bodo Juni 2018

Page 1

bodo DAS

IN STRASSENMAGAZ

06 | 18 Die besten Geschichten auf der Straße

2,50 Euro Die Hälfte für den Verkäufer

DORTMUNDS ELEKTROHOF

Anne Kaffeekanne & Co: Fredrik Vahle Seite 4

KRIMINOLOGE TOBIAS SINGELNSTEIN

Raum 9: Botopia Seite 38

K LEIDER E T U E L N E H C A M ELESS“

„SIND SIE AUCH BIPOLAR?“ STIMMEN BAUERNREGELN?

„ R E PIC T U R I NG HOM

NUR MIT AUSWEIS

1


IMPRESSUM

Herausgeber, Verlag, Redaktion: bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.: Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de 0231 – 950 978 12, Fax 950 978 20 Layout und Produktion: Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign info@lookatnoll.de Veranstaltungskalender: Petra von Randow, redaktion@bodoev.de

INHALT

Fredrik Vahle

Von Max Florian Kühlem

Anzeigenleitung: Susanne Schröder, anzeigen@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Vertriebsleitung: Oliver Philipp, vertrieb@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe: René Boyke, Alexandra Gehrhardt, Padraic Halpin, Peter Hesse, Wolfgang Kienast, Clodagh Kilcoyne, Max Florian Kühlem, Marcus, Bastian Pütter, Petra von Randow, Sebastian Sellhorst Titelfoto: Frank Schemmann, Getty / Havas Bildnachweise: Archiv Wolfgang Kienast (S. 13, 14), Anna Boyiazis (S. 25), Bianka Boyke (S. 16), Historisches Konzernarchiv RWE (S. 12, 15), Li Huaifeng (S.16), Reuters / Clodagh Kilcoyne (S. 40, 41, 43), RUB Marquard (S. 19), Daniel Sadrowski (S. 3, 4, 6, 21, 23, 30, 38, 39), Frank Schemmann, Getty / Havas (S. 32, 33, 34, 35), Frieda Schneider (S. 28), Sebastian Sellhorst (S. 2, 7, 8, 9, 10, 11, 21, 45, 46), Shutterstock.com (S. 18, 22), Stadtarchiv Dortmund (S. 14), Wolfgang Wedel (S. 27) Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien Auflage, Erscheinungsweise: 20.000 Exemplare, monatlich in BO, DO und Umgebung Redaktions- und Anzeigenschluss: für die Juli-Ausgabe 10. 6. 2018 Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste 03. 2018

04

Seit Jahrzehnten singt er vom Katzentanz, von Anne Kaffeekanne oder Paule Puhmanns Paddelboot. „Professor Kinderlied“ über die 68er, das Denken im Liegen und „Gerechtigkeit, Emanzipation, das freiheitliche Leben“.

Kleider machen Leute

32

Wer für Magazine, Internetseiten usw. Hochglanzfotos aus der Arbeitswelt braucht, kauft beim Branchenriesen Getty Images nun vielleicht, ohne es zu ahnen, Bilder mit Straßenzeitungsverkäufern als Models. Von Bastian Pütter

Vor dem Brexit

40

Eine Reportage von der irischen Insel, durch die bald die EU-Außengrenze verlaufen wird, und ein Interview mit Edgar Klüsener, der aus Herne stammt und an der Metropolitan University in Manchester lehrt. Von Clodagh Kilcoyne, Padraic Halpin und Peter Hesse

Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Vereinssitz: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund www.bodoev.de, facebook.com/bodoev Vorstand: Andre Noll, Verena Mayer, Marcus Parzonka verein@bodoev.de Geschäftsleitung, Verwaltung: Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, verein@bodoev.de Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt, Bastian Pütter 0231 – 950 978 0, redaktion@bodoev.de Transporte, Haushaltsauflösungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln, 0231 – 950 978 0, transport@bodoev.de bodos Bücher, Modernes Antiquariat: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund: Schwanenstraße 38, 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 – 13 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Bochum: Stühmeyerstraße 33, 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr, Fr. 14 – 17 Uhr Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00 BIC: BFSWDE33XXX

Marcus, bodo-Verkäufer in Dortmund Liebe Leserinnen und Leser, wie einige von Ihnen vielleicht schon wissen, bin ich seit einiger Zeit einer der Dortmunder Stadtführer bei bodo. Bei diesen Touren schauen wir uns die Einrichtungen und Orte an, die für Menschen ohne eigene Wohnung eine große Rolle spielen. Bei Gelegenheit werde ich mir mal die Führung meines Kollegen in Bochum anschauen. Wenn Sie sich auch mal Dortmund oder Bochum von ihren anderen Seiten zeigen lassen wollen, rufen Sie uns einfach an unter 0231 – 950 978 0. Dann hätte ich noch eine Bitte an Sie: Ab und zu kommt es vor, dass Verkäuferinnen oder Verkäufer ohne bodo-Ausweis unterwegs sind. Das ärgert mich immer, weil es dann oft zu Missverständnissen kommt, da jeder bodo-Verkäufer seinen eigenen, festen Verkaufsplatz hat. Darum mein Anliegen: Achten Sie darauf, nur bei Verkäufern zu kaufen, die mit einem gut sichtbaren Verkaufsausweis unterwegs sind. Wie der aussieht, sehen Sie ja auf dem Titel jeder Ausgabe. Viel Spaß mit der neuen bodo und bis bald auf der Straße, Ihr bodo-Verkäufer Marcus

2


EDITORIAL

04 Menschen | Fredrik Vahle 07 Straßenleben | Auf dem Papier 08 Neues von bodo 12 Reportage | Dortmunds Elektrohof 16 Das Foto 16 Recht | Ein Versäumnis – mehrere Sanktionen? 17 Kommentar | Endlich Bürgerkrieg 17 Die Zahl 18 Interview | Tobias Singelnstein 21 Kultur | Irrtümer und Fälschungen der Archäologie 22 Wilde Kräuter | Klettenlabkraut 23 Kultur | „Sind Sie auch bipolar?“ 24 Veranstaltungskalender | Verlosungen 29 Kinotipp | Halaleluja – Iren sind menschlich! 30 bodo geht aus | LebensArt Café 32 Soziales | Kleider machen Leute 36 Bücher 37 Eine Frage… | Stimmen Bauernregeln? 38 Kultur | Botopia 40 Reportage | Über die irische Grenze 42 Interview | Vor dem Brexit 44 bodo Shop | Leserpost 45 Leserpost | Rätsel 46 Verkäufergeschichten | Jan aus Bochum

Liebe Leserinnen und Leser, sind Sie eine 394? Oder eine 371? Oder gar eine 400? Vielleicht haben Sie es mitbekommen: Die Frage der „großen Deutschland-Studie“ von Prognos-Institut und ZDF, nämlich: „Wo lebt es sich am besten?“, wird eher nicht mit den Namen unserer Wohnorte beantwortet. Unter den 401 Landkreisen und kreisfreien Städten rangiert das Ruhrgebiet eher so im Bereich Teilnehmerurkunde. Nach Schlusslicht Gelsenkirchen – das mag den einen oder anderen Fußballfan noch freuen – kommt gleich Herne, auf Platz sieben von hinten Dortmund, Bochum ist 371. von 401. Wundern Sie sich nicht, wenn auf Ihr knarzig-joviales „Woanders is auch scheiße“ in Zukunft ein „Aba nich so“ erwidert wird. Wir tragen es jedenfalls mit Fassung und freuen uns über jede und jeden, die oder der statt achselzuckender Bestandsverwaltung und Sonntagsreden-PR hier anpackt, im Kleinen, im Großen. So wie Sie mit diesem Heft in der Hand. Schön, dass Sie hier sind, schön, dass Sie mitmachen. Sie und die vielen, vielen UnterstützerInnen unserer Arbeit. Angefangen von den Gästen des Kabarett-Comedy-Karnevals Geierabend, die in der vergangenen Session mehr als 10.000 Euro (!) für Wohnungslose gesammelt haben, bis zu den 20.000 Menschen, die nicht an unseren Verkäuferinnen und Verkäufern vorbeigehen. Vielen Dank! Ganz ehrlich: So schlimm kann es hier dann doch nicht sein.

Ihre Meinung ist uns wichtig. S.4 4

Viele Grüße von bodo Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de

In eigener Sache: Es geht um Daten Normalerweise finden Sie hier „bodo dankt“, die Namen aller, die uns im Vorvormonat eine Spende auf unser Konto überwiesen haben. Wir wollen damit zeigen, dass Sie, die Sie uns zum Teil seit vielen Jahren unterstützen, ganz schön viele sind – und wir sehen es als Zeichen der Wertschätzung. Sie sind aber nicht nur UnterstützerIn, Sie sind auch Daten – wenn Sie uns eine Spende überweisen, unsere E-Mail-Newsletter erhalten, wenn Sie online ein Buch nach Hause bestellen oder auf einem Foto von einer unserer Veranstaltungen abgebildet sind. Und die seit Ende Mai anzuwendende Da-

tenschutzgrundverordnung setzt enge Grenzen für die Verarbeitung personenbezogener Daten. Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu 20 Millionen Euro. Die EU will BürgerInnen vor allem davor schützen, dass Unternehmen, für die Kundenprofile bares Geld sind, Daten missbrauchen. Die Verordnung gilt aber auch für Vereine wie uns. Nur: Weil ein wichtiger Teil unserer Einnahmen auf Ihre Spenden zurückgeht, gehört es zu unserer Arbeit, von uns zu erzählen – und ja, auch um Spenden zu werben. Das wird nun schwieriger werden. Dass spezialisierte Abmahnanwälte uns

zur Kasse bitten, wenn wir bei der Umsetzung des komplexen Regelwerks etwas übersehen, können wir nicht riskieren. Für uns bedeutet das: „bodo dankt“ wird es so nicht mehr geben. Wir werden unsere Webseite und unseren Newsletter gemäß der DSGVO überarbeiten. Wie sie sich auf die Fotografien in unserem Heft auswirken wird, ist uns noch genauso unklar wie vielen unserer KollegInnen. Grundsätzlich verwenden wir Ihre Daten ausschließlich für das, wofür Sie sie uns zur Verfügung stellen. Wir verkaufen sie nicht und teilen sie nicht mit Dritten.

3


MENSCHEN

„Ich halte das Kindliche für unglaublich wichtig und erhaltenswert – auch im Erwachsenenalter.“

4


Fredrik Vahle steht da wie ein Fels in der Brandung, während um ihn herum Hunderte Kinder krabbeln und brabbeln und rennen, seinem Mikrofon-Ständer immer näher kommen, seine Gitarre anfassen. Der 75-Jährige ist einer der bekanntesten Kinderliedersänger des Landes, seit 46 Jahren tourt er durch Kindergärten, Schulen, Veranstaltungshallen. Doch nach dem Konzert in der Christuskirche Bochum gibt er offen zu: „Das hat mich nervös gemacht.“ Von Max Florian Kühlem | Fotos: Daniel Sadrowski

Erfinder des Katzentanzes Wer eine Kindheit mit Fredrik Vahles Liedern erlebt hat, wird seine Stimme auch im Erwachsenenalter noch im Ohr haben: die Stimme, die vom kleinen bunten Trampeltier erzählt, von Anne Kaffeekanne oder Paule Puhmanns Paddelboot. Die Stimme, die Lieder singt, die manchmal einfach nur phantasievoll und märchenhaft schön sind, manchmal wunderbarer Nonsens, manchmal virtuos mit Worten spielen, die sich aber auch nicht selten scheut, gesellschaftliche Probleme beim Namen zu nennen, und dann zum Beispiel Brechts Geschichte vom faulen Fisch Fasch vertont. „Ich habe in der 1968er-Zeit angefangen, mich für Kinderlieder zu interessieren“, sagt Fredrik Vahle. „Damals fiel das deutsche Proletariat als revolutionäres Subjekt weg, und man machte sich auf zum Marsch durch die Institutionen, wollte die Pädagogik verändern.“ Kinderlieder seien damals ausschließlich volksliedhafte Idyllen gewesen, brisante Themen seien nicht vorgekommen. Vahle hatte Germanistik und Politik studiert und nebenbei eine Karriere als Liedermacher verfolgt, 1968 seine erste Langspielplatte im Duo mit Ulrich Freise veröffentlicht – „Ulli und Fredrik“. Die Beschäftigung mit dem Kinderlied hatte für ihn immer auch wissenschaftlichen Charakter: Nach seinem Universitätsabschluss promovierte er in Soziolinguistik und schrieb eine Habilitation über Kindersprache und Kinderlied. Ob ihn der Erfolg überrascht hat? Das KatzentanzLied zum Beispiel kennt wirklich fast jedes Kind aus quasi jeder Generation der letzten 30 Jahre. In der deutschen Synchronisation der Serie „Big Bang Theory“ singt Penny es Sheldon vor, wenn er krank ist

und nicht schlafen kann. Für seine Arbeit am neuen Kinderlied hat Vahle sogar das Bundesverdienstkreuz erhalten. Aber er scheint nicht wirklich überrascht: „Zu dieser Zeit war das möglich. Meine Lieder waren etwas völlig Neues – und ich war nicht so ein Hardliner, habe eben auch Nonsens-Texte gesungen wie den ‚Cowboy Jim aus Texas‘.“ Der 75-Jährige wirkt allerdings generell nicht (mehr) wie ein Mensch, der leicht zu überraschen oder sonstwie aus der Ruhe zu bringen ist. Seine schütter werdenden weißen Haare trägt er zu einem langen Zopf gebunden, die weißen Koteletten lang und buschig. Seine rot-orange Kleidung erinnert ein wenig an die Kluft der Osho-Anhänger. Sein letztes Album mit Kinderliedern heißt „Alles ist Schwingung, alles ist Klang“.

Fredrik Vahle geboren 1942 in Stendal, Übersiedelung in die Bundesrepublik 1956 Erste Kinderliederplatten: „Die Rübe“ (1973), „Der Fuchs“ (1976), „Der Spatz“ (1979) Aktuelles Album mit Liedern für Kinder UND Erwachsene: „Alles ist Schwingung, alles ist Klang“ (2018) Erste Reaktion von Kindern auf seine Lieder: „Das ist doch gar kein Kinderlied! Aber spiel noch eins!“

5


MENSCHEN

„Ich sehe mich heute als spirituellen Menschen“, sagt er. „Ich mache zum Beispiel seit 15 Jahren Tai Chi und übernehme Elemente davon auch in meine Kinderkonzerte. Es gibt da auch Andacht- und Stille-Übungen.“ Sonntags trifft er sich in seinem Haus bei Gießen, wo er mit seiner „Lebensfreundin“ wohnt, gern mit Freunden und Nachbarn und singt spirituelle Lieder aus verschiedensten Religionen und Weltregionen. „Trotzdem sind mir politische Themen weiter wichtig – Gerechtigkeit, Emanzipation, das freiheitliche Leben.“ Was Kinder und Eltern – „und es kommen auch oft Erwachsene ohne Kinder, die meine Lieder von früher kennen“ – heute bei einem Fredrik-Vahle-Konzert erleben, ist so eine Mischung aus dem neuen und dem alten Vahle: Am Anfang klingelt er die Kinder mit einem Windspiel zusammen, verschafft sich Aufmerksamkeit. Manchmal beginnt er dann mit Musiktheorie, aufs kindliche Maß zusammengeschrumpft. Er spannt „Zaubersaiten“ auf seine Gitarre und fragt: „Was glaubt ihr, wie der Ton entsteht? Wird er lang oder kurz sein?“

Vahle erzählt Nonsens-Geschichten wie die von der aus einem Aquarium entf lohenen Schildkröte, die sich mit einer Kuh auf dem Bauernhof anfreundet. Er singt Geschichten von der Freundschaft zwischen deutschen und Migrantenkindern und er singt „Anne Kaffeekanne“ und den „Katzentanz“, und alle Kinder tanzen, hüpfen, springen, singen jede Zeile mit. Daneben hat er sich die Wissenschaft als ein Standbein erhalten, gibt als außerplanmäßiger Professor in Gießen Seminare, die zum Beispiel „Die dampfenden Hälse der Pferde im Turmbau zu Babel“ heißen und einen antiken Dichterstreit in Hexametern zum Thema haben. Sein aktuellstes Buchprojekt heißt „Liegend den Horizont überschreiten“: „Ich bin mal vor 300 Kindern in einer Grundschule aufgetreten, und sie wollten unbedingt noch ein Gespräch mit mir. Da habe ich gesagt: Ihr könnt euch setzen, stehen bleiben oder hinlegen. Die interessantesten Fragen kamen von den Liegenden.“ Also hat Fredrik Vahle angefangen zu forschen: Kommen die interessantesten Gedanken wirklich im Liegen? Warum ist der größte Buddha der Welt ein liegender? Warum hat ein iranischer Ministerpräsident nur im Liegen gearbeitet? Eigene Kinder hat Fredrik Vahle nicht. Steckt ein Konzept dahinter? Einige Mitglieder der 1968erGeneration haben sich zum Beispiel bewusst dagegen entschieden, Kinder in eine Welt aus Atomkraft und Kriegsgefahr zu setzen. Aber der Sänger sagt nur: „Es hat sich nicht ergeben. Aber ich halte das Kindliche für unglaublich wichtig und erhaltenswert – auch im Erwachsenenalter.“

„Ich habe in der 1968er-Zeit angefangen, mich für Kinderlieder zu interessieren […] Damals fiel das deutsche Proletariat als revolutionäres Subjekt weg und man machte sich auf zum Marsch durch die Institutionen, wollte die Pädagogik verändern.“

6

Ähnlich knapp fällt seine Antwort auf die Frage nach seiner Sicht auf den erstarkenden Rechtspopulismus und den Verfall emanzipatorischer Werte aus: „Ich habe meinen Teil getan.“ Und dann schiebt er doch noch eine kleine Geschichte hinterher: „Meine Mutter musste im Bund Deutscher Mädel immer Nazi-Lieder singen. Die haben ihr das Singen ordentlich verleidet. Ich habe nur selten vorgesungen bekommen, wenn ich bei meinem Vater im Radkörbchen saß.“ Deshalb hat er ein ganzes Leben lang Lieder nachzuholen. Und das ist letztlich doch ein Glück.


STRASSENLEBEN

Nach mehr als einem Jahr Arbeit hat die Stadt Dortmund im Mai ein neues Konzept zur Versorgung wohnungsloser Menschen vorgestellt. Mehr Übernachtungsplätze, mehr städtische Wohnungen und mehr betreutes Wohnen soll es geben, bei den jeweiligen Trägern sollen Angebote für Drogenabhängige, psychisch Erkrankte und junge Erwachsene entstehen. Wann die Pläne Wirklichkeit werden, ist unklar. Von Alexandra Gehrhardt Foto: Sebastian Sellhorst

Auf dem Papier Vor gut anderthalb Jahren war der Stein ins Rollen geraten. Da hatte die Stadtverwaltung eine Analyse des Wohnungslosen-Hilfesystems vorgelegt. Und die zeigte: Das Modell, das vorsieht, wohnungslose Menschen von Notunterkünften über einfache, oft betreute Wohnformen wieder in eine eigene Wohnung und ein selbstbestimmtes Leben zu begleiten, stockt, weil häufig schlicht Plätze fehlen. Der anhaltende Mangel an preiswerten Wohnungen hat die Männerübernachtungsstelle zu einer Sackgasse gemacht, von der aus Männer nicht weiterkommen. Überbelegungen in der Frauenübernachtungsstelle – 2017 überstieg die Nachfrage das Angebot um fast die Hälfte – werden durch die Unterbringung in nahen Flüchtlingsunterkünften aufgefangen. Gemeinsam mit Einrichtungen der Wohnungslosen-, der Jugend-, Gefangenen- und Drogenhilfe untersuchte das zuständige Sozialamt Angebote und Lücken und merkte, dass viel mehr fehlt als Schlafplätze. Das Konzept, das daraus entstanden ist, sieht mehr Plätze

in den Notübernachtungen und mehr Wohnungen im städtischen Wohnraumvorhalteprogramm vor, eigene Plätze für junge Erwachsene, drogenabhängige und psychisch erkrankte Menschen, einen Ausbau des betreuten Wohnens und längere Öffnungszeiten der Tagesaufenthalte. Bislang existieren die meisten Pläne auf dem Papier. „Ein Start ist noch nicht absehbar“, liest sich immer wieder in dem Konzept. Auch die schwierige Frage nach dem Umgang mit obdachlosen EU-Zuwanderern, die häufig von Leistungsansprüchen ausgeschlossen sind, bleibt offen. Für Menschen mit rumänischem, polnischem oder spanischem Pass gilt weiter: Eine Übernachtung als Nothilfe mit „Rückkehrhilfe“ ins Herkunftsland ist das Angebot – wer das nicht annimmt, ist in den Augen der Stadt freiwillig obdachlos.

7


NEUES VON BODO

TERMINE Soziale Stadtführung in Dortmund Sa., 9. Juni, 11 Uhr Treffpunkt: bodo-Buchladen Schwanenwall 36 – 38 Soziale Stadtführung in Bochum Sa., 16. Juni, 11 Uhr Treffpunkt: bodo-Anlaufstelle Stühmeyerstraße 33 Öffentliches Mittagessen der Kana Suppenküche Sa., 9. Juni, 12 bis 14 Uhr, Stadtpark am Rathaus Dortmund 8

Soziale Stadtführungen

Bücher in gute Hände

Rund 660 Menschen in Dortmund sind wohnungslos, rund 270 lebten zu Jahresbeginn in Bochum in Unterkünften. Viele wohnungslose Menschen verbringen den Tag bei sozialen Einrichtungen, wo sie essen, sich auf halten, Kleidung wechseln können, ein offenes Ohr oder Rat finden. Jeden Monat stellen wir bei unseren Sozialen Stadtführungen solche Einrichtungen vor, sprechen mit MitarbeiterInnen und erfahren von Stadtführern, die zum Teil selbst auf der Straße lebten, was es bedeutet, draußen zu sein. Immer am zweiten Samstag des Monats in Dortmund und am dritten Samstag des Monats in Bochum. Kostenbeitrag 5 Euro, telefonische Anmeldung: 0231 – 950 978 0.

Eine gemeinnützige Initiative, die zugleich Buchladen und Beschäftigungsprojekt ist, das Sie durch Ihre Buchspenden unterstützen – das ist unser Projekt Buch. Rund 10.000 gebrauchte Bücher, Schallplatten, CDs, DVDs oder Spiele zählen wir im Sortiment, alle sind gut erhalten, einige gar neuwertig. Unser Ziel ist es, für jedes Buch und jede DVD neue Besitzer zu finden – in unserem Buchladen, über Antiquariatsplattformen oder an unseren Buchständen. In der Annahme und Sortierung, im Verkauf und Versand entstehen so Stellen für Menschen in unterschiedlichsten Lebenslagen. Sie helfen dabei. Mit Ihren Buchspenden und -käufen.


Anzeigen

Seit vielen Jahren geben die Besucherinnen und Besucher des Ruhrpott-Karnevals Geierabend ungenutzte Wertmarken zurück und sammeln so Spenden für bodo. Dieses Mal sind sagenhafte 10.141 Euro zusammengekommen! „Wir haben das beste Publikum“, freute sich „Steiger“ Martin Kaysh bei der gemeinsamen Spendenübergabe mit „Präsi“ Roman Marczewski, bodo-Vertriebsleiter Oliver Philipp, Geschäftsführerin Tanja Walter und „Fiffi“ Sandra Schmitz (v.l.). Dem können wir uns nur anschließen!

Unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Dortmund haben sich rund 200 gemeinnützige Vereine, Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen. Sie bieten Unterstützungsleistungen in allen Lebensbereichen an: n n n n n n n

Beratung bei Ehe- und Lebenskrisen Unterstützung bei der Betreuung von Kindern Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene Unterstützung bei psychischen Erkrankungen Hilfen für Menschen mit Behinderungen Hilfen in Notlagen und bei besonderen sozialen Schwierigkeiten Selbsthilfeunterstützung

Kontakt über Paritätischer Wohlfahrtsverband NRW Kreisgruppe Dortmund Ostenhellweg 42-48/Eingang Moritzgasse | 44135 Dortmund Telefon: (0231) 189989-0, Fax: -30 dortmund@paritaet-nrw.org | www.dortmund.paritaet-nrw.org

Fotonachweis: maselkoo99/istockphoto.com

Ein neuer Rekord

Vielfalt erleben! • Berufliche Orientierung, • Bewerbungstraining, • Rhetorik, • MS Office, Web-Design, • Technisches Zeichnen, ...

bodo Transport Wenn Sie starke Helfer brauchen, wenn eine Wohnung aufgelöst werden soll oder ein ganzes Haus – unser Projekt Transport liefert das Know-How. Unser Team ist spezialisiert auf Haushaltsauflösungen, Entrümpelungen von Kellern und Dachböden sowie Transporte. Wir entsorgen Grünschnitt, entfernen Tapeten und Wandverkleidungen. Zugleich ist es eine Beschäftigungsinitiative für langzeitarbeitslose Menschen. Wir beraten und qualifizieren für den ersten Arbeitsmarkt. Wenn Sie uns beauftragen wollen, rufen Sie uns frühzeitig an unter 0231 – 950 978 0. Projektleiterin Brunhilde Posegga-Dörscheln erstellt ein unverbindliches Angebot. Wir freuen uns auf Ihren Auftrag!

www.vhs.dortmund.de bodo116t-anzeige-122x136.indd 1

Modernes Antiquariat Schwanenwall 36 – 38 Mo. – Fr. 10 bis 18 Uhr 44135 Dortmund Sa. 10 bis 14 Uhr

12.02.2016 09:22:00

bodo SCH AFFT CHA NCE

N

10.000 GUTE BÜCHER BEI BODO AM SCHWANENWALL 9


NEUES VON BODO

Gemeinsames Mittagessen Am Samstag, dem 9. Juni, zieht die Suppenküche Kana wieder für einen Tag lang aus ihren Räumen in der Mallinckrodtstraße an den Stadtgarten am Dortmunder Rathaus. Unter dem Motto „Hier sitzen alle an einem Tisch“ lädt der Verein zum gemeinsamen, öffentlichen Mittagessen unter freiem Himmel in der Innenstadt ein. Die jährliche Aktion ist Picknick und politische Protestaktion zugleich: Mit der Veranstaltung will Kana sichtbar machen, wie viele Menschen in Dortmund eigentlich auf Einrichtungen wie die Suppenküche angewiesen sind. Bis zu 350 Essen geben die allesamt ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer jeden Tag in ihren Räumen nahe dem Nordmarkt aus. Und sie wollen einladen, bei dieser Gelegenheit Barrieren abzubauen gegenüber denen, die man nicht kennt und die man schnell übersieht. Von 12 bis 14 Uhr zwischen Rathaus und Stadtgarten.

SOZIALES Eine Unternehmenssteuer zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit hat die US-Metropole Seattle eingeführt. Die Heimatstadt des Weltkonzerns Amazon verpflichtet Unternehmen ab 20 Mio. Dollar Jahresumsatz dazu, pro Mitarbeiter jährlich 275 Dollar zu zahlen, um gegen die steigende Wohnungslosigkeit – u.a. als Folge explodierender Mieten – vorgehen zu können. Amazon stoppte als Reaktion die Planungen für eine neue Konzernzentrale. Immer mehr Arbeitnehmer sind auf einen Zweitjob angewiesen. Ihre Zahl stieg im vergangenen Jahr auf 3,26 Millionen, 2004 waren es noch 1,86 Millionen Mehrfachbeschäftigte. Gleichzeitig stieg die Zahl der Fehl- und Krankheitstage zwischen 2012 und 2016 um mehr als 50 Prozent. 2012 fehlten Arbeitnehmer aufgrund von Belastungsund Anpassungsstörungen 10,5 Millionen Tage, 2016 waren es 16,9 Millionen. Die Abkehr vom sogenannten „Turbo-Abi“ und damit die Rückkehr zur neunjährigen Regelschulzeit an öffentlichen Gymnasien in NRW (G9) wird teuer. Nach einem Gutachten im Auftrag der Landesregierung belaufen sich allein die Bau- und Ausstattungskosten für über 1.000 zusätzliche Räume auf rund 518 Mio. Euro. Die 2.000 zusätzlichen benötigten Lehrkräfte werden das Land 100 Mio. Euro jährlich kosten. Der Bochumer Innenstadt stehen große Veränderungen bevor. Sie betreffen das Bildungs- und Verwaltungszentrum (BVZ), Musikschule und Gesundheitsamt, JustizAreal und den Telekom-Block. Das Netzwerk „Stadt für alle“ (bodo 4/18) begleitet den Prozess kritisch. Auf der Seite des Netzwerks findet sich eine interaktive Innenstadtkarte, die Hintergründe, Kritik und Forderungen zum Stadtumbau zusammenträgt: www.stadt-fuer-alle-bochum.net.

10

Werner Wahnsinn für bodo Es ist seit 21 Jahren ein Highlight im Kalender von Bochum-Werne: der Werner Wahnsinn. Im Frühjahr veranstaltet die dortige Evangelische Kirchengemeinde ein großes Konzert, die Erlöse des Abends werden einem guten Zweck gespendet – diesmal unter anderem an bodo. 1.000 Euro sind für unsere Arbeit zusammengekommen. Unsere Räume in der Stühmeyerstraße sind Frühstücksort und Anlaufstelle für unsere VerkäuferInnen aus Bochum, Wattenscheid, Herne und Witten und natürlich Ausgabestelle des Straßenmagazins. Auch die Jugendfreizeit und ein karitatives Jugendprojekt der Evangelischen erhielten eine Spende für ihre Arbeit. Vielen Dank!


www.facebook.com/bodoev info@bodoev.de

Ansprechpartner

0231 – 950 978 0

Geschäftsleitung: Tanja Walter verein@bodoev.de

bodo ist für Sie da montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr zentrale Rufnummer: 0231 – 950 978 0 Mail: info@bodoev.de Fax: 0231 – 950 978 20 Besuchen Sie uns Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr Sa. 10 – 14 Uhr Stühmeyerstraße 33 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr Fr. 14 – 17 Uhr

Anzeigen

Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt Bastian Pütter redaktion@bodoev.de Anzeigen: Susanne Schröder anzeigen@bodoev.de Vertrieb: Oliver Philipp vertrieb@bodoev.de bodos Bücher: Suzanne Präkelt buch@bodoev.de bodos Bücher online: Gordon Smith basar@bodoev.de Haushaltsauflösungen und Entsorgungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln transport@bodoev.de

Internationales Engagement seit 1949

Die Welt besser verstehen esellschaft.nrw

Noch ein Jahr Stühmeyerstraße Im Herbst haben wir schon einmal von unserem bevorstehenden Umzug aus der ehemaligen BO-Fabrik in neue Räume in Bochum erzählt (bodo 10.17). bodo, der Tagesaufenthalt, die Medizinischen Hilfen und die Suppenküche teilen sich bisher zwei Gebäudeteile im Erdgeschoss der Stühmeyerstraße 33. Nun hat die gemeinnützige Montag-Stiftung die ehemalige Fabrikhalle erworben, wird sie sanieren und zu einem Stadtteilzentrum machen. Der Tagesaufenthalt, die Innere Mission und wir werden, wohl im Frühsommer 2019, in die Bessemerstraße umziehen. In der neuen Übernachtungsstelle am Stadion wird die Suppenküche eine neue Bleibe finden.

Für uns bedeutet das zum ersten Mal: Planungssicherheit. Denn statt einem Vertrag, der sich jahrelang nur um weitere vier Wochen verlängerte, haben wir nun die Zusicherung, so lange in der Stü bleiben zu können, bis die neuen Räume fertig sind. Sie werden gerade für die Innere Mission, den Tagesaufenthalt und uns umgebaut. Die Montag-Stiftung wird eine Zeit lang unsere Nachbarin: Demnächst soll das Projektbüro neben uns einziehen, im Herbst sollen die ersten Renovierungen starten. Zumindest die Anfänge des neuen Zentrums werden wir also noch live mitbekommen. Und sind gespannt.

interkulturell lesenwww.auslandsg diskutieren nachfragen Verständigung politische Seminare Freundschaften lachen mitfühlen Ehrenamt Austausch denken Musik Begegnung schreiben Erinnerung Kultur Toleranz lesen Zusammenleben erzählen weltoffen Völkerverständigung weltoffen Reisen erklären lernen diskutieren Erinnerung Sprache Zivilgesellschaft Zusammenleben Miteinander Beratung lernen Integration Internationale Politik Europa berichten Auslandsaufenthalte offen schreiben Politische Bildung Austausch Brücken bauen informieren bürgerschaftliches Engagement lernen reden streiten Demokratie mitwirken lernen Engagement weltoffen schreiben Sprache nachdenken Politik Zusammenleben Reisen Demokratie Veranstaltungen Reisen Erinnerung mitfühlen Kultur Vorträge Ehrenamt erklären berichten Offenheit Humanität Verständigung interkulturell international Studienreisen nachfragen miteinander lachen informieren reden mitfühlen erzählen Dialog lernen erleben Musik Sprache mitwirken diskutieren Austausch Machen Sie mit:

Werden Sie Mitglied! Auslandsgesellschaft NRW | Telefon 0231 83800-54 Steinstraße 48 | 44147 Dortmund | www.agnrw.de

11


REPORTAGE

12


Wie der Bauer an die Steckdose kam An der B1 in Dortmund, östlich der Gartenstadt, stand für annähernd fünfzig Jahre ein imposantes Fachwerkhaus. Während seiner relativ überschaubaren Lebenszeit war es Station einer landwirtschaftlichen Musterschau, Ausflugslokal, Behelfskirche, vielleicht ein Tennisheim, am Ende ein Club. Anhand dieses Gebäudes lässt sich Bemerkenswertes aus Kultur- und Stadtgeschichte erzählen. Alles beginnt mit dem Vorhaben, die Bauernhöfe der Region zu elektrifizieren. Von Wolfgang Kienast | Fotos: Historisches Konzernarchiv RWE, Archiv Wolfgang Kienast, Stadtarchiv Dortmund

W

enn im Allgemeinen von der industriellen Revolution gesprochen wird, wird oft vernachlässigt, dass diese weder geradlinig verlief, noch, dass deren Voranschreiten nicht nur von rasanten Entwicklungen im Bereich Stahl und Kohle abhängig war. Der ausschließliche Montanbezug mag Mitte des 19. Jahrhunderts noch gegolten haben, doch bereits 1895 beschrieb der österreichische Autor und Ingenieur Dr. Alfred Ritter von Urbanitzky eine „neue Epoche in der Culturgeschichte der Menschheit“. Seine These lautete, dass durch die Nutzung der Elektrizität eine zweite Revolution in Gang gesetzt worden war. Zehn Jahre später zog der Industriekapitän Walther Rathenau das Resümee, „die Elektrizität ist keine Industrie, sondern ein Industriekomplex, ein Wirtschaftsgebiet. Sie umfasst Beleuchtung und Kraftübertragung, Verkehrsunternehmungen, Maschinen-Industrien, Dampfmaschinen-Industrien, Zentralisation und Dezentralisation von Krafterzeugung und Kraftverteilung und greift in nahezu alle übrigen und vorhandenen, bekannten Industriegebiete über.“

Was der Bauer nicht kennt… Tatsächlich nutzte um 1900 jeder industrielle Großbetrieb elektrischen Strom, im urbanen Raum waren Kleingewerbe, Straßenbahnen und öffentliche Beleuchtung weitgehend elektrifiziert. Anders sah es im Umland der Städte aus. Zwar spielten einfache Dorfbewohner als potenzielle Kunden noch keine große Rolle,

Auf 34 Hektar breitete sich 1927 die 33. Landwirtschaftliche Wanderausstellung östlich der Dortmunder Gartenstadt aus. Eine Schau mit eigenem Kino, Postamt, Bankhaus und Schreibstube. Publikumsmagnet war der Elektrohof.

eine Zielgruppe aber existierte, welche sowohl Energielieferanten als auch Hersteller elektrischer Motoren und Maschinen im Visier hatten: die Landwirte. Doch es gab ein nicht zu unterschätzendes Problem: Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht. Auf seine Produkte ist ein Bauer stolz wie jeder Unternehmer. Im Rahmen landwirtschaftlicher Ausstellungen kann er das zeigen. Ausrichter solcher Schauen war – und ist – die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), 1882 von Max von Eyth und Adolf Kiepert gegründet. Die erste Ausstellung unter ihrer

13


REPORTAGE

Federführung fand 1887 in Frankfurt am Main statt. Um für ihr Produkt zu werben, sollten sich bald auch Energieerzeuger an diesen Messen beteiligen. Bei der 33. Landwirtschaftlichen Wanderausstellung – sie fand von 24. bis zum 29. Mai 1927 in Dortmund statt – traten die Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen (VEW) als regionaler Energieproduzent auf. Der Ort war interessant, weil mit Sauer- und Münsterland vor den Toren der Stadt ein großes, bislang kaum erschlossenes bäuerlich geprägtes Absatzgebiet lag. Die Schau war ein großer Erfolg. Man zählte 294.383 Besucher, annähernd so viele, wie Dortmund damals Einwohner hatte. Autokolonnen blockierten Straßen, auf dem Westenhellweg wie in der Brückstraße stauten sich Passanten, die Polizei musste den Zustrom regeln. Das eigentliche Ausstellungsgelände, ein 34 Hektar großes Areal, befand sich freilich außerhalb der Innenstadt am Westfalendamm, östlich der Gartenstadt. Dort gab es tatsächlich alles zu sehen, wenn es nur halbwegs einen Bezug zur Agrarwirtschaft hatte. Sogar Filme wurden gezeigt, die über nahezu jedes bezügliche Sachgebiet in einem eigens errich-

teten Kino informierten. Natürlich konnte gegessen und getrunken werden. Ein Postamt war vorhanden, ein Bankhaus und eine Schreibstube.

Der elektrifizierte Landwirt Höhepunkt der Ausstellung sowie Meilenstein der VEWÖffentlichkeitsarbeit war der so genannte Elektrohof. Zur Besichtigung stand ein westfälisch-traditionelles Fachwerkbauernhaus, ausgestattet aber mit dem Fortschrittlichsten, was der Markt in jenen Tagen an Geräten und Apparaten hergab. „Dem Landwirt wird hier vor Augen geführt, welche Maschinen er durch Anschluß an das Überlandnetz in Hof, Haus, Stall und Küche elektrisch antreiben und in welchem Umfange er auf diesem Wege an menschlicher und tierischer Arbeitskraft sparen kann“, versprach der Ausstellungsprospekt. Ein Spagat musste gelingen. Vor allem das konservativ eingeschätzte Fachpublikum, der Bauer und die Bäuerin, sollte sich im Hof sogleich zu Hause fühlen. In Stube und Stall, in Küche und Tenne. Für den Wohnbereich lieferte das Dortmunder Kunst- und Gewerbemuseum aus diesem Grund gediegenes Mobiliar. Parallel hatte die Einrichtung auf die Zukunft zu verweisen. Infolgedessen durften sich beispielsweise in der „guten Stube“ ein altertümlicher Bauernschrank und eine ornamentale Tapete im Bauhausstil zielgerichtet ergänzen. Verabredet war, dass der Elektrohof noch einige Wochen über das Ende der Wanderausstellung hinaus geöffnet hatte. Dann sollte er den Dortmundern im Sinne von Freizeit und Erholung überlassen werden. Eine plattdeutsche Balkeninschrift an dem historisch anmutenden Gebäude bekundete die Absicht: „As ollet Hus ut niger Tied / So Kiek ek in de Lanne wiet / As Elektrohof stellt se mi hin / We weet, wat ek wuol muorgen bin?“

Links: Mehr als 294.000 Besucher zählte die Landwirtschaftsausstellung 1927, Polizeikräfte mussten den Zuf luss regeln. Unten: Nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte der YMCA im Elektrohof den „Stonk Club“, ein beliebter Treffpunkt britischer Soldaten.

14


Vom Musterhof zum „Stonk Club“ Die Zukunft gab Antwort. Aus dem Elektrohof wurde ein Gastronomiebetrieb. Zudem richtete man 1930 im Obergeschoss des weitläufigen Gebäudes eine Notkapelle für Gottesdienste der städtischen Polizeimannschaften ein. Den Saal unterm Dach nutzten später auch Gartenstädter Katholiken (heute St. Martin), die damals noch der Körner Gemeinde St. Liborius angehörten. Am 18. Oktober 1931 feierten etwa 300 Gläubige aus ihren Kreisen dort erstmals die Heilige Messe. Ein Provisorium auf Zeit, denn nach jedem Gottesdienst musste der aufwändig dekorierte Raum in seinen schlichten Ursprungszustand rückversetzt werden. Teile des mittlerweile brach liegenden Ausstellungsgeländes wurden der Tennisabteilung des Post SportVereins (heute DTC Gartenstadt) zur Verfügung gestellt. Zumindest sekundäre Quellen berichten, dass, was naheliegend ist, die Spieler den Elektrohof als Vereinsheim nutzten. Er lag direkt hinter den Plätzen eins bis drei des 1926 gegründeten Vereins. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Britische Rheinarmee das Gebäude, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft sich nun die Westriding/Moore Barracks befanden. Der YMCA (Young Men‘s Christian Association) etablierte für die Soldaten im Fachwerkhaus den „Stonk Club“. Bei ihnen war der Club beliebt. Hier konnten sie essen, trinken, diverse Kleinigkeiten kaufen und nach Hause telefonieren. In den 1970er Jahren schließlich wurde der Elektrohof abgerissen. Wo er stand, f ließt heute der Verkehr im Spaghettiknoten zwischen B1 und B236. Für die VEW, um wieder auf die Landwirtschaft zurückzukommen, schien sich das einstige Engagement gelohnt zu haben. Um ihrer Musterausstellung ein neues Dach über dem Kopf zu geben, erwarb der Energie-

Bis 1969 wurden staunende Besucher über den voll elektrifizierten Schulzenhof geführt, dem neuen, diesmal voll bewirtschafteten

Elektrifizierung in Stall und Haushalt: 1927 erfreute Melkmaschine „Westfalia“ den Landwirt. – In den 1950er-Jahren präsentierte die VEW auf dem Holzwickeder Schulzenhof auch fortschrittlichste Küchentechnik.

erzeuger den Holzwickeder Schulzenhof, den heutigen Hof Drees-Hummelbeck. Die vermutlich älteste Bauernschaft im östlichen Dortmunder Stadtteil sollte die mit Abstand modernste technische Ausstattung erhalten. Im großen Unterschied zum Vorgänger am Westfalendamm wurde der jetzige Elektrohof tatsächlich bewirtschaftet. Pächter und Gutsverwalter war Konrad Schmulbach (1901 – 1981), ein Träger des Bundesverdienstkreuzes. Neben seiner bäuerlichen Arbeit führte er zwischen 1933 und 1969 staunende Besuchergruppen durch den voll elektrifizierten Betrieb. Der potenziellen Kundschaft präsentierte er neueste landwirtschaftliche Technologie, beispielsweise eine erste automatische Melkmaschine. Aber nicht nur Bauern besuchten den Schulzenhof. Zu den zahlreichen Gästen, die sich oft busweise zur Besichtigung meldeten, gehörte unter anderem Bundespräsident Theodor Heuss.

Wir bedanken uns beim Historischen Konzernarchiv RWE und dem Stadtarchiv Dortmund für ihre Unterstützung bei der Beschaffung historischer Fotografien.

Heute hängt nicht nur jeder Bauernhof an der Steckdose, die deutsche Landwirtschaft ist selbst ein Stromproduzent geworden. Ihre Biogas-, Solar- und Windenergieanlagen leisten wichtige Beiträge zur nachhaltigen Energieversorgung.

„Elektrohof “ der VEW.

15


DAS FOTO

Yaodongs sind eine der ältesten Wohnformen in China. Die mit Erde ausgekleideten Wohnhöhlen haben gute Isoliereigenschaften, sodass sie den Bewohnern ermöglichen, kalte Winter zu überstehen. Geschätzt 40 Millionen Menschen leben in China in solchen Behausungen. Das Foto zweier Brüder in ihrer Höhle ist eins der Gewinnerbilder des World Press Photo Awards. Vom 9. Juni bis zum 1. Juli zeigt das Depot in Dortmund viele weitere prämierte Pressefotos in der Ausstellung „World Press Photo“. Foto: Li Huaifeng

RECHT

Ein Versäumnis – mehrere Sanktionen? Von Rechtsanwalt René Boyke

Bekanntlich müssen Arbeitslose, die Arbeitslosengeld beziehen, damit rechnen, dass bei Ablehnung eines Vermittlungsvorschlags eine Sperrzeit gegen sie verhängt wird. In dieser Zeit wird dann kein Arbeitslosengeld gezahlt. Das regelt §159 SGB III. Die Sanktionen in Form einer Sperrzeit sind gestaffelt und werden pro Verstoß einschneidender. So wird bei einer ersten Arbeitsablehnung eine Sperrzeit von drei Wochen verhängt, bei ei-

16

ner zweiten Ablehnung sind es sechs Wochen und danach satte zwölf Wochen. Mit dem §159 SGB III beschäftigte sich Anfang Mai nun das Bundessozialgericht (BSG), Az. B 11 AL 2/17 R. Ein arbeitsloser Mann hatte sich auf zwei Vermittlungsvorschläge der Arbeitsagentur nicht beworben und damit gleich zwei Sperrzeiten ausgelöst. Auch auf einen weiteren Vermittlungsvorschlag bewarb er sich nicht, wofür er eine dritte, zwölfwöchige Sperrzeit, erhielt.

Während er eine Sperrzeit von drei Wochen akzeptierte, wehrte er sich gegen die beiden Sperrzeiten von sechs und zwölf Wochen. Zunächst unterlag er vor dem Sozialgericht und sogar dem Landessozialgericht. Das BSG gab ihm jedoch Recht. Begründung: Bei mehreren Beschäftigungsangeboten, die in einem derart engen zeitlichen Zusammenhang ergehen, dass sie der arbeitslosen Person gleichzeitig vorliegen


KOMMENTAR

Endlich Bürgerkrieg Von Bastian Pütter

Polizeigesetz NRW

Eigentlich ein alter Hut: Rechtspopulisten müssen nicht regieren, um zu regieren. In Deutschland, dem Nachzüglerland, das sich so lange der Verrohung der Politik einfach widersetzt hat, bis es an sein Heiligstes ging, seine Zäune, Mauern, Grenzen, möchte man trotzdem nicht aus dem umliegenden Elend lernen. Die „Flüchtlingskrise“, deren faktische Auswirkungen erstmal kaum jemand spürt außer denen, die geflüchtet sind, hat einen bemerkenswerten moralischen Verfall, gleichmäßig verteilt über das politische Spektrum, ausgelöst. Inzwischen wollen alle wie die AfD sein: CSU-Witzfiguren, die Ein-Personen-FDP, eine SPD in Auflösung, der nationalbolschewistische Flügel der Linkspartei. „Technisch“ funktioniert das über die Entkoppelung der Politik von beschreibbarer, messbarer Wirklichkeit hin zum gefühlten Wissen, zum Ressentiment, zum Hass, zur Angst. Blöderweise zerlegt man damit parlamentarische, rechtsstaatlich verfasste Demokratien. Die AfD weiß das, es ist ihr Ziel. Ihr Hebel ist der Fetisch Unsicherheit, die geschürte Panik vor dem Zusammenbruch der Ordnung. Sie wirkt wie ein Virus und hat inzwischen die Legislative erreicht. Zuerst im Kontext der Entrechtung Geflüchteter, nun im Feld der Polizeigesetze, hier geht es aber gleich um ganz große Würfe. Bayern hat ein Polizeiaufgabengesetz beschlossen, das eher nach Orbán oder Erdoğan klingt als nach Bundesrepublik aussieht, und die Polizei unter anderem mit Kriegswaffen ausstattet. Aber auch NRW bewegt sich Richtung „Polizei- und Überwachungsstaat“, Frank Nobis von der Strafverteidigervereinigung NRW sieht „Befugnisse wie letztmalig 1945“. Verdächtige dürfen statt 48 Stunden künftig bis zu vier Wochen in Haft genommen werden, Nicht-Verdächtige zur Identitätsfeststellung sieben Tage. Präventiv dürfen Aufenthalts- und Kontaktverbote bis zu drei Monaten ausgesprochen werden. Die Polizei wird mit Tasern ausgestattet, durch die in den USA bislang mehr als 1.000 Menschen zu Tode kamen. (Immerhin keine Handgranaten wie in Bayern oder Maschinengewehre wie in Sachsen.) Telefonate und mobile Kommunikation dürfen präventiv abgehört und mitgelesen werden. Die Schleierfahndung wird erlaubt und die Videoüberwachung erleichtert. Es ist der nächste große Etappensieg der AfD. Die schwarzgelbe Landesregierung reagiert nicht mehr auf die Wirklichkeit (s. S. 18), sondern auf das seit drei Jahren mit politischen Lügen unermüdlich herbeifantasierte Untergangsszenario der Rechten. Endlich Bürgerkrieg.

und diese hierauf zu reagieren habe, sei von einem einheitlich zu betrachtenden Lebenssachverhalt auszugehen. Bewerbe sich der Arbeitslose in einer solchen Situation gar nicht, müsse dies nach allgemeiner Lebensanschauung auch als eine einheitliche Verhaltensweise gewertet werden. Sei diese als versicherungswidrig zu beurteilen, könne infolgedessen nur eine einzige Sperrzeit bei Arbeitsablehnung eintreten, da

DIE ZAHL

12,63 Euro Um eine Rente oberhalb der Grundsicherung zu erreichen (bei einer 38,5 Stundenwoche über 45 Jahre), müsste der Mindestlohn bei 12,63 Euro liegen, teilte die Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion mit.

ein einziges versicherungswidriges Verhalten nicht mehrfach sanktioniert werden dürfe. Von einem einheitlich zu betrachtenden Lebenssachverhalt sei hier auszugehen, weil die Beschäftigungsangebote innerhalb eines kurzen Zeitraumes unterbreitet worden seien. Der Arbeitslose müsse die Möglichkeit haben, die verschiedenen Angebote zu prüfen, um dann zu entscheiden, in welcher Form er mit dem Arbeitgeber Kontakt aufnehme.

17


INTERVIEW

„Eine problematische Dynamik“ Müssen wir Kriminalität messen, wenn doch alle wissen, dass es eh immer schlimmer wird? Hat der Mangel an Sicherheit, den viele Menschen fühlen, vielleicht gar nichts mit Kriminalitätsbedrohungen zu tun? Vergrößert eine „durchgreifende“ Politik gar das Problem gefühlter Unsicherheit? Und legen die geplanten Polizeigesetz-Reformen die Axt an den Rechtsstaat? Der Bochumer Kriminologe Prof. Tobias Singelnstein im Interview. Interview: Bastian Pütter | Fotos: Shutterstock.com, RUB Marquard

18


„Grundsätzlich muss man sagen: Wir haben kein zunehmendes Gewaltproblem – im Gegenteil.“

Einmal im Jahr veröffentlicht das Bundeskriminalamt die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Sie erfasst alle bei der Polizei angezeigten Straftaten. In diesem Jahr weist sie einen massiven Rückgang auf den niedrigsten Wert seit 1992 aus. Prompt entdecken Innenpolitiker und Journalisten die Schwächen der Statistik... Das ist auch meine Wahrnehmung. Insbesondere in den Medien wird viel stärker als sonst hinterfragt, was der Entstehungszusammenhang der Statistik ist, was sie für Fehlerquellen hat. Dabei ist nicht erst seit heute klar: Die PKS gibt wieder, was die Polizei tut und wie das Anzeigeverhalten der Bevölkerung ausgestaltet ist. Sie ist kein Abbild der Kriminalitätswirklichkeit. Wofür braucht man sie dann? Es ist gut, dass wir die Statistik haben. Es sind Zahlen, die in gleicher Weise über einen sehr langen Zeitraum erhoben werden. Daran kann man zumindest die Entwicklung des sogenannten Hellfeldes ablesen: Wie belastbar diese Zahlen sind, hängt unmittelbar mit dem Anzeigeverhalten zusammen. Es gibt Delikte mit hoher Anzeigebereitschaft – zum Beispiel Wohnungseinbrüche. Am anderen Ende stehen etwa Sexualstraftaten, wo die Anzeigequoten sehr niedrig liegen. Gibt es Alternativen? Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es sehr gute Modelle, um bessere Aussagen über die Kriminalitätsentwicklung treffen zu können. Es gibt etwa Länder, die eine konsequente Dunkelfeldforschung betreiben.

Dort werden parallel zur Statistik Täter- und Opferbefragungen durchgeführt. So wird auch Kriminalität sichtbar, die nicht angezeigt wird bzw. von der die Polizei keine Kenntnis erlangt. Das ist aber aufwändig und teuer. Eigentlich geht es doch gar nicht mehr um Kriminalitätsentwicklung, sondern um gefühlte Sicherheit, oder? In der Tat spielt das subjektive Sicherheitsgefühl inzwischen auch in der Kriminalpolitik eine erhebliche Rolle. Das ist auf der einen Seite gut und richtig: Man kann nicht ignorieren, wenn Leute sich unsicher fühlen. Auf der anderen Seite muss man wissen, dass dieses Sicherheitsgefühl mit der tatsächlichen Kriminalitätslage ziemlich wenig zu tun hat. Wir haben eine Situation, in der die offiziellen Zahlen sinken – und wir wissen vor allem, dass die als besonders problematisch angesehenen Gewaltdelikte zurückgehen. Trotzdem gibt es eine sehr dramatisierte Wahrnehmung von Kriminalität und abweichendem Verhalten. Warum ist das so? Es gibt Ansätze, die sinkendes Sicherheitsempfinden mit anderen Faktoren erklären als mit der tatsächlichen Bedrohung durch Kriminalität. Die Globalisierung, Flexibilisierung am Arbeitsmarkt, weniger Strukturen in der Gesellschaft, die Halt bieten, Institutionen wie Kirche oder Fabrik, die ihre integrative Kraft und Bedeutung verlieren. Das erzeugt eine

19


INTERVIEW

allgemeine gesellschaftliche Verunsicherung und die wird dann auf Kriminalität projiziert. Welchen Anteil haben die Medien aus Ihrer Sicht? Es gibt eine sehr problematische Dynamik zwischen gesellschaftlicher Verunsicherung einerseits sowie Kriminalpolitik und Medien andererseits. Für Medien ist es scheinbar kaum möglich, ein nicht dramatisierendes Bild zu zeichnen. Entweder es wird schlimmer oder die Aussagekraft der Statistik wird hinterfragt und angezweifelt. BILD-Chef Julian Reichelt entdeckte zuletzt – parallel zur AfD – eine „Messerepidemie“ durch MigrantInnen und legte sich mit Kollegen, Forschern und Politikern an. Leider kann die Statistik an dieser Stelle nicht helfen. Messereinsatz wird bislang nicht in der PKS erfasst, deshalb sind belastbare Zahlen nicht vorhanden. Grundsätzlich muss man aber sagen: Wir haben kein zunehmendes Gewaltproblem – im Gegenteil. Ich würde auch behaupten: Niemand kann zurzeit sagen, ob wir steigende Deliktzahlen mit Messern haben. Dass die Meldungen darüber zunehmen, hat sicher auch damit zu tun, dass es durch die Debatte eine andere Sensibilität gibt. Polizeibeamte oder Journalisten sind eher geneigt, auch das Mitführen eines Messers oder das Drohen damit zu erfassen und darüber zu berichten. Noch einmal zu den allgemeinen Ängsten, die zur Kriminalitätsangst werden: Sie haben geschrieben, Innenpolitiker hätten diese Verunsicherung zu wenig ernstgenommen, wie meinen Sie das? Die Politik nimmt die Statistik zur Kenntnis und sieht die zunehmende gesellschaftliche Verunsicherung. Auf die Aspekte gesellschaftlichen Wandels – Globalisierung, Individualisierung, Abstiegsängste – hat sie jedoch wenig Einfluss. Im Bereich Innere Sicherheit kann sie hingegen Handlungsfähigkeit demonstrieren. Mit Gesetzesverschärfungen geht das schnell und günstig. Dadurch wird eine Spirale in Gang gesetzt, weil in der Bevölkerung die Erwartungshaltung

entsteht, es gäbe so etwas wie umfassende Sicherheit. Eigentlich müsste die Politik entdramatisieren und aufklären. Gerhard Baum hat es kürzlich gut auf den Punkt gebracht: Es geht darum, Ängste zu moderieren, statt sie zu schüren und zu instrumentalisieren. Apropos Gesetzesverschärfungen: Die Bundesländer, Bayern vorweg, aber auch NRW, planen Polizeigesetze, die als die härtesten seit 1945 beschrieben werden. Was geschieht da? Ich glaube, dass wir eine Zäsur, einen Paradigmenwechsel erleben. Gleichzeitig ist es eine konsequente Fortsetzung der Polizeigesetzreformen aus den vergangenen Jahrzehnten, aber ein großer Schritt in eine sehr bedenkliche Richtung. Ich sehe vier Entwicklungslinien: Wir haben eine Verlagerung polizeilicher Eingriffsmöglichkeiten in das Vorfeld der eigentlichen Gefahr – polizeiliches Handeln kann zukünftig auch schon bei „drohender Gefahr“ erfolgen. Wir sehen einen Ausbau von heimlichen Überwachungsmaßnahmen und einen Ausbau des Präventivgewahrsams, also der Freiheitsentziehung zur Gefahrenabwehr. Und viertens wird die Polizei zunehmend mit neuen Einsatzmitteln – Stichwort Taser – und auch mit militärischen Mitteln wie etwa Handgranaten ausgerüstet. Geht es dabei wirklich nur um Terrorabwehr, oder wird einfach der günstige Moment genutzt, Polizeiarbeit „effektiver“ gestalten? Es ist beides, glaube ich. Der konkrete Anlass und auch die Begründung sind die Bekämpfung des internationalen Terrorismus, gerade auch durch die Vorfeldbefugnisse. Aber ich glaube, es ist auch Ausdruck einer grundsätzlichen Verschiebung hin zu noch früherem Eingreifen, um Risiken zu bearbeiten. Das ist eine generelle Entwicklung, die wir schon seit einigen Jahrzehnten beobachten können, und die nun auch durch neue technische Möglichkeiten befördert wird.

Anzeige

MEDIZIN. THERAPIE. PFLEGE UND FÜRSORGE IN DORTMUND. Kath. St.-Johannes-Gesellschaft Dortmund gGmbH St.-Johannes-Hospital Telefon (0231) 1843-0

Marien Hospital Telefon (0231) 7750-0

St.-Elisabeth-Altenpflege Telefon (0231) 2892-0

St. Josefinenstift Telefon (0231) 55 69 05-0

Ambulantes OP-Zentrum Telefon (0231) 1843-2130

St.-Elisabeth-Krankenhaus Telefon (0231) 2892-0

Christinenstift Telefon (0231) 18201-0

Jugendhilfe St. Elisabeth Telefon (0231) 94 60 600

KATH. ST.-JOHANNES-GESELLSCHAFT DORTMUND gGmbH

Kranken- und Pflegeeinrichtungen 20

www.st-johannes.de


KULTUR

Anno 1663 machten Bergarbeiter in Quedlinburg einen prähistorischen Knochenfund. Renommierte Wissenschaftler der Zeit, Otto von Guericke und Gottfried Wilhelm Leibniz, waren begeistert. Endlich, davon gingen sie aus, hatte man das Skelett eines Einhorns entdeckt. Die Knochen gingen später verloren. In der Ausstellung „Irrtümer und Fälschungen der Archäologie“ präsentiert das LWL-Museum in Herne eine Rekonstruktion aus dem Jahr 1998.

Von Wolfgang Kienast | Fotos: Daniel Sadrowski, Sebastian Sellhorst

Irrtümer und Fälschungen der Archäologie D

er Zeitgeist verlangt nach Antworten, Wissenschaftler sollen sie liefern. Zuweilen liegen deren Zeugnisse so weit daneben, dass rückblickend geschmunzelt werden darf. So glaubte man seinerzeit dem Hobbyarchäologen Philipp Houben bereitwillig einen Sensationsfund, als er 1838 in einem mittelalterlichen Grab in Xanten ein rundes, gleichmäßig beschlagenes Kupferblech nebst einem beweglichen Reifen gefunden hatte. Nur zu gern hielt man diese Fragmente für Reste einer kostbaren Spangenkrone, wie sie einst die Häupter fränkischer Fürsten zierte. Erst im Nachhinein kam die Wahrheit ans Licht: Houben hatte die Beschläge eines Eimers ausgegraben. Und auch das Einhorn konnte nicht halten, was sich Guericke wie Leibniz versprochen hatten. Die mysteriösen Knochen stammten von eiszeitlichen Mammuts. Doch muss den genannten Forschern zugutegehalten werden, dass sie ihre Expertisen letztlich nur auf dem jeweiligen Wissensstand ihrer Epoche erstellten konnten.

höchst amüsanten Ausf lug in unterschiedliche Epochen der Geschichte, wobei ganz nebenbei noch heute geläufige Klischeevorstellungen beleuchtet werden. Die aktuelle Debatte um Fake News tut ihr Übriges, die Relevanz der Ausstellung zu unterstreichen. Als Einstieg wählten die Kuratoren die Graphic Novel „Motel der Mysterien“ von David Macaulay. Der Autor lässt einen zukünftigen Archäologen im Jahr 4022 ein Motel unserer Zeit entdecken und seine Funde deuten. Allein die begehbare Inszenierung dieser Story lohnt den Eintritt.

Nicht immer resultieren wissenschaftliche Irrtümer aus Fehlinterpretationen authentischer Funde. Lust auf Sensationelles und profane Gier öffnen Scharlatanen Tür und Tor. Falschmünzer, die Ausstellung in Herne belegt es, gibt es seit dem Aufkommen von Münzgeld. Echtes Geld, nämlich 9,3 Millionen DM, zahlte vor fünfunddreißig Jahren der „Stern“ an Konrad Kujau und sollte im Gegenzug die „Hitler-Tagebücher“ erhalten. Man erinnert sich gern. Weit weniger spektakulär, bestimmt aber einträglich, waren altrömische Funde, welche der Maurer Johann Michael Kaufmann (1791 – 1861) von Rheinzabern aus an eine archäologisch interessierte Kundschaft brachte. Bis heute ist nicht restlos geklärt, was dabei Kopie und was die Originale waren. Auch das ist Facette des Themas: Längst nicht jeder, der einem Fälscher aufsaß, möchte das wirklich wissen. Rund 200 Exponate enthüllen in der Ausstellung die Bandbreite von Fehlurteilen und Betrugsfällen in Europa, Ägypten und dem Nahen Osten. Der Besuch wird zu einem

Ausstellung bis zum 9. September im LWL-Museum für Archäologie Westfälisches Landesmuseum Herne www.irrtuemer-ausstellung.lwl.org

21


WILDE KRÄUTER

Unsere monatliche Exkursion in die urbane Welt der wilden Kräuter. Mit nützlichen Informationen, pointierten Fußnoten, vielen Geschichten – und immer einem originellen Rezept. Von Wolfgang Kienast

KLETTENLABKRAUT

E REZEPT Junge Triebe vom Klettenlabkraut entsaften. Man benötigt 125 ml Flüssigkeit; meist reichen dazu ca. 100 g des Krautes, das vor allem zu Beginn der Vegetationsperiode ausgesprochen saftig ist. 125 g Mehl und 150 g Hartweizengrieß mischen, den Saft zugeben und zu einem Teig kneten. Diesen per Nudelmaschine zu Bandnudeln verarbeiten. Die frischen Nudeln in kochendes Salzwasser geben, kurz aufwallen lassen, die Temperatur reduzieren und die Nudeln noch 2 bis 3 Minuten ziehen lassen. Abgießen und mit Parmesan und einigen Rosa Beeren abrunden.

22

in Wort, das ich mag, ist „Kulturfolger“ – erst einmal ganz unabhängig von seiner tatsächlichen Bedeutung. Meine Assoziationen, die sich da beim Hören oder Lesen einstellen, sind positiver Natur. Viel lieber möchte ich mit Leuten zu tun haben, die augenscheinlich der Kultur folgen, als mit solchen, die sie meiden. Frei nach dem Motto, dass böse Menschen keine Lieder haben, was, zugegeben, etwas gutgläubig sein mag. Das angesprochene Zitat wird dem Dichter Johann Gottfried Seume zugeschrieben. Als er es zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts prägte, gab es offenbar keine Barden wie Frank Rennicke und keine Bands wie Kategorie C. Von Seume stammt im Übrigen auch der Aphorismus, „wenn man sagt, eine Nation kann die Freiheit nicht vertragen, so heißt das: der weit größere Teil derselben besteht aus Schurken, Narren und Dummköpfen; oder ein einziger versteht es, sie dazu zu machen.“ Das macht den Unterschied zwischen Kulturfolger und Leitkulturfolger. Aber das ist ein anderes Thema. Und eigentlich gibt es dieses zweite Wort auch gar nicht. Nur drei Google-Treffer. Das ist nichts. Noch etwas behaglicher klingt es, wenn man sich vergegenwärtigt, wo das Wort „Kulturfolger“ seinen Ursprung hat. Es handelt sich um Übersetzungen aus dem Griechischen. Ausgehend von hemeros = kultiviert und philos = Freund entstand der Ausdruck hemerophil. Schön, oder? Aber ist es nicht vielsagend, dass der Begriff nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der menschlichen Gesellschaft gebraucht wird? Könnte doch sein, in einer besseren Welt. Reserviert ist er jedoch für Tiere und Pflanzen, die eine von Menschenhand geprägte Umgebung schätzen, sich dort

Galium aparine

wohler fühlen als in der sogenannten unberührten Natur. Was Wildkräuter betrifft, wäre in den Städten zum Beispiel das Knopfkraut zu nennen. Das Klettenlabkraut begleitet uns seit der Jungsteinzeit etwas abseits dicht besiedelter Zentren. Es bevorzugt offene Ackerflächen, Auwälder, Weingärten und Hecken. Die wucherfreudige Pflanze erweist sich dabei als ausgesprochen resistent gegen diverses chemisches Rüstzeug, was vor allem Bauern nervt. Spaziergänger ärgern sich eher über die braunen Samenkügelchen, die bei Kontakt an Stoffen kletten. Kleine Widerhaken findet man überall an der Pflanze, womöglich unangenehm, gänzlich ungefährlich. Wer sich überwindet, kann ein sehr gesundes, leckeres, vielseitig verwendbares Wildkraut ernten.

Das Klettenlabkraut, auch Klebkraut genannt, ist ein wirtschaftlich bedeutendes Ackerunkraut, wächst aber auch in Hecken, Säumen und in Wäldern. Der Spreizklimmer klettert mit seinen Borstenhaaren an anderen Pflanzen empor. Das Klettenlabkraut wird als Volksarzneipflanze, als Wildgemüse und in der Homöopathie verwendet.


KULTUR

Im großen Aufenthaltsraum der Halte-Stelle am Dortmunder Hafen rückt Ekkehard Freye Stühle. Sie sind Teil des improvisierten Bühnenbildes, auch ein Postkartenständer gehört dazu. Ekki, wie ihn alle hier nennen, informiert knapp: „Das ist ein Baum.“ Wir nicken. Aus dem Hintergrund erklingt leise ABBAs „I have a dream“ – die Schauspieler singen sich ein. Von Bastian Pütter | Foto: Daniel Sadrowski

„Sind Sie auch bipolar?“ W

ir sitzen im Café-Bereich der Kontaktstelle für psychisch Kranke, die das Erdgeschoss des zweistöckigen Gebäudes des Halte-Stelle e.V. einnimmt. Wo sonst wuseliges Treiben von Koch-, Garten- und Werkstadtgruppen herrscht und die Tür offensteht für Menschen in psychischen Krisen, warten gespannt Gäste der Einrichtung auf eine öffentliche Probe von „Ich bin nicht depressiv, ich bin verzaubert“. Seit September entwickelt und probt eine Gruppe von Gästen der Einrichtung mit Ekkehard Freye, Ensemblemitglied am Dortmunder Schauspiel. In dieser Spielzeit steht Freye dort in großen Rollen unter anderem in „Biedermann und die Brandstifter / Fahrenheit 451“ und im „Kirschgarten“ auf der Bühne. Hier ist er Regisseur, Autor, Coach und mehr: „Wir haben Themen gesammelt, daraus sind Szenen entstanden – da geht es um die Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen und einer Umwelt, die darauf reagiert.“ Herausgekommen ist „ein selbstentwickelter, szenischer Reigen“, so Freye. Und schon als der erste Dialog anhebt, wird klar: Es fließt die Unmittelbarkeit von Erfahrenem in einen timingsicheren, anspielungsreichen und verspielt-ironischen Theatertext. Wie vieles in der Halte-Stelle sei die Initiative zu einer Theatergruppe von Besuchern der Einrichtung ausgegangen, sagt Carmen Krüger, die auch hier die Fäden zusammenhält – als Souffleuse. Das Interesse war groß, schließlich blieb ein „harter Kern“, der sich die monatelange Konstanz und nicht zuletzt die Herausforderung des Spiels vor Publikum zutraute. „Das Engagement ist beeindruckend“, sagt sie. Alles fiebert den Aufführungen im Theater im Depot entgegen, doch Carmen denkt bereits daran, aus dem Projekt ein dauerhaftes Angebot zu machen: „Unser Plan ist es, das hier am Leben zu erhalten.“

Unter großem Applaus geht die heute geprobte Szenenfolge zu Ende, und sofort diskutieren Ensemble und Regisseur Details. Wir fragen: Wer seine eigene Geschichte in sein Spiel einbringt, dem kommt die Rolle vielleicht beunruhigend nah? Tom, der in einer Szene mit begnadeter Blasiertheit das Schreckensbild eines Arztes spielt, schmunzelt: „Ja, natürlich, wenn es deins ist, dann bedeutet es auch mehr. Aber das ist auch ein Ventil.“ – „Sonst wären wir auch weniger nervös“, lacht Christina und resümiert: „Ich habe meine Erkrankung immer versteckt hinter Lügen und immer mehr Lügen. Und jetzt geh ich raus auf eine große Bühne, und wir spielen dieses Stück über unsere Geschichten. Meine Familie kommt, meine ehemaligen Kollegen kommen. Das ist doch mal ein großer Schritt, oder?“

„Ich bin nicht depressiv, ich bin verzaubert“ Eine Produktion der Laien-Theatergruppe Normaler Wahnsinn Vorstellungen: Di., 5. Juni, 16 Uhr und Mi., 6. Juni, 19 Uhr Theater im Depot, 8 Euro, erm. 5 Euro Lesung: Do., 5. Juli, 20.15 Uhr, Schauspiel Dortmund

23


*Mitmachen und Karten gewinnen: Schicken Sie Ihren Wunschgewinn

Kalender Juni Juli

SA 02 | 06 | 18 Performance & Ausstellung | Schamp-Aktion Matthias Schamp wird auf der Grundlage von Akrobatik und Levitation eine 12 StundenDauerperformance im Projektraum Fotografie durchführen. Für alle, die ein Weilchen dem Ereignis beiwohnen wollen, gibt es Kaffee und Kuchen und abends Würstchen und Bier. Die Installation und die Bilder, die bei der Performance entstehen, können bis zum 23. Juni angesehen werden. Projektraum Fotografie, Union Gewerbehof, Dortmund, 12 – 24 Uhr

MO 04 | 06 | 18 Ausstellung | Blickpunkt Bergwerk. Fotografien von Michael Bader Das Deutsche Bergbau-Museum Bochum präsentiert mit der Ausstellung „Blickpunkt Bergwerk. Fotografien von Michael Bader“ aktuelle Fotografien des gegenwärtigen Bergbaus und der darin arbeitenden Menschen. Die Fotografien von Michael Bader wurden ursprünglich durch die RAG-Stiftung im Rahmen des Projekts „Glückauf Zukunft!“ beauftragt. Michael Bader zeigt den Menschen in seinem Arbeitsumfeld, es sind inten-

mit Name, Telefon, Adresse und dem Betreff „Verlosung“ an redaktion@bodoev.de oder auf frankierter Postkarte an bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund.

sive Momentaufnahmen mit Ewigkeitswert, verbunden mit persönlichen Biografien und trotzdem stellvertretend für einen eigenen Berufsstand und Industriezweig. Bis 31.8., www.bergbaumuseum.de Deutsches Bergbau-Museum, Bochum

SA 09 | 06 | 18 Szenische Lesung | Das Tagebuch von Adam und Eva – von Mark Twain Bis jetzt präsentierte der Dortmunder Rezitator und Darsteller Carsten Bülow die paradiesische Geschichte von Mark Twain immer als „Adams Tagebuch“. Und darin erzählte der gute alte Adam, wie nett er es doch im Paradies fand und wie beschaulich, bis da plötzlich und unerwartet noch jemand auftauchte: Eva. An diesem Abend wird aber auch Eva zu Wort kommen und die Sicht ihrer Dinge dem Publikum mitteilen. Eva wird gelesen und gespielt von Monika Bujinski. Theater im Depot, Dortmund, 20 Uhr Musik | Abbauhammerkonzert Der Alptraum aller Bergleute sind „Schlagende Wetter“, eine Gasexplosion unter Tage. Druckluft ist die Lösung, es gibt keine Funken. So entsteht ein wahrer Druckluft-KlangKosmos, erfüllt von zischenden Ventilen, aufheulenden Druckluftmotoren und ratternden Presslufthämmern. Christof Schläger verwandelt die Maschinenteile zu echten Klangkunstwundern. Aus heißer Luft wird erstaunlich schöner Lärm, der einer genauen Partitur folgt. Flottmannhallen, Herne, 20 Uhr

Anzeige

FOTOGRAFIEN VON MICHAEL BADER Deutsches Bergbau-Museum Bochum 05. Juni bis 31. August 2018 www.bergbaumuseum.de/ sonderausstellungen

24

Theater | MordArt Die Hottenlotten laden zu ihrem preisgekrönten Krimi-Format MordArt und gehen gemeinsam mit ihrem Publikum auf improvisierte Mörderjagd. Zu Beginn des Abends stehen nur einige Parameter fest: Ein höchstwahrscheinlich recht unliebsamer Zeitgenosse wird theatral um die Ecke gebracht. Die genauen Einzelheiten ergeben sich erst im Laufe des Abends unter der tatkräftigen Beihilfe des Publikums live auf der Bühne. Dieses erlebt einen mitunter tödlichen Reigen voller Spielfreude und Spontanität mit vier Schauspielern in mindestens sieben Rollen. Thealozzi, Bochum, 20 Uhr

SO 10 | 06 | 18 Sport | BIG Bochum Urban Trail Während bei den meisten Laufveranstaltungen der Wettbewerbscharakter im Vordergrund steht, geht es beim Urban Trail ganz ohne Zeitmessung um Spaß am Laufen und das Erleben von Sehenswürdigkeiten. So erhalten die TeilnehmerInnen nicht nur die Möglichkeit, durch die Gebäude hindurch, anstatt lediglich an ihnen vorbeizulaufen, ihnen werden auch die Türen zu Institutionen geöffnet, die sonst nicht so leicht für die Allgemeinheit zugänglich sind, wie z.B. die des Polizeipräsidiums oder der Rettungswache. www.bochumurbantrail.de Startpunkt: Jahrhunderthalle, BO, 9 Uhr Festival | Farbgefühle Festival Wer beim Farbgefühle Festival nicht bunt wird, hat etwas falsch gemacht. Kreative Kos-


bodo verlost 2x2 Karten*

World Press Photo

9. Juni bis 1. Juli Depot Immermannstraße 29 Dortmund

Jährlich prämiert die World Press Photo Foundation die weltbesten Pressefotografien und schickt danach eine Ausstellung mit rund 150 Fotos in mehreren Kategorien um die Welt. In diesem Jahr konnten sich 42 FotografInnen aus 22 Ländern über eine Auszeichnung freuen. Jedes Jahr ist auch das Depot in Dortmund Herberge für die Ausstellung.

Die Gewinnerbilder widmen sich in diesem Jahr den zahlreichen Konflikten auf der Welt – und so ist auch das Gewinnerbild eine Dokumentation von Gewalt und Unruhe. Die Fotografie eines während der Unruhen in Venezuela in Flammen stehenden jungen Mannes des afp-Fotografen Ronaldo Schemidt wurde zum Pressefoto des Jahres 2018 gekürt. Andere Fotografien setzen sich mit der Flucht der Rohingya aus Myanmar, den Folgen der Entführungen von Frauen durch Boko Haram, aber auch mit Naturschauspielen und Sportereignissen auseinander.

tüme und verrückte Outfits gehören dazu und sorgen für Stimmung. Zu den „Big Throws“ versammeln sich alle Besucher, um die Jahrhunderthalle Bochum in einem Farbenmeer verschwinden zu lassen. Ausgewählte LiveDJ’s sorgen für die passenden Klänge. Jahrhunderthalle, Bochum, 13 Uhr Kunst und Kultur | Offene Ateliers Dortmund 2018: KunstBusFahrt von DADADO Am 9. und 10. Juni geht es mit den „Offenen Ateliers Dortmund“ östlich von der B54 weiter. Am 10. Juni bietet DADADO für alle Interessierten eine KunstBusFahrt an. Die 2. OffeneStraßenKunst führt die mitfahrenden BesucherInnen in dem TRD-Oldtimerbus zu Kunstorten in den städtischen Randbereichen. Vor Ort präsentieren die KünstlerInnen ihre Kunst, und während der Fahrt unterhalten sie die DADADOisten mit allerlei dadaesken Fisimatenten. offene-ateliers-dortmund.de Dortmund

Musik | Singende Trinkhalle Nach Trink- und Heimatlied widmet sich die 3. Ausgabe der „Singenden Trinkhalle“ der Königsdisziplin – dem Liebeslied. Alle machen mit: der erstsingende Laie genauso wie der erprobte Chorsänger. Es gibt keine Ausreden, dafür Texthefte und musikalische Unterstützung durch das eigens zu diesem Anlass gegründete Tom & Kerry Orchestra. Diese muntere All-Star-Truppe mit u.a. Musikanten von Dieselknecht und Freeway Cash wächst stetig und begrüßt am 10. Juni eine Mülheimer Punkrocklegende in ihren Reihen. Trinkhalle, Bochum, 18 Uhr Musik | KLANGVOKAL Musikfestival Dortmund: Antonio Caldara Zu den Meisterwerken des venezianischen Barockkomponisten Antonio Caldara gehört sein Oratorium „Maddalena ai piedi di Cristo“. Darin erzählt Caldara in bewegenden Arien die Geschichte von der Büßerin Maria

Magdalena und stellt ihr allegorische Figuren wie die Himmlische Liebe zur Seite. Das Publikum darf sich auf die Barockstimmen von Sopranistin Emmanuelle de Negri und Countertenor Damien Guillon freuen, der zugleich das Alte Musik-Ensemble Le Banquet Céleste bei seinem Deutschland-Debüt leitet. St. Reinoldikirche, Dortmund, 19.30 Uhr

MO 11 | 06 | 18 Musik | Video Game Music in Concert Videogames wie „Final Fantasy“ oder „Angry Birds“ sind ein Renner. Ebenso komplex und vielschichtig wie die Spiele ist inzwischen auch deren Musik. Wunderbare Orchestersuiten und neue Klangwelten, die nichts mit dem Gameboy-Sound zu tun haben, sollen Gamer und Klassik-Liebhaber gleichermaßen begeistern. Konzerthaus, Dortmund, 19 Uhr

DI 12 | 06 | 18 Quiz | Das Fußball-Quiz zur WM mit Ben Redelings In vier Runden à 11 Fragen testet Gastgeber Ben Redelings gemeinsam mit „Radio Bochum“-Moderator Michael Ragsch das Fachwissen rund um die Weltmeisterschaften – also die großen Spiele, die beliebtesten Legenden, Songs, Sprüche und vieles mehr. Für Spiel, Spaß, Spannung und viele Überraschungen an diesem Abend ist damit gesorgt – und das erstmals im frisch bezogenen Rotunde-WM-Biergarten. Rotunde, Bochum, 19 Uhr

MI 13 | 06 | 18 Musik | Crossfaith Schon seit geraumer Zeit gehören Crossfaith zu den Grenzgängern der modernen MetalSzene. Mit ihrem kompromisslosen Mix aus

Anzeige

25


KALENDER

Metal und Trancecore füllen die fünf Japaner in ihrem Heimatland bereits die ganz großen Hallen und sind auch in unseren Gefilden bekannt für schweißtreibende Live-Shows. FZW, Dortmund, 20 Uhr Musik | Das 19. Bochumer Rudelsingen In lockerer Atmosphäre treffen sich Menschen jedes Alters und singen gemeinsam Hits und Gassenhauer von damals bis heute. Dabei werden sie live vom Sänger und Pianisten begleitet. Die Texte werden per Beamer an die Leinwand projiziert. Bahnhof Langendreer, Bochum, 19.30 Uhr

FR 15 | 06 | 18 Theater | Schwarzseher Ein weißer und ein schwarzer Theatermacher planen, einzelne Lebensstationen aus der Biographie von Anton Wilhelm Amo (1703 – 1753) darzustellen, dem ersten afrodeutschen Akademiker. Schnell stellt sich heraus, dass der schwarze und der weiße Blick dafür sorgen, dass es zwei verschiedene Sichtweisen auf Amo gibt. So wird die Beschäftigung mit Anton Wilhelm Amo zu einer Auseinandersetzung mit der eigenen, schwarzen oder weißen Perspektive, ihren Bedingungen, ihren Wurzeln und ihren Dynamiken. Eintritt frei. Studiobühne der Ruhr-Universität, Bochum, 19.30 Uhr (auch 16.6.) Theater | English Theater Group TU Dortmund: „Six Characters in Search for An Author“ Sechs Charaktere, verlassen von ihrem Autor, suchen eine Bühne, um ihre dramatische Geschichte erzählen zu lassen. Dabei unterbrechen sie den Probenprozess einer Theatergruppe, die eigentlich an einer Komödie arbeiten wollte. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion beginnen zu verschwimmen. In englischer Sprache. Fletch Bizzel, DO, 20 Uhr (auch 16.6.)

SA 16 | 06 | 18

VERLOSUNG Die Feuersteins Gala-Konzert Nach dem Galakonzert im Juni 2016 tönte es aus allen Ecken: Das müsst ihr unbedingt noch einmal machen. Und nun ist es soweit. Bei ihrem Galakonzert 2016 hat Die Feuersteins Big Band gemeinsam mit ihren Gästen gezeigt, wie breit sie musikalisch aufgestellt ist. Auch in diesem Jahr werden sich die Gäste von dem 8-köpfigen Klangkörper und großartigen Arrangements ihrer Songs auf das Feinste begleiten lassen. Mit dabei sind Rawsome Delights, Tommy Finke, HELMO (Helmut Sanftenschneider), Paul McKenna und die Feuersteins. Infos: www.diefeuersteins.eu Fritz-Henßler-Haus, Dortmund, 20 Uhr

bodo verlost 2x2 Karten*

Party | La Boum Während unzählige Kometen am allnächtlichen Partyhimmel verglühen, hat sich La Boum längst als ewig junge Konstante im Dortmunder Nachtleben etabliert. Beat und Soul, Swing und Rock‘n‘ Roll sind die Grundfesten, mit dem sich die DJs Timmi & Martini in die Herzen der Tanzgemeinde spielen. Präsentiert wird ein furioser Stilmix im Retrogewand, eine Achterbahnfahrt aus raren Originalen, abenteuerlichen Coverversionen und obskurem Edeltrash. Eintritt frei. Sissikingkong, Dortmund, 22 Uhr

SO 17 | 06 | 18 Ausstellung | 99 Karikaturen Karikaturen zu Themen wie Hunger, Flucht, Mobilität, Energie, Lebensstil, Konsum, Klimawandel und Gerechtigkeit eröffnen

überraschend andere Blicke auf die Herausforderungen unserer Zeit. In der Ausstellung konnten die Arbeiten von 40 Karikaturistinnen und Karikaturisten, darunter nel, Johann Mayr, Heiko Sakurai, Martin Perscheid und Freimut Wössner zusammengetragen werden. Bis 24.8. www.umspannwerk-recklinghausen.de Museum Strom und Leben, Recklinghausen Lesung | Ruhrfestspiele Recklinghausen: Claudia Amm und Günter Lamprecht Humorvoll, emotional und vor allen Dingen sehr persönlich: Die Lesungen von Lamprecht und Amm bei den Ruhrfestspielen sind selbst schon ein Stück Legende. Auf das diesjährige Thema „Heimat“ wird das Schauspielerpaar mit Texten eingehen, die die autobiographischen Erfahrungen eines langen Lebens in dieser Region spiegeln. Claudia Amm und Günter Lamprecht tauchen ein in die Geschichte des Ruhrgebiets. Eine Lesung über die Heimat. Ruhrfestspielhaus, Recklinghausen, 11 Uhr Kinder | Kinder-Workshop: Bernstein schleifen Bernstein war schon in der Steinzeit als Glücksbringer, Schmuck und Medizin begehrt und beliebt. Kinder ab 8 Jahren können an diesem Nachmittag den Bernstein und seine Geheimnisse erforschen und im Anschluss ein eigenes Amulett fertigen. Eine Anmeldung ist erforderlich. Infos: www.bergbaumuseum.de Deutsches Bergbau-Museum, BO, 14.30 Uhr

MO 18 | 06 | 18 Theater | Peter Pan Nicht erwachsen zu werden, ist der feste Entschluss von Peter. Doch wie kann das gehen? Einsam und ohne feste Bleibe läuft er durch dunkle Straßen, wo ihm Gleichgültigkeit und Gewalt entgegenschlagen. Da begegnet

Anzeige

-

26


Es nennt sich das globale Fest der Begegnung im Ruhrgebiet: Zum vierten Mal laden die Stadt Bochum, die Bochumer Veranstaltungs-GmbH, der Bahnhof Langendreer und Interkultur Ruhr zu „Ruhr International“ auf das Gelände der Jahrhunderthalle.

Ruhr International Festival

16. und 17. Juni Jahrhunderthalle Bochum

Akteure aus Bulgarien, Irak, Nigeria, Usbekistan, Nordirak oder Aserbaidschan und vielen anderen Ländern gestalten zwei Tage lang ein Programm aus Theater, Performance und Musik: Highlights sind Orlando Julius & The Heliocentrics, Gato Preto, Liza Kos oder der Pottporus e.V.. Spiegel-Redakteur Hasnain Kazim, der vor einigen Jahren zusammen mit anderen migrantischstämmigen KollegInnen hasserfüllte Leserinnenpost zur Leseshow „Hate Poetry“ verarbeitete, liest, jetzt solo, „Briefe von Karlheinz“. Rund herum stellen sich regionale Initiativen und Gruppen der interkulturellen Arbeit vor und gestalten ein Programm zum Zuschauen und Mitmachen. Der Eintritt zu Ruhr International ist frei.

ihm Tinkerbell, die kleine Fee, und zeigt ihm den Weg nach Nimmerland. Eben noch Kind, dem keine Jugend vergönnt sein soll, sucht Peter dort ein Zuhause, einen Ort für Zeit und Träume. Eigens für „Schulen in Bewegung“ erarbeitet Martina van Boxen eine Theaterfassung nach Motiven der berühmten Geschichte von Peter Pan. Kammerspiele, Bochum, 19 Uhr

MI 20 | 06 | 18 Musik | Jazz meets Hendrix & Co Markus Conrad spielt zusammen mit den Tatort Jazz-Hausmusikern Matthias Dymke, Alex Morsey und Uwe Kellerhoff Stücke von Gitarrenlegende Jimmy Hendrix und anderen „nahen Verwandten“ in neuen Variationen. Gastsolist Markus Conrad vereint Elemente aus Jazz, Blues und Weltmusik in seinem Spiel. Eintritt frei. Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

DO 21 | 06 | 18 Theater | Your Love is Fire In seinem Theaterstück „Your Love is Fire“ verarbeitet der syrische Autor Mudar Alhaggi seine persönlichen Erfahrungen des Krieges in Syrien, den Verlust des Heimatlands und die Exilerfahrung in Deutschland. Der Titel basiert auf dem gleichnamigen Lied des ägyptischen Sängers Abdelhalim Hafez, das für die Epoche arabischer Schlagermusik der 60er steht und die Sehnsucht nach vergangenen, scheinbar sicheren Zeiten verkörpert. Prinzregenttheater, Bochum, 19.30 Uhr

FR 22 | 06 | 18 Theater | Warten auf Godot Wladimir und Estragon warten auf einer Straße auf Godot, von dem sie glauben, er könne ihnen helfen. Wie lange sie schon warten, ist unklar. Wie Godot ihnen hel-

fen kann, auch. Hoffnung keimt auf und schwindet. Das seltsame Duo Pozzo und Lucky kommt und geht. Ebenso der mysteriöse Junge, der für Godot arbeitet. Und Godot selbst? Die Sonne geht erneut unter. Man wird warten müssen. Rottstr5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr

SA 23 | 06 | 18

VERLOSUNG Klangsphäre DJ&SPACE: Klaus Fiehe Den Juni-Termin der „DJ&SPACE“-Reihe bestreitet mit Klaus Fiehe einer der wichtigsten Radio-DJs und Moderatoren der Republik. Mit seiner Sendung „Raum & Zeit“ (heute „1LIVE Fiehe“) prägte er seit Mitte der 90er Jahre gleich mehrere Generationen mit der Begeisterung für atmosphärische elektronische Clubmusik. Im Planetarium taucht Fiehe für zwei mal 60 Minuten in kosmische Weiten ein und verspricht eine musikalische Reise durch Raum und Zeit von Ambient, Chill Out, Trip Hop und Dub bis zu aktuellen atmosphärischen Club Sounds. Planetarium, Bochum, 21 Uhr

bodo verlost 2x2 Karten*

SO 24 | 06 | 18 Ausstellung | Wasser-Orchester Auf Spaß mit dem Wasser-Orchester dürfen sich die BesucherInnen zum Abschluss der Ausstellung „TeamPlay“ draußen vor der DASA freuen. Ein spritziges SommerMusik-Erlebnis für den Dialog der Generationen. Mit 50 Instrumenten in 25 Wannen und mechanischen Apparaten, die Klänge des Wassers erzeugen oder Wasser zur Tonerzeugung benötigen. DASA, Dortmund, 10 – 18 Uhr

Anzeige

Rothaarsteig – Wandern auf dem Weg der Sinne

100c / 100y / 40k

80c / 100y / 30k

www.rothaarsteig.de · Tel. 02974 - 4994163 ·

Täglich kostenlos von 9 bis 20 Uhr für Sie erreichbar!

60c / 100y / 20k

RHS-Anz_185x65,5_518.indd 1

50c / 100y / 10k

07.05.18 16:40

27


KALENDER

Markt | Familientrödelmarkt Ob Kinderspielzeug für die Kleinen, Kleidung, Kitsch, Rarität oder Kuriosität – auf dem Familientrödelmarkt wird das große und das kleine Flohmarkt-Herz höher schlagen. Privatleute bieten hier an über 50 Ständen und auf 2.500 qm überdachter Fläche ihre gesammelten Schätze zum Verkauf an. Als kleine Stärkung für zwischendurch gibt es im Bistro frische Waffeln, Kaffee und kühle Getränke. Eintritt frei. Werkstadt, Witten, 11-15 Uhr

Seit 28 Jahren gilt das Impulse Theater Festival als bedeutsame Plattform der freien Szene. Persönlichkeiten und Gruppen wie René Pollesch oder Rimini Protokoll haben sich bei dem Festival, das immer in unterschiedlichen Städten Nordrhein-Westfalens stattfindet, zum ersten Mal einem breiteren Publikum vorgestellt.

Impulse Theater Festival

13. bis 24. Juni

FR 29 | 06 | 18 Lesung | NACKT & ZERFLEISCHT #4: „Super-KIM aus Pjöngjang“ Es war einmal ein geliebter Führer, der hieß Kim Jong-il. Was Super-Kim auch machte, es gelang. Er war zum Beispiel auch ein großartiger Filmproduzent. Böse Zungen meinten zwar, dass Kim Jong-ils Filme Propagandafilme wären, aber Menschen wie er haben immer viele Neider. Die behaupteten auch, Super-Kim hätte die südkoreanische Schauspielerin Choi Eun-hee und ihren ExMann, den Regisseur Shin San-ok entführen und einsperren lassen. Natürlich alles Anzeige

02.06.18 Drushba- 32 Nationen bitten zu Tisch

09.06.18 Tanz Folk 2018

15.06.18 Cypher Edition

29. 06. - 01.07.18 Afro-Ruhr-Festival 2018

Mülheim/Ruhr Düsseldorf, Köln

Impulse ist dreigeteilt: In einem Projekt im öffentlichen Raum beschäftigt sich das Festival mit der Ökonomisierung des Lebensraums Stadt und deren Ausverkauf. Das Wilhelm-Marx-Haus in Düsseldorf dient als Kulisse: Es soll an einen Investor verkauft werden – das Festival will beleuchten, was der Verlust für Stadt und Gesellschaft bedeutet. Köln wird Ort des Austauschs von Theatermachenden sein, und im Ringlokschuppen Ruhr in Mülheim werden herausragende Produktionen der vergangenen Saison gezeigt – zum Beispiel eine eigens für die Impulse erarbeitete Adaption von „Dorf Theater“ (Foto). www.impulsefestival.de

gemeine Lügen. Eine Live-Hörspiellesung für Menschen ab 18 Jahren mit Jörg Buttgereit und Ensemble. Studio des Schauspiel, Dortmund, 20 Uhr Vortrag | Lydia Benecke Psychopathinnen – Tödliche Frauen Was macht weibliche Psychopathen aus? Wie viel Realität steckt in der Darstellung einer Psychopathin im Film „Basic Instinct“? Was unterscheidet Psychopathinnen von ihren männlichen „Artgenossen“? Kann man sie erkennen? Kriminalpsychologin und Straftätertherapeutin Lydia Benecke erklärt anhand realer Fälle die typischen Eigenschaften und Strategien psychopathischer Straftäterinnen. Serienmörderinnen, die Fremde, Verwandte und sogar die eigenen Kinder töteten – ohne die geringsten Gewissensbisse. Fritz-Henßler-Haus, Dortmund, 20 Uhr Musik & Party | 16Pad Noise Terrorist Diese 99headz Sommerparty steht im Zeichen des Dark Drum ‘n‘ Bass. Zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang wird dazu 16Pad Noise Terrorist aus Leipzig zu Besuch sein. Die Residents Perce, Valli, BNT, Bush Roon und Varun freuen sich schon, seiner Stilvorgabe beim Aftershowdance zu antworten. Langer August, Dortmund, 23 Uhr

FR 29 | 06 – SO 01 | 07 | 18

Leopoldstr. 50-58 · 44147 Dortmund Tel. 0231 50-25145 · Fax 0231 50-26019 facebook.com/DietrichKeuningHaus

28

Festival | 9. Afro Ruhr Festival Das Afro Ruhr Festival erstreckt sich als großes Afrika-Fest über drei Tage und bietet in dieser Zeit Live-Musik, einen Basar, Workshops und Club-Abende. Darüber hinaus werden weitere kulturelle Veranstaltungen

angeboten: Lesungen, Kino und bildende Kunst. Mit dabei sind Otumfuo Band, Emersound, Afrikano, Samson Kidane und viele andere. Das ganze Programm gibt es unter www.afroruhr.africa-positive.de Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund

SA 30 | 06 | 18 Musik | 10 Jahre Summersounds DJ-Picknicks Vom 30. Juni bis zum 25. August bringt die „Umsonst & Draußen“-Reihe wieder an acht Samstagen sommerliches Festivalfeeling in die Dortmunder Parks. Von Electronic-Beats, Hip Hop und Rap bis Reggae und Urban Beats sorgen wechselnde DJs für ein abwechslungsreiches Musikprogramm. Dieses Jahr feiern die Summersounds-DJ-Picknicks zudem 10-Jähriges und bieten ein vielversprechendes Jubiläums-Programm. www.djpicknick.de Westpark, Dortmund, 14 – 22 Uhr Flohmarkt | nachtaktiv Nachtflohmarkt Trödeln, stöbern, Musik hören, feilschen und flanieren – das ist der „nachtaktiv Nachtflohmarkt“. Ein Markt für private Anbieter von Second-Hand-Waren und alten Lieblingsstücken und von einigen, wenigen ausgewählten Händlern von Vintage- und Design-Stücken. Zum „nachtaktiv Nachtflohmarkt“ gehören aber auch Live-Musik, leckeres Essen und kühle Getränke. Das Angebot reicht von BBQ bis zu veganen Curries. Live spielen Franzi Rockzz, Jaana Redflower und Domingo. Rotunde, Bochum, 17 – 24 Uhr Party | NICE UP! Summer Special Was gibt es Schöneres, als im Sommer die ganze Nacht lang zu tanzen und das Leben


in vollen Zügen auszukosten? Damit nicht nur draußen, sondern auch auf den beiden Dancefloors die richtigen Temperaturen herrschen, begibt sich die Blockbuster Sound-Crew zusammen mit NasAIR hinter die Decks. Mit ihrem Mix aus Dancehall, Reggae, Old School Rap und World Beats sorgen sie für karibisches Feeling und bringen die Tanzfläche zum Glühen. Großmarktschänke, Dortmund, 23 Uhr

VERLOSUNG bodo t ExtraSchicht – verlos 2x2 Die Nacht der Karten* Industriekultur 50 Spielorte in 22 Städten von Moers bis Unna bilden am 30. Juni gemeinsam einen gigantischen Schauplatz der Industriekultur, bespielt von 2.000 Künstlern, traditionell gefeiert von rund 200.000 Besuchern. Zur ExtraSchicht rückt die Metropole Ruhr zu einem einzigartigen Erlebnisraum zusammen, in dem gleich ein ganzes Feuerwerk der Unterhaltung Platz findet. Dabei liegt ein besonderer thematischer Schwerpunkt auf der Beendigung des deutschen Steinkohlebergbaus. www.extraschicht.de verschiedene Orte, 18 – 2 Uhr

SO 01 | 07 | 18 Lesung | Familienlesung: Schwedische Geschichten Das Kindermuseum mondo mio! im Dortmunder Westfalenpark begibt sich immer am ersten Sonntag des Monats ab 15 Uhr auf eine spannende Geschichten- und Mär-

chenreise. Jeden Monat wird literarisch ein anderer Winkel der Welt erkundet. Im Juli dreht sich alles um die schwedischen Geschichten von Pippi Langstrumpf, den Kindern von Bullerbü, Pettersson und ihren tierischen Freunden. Kindermuseum mondo mio!, DO, 15 Uhr

DI 03 | 07 | 18 Theater | Drei alte Männer wollen nicht sterben Zum bereits fünften Mal entwickelt Sandra Anklam mit Strafgefangenen der JVA Bochum eine Theaterproduktion: Alles beginnt für die Männer mit einem Brief. Der besagt, dass sie sterben müssen. Sie sind doch aber längst nicht fertig – sie wollen noch den höchsten Berg besteigen, frühstücken, sich streiten, die Liebe erleben, aufräumen. Doch das Leben hat seine Zeit. Genau wie der Tod. JVA Bochum, Pforte 2 an der Karl-Lange-Straße, Bochum, 15.30 Uhr

SO 08 | 07 | 18 Kindertheater | Lindbergh – Die abenteuerliche Geschichte einer fliegenden Maus Weil ihr Zuhause nicht mehr sicher ist, beschließt die Maus, ihren Angehörigen über den Ozean nachzureisen. Doch wie überquert man das Meer, wenn am Hafen die Katzen umherstreunen und man sich nicht ungesehen an Bord eines Schiffes schleichen kann? Eine nächtliche Begegnung bringt die rettende Idee: Wie die Fledermäuse fliegen, das wäre die Lösung. Voller Tatendrang glückt es der Maus schließlich, einen Flugapparat zu bauen. Da aber lauern schon neue Gefahren. Für Kinder ab 5 Jahren. Theater Unten, Bochum, 16 Uhr

Anzeige

VERLOSUNG RuhrHOCHDeutsch: LaLeLu Mit ihrem Mix aus Gesang und Komik, Show und Parodie, Pop und Klassik begeistern LaLeLu mit unbändiger Spielfreude Publikum und Presse. Die vier Acappella-Trendscouts aus Hamburg blicken voraus. In einer Show voller Vorahnungen, Weitblicke und virtueller Bebauungspläne singen sie eine Zukunft herbei, die harmonischer nicht sein kann. Vergessen sind Zukunftsängste, Schlaflosigkeit und Probleme mit verminderten Septnonakkorden. Infos: www.ruhrhochdeutsch.de Spiegelzelt an den Westfalenhallen, Dortmund, 20 Uhr

bodo verlost 2x2 Karten*

© by Photocase.de

en lassen.“ „Nicht ärgern. Berat

Mieter schützen · Mietern nützen!

Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.

Mieterverein

Bochum, Hattingen und Umgegend e.V.

Brückstraße 58 44787 Bochum Tel.: 0234 / 96 11 40 mieterverein-bochum.de

Kampstr. 4 44137 Dortmund Tel. 0231/557656-0 mieterverein-dortmund.de

Öffnungszeiten Mo - Do 9:00 - 18:00 Fr 9:00 - 12:00

Öffnungszeiten Mo - Do 8:30 - 18:00 Fr 8:30 - 14:00

Mitglieder im Deutschen Mieterbund

sweetSixteen-Kino | Halaleluja – Iren sind menschlich! Die grüne Insel als Schauplatz einer Kleinstadtkomödie um den jungen Inder Ragdan: Vor Jahren ist er den traditibodo onellen Heiratsplänen verlost 1x2 seines Vaters bis in den Karten* Nordwesten Irlands entflohen und hat bei Onkel Jamal und Tante Doreen eine neue Heimat gefunden, neue Freunde und seine Freundin, Maeve. Ausgerechnet am Abend von Ragdans Geburtstagsparty kommt es zwischen den beiden zum Streit. Als hätte er nicht genug damit zu tun, seine Beziehung zu retten, steht plötzlich sein Vater vor der Tür – und zwar mit einem Geburtstagsgeschenk, das für Ragdans indisch-irische Ohren völlig absurd klingt: einem Schlachthof, den er zusammen mit seinem Vater in einen Halal-Betrieb verwandeln soll. In dem kleinen Dörfchen sorgt das neue Unternehmensprojekt für einigen Aufruhr. Egal, wer schon einmal etwas mit Fleisch zu tun hatte, wird angeheuert, um die Dorfbewohner mit Halal-Gulasch zu besseren Menschen zu machen. Doch die haben ihre eigenen Vorstellungen – vom Fleischgenuss und von interkultureller Geselligkeit. Zwischen allen Stühlen sitzt nun Ragdan, der plötzlich nicht nur um Maeve, sondern auch um den dörflichen Frieden kämpfen muss. „Halaleluja“ erzählt eine warmherzige Dorfgeschichte aus dem 21. Jahrhundert. Für die deutsch-irische Produktion versammelt Regisseur Conor McDermottroe ein spielfreudiges Ensemble aus jungen Talenten wie David Kross (Der Vorleser) und namhaften Darstellern wie Colm Meaney und Art Malik um sich. Vom 21. Juni bis 4. Juli. Alle Termine unter www.sweetsixteen-kino.de sweetSixteen-Kino Immermannstr. 29, 44147 Dortmund www.sweetsixteen-kino.de 29


BODO GEHT AUS

LebensArt Café Buschstraße 172 44369 Dortmund

LebensArt Café Inspiration am Waldesrand Es ist das letzte Haus, bevor es in den Wald hineingeht. Das helle Türkis leuchtet vor dem kräftiger werdenden Grün des Waldes. Wenn man hineingeht, öffnet sich ein großer, lichtdurchf luteter Raum. Leise klingt Klaviermusik aus dem Radio, hier und da sitzen Menschen an den Tischen und unterhalten sich. Vor zwei Jahren hat Ina Oettinghaus das LebensArt Café am Rand des Rahmer Walds im Dortmunder Stadtteil Huckarde eröffnet. „Das war schon seit mehr als 14 Jahren ein Traum!“, sagt sie. Ina Oettinghaus ist psychologische Beraterin und Coacherin für Lebens-, Berufs-, Beziehungsfragen. „Mir geht es darum, das Leben positiv zu erfassen – dazu gehörte dann auch das Café. Einige Schlagwörter sind an eine Wand geschrieben: „Inspiration“, „Zeit“, „Lichtblicke“, auch „Feierabend“. Gemütlichkeit steht im Zentrum, jedes Kissen, jedes Teelicht, jeder Lampion ist genau platziert. Ein kleiner Holzofen wärmt den Raum im Winter. Am Anfang waren vor allem Huckarder hier, mittlerweile kommen aber auch viele Gäste aus anderen Stadtteilen. „Im Unterschied zu

30

Von Alexandra Gehrhardt Fotos: Daniel Sadrowski

vielen Cafés in der Innenstadt haben wir hier unheimlich viel Platz, sodass auch Kinder hier und draußen spielen können.“ Die Speisekarte ist ausgewählt. Süßes Frühstück und Stullen sind für den morgendlichen und den herzhaften Hunger, Marmelade und einige Aufstriche entstehen frisch in der eigenen Küche. Zum Mittag gibt es täglich ein anderes Gericht. Den Kaffee bezieht Ina Oettinghaus von der Dortmunder Szenerösterei „Neues Schwarz“ – und jeden Tag findet sich in der hohen Vitrine

eine Auswahl an selbstgemachten Kuchen und Torten. „Die Bäckerinnen sind keine Meisterkonditorinnen, sondern sind hier, weil es ihnen Spaß macht. Dafür haben wir hier ein paar echte Geheimrezepte“, lacht Ina Oettinghaus. In Zukunft will Ina Oettinghaus noch mehr Kreatives im Café anbieten. Schon jetzt gibt es monatlich kunstpädagogischeAngebote für Kinder, kreative Angebote im Malen, Möbelrestauration oder Kräuterwanderungen sind angedacht. Sie hat so einige Ideen für das türkisfarbene Haus am Waldrand.


Anzeigen

Baiser – ein süßer Kuss Jeden Tag werden Kuchen und Torten frisch für das LebensArt gebacken. „Die Lieblingstorte unserer Gäste ist die Gewittertorte“, sagt Ina Oettinghaus. Die mehrschichtige Torte, deren süße Baiserdecke einen passenden Kontrast zu den säuerlichen Kirschen herstellt, kommt besonders gut an. „Baiser“ bedeutet „Kuss“ auf Französisch – die englische Königin Elisabeth I. soll zu Besuch am französischen Hofe das Gebäck als süß wie ein Kuss bezeichnet haben, sagt eine Legende. Baiser wird entweder pur zubereitet oder als Haube für Obstkuchen. Einfach Eiweiß und Zucker, im Verhältnis eins zu eins, mischen und schlagen, bis ein cremiger Schaum entsteht. Am besten verarbeitet man nicht gleich die komplette Menge, sondern beginnt mit einem Drittel und fügt dann in mehreren Schritten abwechselnd Eiweiß und Zucker hinzu. Dann kommt die Masse auf den Kuchen und wird bei milder Hitze im Backofen getrocknet. Ein Tipp: Eine Prise Salz macht den Schaum stabiler, ein Spritzer Zitronensaft verfeinert den Geschmack.

Wir verbinden Dortmunds

schönste Ecken Sicher und bequem durch unsere Stadt zahlreiche Verbindungen dichtes NachtExpress-Netz keine Parkplatzsuche

• • • Weitere Infos: www.bus-und-bahn.de Mobiles Internet: bub.mobi

Anz_Bodo_Schönste_Ecken_130x140_4c_01Ausgabe.indd 1

16.12.15 10:58

574 Kletterer gesichert und 319 mal Halt im Alltag gegeben.*

*

Alfred Schiske Pensionär, AllroundTalent, seit seinem Wiedereintritt in die Kirche vor 10 Jahren nicht nur in der Kinderund Jugendarbeit aktiv.

*

Sarah Berkermann Ergotherapeutin, strukturiert mit ihren Kollegen den Tag von bis zu 82 Klienten des Wohnverbundes Psychiatrie.

Was auch passiert. Wir sind da.

www.team-für-hier.de

31


SOZIALES

Wer Hochglanzfotos aus der Arbeitswelt braucht, für Magazine oder Internetseiten etwa, kauft beim Branchenriesen „Getty Images“ nun vielleicht, ohne es zu ahnen, Bilder von wohnungslosen Models. Unsere Düsseldorfer KollegInnen von fiftyfifty, die Agentur Havas und Getty haben Straßenzeitungsverkäufer in Geschäftsleute, Modedesigner oder Architektinnen verwandelt. Das Ziel: Vorurteilen über Wohnungslose etwas entgegenzusetzen. Von Bastian Pütter | Fotos: Frank Schemmann, Getty / Havas

Kleider machen Leute

32


Kalle „Ich fühle mich wie ein neuer Mensch!“ Business-Anzug, Luxusuhr, Dienstwagen – einige wenige Insignien des – ökonomischen – Erfolgs, und Kalle (56) nimmt man den erfolgreichen Geschäftsmann ganz selbstverständlich ab. Tatsächlich lebte er fast 20 Jahre lang auf der Straße und schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten durch.

D Jennifer Wie vollständig die äußerliche Verwandlung tatsächlich wirken kann, erfuhr Jennifer, als ein höhergestellter Bediensteter des Luxushotels, in dem das Shooting stattfand, sie im rauen VorgesetztenTon anhielt, zurück an die Arbeit zu gehen. Er hielt die 29-jährige Obdachlose für eine Kollegin.

ie Kampagne hat einen Nerv getroffen. Deutschlandweit wurde über „Repicturing Homeless“ berichtet. „Wir hatten noch nie eine Kampagne mit dieser Reichweitenstärke“, sagt Hubert Ostendorf von fiftyfifty. Neben der großen Öffentlichkeit, auch durch eine multimediale Ausstellung der Bilder in Düsseldorf, fließen die Einnahmen aus dem Verkauf von Foto-Lizenzen in die Wohnprojekte des Vereins. Ein großer Erfolg. Doch Wohnungslose neu bzw. anders darzustellen, so die Übersetzung des Projekttitels – ist das möglich, indem man sie in fremde Rollen schlüpfen lässt, um fremde Produkte, Dienstleistungen, Inhalte zu verkaufen? Paul Foster, Chef von Getty Images, ist sich sicher: „Wir glauben, dass die Fotos die Kraft haben, Wahrnehmungen zu ändern und sogar Mitgefühl hervorzurufen, Veränderungen voranzutreiben.“ Darren Richardson, Kreativdirektor bei Havas, erklärt: „Es ist in unserer Gesellschaft vollkommen normal, Menschen nach ihrem Äußeren zu beurteilen. An einigen Stellen vergessen wir jedoch, wie leichtfertig wir das tun und dass sich hinter dem äußeren Erscheinungsbild immer der gleiche Status verbirgt: der Status, ein wertiger Mensch zu sein. Genau dort setzt das Projekt an – wir versuchen, die Menschen dazu zu bewegen, sich mit ihren Vorurteilen auseinanderzusetzen und zu zeigen, dass Menschen wie du und ich in der Kleidung stecken.”

33


SOZIALES

Karl-Heinz Was dachten Sie, wen Sie bei unserem TitelModel vor sich haben? Im wirklichen Leben ist Karl-Heinz (62) kein Modedesigner. Die Kreativität dazu hätte er. Der Hobby-Maler zog viele Jahre lang ohne Wohnung von Stadt zu Stadt – mit seinem Hund, seiner Katze und seiner Gitarre. Zurzeit lebt er in einer Notunterkunft.

Michael Michael Hermann, den alle nur Hörman nennen, hat 20 Jahre lang auf der Straße gelebt. Inzwischen hat er durch fiftyfifty eine Wohnung. Seine Fotos finden sich bei Getty in der Kategorie „Erfolg“.

34


Für Hubert Ostendorf von fiftyfifty liefert „Repicturing Homeless“ nicht nur eine neue Sichtweise auf Verlierer der Konsumgesellschaft, „sondern auch eine andere Sichtweise auf uns selbst“. Ironischerweise, so Ostendorf, sei es gerade eine Agentur, deren Bestimmung das Wecken von Begehrlichkeiten sei, die hier Sch reibe n zeige, welche Bedeutung Statussymbole haben. „Und wie Sie un s gnadenlos wir alle von unserer radikal auf Leistung und Ihr e Me inu ng : Konsum bestimmten Gesellschaft darauf reduziert werden.“ Wir alle. In diesem „Wir“, das die Gescheiterten nicht mehr zu etwas kategorisch Anderem macht, steckt eine beunruhigende Frage: Wenn sich die soziale Rolle im Bild „künstlich“ durch Makeup, ein Business-Kostüm und eine teure Uhr herstellen lässt, was bleibt, wenn man uns die Insignien von Stand und Klasse nimmt? „Was sind wir, wenn wir nichts mehr haben? – vermutlich eine nicht alltägliche Frage im Geschäft der Werbebranche“, sagt Hubert Ostendorf.

red ak tion@ bo do ev. de

Straßenzeitungen erzählen mit dem Wissen über die Biografien ihrer VerkäuferInnen seit vielen Jahren: Das ganz andere Leben ist nur eine Weggabelung entfernt. Ostendorf: „Denn Vanessa und die anderen halten uns den Spiegel vor. Pass auf, so wie uns kann es auch dir ergehen in dieser Raubtierökonomie. Wir alle können straucheln. Eine Vanessa sein. Oder ein Kalle.“ Die einzige sinnvolle Antwort darauf ist Solidarität.

Vanessa Die Geschäftsreisende an der noblen Hotelbar heißt Vanessa und ist seit zehn Jahren obdachlos. Wenn sie das Straßenmagazin fiftyfifty verkauft, stören die 36-Jährige am meisten die abschätzigen Blicke der Passanten.

35


BÜCHER

Gelesen von Bastian Pütter

Stadt für alle! „Alle die hier sind, sind von hier.“ Mit dem programmatischen Zitat eines Wiener Graffito beginnt der Sammelband von Heidrun Aigner und Sarah Kumnig. Die Stadt als Ort, der nur durch Migration möglich wurde, in dem Migration der Normalfall ist, hat einerseits ein widerständiges Potenzial, andererseits erzeugt er Ausschlüsse, schreiben sich Grenzregime in ihn ein, so die Autorinnen. Für den Stadtdiskurs und die konkreten Konfliktfelder ist Wien ein Labor. Die urbane, „rote“ und stark migrantisch geprägte Millionenstadt in einem Land mit neoliberal-rechtsradikaler Regierung nimmt zukünftige Konflikte in deutschen Großstädten vorweg und erprobt Widerstands- und Aneignungsformen, die anderswo noch keine Rolle spielen. Im Kapitel „Analysen“ finden Texte zum Konzept der „Stadtbürgerschaft“ oder zur Autonomie der Migration Raum. Das Kapitel „Aneignungen“ versammelt Texte zu den Ausschlüssen in Wiens Sozialem Wohnungsbau, zu Racial Profiling und antirassistischem Widerstand, zur offenen Jugendarbeit mit dem Ziel einer „Stadt für alle“, zu den Rechten von SexarbeiterInnen oder zu den Bettelverboten in Wien und ganz Österreich. Ein radikaler, heterogener, spannender und stellenweise ganz schön in die Vollen postkolonialer Theorie gehender Band. Heidrun Aigner, Sarah Kumnig (Hg.) Stadt für alle! Analysen und Aneignungen ISBN: 978-3-85476-675-9 Mandelbaum | 17 Euro

36

Was ist Leistung? Für Nina Verheyen ist Leistung eine „Erfindung“, deutlicher: ein interessegeleitetes Konstrukt. Weder gibt es eine objektive Größe individueller Kraftanstrengung, noch sehen wir es als problematisch an, die Ergebnisse kollektiver Arbeit als individuelle Leistung anzuerkennen. Weil wir uns täglich neu auf ihre Existenz einigen, ist sie in der Welt. Gleichzeitig will die Historikerin Verheyen die Kategorie Leistung keinesfalls aufgeben oder den Begriff einseitiger Kritik unterwerfen. Stattdessen stellt sie seine emanzipatorischen und seine problematischen Aspekte dar, und die Widersprüche dieser „Unschärfeformel“. Nina Verheyen erzählt höchst unterhaltsam von „Strebertum“ und „Leistungskummer“, von Frauenarbeit in den Weltkriegen, vom Missverständnis eines bürgerlichen Leistungsethos, von Henry Ford und der Effizienzsteigerung durch Arbeitszeitverkürzung, von Leistungssport und Doping und davon, wie aus der NS-„Leistungsgemeinschaft“ die bundesdeutsche „Leistungsgesellschaft“ wurde.

Rückkehr nach Rheine 1999. Sie standen so vor’m Gleis 22 in Münster. Oder vor einem der Jugendzentren zwischen Bremen und Dortmund. Die schwarz gekleidete Vierergruppe um „Nagel“, den Sänger, war auch nur eine Band, aber eine großartige, und eine, die es ernster meinte als andere. „Muff Potter“ waren die deutschen „Hot Water Music“, Punk mit Herz, angry Pop Music. Oder so. Nun hat Thorsten Nagelschmidt sich zurückgeschrieben ins westfälische Rheine des Jahres 1999, wo sein jüngeres Ich und seine Anfangzwanziger-FreundInnen das Beste aus einem Übergang machten. Bevor die einen das mit der Musik durchzogen, andere sich dem Ernst des Lebens auslieferten und wieder andere abstürzten. Da tastet sich jemand zurück in eine Kleinstadtszene von wachen wie verpeilten, hedonistischen wie empfindsamen jungen Erwachsenen, in die Zeit von Baggersee-Slackertum und schrecklichem Liebeskummer – und beschreibt diesen Prozess: „Der Abfall der Herzen“ ist das Making-of eines Erinnerungsromans aus der westdeutschen Provinz.

Ein spannender, anekdotenreicher und gut lesbarer Essay und ein Plädoyer, die soziale Dimension jeder vermeintlich individuellen Leistung in den Blick zu nehmen.

Das ist sympathisch, geradeaus und soulful, und ja, natürlich, wie die Musik. Apropos: Der Autor hat eine SpotifyPlaylist der Songs zusammengestellt, die im Buch vorkommen. Sie ist lang.

Nina Verheyen Die Erfindung der Leistung ISBN: 978-3-446-25687-3 Hanser | 23 Euro

Thorsten Nagelschmidt Der Abfall der Herzen ISBN: 978-3-10-397347-1 S. Fischer | 22 Euro


Eine Frage, Frau Bertelmann

Was ist dran an Bauernregeln? „Wie das Wetter am Siebenschläfer sich verhält, ist es sieben Wochen lang bestellt.“ – „Werden die sieben Schläfer nass, regnet’s noch lange Fass um Fass.“ Das sind nur ein paar der unzähligen Bauern- und Wetterregeln des Volksmundes, die sich um festehende Tage des Kirchenjahres, sogenannte Lostage, gebildet haben. Doch wie viel Glauben kann man diesen Regeln schenken?

Magdalena Bertelmann, Diplom-Meteorologin beim Deutschen Wetterdienst

„Was man sich zuerst einmal vor Augen führen muss, ist die Tatsache, dass diese Regeln und Sprüche aus einer Zeit stammen, in der es keine Wettervorhersage gab, das Wetter aber für die Landwirtschaft trotzdem eine enorme Bedeutung hatte“, erklärt Magdalena Bertelmann, Diplom-Meteorologin beim Deutschen Wetterdienst. „Daher haben Menschen sehr früh angefangen, das Wetter zu beobachten. Gesetzmäßigkeiten, die sie zu erkennen glaubten, haben sie in Reimform gebracht und weitergegeben.“ Mit Beginn der statistischen Wetterdatenerfassung zum Ende des 19. Jahrhunderts stellte man fest, dass viele der Regeln als Erfahrungswerte sehr oft zutreffen, sofern man die regionale Entstehung der jeweiligen Regeln mitberücksichtigt. Ebenfalls beachten müsse man die Verschiebungen vieler Lostage durch die Einführung des gregorianischen Kalenders, der viele Bauernregeln aus dem Tritt gebracht habe. Der Siebenschläfertag zum Beispiel ist dadurch vom 7. Juli auf den

27. Juni gewandert. Mit dem Nagetier hat der Siebenschläfertag übrigens nichts zu tun, sondern mit der Legende der sieben Schläfer von Ephesus: Während der Christenverfolgung suchten sieben Christen in einer Höhle Zuflucht und schliefen, dort entdeckt und eingemauert, 195 Jahre lang.

Menschen haben sehr früh angefangen, das Wetter zu beobachten. Gesetzmäßigkeiten, die sie zu erkennen glaubten, haben sie in Reimform gebracht und weitergegeben. Für Siebenschläfer haben statistische Analysen ergeben, dass sich die Großwetterlage üblicherweise Ende Juni bis Anfang Juli für einige Zeit stabilisiert. Verantwortlich dafür sind Jetstreams, Starkwindbänder in der oberen Troposphäre. Liegt der Jetstream im Norden, werden Tiefdruckgebiete meist in Richtung Nordeuropa abgelenkt und Hochdruckgebiete dominieren das Wetter. Liegt er weiter südlich, können Tiefs über Mitteleuropa ziehen. „Man kann also schon sagen, dass sich in vielen Regeln ein Funken Wahrheit finden lässt, sofern man sie nicht zu wörtlich nimmt“, so Bertelmann. „Eine moderne Wettervorhersage können sie allerdings nicht ersetzen.“ (sese)

Anzeige

JUNI — JULI 2018

sommer-am-u.de facebook.com/sommeramu

I mme r d onne rs tags und s onntags , manchmal auch öf te r. I mme r kos te nl os .

Gesponsert von:

Medienpartner: Kulturpartner:

Produktpartner:

37


KULTUR

„Jeder kann mitmachen“ I

n dem ehemaligen Ladenlokal mit großen Fenstern war früher mal ein Lampenladen, später wurden hier erst Teppiche, dann Friseurbedarf verkauft. In direkter Nachbarschaft sind ein Supermarkt und eine Kneipe, das Rottstr5-Theater ist um die Ecke, das Atelier Automatique nicht weit. „Der Vermieter hat uns die Räume kostenfrei zur Verfügung gestellt, wir müssen nur für Strom, Wasser und Telefon auf kommen“, sagt Alexandra Jaik. Sie kümmert sich hier um den Leihladen – das ist einer der vielen Stützpfeiler der Initiative. Leihen kann man hier Dinge, die nicht oft im Tagesgebrauch sind – Umzugskartons, eine Bohrmaschine oder ein Waffeleisen. Dinge wie Raclette, Fondue,

Gartengerät oder Bollerwagen werden noch gesucht. Auf einer Seite der offenen Räume stehen Regale voll mit Literatur zu gesellschaftspolitischen Debatten, das Archiv des Vereins „notstand“. Nach und nach soll sich hier ein Lesecafé mit Diskussionsveranstaltungen etablieren. In der Nähstube kann man vom Kissen bis zum Kuscheltier alles nähen. Bei Botopia – ein Kunstwort, das sich aus „Bochum“ und „Utopia“ zusammensetzt – wirken rund 15 Leute mit, die sich für eine „lebenswertere Stadt“ engagieren. Der frisch gegründete Verein versteht sich dabei als vermittelnde Plattform, um verschiedene Akteure aus den Bereichen Ökologie, Soziales, Politik und Kultur zusammenzubringen.

Anzeige

Ökostrom Ökogas

Beteiligung ProEngeno Naturmix Family Premium Naturmix Premium

sehr gut ÖKO-TEST Spezial Spezial Energie 2017 2015

GESTALTE DEINE ZUKUNFT Nicht nur an heute, sondern auch an morgen denken – und das zu fairen Preisen. Unser Ökostrom kommt zu 100% aus sauberen Energiequellen, unser Ökogas ist klis us hl sc ab gs maneutral. ra rt Bei Ve

NUS 30 € SOFORTBO T5 Rabatt-Code: EO

38

67 C

Beteiligen Sie sich genossenschaftlich an unserem Unternehmen.

ProEngeno GmbH & Co. KG Nendorper Str. 15 | 26844 Jemgum Tel. 0 49 02 / 9 15 70 - 00 info@proengeno.de

www.proengeno.de


2016 hatten eine Handvoll Menschen in Bochum die Idee, einen neuen Ort zu schaffen, der Treffpunkt ist für ehrenamtliche Initiativen, für Menschen, die ihre Stadt „lebenswerter“ gestalten wollen. Jetzt hat die Initiative Botopia einen solchen Ort gefunden – und im Mai den „Raum 9“ in der Griesenbruchstraße eröffnet. Von Peter Hesse | Fotos: Daniel Sadrowski

Und der neue Ort weckt Interesse: Am Eröffnungstag sind über 100 Besucher gekommen, haben etwas zum Mitbringbuffet beigesteuert, zum Kinder- und zum Musikprogramm. Vor dem Laden präsentiert ein DJ alte Vinyl-Schätzchen.

Der multikulturelle Chor „United Voices“ ist schon da. Das Ensemble trägt seine Lieder schon mal vieroder fünfsprachig vor. „Wir proben jeden Dienstag um 19 Uhr. Jeder, der mitsingen möchte, soll vorbeikommen“, sagt Chor-Mitglied Kai Gundlach.

Zukünftig soll in den Räumen ein Cafébetrieb eröffnet werden, und eine weitere Crew plant „Solidarische Landwirtschaft“. Irgendwann sollen sich hier auch eine Fahrradwerkstatt und ein Repaircafé ansiedeln.

Ein anderer Chor-Sänger, Bernd Vössing, schwärmt: „Ein kurdischer Journalist will bei uns ein Jugendprojekt leiten. Wir wollen für die Bürger in der Nachbarschaft unsere Türen öffnen – zu uns darf jeder kommen.“

Botopia Griesenbruchstraße 9 44793 Bochum www.botopia.org

Anzeigen

GRUENE-DORTMUND.DE

LET IT BEE! INSEKTENSTERBEN STOPPEN – WILDES GRÜN FÜR DORTMUND

Büro Recklinghausen (Hauptverwaltung) Telefon 0 23 61 – 40 64 70 Weitere Büros in: Bochum · Dortmund Bottrop · Herne Wuppertal

GRUENE-DORTMUND.DE

Bundesweit über 40.000 Mitglieder

office@mieterschutzbund.de www.mieterschutzbund.de 39


REPORTAGE

Über die irische Grenze Wie der Brexit den Status quo bedroht Der Austritt Großbritanniens aus der EU stellt auch die offene Grenze zwischen Nordirland und seinem südlichen Nachbarn, der Republik Irland, in Frage. Mit der Gefahr einer befestigten Grenze, ähnlich der, die die beiden Länder vor dem Friedensabkommen von 1998 und der Schaffung des EU-Binnenmarktes gespalten hat, wächst die Angst vor den Auswirkungen des Brexit auf den Handel. Von Clodagh Kilcoyne und Padraic Halpin Fotos: Clodagh Kilcoyne / Reuters

Sieht so die Zukunft aus? Anti-Brexit-Aktivisten errichteten 2016 in der Grenzstadt Carrickcarnon eine Schein-Zollhütte.

40

G

ordon Crockett will nicht dasselbe Schicksal erleiden wie sein Ururgroßvater, der in der Nähe der nördlichsten Spitze Irlands Landwirtschaft betrieb, bevor auf der Insel eine Grenze gezogen wurde. Die Farm der Familie Crockett wurde in zwei Teile geteilt, als Irland 1921 die Unabhängigkeit von Großbritannien erlangte und die Insel geteilt wurde. Als die Teilung kam, standen die Zollbeamten am Feld und sagten ihm: „Das ist das letzte Mal, dass du Kühe über die Grenze bringst“, sagt Gordon, Landwirt in fünfter Generation. Wie viele entlang der 500 Kilometer langen Grenze, die nach wie vor eines der schwierigsten Themen bei den Verhandlungen Großbritanniens über den Austritt aus der Europäischen Union ist, liegt die Farm von Crockett sowohl in der Irischen Republik als auch in Nordirland und erstreckt sich über die Grafschaften Donegal und Londonderry. „Noch kann man die Grenze völlig problemlos passieren. Wir überqueren sie sechs oder acht Mal am Tag“, sagte der Rinder-, Schaf- und Getreidebauer. „Jede Art von Hindernis würde unsere tägliche Arbeit verlangsamen.“ London und Dublin sind


bestrebt, den freien Warenfluss aufrechtzuerhalten, ohne zum System der Grenzübergänge zurückzukehren, wie einst auch einer direkt zwischen den Feldern der Familie Crockett betrieben wurde. Aber die Einigung auf eine praktikable Lösung nach dem Brexit hat sich bisher als schwierig erwiesen. Hundert Kilometer entfernt, in der südlichen Grenzstadt Clones, hat Brian Adamson nur schlechte Erinnerungen an die Grenze, die durch das Friedensabkommen von 1998 und durch den EU-Binnenmarkt, der Handelshemmnisse zwischen den

Landwirt James Martin ist im nordirischen Dorf Forkhill an drei Seiten von der Grenze umgeben: „Hier wirst du die Hauptlast spüren.“

Seamus McQuaid, Autoteilehändler, müsste 200 Meter weiter ein neues Unternehmen gründen, um die gleichen Kunden zu bedienen.

Brenda McGinn aus Mullan bangt um ihr Keramikgeschäft und um das Überleben der kleinen Grenzdorf-Gemeinschaft. Mitgliedern beseitigte, wegfiel. „Ich hasste es, über die Grenze zu fahren, weil du enormen Ärger hattest. Du konntest für zehn Minuten warten oder für zwei Stunden. Wenn sie dich nicht mochten, waren es zwei Stunden“, sagt Adamson, der vor 36 Jahren aus Dublin über die Grenze nach Nordirland zog und während der drei Jahrzehnte der Gewalt 1968 bis 1998 einen Pub in der Stadt betrieb. „Ich wohne anderthalb Meilen entfernt, und wenn ich nach Hause fahre, muss ich zweimal die Grenze überqueren. Die Dinge sind großartig, wie sie sind, und ich verstehe nicht, warum sie es nicht so lassen wollen.“ Das Ende der Zollkontrollen war für den Auf bau einer Inselwirtschaft von zentraler Bedeutung. Eine aktuelle Studie des Instituts für Wirtschafts- und Sozialforschung (ESRI) hat eine „beachtliche“ Verflechtung der Wertschöpfungskette aufgezeigt. Während Nordirland hauptsächlich mit dem Rest des Vereinigten Königreichs handelt, stellte der Bericht fest, ist es

die Komplexität dieser Integration, die Störungen so schädlich machen könnte. Während weniger als jedes fünfte befragte irische Unternehmen grenzüberschreitend handelte, entfielen im Jahr 2015 mehr als 60 Prozent der Exporte und über 70 Prozent der Importe des Landes auf die britische Provinz. Für Seamus McQuaid, der Fahrzeugteile direkt an der Nordgrenze in den Süden verkauft, würde die mögliche Einführung von Zöllen nach dem Brexit bedeuten, dass er in 200 Metern

41


REPORTAGE

Entfernung ein Unternehmen gründen müsste, um die gleichen Kunden zu bedienen. Aber es sind auch die einfachen Dinge, die sich ändern können. Die derzeit offene Grenze bedeutet, dass Nachbarn aus dem Süden auch den Laden von McQuaid nutzen, um Portokosten zu sparen, indem sie ihre Amazon- oder eBay-Bestellungen an seine Adresse in Großbritannien liefern lassen. „Das macht mir nichts aus, solange es Einheimische sind“, sagte er. Die Abschaffung der Kontrollen hat auch dazu beigetragen, Teile der Grenzregion wiederzubeleben, vor allem an Orten wie Mullan, einem Dorf in der südlichen Grafschaft Monaghan, dessen einzige Straße genau an der Grenze zu Nordirland endet. Die Brücke, die sie mit dem Norden verbindet, wurde von der Armee während der Unruhen gesprengt, um Schmuggel und unerwünschte Überfahrten zu verhindern, was die Stadt zu einer Sackgasse machte. Die meisten Leute sind weg. „Als ich zurückkam, war das ein ziemlich trauriger Ort, ein alters-

schwaches Dorf “, sagte Brenda McGinn. Ihr Keramikgeschäft „Busy Bee“ gehört zu der Handvoll an Unternehmen, die das Leben in die Gemeinde zurückgebracht haben: „Das ist nun ein wiederbelebtes, altes, verstecktes Dorf.“ Aber wie viele andere, die einfach nur normal weitermachen wollen, befürchten die Einheimischen in Mullan und anderswo, dass einige dieser Fortschritte verloren gehen könnten, wenn sich die Brexit-Verhandlungen über ihr tägliches Leben in den kommenden Monaten zuspitzen. „Es ist das letzte Kapitel, das zählt“, sagte Tom Parkes, der eine Farm auf einem ehemaligen Zollposten in dem kleinen nordirischen Dorf Middletown besitzt. „Wo wir am Ende des Tages stehen. Darauf kommt es an.“ Mit freundlicher Genehmigung von Reuters / INSP.ngo

„Der Brexit wird Zigtausende Edgar Klüsener, in Herne geboren, lebt seit 1997 mit seiner Frau und drei Töchtern in Manchester, wo er an der Metropolitan University lehrt. Der promovierte Historiker und Autor mit deutschem Pass erlebt die Umwälzungen des drohenden Brexit vor der eigenen Haustür. Ein Interview. Von Peter Hesse | Foto: privat Wie erleben Sie diese Zeit der Unsicherheit vor dem Brexit in Großbritannien? Zuerst einmal ist es so, dass ich persönlich betroffen bin. Die Lage ist etwas kompliziert: Ich habe die deutsche Staatsangehörigkeit, meine Frau die amerikanische und die englische, meine Kinder nur die britische. Je nachdem, wie nun die rechtliche Situation der EUBürger geregelt wird – und das ist alles andere als klar im Moment – stehen wir nach dem Brexit vor einem echten Problem, wo wir dann leben können. Das ist in etwa meine persönliche Stimmung. Wie klingen derzeit die Gespräche auf der Straße und an der Supermarktkasse? Generell nehme ich eine sehr fremdenfeindliche Stimmung wahr. Das Referendum und die dazugehörigen Kampagnen stellten klar heraus, dass ein Teil der Bevölkerung keine Lust auf Ausländer hat. Die Stimmung ist ganz klar so, dass wir hier unter einer 42

totalen „Überfremdung“ leiden und es besser wäre, wenn Großbritannien seine Geschicke in die eigenen Hände nähme, frei von der Dominanz durch Brüssel und auch frei von Berlin. Diese Position wird auch von einigen meiner Freunde vertreten, von Leuten, die eigentlich relativ aufgeklärt sind.

Was dabei vergessen wird, ist, dass Entscheidungen auf EU-Ebene unter Mitwirkung der Briten getroffen worden sind. Sie haben die wirtschaftliche Marschrichtung mitbestimmt. Auch die Ost-Erweiterungen hätte es ohne das United Kingdom nicht gegeben.

Vor allem die deutsche Rolle in Europa ist Anlass für Unmut in Großbritannien. Nehmen Sie das auch so wahr? Ja. Weniger der Umgang mit der Flüchtlingskrise als die Erfahrungen nach der weltweiten Wirtschaftskrise 2008/2009 sind dabei der entscheidende Faktor. Die einzigen, die von der Krise in der EU profitiert haben, sind die Deutschen. Die EU und der Euro werden immer mehr als ein Instrument deutscher Machtpolitik wahrgenommen.

Viele Prominente, darunter der Trainer des FC Liverpool, der Ex-Dortmunder Jürgen Klopp, haben sich sehr kritisch zum Brexit geäußert. Manche verteidigen die Entscheidung, so Beatles-Drummer Ringo Starr. Welche Äußerung zum EU-Austritt haben Sie als besonders falsch empfunden? Ich schüttele sehr mit dem Kopf, wenn ich höre, was Morrissey zu dieser Thematik zu sagen hat – aber er steht leider stellvertretend für weite Teile der Bevölkerung und ist nicht der einsame Verrückte. Bei Ex-Oasis-Kopf Noel Gal-

Ist die Kritik nicht auch berechtigt?


„Willkommen in NordIrland“ – das Grenzschild in Ballyconnell ist mit Einschusslöchern übersät. Eine Erinnerung an drei Jahrzehnte der Gewalt.

Arbeitsplätze kosten“ lagher, der erst gar nicht zur Wahl gegangen ist, habe ich nicht damit gerechnet, dass der sich irgendwie „vernünftig“ äußern würde. Und bei Ringo Starr ist es ja so, dass vor allem diese Generation der Älteren für den Brexit gestimmt hat. Bei den unter 40-Jährigen hat sich die überwiegende Mehrheit für den Verbleib in der Europäischen Union ausgesprochen. Wird die politische Einmischung von Jürgen Klopp ernst genommen? Oder gibt es da Vorbehalte, weil er aus Deutschland kommt? Die Meinung von Klopp hat schon Gewicht. Er hat sich in den letzten zwei Jahren einen unglaublichen Respekt erarbeitet. Klopp hat ja vorgeschlagen, dass es eine zweite Abstimmung zum Brexit geben soll, und theoretisch wäre das auch möglich. Das Referendum an sich war eh ein bisschen merkwürdig. Mehr als eine Million britische Staatsbürger, die im EU-Ausland arbeiten und leben, waren zum Beispiel von der Wahl ausgeschlossen. Also ausgerechnet die, die am meisten betroffen davon sind. Eine Million erscheint nicht gerade wenig... Ja. Außerdem geht es nicht um die Rentner, die in Spanien oder Italien leben, sondern größtenteils um Leute,

die von britischen Firmen ins Ausland geschickt worden sind. Das ist schon ziemlich kurios und nicht sonderlich demokratisch, um es mal vorsichtig auszudrücken. Hat es auch mit Weltmacht-Nostalgie zu tun, dass bereits 1975 die ThatcherRegierung die Vollmitgliedschaft in der EU abgelehnt hat? Historisch hat England in den vergangenen Jahrhunderten immer eine Sonderrolle gespielt. Die verklärte Sehnsucht nach dem britischen Empire ist immer noch da. Das ist auch eins der Hauptargumente der Brexiter gewesen: Wenn es zum Austritt kommt, dann gibt es den Commonwealth – und viele Englisch sprechende Länder, mit denen man bilaterale Handelsverträge schließen kann. Das Problem ist aber: Diese Deals hätte man jetzt schon haben können, da man unter der Schirmherrschaft der EU verhandelt hätte – und nicht als einzelner Staat. Wie reagieren die CommonwealthStaaten auf die Annäherung? Das ist auch recht eindeutig. Indien hat die Briten ganz dezent daran erinnert, dass sie nicht unbedingt willkommen sind. Denn umgekehrt ist es für Inder aktuell ziemlich unmöglich,

in Großbritannien zu studieren oder Jobs zu finden. Ähnliche Stimmen gibt es auch aus anderen CommonwealthStaaten. Und mit den USA unter Trump sind viele Handelsabschlüsse hinfällig geworden. Gibt es schon einen Fahrplan, wie es wirtschaftlich nach dem Brexit weitergehen soll? Ende April 2018 sind die neuen Wachstumsdaten für das erste Quartal herausgekommen: Die britische Wirtschaft ist nur um 0,1 Prozent gewachsen. Es gibt zudem Autofirmen, die mittlerweile die Produktion herunterfahren. Und neben dem Service-Sektor lebt Großbritannien vor allem von der Autoproduktion. Falls es jetzt zu einem Austritt ohne Zollunion kommt, wird es extrem schwierig für die Zulieferketten – und dann wird die Produktion viel eher auf das europäische Festland verlegt werden. Das gilt für General Motors, für Nissan und Toyota, eigentlich für fast alle Hersteller. Das wird Zigtausende von Arbeitsplätzen kosten, die ersten 2 – 3.000 sind jetzt schon weggefallen. Weiter geht es mit der Service-Industrie. Wenn da jetzt viele zugewanderte Arbeitnehmer ihren Pass verlieren, wird das bitter für diese Branchen. 43


LESERPOST & MEINUNGEN

BODO-SHOP

bodo 5.18

Schöne Dinge, die Sie bei uns auch kaufen können: für sich, für Freunde, für unsere Verkäufer. Erhältlich in unserem Dortmunder Buchladen und in unserer Bochumer Anlaufstelle oder auf Wunsch per Post. Bestellen Sie per Mail oder kommen Sie vorbei. Wir freuen uns auf Sie.

1 | Machen Sie uns wetterfest! Eine Regenjacke für einen bodoVerkäufer. Spenden Sie eine Jacke gegen Wind und Regen für einen Verkäufer des Straßenmagazins.* 10 Euro

bbobobdobdodododoo

2 | Ziehen Sie uns warm an! Ein Kapuzenpullover für einen bodo-Verkäufer. Mit Ihrer Spende ermöglichen Sie die Anschaffung eines warmen Kapuzenpullovers.* 15 Euro

N ZIN ZIN ZIN N ZIGA GA GA MA MA MA MA ENGA EN EN EN ENM AG AZI SS SS SS SS ASS ST STR ST SRA SRA ST SRA STSRA DA DA DA DA SDA

DVD DVD DVD DVD DVD

en besten n besten besteDie Die best Die Die ten Die besten en en ichten GeschichGescehicht Gescehicht Gesch e Geschichten Straß auf der auf der Straß auf der Straß auf der Straße auf der Straße

o o o 2,50 Eur 2,50 Eur 2,50 Eur 2,50 Euro 2,50 Euro e e e Hälfte Die HälftDie HälftDie HälftDie Hälfte den für den für den Die für den für r für den VerkäufeVerkäufer Verkäufer Verkäufer Verkäufer

DODO BO ODO ODBO BOBDOBO MM FIL LM LM RFIL FI LRM FI FIRDE DEDE e sgabe DEDRER gab erau Sond Sonder aus DVD

gabe be abe erausrausga usgSonde SonderaSond ive DVD sive DVD DVD DVD esive inklus inklu ive usiv inklu inkl ink lus im Heft im Heft im tHeft im tHef im Hef

4|5

3 | „Brüchige Biografien“ Dokumentarfilm 79 Minuten. bodo-Sonderheft A5 inkl. DVD. 2,50 Euro 4 | Ein halbes Jahr bodo! Verschenken Sie ein Gutscheinheft für sechs Ausgaben des Straßenmagazins. Das faire Abo: zum Einlösen direkt bei unseren Verkäufern auf der Straße. 15 Euro 5 | Schenken Sie Lesefreude! Ein Geschenkgutschein für unseren Buchladen. Auswahl aus 10.000 Romanen, Krimis, Koch-, Sachund Kinderbüchern, frei wählbar. ab 10 Euro 6 | bodo zum Umhängen! Tasche aus LKW-Plane mit Schultergurt aus Autosicherheitsgurt, Maße 29 x 19,5 x 8 cm. 29,90 Euro

6

* Alle unsere Verkäufer erhalten

einen Kapuzenpullover und eine Regenjacke als Verkaufskleidung. Ermöglicht wird dies mit Ihrer Spende. Sie erhalten auf Wunsch eine Spendenbescheinigung.

44

Wieso wundert sich überhaupt jemand darüber, dass sogenannte Randgruppen sichtbarer werden, wenn man überall – auch bei euch – lesen kann, dass die Zahl der Obdachlosen zunimmt, dass die Zahl der Stromsperren ein Rekordniveau erreicht, dass die Armut wächst? Dagegen hilft übrigens keine umgestaltete Treppenanlage. Mit freundlichen Grüßen, S. Sch.

1|2

3

Hinterm Bahnhof

bodo e.V. Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund Tel. 0231 – 950 978 0 | info@bodoev.de Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr www.bodoev.de VE RSAN D MÖGL ICH

bodo 05.18

Binarium bodo wirkt: Freitag beim Lieblingsverkäufer in Hörde die Clowns-bodo gekauft, auf Seite 18 über das Computerspielmuseum gelesen, Samstag mit ganzer Familie hin, inklusive Star-Trek-Ausstellung, einen super Vormittag gehabt. Danke, bodo, S. M.

„Sparsam lesen“ Hallo, wir wollten Ihnen mitteilen, dass sich vor dem Aldi in Holzwickede, wo sich normalerweise immer ein Verkäufer der bodo aufhält, jemand von der o.a. Zeitung aufhält. Leider sind wir auf ihn reingefallen und haben erst zu Hause gemerkt, dass das eine Betrügerzeitung ist. Noch schlimmer wird sein, dass viel Leute den Unterschied zwischen bodo und dieser Zeitung erst zu Hause bemerken, wenn sie sich über die nicht vorhandene Qualität wundern. Vielleicht wollen Sie in dieser Hinsicht ja etwas unternehmen, deshalb die Info. Ansonsten wünschen wir weiterhin viel Spaß bei der Arbeit und im Leben, H. H., Holzwickede Lieber Herr H., vielen Dank für Ihren Hinweis. Es tut uns leid, dass Sie auf das Nachahmerprodukt „Sparsam lesen“ (was für ein Name...) hereingefallen sind, hin und wieder wird es in unserer Region angeboten. Das Exemplar, das uns vorliegt, hat weder ein Impressum – das ist in Deutschland Pflicht –, noch scheinen die zusammenkopierten Texte mit Einverständnis der AutorInnen abgedruckt worden zu sein. Informationen zu den Urhebern fehlen. Besonders ärgert uns daran, dass es Einzelne sind, die die Idee, den guten Ruf und die Akzeptanz der sozialen Straßenzeitungen zur privaten Bereicherung missbrauchen. Und damit meinen wir explizit nicht die Verkaufenden. Einige, die früher versucht haben, mit ähnlichen Schein-Zeitungen über die Runden zu kommen, sind inzwischen fester Teil der bodo-Verkäuferschaft und nutzen unsere Hilfs- und Beratungsangebote. Uns bleibt nur, die Verkaufenden auf unser Angebot aufmerksam zu machen und unsere Leserinnen und Leser zu sensibilisieren. Viele Grüße von bodo, Bastian Pütter


RÄTSEL

Wir hatten uns sehr auf die gemeinsame Lesung von Sascha Bisley und Norbert Ripke gefreut, leider musste sie aus gesundheitlichen Gründen ausfallen. Wir versuchen, bald einen neuen Termin für die Lesung „bei bodo“ zu finden – und bis dahin: Gute Besserung, Sascha!

Schreiben Sie uns: redaktion@bodoev.de Telefon: 0231 – 950 978 0 bodo 05.18

Luthers Waschsalon Liebe bodos, vielen Dank für Eure Reportage aus dem „Waschsalon“ in Hagen. Ich höre zum ersten Mal davon, dass angehende Zahnärzte in ihrem Studium Wohnungslose behandeln. Das sollte wirklich Schule machen, so etwas braucht es in jeder Großstadt! Wieder ein tolles Magazin, diesmal fast eine reine Frauen-bodo – toll! G. F.

Verlosungen Hallo bodo, ich bin regelmäßige Leserin, habe aber scheinbar doch etwas verpasst. Früher war es so, dass man mit dem Lösungswort des Kreuzworträtsels Theaterkarten gewinnen konnte. Und wie geht das jetzt?

AUFLÖSUNG HEFT 05.18

Herzlichen Gruß, H. M. Liebe Frau M., wir haben in der Tat Rätsel und Verlosungen „entkoppelt“. Das Rätsel ist nur noch „für‘n Spaß“, denn wir wollten, dass auch Rätselmuffel gewinnen können. Wir bieten weiterhin tolle Theater-, Kino- und Konzertkarten zur Verlosung an, die stellen uns die Veranstalter zur Verfügung. Die Veranstaltungen finden Sie gekennzeichnet im Kalender, es reicht eine Mail mit dem Betreff „Verlosung“ und dem Wunschtermin. Sonnige Grüße, Susanne Schröder MAIBAUM

45


VERKÄUFERGESCHICHTEN

„Aufgegeben wird nicht“

E

igentlich komme er ja aus Köln. „Den Kölner Dialekt habe ich mir aber direkt abgewöhnt. Da versteht einen ja hier niemand, und alle gucken einen nur fragend an“, erzählt uns Jan grinsend beim Verkäuferfrühstück in bodos Anlaufstelle. Im Ruhrgebiet sei er schon seit über zehn Jahren, bei bodo seit Ende des vorigen Jahres. „Vom Hörensagen kannte ich den Laden hier, dann bin ich irgendwann im Oktober einfach mal hin und hab es ausprobiert. Seitdem bin ich dabei.“

Dass der Job auf der Straße auch harte Seiten hat, weiß jeder, der das Straßenmagazin anbietet. Warum es sich für ihn trotzdem lohnt, bodo zu verkaufen, und warum er sich nicht unterkriegen lässt, hat uns Jan an seinem Verkaufsplatz in Bochum erzählt. Text und Foto: Sebastian Sellhorst

Im Moment laufe der Verkauf ganz gut. Regelmäßig steht Jan auf der Huestraße in der Bochumer Innenstadt. Natürlich gebe es auch schlechte Tage, aber dann müsse man einfach dranbleiben. „Manchmal kann es dir passieren, dass die Menschen auf der Straße einfach durch dich durchschauen.“ Dann denke er immer an die Liedzeile der fantastischen Vier: „Sitzt der Penner in der Ecke, dann sieh ihn dir an. Es könnte ich sein, vielleicht bist du es irgendwann.“ Es liege aber natürlich immer an einem selbst. „Wenn du mit schlechter Laune auf der Straße stehst, dann verkaufst du auch nix. Was natürlich hart ist, ist, wenn Leute, die einen kennen, an einem vorbeigehen, wegschauen und so tun, als würden sie einen nicht sehen, weil sie sich für einen schämen. Da muss man erstmal mit klarkommen“, erzählt Jan. Nach solchen Erlebnissen brauche er dann erstmal eine Stunde Pause. Nach einer Trennung hat Jan zwischenzeitlich immer mal wieder draußen gelebt. Natürlich kenne er alle Anlaufstellen für Menschen ohne eigene Wohnung. „Wenn du dir dann überlegst, ob du dich in ein Zimmer mit sieben anderen

46

Leuten legst, die vielleicht gerade echt schlecht drauf sind, dann kommst du doch schnell zu dem Schluss, dass du dir lieber draußen eine Ecke suchst“, berichtet er von seiner Zeit ohne eigene Wohnung. Mittlerweile wohnt Jan im Bochumer Kolpinghaus. „Da hab ich ein eigenes Zimmer und bin mein eigener Herr. Das ist ganz okay, und mein Nachbar ist sogar ein bodo-Kollege, der in Dortmund verkauft.“ Natürlich sei er zurzeit wie verrückt auf der Suche nach einer eigenen Wohnung, aber in seiner Situation habe man fast keine Chancen. „Das Preissegment, das ich mir leisten kann, ist so dermaßen überlaufen zurzeit, da wird es fast unmöglich, was zu finden. Wenn dann noch ein negativer Schufa-Eintrag dazu kommt, dann hast du richtig schlechte Karten“, erzählt er. Seine letzte Wohnung habe er wegen eines Gefängnisaufenthaltes verloren. Das habe er wegen offener Tickets nach dem Schwarzfahren schon mehrmals hinter sich bringen müssen. „Ich habe einen Schwerbehindertenausweis wegen meiner Beine. Thrombose auf beiden Seiten. Trotzdem keine Gehbehinderung, seltsamerweise, sodass ich nicht umsonst Bahn fahren kann. Wenn du dann deine Strafe nicht bezahlen kannst, hast du irgendwann ein Problem. Dann kommt eins zum anderen, Gerichtskosten, Mahnkosten, Anwaltskosten, und irgendwann sitzt du hinter schwedischen Gardinen. Wenn du dann wieder rauskommst, ist alles weg, Geld, Wohnung, Unterlagen, und du fängst wieder von vorne an. Aber aufgegeben wird nicht.“


Anzeige Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Westliches Westfalen e.V.

Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt

Die 8000-er sind Bergsteigermythos. Da oben wird die Luft dünn. Alle zu besteigen, schafft selten jemand, und manchmal fehlen anschließend ein paar Zehen. Dagegen ist das politische 8000-er-Versprechen, das von den Pflegekräften, die spätestens jetzt in die Heime strömen sollen, nur heiße Luft. Harmlos also. Niemand weiß, woher sie kommen sollen. Dabei fehlen noch viel mehr Mitarbeiter. Die Caritas München rekrutiert deshalb schon auf den Philippinen. Da herrscht Armut, da ist man gern katholisch, und da bildet man über den Bedarf hinaus Pfleger aus. Man nimmt gerne Alleinstehende, denn im reichen München reicht das Einkommen einer Pflegekraft nicht aus, um eine vierköpfige Familie angemessen mit Wohnraum und mehr als trocken Brot zu versorgen. Das ist das Problem. Auch Bayern, sogar Franken, haben den Hang zu Familie und Schmierwurst. Die AWO, nicht ganz so katholisch, könnte in Nordkorea rekrutieren. Mit dem dortigen Fachpersonal, geschult in eher robuster Pflege, ließen sich im Revier ganze Themenheime ausstatten, das „Haus der zupackenden Traktoristin“ in Bochum-Weitmar etwa.

Martin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.

Sie Mitglied Werden auch in der AWO! eder die AWO Je mehr Mitgli hr kann sie in hat, desto me ft bewirken. der Gesellscha en nn sie Mensch Desto eher ka fe brauchen. helfen, die Hil ww.de

Heimische Pflegekräfte fehlen schlicht, so wie bekanntlich auch Lehrer, katholische Priester und Lokführer. Sie müssen erst mal ausgebildet werden. Das kostet Geld, das zum Teil vom Land kommt. Seit 25 Jahren kommt es, zuverlässig in dem Sinne, dass der Landeszuschuss seither nicht erhöht wurde. Jens Spahn sieht Familien als Herz der Pflege. Vorbild könnte das TV-Format „Frauentausch“ sein, in dem sozial Desorientierte aus dem Raum Chemnitz vorübergehend bei Grenzdebilen in Castrop wohnen. So könnte eine 40-jährige Ärztin in Ulm, deren Mutter in Unna lebt, in der Nachbarschaft die Pflege eines Dementen übernehmen, dessen Sohn in Unna arbeitet und umgekehrt. Oder der neue Lokführer nimmt ein paar Rentner mit auf Fahrt. Wozu gibt es denn dieses Bärenticket?

e • www.awo-

w.d info@awo-w

Unterbezirk Dortmund

Unterbezirk Ruhr-Mitte

Unterbezirk Unna

Klosterstraße 8-10 • 44135 Dortmund 0231 - 99 340

Bleichstraße 8 • 44787 Bochum 0234 - 96 47 70

Unnaer Straße 29a • 59174 Kamen 02307 - 91 22 10 47


30. Juni 2018 50 Spielorte | 2.000 Künstler | 1 Ticket www.extraschicht.de

Projektträger:

48

Projektpartner:

Medienpartner:

Förderer:

Premiumpartner:


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.