückzudrängen. Und das stellt die Machtfrage.

Bochum ist die Großstadt mit den meisten Autos pro 1.000 Einwohner in ganz Deutschland. Die Quote liegt 60 Prozent über der von Berlin.

Radverkehrsbeauftragte, höhere Etats. Einen transparenten Mängelmelder, der der Stadt nicht gelingt, hat die Initiative kurzfristig selbst umgesetzt. Eine beeindruckende Liste fehlender, abrupt endender, regelmäßig zugeparkter und defekter Radwege hat das Netzwerk auf einer Karte sichtbar gemacht. Der Blick über den kommunalen Tellerrand, den die Initiative in die Diskussion einbringt, schmerzt in Bochum besonders. „Andere Städte zeigen, dass es viel, viel entschlossener geht“, sagt Christoph Bast. Und eine Statistik zeigt, wie weit der Weg ist: Nach einer Auswertung des Autoversicherers CosmosDirekt aus dem vergangenen Jahr ist Bochum die Großstadt mit den meisten Autos pro 1.000 Einwohner in ganz Deutschland. Die Quote liegt 60 Prozent über der von Berlin. Der direkte Nachbar mag allerdings nur bedingt als Vorbild taugen: Dortmund, das sich zuletzt gewohnt großmäulig in Fahrradfragen zum zukünftigen „Kopenhagen Westfalens“ trompetete, liegt bei Autobesitz zwar „nur“ auf Platz 8, schaffte es aber in einer anderen Auswertung in die Top 10 42

In Bochum wird sie bislang eindeutig beantwortet: Statt im coronabedingten Stillstand der Forderung nach Pop-Up-Fahradwegen nachzukommen, setzte die Stadt auf weitere Anreize fürs Autofahren. Im holprigen Agentursprech verkündete die Stadt „Dein Parkschein geht aufs WIR.“ Wer für Umsatz in der Innenstadt sorgte, durfte bis zu drei Stunden gratis parken. „In Bochum ist die Bereitschaft, dem Auto Platz weg zu nehmen – und darauf läuft es in einer zugebauten eben Stadt hinaus –, einfach nicht da. In der Stadtspitze ist die Bereitschaft zum Konflikt noch nicht da. Das werden wir im Kommunalwahlkampf thematisieren“, kündigt Christoph Bast an. Was den Hauptkritikpunkt der Konzeptlosigkeit angeht, hat sich Bochum nun allerdings Zeit erkauft und vielleicht einen entscheidenden Schritt in die richtige Richtung gemacht. Was die Verwaltung über viele Jahre nicht schaffte, soll nun ein externes Büro erledigen. Für 250.000 Euro ist die Erarbeitung eines Radverkehrskonzepts bis Anfang 2022 ausgeschrieben worden. Für das Bündnis Radwende ein erster Erfolg: „Dass eine umfangreiche Beteiligung der Öffentlichkeit mit eingeplant ist, sehen wir auch als Anerkennung unserer ununterbrochenen harten Arbeit der letzten Monate. Den Faktor Zeit ausgenommen, entsprechen die meisten Inhalte unseren Forderungen. Die beschlossenen Maßnahmen begrüßen wir ausdrücklich. Spannend bleibt, ob diese von der Verwaltung tatsächlich so umgesetzt werden.“


Eine Frage, Herr Quittek:

Wer ist dieser Eichen-Prozessionsspinner? Wer in ländlichen Gebieten in der Natur unterwegs ist oder auch nur in einem städtischen Park, wird auch diesen Sommer wieder auf Hinweisschilder stoßen, die vor dem Eichen-Prozessionsspinner warnen. Doch wer sind diese Tiere eigentlich und warum sind sie für den Menschen so gefährlich?

Thomas Quittek, Vorsitzender der Dortmunder BUND-Gruppe

Der Eichen-Prozessionsspinner ist ein Nachtfalter, fachlich nicht ganz korrekt könnte man ihn als Motte bezeichnet. „Genauer gesagt gehört er zur Familie der Zahnspinner, von denen es 2.500 bis 3.000 verschiedene Arten gibt“, so Thomas Quittek, Vorsitzender der Dortmunder BUND-Gruppe. Im Herbst legen die Weibchen bis zu 150 Eier. Je nach Temperaturverlauf im Frühling schlüpfen die Raupen zwischen Anfang April und Mai aus dem Ei. Die Raupe durchläuft dann bis zu sechs Larvenstadien, die jeweils zehn Tage dauern können und an deren Ende die Raupe bis zu fünf Zentimeter groß ist. Bei der Nahrungssuche ziehen die Raupen in großen Gruppen in die Baumkronen, um sich vom Blattwerk der Bäume zu ernähren. Diese „Prozessionen“ können bis zu zehn Meter lang werden, ihnen verdankt der EichenProzessionsspinner seinen Namen. Nach einer drei- bis sechswöchigen Puppenruhe schlüpfen im August die Falter, die dann nur eine Lebensdauer von wenigen Tagen haben.

Im dritten Larvenstadium bilden die EichenProzessionsspinner Brennhaare aus, die innen hohl sind und das Eiweißgift Thaumetopoein enthalten, das bei Hautkontakt eine Raupendermatitis auslöst und zu allergischen Schocks führen kann. Zwar haben die ausgewachsenen Falter viele natürliche Feinde, die Raupen hingegen werden nur von wenigen Vogelarten angerührt. Neben dem Wiedehopf, der in Deutschland sehr selten ist, zählt dazu der Kuckuck, der die Fähigkeit besitzt, seine Magenschleimhaut mit den da-

Im dritten Larvenstadium bilden die Eichen-Prozessionsspinner Brennhaare aus, die innen hohl sind und das Eiweißgift Thaumetopoein enthalten. rin festsitzenden Brennhaaren herauszuwürgen. „Zuletzt wurden auch Meisen beobachtet, die mit den Raupen ihre Jungen füttern. Die tatsächliche Bedeutung der natürlichen Gegenspieler für die Populationsentwicklung lässt sich bisher nur schwer abschätzen“, so Quittek. „Ein Grund für die aktuell starke Ausbreitung des Eichen-Prozessionsspinners könnte der Klimawandel sein. Die von ihm bevorzugten warm-trockenen Bedingungen treten dadurch hier in Deutschland sehr viel häufiger auf.“

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bodo 03.20

Bill Gates und Ken Jebsen Sehr geehrte Damen und Herren, das, was Sie in der letzten Ausgabe im Artikel „Die Welt in Gut und Böse sortieren“ geschrieben haben, hat mir schlichtweg das Frühstücksbrötchen im Halse stecken lassen. Glauben Sie im Ernst, Bill Gates schert sich um die Zustände von Obdachlosen in Deutschland? Im Gegensatz dazu verpflichtet sich Ken Jebsen der Wahrheitsfindung. Er predigt ausschließlich die Inhalte einer Friedensbewegung und den Gewaltverzicht. Es gibt keinen einzigen Beweis, dass er antisemitische Inhalte produziert oder diese Züge sein eigen nennt. Liefern sie mir einen! Das Narrativ von Ken Jebsen als Antisemit ist in meinen Augen die wahre Verschwörungstheorie. Das Geld für bodo werde ich in Zukunft sicherlich für andere Zwecke ausgeben. D. M., Bochum Hallo Herr M., zur Ihrer Frage: Nein, ich glaube, Bill Gates interessiert sich nicht sonderlich für Obdachlose in Deutschland. Zu Ihrer Bitte um „Beweise“: Ich habe Ken Jebsen mitnichten einen Antisemiten genannt. Das mag an seiner Klagefreudigkeit liegen. Besonders erfolgreich ist er vor Gericht derweil nicht. Im Prozess gegen die Band Antilopengang (von der die Überschrift meines Textes entlehnt ist, Grüße!) unterlag er 2015. 2016 schloss sich das OLG Köln der Argumentation der taz an, die erklären konnte, warum sie im Artikel „Neurechte Friedensbewegung – Tausend Mal berührt“ die Äußerungen von Ken Jebsen zulässig als antisemitisch bewerten durfte. Dabei war es um Jebsens Entlassung als Radiomoderator beim RBB gegangen, als nach wiederholten Antisemitismusvorwürfen eine Mail öffentlich wurde. Hier ein Ausschnitt in unveränderter Orthografie, wie sie die taz auch dem Gericht vorgelegt hatte: „sie brauchen mir keine holocaus informatinen zukommen lassen. ich habe mehr als sie. ich weis wer den holocaust als PR erfunden hat. der neffe freuds. bernays. in seinem buch propaganda schrieb er wie man solche kampagnen durchführt. goebbels hat das gelesen und umgesetzt. ich weis wer die rassendatten im NS reich möglich gemacht hat. IBM mit hollerithmachinen. ich weis wer wärend des gesamten krieges deutschland mit bombersprit versorgt hat.standartoil also rockefeller.“ Viele Grüße von bodo Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de


RÄTSEL

„Bob der Streuner“ war der vielleicht berühmteste Kater der Welt. Er war dem Obdachlosen James Bowen in London zugelaufen. James nahm sein Leben in die Hand, wurde Straßenzeitungsverkäufer, fand eine Wohnung – und schrieb einen Weltbestseller. Bob starb im Juni im Alter von mindestens 14 Jahren. Foto: The Big Issue

Die Hälfte für den Verkäufer? Liebes bodo-Team, meistens kaufe ich eure Zeitung bei Frauen. Mir ist aufgefallen, dass die Verkäuferinnen formal leider nicht auftauchen, etwa bei dem Hinweis „die Hälfte für den Verkäufer“. Das finde ich sehr schade! Ich würde mir wünschen, dass auch die weibliche Form bei euch zukünftig verwendet wird. Viele Grüße, J. F. Liebe Frau F., ach, Sie haben ja Recht. Hier schleppt sich die Diskussion über die geschlechtergerechte Sprache schon lange hin. Ich favorisiere eigentlich das generische Femininum, bei dem sich Männer* dann mitgemeint fühlen dürfen, aber wir hantieren immer noch mit dem Wechsel zwischen Binnen-I, männlicher und „mitmeinender“ weiblicher Form – und haben dabei die Baustelle Titel ganz aus dem Blick verloren. Wir haben das mal sofort geändert, danke. Viele Grüße von bodo Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de

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VERKÄUFERGESCHICHTEN

Dass man durch schwere Erkrankungen nicht nur im Krankenhaus, sondern auch irgendwann auf der Straße landen kann, hat unser Bochumer Verkäufer Cetin am eigenen Leib erfahren. Was ihn seine berufliche Existenz gekostet hat und wie er sich mit bodo zurück ins Leben kämpfte, hat er uns an seinem Verkaufsplatz in BochumEhrenfeld erzählt. Text und Foto: Sebastian Sellhorst

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„Hauptsache, du bleibst gesund.“

ein Vater ist 1963 nach Deutschland gekommen. Eigentlich wollte er nur ein paar Jahre bleiben, etwas Geld verdienen, und dann zurück zu meiner Mutter nach Zonguldak in die Türkei. Aber wie das Leben so spielt, ist er auf Zeche Ewald in Herten geblieben, meine Mutter ist dann neun Jahre später auch nach Deutschland gekommen, und ein Jahr später kam ich in Recklinghausen zur Welt.“

Mit 16 beginnt Cetin eine Lehre als Maurer. Arbeitet auf Baustellen im ganzen Ruhrgebiet. „Alles lief gut, bis ich 2008 bei mir zu Hause im Flur zusammengebrochen bin und mich nicht mehr bewegen konnte. Ich hatte noch nie solche Schmerzen. Die Rettungssanitäter mussten extra noch einen Arzt bestellen, der mir zweimal Morphium spritzen musste, damit man mich überhaupt auf die Trage kriegen konnte.“ Im Krankenhaus wird eine Spinalkanalverengung diagnostiziert und behandelt. „Danach sollte ich eigentlich nicht mehr schwer heben und dergleichen. Was auf dem Bau leider nicht so einfach ist. Du packst aber dann doch immer mal wieder irgendwo mit an, auch wenn es wehtut“, erzählt er. Unter Schmerzen arbeitet er weiter, bis er 2017 eines Morgens sein Bein nicht mehr bewegen kann. „Im Krankenhaus wurde ich dann sofort vier Stunden notoperiert. Der Arzt sagte mir damals, ich hätte ziemlich viel Glück gehabt. Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre im Rollstuhl gelandet.“ So weit ist es zum Glück nicht gekommen. Mehrere Rückenwirbel werden versteift. Seinen Beruf als Maurer kann er nicht mehr ausüben. „Seitdem bekomme ich eine Erwerbsminderungsrente und nehme täglich Schmerzmittel“.

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„Meine Eltern waren zu dem Zeitpunkt wieder in die Türkei gezogen. Da meine Mutter schwer krank war und an einem komplizierten Herzleiden litt, bin ich in der Zeit oft in die Türkei geflogen und habe mich um sie gekümmert.“ Eine belastende Zeit. „Durch ihre Behandlungen in der Türkei habe ich dann Mietschulden angehäuft, die ich irgendwann nicht mehr zahlen konnte. Das ging noch eine Weile gut, aber dann wurde ich Mitte letzten Jahres geräumt und saß auf der Straße.“ Über die Übernachtungseinrichtung am Bochumer Stadion, in der Cetin einige Wochen geschlafen hat, kommt er zu bodo. „Am Anfang war es mir noch unangenehm, mich hier hinzustellen mit der bodo in der Hand. Mittlerweile geht es“, erinnert er sich. Manchmal kämen noch Sprüche oder irgendwer raune ihn an, er solle arbeiten gehen. „Denen erkläre ich aber auch gerne, wie es dazu gekommen ist, dass ich hier stehe.“ Die meisten verstünden das, alle anderen könne er mittlerweile ganz gut ignorieren. Mit dem Verkauf der bodo spart Cetin sich das Geld für eine Mietkaution zusammen. „Jetzt lebe ich in einer Studenten-WG, nicht weit von meinem Verkaufsplatz hier am Rewe in Ehrenfeld.“ Das sei prima, denn sonst sähe es mit sozialen Kontakten zurzeit echt finster aus. „Die Anlaufstellen und Suppenküchen haben noch zu, und draußen konnte man sich bis vor kurzem ja auch nicht wirklich mit Leuten treffen. Da ist es ganz nett, wenn man abends nach Hause kommt und man nicht alleine ist.“


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Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt

Merkt einer den Unterschied? Wir haben Ferien, also die Schülerinnen und Schüler. Das pädagogische Personal ist nur von der Anwesenheit in diesen maroden Bildungsschuppen befreit, die jetzt im aufziehenden Wahlkampf auch wieder schöne Motive liefern werden. Hat sich Blödheit breitgemacht? Marodieren minderbeschulte Coro-Notabiturienten durch die Städte, zombiehaft unerlöst, weil sie ihren schäbigen, oft boshaften Abischerz nicht anbringen konnten? Haben die Profs schon die rituelle Klage über das sinkende Niveau der Erstsemester per Copy and Paste in die Presseerklärung fürs Jahr 2020 eingefügt? Stimmt, was man mir in angemessener Häme berichtet, dass wenige Lehrer den Lockdown nutzten, um Haus und Garten aufzupimpen? Was weiter nicht schlimm wäre, hätten sie es nicht auch noch auf Facebook hochgeladen. (Instagram wäre mehr Junglehrer, also U50.) Aber es zeugte von erschreckend geringer Medienkompetenz. Über die gibt es in den letzten Monaten etliche Berichte. Oft geht es da um die Online-Übermittlung von Aufgaben, um fehlende Videokonferenzen oder um Gespräche mit Schülern ohne Schulbesuch. (Die es oft schlicht nicht gab.) Martin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.

Sie Mitglied Werden auch in der AWO! eder die AWO li g it M r h e m Je hr kann sie in hat, desto me ft bewirken. der Gesellscha en nn sie Mensch Desto eher ka fe brauchen. helfen, die Hil ww.de e • www.awo.d w w oaw info@

Manche fürchten schon um die Zukunft der heutigen Schüler. Allein, Gefährdungen gab es immer, hormonelle Unzulänglichkeiten, Kurzschuljahre, Lehrermangel. Ich erinnere mich an meinen Biolehrer in der Sek 1, einen Fernfahrer, im früheren Leben immerhin Landwirt. Wir wussten nachher alles über die Verdauung von Kühen, aber nichts über den eigenen Schniedel. Ich verneige mich vor den 20er-Schülern. Die haben schulterzuckend zur Kenntnis genommen, dass sie nach Abgabe ihrer Aufgaben null zurück bekamen. Sie haben diese Kränkung weggesteckt und Unterricht selbst organisiert über Messenger, Videochats und Youtube. Motto: Nicht in der Schule, im Leben lernen wir.

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