bodo April 2012

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1.80 Euro April 2012 | 90 Cent für den Verkäufer

bodo Das Straßenmagazin

08 | Klischees vor Kulissen? | Dortmund wird zum »Tatort« 04 | Paul Wallfisch | Meister, Margarita und Botanica 32 | Athens neue Obdachlose | Griechenlands erste Straßenzeitung 21 | 20 Verlosungen | z.B. Rock in den Ruinen, Phoenix West Areal Dortmund

1


02 EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser, wir haben es geschafft. Beziehungsweise: Wir

Aber auch das Engagement der Firmen, Einrich-

werden es geschafft haben. Denn einige Texte in

tungen und Handwerksbetriebe, die uns mit

diesem Heft sind im wahrsten Sinne auf gepackten

Sachspenden und besonders günstigen Angeboten

Umzugskartons entstanden. In den letzten Wochen

weitergeholfen haben, war eine riesige Hilfe. Von

stießen wir auf einiges Kopfschütteln, wenn wir

der Unterstützung unserer Partner, Familien und

unseren Umzugs-Zeitplan erklärten (von dessen

Freunde ganz abgesehen, die tatkräftig angefasst

Finanzierung ganz zu schweigen).

und unsere zusätzliche Abwesenheit mit Fassung

Aus Kostengründen haben wir wirklich den fliegen-

getragen haben.

den Wechsel gewagt und sind in voller Fahrt mit

Wir glauben, einen nachhaltigen Schritt nach vorn

Verwaltung, Redaktion, Buchladen, Online-Shops

gemacht zu haben, und freuen uns riesig auf die

usw. umgezogen.

neuen Arbeitsbedingungen, auf neue Leser, Verkäu-

Während am Schwanenwall fieberhaft Arbeitsplätze

fer, Kunden, Besucher, Nachbarn.

eingerichtet wurden, sorgt unser Transport-Team

Und wie nebenbei ist uns noch ein unserer Meinung

gleichzeitig dafür, dass am Tag der Eröffnung am

nach schönes Heft gelungen, mit Geschichten,

Schwanenwall Büros und Laden am Hafen besenrein

denen eine etwas andere Perspektive gemeinsam

übergeben werden. Wir hoffen, die Punktlandung

ist, Geschichten, die wir so anderswo nicht lesen.

ist einigermaßen gelungen.

Sei es der Blick auf die routinierte Medienmaschine

Naja, so ganz ohne Reibungsverluste geht es natürlich nicht, und so ist sicher das eine oder andere an Arbeit liegengeblieben und vielleicht auch der eine oder andere Anruf ins Leere gelaufen – schließlich haben wir sogar unsere Telefonnummer gewechselt. Dafür bitten wir um Nachsicht.

hinter dem Dortmund-Tatort, ein intimes Porträt des großartigen Paul Wallfisch oder ein Interview mit Chris, der versucht, Athens neuen Obdachlosen eine Perspektive zu geben – mit einer Straßenzeitungs-Neugründung. Wir bedanken uns bei Ihnen für den Kauf der

Wir erwarten viel von unserem neuen Standort, vor allem eine größere Nähe – zu Ihnen, unseren Leserinnen und Lesern und den Buch- und TransportKundInnen, aber auch zu unseren aktuellen und zukünftigen Verkäuferinnen und Verkäufern.

Aprilausgabe des Straßenmagazins – denn Lesen ist Helfen – und wünschen Ihnen eine angenehme Lektüre. Besuchen Sie uns, wenn Sie einmal in der Dortmunder Innenstadt sind, am Schwanenwall. Viele Grüße von bodo, Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de

Herzlich bedanken möchten wir uns bei allen, ohne die dieser Schritt niemals möglich geworden wäre. Wir haben so viel Unterstützung erfahren, allen voran von Spenderinnen und Spendern, die uns in der Weihnachtszeit den finanziellen Anschub gegeben haben, endlich Räume in passender Größe zu beziehen.

IMPRESSUM

2

BODO E.V. – SO ERREICHEN SIE UNS

Herausgeber | Verleger | Redaktion

Autoren dieser Ausgabe:

Redaktions- und Anzeigenschluss:

Verein:

bodos Bücher | Modernes Antiquariat:

bodo e.V.

Bianka Boyke (bb), René Boyke (rb), Alexan-

für die Mai-Ausgabe 10.04.2012

bodo e.V. | als gemeinnützig eingetragen

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

der Greif (ag), Rainer Holl, Wolfgang Kienast

Anzeigen:

im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514

0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20

0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20

(wk), Volker Macke, Maike, Bastian Pütter

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 7

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr

Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.:

(bp), Benedikt von Randow (bvr), Rosi, Dr.

gültig ab 01.03.2009

0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20

Anlaufstelle Dortmund:

Bastian Pütter | redaktion@bodoev.de

Birgit Rumpel (biru), Sebastian Sellhorst (sese)

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bodoev.de | facebook.com/bodoev

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

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Fotos: Claudia Siekarski (S.2,3,4,5,6,7,8,9,

Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

Vorstand:

Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr

Layout und Produktion:

10,12,14,15,16,17,38), Stefan Scheer (S.30),

Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum

Nicole Hölter | Brunhilde Dörscheln |

Anlaufstelle Bochum:

Andre Noll | Büro für Kommunikationsdesign

Sebastian Sellhorst (S.11), Ruhrverband (S.28,

Andre Noll | vorstand@bodoev.de

Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum

0231 – 106 38 31 | info@lookatnoll.de

29,30,31), Reuters/Yannis Behrakis (S.33),

Der Abdruck von Veranstaltungshinweisen ist kos-

Geschäftsleitung | Verwaltung:

Mo., Mi. und Fr. von 14 – 17 Uhr

Veranstaltungskalender:

Archiv Chris Alefantis (S.32), Bianka Boyke (S.12),

tenfrei, aber ohne Gewähr. Für unaufgefordert ein-

Tanja Walter | verein@bodoev.de

Di. und Do. von 10 – 13 Uhr

Benedikt von Randow | redaktion@bodoev.de

Euromayday Ruhr (S.35), pixelio.de (S.18)

gesandte Fotos oder Manuskripte wird keine Haftung

0231 – 950 978 0 | Fax 950 978 20

Spendenkonten:

Anzeigenleitung:

Titelbild: Claudia Siekarski

übernommen. Das Recht auf Kürzung bleibt vorbehal-

Öffentlichkeitsarbeit:

Stadtsparkasse Dortmund

Bastian Pütter | anzeigen@bodoev.de

Zeichnungen + Cartoons: Volker Dornemann

ten. Abdruck und Vervielfältigung von redaktionellen

Bastian Pütter | redaktion@bodoev.de

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unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

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INHALT

02 Editorial | Impressum 04 Menschen Paul

Wallfisch von Dr. Birgit Rumpel

Unser Titelbild der April-Ausgabe:

Paul Wallfisch ist musikalischer Leiter am Schauspiel Dortmund und Band-

Die frischgebackene Dortmunder Tatort-Mannschaft

leader der Rockband Botanica. Vor der Premiere von „Der Meister und Marga-

stellt sich auf Kokerei Hansa vor (s.S.14).

rita“ sprachen wir mit ihm über Glaube, Religion und ein bewegtes Leben.

Foto: Claudia Siekarski

06 Neues von bodo 07 Maikes Verkäufertagebuch 08

Mit Kamera, Spraydosen und Gangster-Rap von Sebastian Sellhorst Aufgeteilt in die drei Workshops Fotografie, Geschichten und Streetart ermutigt das Projekt „Ich sehe was, was du nicht siehst“ Jugendliche aus der Dortmunder Nordstadt, sich künstlerisch mit ihrem Viertel auseinanderzusetzen.

10 Neues von Rosi | von bodo-Verkäuferin Rosi

20 Lesebühne Bordsteinrebellen von Rainer Holl Autor, Automatopoet, Medienkünstler, Poetry-Slammer, Preisträger des LesArt-Preises für junge Literatur 2010 und Mitglied der Dortmunder Lesebühne Schreibgut: Rainer Holl schreibt auch für bodo.

11 Verkäuferporträt Michael von Sebastian Sellhorst

21 Veranstaltungskalender | Verlosungen | CD-Tipps von Benedikt von Randow

Die eigene Lebensgeschichte in einer Zeitung zu erzählen, erfordert eine Menge Mut, besonders wenn diese Biographie nicht nur schöne Seiten hat. Im April macht das Michael, der seit vier Monaten das Straßenmagazin verkauft.

28 Geschichte Die Ruhrstauseen von Wolfgang Kienast Fluss kommt von fließen. Die Ruhr ist 219 Kilometer lang, doch Fließgewässer ist sie eigentlich nur im ersten Drittel. Bei Kilometer 133 beginnt der Rückstau eines Wehres vor Echthausen und von da an bis zur Mündung

12 Recht Inkassokosten von René Boyke

in den Rhein steht der Fluss, der dem Revier den Namen gab, meist sehr

Rechtsanwalt René Boyke erklärt, wann und in welcher Höhe

ruhig in seinem Tal herum; gebremst oder aufgehalten durch rund dreißig

Inkassokosten gerechtfertigt sind.

weitere Wehre, Staustufen und -mauern.

12 Kultur Kultur

konstant mit ohne Kohle von Wolfgang Kienast

32 Das Interview Athens neue Obdachlose von Volker Macke

Ende der 90er Jahre wurde die Künstlergruppe [no-budget-arts] von jun-

Griechenland in der Krise: Arbeitslosengeld gekürzt, Mindestlohn gekappt,

gen, kreativen Menschen gegründet, parallel zu Schule, Zivildienst oder

Steuern angehoben. Tausendfach machen kleine Geschäfte dicht, die Ein-

Universität. Vieles hat sich seit dem verändert.

kaufsstraßen der Viertel werden zu Geisterstraßen. In den Hauseingängen liegen immer mehr ohne Obdach. Eine neue Straßenzeitung will helfen.

13 Wilde Kräuter Brennnessel von Wolfgang Kienast Vom Vogel des Jahres 2012, wie man mit Weidenkätzen Haus und Garten vor Unwettern schützt und mit einem Rezept für leckere Brennnesselklößchen im Wurzelgemüsebett. 14 Die Reportage Dortmund

Volker Macke hat für bodo mit dem Redakteur Chris Alefantis gesprochen. 35 Soziales Euromayday tanzt in den Mai von Bastian Pütter „Die Welt ist voller Reichtum und sie gehört uns allen!“ Zum dritten Mal

wird zum »Tatort« von Bianka Boyke

Bereits vor Monaten wurde öffentlich, dass es einen neuen Tatort aus dem Ruhrgebiet geben wird. Erst wurde Dortmund als Stadt bekannt gegeben, dann ein Teil der Darsteller und Anfang März wurde schließlich das gesamte Team – zunächst unter strengster Geheimhaltung des „vierten Mannes“ – einer großen Pressemeute aus ganz NRW in Dortmund vorgestellt. Journalisten und vor allem Darsteller erwartete ein langer, langer Arbeitstag…

findet im Ruhrgebiet die etwas andre Maidemonstration statt. Diesmal als Bochumer Tanz in den Mai. 36 Literatur Hause gelesen von Wolfgang Kienast Ein Dortmunder Mietshaus ist Hauptfigur im blutigen Roman von DERHANK. 37 Rätsel | von Volker Dornemann 38 bodo geht aus Bullerbüdchen von Alexander Greif

18 Kommentar Alarm! Kriminalität steigt dramatisch! von Bastian Pütter

Ein Ort, an dem man gemeinsam kreativ ist: Im Namen „Bullerbüdchen“

18 News | Skotts Seitenhieb

ven schwedischen Ort nicht zufällig mit.

20 Kinotipp

Martha Marcy May Marlene im endstation.kino

32

38

klingt die heile Welt aus Astrid Lindgrens Kinderbuchreihe über den fikti-

39 Leserseite | Cartoon

04

08

14

3


04 MENSCHEN | von Dr. Birgit Rumpel | Fotos: Claudia Siekarski

Paul Wallfisch Ein Amerikaner in Dortmund Paul Wallfisch ist musikalischer Leiter am

unser Fotoshooting zu inszenieren. Darüber, dass er

ter besuchte er uns in New York und wir lernten

Schauspiel Dortmund und Bandleader der Rock-

sich ohne zu zögern auf der Probebühne in Jesus-

uns näher kennen.“ Danach kam die überraschen-

band Botanica. Vor der Premiere von „Der Meis-

Manier ans Kreuz hängt, sprechen wir später noch.

de Email „Habe jetzt mein eigenes Theater, willst

ter und Margarita“ sprachen wir mit ihm über Glaube, Religion und ein bewegtes Leben.

Du hier auftreten – oder für zwei Jahre nach DortSeit 2010 lebt der 47jährige mit seiner Frau, der

mund kommen?“ Er kam.

Künstlerin Pat Arnao, in Dortmund. SchauspieldiEs ist Montag Nachmittag, die Probe für „Der Meis-

rektor Kay Voges lockte ihn aus New York hierher.

„Dortmund ist nicht gerade schön, aber für mich

ter und Margarita“ ist gerade zu Ende, Paul Wallfisch

„Wir kannten uns aus der Musikszene in Krefeld,

ist es wichtiger, dass ich eine Wohnung und einige

nimmt sich Zeit für uns, hat Spaß daran, sich für

Kay kam oft zu den Auftritten von Botanica, spä-

Plätze habe, wo ich mich wohlfühlen kann“, sagt er, der das Herumziehen seit Kindertagen kennt. Seine Eltern, das Musikerdou Lory und Ernst Wallfisch tourten in den 1950er und 60er Jahren durch die ganze Welt, als Kind begleitete Paul sie oft auf diesen Reisen. Sie hatten sich durch und durch der klassischen Musik des alten Europa verschrieben. „Meine Eltern gehörten zu den letzten Vertretern einer Generation von Hofmusikern aus dem 19. Jahrhundert, sie haben ein ganzes Jahrhundert total verpasst“, stellt er fest. „Sie hatten keine Verbindung zu moderner Musik und Medienkunst.“ Mit vier Jahren erhielt Paul die ersten Klavierstunden, mit zwölf beendete er den Unterricht, spielte aber weiter Klavier. Erst sechs Jahre später nahm er einen neuen Anlauf, um sich intensiv auf die Aufnahmeprüfung für die Musikhochschule in Paris vorzubereiten. Sein Vater war inzwischen verstorben, seiner Mutter, die schon glaubte, alles falsch gemacht zu haben, bereitete sein Plan große Freude. Auch die damalige Liebe zu einer finnischen Harfinistin, die in Paris studierte, hatte Pauls Ehrgeiz beflügelt. Doch schon nach einem Jahr an der École Normale de Musique de Paris gab er das KlavierStudium auf. „Das war nichts für mich. Der falsche Druck in diesem System funktioniert bei Leuten, die zehn Stunden am Tag nur Klavier spielen wollen.“ Für eine klassische Pianisten-Karriere war es sowieso schon zu spät. Diesem einen Jahr in Paris folgten später fünf weitere, die er dort verbrachte. „Ich liebe Paris“, schwärmt er, der in Basel geboren und in Northampton, Massachusetts, aufgewachsen ist. Die Eltern waren nach Pauls Geburt dort sesshaft geworden, auch die Großeltern waren aus Rumänien übergesiedelt und lebten mit im Haus. „Ich bin praktisch von den Großeltern erzogen worden, aber sie hatten oft Streit miteinander, das wäre eine Vorlage für eine TV-Serie“, erinnert er sich und kann heute darüber schmunzeln. In der Familie wird überliefert, dass Vorfahren im 15. Jahrhun-

4


05

dert tatsächlich Walfänger waren, die von der Ost-

Prozent hingeben kann – dem, was man als krea-

unwichtig“, beschreibt er seine Philosophie und

see nach Breslau und später weiter nach Rumänien

tiver Mensch tut oder dem Glauben an Gott oder

sucht dabei immer wieder nach den passenden

zogen. Dort lernte der Vater Pauls Mutter kennen,

der Liebe zwischen Mann und Frau. Kann man alles

deutschen Wörtern. „Mein Glaube ist eher das

„Rumänin mit jüdischen Wurzeln und ein bisschen

drei schaffen, oder nur eins oder zwei davon?“ Da-

Gegenteil von Religion,“ führt er weiter aus, will

Zigeuner“. Anfang der 1950er Jahre konnte das

rum drehten sich viele Diskussionen zwischen ihm

aber nicht als Nihilist verstanden werden. „Der

Paar mit Unterstützung von Yehudi Menuhin in die

und Regisseur Kay Voges. „Kay und ich sind bei-

Zweifel führt zur Diskussion und eher zu Frieden

USA ausreisen – eine filmreife Familiengeschichte.

de extreme und romantische Figuren, es war eine

als eine so genannte Wahrheit, für die Menschen

gute Wahl, das zusammen zu machen.“ Und gern

sich gegenseitig umbringen.“ Diese Überzeugung

„Man hat wohl die Tendenz, zu reproduzieren, was

erwähnt er noch, dass Andrew Lloyd Webber trotz

hat er in dem Song „Kingdom of Doubt“ auf der

man selber kennt“, sagt Paul Wallfisch, dessen Sohn

Millionenetats den Versuch aufgab, Bulgakows Ro-

aktuellen CD zum Theaterstück musikalisch und

das Schweizer Internat besucht, in dem auch Paul

man als Musical auf die Bühne zu bringen.

textlich umgesetzt.

gelernt hat. Auf seine Arbeit trifft das allerdings

Gerade ist das Album „What do you believe in“ mit

Das Album hat er seiner Familie und speziell seiner

überhaupt nicht zu. Der klassischen Musik kehrte

dem Soundtrack zum Stück erschienen. Woran er

Mutter gewidmet. „Sie war eine schwierige Person

er schon früh den Rücken, ohne sie zu verteufeln.

selbst glaubt, ist deshalb die naheliegende Fra-

mit großem Lebenswillen. Aber sie hat Freundschaft

1999 gründete er in Los Angeles die Independent-

ge. Er zieht einen seiner Silberringe vom Finger

und Liebe nicht verstanden, und sie hat nie verstan-

Rockband Botanica, 2009 rief er in einem New Yor-

und liest die Inschrift vor: „A victory a day keeps

den, was ich gemacht habe“, sagt Paul Wallfisch. Da-

ker Club den musikalischen Salon „Small Beast“ ins

suicide away.“ „Ein Triumph täglich schützt vor

bei klingt er nicht verbittert, denn gleichzeitig ist

Leben. Den brachte er 2010 auch mit nach Dort-

Selbstmord“ könnte die freie Übersetzung lau-

er seinen Eltern dankbar für alles, was er von ihnen

mund, Hamburg und Berlin, wo er dieses Format mit

ten, wobei er auch einen gefundenen Parkplatz

bekommen hat. Erst in den Monaten vor ihrem Tod,

Musikern der freien Szene regelmäßig auflegt.

oder einen leckeren Kaffee durchaus als Triumph

im September 2011, hatte Paul wieder intensiven

ein Jahr seiner Kindheit verbrachte und Deutsch

ansieht. „Ich bin Atheist. Ich glaube an Schön-

Kontakt zur schwerkranken Mutter. „Sie hat ihren

In der aktuellen Spielzeit am Theater Dortmund ist

heit. An Schönheit, Liebe und Hass. Und Lei-

Tod wohl absichtlich auf meinen Geburtstag gelegt,

„Der Meister und Margarita“ nach dem Roman von

denschaft“, zählt er auf. „Und an die Unendlich-

das gibt eine schöne Symmetrie.“ (biru)

Michail Bulgakow das größte Projekt für Paul Wall-

keit des Universums, daran glaube ich wirklich.

fisch und Botanica. „Es ist eine Liebesgeschichte,

Das ist sehr schwer, denn je mehr man darüber

eine Komödie und eine satirische Geschichte über

nachdenkt, umso kleiner wird der Mensch. Jeder

INFO

die Sowjetunion“, beschreibt Wallfisch den Roman.

Moment ist unglaublich wichtig, aber das eige-

„Der Meister und Margarita“ am Schauspiel Dortmund

„Und es geht um die Frage, ob man sich zu hundert

ne Leben ist für das Universum insgesamt total

bodo verlost Karten für den 28. April (s.S.21) 5


06

NEUES VON BODO | www.bodoev.de | www.facebook.com/bodoev

bodo ist für Sie da montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr

Alles neu bei bodo 1: Adresse und Öffnungszeiten

Alles neu bei bodo 2: Rufnummern und Beratung

unter dieser zentralen Rufnummer: 0231 – 950 978 0 Mail: info@bodoev.de | Fax: 0231 – 950 978 20

Geschäftsleitung Tanja Walter verein@bodoev.de

Ab sofort hat bodo eine neue Adresse und neue

Während die MitarbeiterInnen im Buchbereich

Verwaltung

Öffnungszeiten. Am Schwanenwall 36 – 38 (zwi-

und unsere Auszubildenden ihre Arbeitsplätze

Brigitte Cordes

schen Drobs und Reinoldinum) finden Sie unser

im Erdgeschoss haben, teilen sich die anderen

info@bodoev.de

neues Ladenlokal, das an sechs Tagen in der Woche

Hauptamtlichen bei bodo die Büroetage im ers-

geöffnet ist: Mo bis Fr 10 – 18 Uhr, Sa 10 – 14 Uhr.

ten Obergeschoss.

Hier warten 10.000 gute, gebrauchte Bücher – Ro-

Über dem Buchladen befinden sich Verwaltung und

mane, Krimis, Fach- und Kinderbücher – und ein

Geschäftsführung, die Redaktion des Straßenmaga-

Regal mit Krimi-Neuware aus dem grafit-Verlag auf

zins sowie Platz für Beratung und Vertrieb. In un-

Leserinnen und Leser. Ebenfalls im Erdgeschoss: Un-

serem „Konferenzraum“ trifft sich morgens unser

sere Sortier- und Onlinearbeitsplätze. Wir nehmen

Transport-Team. Dreimal in der Woche gibt es dort

Ihre Buchspenden entgegen und schaffen Stellen

unser Verkäufercafé, es werden Fragen und Probleme

mit dem Sortieren, Bewerten und dem Online- und

der VerkäuferInnen des Straßenmagazins geklärt,

Ladenverkauf von Büchern.

Beratungstermine vergeben, Verkaufsplätze verteilt

Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit Bastian Pütter redaktion@bodoev.de

Vertrieb

und neue Verkaufsausweise ausgestellt.

Oliver Philipp

Im Buchladen findet auch die Zeitungsausgabe an

vertrieb@bodoev.de

die Verkäuferinnen und Verkäufer des Straßenmaga-

Wenn Sie Fragen zu unserer Arbeit, Sachspenden

zins statt. Gerne nehmen wir auch ihre Sachspenden

oder Aufträge für unser Transport-Team haben, ru-

(Kleidung, Hausrat) entgegen. Vorerst werden wir

fen Sie uns an. Sie erreichen uns hier mindestens zu

keinen neuen Second-Hand-Laden eröffnen, sondern

den Büro(kern)zeiten von Mo – Fr zwischen 9 und

bodos Bücher

Sachspenden in erster Linie dazu nutzen, den Bedarf

16 Uhr. Unsere neue zentrale Rufnummer (auch für

Suzanne Präkelt

unserer VerkäuferInnen und der KlientInnen unserer

Bochumer AnruferInnen) lautet: 0231 – 950 978 0.

buch@bodoev.de

Kooperationspartner zu decken. Außerdem wird bodo

Unsere Email-Adressen haben sich nicht geändert.

weiterhin auf Antik- und Trödelmärkten aktiv sein.

bodos Bücher Online Gordon Smith

Weitere Informationen finden Sie auf unserer In-

Unser Buch-Team freut sich auf Ihren Besuch. Mehr

ternetseite und täglich frisch bei Facebook: www.

auf www.bodoev.de.

facebook.com/bodoev

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basar@bodoev.de

Transporte und Haushaltsauflösungen

bodo schafft Chancen

Michael Tipp transport@bodoev.de

Sachspenden und Second-Hand-Märkte Brunhilde Dörscheln troedel@bodoev.de Oder Sie besuchen uns: Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

Haushaltsauflösungen Transporte und Umzugshilfen

Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr Stühmeyerstraße 33 | 44787 Bochum Mo., Mi. u. Fr. 14 – 17 Uhr

6 Di. u. Do. 10 – 13 Uhr

transport@bodoev.de | 0231 – 950 978 0


MAIKES VERKÄUFERTAGEBUCH

07

Ev. Georgs-Gemeinde: Crashtest Nordstadt: bodo-Verkäufer als „Checker“? 2.000 Euro Spende für bodo

Maikes Rückblick auf den Februar Liebes Tagebuch, wenn diese sibirische Kälte nicht wäre… Ach, was soll’s. Lest selbst, was alles passiert ist.

Mit dem Ziel, bestehende Regeln des klassischen

Das Café-Team der Ev. Georgs-Kirchengemeinde

3. Februar

Theaters aufzuheben und den Zuschauer selbst

Dortmund, Bezirk Sölde, hat für bodo gesammelt.

Diese Kälte hat schon viele Tote gebracht.

zum Akteur zu machen, startet das Schauspiel Dortmund das Projekt „Crashtest Nordstadt“.

Auf einer Vielzahl von Gemeindeveranstaltungen von Kirchenmusik über Kabarett bis zu Kinderthe-

Regisseur Jörg Lukas Matthaei und Dramaturg Mi-

ater erzielten die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen

chael Eickhoff machen die Besucher ihres „Games“

und Mitarbeiter aus Sölde Erlöse für bodo.

zu Ware, die verschoben und bewertet wird, um so die Logik und Gesetze dieses spannenden Viertels erfahrbar zu machen.

Insgesamt kamen 2.000 Euro zusammen, mit denen die Gemeinde Umbau- und Renovierungsarbeiten am

Denn die Menschen, die bei dieser Kälte zu Tode gekommen sind, waren nur auf leichte Kälte eingestellt gewesen. Wenn die Kälte nicht wäre, wäre die A45 schon fertig. Man hat echt keine Kraft, bodos zu verkaufen. Die Kälte jagt einen wieder rein.

neuen Vereinssitz unterstützt. „Wir bewundern vor al-

6. Februar

Teil dieses Stadtteil-Parcours sind Nordstadtbewoh-

lem den großen persönlichen Einsatz des Café-Teams“,

Na endlich, die A45 ist wieder offen für den

ner, die als „Checker“ und in anderen Rollen mit den

bedankte sich bodo-Chefin Tanja Walter. „Die große

Straßenverkehr. Zwar mit Tempobeschrän-

Theaterbesuchern interagieren und so das Bild „ih-

Summe von 2.000 Euro ist in vielen, vielen Stunden

kung, aber Hauptsache, der Verkehr rollt.

rer“ Nordstadt transportieren. Und wer wäre besser

ehrenamtlicher Arbeit zusammengekommen. Dieses

Und das Wetter ist nicht so gemütlich,

geeignet, als Verkäufer auf der Straße aufzutreten,

Engagement wissen wir besonders zu schätzen.“

wie man’s haben möchte. Ich bin heute zu

als Verkäufer des Straßenmagazins?

Tanja Walter nahm gemeinsam mit Suzanne Präkelt,

Hause geblieben – nach dem Motto: „Dann wird eben weniger verkauft.“

So waren Theaterpädagoge Till Staufer und Regis-

die das Buchprojekt des Vereins leitet, die Spende

seur Jörg Lukas Matthaei bei uns zu Gast, um unse-

entgegen. Die Gemeindemitglieder Ulrich Böttcher,

10. Februar

ren Verkäufern das Projekt vorzustellen. Wie viele

Silvia Nehring, Bernd Ruhnau und Dirk Schmiedes-

Heute war ich wieder in Huckarde, bodo

davon letztendlich zur Premiere dabei sind, ist noch

kamp führten die beiden im Anschluss durch die

verkaufen. Dadurch, dass es noch so kalt

unklar, aber beim ersten gemeinsamen Workshop

neuen Räume.

ist, habe ich nur die halbe Schicht gefah-

hatten wir schon eine Menge Spaß. Nach der Reihe „Stadt ohne Geld“ in der letzten Spielzeit ist „Crashtest Nordstadt“ bereits die zweite Kooperation mit dem Schauspiel Dortmund.

Wir bedanken uns an dieser Stelle herzlich bei allen Unterstützern und Spendern, die den Umzug, aber auch unsere Arbeit insgesamt erst möglich machen!

ren. Anschließend habe ich mit einer Bekannten einen schönen Tag verlebt.

13. Februar Hätte nicht Weihnachten Schnee liegen

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können? Stattdessen liegt er heute. Und was passierte: Zeitungsverkauf konnte ich genauso vergessen wie meine Einkäufe. Auf eines freue ich mich aber schon: Wenn unsere neue Geschäftsstelle fertig und der Eröffnungstag da ist.

20. Februar Rosenmontag! Helau, Alaaf usw. Habe heute Morgen beim Bekannten den Rosenmontagszug im Fernsehen geschaut.

29. Februar Alle Geburtstagskinder, die am 29.02. Geburtstag haben: Herzlichen Glückwunsch. Lasst euch am 31.03. im neuen Bücherbasar überraschen. Eure Bodoline, Maike

www.bodoev.de 7


08

8


STRASSENLEBEN | von Sebastian Sellhorst | Fotos: Claudia Siekarski

09

Mit Kamera, Spraydosen und Gangster-Rap Jugendliche aus der Dortmunder Nordstadt stellen ihren Stadtteil vor „Hier passiert so viel, ich muss einfach nur aus dem Fenster schauen und schon kann ich anfangen zu rappen“, sagt Gregg. Zusammen mit seinen Mitmusikern Ahmet und Alvin nimmt der Rapper am Ausstellungsprojekt „Ich sehe was, was du nicht siehst“ in der Dortmunder Nordstadt teil. Doch da wird nicht nur gerappt, sondern auch geschrieben, fotografiert und gesprayt. Aufgeteilt in die drei Workshops Fotografie, Geschichten und Streetart will das Projekt die Sicht der Jugendlichen auf ihren Stadtteil in den Mittelpunkt stellen, sie ermutigen, sich künstlerisch mit ihrem Viertel auseinanderzusetzen und so ihr Bild von der Dortmunder Nordstadt an andere weiterzugeben. „Wir wollen die Jugendlichen dazu bringen, ihre eigenen Geschichten zu erzählen“, sagt Barbara Underberg. Die Journalistin lebt selbst in der Nordstadt und hat das Projekt zusammen mit der Fotografin und Künstlerin Iris Wolf ins Leben gerufen. „Geschichten gibt es hier genug. Die liegen quasi auf der Straße“, weiß Gregg, mit bürgerlichem Namen Gregorius Korhanidis (Foto 2. v. links). Zusammen mit zwei Freunden macht der 19jährige Musik in der und über die Dortmunder Nordstadt. Seine Leidenschaft gilt dem „Freestylen“, dem improvisierten Sprechgesang ohne vorbereitete Texte. Für die Bässe und Rhythmen des Trios ist Ahmet (Foto links) zuständig. Unter dem Künstlernamen Cognac, zu dem ihn seine türkische Heimatstadt Konya inspirierte, ist er nun schon seit über sieben Jahren als DJ tätig. Der Dritte im Bunde ist Alvin (Foto rechts), der seine Texte und seine Musik unter dem Synonym „Slyte“ veröffentlicht. Fast täglich treffen sich die drei im Treffpunkt Stollenpark, einem Jugendzentrum mitten in Dortmunds Nordstadt. Dort haben sie ihr Studio, in dem sie regelmäßig an neuen Songs arbeiten, die sie dann unter ihrem gemeinsamen Label „Bulls Records“ veröffentlichen. Während Ahmet berufstätig ist und Alvin noch zur Schule geht, konzentriert sich Gregorius mittlerweile ausschließlich auf seine Musikkarriere. Zurzeit arbeiten die Drei an Aufnahmen, mit denen sie sich in Zukunft auch an größere Plattenfirmen wenden wollen. „Ursprünglich wollten wir erst gar nicht bei dem Projekt mitmachen, aber dann hat mich Barbara angesprochen, als ich gerade vor der Tür vor mich hin rappte“, erzählt Gregg. So wurde der Bereich der Geschichten und Texte kurzerhand um Hiphop und Rap erweitert. „Gerade diese Spontanität und eine gewisse Unplanbarkeit macht für mich den Reiz eines solchen Projektes aus“, sagt Barbara Underberg.

9


10

NEUES VON ROSI | von bodo-Verkäuferin Rosi

Als dann während des Einstiegsworkshops der „Nordstadt Song“ des Dortmunder Musikers Boris Gott gespielt und den Jugendlichen vorgeschlagen wurde, den Künstler zu seinem Umgang mit der Nordstadt zu interviewen, meldeten sich die drei Rapper zu Wort: „Den wollen wir nicht interviewen, mit dem wollen wir Musik machen“. Schnell entstanden die ersten Beats. Noch schneller die ersten Textzeilen, aus dem Stegreif reimte Gregg drauflos. Trotz unterschiedlicher musikalischer Herkunft gelang die Zusammenarbeit sofort. Liebe Leserinnen und Leser, „Es hat von Anfang an eine Menge Spaß gemacht, und ich konnte mich auch selbst noch mal ein gutes Stück erweitern“, so Boris Gott, dessen Song „Nordstadt“ als Grundlage für die musikalische Zusammenarbeit diente und im Rahmen des Projektes völlig neu interpretiert wurde. Doch nicht nur die drei Rapper versuchen sich an der Darstellung – auch der Außendarstellung – ihres Viertels. Neben dem Musikprojekt waren 20 Jugendliche zu Gast im Dortmunder Rathaus und interviewten Oberbürgermeister Ulrich Sierau. Während einige Jugendliche sich darauf konzentrierten, dem Oberbürgermeister Fragen zur Nordstadt zu stellen, waren andere unter der Anleitung von

heute ist der 4. März. Es ist ein wunderschöner Tag, nur regnet es etwas. Wie Sie sicher auch bemerkt haben, konnten wir schon etwas Frühlingsluft einatmen. An die Wärme habe ich mich schon wieder richtig gewöhnt. Am Samstag, den 3. März war es aber doch nochmal ganz schön kühl. Ich hatte sogar kalte Hände.

Iris Wolf damit beschäftigt,

Neulich habe ich einen sehr guten

Fotos der Veranstaltung zu

Bericht über Bettler in Tierkostümen

machen. Ein weiterer Ausflug

gelesen. Überall in der Region sind

führte die Jugendlichen in die

Menschen als Tiere verkleidet in den

Wache Nord, wo ihnen Jürgen

Fußgängerzonen unterwegs. Viele von

Jäger von der Dortmunder

ihnen sollen Frauen sein. Sie sind als

Polizei im Interview Rede und

Affen, Pandabären und andere Tiere

Antwort stand.

verkleidet. Abends werden sie dann wieder eingesammelt und nach Hause

Als wir auf der Suche nach einer

gefahren. Diese Leute tun mir sehr leid

passenden Foto-Kulisse durch

wie sie da so den ganzen Tag in der Käl-

die Nordstadt spazieren, erzäh-

te durchhalten müssen.

len Ahmet und Gregg von ihrer Jugend in der Nordstadt. „Damals war alles noch viel dreckiger, dafür gab es aber noch nicht die ganzen ,Fußballspielen verboten‘-Schilder“, schwelgt Ahmet in Erinnerungen. So einiges habe sich in den letzten Jahren verändert, die Drogenszene am Nordmarkt sei verschwunden, viel „Action“ gäbe es trotzdem noch auf den Straßen. „Wohl fühlen wir uns hier trotzdem. Wir sind halt Kinder der Nordstadt, bereits in anderen Stadtteilen fühle ich mich irgendwie fremd“, erzählt Gregg. „Trotzdem ist das mein Zuhause, mein Leben, ich würde für diese Gegend alles geben“, heißt es in einer Textpassage ihres neuen Songs. Das Leben in der Nordstadt mit all seinen guten und schlechten Seiten ist immer wieder Thema in den Texten der jungen Musiker. Sowohl schwierige Themen wie Prostitution als auch die schönen Seiten der Nordstadt wie das multikulturelle Zusammenleben

Jetzt zu einem anderen Thema. Mein zweites Auge wurde nun auch operiert. Ich hatte große Angst, weil die Operation auf einen 13. fiel. Aber es verlief alles wunderbar. Die Operation dauerte nur zehn Minuten. Die Vorbereitung dauert nur länger wegen der Tropfen. So, nun ist das auch überstanden. Ich kann wieder richtig sehen und das ist wichtig.

in Dortmunds Norden werden von den jungen Musikern thematisiert. Meist sprechen sie dabei eine

Wie gefällt Ihnen die neue bodo? Viele

sehr deutliche Sprache, doch immer haben sie in ihren Songs Raum für alle Aspekte, die das Leben

Kundinnen und Kunden sind begeis-

in der Nordstadt mitbringt.

tert. Sie sagen, dass sie jetzt sehr gerne die bodo lesen. Sie habe sich sehr

Der dritte große Themenbereich des Projektes ist Streetart. Auch in Form von selbst gestalteten

verbessert und das freut uns. Jeder von

Graffiti und Bildern sollen die unterschiedlichen Seiten der Nordstadt transportiert werden. Unter

uns versucht, sein Bestes zu geben, da-

Anleitung eines professionellen Grafikers arbeiteten die Jugendlichen an großen Würfeln, auf denen

mit die Zeitung noch besser wird. Für

sie mit viel bunter Farbe ihre Beobachtungen und Erlebnisse zur Nordstadt künstlerisch umsetzten.

dieses Lob sagen wir Danke an alle Leserinnen und Leser. Außerdem möchte

Präsentiert werden die Exponate und Ergebnisse der unterschiedlichen Workshops ab dem 27. April

ich mich für die Geschenke, die man

für vier Wochen ausgerechnet im noblen RWE-Tower in Dortmunds Innenstadt. „Dass wir es mit

mir zukommen ließ, bedanken.

unserer Ausstellung über die Bahnlinie geschafft haben, freut mich besonders. Nur so können wir Leuten, die vielleicht nicht jeden Tag in der Nordstadt sind, zeigen, was es hier alles Spannendes gibt“, freut sich Barbara Underberg auf die Vernissage. Dort werden auch Gregg, Cognac und Slyte erstmals ihren neuen Song einer breiten Öffentlichkeit präsentieren.

10

Jetzt wünsche ich mir, dass der Frühling nun richtig einzieht und es endlich wärmer wird. Dann macht der Verkauf auch mehr Spaß.

INFO

Ich verabschiede mich wie immer und

Aktuelle Neuigkeiten und weitere Bilder zu dem Projekt gibt es unter www.wasdunichtsiehst.de

wünsche Ihnen allen ein schönes Os-

bodo wird die Vernissage im April besuchen und auf www.bodoev.de berichten

terfest und vor allem schönes Wetter. Ihre Rosi.


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VERKÄUFERPORTRÄT | protokolliert von Sebastian Sellhorst | Foto: Sebastian Sellhorst

Die eigene Lebensgeschichte in einer Zeitung

versuche ich langsam mein Leben wieder in den

zu erzählen erfordert eine Menge Mut, beson-

Griff zu bekommen. Eine eigene Wohnung habe

ders, wenn die eigene Biographie nicht nur

ich zwar noch nicht wieder, aber gesundheitlich

schöne Seiten hat. Umso mehr freuen wir uns,

geht es mir schon sehr viel besser. Ich habe zwar

wenn neue bodo-Verkäufer uns das Vertrauen

noch immer mit Diabetes und Bluthochdruck zu

entgegenbringen und uns erzählen, wie sie zu

kämpfen, aber rein psychisch bin ich im Moment

uns gefunden haben. Diesen Monat macht das

auf einem guten Weg der Besserung. Nicht zuletzt

Michael, der seit vier Monaten das Straßenma-

auch dank bodo.

gazin verkauft. Zum bodo-Verkauf kam ich über einen anderen VerGeboren bin ich 1977 in Duisburg. Meinen Vater

käufer. Nachdem ich mir meinen Kollegen angese-

habe ich nie kennengelernt, meine Mutter war al-

hen hatte, wie der Verkauf so läuft, habe ich mir

koholkrank. So bin ich fast nur in Heimen aufge-

gedacht, ich könnte es doch auch mal versuchen.

wachsen. Zuerst war ich in der Rehabilitationsein-

Der erste Tag war noch etwas ungewohnt, aber nach

richtung „Maria in der Drucht“, einer Einrichtung

relativ kurzer Zeit lief es schon richtig gut mit dem

für psychisch kranke Jugendliche, danach noch in

Verkauf, und mir wurde klar, dass ich bei bodo erst

vielen anderen Einrichtungen und Kinderheimen.

mal richtig bin. Und so bin ich jetzt seit vier Mona-

Damals war ich noch ein ganz anderer Mensch. Ich

ten bodo-Verkäufer.

bin mit meinen Mitmenschen oft aneinander geraten und war sehr leicht reizbar. Das ist aber mitt-

Besonders wichtig ist mir der Kontakt zu meinen

lerweile ganz anders.

Kunden. Viele Leute bleiben kurz stehen und quat-

»Besonders wichtig sind mir meine Kunden« Nach meiner Zeit in den Heimen habe ich in einer

schen ein bisschen. Manche wollen wissen, was in

Wenn es dann so weit ist, klappt es vielleicht auch

Werkstatt für Menschen mit Behinderungen gear-

der aktuellen Ausgabe steht, andere fragen mich

wieder mit einem richtigen Job. Zur Not wieder in

beitet. Dort habe ich Pokale zusammengebaut. In

einfach nur, wie es mir geht. Diese kleinen Gesprä-

einer Werkstatt oder irgendwo als Ein-Euro-Jobber.

der Zeit habe ich in unterschiedlichen Einrichtun-

che finde ich super. Die helfen mir immer über den

Aber bei bodo bleibe ich auf jeden Fall erstmal, auch

gen des betreuten Wohnens gewohnt. Hatte auch

Tag. Seit ich das mache, sind auch meine Psychosen

wenn ich wieder eine Wohnung habe. Meine Stamm-

zeitweise eine eigene Wohnung, aber das hat

sehr viel besser geworden.

kunden wollen schließlich ihre Zeitung. (sese)

nicht wirklich gut funktioniert. Es gab zu viele alltägliche Dinge, die mich damals überforderten

Zurzeit wohne ich noch zusammen mit meiner

und die mir einfach nicht gelingen wollten. Schon

Freundin bei meinem Bruder. Das ist streckenweise

das Führen eines Haushaltes oder der Weg zu den

ganz schön eng. Aber besser als auf der Straße zu

Seit 16 Jahren gehören das Straßenmagazin und seine Ver-

unterschiedlichen Ämtern überforderte mich zu

sitzen. Als Nächstes möchte ich aber auch wieder

käufer zum Straßenbild in Bochum, Dortmund und Umgebung.

der Zeit.

in mein eigenes Reich. Im Moment funktioniert das

Viele haben feste Verkaufsplätze und einen eigenen Kunden-

Michael, Dortmund-Hörde

finanziell noch nicht. Aber ich bin optimistisch,

stamm. Manche sind schon seit Jahren bei uns, andere nur

Rückblickend war das eine ganz schön schlimme

dass ich das im Laufe der nächsten Monate gere-

auf der Durchreise. Für alle jedoch ist der Verkauf des Stra-

Zeit. Aber mittlerweile bin ich in psychiatrischer

gelt bekomme. Die eigenen vier Wände sind schon

ßenmagazins eine Arbeit, die Halt gibt und Selbstbewusstsein

Behandlung und es geht mir sehr viel besser. Jetzt

etwas Besonderes.

schafft. bodo stellt regelmäßig einen Verkäufer vor.

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Kerstin Schraft – Ergotherapie am Bethanien

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RECHT | von Rechtsanwalt René Boyke

Inkassokosten: Wann darf was verlangt werden?

KULTUR | von Wolfgang Kienast | Foto: Claudia Siekarski

Kultur konstant mit ohne Kohle Phase drei bei [no-budget-arts] in Bochum

Wer schon einmal eine Rechnung und die darauf folgende Mahnung etwas zu lang hat liegen

Karl-Lange-Straße, Hausnummer 53. Moana Köh-

tel ihrer Biografie als Künstler und Kulturanbieter

lassen, der kennt das Phänomen: Ein Inkas-

ring und Daniel Nipshagen sitzen entspannt in

begonnen. Nipshagen erinnert sich an die Anfän-

sounternehmen treibt die Forderung ein und

ihrem Büro auf dem Gelände des Kleingewerbe-

ge. Ende der 90er Jahre wurde die Künstlergruppe

verlangt zusätzlich Gebühren für die Eintrei-

gebiets in unmittelbarer Nähe zum Bochumer

[no-budget-arts] von jungen, kreativen Menschen

bung – gerne mit Verweis auf noch höhere Kos-

Stadion. Künstler haben sich hier niedergelas-

gegründet, parallel zu Schule, Zivildienst oder Uni-

ten, die bei weiteren Zahlungsverweigerungen

sen, Handwerker und eine Kampfsportschule.

versität. „Gemeinsam sind wir stärker” lautete das

entstünden. Das ist der richtige Zeitpunkt, um

Vis-à-vis befinden sich ein Friedhof und die

unverändert gültige Motto nahezu aller Newcomer.

sich die Kostenaufstellung des Inkassounter-

Justizvollzugsanstalt. Die vielgestaltige Nach-

nehmens ganz genau anzuschauen.

barschaft gefällt den beiden führenden Köpfe

Dürfen die Inkassokosten überhaupt verlangt werden? Dies ist grundsätzlich nur dann der

sich wohl. Man sieht es auf den ersten Blick.

Geld. Jeder half jedem. Autoren schrieben Drehbücher für Filmer, Musiker Songs für Regisseure. Alle machten Party. Die ersten öffentlichen Auf-

Fall, wenn Sie im Verzug sind. Verzug liegt bei

Vor etwas mehr als einem Jahr haben sie das neue

tritte waren sensationell erfolgreich, sind Legen-

Verbrauchern aber nicht gleich bei jeder Zah-

Domizil bezogen und damit ein nächstes Kapi-

de in der Geschichte des Bochumer Undergrounds.

lungsverspätung vor, sondern grundsätzlich nur, wenn erstens die Zahlungsfrist abgelaufen und zweitens erfolglos gemahnt worden ist. Das heißt: Wer unmittelbar nach der Rechnung bereits eine Mahnung mit Inkassogebühren erhält, muss diese Gebühren nicht zahlen, da noch kein Verzug vorliegt. Lediglich Mahngebühren in Höhe von ca. fünf Euro wären gerechtfertigt. Weiterhin müssen Inkassokosten nicht ersetzt werden, wenn Sie vor Beauftragung des Inkassounternehmens berechtigte Einwände gegen die Forderung vortragen und ganz eindeutig zu erkennen geben, dass Sie daher auf keinen Fall zahlen werden. Denn damit wäre die Inkassoeintreibung sinnlos. Aber in welcher Höhe dürfen Inkassokosten verlangt werden? Oft werden solche Kosten, die alternativ für einen Rechtsanwalt angefallen wären, von Gerichten als angemessen erachtet. Ein Beispiel: Schuldet man noch einen Betrag bis 300 Euro, dann dürfen Inkassogebühren in Höhe von 53,55 Euro verlangt werden. Bis 600 Euro sind es dann 96,39 Euro. Alles, was darüber liegt, sollte kritisch hinterfragt werden. Wer Forderungen geltend macht, der hat außerdem

eine

„Schadensminderungspflicht“.

Erscheinen Ihnen die Kosten künstlich aufgeblasen, so liegt möglicherweise ein Verstoß gegen diese Schadensminderungspflicht vor. Dann haben Sie die Möglichkeit, gerichtlich feststellen zu lassen, dass die Inkassogebühren um den Betrag X überhöht sind. Auf so eine Klage will sich kein Gläubiger einlassen. Mit dieser Verhandlungsposition haben Sie daher gute Chancen, nun die gesamte Forderung wieder erheblich nach unten zu verhandeln. (rb) www.kanzlei-boyke.de

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der Kulturinitiative no-budget-arts. Sie fühlen

Wie immer, wenn mehr Ideen vorhanden sind als


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WILDE KRÄUTER | von Wolfgang Kienast

Jeweils vierstellige Besucherzahlen konnten das „Kaufhaus des Westens” im damals leerstehenden

wildkraeuter.bodo/16_brennnessel/

Union-Kino und der „Bundespresseball” in der kurz zuvor geräumten Brinkmann-Filiale verzeichnen. Interne Grabenkämpfe allerdings blieben nicht aus. Um langfristig gemeinsame Ziele zu formulieren, war die Gruppe zu inkohärent, die Fluktuation entsprechend hoch. Durchsetzen sollte sich eine Fraktion, die unter anderem einen Verein gründen und ein festes Quartier beziehen wollte, um organisatorisch optimiert arbeiten zu können. No-budget-arts bezog den Bunker am Springerplatz (und war damit über Jahre direkter Nachbar von bodo in Bochum).

Jedes Jahr im Frühling kroch unsere

hatte, die zumindest an übernatürliche

Großmutter mit geschnittenen Weide-

Kräfte grenzte, wie wir fanden.

kätzchenzweigen in die vier Ecken unseres Gartens, steckte sie über Kreuz in den Boden, murmelte ein paar Sprüche und Haus und Garten waren für das Jahr gegen Blitz, Hagel und weitere Unwetter geschützt. Die Reiser hatte sie zuvor, an Palmsonntag, in der Kirche segnen lassen. Für uns Kinder war dieses Ritual um eini-

Ein Name für den Ort war schnell gefunden: bastion.

ges spannender als alles, was sich sonst

„Dort begann die zweite Phase von no-budget-arts.

und überhaupt um die Kirche abspielte.

Wir waren in erster Linie als Veranstalter aktiv”, sagt

Zauberei zieht immer. Legierungen aus

Nipshagen rückblickend. „Unsere Philosophie war,

Christlichem und Heidnischem, wie sie

Kultur so oft es geht zu einem sehr günstigen Preis

gerade zur Osterzeit offen zu Tage treten,

anzubieten, und das bei möglichst professionellen Be-

finde ich heute noch bemerkenswert.

dingungen für die auftretenden Künstler.” „Und irgendwann ist man dann ausgebrannt”, ergänzt Köhring. „Wir betrieben Selbstausbeutung weit jenseits der Grenzen des Vernünftigen.” Der Veranstaltungsbetrieb wurde 2007 eingestellt.

Wir bedauerten, dass die Großmutter mit Ausnahme der Palmzweige hinsichtlich magischer Praktiken sehr prosaisch eingestellt war. Knoblauch half bei ihr nicht gegen Vampire, weil es Vampire nicht

2010/11 erfolgte der Umzug an die Karl-Lange-Stra-

gab, Schafe waren ihr keine Glücksbrin-

ße. Damit wurde Phase drei eingeläutet. Auch die

ger, schwarze Katzen, Windröschen oder

neuen Räume, in denen sich viele Elemente aus der

Dohlen kündeten kein Unheil an.

Bunker-Zeit finden lassen, können privat angemietet

Die Kombi von Kind und Spinat ist ein heikles Unterfangen. Auch wir schoben lieber Hunger, als grünen Matsch zu löffeln. Etwas anderes war es, wenn sie Spinat aus Nesselblättern kochte. In freier Natur mieden wir jeden Kontakt mit dem fiesen Kraut, sie aber erntete es, Respekt, und bereitete ein Essen, das keine Pusteln an Lippe und Gaumen brachte. Zunächst skeptisch, aßen wir fasziniert, vergaßen für einen Tag unsere Aversion gegenüber jeglicher Art von Spinat. Inzwischen weiß ich, dass die Brennnessel, von der es im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens heißt, ein Gericht aus am Gründonnerstag gesammelten Blättern beuge Geldmangel vor, beinahe zu schade ist, „nur” verkocht zu werden. Mein Vorschlag, versuchen Sie Brennnesselklößchen im Wurzelgemüsebett: 75 g junge Brennnesselblätter und -triebe waschen, 5 Minuten köcheln, aus-

Die Dohle, ein sauschlaues Vogelvieh,

drücken und fein hacken. Mit 75 g Mehl,

dem auch Konrad Lorenz etliche Ergebnis-

1 EL geriebenem Parmesan, etwas Salz,

se seiner Verhaltensforschung verdankt,

weißem Pfeffer, geriebener Muskatnuss

machte der NABU zum Vogel des Jahres

und ggf. etwas Wasser zu einem Teig

2012. Die Kür des Kormorans (2010) hatte

kneten. Kirschgroße Klößchen formen

einen erbittert geführten Glaubenskrieg

und in heißem Wasser ziehen lassen. Sie

mit den Fischereiverbänden nach sich

sind gar, wenn sie an die Oberfläche stei-

In erster Linie aber soll die zu oft vernachlässigte

gezogen. Nach dem unproblematischen

gen. Dann 2 Möhren und 2 Pastinaken in

eigene künstlerische Arbeit wieder Raum bekom-

Gartenrotschwanz im vergangenen Jahr

Scheiben schneiden und 10 Minuten im

men. Im Jahr 2007 hatten Köhring und Nipshagen als

also erneut ein Vogel, über den diverse

Dämpfer garen. 1 Zwiebel würfeln, in Öl

„Teenage Angst Ensemble“ ihre multimediale Perfor-

Vorurteile im Umlauf sind. Der Kulturfol-

und Butter anschwitzen. Das Gemüse zu-

mance „Die Lichtung“ auf die Bühne gebracht. Die

ger, dessen Lebensraum in Städten und

geben, salzen, pfeffern (schwarz), noch

Inszenierung, die eher assoziativ als narrativ unter-

Dörfern durch Sanierungsmaßnahmen an

3 Minuten sautieren und mit dem Saft ei-

hält, wurde gut angenommen. „Auf ganzer Linie über-

Gebäuden immer enger wird, steht noch

ner Zitrone ablöschen. In einer gebutter-

zeugend”, urteilte Deutschlandradio Kultur. Mit „Das

heute bei abergläubischen Menschen

ten Auflaufform Klößchen und Gemüse

Haus” kann das Ensemble endlich den lang geplanten

im Ruf, die Pest und andere schlimme

mischen, reichlich geriebenen Parmesan

Nachfolger präsentieren. Erneut wird der „geheim-

Krankheiten zu übertragen. Mumpitz, das

über das Gericht streuen und bei etwa

nisvolle Ermittler” mit einem mysteriösen Fall kon-

wusste auch Großmut-

200 Grad 15 Minuten überbacken.

frontiert. „Es stimmt, wir haben eine gewisse Lust an

ter, die dann doch

dunklen Themen. Das mag nicht immer leicht zu kon-

noch eine Sa-

sumieren sein. Wir wünschen uns, dass die Leute mit

che

werden. Öffentliche Veranstaltungen finden wieder statt – aber nur sehr selten. Zeit, Geld und Lust müssen vorhanden sein. Wenn alles stimmt, soll der Eintritt frei sein. „Das wollen wir ganz bewusst aus allen wirtschaftlichen Zusammenhängen losgelöst halten”, erklärt Nipshagen.

Guten Appetit. (wk)

drauf

dem Gefühl nach Hause gehen ,das war jetzt heftig, hat aber auch Spaß gemacht‘. Wobei ,Spaß‘ in diesem Zusammenhang doch ein komischer Begriff ist.” „Das Haus” wurde bereits für das offizielle Rahmenprogramm der diesjährigen Dokumenta nach Kassel eingeladen. (wk)

INFO „Das Haus“, Dienstag, 3. April, 20 Uhr Sissikingkong, Landwehrstr. 17, Dortmund

13


14 DIE REPORTAGE | von Bianka Boyke | Fotos: Claudia Siekarski

»So ein Elend habe ich noch nirgendwo gesehen!« Der Countdown läuft weiter. Bereits vor Monaten wurde öfentlich, dass es einen neuen Tatort aus dem Ruhrgebiet geben wird. Erst wurde Dortmund als Stadt bekannt gegeben, dann ein Teil der Darsteller, und Anfang März wurde schließlich das gesamte Team – zunächst unter strengster Geheimhaltung des „vierten Mannes“ – einer großen Pressemeute aus ganz NRW in Dortmund vorgestellt. Journalisten und vor allem Darsteller erwartete ein langer, langer Arbeitstag…

09:15 h Ich nähere mich vom Nordausgang dem Hauptbahnhof. Jetzt muss „Willkommen in Dortmund“. Das

ich mich beeilen. Claudia, unsere Fotografin, wartet schon auf mich. Um

erste Shooting startet direkt am

9.30 Uhr soll die Pressekonferenz auf dem Bahnhofsvorplatz beginnen.

Dortmunder Hauptbahnhof.

Als ich ankomme, ist sie schon in vollem Gange: Dunkle Menschentrauben bewegen sich langsam immer wieder hin und her, verfolgen eifrig den künftigen Tatort-Hautkommissar Jörg Hartmann alias Peter Faber. Zwischen all den Kamerateams, Reportern und Fotografen kann ich Claudia zunächst gar nicht entdecken. Wie ihre rund 30 (!) Fotografen-Kollegen wird sie gerade von WDR-Fernsehspielchef Professor Gebhard Henke instruiert: „Zuerst können Sie gleich Fotos von Herrn Hartmann und Frau Schudt hier am Hauptbahnhof machen (Fotomotiv 1: Willkommen in Dortmund). Ich werde vor den Fotografen, der dran ist, ein weißes Blatt halten.“ Es dauert lange, bis der Tatort-Koordinator den Tagesablauf mit all seinen Regeln erklärt hat. Alles ist durchorganisiert. Die ersten Kollegen sind genervt. Dabei macht zum Beispiel der weiße Zettel durchaus Sinn. Denn auch die Schauspieler sind informiert und schauen immer ganz brav Richtung weißer Zettel – nach links, nach rechts, nach oben, nach unten. Bitte lächeln, jetzt mal ernst oder auch ganz eng aneinander gekuschelt („Herr Hartmann, jetzt mal richtig ran an die Frauen!“). Gemischte Reaktionen bei den vorbeiziehenden Dortmundern: Während sich vor allem die älteren Damen freuen, dass Jörg Hartmann noch bes-

14


15

Klischees vor Kulissen? Dortmund wird zum »Tatort«

ser aussieht als in den Zeitschriften, und ihre Männer bemerken, dass Frau Schudt aber auch „ne ganz Hübsche“ sei, ärgern sich die jüngeren Passanten über die vielen Menschen, die „unbedingt vor der Ampel rumstehen müssen.“

10:00 h Ein Doppeldecker hält vor dem Hbf. Wir sollen einsteigen. Noch sind wir im Zeitplan. „Fotografen nach oben!“, fordert ein WDR-Mitarbeiter barsch. Unten sitzen die Darsteller und während der Busfahrt werden weitere Interviews geführt. „Blitzlicht würde stören!“

Einweisung am Set „Das neue Dortmund“. WDR-Fernsehspielchef

10:05 h Auf zum ersten Halt: Phoenixsee. Vom Bahnhof geht es zunächst

Professor Gebhard Henke ist Medi-

über den Wall, dann über die B1 Richtung Schüren. Schüren? Schuld

enprofi und sagt an, wo‘s lang geht.

ist „das ominöse Internet“. Es hat dem Kölner Busfahrer eine falsche Straße ausgespuckt. Als einige Kollegen auf dem Umweg über Aplerbeck am Schloss Rodenberg glauben, am Ziel zu sein, haben die Dortmunder natürlich ihren Spaß.

10:35 h Ankunft. Wir hinken 15 Minuten hinterher. 15 Minuten, die Aylin Tezel, die dritte Darstellerin, gemeinsam mit zwei Dortmunder Polizisten beim „Fotomotiv 2: Das neue Dortmund“ gewartet hat. Locker begrüßt sie die Meute, die aus dem Bus hinunter zum See strömt. Die Fotografen sind begeistert: „Habt ihr diese Grübchen gesehen?“, schwärmen die männlichen Kollegen. Keine Zeit für derartige Gefühlsausbrüche. Professor Henke mahnt etwas zur Eile, stellt Schauspieler und Fotografen an ihre Plätze: „Burg im Hintergrund, Darsteller davor, Polizisten in die Wagentüren, bitte. Und: Mützen auf. Erst die Kollegen mit Teleskop, dann die übrigen.“ Der WDR hat Erfahrung mit solchen Terminen, weiß die Pressemeute zu bändigen und verlorene Schafe immer wieder schnell einzufangen. Die Darsteller werden nicht aus den Augen gelassen. Der Zeitplan ist eng, Interviews kommen später.

15


16

»Keine Zeit!« Wir hinken 15 Minuten hinterher.

11:00 h Auf dem kurzen Weg zum Bus versuchen Kamerateams, Fotografen und Reporter die Darsteller dennoch abzufangen, um ein paar exklusive Bilder und O-Töne zu erhaschen. Verständlich, aber „keine Zeit“. An der Kokerei Hansa (Fotomotiv 3: Dortmund – Stadt mit Industriegeschichte“) wartet er schon: „Der vierte Mann“. Den ganzen Morgen haben wir alle gerätselt. Was ist, wenn „Der vierte Mann“ ganz feierlich enthüllt wird und keiner ihn erkennt? Während Rund dreißig Fotografen kommen bei der mehrstündigen Tatort-Reise voll auf ihre Kosten. Motive satt!

der Busfahrt erfahren wir ein paar Details: „Er ist jung, Jahrgang 80, hat in ,Knallhart' mitgespielt, … und heißt Stefan Konarske.“ „Gonaske?“ „Nein. K-O-N-A-R-S-K-E.“ „Danke.“ Schnell holen die Kollegen ihre Handys aus den Taschen, suchen im Internet eifrig nach Bildern und rufen die Redaktionen an. Kaum jemand scheint den Nachwuchsschauspieler zu kennen. Schade. Mit dem großen Geheimnis, das der WDR um den Berliner machte, hat man dem vierten Tatort-Kommissar leider keinen Gefallen getan. Die im Vorhinein von vielen Kollegen angemeldeten Interviews werden teilweise abgesagt. Die Erwartungen wurden wohl zu hoch geschraubt. Als Stefan Konarske sich an der Kokerei Hansa schließlich einfach unter die Meute mischt, statt offiziell vorgestellt zu werden, ist die Spannung gänzlich verflogen. Da stehen sie nun vor ihrem ersten Tatort: die vier neuen Gesetzeshüter Dortmunds. Der prominente Jörg Hartmann, Bühnen-Profi Anna Schudt, Nachwuchstalent Aylin Tezel und der fröhliche Weltenbummler Stefan Konarske. Sie passen gut zusammen. Weiter geht es – zum Hardenberg-City-Center. Dort warten nicht nur Getränke und ein kleines Buffet – natürlich mit Currywurst – auf die hungrigen Darsteller und Journalisten, sondern auch ein weiteres Fotoshooting mit anschließendem Pressegespräch und Einzelinterviews. Weitere fünf (!) Stunden Marathon – vor allem für die Darsteller.

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»Herr Hartmann, jetzt mal richtig ran an die Frauen!«

12:30 h Nach einem weiteren Fotoshooting (Fotomotiv 4: Über den Dächern von Dortmund) beginnt das Pressegespräch. WDR-Intendantin Monika Piel, Ullrich Sierau, Polizei-Chef Norbert Wesseler, Professor Gebhard Henke, Produzentin Sonja Goslicki, Redakteur Frank Tönsmann sowie Drehbuchautor Jürgen Werner und Regisseur Thomas Jauch kommen zu Wort. Sie freuen sich alle gemeinsam und hoffen – zumindest die Dortmunder – auf Authentizität und wenig Klischees. Wird hier das erste Mordopfer

Ohnehin scheint das Wort „Klischee“ das meistgesagte des Tages. In jedem

gefunden? Die Kokerei Hansa als

Interview müssen Darsteller und Macher Rede und Antwort stehen. Doch

Kulisse für das Fotomotiv „Stadt

liest man die Rollenbeschreibung des Polizeioberkommissars Daniel Kossik

mit Industriegeschichte“.

(Stefan Konarske), ist das auch nicht weiter verwunderlich. Dort heißt es u.a.: „Anfang Dreißig. Stehplatz-Dauerkarte beim BVB, Hütte in der Laubenkolonie, Vater war unter Tage, der Bruder arbeitsloser Grubenarbeiter...“. Und über Polizeioberkommissarin und Deutsch-Türkin Nora Dalay (Aylin Tezel) steht in der Pressemappe: „Wohnt seit Jahren in der Dortmunder Nordstadt und kämpft dort für bessere Lebensbedingungen.“ „Also: Wird im Dortmunder Tatort nur mit Klischees gespielt, oder wollen Sie ein authentisches Dortmund präsentieren“, fragen wir den Münchner Regisseur Thomas Jauch, der inzwischen in Hamburg lebt: „Ich habe mich bereits am Borsigplatz umgeschaut, und da muss ich die Geschichten gar nicht erfinden. Sie liegen auf der Straße. So ein Elend habe ich noch nirgendwo gesehen. Aber es gibt ja auch schöne Orte wie den Phönix-See oder den Signal-Iduna-Park.“ (bb)

INFO Die Arbeit am Tatort Dortmund beginnt gleich mit zwei Fällen: Ab Mitte März stehen die Schauspieler für „Alter Ego“ vor der Kamera. Direkt im Anschluss starten die Dreharbeiten für „Mein Revier“. Zwei Tatort-Folgen pro Jahr werden künftig gedreht. Die TV-Premiere ist für Herbst 2012 geplant.

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DER KOMMENTAR | von Bastian Pütter

Alarm! Kriminalität steigt dramatisch!

NEWS | von Alexander Greif

Zwangsarbeit: Ausstellung in Dortmund

Kulturloge Ruhr: Tickets für Bedürftige

Armut weltweit: „Explore Poverty“ in der DASA

Die Welt ist schlecht und es wird immer

Bis zum 30. März gastierte die Wan-

Kultur auch für sozial Benachtei-

Armut weltweit – In Kooperation

schlimmer – so wird seit ihrer Erfindung auf

derausstellung „Zwangsarbeit. Die

ligte. Mit diesem Ziel nahm die

mit renommierten Museen in Hel-

Verbrechensstatistiken reagiert, zuletzt auf

Deutschen, die Zwangsarbeiter und

Kulturloge Ruhr mit Sitz in Essen

sinki, Minnesota und Luxemburg

Dortmunds Polizeiliche Kriminalstatistik

der Krieg“ im Industriemuseum Ze-

im Jahr 2010 ihre Arbeit auf. Das

hat die Deutsche Arbeitsschutz-

(PKS) für das Jahr 2011.

che Zollern in Dortmund. Gezeigt

Prinzip hinter dieser Einrichtung

ausstellung DASA eine interak-

wurden zeitgenössische Dokumen-

ist ähnlich dem der Tafel-Organi-

tive Online-Ausstellung namens

te, Fotografien und insbesondere

sationen: Einrichtungen aus dem

„Explore Poverty“ initiiert. Dem

Interviews mit Zeitzeugen. Mit

Bereich Kultur, beispielsweise

Internet-User wird hier anhand

der Zeche Zollern wurde die Aus-

Kinos, Konzerthaus oder Theater,

von 150 Bildern, Videos und Ob-

stellung zudem an einem Ort ge-

spenden nicht verkaufte Tickets

jekten aus den letzten drei Jahr-

zeigt, der selbst Schauplatz dieses

an die Kulturloge. Diese werden

hunderten der Begriff der Armut

Verbrechens gewesen ist. Initiiert

dann an bedürftige Interessen-

erläutert, dies kostenlos und mit

von der Stiftung EVZ, die sich mit

ten, deren Vorlieben und Wün-

besonderem Augenmerk auf die

der Aufarbeitung von Zwangsarbeit

sche zuvor erfasst wurden, ver-

verschiedenen Ausprägungen von

Unstrittig ist: es gibt eine deutliche Zunah-

unter dem NS-Regime beschäftigt,

mittelt. Die Idee dafür stammt

Armut in verschiedenen gesell-

me von „reisender Eigentumskriminalität“

und erarbeitet von der Stiftung

aus Marburg und verbreitete sich

schaftlichen Kontexten weltweit.

durch Gruppen, die gezielt Einbruchsdelikte

Gedenkstätten Buchenwald und

rapide über die ganze Republik.

Aufgebaut ist die Seite wie eine

begehen. Und es gibt bei Diebstahldelikten

Mittelbau-Dora, sollen mit der

Auch in Bochum und Dortmund

digitale Fotowand, über die man

vor allem aus PKW einen deutlichen Anstieg.

Ausstellung das ganze Ausmaß

wächst die Zahl an Kulturpart-

mit der Maus navigieren kann.

Alles andere in der PKS bedarf der Deutung.

dieses Verbrechens dargestellt und

nern stetig: So haben unlängst

Zehn Leitfragen ordnen die viel-

die Opfer und ihre Hinterbliebenen

der Bahnhof Langendreer und

fältigen

gewürdigt werden. Dabei machte

das Bergbaumuseum in Bochum

und geben Anstöße, sich wei-

die Ausstellung bereits im Jüdi-

sowie in Dortmund das domicil,

tergehend mit dem Thema Armut

schen Museum Berlin und, zum

das Konzerthaus und das Haren-

zu beschäftigen. Die Inhalte der

70. Jahrestag des Überfalls auf

berg City Center ihre Unterstüt-

Seite können von allen Nutzern

die Sowjetunion, in Moskau Stati-

zung zugesagt. bodo ist gerne

über Facebook und Twitter geteilt

on. Interessierte können auf www.

Kooperationspartner und gibt

werden, zudem können Institu-

ausstellung-zwangsarbeit.org sowie

dieses Angebot an seine Verkäu-

tionen mit Interesse kostenlos

im Begleitband einen Teil der Ex-

fer weiter.

selbst Inhalte zu der Ausstellung

2011 war das Jahr, in dem Dortmund die „Ekelhäuser“ erfand, in dem „Bulgarenbanden“ einfielen und in dem der Untergang des Abendlandes nur durch Straßenprostitutionsverbot und „Taskforce Nordstadt“ abgewendet werden konnte. Eigentlich Grund genug, um nach den Verbindungen von polizeilicher, gefühlter und berichteter Wirklichkeit zu fragen.

Der Anstieg von über 63 Prozent (!) bei „Beförderungserschleichungen“ heißt nicht, dass es einen einzigen Schwarzfahrer mehr gibt, sondern dass die Verkehrsbetriebe groß in Überwachung investieren. Ähnliches gilt für Rauschgiftdelikte, die um verblüffende 20 Prozent stiegen. Würden nur morgen früh flächendeckend Durchsuchungen aller Schülerinnen und Schüler durchgeführt, könnte die nächste PKS einen Anstieg

ponate ansehen.

um mehrere Hundert Prozent melden: Bei den Kontrolldelikten erscheint Kriminalität vollends gemacht. Ihre Verfolgung erzeugt statistisch Kriminalität. In der Nordstadt konnte jeder sehen, wie die „Taskforce“ erst die Drogenszene ignorierte und stattdessen mit aggressivem Kontrolldruck die Bulgaren von der Straße vertrieb (und dabei Delikte sammelte). Als das erledigt war, gerieten Dealer und Umschlagplätze wie Cafés und Kioske in den Fokus. Nicht deren Zahl hatte sich geändert, sondern die der Ordnungshüter mit Zeit. Apropos: Das Verbot der Straßenprostitution führte zu einem Anstieg der Sexualdelikte um 57 Prozent. Auch das Erfinden neuer Delikte macht Kriminalität. Dies und viel mehr steht in der PKS. In der Zeitung steht: „Fast 10 Prozent mehr Straf-

18

taten“. (bp)

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LESEBUEHNE

20 LESEBÜHNE | von Rainer Holl

KINOTIPP | von endstation.kino

Vom Papier vor‘s Mikrofon auf´s Papier. In unserer Kolumne präsentieren wir Texte der lebendigen Poetry-Slam- und Lesebühnenszene der Region. Diesmal: Rainer Holl.

Bordsteinrebellen

endstation.kino & bodo präsentieren: Martha Marcy May Marlene Martha ist ihr Taufname, Marcy May wird sie in der Landkommune genannt, die einen alternativen Lebensentwurf zum bürgerlichen Le-

Aus den tiefen Wirren der Straßenschluchten | verworrene Wege verknotet und

ben pflegt, der allerdings streng hierarchisch

eng umschlungen um Häuser gebunden, | da klettert es langsam zu mir herauf |

geregelt ist und dessen Idylle trügt. Anfüh-

ist erst ganz leise – und dann ganz laut. | Dumpf wummernde, stumpf häm-

rer Patrick, so charismatisch wie bedrohlich

mernde, stumm stampfende... | Erinnerungen an weit entfernte Tage.

wirkend, hat überdurchschnittlich viele junge

Es wird wieder Zeit – rufst du | Zeit auszuufern, zu zweit ein bisschen Streit

Frauen unter seinen Anhänger-Innen.

zu suchen | In den tiefen Wirren der Straßenschluchten | Wo auf verworrenem Wege ein Freund nach dir ruft: „Komm raus, mein Freund, und spiel mit mir, | Komm raus und spiel mit mir ein Spiel. | Es heißt Bordsteinrebellen.“ Wir verlassen die begrenzte Welt der Dielenböden, | Unsere Häuser sind nur Winterhöhlen in denen wir uns verstecken. | Doch ab jetzt da balancieren wir behäbig über Bordsteinkanten | wanken wacker, leicht betrunken, torkelnd durch die Straßen | tanzen Limbo unter Schranken, weils verboten ist und Spaß macht. Doch zunächst mal müssen wir trinken | Denn wer nicht trinkt mein Freund der stirbt | Drum lass uns eine Bude finden | Bevors die Laune uns verdirbt | Und wir ziehen von Bude zu Bude zu Bude | Sind Bruder und Schwester im Geiste | Es ist wie ein – buddhistischer Kreuzzug.

Als Martha nach zwei Jahren der plötzlichen Abwesenheit wieder bei ihrer Familie auftaucht und von ihrer älteren Schwester Lucy und ihrem Mann Ted aufgenommen wird,

Und so schweben wir dem Kiosk entgegen | Rufen – Gib uns all dein Bier! | Denn

kommen diese erst Stück für Stück dahinter,

wir sind Bordsteinrebellen, und retten die Welt. | – Zumindest so ein bisschen – |

wo und wie Martha gelebt hat, bis sie ge-

Also sei uns behilflich, sei man netten | und gib uns so ein zwei Kistchen.

flohen ist. Fest steht, dass sie Verstörendes

Bewaffnet mit ein bisschen zu viel Übermut | aber definitiv zu viel Bier ziehen wir los in die Schlacht | Trotten Träge über den Trottoir und sind einfach nur da | Wir sind da – und ja man soll uns sehn | wie wir stolz durch die Straßen ziehen | über den lauwarmen, tauarmen Teer.

erlebt haben muss und sich in dem abgelegenen Haus der beiden immer noch bedroht fühlt. Dazu kommt, dass sie mit Teds bürgerlicher Sichtweise nicht klarkommt. Die Spannungen steigen, Marthas Traumatisierung

Wir verzehren uns, zerren uns gegenseitig durch die Welt | die scheinbar nichts

zeigt sich mehr und mehr, ihre Erinnerungen

mehr zusammen hält außer dieses Licht welches wir so vermisst haben | Wir

brechen in die Gegenwart ein.

tapezieren die Wände der Stadt mit der Sonne | Und beginnen den Kampf um ein schattiges Plätzchen im Park.

Für seinen Regie- und Autoren-Erstling wurde Sean Durkin nicht nur mit dem Preis für

Es ist Frühling und wir sind auf der Straße | Wir spielen Bordsteinrebellen –

die beste Regie beim Sundance Filmfestival,

Weil Rebellen die beißen nicht. | Schauen blinzelnd zur Sonne und im gleißen-

sondern auch mit einer begeisterten US-Kri-

den Frühlingslicht | klettert es langsam zu uns herab.

tik und vielen Best-of-2011-Platzierungen

In die tiefen Wirren der Straßenschluchten | wo wir durch verworrene Wege verknotet | und eng umschlungen um Häuser gebunden, | ein Gedicht über unsere Liebe summen | erst ganz leise – und dann ganz laut.

belohnt. In Cannes erhielt der Film den Prix de la Jeunesse für sein scharfsinnig konstruiertes und elegant inszeniertes Psychothriller-Kunstwerk. Der Filmtitel ist durch die

„Frühling bläst einen lauen Beat | Wieder flattern durch die Lüfte; | Süße,

Songs Jackson C. Franks inspiriert, dessen

wohlbekannte Düfte | Streifen ahnungsvoll das Land. | Ein Liedchen, träum ich

bewegende Musik den Film begleitet.

| Werde bald schon kommen. | Horch, von fern ein leiser Ton! | Frühling, ja Du bist ‘s! | Dich hab’ ich vernommen!“

Do 12.04. bis Mi 18.04. um 19.15 Uhr Do 19.04. bis Mi 25.04. um 21 Uhr (außer So 22.04. und Mo 23.04.)

INFO

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Rainer Holl ist Autor, Automatopoet, Medienkünstler, Poetry-

Endstation Kino im Bahnhof Langendreer

Slammer, Preisträger des LesArt-Preises für junge Literatur

Wallbaumweg 108, 44894 Bochum

2010 und Mitglied der Dortmunder Lesebühne Schreibgut.

Telefon 0234 – 68 71 620

www.automatopoesie.de

www.endstation-kino.de


VERANSTALTUNGEN APRIL 2012 | VERLOSUNGEN | CD-TIPPS | zusammengestellt von Benedikt von Randow

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Rock in den Ruinen mit Saxon, Phillip Boa, Killing Joke u.a. Samstag, 28. April ab 12 Uhr Phoenix West Areal Dortmund bodo verlost 3 x 2 Karten

Auch diesmal gibt es wieder Karten für tolle Veranstaltungen und Bücher zu gewinnen. Senden Sie uns eine Email mit dem Betreff „bodo-Verlosung“ und der Angabe Ihres Wunschgewinns an: redaktion@bodoev.de Oder schicken Sie uns eine frankierte Postkarte mit Ihrem Wunsch, Absender und Telefonnummer an: bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund Unter allen Emails und eingesandten Postkarten entscheidet das Losverfahren. Alle Gewinner werden rechtzeitig telefonisch oder per Email benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Einsendeschluss für Veranstaltungen ist jeweils zwei Werktage vor dem Termin. Einsendeschluss für terminunabhängige Verlosungen ist der 25.4.2012 23.04. | Tucson Songs on Tour | FZW, Dortmund | 3 x 2 Karten 24.04. | Movits! | Bahnhof Langendreer, Bochum | 3 x 2 Karten 27.04. | Drei Worte nur... | Theater im Depot, Dortmund | 3 x 2 Karten 28.04. | Rock in den Ruinen | Phoenix West, Dortmund, 3 x 2 Karten 28.04. | Der Meister und Margarita | Schauspielhaus, Dortmund | 3 x 2 Karten 12. – 25.04. | Martha Marcy May Marlene | endstation.kino, Bochum | 1 x 2 Karten Hause | DERHANK | 3 Exemplare Bullerbüdchen | Hattinger Straße 80, 44789 Bochum | Ein großes Frühstück für zwei mit Kaffee und einer Piccolo-Flasche Sekt

Viel Glück, wünscht Ihr bodo-Team!

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22 VERANSTALTUNGEN APRIL 2012

SO 01 | 04 | 12 Musik | Nina Hagen Ihr erstes deutschsprachiges Album seit 1995, ergänzt um die großen Erfolge von einst („Auf’m Bahnhof Zoo“, „TV-Glotzer“, „Unbeschreiblich weiblich„), bringt Nina Hagen nun wieder auf die Bühne. Und wer jemals das Glück hatte, die schräg-

01 | 04 | 12 Nina Hagen

05 | 04 | 12 Carole King. Queen Of The Beach

geniale Musikerin live zu erleben, weiß, dass das immer ein extravagantes Erlebnis ist. „Volksbeat“ heißt ihre aktuelle Platte mit Songs und Texten von Wolf Biermann, Bertolt Brecht, Bob Dylan und Martin Luther King. „Die Scheibe ist 70s-lastig, beeinflusst von

DO 05 | 04 | 12 Lesung | Oliver Uschmann

Theater | Carole King. Queen Of The Beach Ihre Songs kennen wir alle, doch kaum jemand kennt ihren Namen. Zusammen mit ihrem Mann, dem Texter Ger-

der Musik, die mich schon damals inspiriert hat zum

Outdooraktivisten und Überlebenskünstler wissen es na-

ry Goffin, schrieb Carole King Musikgeschichte: Lieder

Zusammenhalt, zur Solidarität mit allen anderen Men-

türlich schon längst: Wer da draußen, in freier Wildbahn

wie „Natural Woman“, „Will you love me tomorrow“ und

schen, die auch in Frieden und Freiheit leben wollen“,

nicht untergehen will, der muss die Wildnis verstehen.

„You’ve got a friend“ stammen aus ihrer Feder und blei-

betont Nina Hagen (56), die vor 25 Jahren übrigens

Dass diese Einsicht auch dort gilt, wo die Wildnis nur ein

ben wie Kings spätere LP „Tapestry“ unvergesslich. Erst

auch ein Ufo über Malibu gesehen haben soll.

Reservat ist, ein kontrollierter Ausnahmezustand, be-

17 Jahre war sie alt, als sie auf dem College in Brooklyn

Zeche, Bochum, 20 Uhr

weist Oliver Uschmann mit seinem neuen Buch „Überle-

begann, Songs zu komponieren. Dort traf sie Gerry Goffin

ben auf Festivals“. Uschmann weiß, worüber er schreibt.

und das junge Paar wurde zu einem der erfolgreichsten

Lange Jahre hat er als Musikjournalist (u.a. für VISIONS)

Songwriter-Duos der 1960er Jahre. Das Paar Katharina

gearbeitet. In der Parallelwelt Musik-Festival kennt er

Linder und Michael Sideris wird die Lieder der beiden neu

sich aus wie in der eigenen Westentasche. Er weiß um

interpretieren und als bitter-süße Geschichte über die

Was tun, wenn es aus ist? Zu den zeitlosen Ritualen, sich

die eigenen Gesetze, die dort herrschen, kennt die Ri-

Liebe und das Leben erzählen.

vom Geliebten zu lösen, gehört der Abschiedsbrief – ein

tuale und ist in der Lage, nachvollziehbar zu erklären,

Kammerspiele, Bochum, 19.30 Uhr (auch 20.04.)

Klassiker seines Genres, so alt wie die Liebe selbst. Sibylle

wie Besucher und Musiker zu Gattungen werden, die ein

Berg hat quer durch die Zeiten solche Briefe von Frauen

neugieriger Erforscher des Urwalds auf Zeit beobachten

gesammelt. Die vielseitige Schauspielerin Hannelore Ho-

und kategorisieren kann.

ger ist zu Gast in den Kammerspielen und liest gefühlvoll

Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr

DI 03 | 04 | 12 Lesung | Und ich dachte, es sei Liebe

Kleinkunst | Die Tagebücher von Adam und Eva „Was Gott gebunden, das soll der Mensch nicht tren-

und verzweifelt, sarkastisch und sanft die Worte aus Wut und Trauer, bangender tiefer Liebe und Hoffnung. Die Le-

MO 09 | 04 | 12

Musik | Hannes Weyland

nen“, lautet ein altes Sprichwort. Allerdings hat sich

sung begleitet musikalisch der Pianist Siegfried Gerlich.

„Blutjunges Landei mit Gitarre strandet an seinem ers-

die Spezies Mensch noch nie sonderlich an Gottes Ge-

Kammerspiele, Bochum, 20 Uhr

ten Großstadt-Abend in der Hafenkneipe.“ So fangen

bote gehalten. Sorgfältig getrennt in die Gattungen

eigentlich eher tragische Geschichten an. Für Hannes

„Mann“ und „Frau“ banden sich diese trotz des Gebotes.

Weyland aber war jener erste Abend im subrosa der Be-

So nahm das Elend seinen Lauf. Und wir als die Nach-

ginn einer wunderbaren Freundschaft zur Nordstadt-Mu-

fahren Adam und Evas stehen erschrocken in unseren

sikszene. Nach vielen Auftritten dort und einer eigenen

Leben herum und fragen ratlos: Was ist damals wohl

Singer-Songwriter Morgan Finlay ist ein weltoffener Mu-

Konzertreihe, dem Bonsai-Festival „3-klang“, kommt

passiert? Endlich gibt es auf diese Frage eine Antwort:

siker mit kanadischen Wurzeln. Mit poetisch starken Tex-

Hannes Weyland nun sozusagen wieder nach Hause: Mit

Die Tagebücher von Adam und Eva. Das Original, er-

ten und seinem vielschichtigen Indie-Rock begeistert er

dem Release-Konzert zu seinem Debüt-Album samt neuer

funden und entdeckt von Mark Twain höchstpersönlich.

Fans europaweit. Seine Stimme, oft verglichen mit Bruce

Band und Claudia Rudek, Murat Kayi & Guntmar Feuer-

Vorgetragen wird dieses Zeugnis von ebenfalls lebens-

Cockburn oder Jeff Buckley, wird ergänzt durch die mu-

stein. Mit einer vollkommenen Unbefangenheit lässt der

erfahrenen Interpretinnen: Tirzah Haase, Schauspiele-

sikalischen Talente von Gitarrist Dean Drouillard, Cellist

eigentlich in der Rapmusik verwurzelte Songwriter Asso-

rin und Sängerin, sowie Uta Rotermund, Kabarettistin,

Mike Olsen und Bassist Marlow Holder.

ziationen zum Folkpop der 70er Jahre zu.

Schauspielerin und Autorin.

Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr

Subrosa, Dortmund, 19.30 Uhr

Fletch Bizzel, Dortmund, 15 Uhr

MI 04 | 04 | 12 Musik | Morgan Finlay

CD-TIPP

VIOLETTA PARISINI | Open Secrets (Emarcy / Universal) Die österreichische Musikerin Violetta Parisini gehört zu den starken Frauen, die ihre Stimme nicht einem dicken Housebeat unterwerfen und von einem Rapper anpeitschen lassen. Hier wird leicht artifiziell, aber trotzdem poppig, wenig ausgeschmückt einer Art Singer-Songwriter-Musik gefrönt, die man vielleicht als NuPop bezeichnen könnte. Künstlerinnen wie Soko, Lisa Mitchell, Boy und Eliza Doolittle kann man da durchaus vergleichend erwähnen. Violetta Parisini unterwirft sich nicht dem Perfektions-Diktat, sondern macht einfach ihre Musik und erzählt darüber, was ihr am Herzen liegt: „Wir müssen alle toll ausschauen, funktionieren, gesellschaftsfähig und im Idealfall auch glücklich sein. Ich weiß, mich macht Musik glücklich. Trauer, Depression und Wut muss ich ausdrücken, bevor es wieder gut wird. Mit Musik geht das am besten.“ Dabei setzt sie nicht auf überbordende musikalische Arrangements, sondern auf Klarheit und Einfachheit. Im Zentrum stehen auf ihrem zweiten Album das Klavier und ihre Stimme irgendwo zwischen Gesang und Poetry-Slam, die ebenso sanft wie rau klingen kann. Und textlich geht es der 31jährigen Autodidaktin um das Streben und die Sehnsucht nach dem ganz individuellen Glück. Wer sucht das nicht? (BvR) 22


05 | 04 | 12 Oliver Uschmann

10 | 04 | 12 Rocky Votolato

19 | 04 | 12 La Kinky Beat

DI 10 | 04 | 12

noch die Raubtierfangkleidung angezogen, und schon

er aufgewachsen ist. Und Charlie, Sandkastenfreundin

beginnt die Jagd. Der Abenteurer Rüdiger Sommerwind

und Jugendliebe. Keine Frau kennt Stefan so gut –

Musik | Rocky Votolato

steht in direktem Dialog mit seinen Zuschauern und

und wegen keiner Frau ist er so viele Jahre einem Ort

Rocky Votolato - er trägt einen Namen, der fast zu künst-

nicht nur die daraus entstehende Situationskomik über-

ferngeblieben.

lich klingt, um wahr zu sein. Besonders für eine Person,

zeugt. Darüber hinaus überrascht auch das wandelbare

Werkstadt, Witten, 20 Uhr

die aus einem texanischen Nest mit 650 Einwohnern

Bühnenbild. Blitzschnell wird aus der schlichten Kiste

stammt. Doch er ist wahr - was uns zwei Dinge über Ro-

der Bahnhof, die Eisenbahn, der Urwald oder das Flug-

cky Votolato verrät: Seine italienischen Wurzeln und die

zeug. Ein Theaterstück für Kinder ab 4 Jahren.

La Kinky Beat sind wohl die zurzeit innovativste

Originalität seines Vaters, der bei seiner Geburt 1978 auf

HalloDu-Theater, Bochum, 16 Uhr

Band Barcelonas. Mit ihrem besonderen Stil und ihrer

einer Ranch arbeitet und ein begeisterter Motorradfahrer ist. Seine Musik bewegt sich im entspannten Americana-Songwriter, das schwer an Bonnie Prince Billys countryeske Ausflüge erinnert, fast positive Vibes ver-

Musik | La Kinky Beat

druckvollen Liveshow haben sie die Schublade „Mesti-

DO 19 | 04 | 12 Lesung | Frank Goosen

zo“ gesprengt. Ihre erste Platte „Made in Barna“ zeigte die eher wilde Seite des Mestizo, mit Einflüssen aus Rocksteady, Reggae und Punk, gepaart mit groovigen

breitet und insgesamt die Stimmung einer beschwingten

Frank Goosen liest aus seinem neuen Roman „Som-

Elementen und catchy Popstrukturen. Diese Band ist

Veranda-Grillparty mit viel Wein und alten Geschichten

merfest“. Just an dem Wochenende, als die Sperrung

immer wieder für eine Überraschung gut. Ihr aktuelles

rüberbringt. Perfektes Songwriting mit viel Gefühl und

der A40 zum kulturellen Ereignis wird, muss Stefan

Album „Massive Underground“ überrascht mit fettem

Qualität. Support: Victor Villarreal und mOck.

zurück nach Bochum, um das Haus seiner Eltern zu

Dubsound und rockt wieder verstärkt mit Drum‘n‘Bass

FZW, Dortmund, 20 Uhr

verkaufen. Zwischen Schrebergarten und Selterbude

und elektronischen World-Beats.

trifft er all die kuriosen Gestalten wieder, mit denen

Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

FR 13 | 04 | 12

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Musik | Stephan-Max Wirth Der süddeutsche Saxofonist Stephan-Max Wirth widmet sich der Musik von Alice Coltrane. Nonkonformistisch durchkreuzte sie in den 70er Jahren die klare männliche Linie der Improvisationskunst und entwickelte die Musik ihres verstorbenen Mannes John Coltrane auf ihre eigene Art weiter. Wirths Album „Multiple Pulse“ geht über ein reines „Tribute-to“ hinaus: Es ist eine sehr persönliche Hommage an Musik, Geist und Freiheitsbegriff der Künstlerin. domicil, Dortmund, 21 Uhr

SA 14 | 04 | 12 Kabarett | Jürgen Bangert Jürgen Bangert wusste bis vor einem Jahr nicht mal, was er so alles über den Tag gegessen hat. Okay, vielleicht wusste er es noch, aber es hätte viel zu lange gedauert, das alles aufzuzählen. Wenn er davon sprach, „dick im Geschäft zu sein“, war damit eher gemeint, er war der Dicke im Geschäft. Doch das ist jetzt vorbei. „Nimm‘s light... Ich weiß, was Du letzten Sommer gegessen hast!“ So heiß das aktuelle Programm des Fitness-Zampanos. Zauberkasten, Bochum, 20.30 Uhr Kindertheater | Die Abenteuer des Rüdiger Sommerwind Rüdiger Sommerwind plant gerade eine neue Reise: Nach Afrika will er. Es könnte natürlich geschehen, dass das Fahrgeld nicht ausreicht und Rüdiger nur bis Bad Tölz kommt. Egal, dort leben ja auch so gefährliche Tiere wie Wildkaninchen, Raubmäuse und Murmeltiger. Schnell

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24 VERANSTALTUNGEN APRIL 2012

Mischmasch | Mordwärts – Faszination Schwedenkrimi Von Sjöwall/Wahlöö bis Stieg Larsson haben schwedische Krimis Deutschland erobert. Die Autoren sind so erfolgreich, dass sie sogar ein neues Genre geschaffen haben: den Schwedenkrimi. Warum aber sind die Schwedenkrimis in Deutschland so beliebt? 20 | 04 | 12 Mia Pittroff

22 | 04 | 12 Der goldene Zweig

pi Langstrumpf durch Lisbeth Salander ersetzt worden?

Preise einheimste. „Wie der frühe Polt. Nur weiblich

ler der Bochumer Theaterszene bekannt und spielen oder

Zusammen mit Alexandra Hagenguth, Schwedenkrimi-

halt und hübscher!“ (Ein begeisterter Fan)

spielten sowohl am Schauspielhaus Bochum wie auch am

Kennerin und Redakteurin der Homepage „schweden-

Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

Rottstr5-Theater und am Prinz Regent Theater.

Was für ein Bild von Schweden vermitteln sie? Prägen nun vor allem düstere Wälder, soziale Probleme und Psychopathen das Schwedenbild der Deutschen? Ist Pip-

Metropolis Kino, Bochum, 12 Uhr

krimi.de“, werden diese Themen in Augenschein genommen. Es wird Zeit, „mordwärts“ zu blicken. Auslandsgesellschaft NRW e.V., Dortmund, 19.30 Uhr

SA 21 | 04 | 12 Kunst | Offene Ateliers Dortmund

Film | Frauenfilmfestival: Forbidden

Erstmalig öffnen in ganz Dortmund an 106 Standorten

MO 23 | 04 | 12 BODO VERLOSUNG | Tucson Songs on Tour

Vom 17. bis 22. April findet das Internationale Frauen-

Künstler unterschiedlichster Kunstsparten sowie acht

Für Musik-Experten ist Tucson als Heimat von Calexico

filmfestival in Köln statt, nach wie vor eines der wich-

Galerien ihre Türen. Für den Start rechnen die Initi-

und Giant Sand längst ein Begriff. Eins der bestgehüteten

tigsten Foren für weibliches Filmschaffen weltweit. Wer

atoren Axel Schöber, Rita-Maria Schwalgin und Tanja

Geheimnisse der US-amerikanischen Indie-Szene aber ist

den Weg nach Köln nicht auf sich nehmen will, muss auf

Melina Moszyk mit 180 professionellen Kreativen, die

die Vielfalt und Qualität, die sich im Süden von Arizona

das Festival trotzdem nicht verzichten. „Forbidden“ ist

ein Wochenende lang ihre Produktionsstätten öffnen

entwickelt hat. „Wenn man

ein Akt des Ungehorsams. Am 25.01. 2011, dem ersten

werden: „Kunst braucht Freiräume.“ Zudem erscheint

die ,Tucson Songs‘ hört, weiß

Tag der Massenproteste in Ägypten, fertiggestellt, be-

ein Katalog, prall gefüllt mit Informationen, Kontakt-

man gleich nach dem ers-

fasst sich der Film mit Verboten, die im Zusammenhang

daten, Portrait und Werkbeispiel je Teilnehmer und

ten Ton, dass man sich ganz

mit den Notstandsgesetzen erlassen wurden. Das Überle-

ein Flyer zur individuellen Routenplanung. Mehr Infos

bestimmt nicht an der Cote

ben schien nicht möglich, folgte man den Regeln, daher

und Planungshilfe gibt‘s unter www.offene-ateliers-

d‘Azur oder am Eifelturm

haben die Menschen jeden Tag Verbotenes getan. Ramsis

dortmund.de. Der Eintritt ist frei.

aufhält. Man hat eher das Gefühl, im Soundtrack eines

und Gleichgesinnte gingen noch einen Schritt weiter, sie

106 Orte, Dortmund, 15 – 22 Uhr (auch 22.4. 11 – 18 Uhr)

Westerns von Quentin Tarantino zu sein: Gitarren, die in der Wüste über den Sand surfen, prägen das Klangbild.

haben ihren Ungehorsam laut und deutlich in die Kamera gesprochen. www.frauenfilmfestival.eu. RWE Forum / Kino im U, Dortmund, 19.30 Uhr

SO 22 | 04 | 12 Film | Der goldene Zweig

Im weiteren Verlauf der Platte begegnen einem Countrybilly, Morricone-inspirierte Soundlandschaften, DesertChansons, Songwriter-Pop, Ami-Folk und Indie-Gitarren-

Noch nie wurde ein Text des indisch-britischen Autors

sounds.“ (Aus der bodo-CD-Besprechung). Mit dabei an

Salman Rushdie verfilmt. Schon diese Tatsache macht

diesem Konzertabend: Sergio Mendoza Y La Orkesta, Brian

den 25minütigen Kurzfilm von Drehbuchautor und Re-

Lopez, Marianne Dissard und Andrew Collberg Tucson.

Mia Pittroff wurde in Bayreuth geboren und verlebte

gisseur Matthias Zucker bemerkenswert. „Der goldene

FZW, Dortmund, 20.30 Uhr

dort eine glückliche und co2-haltige Kindheit an der

Zweig“ erzählt nach der gleichnamigen Shortstory Rush-

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Autobahnausfahrt. Mit ihrem fränkischen Zungen-

dies die Geschichte von David Gularski, der verzweifelt

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

schlag redet und singt sie sich in ihrem Programm

einen neuen Job sucht. Nach monatelanger erfolgloser

„Mein Laminat, die Sabine und ich“ zwei Stunden um

Suche wird ihm klar, dass alle Bewerbungsgespräche

Kopf und Kragen. Humor, trocken wie Heizungsluft,

stets von der gleichen Person geführt werden, die offen-

gute Beobachtungen und wunderbar groteske Bilder,

sichtlich nur dazu da ist, ihn abzulehnen. Gularski ent-

das sind die Markenzeichen von Mia Pittroff, der frü-

scheidet, dass nur noch drastische Maßnahmen helfen

Ein Stück „über das, was hier und jetzt passiert“ und

heren Poetry-Slamerin, die 2011 gleich vier Kabarett-

können. Die Darsteller sind überwiegend als Schauspie-

über das, „woran man glaubt“, wollte der britische Dra-

FR 20 | 04 | 12 Comedy | Mia Pittroff

DI 24 | 04 | 12 Theater | Waisen

CD-TIPP

THE BLACK SEEDS | Dust and Dirt ( Proville / Indigo) So abwechslungsreich kann also Reggae sein. Tituliert als „eine der besten Reggae-Bands auf dem Planeten“ (Clash-Mag, UK) präsentieren sich die Neuseeländer nun noch vielseitiger also sonst schon. Elemente aus Funk, Rock, Afro-Beat, Elektro, Pop, Disco und Soul werden produktiv genutzt zur Bereicherung des Basissounds: Reggae, Dub und Ska. Man hört den Jungs an, dass sie sich mit Gründung ihres ganz eigenen Labels wohl endgültig freigespielt haben. Das Ganze erinnert schon unweigerlich an Fat Freddy‘s Drop, die ebenfalls in Wellington „ihr Unwesen treiben“ und sich von Nichts und Niemanden in ihrem musikalischen Schaffen reinreden lassen. Fat Freddy‘s Drop ist vielleicht noch ein bisschen abgefahrener, abgehobener, origineller. Aber The Black Seeds spielen schon in einer sehr ähnlichen Liga. Mal hören sie sich trippig an wie Massive Attack zu ihren besten Zeiten, mal fröhlich, locker und funky, um dann wieder mit einer rockigen Gitarre einen ganz frischen Akzent zu setzen. Das hier ist definitiv kein einschläfernder, tausendmal gehörter Roots-Reggae. Hier wird der Reggae nicht zum Verstauben in einen Schrein gestellt, um ihm andachtsvoll zu huldigen. Hier wird modern und zeitlos, voller verschiedenster Stilelemente der Spaß am Reggae zelebriert. (BvR) 24


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26 VERANSTALTUNGEN APRIL 2012

matiker Dennis Kelly schreiben – und hat mit „Waisen“ direkt ins Herz geschossen. Unter dem Motto „Schauspiel gegen Rechts“ präsentieren das Theater Dortmund und ver.di dieses intensive Theaterstück. „Hingehen, auch wenn‘s wehtut. Die neue Inszenierung im ehemaligen Dortmunder Museum am Ostwall ist ein so schmerzhaft intensiver Theaterabend, dass 25 | 04 | 12 Gunzi Heil

26 | 04 | 12 Tomasz Stanko

schlucken. Ebenso wie an der Tatsache, dass Kay Voges

sche Allzweckwaffe“, „rotzfrech und blitzgescheit“, „ein

sich über Techno und Elektro-Bounce. Während weite

die Originaltexte geändert hat, die Brückstraße als Tat-

kultureller Belebungsfaktor schönster Güte“ urteilte die

Teile der deutschen Gesellschaft und insbesondere der

ort und die Nordstadt als Wohngegend nennen lässt. Ak-

Presse über Gunzi Heil. Denn wenn der semmelblonde

Musiklandschaft sich selbst in den Schlaf wiegen, drehen

tueller kann Theater kaum sein. Das Stück ist ein Genie-

Schlacks auspackt, dann gibt er nicht nur in den Puppen

drei vom Freistaat zur Unterdrückung ausgeschriebene

streich, die Dortmunder Inszenierung aber auch.“ (RN)

„voll Stoff“ und schont dabei keinen, am wenigsten sich

Jungs und ihr Plüschteddy komplett durch und zeigen,

Harenberg City Center, Dortmund, 19.30 Uhr

selbst. Gunzi wildert sprunghaft längseits querwärts

wo der Bartel seinen Most holt, während ihm in unerklär-

durch Musik, Literatur, Film, Fernsehen und schüttet

licher und schier unerträglicher Art und Weise die Sonne

man ihn gesehen haben muss. ,Waisen‘ erzählt letztlich von Gewalt, die gleich bei uns nebenan aus Hoffnungslosigkeit und Fremdenhass entsteht. Daran hat man zu

den Setzkasten des daily zapping über die Tasten. In

aus dem Arsch scheint. Einschlafen mit Musik war ges-

Es ist noch gar nicht so lange her, da mischte ein wil-

seinen Liedern und Texten hört man höchstes Kulturgut

tern. Hier ist Popmusik für Heute mit Wachbleibgarantie.

der Bastard aus klassischem Swing, Jazz und elektro-

klangstark, hochachtungsvoll und kopfüber in den Gulli

FZW, Dortmund, 20 Uhr

nischer Musik die Pariser Szene auf;

rauschen, völlig ohne Klärwerke. Das aktuelle Programm

Horden junger Produzenten und Bands

des Tegtmeier-Finalisten 2011 heißt denn auch – Nomen

versuchten sich an dem, was jetzt als

est Omen – „Der Musengau“.

Trotz beginnender Weltwirtschafskrise laufen die Vorbe-

Electro-Swing durch die Clubs der Welt

Flottmann-Hallen, Herne, 20 Uhr

reitungen für die Silvestergala im Ritz auf Hochtouren.

BODO VERLOSUNG | Movits!

BODO VERLOSUNG | Drei Worte nur...

Für das Künstlerpaar Lilly

gereicht wird. So auch ein Brüderpaar aus Schweden, das – begeistert von den heißen Klängen der Zwanziger Jahre und sozialisiert durch moderne Mu-

und Willy wird es der krö-

DO 26 | 04 | 12

nende Abschluss ihrer Tour-

Musik | Tomasz Stanko

nee, bevor sich ihre Wege

sik aus den Clubs – mit einem Freund die Movits! grün-

Der polnische Trompeter Tomasz Stanko zählt seit Jahr-

trennen. Während sie in der

dete. Bekannt wurden die Movits! durch ihr Debüt-Album

zehnten zu den Größen des europäischen Jazz. Mit „Dark

Garderobe sitzen, mit Lam-

„Äppelknyckarjazz“ („Äpfel-Klauer-Jazz“) mit seinem

Eyes“ und in junger polnisch-skandinavischer Besetzung

penfieber und Kostümen kämpfen, lassen sie ihre gemein-

aberwitzigen Mix aus Swing, Bebop, Electro und Pop.

bringt er seine melancholische slawische Seele abermals

same Geschichte von Liebe, Glück, Eifersucht, Zank und

Hochmusikalisch und unwiderstehlich griffig entfesseln

in faszinierenden neuen Kompositionen zum Ausdruck.

Musik Revue passieren. Mit Schlagern von Marika Rökk,

die Movits! ein Tanzfest, welches von Jazz-Liebhabern

Der Bandname bezieht sich auf ein Gemälde von Oskar

Marlene Dietrich, Zarah Leander und Heinz Rühmann bis

genauso begeistert gefeiert wird wie von den Jüngern

Kokoschka (The Dark Eyes of Martha Hirsch), neu in-

zu Lilian Harvey und Willy Fritsch, einem der Traumpaare

moderner elektronischer Musik.

terpretiert werden auch Kompositionen der Legende

der deutschen Musikkomödien der 30er Jahre.

Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

Krzysztof Komeda („Rosemaries Baby„), mit dem Stanko

Theater im Depot, Dortmund, 20 Uhr (auch 28.04.)

bodo verlost 3 x 2 Karten.

bereits in den 60er Jahren zusammenspielte.

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

domicil, Dortmund, 20 Uhr

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

MI 25 | 04 | 12

FR 27 | 04 | 12 Musik | Frittenbude

Kleinkunst | Gunzi Heil

Musik | Small Beast: Barbez Small Beast ist der Name des Musik-Salons, den der musikalische Leiter Paul Wallfisch von Manhattan/New York

Er ist blond – dafür kann er nichts, aber er ist auch Musi-

Frittenbude macht Musik für die Gehirne und Tanzappara-

nach Dortmund mitbrachte. Small Beast ist einmal im

ker, Liedermacher, Kabarettist, Parodist, Puppenspieler

turen der Hörer, mit einer ordentlichen Portion Aggressi-

Monat Treffpunkt – für Zuhörer und für Musiker von nah

und am allerliebsten alles gleichzeitig, „kabarettisti-

on, Anarchie und Selbstzerstörung rappt und punkt man

und fern: ein Ort für musikalische Programmatik und

COMIC-TIPP

YUKO ICHIMURA | 3/11 – Tagebuch nach Fukushima (Carlsen Verlag) Letzten Monat jährte sich die Umwelt- und Nuklearkatastrophe rund um Fukushima, der 11. März 2011 hat sich in mein Hirn und Seelenleben genauso beständig eingebrannt wie der 11. September 2001. Und immer wieder habe ich mich gefragt, wie Menschen in Japan alles wohl erlebt haben. „Seit bei uns die Erde wackelte, gibt es keinen Tag, an dem ich nicht etwas Neues über mich und mein Land erfahre“, schreibt die Werberegisseurin Yuko Ichimura aus Tokyo in ihrem Blog am 19. April. Nahezu täglich ab dem 12. März und bis zum 11. September schreibt sie ein paar Zeilen an den deutschen Journalisten Tim Rittmann, der diese dann wieder für die Süddeutsche online stellt. Ganz private Gedanken und Sorgen, Berichte über den Alltag in Tokyo, Gespräche mit Freunden und Arbeitskollegen, die subjektive Wahrnehmung der japanischen Medien, Getwitter mit Bekannten in Übersee, das Hinterfragen, Suchen und Wiederfinden des eigenen (Alltags)lebens, Erlebnisse auf der Straße – das ganz normale Leben nach der unfassbaren Katastrophe, aufgeschrieben in einfachen Worten und bebildert mit collagenhaften, schlichten Comic-Zeichnungen. Ein spannendes, zum Teil verstörendes Zeitzeugnis. Ein bisschen ist es wie „Mäuschen spielen“. Ungefilterte, subjektive Worte, wertvoller als vieles andere, 26

womit wir hier von den Medien zugeballert wurden. (BvR)


27 | 04 | 12 Frittenbude

28 | 04 | 12 Funny van Dannen

spontane Experimente, mit Paul Wallfisch und Gastmu-

29 | 04 | 12 Julian & Roman Wasserfuhr

BODO VERLOSUNG | Der Meister und Margarita

sikern, die immer auch dazu eingeladen sind, Ausflüge

„Der Meister und Margarita“ – die große Reise durch Zeit

Adressen | Bochum (0234)

in deutsche Musiktraditionen zu unternehmen. Zu Gast

und Raum beginnt am Moskauer Patriarchenteich. Zwei

Bahnhof Langendreer, Wallbaumweg 108, 687 16 10

im April: Das Post-Cabaret-Punk-Kammerorchester Bar-

überzeugte Atheisten im Ge-

bez mit seinen einzigartigen Soundscapes, inspiriert

spräch: Chefredakteur Berlioz

von argentinischem Tango, slawischen Folk-Songs und

übt Kritik am jungen Lyriker

Prä-MTV-Punk. Support: Der Pianist & Songwriter Thilo

Besdomny: Aus dessen neu-

Schölpen aus Düsseldorf.

estem Poem gehe nicht klar

Jahrhunderthalle, Gahlensche Str. 15, 369 31 00

Institut im Schauspielhaus, Dortmund, 22 Uhr

genug hervor, dass die Jesus-

Kulturhaus Oskar, Oskar-Hoffmann-Straße 25

SA 28 | 04 | 12 BODO VERLOSUNG | Rock in den Ruinen

Christuskirche, An der Christuskirche 1, 338 74 62 Endstation Kino, Wallbaumweg 108, 687 16 20 Eve Bar, Königsallee 15, 333 354 45 Freilichtbühne Wattenscheid, Parkstraße, 61 03-0 HalloDu-Theater, Lothringer Str. 36c, 87 65 6

Geschichte – wie auch Gott – reine Fiktion sei. Doch dann

Kulturrat Bochum, Lothringer Straße 36, 862 012

mischt sich ein Passant ins Gespräch, der behauptet, Gott

Museum, Kortumstraße 147, 51 60 00

existiere absolut. Kurze Zeit später – Berlioz ist inzwi-

Mus. Zentrum der RUB, Universitätsstr. 150, 322 28 36

schen der Kopf von einer Straßenbahn abgetrennt worden

Prinz-Regent-Theater, Prinz-Regent-Str. 50 – 60, 77 11 17 Riff, Konrad-Adenauer-Platz 3, 150 01

2011 debütierte „Rock in den Ruinen“ am neuen Standort

– wird Besdomny klar, dass der Fremde der Teufel persön-

unweit des Phoenix-Sees. Die Geschichte des Dortmun-

lich war. Und kann es einen überzeugenderen Fürsprecher

der Rockfestivals startet 16

für die Existenz Gottes geben als den Teufel selber? Doch

Stadthalle Wattenscheid, Saarlandstraße 40, 610 30

Jahre zuvor. Zum Tanz in den

zuhören will Besdomny keiner, er wird in die Psychiatrie

Thealozzi, Pestalozzistraße 21, 175 90

Mai organisieren die Hörder

verfrachtet. Sein Mitpatient dort: Der Meister, Autor ei-

Varieté et Cetera, Herner Straße 299, 130 03

Jusos ein Stadtteilfest mit

nes unvollendeten Romans über Pontius Pilatus und Je-

Zauberkasten, Lothringer Straße 36c, 86 62 35

lokalen Bands. Da zu dieser

schua. Der russische Literaturstar Michail Bulgakow (1891

Zeit in diesem Bezirk noch

– 1940) arbeitete von 1928 bis zu seinem Tod am Roman

ordentlich die Schlote rauchen, werden Bierstände und

„Der Meister und Margarita“; dieser wurde aufgrund sei-

Bühne auf die grünen Hänge Hohensyburgs gepflanzt,

ner Kritik an politischen Realitäten in der Sowjetunion

Adressen | Dortmund (0231)

direkt unterhalb der Burgruine aus dem Mittelalter. Die

erst 1973 in unzensierter Form veröffentlicht und kann als

Auslandsgesellschaft, Steinstraße 48, 838 00 00

„Ruinenrocker“ in diesem Jahr sind u.a.: Saxon, die

Bulgakows Lebenswerk betrachtet werden.

Cabaret Queue, Hermannstraße 74, 41 31 46

Helden der NWOBHM und Wacken-Veteranen, Killing

Schauspielhaus, Dortmund, 19.30 Uhr

DASA, Friedrich-Henkel-Weg 1 – 25, 90 71 24 79

Joke, die Post-Punk-Legende, Phillip Boa and the Voo-

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Dietrich-Keuning-Haus, Leopoldstr. 50 – 58, 502 51 45

dooclub, der Indie-Pionier zusammen mit Pia Lund, The

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

Idiots, die Dortmunder Punk-Urgesteine um Sir Hannes von Honigdieb, Sister Sin, die schwedischen Punk- und

Design | Design Gipfel

RuhrCongress, Stadionring 20, 610 30 Schauspielhaus, Königsallee 15, 333 30

Zeche, Prinz-Regent-Straße 50-60, 977 23 17 Zeche Lothringen, Lothringer Straße 36c, 876 56 Zwischenfall, Alte Bahnhofstraße 214, 28 76 50

domicil, Hansastraße 7 – 11, 862 90 30 Fletch Bizzel, Humboldtstraße 45, 14 25 25 F.-Henßler-Haus, Geschw.-Scholl-Str. 33 – 37, 502 34 72 FZW, Ritterstraße 20, 17 78 20

Metal-Abräumer, und Peter Pan Speedrock, die derben

Nach den erfolgreichen Märkten in Münster, Bochum und

Galerie Torhaus, Haupteingang Rombergpark, 50 23 194

Hochgeschwindigkeits-Rocker aus Holland.

Osnabrück findet die Veranstaltung für guten Design-

Konzerthaus, Brückstraße 21, 22 69 62 00

Phoenix West Areal, Dortmund, ab 12 Uhr

Geschmack Ende April zum ersten Mal in Dortmund statt.

Museum f. Kunst u. Kulturgesch., Hansastr. 3, 502 55 22

bodo verlost 3 x 2 Karten.

Am 28. und 29. April ist der Design Gipfel im Depot ge-

Piano Musiktheater, Lütgendortmunder Str. 43, 604 206

Teilnahmebedingungen auf Seite 21.

öffnet. An vielen Ständen können Interessenten Mode, Schmuck, Grafiken, Accessoires und limitierte Designstü-

Musik | Funny van Dannen Schlicht „Fischsuppe“ lautet der Titel des neuesten Al-

cke bekommen, die es in keinem Geschäft zu kaufen gibt. Depot, Dortmund, ab 12 Uhr (auch 29.04., ab 11 Uhr)

bums von Funny van Dannen. Auf diesem beleuchtet der Humanist mit Humor und Akustikgitarre gekonnt die Dialektik der menschlichen Existenz zwischen Glück und Verzweiflung. Als einem der letzten echten Romantiker

Rasthaus Fink, Nordmarkt 8, 999 876 25 Reinoldikirche, Ostenhellweg 1, 52 37 33 Schauspielhaus, Hiltropwall, 502 55 47 Sissikingkong, Landwehrstraße 17, 728 25 78 Strobels, Strobelallee 50, 999 50 60 Subrosa, Gneisenaustraße 56, 82 08 07

SO 29 | 04 | 12 Musik | Julian & Roman Wasserfuhr

SweetSixteen Kino im Depot, Immermannstr. 29, 910 66 23 Theater im Depot, Immermannstraße 29, 98 21 20 U, Leonie–Reygers-Terrasse, 50 247 23 Westfallenhallen, Rheinlanddamm 200, 120 40

unter den deutschsprachigen Liedermachern gelingt

Das jazzende Brüderpaar Julian & Roman Wasserfuhr,

ihm auch mit seinen neuen Kompositionen ein scharfer,

beide Mitte 20, sind aufgewachsen in einem wenig urba-

musikalisch und philosophisch leidenschaftlicher Blick

nen Kaff namens Hückeswagen. Und dann: Projekte mit

auf die Absurditäten unseres Alltages. Dabei pendelt er

Nils Landgren, mit Lars Danielsson, Alben beim famosen

Adressen | Herne (02323)

gekonnt zwischen dadaistisch anmutenden Wortspielen,

ACT-Label – allererste Jazz-Liga. Aber sie bewahren die

Flottmann-Hallen, Flottmannstr. 94, 16 29 52

anarchischem Witz, Protest und Poesie.

„Gravity“, so der Titel ihres letzten Albums. Jazzmusik

Mondpalast, Wilhelmstraße 26, 58 89 99

Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

wie ein Film, „das Gegenteil von Angeber-Jazz“. Christuskirche, Bochum, 19 Uhr

Westfalenpark, An der Buschmühle 3, 35 02 61 00 Zeche Zollern, Grubenweg 5, 696 12 11

Adressen | Witten (02302) Saalbau, Bergerstraße 25, 581 24 24 Werkstadt, Mannesmannstraße 2, 94 89 40

Der Druck dieser Seite wurde ermöglicht durch Spenden der Besucher des Geierabend 2011.

27


28 GESCHICHTE | von Wolfgang Kienast | Fotos: Ruhrverband (5) · Stefan Scheer (1)

Hengstey, Harkort, Kemnade Die Ruhrstauseen vor bodos Haustür Fluss kommt von fließen. Die Ruhr ist 219 Kilo-

ausgesetzt. Als bisherige Höhepunkte einer

Betriebe früher Eisenverarbeitung finden sich im

meter lang, doch Fließgewässer ist sie eigent-

rasanten Entwicklung können die beliebten

Sauerland und im Bergischen. Dass es Kohle gibt,

lich nur im ersten Drittel. Bei Kilometer 133

Stauseen betrachtet werden. Doch auch deren

ist bekannt, ihre Bedeutung noch nicht erkannt.

beginnt der Rückstau eines Wehres vor Echthau-

Funktionen werden in einem komplexen System

Und wenn, es wären keine Transportwege vorhan-

sen, und von da an bis zur Mündung in den Rhein

mehrfach neu definiert.

den. Der spätere Kohlenpott ist von der industriellen Entwicklung anfangs abgehängt.

steht der Fluss, der dem Revier den Namen gab,

28

meist sehr ruhig in seinem Tal herum; gebremst

Eine trostlose Einöde. So lautet im 17. und 18.

oder aufgehalten durch rund dreißig weitere

Jahrhundert das übereinstimmende Urteil in des-

Reiseführer des ausgehenden 19. Jahrhunderts

Wehre, Staustufen und -mauern. Das Industrie-

halb auch nur wenigen Reiseberichten, die sich mit

sprechen bereits eine andere Sprache. „Silber-

gewässer mit ausgeprägtem Naherholungscha-

dem Rechts und Links der Ruhr beschäftigen. Un-

band der anmutigen Ruhr” wird das Tal inzwi-

rakter, als das die Ruhr heute angesehen wird,

bedeutende Dörfer, Kotten, ab und an eine Mühle,

schen genannt, doch nicht nur die reizvolle Land-

ist über die Jahre gravierenden Umformungen

viel zu viel unbewirtschaftetes Land. Zeittypische

schaft wird gelobt, auch das industrielle Witten

Badespaß zu Omas Zeiten – Freibad Hengstey auf der Hagener Seite des Sees.


29

oder ein Wehr bei Stiepel, welches diverse Häm-

zunehmende Verschmutzung birgt unter anderem

fließen nicht einmal vier Kubikmeter talabwärts.

mer antreibt, werden gewürdigt. „Großartige Ma-

ein erhebliches gesundheitliches Risiko für die

Die Ruhr trocknet aus. Bei Essen kann man sie zu

schinenbetriebe” gilt es zu bestaunen. „Lohnend

ebenfalls stark wachsende Bevölkerung. So wird

Fuß queren, bei Duisburg führt sie gar kein Wasser

ist der Besuch eines Hüttenwerkes. Man findet da

unter hygienischen Gesichtspunkten im Jahr 1899

mehr. Wobei Wasser sowieso geschmeichelt ist. In

Eisenhochöfen von den größten Dimensionen mit

die Emschergenossenschaft gegründet. Ihre Auf-

jener Zeit sind keine zehn Prozent der Haushal-

bedeutenden Walzwerken. Besonders interessant

gabe besteht darin, die Brühe möglichst schnell

te längs Ruhr und Nebenflüssen an Kläranlagen

ist der Aufenthalt auf einem Eisenwerk bis zum

und einfach loszuwerden. Aber auch an der Ruhr

angeschlossen, die industriellen Abwässer ein

Abend, um das grossartige Schauspiel des den

steigt die Seuchengefahr. Vor allem, weil der

furchteinflößender Chemikaliencocktail. Kohlen-

Hochöfen entströmenden Eisens und der feuer-

Fluss einerseits Abwässer abtransportieren soll,

staub, Teer und Öl, Phenol- und Zyanlösungen,

sprühenden Hämmer und Walzwerke besser zu

parallel jedoch als Quelle für Trink- und Brauch-

Zellstoff, verwesende Abfälle aus Schlachthöfen

sehen.” (aus: Woerl, „Führer durch Dortmund”,

wasser dient.

und Lederfabriken, kurz, eine schwarzbraune,

1884, Stadtarchiv Dortmund, Bestand Ed92.)

stinkende, schaumgekrönte Brühe. Die Grenze der Belastbarkeit ist schnell über-

Eine kaum bewirtschaftete Agrarregion wird auf

schritten. 1893 werden dem Fluss 90 Millionen

Die Notwendigkeit eines Wassermanagements

den Kopf gestellt, mutiert innerhalb weniger

Kubikmeter Wasser entzogen, 1911 sind es bereits

ist offensichtlich. Um Wasser dosiert ins Ruhrtal

Jahrzehnte zu einem prosperierenden Schwerin-

315 Millionen. Das entspricht einer durchschnitt-

abgeben zu können, sind mit dem Bau von Tal-

dustriestandort. Aber der Boom hat Schatten-

lichen Wassermenge von zehn Kubikmetern pro

sperren an den Zuflüssen erste wirksame Maßnah-

seiten, wie die Reviergewässer verraten. Deren

Sekunde. Im heißen Sommer des Jahres 1911

men eingeleitet. Es fehlen allerdings geeignete

Heute noch in Betrieb: Kraft- und Wehranlage Hengsteysee

Altes Kraftwerk Harkortsee 29


30

Schritte, die Qualität des Wassers generell zu

flusses von Lenne und Ruhr. Infolge der eisenver-

geboren am 22. Februar 1793 in Westerbauer bei

verbessern. 1910 erstellt zu diesem Zweck der Es-

arbeitenden Industrie hat das Wasser der Lenne

Haspe, gestorben am 6. März 1880 in Hombruch.

sener Ingenieur Karl Imhoff im Auftrag des Arns-

einen niedrigen pH-Wert. Die im Oberlauf der Ruhr

Er ist jemand, der über Tellerränder blicken kann,

berger Regierungspräsidenten ein „Gutachten

eingeleiteten Abwässer der Papierindustrie dage-

führt im Ruhrgebiet unbekannte, rationelle Me-

zur Reinhaltung der Ruhr“. Es sieht, neben einer

gen sind alkalisch. Säure und Lauge reagieren mit-

thoden der Eisenverarbeitung ein, gilt als Freund

mechanischen Reinigung von groben Verschmut-

einander, heben sich auf, die Verschmutzung flockt

und Förderer des Bahnverkehrs und engagiert sich

zungen, eine Kette von addiert acht multifunkti-

aus. Das funktioniert sogar. Auch zur Energiege-

in sozialen Fragen. Seine 1844 veröffentlichte

onalen Ruhrstauseen vor, in welchen biologische

winnung wird der See genutzt. Das Koepchenwerk,

Schrift „Bemerkungen über die Hindernisse der

Abbauprozesse stattfinden sollen. Drei Jahre spä-

ein auffälliges Pumpspeicherkraftwerk, ist bei

Zivilisation und Emanzipation der unteren Klas-

ter wird der Ruhrverband (RV) gegründet und mit

seiner Inbetriebnahme einer der größten Erzeuger

sen” enthält Sätze wie „100.000 Fibeln, die 3.000

der Angelegenheit betraut.

von Spitzenenergie in Deutschland.

Taler kosten, haben einen größeren Wert für die Erziehung der Menschheit als 100.000 Bewaffne-

Der erste See, den der RV aufstaut, ist der Hengs-

Wenige hundert Meter unterhalb der Staumauer des

te, die jährlich 9 Millionen verschlingen.” Das hat

teysee. Die Endung auf -ey, im Ruhrtal begegnet

Hengsteysees beginnt der Harkortsee. Der Zufluss

weder an Gültigkeit noch an Aktualität verloren.

sie einem des öfteren, lässt sich von einem al-

aus der Hagener Kläranlage und die Mündung der

Harkort gründet einen Vorläufer der heutigen

tertümlichen Begriff für verlandete Flussbuchten

Volme lässt den Bau hier sinnvoll erscheinen. Mit

Volkshochschulen, fordert ein generelles Verbot

herleiten. Eingeweiht wird der See im Jahr 1928.

seinem zweiten See setzt der RV einem Pionier des

von Kinderarbeit und schlägt eine Gewinnbeteili-

Nicht zufällig liegt er unterhalb des Zusammen-

Reviers ein Denkmal: Friedrich Wilhelm Harkort,

gung für Arbeiter vor. In den anfangs erwähnten

Fischtreppe vor einer Staustufe

Bootsvergnügen auf dem Harkortsee

30


31

Reiseführern wird Harkort „Vater des Ruhrgebiets”

möglich, kann aus diesen Gründen gut verzichtet

kensteiner Wasserschloss, dessen Name sich wie-

bzw. „Alter Fritz von Westfalen” genannt. Das

werden. Insgesamt hat sich die Wasserqualität

derum von „Kemenate”, also Kaminzimmer, also

Harkort-Denkmal, einen nach ihm benannten Aus-

deutlich verbessert. Im Ansatz könnte selbst die

einem im Gegensatz zu üblichen Bauernhäusern

sichtsturm oder sein Grabmal zu besichtigen, wird

seit Jahren grassierende Algenpest, trotz diver-

beheizbaren Wohnsitz herleitet, einzig unter die-

der geneigten Leserschaft nahegelegt.

ser ökologischer Bedenken, im Ansatz positiv

sem Gesichtspunkt noch aufgestaut. Rein wasser-

gesehen werden. Phosphatfreie Waschmittel ver-

wirtschaftlich nämlich besteht keine Notwendig-

Nach dem Harkortsee werden im Ruhrtal noch

schlechtern die Lebensbedingungen von Plank-

keit mehr, für eine eventuelle Energiegewinnung

der Baldeneysee (1933), der Kettwiger Stausee

tonalgen, das Wasser wird in der Folge klarer,

ist die Stauhöhe nicht ausreichend, statt einer

(1950) und der Kemnader See (1979) realisiert.

Sonnenlicht dringt bis auf den Grund und lässt

Schleuse für Frachtschiffe gibt es eine Bootsgas-

Dass es nicht, wie ursprünglich gedacht, acht

größere Wasserpflanzen überproportional wach-

se für Kanuten und an den Ufern demnächst die

Stauwerke werden, liegt an mittlerweile stark ver-

sen. Aus Naherholungs- und Touristikperspektive

neue Ruhr-In-Line Skaterbahn, ein solarbeleuch-

änderten Anforderungsprofilen. Der Plan, die Ruhr

eine allerdings ärgerliche Entwicklung. Wer will

teter Rundkurs von zwölf Kilometern Länge, par-

über weite Strecken schiffbar zu machen, wird

schon mit seinem Tret-, Paddel- oder Segelboot

allel geführt zu bereits intensiv genutzten Rad-

nicht umgesetzt, da die Schwerindustrie abwan-

im schwimmenden Rasen hängenbleiben.

und Fußwanderwegen. (wk)

dert. Die Technik in Kläranlagen wird um biologische Verfahren erweitert. Auf ein zwischenzeit-

An eine Freizeitindustrie wird Karl Imhoff kaum

lich diskutiertes Rückpumpen von Ruhrwasser zur

denken, als er an seinem Gutachten feilt. Doch

Trinkwassergewinnung, ohne die Seenkette nicht

wird der Kemnader See, benannt nach dem Blan-

Beliebtes Ausflugsziel Kemnader See: 1,25 qKm Wasserfläche bieten viel Platz für Wassersport und Bootspartien.

31


32 DAS INTERVIEW | von Volker Macke | Fotos: Reuters, Yannis Behrakis · Archiv Chris Alefantis

Athens neue Obdachlose Griechenlands erste Straßenzeitung Shedia versucht, die Not zu lindern Griechenland in der Krise: Arbeitslosengeld ge-

aller Arbeitsfähigen ohne Arbeit, in Naousa im

kürzt, Mindestlohn gekappt, Steuern angehoben.

Norden des Landes gar 50 Prozent. Jeder zweite

Tausendfach machen kleine Geschäfte dicht, die

Jugendliche ist landesweit ohne Job. Ihr könnt

Einkaufsstraßen der Viertel werden zu Geister-

euch vorstellen, was es bedeutet, jung zu sein und

straßen. In den Hauseingängen liegen immer

ohne irgendeine Chance dazustehen. Menschen

mehr ohne Obdach. Eine neue Straßenzeitung

zwischen 20 und 30 werden komplett allein gelas-

will helfen. Volker Macke hat für bodo mit dem

sen. Die Gesellschaft hat sie wahrlich betrogen.

Redakteur Chris Alefantis (45) gesprochen.

Viele denken jetzt ans Auswandern. Griechenland ist damit wieder da angelangt, wo es in den Fünf-

bodo Herr Alefantis, was bedeutet die Finanzkri-

ziger Jahren war, als Hunderttausende nach Aust-

se für die Ärmsten?

ralien, Kanada und Amerika emigrierten.

CA Dass sie immer zahlreicher werden. Man schätzt aktuell rund 20.000 Obdachlose in Athen.

bodo Gibt es in Griechenland über das Arbeitslo-

Und die Zahlen steigen schnell. Wöchentlich

sengeld hinaus noch weitere Unterstützung?

kommen Hunderte Griechen hinzu. Diese so ge-

CA Das Sozialsystem ist kollabiert. Maximal gibt

nannten Neu-Obdachlosen sind direkte Opfer der

es – unter bestimmten Voraussetzungen – zwölf

Finanzkrise. Das sind Menschen, die vor wenigen

Monate lang die besagten 359 Euro. Danach sind

Monaten noch einen Job, ein Haus, eine Familie,

die Menschen auf sich selbst gestellt, auch die

ein Leben hatten. Die stehen nun komplett ohne

Krankenversicherung ist dann weg. Bislang kam

irgendwas da. Überall ist Verzweiflung und Wut.

traditionell der Familie eine Schlüsselrolle zu, damit besonders bedürftige Familienangehöri-

Ω „Shedia“-Redakteur Chris Alefantis.

bodo Wo finden diese Menschen Hilfe? CA Einige staatliche und private Organisationen

ge nicht verhungerten. Aber dieser Tage können

bieten Suppenküchen an, es gibt auch Obdachlosen-

mehrere Angehörige betroffen sind.

¬

unterkünfte. Wenngleich etwas zu essen zu finden

viele Familien das nicht mehr leisten, weil gleich

Obdachlos am Abluftschacht: Die

noch relativ einfach ist, sind es insgesamt deutlich

bodo Und in dieser Situation soll bald die erste

Armutsquote ist in Griechenland auf

zu wenige Einrichtungen für die steigende Zahl von

griechische Straßenzeitung erscheinen. Wie wird

verheerende 28 Prozent gestiegen.

Bedürftigen hier. Im Übrigen ist es doch sehr be-

sie heißen?

zeichnend, dass erst jetzt die griechische Regierung

CA Shedia ist ihr Name, auf deutsch „Floß”, eine

den Begriff ‚Obdachlosigkeit’ definieren lässt. Bis

Metapher. Wir wollen die Menschen mit dieser

vor wenigen Wochen noch existierten Obdachlose

Straßenzeitung vom Schiffswrack der griechi-

offiziell gar nicht, allenfalls Arbeitslose.

schen Ökonomie retten und – so unsere Hoffnung – ihnen ein wenig Sicherheit bieten. Zu Anfang

bodo Wie viele Menschen bekommen denn im Mo-

wird Shedia nur in Athen verkauft werden. Aber

ment Arbeitslosengeld?

eher früher als später wird das Projekt auf die

CA Exakte Zahlen gibt es nicht, zumal nicht jeder

anderen größeren Städte ausgedehnt.

Arbeitslose Zugang zu dieser Unterstützung hat. für ein Jahr. Erst vor drei Wochen hat die Regierung

bodo Wann kommt die erste Nummer raus? CA Am Mittwoch, 25. April, mit einer Startauflage

dies auf monatlich 359 Euro gekürzt. Davon kann

von 12.000 Exemplaren. Es kann allerdings sein,

natürlich niemand leben. Die Zahl der Arbeitslosen

dass wir den Erstverkaufstag doch noch auf einen

hat dieser Tage indes die Millionengrenze über-

Termin nach den nun geplanten Parlamentswah-

schritten. 20 Prozent ist die aktuelle Quote. Die

len verschieben.

Die, die Arbeitslosengeld erhalten, bekommen es

Chancen, in diesem verkrüppelten System einen

32

neuen Job zu finden, sind im Moment gleich Null.

bodo Wer ist wir? CA „Goal sti Ftohia“, das bedeutet frei übersetzt

bodo Betrifft das vor allem die Metropole Athen?

„Kick off poverty“. Unser Kernprojekt besteht aus

Was ist mit anderen Städten?

einer guten Handvoll extrem hingebungsvoller

CA Armut und Arbeitslosigkeit sind überall ein

Menschen. Darüber hinaus gibt es viele Freiwil-

Problem. In Patras beispielsweise sind 22 Prozent

lige. Ich selbst bin Journalist. Bei uns machen


Foto: Reuters / Yannis Behrakis

33

Architekten und Politikwissenschaftler mit, eine

rial wollen wir bei unseren offiziellen Stellen für die

Griechen seien faul und missbrauchten Europas

Sekretärin ist dabei, ein Arzt, ein Topograf, auch

Straßenzeitungsidee werben. 14 Straßenzeitungen

Geld. Laut den jüngsten Eurostat-Zahlen haben

ein Autoteilehändler hilft.

aus Europa und einige aus den USA haben uns bisher

wir eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von

unterstützt – auch bodo. Wenn jetzt noch ein paar

42,2 Stunden. Das ist mehr als in jedem anderen

bodo Gibt es Kooperationspartner? Die orthodoxe

aus Afrika oder Lateinamerika mitmachen würden...

europäischen Land. All meine Freunde und auch

Kirche vielleicht oder die halbstaatliche Klimaka?

es würde ganz wunderbar zeigen, dass wir mit einer

ich haben übrigens immer unsere Steuern bezahlt.

CA Ja, von Anfang an bewegen wir uns in einem

kleinen Zeitung eine globale Front gegen Armut und

Netzwerk von Organisationen, die alle im The-

Ausgrenzung sein können.

bodo Ende April soll voraussichtlich gewählt werden. Welches Ergebnis ist wahrscheinlich und wel-

menfeld Obdachlosigkeit und soziale Ausgrenzung arbeiten. Wir werden unterstützt vom Institut für

bodo Seriöse deutsche Debattenbeiträge zur Grie-

die Obdachlosen der Stadt Athen, kooperieren mit

chenlandkrise unterscheiden drei gesellschaftliche

CA Nea Dimokratia, die rechte Volkspartei, wird

der Caritas, mit Klimaka und der Jugendhilfeorga-

Ebenen: die normalen Griechen, die Ebene der Po-

die Mehrheit bekommen. Aber ohne Koalition wird

nisation Arsis.

litik und Administration und die nicht eben kleine

es nicht gehen. Die Sozialdemokraten der PASOK

Kaste der Superreichen. Wer trägt die Hauptschuld

sind als Partner schon ausgemacht, auch wenn

ches wäre wünschenswert?

bodo Habt ihr schon Kontakt zu Verkäufern? CA Seit Anfang des Jahres informieren wir in ent-

an der Misere?

diese viele bisherige Wähler verlieren werden. Da-

CA Zuoberst unser korruptes politisches System.

mit werden die Hauptakteure des bisherigen kor-

sprechenden Einrichtungen, beispielsweise bei den

Die Menschen hätten längst schon reagieren müs-

rupten Systems gemeinsam die Regierung stellen.

Leuten von der Straßenfußballmannschaft oder ges-

sen, keine Frage. Und zugleich: Wenn man Europa

Seit dem Fall der Junta im Jahr 1974 teilen sich

tern erst in einer Unterkunft des Roten Kreuz. Die

ehrlich als Familie ansieht, dann ist Brüssel mit in

diese beiden Parteien die Macht im Land, weil die

Reaktionen sind bisher durchweg positiv. Bei einer

die Pflicht zu nehmen. Die haben viel zu lange zu-

griechische Linke so fragmentiert ist. Dabei kann

statischen Armutsquote von 28 Prozent ist Grie-

gesehen und gewusst, dass bei uns was schiefläuft.

es doch nicht sein, dass diejenigen, die das Land

chenland auch einfach reif für eine Straßenzeitung.

Sie haben dem System der Korruption, der Gefällig-

in die Knie gezwungen haben, nun die Lösung für

keiten, der Filzokratie tatenlos zugesehen. Und im

das Land präsentieren sollen. Man sollte sie im

bodo Vor rund zwei Monaten hattet ihr beim In-

griechischen Volk selbst wollten allzu lange viel zu

Interesse der Armen und Obdachlosen lieber end-

ternationalen Netzwerk der Straßenzeitungen INSP

viele in dieses System eingebettet sein. Dabei muss

lich zur Rechenschaft ziehen. (Volker Macke)

um Unterstützung angefragt. Wie war die Reaktion?

man es bekämpfen. Das ist die eine Wahrheit.

CA Wir sind absolut begeistert. Der INSP unterstützt tungen beispielsweise gebeten, uns Informations-

bodo Und die andere? CA Es ist super frustrierend, immer wieder euro-

materialien zu schicken. Mit dem Anschauungsmate-

paweit in der Populärpresse lesen zu müssen, wir

uns in allen Bereichen. Wir hatten die Straßenzei-

33


TEIL EINES SPIELS

ANZEIGEN

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7

2

9

6

D 4

8

Alles Neu:

3

bodo schafft Chancen

Telefon 0231 – 950 978 0 Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund


35

SOZIALES | von Bastian Pütter | Foto: Euromayday Ruhr

Alles. Von allen. Für alle. Euromayday Ruhr tanzt in Bochum in den Mai „Made in Common“ ist das vielschichtige Mot-

Der Euromayday will auch eine Plattform sein

das gesamte Leben zur Arbeit geworden ist,

to des diesjährigen Euromayday Ruhr, der offe-

für Konzepte jenseits einer Bürgerbeteiligung à

dann ist dieses Leben heute prekär.“

nen und lustbetonten Maidemonstration gegen

la Bürgerforum. In „Made in Common“ schwingt

die Prekarisierung unserer Lebensverhältnisse.

schließlich auch die Idee des Gemeinsamen als

Der Euromayday will alle zusammenbringen. Die-

„Die Welt ist voller Reichtum und sie gehört

Gegenmacht mit.

jenigen mit und die ohne Arbeit, die mit zu viel

uns allen!“

und die mit zu wenig, die in der Mitte und die Und die stellt sich anders da als bei der klas-

am Rand. Für eine kämpferische Party und einen

Der Euromayday ist ein offener Zusammenschluss

sischen Maidemonstration in der Tradition der

politischen Tanz in den Mai.

einer Vielzahl von Initiativen. Das Mitgestalten

Arbeiterbewegung: „Vielen wird die Teilhabe

ist ausdrücklich erwünscht, kreative Kostüme und

verwehrt, ihre Ansprüche werden bekämpft mit

Parolen ersetzen Parteifahnen. Statt dröger Reden

niedrigen Löhnen, mit Erwerbslosigkeit, mit

und Appelle unterbrechen Interviews mit Vertre-

Ausschluss und Un-

tern politischer oder sozialer Akteure den Demons-

sicherheit, mit ih-

trationszug, der eher im Tanzschritt als im Prozes-

rer Auslieferung an

sionstrott vorwärts kommt.

den Markt. Wenn

INFO www.euromayday.noblogs.org

Im letzten Jahr liefen und tanzten 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch Dortmund, mit Zwischenstopps am Nordmarkt, an der Kneipe Hirsch-Q, die immer wieder Ziel von Angriffen Dortmunder Neonazis ist, am leerstehenden Ostwall-Museum und am Dortmunder U. Das Motto damals: „Her mit dem schönen Leben!“ Diesmal geht es am Vorabend des 1. Mai durch die Bochumer Innenstadt, um 19 Uhr startet der Zug am Südausgang des Hauptbahnhofs. Das diesjährige Motto „Made in Common“ bedeutet erst einmal „gemeinsam produziert“. Der Gedanke dahinter: „In unseren Gesellschaften entsteht Reichtum zunehmend durch immaterielle Arbeit, Wissen und Kommunikation sind zu den wichtigsten produktiven Kräften geworden, und die entstehen eben in der gesamten Gesellschaft. Wir alle produzieren den gesellschaftlichen Reichtum, doch wenige eignen ihn sich an und verknappen ihn künstlich.“ Ergebnis sind europäische und lokale Sparprogramme von Griechenland bis Bochum. Allein die Stadt Bochum will in den nächsten zehn Jahren 150 Millionen Euro durch den Abbau öffentlicher Leistungen und die Erhöhung von Gebühren und Steuern sparen. Die BürgerInnen sind aufgefordert, sich an den Kürzungsvorschlägen zu beteiligen. Im Aufruf zum Euromayday heißt es: „Unter der scheinbaren Alternativlosigkeit von Sparmaßnahmen wird jede Diskussion darüber, was ein sinnvolles Gemeinwesen wäre, erstickt.“

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36 LITERATUR | gelesen von Wolfgang Kienast

Ein splatteraffiner Teilzeitkrimi Ein Mietshaus in der Dortmunder Innenstadt.

als zweijähriger Knirps mit seinen Eltern eingezo-

umeinanderwirbeln. Die Arschkarte muss selbst-

Tiefgarage, acht Etagen, oben ein Penthouse.

gen ist. Es will ihn aber nicht nur in sich haben und

verständlich jemand ziehen, der es am wenigsten

Treppe und Lift. Das alles muss instand ge-

beschützen, es möchte ihn besitzen. Nicht ohne

verdient. So ist die Welt: ungerecht.

halten werden. Zuständig ist Josef Panke, der

Missgunst beobachtet es folglich das Privatleben

Hausmeister, Mitte vierzig, die mittlerweile

des späteren Hausmeisters, vor allem, wenn der

Will man allein den Radau betrachten, ist „Hau-

ergrauten Haare zu einem Zopf gebunden. Jo-

sich anschickt, eine Frau zu erobern. Oder umge-

se” eine bemerkenswerte Übung in Sachen „immer

sef hat einen festen Job und echte Probleme,

kehrt. Hört sich überspannt an, macht beim Lesen

feste druff“. Doch ist nicht alles nur Effekt, was

die ausnahmslos darauf zurückzuführen sind,

aber richtig Spaß und kommt

glänzt. Vielen seiner Figuren

dass er es nie geschafft hat, sich von seiner

längst nicht so spooky rüber,

gönnt DERHANK eine gebotene

Mutter zu lösen. Aber einen kleinen Hau zu

wie es vielleicht klingt.

Mehrdimensionalität und somit

haben ist hier, zwischen muffigem Keller und

Motive für Handlungen, Gründe

luftiger Dachterrasse, kein Alleinstellungs-

Für den überforderten Josef be-

für Scheitern, Raum für Erklä-

merkmal. Ganz im Gegenteil.

deutet es, neben seiner Mutter

rungen. Und in gewisser Hin-

eine weitere Instanz zu haben,

sicht gibt es sogar ein Happy

Alles im Roman läuft innerhalb des besagten

die in strenger Liebe über ihn

End für Josef und das Haus.

Hauses ab. Zwar gibt es eine Außenwelt, und was

wacht. Im Krimi ein gängiges

draußen geschieht, nimmt durchaus Einfluss auf

Motiv, wo Eifersucht herrscht,

Ein letztes Wort noch zum

das Leben der Bewohner, auf den 175 Seiten aber

sind Leichen nicht fern, lassen

Werden von „Hause” nach der

herrscht die Binnenperspektive. Dem liegt eine

die auch bei „Hause” nicht lang

Schreibwerkstatt. Um an einem

Spielregel zugrunde. Die erste Skizze zum Buch

auf sich warten. Wie mit diesen

Krimiwettbewerb

entwarf DERHANK im Rahmen einer Schreibwerk-

verfahren wird, ist nicht immer

zu können, arbeitete DERHANK

statt an der VHS Dortmund. Die Aufgabe, die den

appetitlich. Wer auf detaillierte

den Entwurf weiter aus. Die

Teilnehmern von ihrer Kursleitung gestellt wur-

Darstellungen vom Zerlegen und

Ausschreibung konnte er nicht

de, lautete, eine Geschichte aus der Perspektive

Entbeinen gut und gern verzichten kann, sollte an

gewinnen und auch der Grafit-Verlag, dem er das

eines Gegenstands zu erzählen. DERHANK wählte

den entsprechenden Stellen einfach ein paar Seiten

Manuskript anschließend schickte, lehnte ab.

ein Haus. Das ist Fundament und Clou an „Hause”.

überspringen. Wer sich, mit derart derber Kost ver-

Dort fand man Idee und Buch zwar gut, ein Krimi

Und natürlich, dass das Gebäude nicht nur die Be-

traut, nicht aus der Ruhe bringen lässt, wird auch

im eigentlichen Sinn aber sei es nicht und passe

gebenheiten schildert, an denen es selbst emo-

hier den lakonischen Humor des Autors finden.

von daher leider nicht ins Programm. Statt dessen ist „Hause” jetzt im Hamburger Acabus-Verlag er-

tional beteiligt ist, sondern auch, dass es in der Lage ist, einzugreifen, wenn es eng wird. Davon

Gnadenlos treibt DERHANK derweil den Plot vor-

jedenfalls darf ausgegangen werden.

an, welcher auf ein furioses Spektakel zusteuert,

schienen. (wk)

in dem nicht nur Josef, seine Mutter und weitere

DERHANK | Hause

Wie irre die Bewohner sind, was die nymphomane

Hausbewohner, sondern auch Polizisten diverser

Acabus Verlag | 175 Seiten, 12,90 Euro

Krankenschwester oder der schwerst adipöse Haus-

Abteilungen inklusive SEK, Feuerwehrmänner

ISBN: 978-3-86282-047-4

besitzer treiben, ist ihm relativ egal, das Haus

und Sanitäter, eine mutmaßliche Terrorzelle, ein

hegt Sympathien für Josef, von Anfang an, seit der

Pizzabote und eine Yuccapalme tornadogleich

bodo verlost 3 Exemplare (s.S. 21)

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teilnehmen


37 Fehlersuchbild – Lösung: 1) Chaplin fehlt das Bärtchen 2) und ein Fuß, 3) der Clown mit der Latzhose hat volles Haar, 4) eine Zahnlücke und 5) einer seiner Schuhe ist vorn kürzer, 6) auf der am Boden liegenden Torte fehlt eine Beere 7) und dem am Boden liegenden Clown fehlt das Ohr, 8) die Blume an der roten Weste ist hellgelb, 9) die Kappe des Harlekin hat eine Hutkrempe und 10) an seiner Faust fehlt ein Finger.

Finde die 10 Unterschiede im rechten Bild. Viel Erfolg! Rätsel-Lösung: EILBRIEF

RÄTSEL | von Volker Dornemann

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38 BODO GEHT AUS | von Alexander Greif | Fotos: Claudia Siekarski

Ein Ort, an dem Jung und Alt gemeinsam Erlebnisse machen, an dem man gemeinsam kreativ ist: Im Namen „Bullerbüdchen“ klingt die heile Welt aus Astrid Lindgrens Kinderbuchreihe über den fiktiven schwedischen Ort nicht zufällig mit.

Bullerbüdchen | Bochum An der Hattinger liegt Bullerbü an den Wänden und weiß gestrichenen Holzmö-

„Slöijdnatts“, gesellige Werkelabende aus, bei

beln aussieht wie die Postkartenvorstellung des

denen vom völligen Dilettanten bis zum Profi je-

schwedischen Hauses am See. Von der Einrich-

der mitmachen kann – Ziel ist, sich gegenseitig

tung bis zum Anstrich haben die langjährigen

zu helfen und miteinander etwas zu schaffen.

Freundinnen alles selbst restauriert und reno-

Mal wird gestrickt, mal wird genäht, gehäkelt

viert. Kinderfreundlich, wie Bullerbü nun mal zu

oder geschreinert – mitzubringen sind nur die

sein hat, gibt es eine Spielecke mit Bällchenbad,

eigenen Ideen.

Spielzeug und viel Raum für Kinderwagen. Das Geschirr ist ebenfalls nach eigenen Vorstellun-

Wem das zuviel Arbeit ist, der kann sich beim

gen gefertigt, in Auftrag gegeben bei einer so-

„Tanztee“ von 19 bis 22 Uhr ein Nach-Feierabend-

zialtherapeutischen Werkstatt. Darauf serviert

vor-Disko-Bier genehmigen und bei gedimmtem

werden sowohl kleine Speisen wie Frühstücke,

Licht und Musik den Tag abrunden oder die Nacht

aber auch verschiedene, zum Teil nach schwe-

einleiten. „Man könnte den Eindruck bekommen,

dischen Rezepten gekochte Mittagsgerichte.

dass wir hier einen reinen Familienladen führen“,

Getränke aller Art – ob Cappuccino und Chai im

sagt Annette Schmitz, „aber in unserem Ange-

Winter oder ein Pils im Sommer auf der geräu-

bot findet sich für jeden etwas.“ Das nämlich war

migen und ruhigen Terrasse – machen die Karte

die Grundidee der beiden Lindgren-Fans: Ein La-

sehr rund und komplett.

den, in dem Jung und Alt gemeinsam Erlebnisse machen können, in dem man gemeinsam kreativ

„Den Namen zu finden hat vielleicht fünf Minuten

Ganz besonders am Bullerbüdchen ist die Zwei-

sein kann. Die beiden Lindgren-Fans haben diese

gedauert“, erklären Annette Schmitz und Christine

teilung des Ladens: An das Café angeschlos-

Idee in ihrem kleinen Bullerbü auf wirklich char-

Lessmann, die sich im Oktober 2011 den gemeinsa-

sen findet sich noch eine Bastelwerkstatt, in

mante Art und Weise umgesetzt. (ag)

men Traum eines eigenen Cafés erfüllt haben. Der

der Christine Lessmann ihre Kreativität als

Namensgebung folgte ein halbes Jahr, in dem sie

Schmuck-, Mode- und Möbeldesignerin aus-

ihr Konzept ausarbeiteten, danach drei Monate Re-

lebt. Sie stellt individuelle Geschenkideen wie

novierung, und nun findet sich das Bullerbüdchen

Schmuck, Deko, Accessoires und Taschen her,

Bullerbüdchen

an der Hattinger Straße Nr. 80, dort, wo lange Jah-

restauriert alte Möbel. 20 weitere Künstler und

Hattinger Str. 80 | 44789 Bochum

re zuvor in der Altherrenkneipe „Panzergrotte“ vom

Designer stellen ebenfalls aus. „Wir würden uns

Tel. 0234 – 623 471 15

rustikalen Eichentresen aus Herrengedecke ausge-

aber selbstverständlich über noch mehr Leute

Di – Fr. von 9 – 18 Uhr | Sa. 9 – 17 Uhr

schenkt wurden. Daran erinnern nur noch einzelne

freuen, die ihre Sachen bei uns ausstellen“, so

Jeden 1. Sonntag im Monat langes

Möbelstücke und vereinzelte alte Stammgäste, die

Christine Lessmann.

Sonntagsfrühstück von 10 bis 16 Uhr

sich ab und an dorthin verirren.

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Für alle diejenigen, die gerne selbst tätig wer-

bodo verlost ein großes Frühstück für zwei

Was sie dort vorfinden, ist ein liebevoll eingerich-

den möchten, richten die beiden Heimwerke-

mit Kaffee und einer Piccolo-Flasche Sekt

tetes Café, das mit seiner roten Holzverschalung

rinnen in regelmäßigen Abständen sogenannte

(siehe Seite 21).


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LESERSEITE

bodo dankt: Sparkasse Bochum Gisela und Bernd Ammermann, Edeltraud KraskiKuehne, Oliver Stiller, Carsten Piel, Hannelore Lohmann, Christian Chammings, Hildegard Jänsch, Paul Busse, Dr. Rinnert Siemssen, Peter SchmittWittrock, Volker Schaika, Erika Maltz, Helga Rusche, Helga Ruehl, Monica Meyer, Elsemarie Bork, Peter Lasslop, Christina Kolivopoulos, Jutta und Wido Wagner, Kathrin Bohr, Marianne Linnenbank, Klara Lehmann, Sabine Raddatz, Petra DanielsenHardt, Silke Harborth, Timo Zimmermann, Hildegard Reinitz, Dolf Mehring, Harald Gering, Ute Doth-Dykgers, Annette Düe, Herbert Schwittay, Dr. Josef Balzer, Alexander Barbian-Steinfort, Michael Buddenberg, Helmut Buscha, Christian Chammings, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Fabian Fluhme, Rolf Geers, Matthias Grigo, Grünbau GmbH, Britta Richter, Manfred Kater, Almuth Keller, Jutta Kemper, Helga Koester-Wais, Birgit Kuehn, Otfried Ladwig, Nicola Steinstrass, Wulfhild Tank, Felix Zulechner, Ingeborg Schumacher, Brigitte Sonntag, Gabriele Steinbrecher, Gabriela Schaefer, Hermann Schroeder, Christoph Roeper, Susanne Mildner, Barbara Meyer, Ute Michler, Ludwig Seitz, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Karl Bonbardt, Das Grafikhaus/O. Schäfer, Ralf Finke, Michael Stange, Nicole Goralski, Jörg Gruda, Erika Janssen, Marlis Lange, Arne Malmsheimer, Wolfgang Neuhaus, Ursula Remer, Daniela Schmitz, Nadja Schramm, Rainer Stücker, Thomas Terbeck, Linda Wotzlaw, Heinz Schildheuer, Thomas Schröder, Snezka Barle, Ute Börner, Bernd Ewers, Regina Höbel, Sandra und Friedrich Laker, Heike Pannitz, Frank Siewert, Ilona Zarnowski, Rainer Biel, Udo Bormann, R. Dammer, Anita Diehn-Driessler, Christine Ferreau, Udo Greif, Rüdiger Haag, Elsbeth Heiart, Astrid Kaspar, Annette Krtizler, Ursula Machatschek, Lieselotte Markgraf, Thorsten Matern, Jutta Meklenborg, Marlies und Eberhard Piclum, Sandra Rettemeyer, Inge Schaub, Dorothea Bomnüter, Petra Bloch, Ina und Arno Georg, Edith Link, Annemarie Meiling, Christain Scheer, Roswitha Wolf, Ulrike Bornemann, Hans-Georg Schwinn, Isabell Bikowski-Gauchel, Peter Buning, A. und M. Dietz, Klaus-M. Kinzel, Annegret Malessa, Else Stockert, Christine Weber, Monika Bender, Petra Bender, Eberhard Garburg, Jutta Haring, Lieselotte Koch, Katrin Lichtenstein, Ulrike Märkel, Gerd Pelzer, Renate Krökel, Klaus Kwetkat, Stefan Meyer, Carsten klink, Thomas Olschowny, Daniela Gerull, Dieter Schibilski, Martin Scholz, Karl-Heinz Schwieger, Barbara Bokel, Sandra Wortmann, Annabell Preusler, Birgitt Kuhlmann, Dieter Zawodniak, Elisabeth Heymann-Roeder, Friederike Jansen, Dirk Schmiedeskamp, Sebastian Poschadel

Im Rahmen eines Schulprojektes sammelten Schülerinnen und Schüler der siebten Klasse der Matthias-Claudius-Schule in Bochum Geld für gemeinnützige Organisationen, unter anderem für bodo. Zur Spendenübergabe kamen sie in unsere Bochumer Anlaufstelle und erhielten Einblicke in unsere Arbeit. Vielen Dank für die Unterstützung und den unterhaltsamen Vormittag!

LESERBRIEFE Sehr geehrte Damen und Herren der bodo-Redaktion,

By the way: danke für die wirklich interessanten Bei-

ich wolllte mich noch einmal für die Konzertkarten für

träge des Magazins. Ich freue mich jedesmal auf das

das Hannes-Wader-Konzert gestern bedanken. Es war

neue Heft!!!

ganz toll, ein wunderschöner, angenehmer, entspann-

:-)) Rita Gerstenkorn

ter Abend. Ist wirklich ein toller Sänger, schön, dass es so jemanden noch gibt, der so authentisch rüberkommt und auch ernste, tiefgründige Texte schreibt. War wirklich toll! Danke vielmals! Mit freundlichen Grüßen, Sonja Rudolph

Ich fand euren Artikel „Aus der Tonne auf den Tisch“ hervorragend! Endlich mal eine Zeitung, die sich an dieses Thema heranwagt! Ich wünschte, mehr Leute würden das lesen und das Wegschmeißen von brauchbaren Lebensmitteln wird verboten! Diese Lebens-

Sehr geehrte Damen und Herren,

mittel sollten lieber Leuten gegeben werden, die sie

für bodo scheint es in Dortmund nur den Westenhellweg

gebrauchen können.

zu geben. Bei der Stellungnahme von Herrn Yetkin freut

Mit freundlichen Grüßen, Kathrin Wiedemann

er sich vor allem darüber, dass der Westenhellweg „um die Ecke“ liegt. Dieser ist aber erst hinter der Reinoldikirche und der Ostenhellweg liegt viel näher. Bei dem Bericht „Schals und Jacken gegen die Kälte“ standen Sie angeblich auf Dortmunds klirrend kaltem Westenhellweg. Diese Kirche liegt aber am Ostenhell-

Hallo zusammen, ich finde die Arbeit von bodo e.V. großartig und wünsche allen einen guten Start am neuen Standort. Werde sicherlich demnächst öfters mal reinschauen. Viele Grüße, A. Schmidt

weg! Das liegt daran, dass früher die entscheidende Kreuzung an der Südwestseite der Reinoldikirche lag und

Schreiben Sie uns Ihre Meinung!

sich später dann zur Nordostseite hin verlagerte.

bodo e.V. | Schwanenwall 36 – 38 | 44135 Dortmund

Mit freundlichen Grüßen, Eberhard Garburg

oder eMail an: redaktion@bodoev.de

CARTOON | Idee und Zeichnung: Volker Dornemann

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