bodo März 2019

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bodo DAS

03 | 19 Die besten Geschichten auf der Straße

IN STRASSENMAGAZ

2,50 Euro Die Hälfte für den Verkäufer

HARTZ IV VOR GERICHT EIN ZUHAUSE TEILEN KRIMI AUF WESTFÄLISCH

Entkoppelt: Straßenjugendliche Seite 12

MENSCHEN IM BERGBAU

Wolf Biermann Seite 36

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NUR MIT AUSWEIS

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IMPRESSUM

Herausgeber, Verlag, Redaktion: bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.: Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de 0231 – 950 978 12, Fax 950 978 20 Layout und Produktion: Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign info@lookatnoll.de Veranstaltungskalender: Petra von Randow, redaktion@bodoev.de

INHALT

Doreen Mölders

Von Max Florian Kühlem

Anzeigenleitung: Susanne Schröder, anzeigen@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Vertriebsleitung: Oliver Philipp, vertrieb@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe: René Boyke, Alexandra Gehrhardt, Peter Hesse, Wolfgang Kienast, Max Florian Kühlem, Bastian Pütter, Petra von Randow, Anastasia Safioleas, Sebastian Sellhorst, Simona Titelfoto: Daniel Sadrowski Bildnachweise: Bianka Boyke (S. 16), James Braund (S. 40), Michelle Grace Hunder (S. 41), Sascha Radke Eventpress / Deutsche Bahn Stiftung (S. 12, 13, 14), Reuters / Hannibal Hanschke (S. 16), Daniel Sadrowski (S. 3, 4, 5, 6, 18, 19, 20, 22, 30), Oliver Schaper (S. 8), Hans Scherhaufer (S. 36), Sebastian Sellhorst (S. 2, 7, 8, 9, 10, 11, 28, 32, 33, 45, 46), Shutterstock.com (S. 22), G. Simons (S. 27), Jaro Suffner (S. 25) Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien Auflage, Erscheinungsweise: 20.000 Exemplare, monatlich in BO, DO und Umgebung Redaktions- und Anzeigenschluss: für die April-Ausgabe 10. 03. 2019 Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste 03. 2018 Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Vereinssitz: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund www.bodoev.de, facebook.com/bodoev

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Die neue Leiterin des LWL-Museums für Archäologie in Herne blickt auf das Herner Mistwetter: „Archäologie studiert man auch wegen der Lust auf das Unterwegssein, der Lust auf Abenteuer. Aber ich war schon eher eine Schönwetter-Gräberin.“

Entkoppelt

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„Ich wollte das Leben genießen, ohne Regeln, ohne Zwang. Da war die Straße für mich am schönsten.“ Pinky ist einer von 20 Straßenjugendlichen, die eine Wanderausstellung durch deutsche Großstadtbahnhöfe porträtiert. Vom 11. bis 21. März ist sie in Dortmund. Von Bastian Pütter

Ein Grundrecht verhandeln

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Wenn der Hartz-IV-Regelsatz am Existenzminimum orientiert ist, wie kann er dann als Strafe für Pflichtverletzungen gekürzt oder gar ganz gestrichen werden? Diese Frage beschäftigt 14 Jahre nach Inkrafttreten das Bundesverfassungsgericht. Von Alexandra Gehrhardt

Vorstand: Andre Noll, Verena Mayer, Marcus Parzonka verein@bodoev.de Geschäftsleitung, Verwaltung: Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, verein@bodoev.de Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt, Bastian Pütter 0231 – 950 978 0, redaktion@bodoev.de Transporte, Haushaltsauflösungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln, 0231 – 950 978 0, transport@bodoev.de bodos Bücher, Modernes Antiquariat: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund: Schwanenstraße 38, 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 – 13 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Bochum: Stühmeyerstraße 33, 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr, Fr. 14 – 17 Uhr Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00 BIC: BFSWDE33XXX

Simona, bodo-Verkäuferin in Bochum Liebe Leserinnen und Leser, wenn Sie zu meinen Stammkunden gehören, haben Sie sich vielleicht gewundert, wo ich bin. Mein Verkaufsplatz ist nicht mehr in Ehrenfeld, sondern ich verkaufe jetzt in der Bochumer Innenstadt auf der Kortumstraße. Da ist eine Menge mehr los und man trifft viele Leute. Das macht den Verkauf für mich einfacher. Dafür hat man aber auch ab und zu Ärger mit Leuten, die vielleicht gar nicht verstehen, was ich von ihnen möchte. Das kommt aber zum Glück nur selten vor. Im April komme ich endlich mal wieder nach Rumänien. Ich muss meinen Pass verlängern. Dazu muss ich persönlich bei den Behörden in Galați erscheinen. Ich bin gespannt, wie gut das funktioniert. Als ich das letzte Mal dort war, musste ich fast den ganzen Tag warten, und es hat 100 Euro gekostet. Mal schauen, wie viel es diesmal wird. Wenn ich schon mal dort bin, besuche ich natürlich auch alte Freunde und bleibe ein bisschen dort. Darauf freue ich mich jetzt schon. Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit der bodo, Ihre Simona

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EDITORIAL

04 Menschen | Doreen Mölders 07 Straßenleben | Bochumer Wohnungsmarkt 08 Neues von bodo 12 Reportage | Entkoppelt 16 Das Foto 16 Recht | Tablet vom Jobcenter 17 Kommentar | Fakten sehen dich an 17 Die Zahl 18 Reportage | Krimi auf Westfälisch 22 Wilde Kräuter | Beifuß 23 Kultur | Menschen im Bergbau 24 Veranstaltungskalender | Verlosungen 29 Kinotipp | Die Kinder des Kalifats 30 bodo geht aus | Erdapfel 32 Reportage | Hartz-IV-Sanktionen vor Gericht 36 Interview | Wolf Biermann 39 Bücher 40 Reportage | Ein Zuhause teilen 43 Eine Frage… | Zugvögel 44 bodo Shop | Leserpost 45 Leserpost | Rätsel 46 Verkäufergeschichten | Dennis

Liebe Leserinnen und Leser, vielleicht kennen Sie die Frau auf unserem Titel nicht – das können Sie bereits durch einmaliges Umblättern ändern. Sollten Sie das Haus, das Doreen Mölders seit kurzem leitet, nicht kennen, ist das ein erster Ausflugstipp: Das LWLMuseum für Archäologie in Herne ist eines der in Konzeption und Gestaltung wirklich spannenden Museen der Region. Man ist übrigens vom Bochumer Hauptbahnhof in gut zehn Minuten mit der U-Bahn dort. Dass auch dieses Haus inzwischen eine Leiterin hat, freut mich – davon, wie es ist, als ostdeutsche Frau aus einer Arbeiterfamilie in Leitungspositionen zu kommen, erzählt Frau Mölders im Interview. Sonst waren wir in Bochum, Lünen und Dortmund unterwegs, es geht um Wohnen, Sanktionen, Zugvögel, Bergleute, Kartoffeln, einen Filmdreh uvm. Und wir haben auch ausnahmsweise mal Interviews vom heimischen Schreibtisch geführt: mit Wolf Biermann, der in Bochum auftrat, aber auf der Zielgerade seines neuen Erzählbands auf einem schriftlichen Interview bestand. Der streitbare Künstler mit der politischen Zickzack-Biografie liefert da ein unterhaltsames Stück sehr spezieller Biermann-Prosa ab. Ebenfalls in Hamburg haben wir unsere KollegInnen Annabel und Mauricio erreicht, deren Wanderausstellung „entkoppelt“ über Straßenjugendliche vom 11. bis 21. März die Dortmunder Bahnhofshalle zum Ausstellungsort macht. Ein zweiter Ausflugstipp, weitere folgen. Schön, dass Sie hier sind.

Ihre Meinung ist uns wichtig. S.4 4

Viele Grüße von bodo Bastian Pütter – redaktion@bodoev.de

Von Nothilfe bis Neuanfang: Helfen Sie helfen.

Jede Woche sind unsere Teams auf festen Touren durch Dortmund und Bochum unterwegs, um Wohnungslose mit „Kaffee und Knifte“, Schlafsäcken und Hygieneartikeln zu versorgen und über Hilfsangebote zu informieren. Möchten Sie uns unterstützen? Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00

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MENSCHEN

Der Gedanke ist vielleicht nicht so nett, aber irgendwie erwartet man in der Leitung eines Archäologie-Museums selbst ein Fossil. Doch dann sitzt da die erfrischend offen und jugendlich wirkende Doreen Mölders, die vor kurzem aus Chemnitz an das LWL-Museum für Archäologie in Herne gewechselt ist, und erzählt, wie sie die Clubszene aus Berlin und Leipzig in ihr Haus holen will – und für mehr Diversität sorgen. Von Max Florian Kühlem | Fotos: Daniel Sadrowski

Kein Fossil Von ihrem hellen Büro aus schaut Doreen Mölders über eine triste Dachterrasse auf das Herner Winter-Mistwetter – und scheint ganz glücklich, ein Dach über dem Kopf zu haben. „Archäologie studiert man auch wegen der Lust auf das Unterwegssein, der Lust auf Abenteuer. Aber ich war schon eher eine Schönwetter-Gräberin“, sagt sie und lacht. Faszinierende Zeiten auf großen Ausgrabungsfeldern hat sie trotzdem gehabt: In ihrer Studienzeit hatte sie das Glück, an Forschungsgrabungen auf dem Mont Beuvray teilzunehmen. Hier lag Bibracte, eine Hauptstadt der Gallier, die Cäsars Römern die Stirn bieten wollten.

„Ich liebe die Vermittlung, liebe es, komplexe Forschung an die Leute zu bringen.“ „Das war eine aufregende Zeit“, erinnert sie sich, „man ist wochenlang in einer Gruppe aus Studierenden und Archäologie-Begeisterten und gräbt die spannendsten Dinge aus.“ Schon als Kind war Doreen Mölders über die Felder gelaufen und hatte Dinge gesucht, die die Natur hervorgebracht oder die Menschen verloren oder weggeworfen hatten. In ihrem Zimmer hing ein Poster aus dem Schulheft „Weltall, Erde, Mensch“ an der Wand, das den Homo Erectus (mit einer Keule) und den Homo Sapiens (mit einer noch größeren Keule) zeigt. Ihr Interesse für Menschheitsgeschichte war also quasi immer schon da. Nicht nur ihr Weg ins Archäologie-Studium, auch der ins Ruhrgebiet folgt einer gewissen Logik: Ihre Kindheit verbrachte die heute 42-jährige Doreen Mölders im Vorharz in Sachsen-Anhalt, der auch Bergbau-Region war. Hier wurde Braunkohle im Tagebau gefördert. Ihr natürlich streng historisch-materialistischer Geschichtslehrer betrieb im Geburtsdorf Nachterstedt (heute rund 250 Einwohner) ein Heimatmuseum und zeigte seinen Schülern gern seine gesammelten prähistorischen Werkzeuge.

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Doreen Mölders aufgewachsen in Nachterstedt, Sachsen-Anhalt ging nach der Schule nach Berlin, weil das alle machten, fühlte sich letztendlich aber in Leipzig wohler promovierte Archäologin, ab 2013 Kuratorin am Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz seit 2019 Leiterin des LWL-Museums für Archäologie in Herne

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MENSCHEN

Nach Promotion und wissenschaftlicher Mitarbeit an der Uni Leipzig fand Doreen Mölders als Kuratorin an das Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz und verliebte sich buchstäblich in diese neue Berufung: „Viele wissen gar nicht, welch komplizierte Vorgänge archäologischer Wissenschaft zugrundeliegen. Ich liebe die Vermittlung, liebe es, komplexe Forschung an die Leute zu bringen.“ Erst vor etwa 20 Jahren fing man damit an, Archäologie im Museum spannend in Szene zu setzen – und das 2003 gegründete Museum in Herne war ein Vorreiter: Die Besucher durchlaufen hier in einem Rundweg 250.000 Jahre Menschheitsgeschichte und stoßen dabei eher selten auf die klassische Vitrine mit Fundstücken. Der Museumsbesuch selbst wird zum entdeckungsreichen Abenteuer, bei dem man über Stock und Stein wandert, und am Ende in einer Art Wissenschaftslabor landet. „Das Haus in Herne war ein Vorbild für das Staatliche Museum für Archäologie in Chemnitz, das auch vom Atelier Brückner gestaltet wurde – so sind sie sozusagen Geschwister und wir standen in engem Kontakt“, sagt Doreen Mölders.

„Man spürt schon, dass das Ruhrgebiet proletarisch geprägt ist, da fühle ich mich nicht so gehemmt.“

Dass sie die Herner Institution jetzt selbst leitet, hat also eine gewisse Folgerichtigkeit, ist aber trotzdem beachtlich, denn Frauen aus Ostdeutschland sind außerhalb vom Bundeskanzleramt in Leitungspositionen immer noch selten. „Die ostdeutsche Generation vor mir ist in ihren Karrieren komplett steckengeblieben“, sagt Doreen Mölders, „gerade im Bildungssystem wurden die Leitungsebenen schnell mit Westlern besetzt.“ Dass sie selbst es so schnell nach oben geschafft hat, führt sie auch auf glückliche Umstände zurück: „Meine Professorin in Leipzig und die Leiterin des Chemnitzer Museums waren Vorreiterinnen auf ihren Gebieten, bauten weibliche Netzwerke auf, die man als Gegenpol zu den immer noch starken Männernetzwerken braucht.“ Ihre Leipziger Professorin Sabine Rieckhoff brachte Doreen Mölders, die aus einer klassischen Arbeiterfamilie stammt, außerdem bei, wie man sich in AkademikerKreisen verhält. Denn spätestens seit Didier Eribons Buch „Rückkehr nach Reims“, das sie begeistert gelesen hat, weiß man, wie manifest Klassenschranken und soziale Codes in unserer Gesellschaft immer noch wirken. Doreen Mölders möchte deshalb für eine andere, eine offenere und vielfältige Gesellschaft einstehen. „Ich möchte das Thema Diversität angehen – auch was die Personalstruktur am Haus angeht“, sagt sie. Sie hat allerdings das Gefühl, dass man im Ruhrgebiet schon weiter ist als anderswo: „Ich erfahre die Gesellschaft hier als sehr offen, transparent und international. Kulturell gehört das Ruhrgebiet zu den spannendsten Regionen überhaupt – hier experimentiert man, traut sich was. Den Struktur- und sozialen Wandel kann man hier fast wie nach der Wende im Osten miterleben.“ Dann schiebt sie hinterher: „Man spürt schon, dass das Ruhrgebiet proletarisch geprägt ist, da fühle ich mich nicht so gehemmt“, und lacht. Natürlich hat die neue Leiterin auch schon neue Ideen für ihr Haus: An der Dauerausstellung will sie nicht generell rütteln. Die sei nach wie vor sehr gelungen und modern und werde nur durch auf dem Smartphone abrufbare, digitale Angebote ergänzt. Sie hat allerdings schon einige Themen für Sonderausstellungen im Kopf, die nach der bereits gesetzten zum Thema „Pest“ stattfinden könnten – zum Beispiel „Identität“ oder „Wirtschaft und Gesellschaft in der Ur- und Frühgeschichte“ (vielleicht sogar aus historisch-materialistischem Blickwinkel). Zum 20-jährigen Jubiläum im Jahr 2023 soll es ein Jubeljahr mit großem Veranstaltungsprogramm geben. Und einmal im Jahr will sie eine Technoparty im Sonderausstellungsraum veranstalten – „und das richtig gut machen, die Clubszene aus Berlin und Leipzig ins Haus holen.“

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STRASSENLEBEN

Die Mieten gehen rauf, die Zahl der günstigen Wohnungen runter – in der bundesweiten Entwicklung macht auch Bochum keine Ausnahme. Im Januar hat die Stadt die Wohnungsmarktzahlen für 2017 veröffentlicht, und die zeigen: Es sieht nicht gut aus für Menschen mit wenig Geld. Von Alexandra Gehrhardt | Foto: Sebastian Sellhorst

Ziel nicht erreicht I

m Jahr 2017 kostete der Quadratmeter Wohnraum im Mittel 6,59 Euro – 6,56 im Bestand und 9,70 Euro im Neubau; eine Steigerung um ein Sechstel seit 2014. Damit ist Bochum auf Platz drei im Ruhrgebiet, nur in Dortmund und Essen ist Wohnen teurer. Für den Wohnungsmarktbericht werden alle öffentlichen Wohnungsangebote eines Kalenderjahres ausgewertet. Die Zahlen machen deutlich: Es wird auch in Bochum zunehmend schwieriger, eine günstige Wohnung zu finden. Besonders große Familienwohnungen und kleine, günstige Wohnungen fehlen. Es gebe „weniger Wahlmöglichkeiten der Wohnungssuchenden sowie zunehmende Engpässe in der Wohnraumversorgung“, stellt die Stadt fest, der Leerstand ist auf 2,8 Prozent gesunken. Der massive Schwund an Sozialwohnungen verschärft die Situation

zusätzlich. Mittlerweile sind weniger als sieben Prozent des Wohnungsbestands öffentlich gefördert. Im niedrigen Preissegment herrscht „eine vielfältige Konkurrenzsituation von Haushalten mit niedrigen Einkommen“. Zwar wurden einige wohnungspolitische Weichen gestellt – ob die Mühen ausreichen und wann Wohnungssuchende etwas davon haben, ist offen. Die 2017 gesetzte Zielmarke von jährlich 800 neuen Wohnungen, von denen 200 öffentlich gefördert und preisgebunden sind, ist bisher nicht erreicht: Im selben Jahr sind nur 568 Wohnungen (davon 14 Prozent gefördert) fertiggestellt worden, zum Bau genehmigt wurden gar nur 490.

fentlichen Auftrag hat: Nach einem Ratsbeschluss soll die seit 2018 mehrheitlich städtische Bochumer Wohnungsgesellschaft in diesem Jahr 7,5 Millionen Euro Überschuss erwirtschaften, allein 2,1 Millionen sollen die Stadtwerke als Mehrheitseigner erhalten. Mieterverein, Linke und Soziale Liste werfen der VBW darum Mietpreistreiberei vor. Sie befürchten, dass der Überschuss durch überzogene Mieterhöhungen generiert werden soll.

Zugleich steht mit der VBW ein Wohnungsunternehmen in der Kritik, das auch in Sachen Preisgestaltung einen öf-

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NEUES VON BODO

Auf eine Shisha mit… Der junge Journalist Hüdaverdi Güngör war bereits mit seinem Dokumentarfilm „Obdachlos“ zu Gast bei bodo. Inzwischen ist er Volontär beim gemeinnützigen Recherchezentrum „Correctiv“. Dort hat er ein bemerkenswertes Projekt gestartet: Güngör ist für „Correctiv“ und das von Can Dündar gegründete Schwestermedium „Özgürüz“ über Monate durch ganz Deutschland gereist, um junge türkischstämmige Menschen „auf eine Shisha“ zu treffen. Zu den Schwerpunktthemen der Gespräche wurden Materialien für Workshops in der Schule, im Verein oder im Kulturcafé entwickelt. Auf Einladung von bodo, Planerladen e.V. und dem Jugendforum Nordstadt stellt Hüdaverdi das Projekt am 29. März mit Filmausschnitten bei einem Publikumsgespräch im bodo-Buchladen vor. Beginn ist 19.30 Uhr, der Eintritt ist frei.

TERMINE Soziale Stadtführungen Dortmund, 9. März, 11 Uhr Bochum, 16. März, 11 Uhr Anmeldung unter Tel. 0231 – 950 978 0 Auf eine Shisha mit… Publikumsgespräch mit Hüdaverdi Güngör 29. März, 19.30 Uhr bodo-Buchladen Schwanenwall 36 – 38 Dortmund „Wir wollen wohnen!“ Aktionstag, 1. April Dortmund Innenstadt 7. Tag der Solidarität Gedenken an Opfer des NSU 4. April, Dortmund 8

Aktionstag Wohnen

Gedenken

„Wir wollen wohnen!“ heißt das Bündnis aus Mieterbund, DGB, Wohlfahrts- und Sozialverbänden, das die schwarzgelbe Landesregierung auffordert, nicht mitten in der Wohnkrise wichtige Regelungen zum MieterInnenschutz ersatzlos zu streichen. Am 1. April plant das Netzwerk unter Beteiligung von bodo einen Aktionstag in der Dortmunder Innenstadt. Unter anderem sollen hier weitere Unterschriften für eine Petition gesammelt werden, die die Landesregierung zum Handeln auffordert. Am 8. Mai lädt das Dortmunder Netzwerk „arm in Arm“ zu einer Diskussionsveranstaltung mit Fachpolitikern aus Düsseldorf in das Wichernhaus in der Dortmunder Nordstadt. Mehr auf bodoev.de

13 Jahre ist der Mord an Mehmet Kubaşık durch den sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“ in der Dortmunder Nordstadt her. Nach der Selbstenttarnung der Terrorzelle gründete sich aus mehr als 20 Vereinen und Organisationen das Bündnis „Tag der Solidarität“, dem auch bodo angehört. Das Bündnis will die juristische und politische Aufarbeitung des NSU-Komplexes, die Auseinandersetzung mit rechter Gewalt und mit Ausprägungen des Rassismus in der bundesdeutschen Gesellschaft vorantreiben. Am 4. April, dem Todestag Mehmet Kubaşıks, findet eine Gedenkdemonstration statt: Sie startet um 18 Uhr am Tatort in der Mallinckrodtstraße 190. (s.S. 28)


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Unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Dortmund haben sich rund 200 gemeinnützige Vereine, Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen. Sie bieten Unterstützungsleistungen in allen Lebensbereichen an:

Kennen Sie eigentlich etwas, das in den vergangenen fünf Jahren keinen Cent teurer geworden ist? Jeden Tag sehen wir, wie Erfolgserlebnisse beim Verkauf des Magazins Kräfte freisetzen. Ein gespendeter Euro vermag das nicht. Dank Ihnen kommen stolze und selbstbewusste Verkäufer in unsere Beratung. Vielen Dank!

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NEUES VON BODO

Semester-Kollege Lutz Rutkowski studiert im vierten Semester Soziale Arbeit an der Fachhochschule Dortmund. Sein Praxissemester macht er nun bei bodo. Schwerpunkt wird die Arbeit in unserer Dortmunder Anlaufstelle sein. Lutz kennt den Verein bereits gut und freut sich, selbständig Aufgaben in unserer kleinen, etwas unkonventionellen Wohnungslosenhilfe-Einrichtung zu übernehmen. Dazu gehören die Erstberatung für Wohnungslose in der Anlaufstelle und die Angebote für Verkäuferinnen und Verkäufer. Zusätzlich wird Lutz in unserem Wohnprojekt und bei der Nachbetreuung ehemals Obdachloser mitarbeiten. Wir wünschen Lutz ein spannendes halbes Jahr.

SOZIALES Abschreckung für Berufstätige statt Vermittlung von Arbeitslosen: Hartz IV hat vor allem auf Erwerbstätige gewirkt, zeigt eine Studie der TU Dortmund und der Uni Bonn. Durch den Wegfall der Arbeitslosenhilfe waren Beschäftigte bereit, für Beschäftigungsgarantien Lohnverzicht zu üben. Die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu werden, sank um fast ein Drittel, diejenige als Arbeitsloser eine neue Stelle zu finden, stieg um nur zehn Prozent. Vor einer „grauen Wohnungsnot“ warnt das Pestel-Institut in der Studie „Wohnen der Altersgruppe 65plus“. Ab 2035 werde Deutschland „richtig alt“ und im Alter zunehmend ärmer. Die Forscher rechnen damit, dass statt 3 künftig bis zu 25 Prozent der RentnerInnen Grundsicherungsleistungen beanspruchen werden. Gleichzeitig steigen Wohnkosten weiter. Einzige Lösung sei das Ausweichen auf kleinere Wohnungen im Alter, die fehlten jedoch. Die Abschaffung des §219a ist gescheitert. Die SPD hat ihre Position verlassen und als Teil der großen Koalition einem Kompromiss zugestimmt, der das Werbeverbot genannte Informationsverbot für ÄrztInnen bei Schwangerschaftsabbrüchen aufrechterhält. Erlaubt ist zukünftig nur, auf die Tatsache hinzuweisen, dass Abbrüche durchgeführt werden. Inhaltlich informieren dürfen nur staatliche Stellen. „Bequem, aber rechtswidrig“ nennt das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen das anlasslose Abfilmen der letzten großen Demonstration gegen rechte Gewalt durch die Dortmunder Polizei am 24. September 2016. Die vollkommen friedliche Veranstaltung war trotz vielfachen Hinweisen auf den Grundrechtsverstoß durchgehend gefilmt worden. Die Anmelderin klagte und bekam Ende Februar vollumfänglich Recht.

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Kilopreise Zur Eröffnung unseres Buchladens am Dortmunder Schwanenwall hatten wir uns vor Jahren eine Aktion ausgedacht, um Aufmerksamkeit für unser modernes Antiquariat zu wecken. Zwar liegt unser Laden direkt in der Innenstadt, jedoch muss man an der Kuckelke „einmal ums Eck“. Also kündigten wir an, samstags alle Bücher von unseren Aktionstischen – sämtlich sehr gut erhaltene Taschenbücher – zum Kilopreis von 1,99 Euro anzubieten. Zu Beginn noch mit einer riesigen analogen Fleischerwaage. Die Resonanz war groß und so blieben wir einfach dabei: Inzwischen ist die Waage digital, aber noch immer gilt jeden Samstag von 10 – 14 Uhr am Schwanenwall: Darf’s ein bisschen mehr sein?


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Ansprechpartner

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Geschäftsleitung: Tanja Walter verein@bodoev.de

bodo ist für Sie da montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr zentrale Rufnummer: 0231 – 950 978 0 Mail: info@bodoev.de Fax: 0231 – 950 978 20 Besuchen Sie uns Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr Sa. 10 – 14 Uhr Stühmeyerstraße 33 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr Fr. 14 – 17 Uhr

Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit: Alexandra Gehrhardt Bastian Pütter redaktion@bodoev.de Anzeigen: Susanne Schröder anzeigen@bodoev.de Vertrieb: Oliver Philipp vertrieb@bodoev.de bodos Bücher: Suzanne Präkelt buch@bodoev.de bodos Bücher online: Gordon Smith basar@bodoev.de

Ein halbes Jahr bodo!

Haushaltsauflösungen und Entsorgungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln transport@bodoev.de Das faire Abo für 15 Euro: Ein Gutscheinheft für sechs Ausgaben des Straßenmagazins zum Einlösen direkt bei unseren Verkäufern auf der Straße.

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Danke, Bochum!

„Die besten Geschichten – nur auf der Straße.“ Unser Slogan lässt wenig Raum für Interpretation. Ein Straßenmagazin hat einen ganz besonderen „Vertriebsweg“, und zwar nur einen einzigen: Wohnungslose und Menschen in sozialen Notlagen verkaufen bodo. Keine Regel ohne Ausnahme: Eine überschaubare Anzahl bodos kommt trotzdem per Post. Wir bieten Förder-Abos an für LeserInnen, die fortgezogen sind oder nicht mehr mobil und trotzdem weiter das Straßenmagazin lesen möchten. Und wir freuen uns, wenn z.B. Arztpraxen und Kanzleien ein Praxisabo für ihren Wartebereich ordern. Sie helfen uns damit, neue Leserinnen und Leser zu gewinnen. Sprechen Sie uns gerne an.

Ganze 1.140 Euro haben der Männergesangsverein Westfälische Gussstahlglocke 1906 Bochum und die Bezirksvertretung Bochum-Mitte im vergangenen Jahr für bodo gesammelt. Sowohl beim Volksfest an den Grummer Teichen als auch bei einem Vorweihnachtskonzert im Dezember kamen Spenden zusammen, die jetzt der Sozialarbeit in unserer Bochumer Anlaufstelle zu Gute kommen werden. Den Spendenscheck konnte sich bodo-Vertriebsleiter Oliver Philipp (links) am 21. Februar in der Sitzung der Bezirksvertretung im Bochumer Rathaus von der stellvertretenden Bezirksbürgermeisterin Birgitt Beier und Vertretern des Männerchors abholen. Herzlichen Dank!

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REPORTAGE

Entkoppelt Vom 11. bis 21. März macht eine Wanderausstellung Halt in der Halle des Dortmunder Hauptbahnhofs. Auf großformatigen Tafeln zeigt sie Porträts und biografische Texte von Straßenjugendlichen. Ermöglicht wird sie durch die Deutsche Bahn Stiftung, konzipiert und umgesetzt haben sie die Journalistin Annabel Trautwein und der Fotograf Mauricio Bustamante, beide arbeiten unter anderem für das Hamburger Straßenmagazin Hinz&Kunzt. Von Bastian Pütter | Fotos: Sascha Radke, Eventpress / Deutsche Bahn Stiftung

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it zwölf habe ich schon den ganzen Tag am Bahnhof verbracht. Ich war gerne mit den Leuten da zusammen. Drei Jahre später habe ich entschieden: So will ich auch leben. Im Heim wollte ich nicht mehr sein. Auch nicht bei meinen Eltern. Ich wollte das Leben genießen, ohne Regeln, ohne Zwang. Da war die Straße für mich am schönsten.“ Der 21-Jährige, der so seine Geschichte beginnt, nennt sich Pinky, ein überlebensgroßes Profilfoto mit seinem herausgewachsenen Irokesenschnitt ist Teil der Ausstellung. Der Text erzählt von Sucht und Obdachlosigkeit, einer Therapie und einer Freundin, vom ersten Job, einer berufsvorbereitenden Maßnahme als Frisör. „Irgendwas muss ich ja machen, um ins Leben zu starten.“

20 von 37.000 Pinky ist einer von 20 Straßenjugendlichen aus ganz Deutschland, die sich von Annabel Trautwein interviewen und von Mauricio Bustamante fotografieren ließen. Es sind 20 von 37.000. So viele Jugendliche und junge Erwachsene leben in Deutschland „entkoppelt“, eine Bezeichnung, die dem britischen Begriff „Disconnected Youth“ folgt: Er bezeichnet junge Menschen, die wohnungslos sind und herausgefallen aus Familie, Schule und Arbeitswelt. Das Deutsche Jugendinstitut hat 2017 in einer groß angelegten Studie untersucht, wie die Biografien und Lebenssituationen dieser Straßenjugendlichen aussehen.

„entkoppelt“ Eine Ausstellung über junge Menschen auf der Straße Bahnhofshalle Hauptbahnhof Dortmund 11. bis 21. März Weitere Stationen: Dresden, Nürnberg, Mannheim, Aachen

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REPORTAGE

Der erste Befund: „Straßenkinder“ sind es in der Regel nicht. Der Anteil der Unter-14-Jährigen liegt bei weniger als einem Prozent. Ein Drittel der Betroffenen ist hingegen 18 oder 19 Jahre alt. Ein deutliches Zeichen dafür, dass es auch um ein Scheitern an „Übergangsanforderungen“ geht: „Care leaver“ heißen neudeutsch die jungen Erwachsenen, die volljährig die Systeme der Jugendhilfe – zum Beispiel ihre Wohngruppen und Pflegefamilien – verlassen und den Übergang in ein eigenständiges Leben bewerkstelligen müssen. Wo das misslingt, türmen sich alte und neue Probleme: schwierige familiale Bedingungen, von Brüchen gekennzeichnete Bildungs- und Ausbildungsverläufe, gesundheitliche Beeinträchtigungen, Suchterfahrungen, Obdachlosigkeit. Bei zwei Dritteln der Unter-18-Jährigen ist die Herkunftsfamilie Hauptauslöser für Straßenkarrieren, an zweiter Stelle nennen die Betroffenen Jobcenter und Jugendamt als Auslöser, später kommen vor allem persönliche Gründe dazu.

„Sie meistern enorm viel.“ In der Ausstellung beschreibt der 20-jährige Locke den Schritt aus der Sicherheit der Jugendhilfe: „Als Jugendlicher war es noch einfach, mal hier und mal da zu pennen. Die Klamotten waren ja sicher in der WG. Als Erwachsener musst du alles mit

Rechts: Autorin Annabel Trautwein (Mitte) und Fotograf Mauricio Bustamante gemeinsam mit den Protagonistinnen Miep (mit Hündin), Ronja und Ela beim Auftakt der Wanderausstellung im vergangenen November in Berlin. Im März kommt sie nach Dortmund.

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dir rumschleppen. Manchmal fühle ich mich wie so ‘ne Schnecke, wo jeden Moment jemand drauftritt und dann ist wirklich alles vorbei.“ „Wir haben wenig weggelassen“, sagt die Journalistin Annabel Trautwein im Hinblick auf die zum Teil drastischen Schilderungen der Jugendlichen. „Im Einzelfall haben wir uns mit den Leuten verständigt, dass es besser ist, sie anonym darzustellen. Ich denke da etwa an die Geschichte einer jungen Frau, die mit 12 oder 13 angefangen hat, Heroin zu nehmen, sie heißt Mia.“ Mia ist inzwischen substitutiert, nimmt ein Ersatzmedikament und kein Heroin mehr. Sie hat eine Tochter, die in den Kindergarten geht. Es gehe jedoch in den Erzählungen der Jugendlichen gar nicht vorrangig um das Erlittene oder um die Belastungen eines Lebens auf der Straße. „Im Vergleich zu den meist älteren Wohnungslosen, mit denen wir bei Hinz&Kunzt zu tun haben, befinden sich die jüngeren Leute an einem ganz anderen Punkt“, vergleicht Annabel Trautwein. „Sie entwickeln gerade ein Verhältnis zur Welt. Es geht auch darum, die eigene Freiheit zu entdecken und auszuprobieren: ,Ich krieg das erstmal alleine hin.‘“ Natürlich erlebten sie die anstrengenden und leidvollen


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Erfahrungen auf der Straße nicht als Abenteuertrip, „aber sie sehen sich nicht als Gescheiterte, sondern laufen mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein durch die Stadt. Sie trauen sich viel zu und sie meistern enorm viel.“

Apropos Vertrauen: Vor allem der Kontakt zu Ronja und dem 24-jährigen Fettii, der auch Teil der Ausstellung ist und sich wie Ronja bei „MOMO“ engagiert, war für die beiden Ausstellungsmacher ein Türöffner, sagt Straßenzeitungsfotograf Mauricio Bustamante. „In Hamburg, wo ich lebe, konnte ich einfach Leute auf der Straße ansprechen, viele kannten mich“, erinnert er sich. In anderen Städten verhalf dann das Weitertragen innerhalb des Netzwerks zu einem Vertrauensvorschuss – und auch zu Kontakten nach Dortmund. Auch, weil die Ausstellung auch das Ziel hat, für das zu werben, was schon die Studie des Deutschen Jugendinstituts als Schlüssel identifiziert hatte: Wohnraum für junge Menschen, Arbeit, die den Selbstwert stärkt, und verlässliche Anlaufstellen. Annabel Trautwein: „Unsere Erfahrung ist, dass in vielen Städten Einrichtungen wie etwa der ,Raum 58‘ in Essen fehlen, von dem uns viele Jugendliche erzählt haben: kein Ort, wo einen die Polizei abliefert und wo man dann wartet, bis eine Pflegefamilie oder ein Obdachlosenheim gefunden ist. Sondern eine Einrichtung, wo es ein Bett und ein Essen gibt und Hilfe, wenn man es möchte, aber nicht den Zwang, der kontraproduktiv wirkt bei Leuten, die ohnehin schon viel zu viel Zwang erlebt haben.“

30.3.– 22.9.2019 | HMKV im Dortmunder U

Die 21-jährige Ronja hat bereits mit 16 ihre Tage am Bahnhof verbracht, heute teilt sie sich mit einem Freund eine eigene Wohnung. „Früher habe ich bei anderen auf der Couch geschlafen, heute kann ich selbst Leute aufnehmen“, erzählt in der Ausstellung der Text neben ihrem selbstbewussten Porträt mit dem auffälligen Hals-Tattoo, einer Weltkarte. Ihren Bundesfreiwilligendienst machte sie bei der Selbsthilfeorganisation „MOMO“, die auch die jährliche Bundeskonferenz der Straßenkinder ausrichtet. „Es kommen oft Menschen zu mir, die Hilfe brauchen“, erklärt Ronja im Text. „Kein 16-Jähriger hat Bock, draußen zu pennen bei Minusgraden. Aber den staatlichen Stellen trauen viele nicht mehr.“

Über Rechtspopulismus im Netz

Konferenz der Straßenkinder

ALT–RIGHT KOMPLEX

Die Ausstellung wird so zu einer Plattform für eine Stärke, von der der Rest der Gesellschaft oft wenig wissen will. Die Jugendlichen, die sich am Bahnhof oder anderswo im öffentlichen Raum aufhalten, kommen selten ins Gespräch über ihre Situation, sondern erleben stattdessen viel Verachtung, sagt Annabel Trautwein. „Beschimpft zu werden macht wütend und traurig. Teil der Ausstellung zu sein ist für viele ein Statement: ,Seht her, so lebe ich, deshalb lebe ich so. Ich bin übrigens noch nicht abgeschrieben, ich habe Pläne und Träume.‘“

HMKV.de

Der

Fotograf Mauricio Bustamante sieht das ähnlich: „Mich berührt, was für starke Persönlichkeiten ich getroffen habe. Sie kämpfen jeden Tag – mit Drogenproblemen, mit Alkoholproblemen, mit Liebesproblemen –, sie müssen sich jeden Tag neu organisieren, und sie sind voller Hoffnung.“

in Kooperation mit

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DAS FOTO

Die von der 16-jährigen Schwedin Greta Thunberg angestoßene Protestbewegung „Fridays for Future“ (Freitage für die Zukunft) ist zu einem weltweiten Phänomen geworden. Wie hier in Berlin protestieren SchülerInnen an Freitagvormittagen für eine nachhaltige Klimapolitik: „Wenn auch die nächste Generation noch auf diesem Planeten leben soll, muss das absolute Priorität der Politik werden“, sagt Lena, 16, Sprecherin der Dortmunder Proteste. „Wir ziehen die Notbremse. Solange die Politik nicht ihre Aufgabe erfüllt, werden wir unsere nicht erfüllen und freitags nicht in die Schule gehen.“ Foto: Reuters / Hannibal Hanschke

RECHT

Jobcenter muss iPad als Schulbedarf zahlen Von René Boyke Rechtzeitig zum Durchbruch des Digitalpakts entschied das Sozialgericht Hannover (S 68 AS 344/18 ER) im einstweiligen Rechtsschutz, dass Jobcenter für den Schulunterricht benötigte Tabletcomputer für Empfänger von SGB-II-Leistungen zu zahlen haben. Die Schule einer 13-jährigen Schülerin hatte Schulbücher durch iPads ersetzt und verlangte, dass die Schüler auch Aufgaben auf einem solchen Gerät bearbeiteten. Also bean-

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tragte die Schülerin beim zuständigen Jobcenter die Übernahme der Kosten für das 370 Euro teure Gerät. Das Jobcenter lehnte aber ab und verwies darauf, dass jährlich pauschal 30 bzw. 70 Euro für Schulbedarf gewährt werden würden. Dagegen wehrte sich die Schülerin. Auch dann fiel dem Jobcenter offenbar weder auf, dass dieser Schulbedarf für das Gerät bei Weitem nicht ausreichte, noch dass das iPad absolut zwingend erforderlich war,

und wies den Widerspruch zurück. Außerdem merkte es allen Ernstes an, dass für das Gerät ja auch Schulden aufgenommen werden könnten. Das muss das berühmte „Fördern“ in der Parole „Fördern und Fordern“ sein. Abgesehen davon, dass Ratenkäufe aufgrund der anfallenden Zinsen stets teuer sind, muss man sich fragen, über welche mathematischen Erkenntnisse das betreffende Jobcenter verfügt, wenn es glaubt, dass 370


KOMMENTAR

Fakten sehen dich an Von Bastian Pütter Statistik ist die Lehre vom Umgang mit Daten. Wie das geht, lernt man in Deutschland nicht in der Schule, also im Zweifel nie. Wie störrisch die Hiesigen da sind, verrät das allgegenwärtige Churchill-Zitat, sobald „die da oben“ mit Zahlen kommen: „Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe.“

Polizeiliche Kriminalstatistik

Das Zitat kennt man allerdings nur in Deutschland, es wurde 1940/41 in Goebbels‘ Reichspropagandaministerium erfunden. Wollte man den echten britischen Kriegspremier zitieren, könnte man grummeln: „You must look at facts because they look at you.“ – Schau auf die Fakten, denn sie sehen dich an. Womit wir wieder vor der eigenen Haustür wären: Hurra, die PKS ist da. Die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik ist der Versuch, Kriminalität zu messen, indem sie die bei der Polizei angezeigten Straftaten zählt. Im Grunde ein Arbeitsnachweis der Polizeien, in vielerlei Hinsicht problematisch, aber immerhin. Was die aktuellen Auswertungen für unsere Städte zeigen, wäre in den guten alten Zeiten (vor 2015) ein Grund zu feiern gewesen: In der sichersten aller Epochen, in einem der sichersten Länder der Welt wächst die Sicherheit (als Abwesenheit von erfasster Kriminalität). In Bochum, Herne und Witten ist die Zahl der erfassten Straftaten so niedrig wie zuletzt 1990, bei der Straßenkriminalität sind es die niedrigsten Zahlen seit zehn Jahren. In Dortmund und Lünen hat sich die Zahl der Wohnungseinbrüche seit 2015 halbiert, ähnliches gilt beim Straßenraub. Das könnte man zur Kenntnis nehmen und mit der notwendigen Kritik an Dunkelfeldern, Erfassungsproblemen und einer schon fiktiven Aufklärungsquote, vor allem aber an rechtlichen Grauzonen und am politischen Programm der Polizeien weitermachen. Angesichts der Aggressivität, mit der sich seit der „Flüchtlingskrise“ das Irrationale in Deutschland Bahn bricht, wäre es aber prima, erst einmal für einen faktenbasierten, rationalen Weltzugang einzustehen. Nein, „Messermänner“ zu brüllen und eine „Meinung“ zur Kriminalitätsentwicklung zu haben, ist nicht genauso viel wert wie eine aufwendige, standardisierte Erhebung, auch wenn sie Fehler hat. Es wäre schön, wenn der weiter irrlichternde Innenminister da mitmachen würde. Mitte Februar präsentierte Reul im Innenausschuss eine apokalyptische Auswertung des Langzeiteinsatzes im Hambacher Forst: „Über 1.500 Einsätze“ habe die Polizei in vier Monaten gegen eine „gewalt- und zerstörungsaffine Straftätergruppe“ geführt. Zählt man nach, sind es 56. You must look at facts.

Euro mal eben aus einem Regelbedarf bestritten werden könnten, der gemäß dem Bundesverfassungsgericht „gerade noch“ verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Wenig überraschend erteilte das Sozialgericht dem Ansinnen des Jobcenters daher eine Absage und stellte klar, was sich bei einem Blick ins Gesetz eigentlich unmittelbar aufdrängt: dass es sich um einen unabweisbaren Bedarf handelt, für den der Regelbedarf

DIE ZAHL

3.804 Verträge mit Unternehmensberatern hat die Bundesrepublik seit 2014 abgeschlossen. Der Staat zahlt Firmen wie McKinsey oder Roland Berger rund 3 Milliarden Euro jährlich.

evident unzureichend ist. Ebenfalls wies das Gericht das Jobcenter auf die Selbstverständlichkeit hin, dass der Pauschalbetrag nicht für derartige Anschaffungen gedacht sei, sondern für persönlichen Bedarf wie Füller, Kugelschreiber, Radiergummis etc. Das Jobcenter wurde verpflichtet, die Kosten für die Anschaffung des iPads zu übernehmen.

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REPORTAGE

Krimi auf Westfälisch Mit viel Do-It-Yourself-Mentalität und Kreativität dreht der Verein „Abgedreht!“ in Lünen eigene Filme. Seit 2014 lässt die Filmcrew das von ihnen erschaffene Ermittlerduo Wiesel und Brandt verzwickte und kuriose Kriminalfälle lösen, gerade entsteht die fünfte Geschichte „Zwei Gesichter“. bodo durfte den Filmemachern einen Drehtag lang am Set über die Schulter schauen. Von Peter Hesse | Fotos: Daniel Sadrowski

„Zwei Gesichter“ feiert am Sonntag, 14. April, Premiere im Cineworld Lünen. Der Film beginnt – in allen fünf Kinosälen – um 11 Uhr, vorher lädt „Abgedreht!“ um 10 Uhr zum Sektempfang ins Kinofoyer.

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N

och ist es geschäftig am Set, die nächste Szene steht gleich an. Ein bunt gemischtes Team läuft durch den Bürotrakt im historischen Stadtkern Lünens. Die Büroräume, die die Filmcrew dank guter Kontakte nutzen kann, sind für den heutigen Dreh zu einer Polizeiwache umgestaltet worden. Requisiten, Aktenordner oder Papierblöcke mit NRW-Logo zum Beispiel gab es von der Polizeischule Selm als Leihgabe. Aufgeregtheit mischen sich mit Adrenalin und Hektik – und Konzentration. Denn wenn gleich die Kamera läuft, müssen die Szenen hundertprozentig sitzen.

„Ruhe bitte.“ „Wir machen das vor allem, weil wir superviel Spaß an der Sache haben.“ Das sind die Worte von Jan N. Schmitt, der in „Zwei Gesichter“ nicht nur mitspielt, sondern auch als Projektleiter für das knapp 20-köpfige Unternehmen verantwortlich ist. Und das Drehbuch hat er auch noch mitentwickelt. „Ursprünglich haben wir uns 2014 aus dem

„Wir machen das vor allem, weil wir superviel Spaß an der Sache haben.“ Theaterprojekt ‚Typisch Lünen‘ entwickelt. Wir haben uns sehr gut verstanden, waren eine gute Truppe – dann kam die Idee, weiter in Richtung Film zu gehen.“ Seit 2017 ist „Abgedreht! Filmcrew Lünen“ ein eingetragener Verein. Plötzlich heißt es „Ruhe bitte“. Mit lautem und energischem Tonfall sorgt Regisseurin Gaby Dengel-Lorenz für maximale Aufmerksamkeit für die nächste Szene. Das Licht wird überprüft, doch kurz darauf muss die Filmkamera von Gero Brötz abbrechen, weil es ein Problem mit dem Ton gibt. So entsteht eine kurze Pause. „Wenn wir gleich weitermachen, schaltet bitte auf Flugmodus bei euren Handys“, ermahnt uns Regisseurin Gaby – und natürlich tun wir das. Der Ton ist eine hochsensible An-

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REPORTAGE

gelegenheit, kleine Störgeräusche können viel vermasseln – und was einmal auf der Tonspur aufgenommen ist, lässt sich später auch nicht einfach herausschneiden. Dann müssten einzelne Szenen noch einmal komplett nachgedreht werden.

am Set führt sie mit eiserner Disziplin Regie. Dazu kümmert sie sich um die Requisite und darum, dass genügend Schauspieler vor der Kamera stehen.

Zusätzlich ist bei Gaby die Anspannung hoch, weil sie mehrere Rollen gleichzeitig zu verwalten hat. Als Kassiererin ist sie verantwortlich für Förderanträge und Finanzen,

Produziert wird bei dieser bunt zusammengewürfelten Truppe mit viel Engagement, Kreativität, Spaß und Herzblut. „Eigentlich wollen wir das klassische Mainstream-Pu-

„Im Prinzip ist es Crime-Comedy“

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blikum mit unseren Filmen bedienen. Wir gestalten aber auch alles gerne ein bisschen skurril“, beschreibt Jan die Ausrichtung der Filme. „Im Prinzip ist es Crime-Comedy, aber natürlich gibt es bei uns auch ernsthafte Momente. Wenn man einzelne Szenen spielt, und wir merken dann im Dreh: Nein, das wirkt jetzt gar nicht, wie wir das im Drehbuch erdacht haben, dann ändern wir das auch noch einmal um“, erklärt er. „Wir haben in einem früheren Film mal bemerkt, dass manche Dialoge zu statisch waren. Das wollten wir dann ändern und haben geschaut, wie das bei anderen Filmproduktionen läuft. Da haben wir uns von allen möglichen Filmen inspirieren lassen.“ Wenn es überhaupt ein Film-Dogma gibt, dann ist es der lokale Bezug: „Wir drehen fast ausschließlich in Lünen und im Umland. Kürzlich haben wir im Lüntec etwas abgefilmt, das ist das hiesige Technologieund Wirtschaftszentrum.“

Bekannte Orte, kauzige Figuren Von der Drehortsuche bis zur Postproduktion sind alle Arbeitsphasen eines Filmes der „Abgedreht“-Crew eng miteinander verflochten. Das „Grundteam“ besteht aus vier Leuten: Regisseurin Gaby, Jan als Projektleiter und Allrounder, Schauspieler Kevin Tigges und Kameramann Gero Brötz, die vom ersten Drehbuch-Entwurf bis zur Postproduktion alles organisieren. „In dieser Viererrunde schauen wir dann auch den ersten Rohschnitt an und überlegen uns im Team, was noch zu verbessern wäre. Meis-

tens gibt es dann doch noch eine lange Liste mit Änderungsvorschlägen – aber wir verstehen uns gut, richtigen Ärger haben wir fast nie.“ Wenn der Film dann fertig ist, wird es eine erste Vorstellung im Lüner Jugendzentrum Lükaz geben. Jan erklärt: „Die ist ziemlich intern gehalten, also mit dem Kamerateam und den Schauspielern. Die große Premiere findet dann in der Cineworld in Lünen statt.“

weiter entwickeln“, so erklärt Jan weiter. Seit dem Jahr 2016 zeigt die Filmcrew ihre Streifen auf dem Filmfest in Lünen, wo man dann auch schon mal größeren Stars begegnet. „Ich habe dort mal den Schauspieler Ludger Pistor kennengelernt“, erinnert sich Jan. „Es wäre toll, wenn wir einen Prominenten aus dieser Riege auch mal für einen unserer Streifen verpflichten könnten, aber bislang hat das noch nicht geklappt.“

Mit Kriminalkommissar Malte Brandt und Privatdetektiv Tom Wiesel hat „Abgedreht!“ zwei Figuren mit viel Lokalkolorit geschaffen, die schon mal an die ARD-Krimiserie „Mord mit Aussicht“ oder den Münsteraner Tatort erinnern. Der eine ist ein ordnungsliebender, zurückhaltender Kommissar, der andere ein chaotischer Privatermittler mit einem vorlauten Mundwerk. Als ungleiches Duo, das natürlich in der langen Tradition von ZDF-Oberinspektor Stefan Derrick und Harry Klein steht, ermitteln die beiden gemeinsam in Sachen Mord. „Wieselflink & Brandtgefährlich“ haben die Filmer die Krimireihe genannt. „Dennoch finde ich, dass unsere Charaktere doch ziemlich individuell und eigen ausstaffiert sind“, ergänzt Jan.

Im aktuellen Fall „Zwei Gesichter“ klären die fiktiven Ermittler den Mord an Richard Kühn auf. Der Ermordete war Geschäftsführer eines Unternehmens für Luxus-Toilettensitze. Dabei tauchen viele ungewöhnliche Fragen auf. Und so ganz nebenbei haben die zwei auch noch privat so einige Probleme zu lösen. So viel ist sicher: Es wird spannend, wenn am 14. April in allen fünf Sälen der Cineworld Lünen die Projektoren starten.

Das Kriminal-Duo lebt von seiner gleichermaßen akribischen wie forschen Vorgehensweise – und macht so schließlich den Täter dingfest. „Wir haben schon recht genaue Vorgaben, deswegen legen wir viel Wert auf ziemlich genaue Drehbücher. Dennoch lernen wir viel bei jeder Produktion. Ich bin froh, dass wir uns Schritt für Schritt

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Unsere monatliche Exkursion in die urbane Welt der wilden Kräuter. Mit nützlichen Informationen, pointierten Fußnoten, vielen Geschichten – und immer einem originellen Rezept. Von Wolfgang Kienast

BEIFUSS (4)

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A REZEPT 150 g Beifußgelee (Rezept aus unserer letztjährigen Septemberausgabe) mit 2 TL Haselnussöl, 1 TL BalsamApfelessig und 1 Prise Salz verrühren. In dieser Marinade 400 g in Würfel geschnittenes Hähnchenbrustfilet für etwa vier Stunden zugedeckt im Kühlschrank ziehen lassen. Anschließend 200 g fein gehackte Schalotten in Butter glasig dünsten. Zum marinierten Hähnchenfleisch geben, gut verrühren und eine halbe Stunde im vorgeheizten Backofen bei 180° C garen lassen. Als Beilagen eignen sich Rapunzel und Quinoa.

uf dem falschen Fuß erwischt. Kaum, dass ich entschieden hatte, Ihnen per Wildkräuterkolumne beifußmarinierte Hähnchenbrust schmackhaft zu machen, verbreitete sich eine ziemlich abstoßende Nachricht. Bei kürzlich durchgeführten Untersuchungen nämlich wurden in mehr als jeder zweiten Hähnchen-Frischfleischprobe üble Durchfallerreger nachgewiesen. Angeblich war das 2011 bei erst 40,9 Prozent aller feilgebotenen Federtiere der Fall. Aber mal ehrlich, selbst auf dem Level wäre die Trefferquote höher als man sie haben möchte. Die Vegetarier unter Ihnen dürfen sich wieder mal auf der richtigen Seite wähnen und nebenstehendes Rezept in eine Tofuvariante transformieren. Fleischesser müssen wohl oder übel die Tatsache akzeptieren, dass die Durchfallwahrscheinlichkeitsmeldung einer glaubhaften Verlautbarung der Bundesregierung auf eine schriftliche Anfrage des Grünen-Fraktionschefs Anton Hofreiter folgte. Immerhin gibt auch Hofreiter freimütig zu, selbst kein Vegetarier zu sein. Als Autor des Buches „Fleischfabrik Deutschland: Wie die Massentierhaltung unsere Lebensgrundlagen zerstört und was wir dagegen tun können“ weiß er Fleisch und Wurst durchaus zu schätzen, vorausgesetzt, sie stammen aus artgerechter Haltung. Die jedoch ist gerade in der Geflügelbranche rar. Vor nicht allzu langer Zeit informierte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Zahl der entsprechenden Betriebe sei seit 1994 von etwa 70.000 auf 4.500 zurückgegangen. Grund ist, dass sich der Gewinn pro gezüchtetem Tier im Centbereich bewegt. Die Folge sind neben großen Betrieben auch niedrige Standards. Angeblich regelt der Markt ja alles. Glauben macht selig. Oliver Schlaudt ist

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Wirtschaftsphilosoph. Als freier Autor stellte er in der „Zeit“ unlängst fest: „Misst man den Grad der ‚Marktintegration‘ einer Gesellschaft durch den Anteil der Kalorien, die von den Konsumenten nicht selbst erzeugt, sondern durch Kauf hinzuerworben werden, so kommt man für eine westliche Industriegesellschaft ziemlich genau auf 100 Prozent.“ Seit ich das gelesen habe, macht es mir noch mehr Spaß, mit Wildkräutern zu kochen. Und dann ein Löffelchen für Adam Smith, ein Löffelchen für Christian Lindner… Zumindest symbolisch funktioniert das, denn faktisch tendiert der Kaloriengehalt von Beifuß & Co. wohl gegen Null. Und bitte, achten Sie beim Kochen darauf, dass die Hähnchenbrust auch wirklich gar ist.

Der Name Beifuß wird vom althochdeutschen Verb für „stoßen, schlagen“ abgeleitet. Der Zusammenhang ist unklar, gegebenenfalls besteht er darin, dass die Blätter zur Verwendung gestoßen wurden oder aufgrund der ihnen nachgesagten abstoßenden Wirkung auf dunkle Mächte. Die volksetymologische Umdeutung zu Fuß steht in Zusammenhang mit einem Aberglauben, wonach Beifuß beim Laufen Ausdauer und Geschwindigkeit verleihen würde.


KULTUR

Digitaler Gedächtnisspeicher Zeitzeugen sind wichtige Informanten. Sie können aus erster Hand berichten. Doch irgendwann wird auch der letzte dieser Zeugen verstorben sein. So auch in puncto Bergbau. Das Projekt „Menschen im Bergbau“ in Bochum bewahrt repräsentative Stimmen davor, vergessen zu werden. Von Wolfgang Kienast

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„Menschen im Bergbau“ 1973, mit Schließung der Zeche Hannover, verabschiedete sich der Bergbau aus Bochum. In Dortmund endete die Ära anno 1987 mit der Stilllegung von Minister Stein. Das heißt, eine Generation wuchs in diesen Städten bereits ohne unmittelbaren Kontakt zum Montanwesen heran. Es war ein langsamer Prozess, der zum unaufhaltsamen Ende des Ruhrbergbaus führte. Geräuschlos war er nicht. Die Montanindustrie war identitätsstiftend für die Menschen im Ruhrgebiet – und offenbar wird noch immer entsprechend empfunden. Groß war in der Folge die Anteilnahme, als im vergangenen Dezember mit der Bottroper Zeche Prosper-Haniel das letzte von einst 140 Steinkohlebergwerken im Revier geschlossen wurde. Unüberhörbar war der Aufschrei, als sich der „Tatort“ ein gerüttelt Maß an künstlerischer Freiheit nahm, die Kohlekrise

fernsehkrimitechnisch auszuschlachten. Darüber hinaus liegen Emotionalität und Kitsch sowieso dicht beieinander, wenn es gleichwertig wird, eine Kuckucksuhr, einen Bembel oder eine Grubenlampe als Souvenir zu erstehen. Vor diesem Hintergrund wirkt das Projekt „Digitaler Gedächtnisspeicher – Menschen im Bergbau“ unaufgeregt sachlich. Das Team um die Historiker und Kulturwissenschaftler Stefan Moitra, Jens Adamski und Katarzyna Nogueira führte in den vergangenen Jahren mit mehr als achtzig Personen, in deren Biografien die Montanindustrie eine wesentliche Rolle spielte, oft mehrstündige Interviews. Einige ihrer Protagonisten verbrachten ihr Leben in direktem Kontakt zum Bergbau, andere wurden durch die einschlägige Ausbildung geprägt und gingen später andere Wege. Überhaupt zielte das Team bei der Auswahl der Gesprächspartner darauf ab, möglichst vielen Perspektiven Raum zu geben; berücksich-

tigt wurden Aspekte wie Altersstruktur, Nationalität, Geschlecht oder Rang. Auszüge aus den gefilmten Interviews sind seit Juli 2018 im Netz abrufbar. In ihrer Gesamtheit vermitteln sie ein aufgefächertes Bild der Entwicklung vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die Gegenwart. Sie erlauben spannende, teils sehr persönliche Einblicke in eine Welt, von der in der allgemeinen Erinnerung kaum mehr als Klischees zu bleiben drohen. Wer tiefer einsteigen möchte, beruflich oder privat, dem bietet das Archiv im Haus der Geschichte des Ruhrgebiets die Möglichkeit, die Interviews in ganzer Länge zu nutzen – im Videoformat oder transkribiert. Für die Forscher beginnt jetzt mit der wissenschaftlichen Auswertung des Materials die nächste Stufe des Projekts, das von der Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets in Kooperation mit dem Deutschen BergbauMuseum Bochum ermöglicht wurde.

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Kalender 03 & 04 | 2019

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Hinweise zum Datenschutz: Eine Weitergabe der Daten an Dritte erfolgt grundsätzlich nicht, mit Ausnahme an den jeweiligen Veranstalter (zum Beispiel, um Ihren Namen auf die Gästeliste zu setzen). Sie erhalten ca. einmal jährlich postalisch Informationen zu den Aktivitäten unseres Vereins. Dem Erhalt können Sie jederzeit widersprechen. Eine weitergehende Datenverarbeitung oder Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Weitere Hinweise zum Datenschutz entnehmen Sie unserer Homepage unter www.bodoev.de.

FR 08 | 03 | 19 Show | Klein aber Oho! Moderator Erasmus Stein ist ein echter Wirbelwind, der u.a. aus den TV-Formaten NightWash, Fun(k)haus und Quatsch Comedy Club bekannt sein dürfte. In der neuen Frühjahrsshow „Klein aber Oho!“ trifft Erasmus Stein auf beeindruckende Akrobaten und stellt mit ihnen die Realität auf den Kopf. Mit dabei sind Roman & Slava (Stepptanz & Comedy), Geraldine Philadelphia (Ringjonglage), Jenny Kastein (Drahtseil), Duo Ice (Partnerakrobatik), DB-Art (Flying Pole) und Gruppe Wild (Handvoltigen). www.variete-et-cetera.de Varieté et cetera, Bochum, 20 Uhr Anzeige

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Die Verlosungsteilnahme ist ganz einfach: Schicken Sie Ihren Wunschgewinn mit Name, Telefon, Adresse und dem Betreff „Verlosung“ an redaktion@bodoev.de oder auf frankierter Postkarte an bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund. Teilnahmeschluss ist jeweils drei Tage vor der Veranstaltung. Bei mehreren Teilnehmern entscheidet das Los. Die Teilnahme ist ab 18 Jahren möglich.

SA 09 | 03 | 19 Musik | Tim Fischer Tim Fischer und sein Pianist Thomas Dörschel erlauben sich eine musikalische Rolle rückwärts. Aus früheren Programmen fischen sie die schönsten Chanson-Perlen und kreieren einen wilden Mix, der einmal mehr die Magie und Zeitlosigkeit dieser Lieder unter Beweis stellt. Konzerthaus Dortmund, Dortmund, 20 Uhr

SO 10 | 03 | 19 Ausstellung | Camping im U Camping trifft Kultur. Nein – Camping ist Kultur... und Abschalten eine hohe Kunst.

Hier bin ich Mensch, hier brennt der Grill, die Wiese lädt zum Verweilen und der Blick schweift auf die benachbarten Zelte. Einfach mal nichts tun. Na gut – wer will, geht an den Grill, wer nicht grillt, macht ein Bild in einem fernen Land oder spielt mit den Händen im magischen Sand. Am Lagerfeuer sitzt man dann, darf schweigen, reimen oder dem Rauschen des Meeres lauschen. Eintritt frei, Klappstühle vorhanden. Bis 7. April U2 im Dortmunder U, 11 – 18 Uhr

DI 12 | 03 | 19 Lesung | Jan Wehn & Davide Bortot Rap hat seine eigene Sprache, seine eigene Industrie, seine eigenen Stars hervorgebracht. Und er hat, tatsächlich, eine Geschichte zu erzählen. „Könnt ihr uns hören?“ von Jan Wehn und Davide Bortot hält diese Geschichte fest. Aus über 100 ausführlichen Interviews mit Rappern, Aktivisten und Auskennern haben die beiden Musikjournalisten eine 450-seitige Kollektiverzählung montiert, die 30 Jahre Deutschrap begreiflich und erlebbar macht. FZW, Dortmund, 20 Uhr

MI 13 | 03 | 19 Messe | CREATIVA Einmal im Jahr findet die CREATIVA, die größte Kreativmesse Europas, in der Messe Dortmund statt. Auf einer Gesamtfläche von über 40.000 Quadratmetern sind sämtliche Kreativprodukte und -techniken unter einem Dach zu finden. Das vielfältige Angebot umfasst Filzen, Handarbeiten, Spinnen und Weben, Quilten, Holz- und Metallarbeiten, Seiden- und Glasmalerei, Schmuck-Herstel-


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Funny van Dannen

14. März, 20 Uhr Bahnhof Langendreer Bochum

Funny van Dannen hat schon über Schilddrüsenunterfunktion gesungen, über Nana-Mouskouri-Konzerte und seine Sehnsucht nach Okapipostern. Er war einer der Gründer der „Lassie Singers“, arbeitete mit Udo Lindenberg und den Toten Hosen zusammen. Momentan tourt er mit seinem neuen Album, das ja irgendwie auch eine positive Botschaft enthält: „Alles gut, Motherfucker.“ Am 14. März ist er im Bahnhof Langendreer. Bereits seit den 80ern überzeugt der gebürtige Rheinländer mit chansonesken Folk-Songs über Liebe, Leid, Wahnsinn und Körperfunktionen, und dabei bleibt er auch auf seinem 15. Studioalbum. Er sinniert über Yoga als Hoffnungsschimmer im mitteleuropäischen Herbst des Lebens, singt von Gesprächen zwischen Gott und den Engeln – aber in „Farben“ auch vom gesellschaftlichen Rechtsruck: „Eine Gesellschaft mit braunen Flecken – ist die faul, oder einfach nur beschissen?“ Info: www.bahnhof-langendreer.de

len, Kunsthandwerk und Design, Malen und Zeichnen und vieles mehr. Bis 17. März Westfalenhallen, Dortmund, 9 – 18 Uhr Diskussion | Der Terror des NSU in der Einwanderungsgesellschaft Die Morde und Bombenanschläge des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) sollten unter den EinwanderInnen ein Klima der Unsicherheit und Angst schaffen. Diese Strategie fiel auf fruchtbaren Boden. Polizei- und Geheimdienststellen schauten nicht nur bei den TäterInnen gezielt weg, sondern ermittelten gegen die Familien der Opfer. Und der 2018 abgeschlossene Gerichtsprozess klammerte viele Hintergründe aus. Was heißen diese Vorgehensweisen für MigrantInnen in unserer Gesellschaft? Handeln Presse, Verfolgungsbehörden und Justiz auf Grund rassistischer Vorteile? Diesen Fragen gehen Rechtsanwalt Carsten Ilius und Fachjournalist Friedrich Burschel nach. AWO, Klosterstr. 8 – 10, Dortmund, 19 Uhr Kabarett | Sabine Bode – „Kinder sind ein Geschenk... (aber...)“ Wo ist Amnesty, wenn man als späte Mutti zum Eltern-Kind-Turnen muss? Wie übersteht man eine halbe Stunde im Kinderarzt-Wartezimmer ohne Netflix und Fixierungsgurte? Und wann wurde eigentlich der Begriff „Hölle auf Erden“ in „Indoor-Spielplatz“ umbenannt? Sabine Bode weiß auch keine Antworten, aber die „RandgruppenMutter“ („verheiratet, zwei Kinder, kein Weber-Grill“) kommt in ihrer Live-Show zum gleichnamigen Buch ohne Komma auf den Punkt. Flottmann-Hallen, Herne, 20 Uhr

Musik | CrashMop Auch im Jahr 2019 lädt der Bochumer PopChor Crashendo wieder zur beliebten Mitsing-Veranstaltung in die Rotunde ein. Am 13. März gibt es bekannte und (vielleicht) unbekannte, lustige, rockige und auch mal ruhige Stücke zu hören und, wer will, zum Mitsingen. Die Texte werden für GesangsliebhaberInnen an eine Leinwand gebeamt. Mit der vielstimmigen Unterstützung der ChorsängerInnen von Crashendo wird das Publikum motiviert, die Lieder lauthals mitzusingen. Rotunde, Bochum, 19.30 Uhr

FR 15 | 03 | 19 Lesung | Max Goldt liest Max Goldt verbindet höchste literarische Stilistik, satirische Schärfe, Gedankentiefe und Komik. „Weltstars im Nadelwald“ versammelt eine Auswahl alter und neuer Texte aus den Jahren 1986 bis 2018. Ein Abend für alle LiebhaberInnen des besonderen Humors. Kammerspiele, Bochum, 20 Uhr

SO 17 | 03 | 19 Lesung | Nordlichter – Die Lesung Nach den Performances „Schau Mich An“ und „Sprich Mit Mir“ des Nordstadtensembles sind nun eigene Texte an der Reihe. Mit aufmerksamem Blick, wachem Gehör und Einfühlungsvermögen sind in der Projektarbeit am TID unter der Leitung von Schauspieler und Regisseur André Wülfing zahlreiche literarische Kleinode entstanden. Motto der Lesung ist jene schillernde Leuchtkraft im Norden, die durch das enge Zusammenleben so unterschiedlicher menschlicher Farben entsteht. Theater im Depot, Dortmund, 18 Uhr Kabarett | Stefan Waghubinger In seinem dritten Soloprogramm hat es Waghubinger ganz nach oben geschafft. Auf dem Dachboden seiner Eltern sucht er eine leere Schachtel und findet den, der er mal war, den, der er mal werden wollte und den, der er ist. Es wird also eng zwischen zerbrechlichen Wünschen und zerbrochenen Blumentöpfen, zumal da noch die Führer der großen Weltreligionen und ein Eichhörnchen auftauchen. Bahnhof Langendreer, Bochum, 19 Uhr Anzeige

09.03.19 Gospel Lounge New Life Gospel Choir

16.03.19 Check Your Head – Konzertreihe Psychedelic Rock u.a. von Pontiak

22./23.03.19

SA 16 | 03 | 19 Vinyl-Flohmarkt | BIERINFLASCHEN + VINYLINSCHEIBEN, die Zwölfte Einen ganzen Tag lang dreht sich alles um die schwarze Scheibe, wobei das beeindruckende Getränkeangebot das Stöbern erst so richtig gesellig macht. Und warum nicht bei köstlichem Kuchen und Bio-Eierlikör aus dem Ruhrrevier auf dem Sofa dem DJ lauschen, der selbstverständlich ebenfalls ausschließlich auf Vinyl zurückgreift? Trinkhalle, Bochum, 14-20 Uhr

29.03.19

mit Naika Foroutan und Fatih Cevikkollu

Leopoldstr. 50-58 · 44147 Dortmund Tel. 0231 50-25145 · Fax 0231 50-26019 facebook.com/DietrichKeuningHaus

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KALENDER

DI 19 | 03 | 19 bodo verlost 2x2 Karten

VERLOSUNG Konstantin Wecker „Poesie und Musik können vielleicht die Welt nicht verändern, aber sie können denen Mut machen, die sie verändern wollen.“ Dies ist und bleibt der Wunsch des Liedermachers Konstantin Wecker. Die Gäste seines Programms „Solo zu zweit“, das er mit seinem langjährigen Bühnenpartner Jo Barnikel präsentiert, erleben einen Abend, der geprägt sein wird von kraftvollen Tastenklängen und feinfühliger Poesie. Der Münchner Musiker setzt sich bei diesem Streifzug durch sein 50-jähriges Schaffen auch weiterhin für eine Welt ohne Waffen und Grenzen ein. Jahrhunderthalle Bochum, 20 Uhr

FR 22 | 03 | 19 Musik | Drangsal Max Grubers Musik ist ein Amalgam aus den Erfahrungen, die Gruber als Freak in der konservativen Pfälzer Provinz machAnzeige

Dabei sein hat viele

Vorteile Mehr Schutz im Betrieb, mehr Sicherheit im Leben und dadurch mehr persönliche Freiheit. Wäre doch schade, Sie würden darauf verzichten, oder?

Die IG Metall finden Sie 3 x in Ihrer Region: 44793 Bochum, 44793 Bochum, Alleestraße Alleestraße 80 80 Tel. 0234 0234 – Tel. – 96 96 44 44 60 60 44135 Dortmund, Ostwall 17 – 21 44135 Dortmund, Ostwall 17 – 21 Tel. 0231 – 57 70 60 Tel. 0231 – 57 70 60 44623 Herne, Schulstraße 24 44623 Herne, 23 Tel. 02323 – 14Viktor-Reuter-Str. 63 80

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te, und all der Musik, die er währenddessen aufgesogen hat. Für die musikalische Umsetzung hat er im Produzenten Markus Ganter (u.a. Casper, Tocotronic) den Partner gefunden, der die Drangsal-Songs in das passende Gewand hüllt. In der LiveSituation findet dann eine Transformation statt, die wenig mit kühler 80s-Ästhetik zu tun hat, sondern Drangsals Brachial-Pop in all seiner Intensität entfesselt. FZW, Dortmund, 20 Uhr Musik | Thomas Godoj Seit zehn Jahren steht der Name Thomas Godoj für handgemachten Deutschrock. Mit „13 Pfeile“ erschien bereits das siebte Album. Hat Godoj auf seinen bisherigen Alben vielleicht auch mal den ein oder anderen musikalischen Umweg genommen, ist hier schnell klar, wo es langgeht. Die Texte beziehen auch zu aktuellen Themen Position. So thematisiert der Album-Opener „Keine Option“ den derzeitig spürbaren Rechtsruck in Politik und Gesellschaft und die simplen Parolen mit denen rechte Lager auf Stimmenfang gehen. Godoj erteilt eine eindeutige Absage: „Braun ist und bleibt keine Option“. Matrix, Bochum, 20 Uhr Kabarett | Sabine Wiegand – „Dat Rosie im Wunderland“ In 90 frappierenden Minuten singt und steppt sich Dat Rosie durch ihren ganz persönlichen Fragenkatalog: Wieso tanzt Tochter Taxi-Maria Hip-Hop mit einem Flamingo und was hat ihr Herzbube Mamfred mit dem Kühlschrank gemacht? Warum sieht Angela Merkel aus wie eine auf den Kopf gestellte Grinsekatze und weshalb hat der Präsident von Amerika ein gelbes Kaninchen auf dem Kopf? Zauberkasten, Bochum, 20 Uhr

SA 23 | 03 | 19 Festival | ¡VIVA! Das zum dritten Mal im Dietrich-KeuningHaus stattfindende Festival bietet wieder vielfältige, unmittelbare Einblicke in die lateinamerikanische Kultur. Am Samstag präsentieren sich zahlreiche KünstlerInnen und Tanzgruppen aus NRW. Das Kulturfest bietet kulinarische Genüsse, lebendige Eindrücke und Informationen über die Lebensweise in Ländern wie Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Dominikanische Republik, Ecuador, Kolumbien, Kuba, Mexiko, Peru, Uruguay, Venezuela, sowie über das Leben der lateinamerikanischen Gemeinschaften in Dortmund und Umgebung. Dietrich-Keuning-Haus, Dortmund, 15 Uhr (auch 22. 3., 19 Uhr)

SO 24 | 03 | 19 Musik | Benefizkonzert mit dem Posaunentrio Buccinate Das Posaunentrio Buccinate (Rima Ideguchi, Thorsten Lange-Rettich und Fabian Liedtke) lädt zu einem kurzweiligen Benefizkonzert ein, an dem sich auch die Pianistin Barbara Bardach sowie der „Vox Perpetua Chor 14 Heiligen“ beteiligen werden. Die Musiker bitten am Ende des Konzertes um Spenden für das Projekt „Hilfe für Japan“ der Deutsch-Japanischen Gesellschaft in der Auslandsgesellschaft e.V. in Dortmund, das Fukushima-Kindern die Teilnahme an einem Erholungsprogramm ermöglicht. Gemeindezentrum Emmaus-Kirche, Bochum, 16 Uhr

DO 28 | 03 | 19 Theater | Plattform Im Thailandurlaub trifft der Beamte Michel, desillusioniert und ohne Hoffnung auf ein spektakuläres Leben, auf Valérie. In ihr findet er nicht nur eine freizügige Sexpartnerin, sondern auch die Liebe seines Lebens. Gemeinsam mit ihrem Chef entwickeln sie das ultimative Reisemodell des Kapitalismus: ein Clubangebot für Sextouristen – all inclusive. Doch der geschäftliche Erfolg und das romantische Glück werden abrupt durch einen islamistischen Terroranschlag beendet. Text: nach Michel Houellebecq, Regie: Johan Simons Schauspielhaus, Bochum, 19 Uhr Musik | Holger Weber Trio Soul Jazz ist das Stiefkind des Modern Jazz. Er ist die Musik der Orgelbands. Er ist funky, laut, manchmal sentimental, die vergessene Popmusik des schwarzen Nachkriegsamerikas. Das Holger Weber Trio spielt mitreißenden Soul Jazz in der Tradition von Jimmy Smith, Larry Young und Jack McDuff. Mit dabei der Kölner Hammondorganist Max Blumentrath und Alex Lex am Drumset. Eintritt frei. Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr Lesung | Jocelyne Saucier Die franko-kanadische Autorin Jocelyne Saucier ist zu Besuch in Deutschland und kommt zu einer Autorenlesung in französischer Sprache (deutsche Übersetzung: Sonja Finck) aus ihrem neuen Roman „Niemals ohne sie – Les héritiers de la mine“ zu transfer. Jocelyne Saucier, geboren 1948 in der Provinz New Brunswick, lebt heute in einem abgeschiedenen Zehn-Seelen-Ort im nördlichen Québec. Sie arbeitete lange als Journalistin, bevor sie mit dem literarischen Schreiben begann. Ihr vierter Roman „Ein


BODO-TIPP

„Unsere Herzkammer“

30. März, 19.30 Uhr Schauspiel Dortmund

150 Jahre ist sie her, die Geburtsstunde der Dortmunder SPD. Die Gründung der ersten Dortmunder Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins legte den Grundstein für 150 Jahre Sozialdemokratie in der Stadt. Die Partei hat schon im vergangenen Jahr groß gefeiert, das Schauspiel Dortmund gratuliert im Frühjahr nachträglich: „Unsere Herzkammer“ heißt das Geburtstagsfest, das Rainald Grebe, Meister des musikalisch-anarchischen Witzes, und das Schauspiel Dortmund der betagten Jubilarin, die auf höherer Ebene gerade mitten in einem Selbsterneuerungsprozess steht, schenken. In „Unsere Herzkammer“ blicken Rainald Grebe und das Ensemble des Dortmunder Schauspiels gemeinsam mit Zeitzeugen auf 150 Jahre Sozialdemokratie zurück. Uraufführung am 30. März, weitere Termine und Karten: www.theaterdo.de

Leben mehr“, der 2015 bei Insel erschien, war ein Bestseller und wird derzeit verfilmt. transfer.bücher und medien, DO, 20 Uhr Comedy | Tino Bomelino Tino Bomelinos Eigenschaften: fröhlich, neugierig, freundlich, flink, lieb, depressiv, verschmust, lustig. Inhalt des Soloprogramms: Stand-Up, Musik, Loop-Station, conditio humana, Duplos, Comics, lustige Tiere - hier ist scheinbar für jeden was dabei. Gründe, die für ihn sprechen sollen: Er ist sehr reinlich, hat sich viel Mühe gegeben und wird alle Probleme des Menschseins in 2 mal 45 Minuten besprechen und lösen. Werkstadt, Witten, 20 Uhr

FR 29 | 03 | 19 Ausstellungseröffnung | Der Alt-Right Komplex Die Gruppenausstellung setzt sich mit Rechtspopulismen auseinander, die heute insbesondere das Internet und die „Sozialen Medien“ zur Verbreitung nutzen. Die Künstler-

Innen beschäftigen sich mit Memes (z.B. Pepe der Frosch, Symbol der Trump-AnhängerInnen), mit Figuren wie z.B. Steve Bannon, mit Flaggenverehrung, der Prepper-Szene, White Supremacists und Dark Enlightenment. Der Alt-Right Komplex präsentiert zwölf Projekte von 16 KünstlerInnen aus zwölf Ländern. HMKV im Dortmunder U, 19 Uhr Lesung | Christiane Dieckerhoff: „Spreewaldwölfe“ Im sonst so idyllischen Spreewald herrscht Unruhe. Schon seit Monaten tobt ein erbitterter Streit zwischen Wolfsgegnern und Tierschützern. Die Emotionen kochen hoch, als auf einer Weide die von Bisswunden entstellte Leiche eines Jungen entdeckt wird – ein gefundenes Fressen für die Wolfsgegner. Doch Polizeiobermeisterin Klaudia Wagner ahnt, dass die Todesursache eine andere war. Kann es sein, dass es auch an einem so beschaulichen Ort wie Lübbenau Wölfe im Schafspelz gibt? Studio B der Stadt- und Landesbibliothek, Dortmund, 19.30 Uhr

Kabarett | Lioba Albus – „Von der Göttin zur Gattin“ Die Arbeitswelt ein Haifischbecken, Facebook ein verbales Schlachtfeld und die Politik ein Dschungel aus Wortschlingpflanzen und Raubtieren. Wer träumt da nicht von einem kleinen Paradies in den eigenen vier Wänden. Mit Begeisterung stürzen sich immer mehr junge Leute in den Hafen der Ehe. Posten spektakuläre Heiratsanträge, träumen Träume von weißem Tüll und mehrstöckigen Torten und landen dann da, wo ihre Eltern schon ratlos und verkrampft in Familienfotoapparate gegrinst haben: in der teuren Couchgarnitur. Fletch Bizzel, Dortmund, 20 Uhr (auch 30.3.) Kabarett | Friedemann Weise Der Kölner Comedian, Liedermacher und Satiriker zeigt dem Publikum in seinem zweiten Soloprogramm „die Welt aus der Sicht von schräg hinten“. Neben neuen komischen Liedern, skurrilen Aphorismen, abstrusen Geschichten und Bilderwitzen bringt Friedemann Weise auch Texte aus seinem neuen Buch mit. Fritz-Henßler-Haus, Dortmund, 20 Uhr

SA 30 | 03 | 19 Ausstellung | Fahrradtouren durch die Nordstadt Die Dortmunder Nordstadt gilt als größtes zusammenhängendes Gründerzeitviertel in NRW. Mit der Eröffnung des Bahnhofs anno 1847 begann die zügige Entwicklung des Stadtteils. In der Folge haben mehrere Epochen eindrückliche Spuren hinterlassen – allein 117 eingetragene Baudenkmale zeugen davon. Vier Gebäude zwischen Hafen und Hoeschpark sind dem Jugendstil zuzuordnen. Die Radtour beginnt am alten Hafenamt und endet auf dem Nordmarkt. Im Rahmen der Ausstellung „Im Rausch der Schönheit“ im MKK. Hafenamt, Dortmund, 14 – 16.15 Uhr

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KALENDER

BODO-TIPP

bodo verlost 1x2 Karten

VERLOSUNG The Kooks 2018 meldeten sich The Kooks mit ihrem fünften Studioalbum „Let’s Go Sunshine“ mit einer ungestümen, mutigen Mischung aus Melancholie und Euphorie zurück. Seit 2015 arbeitete die Band an dem Album und bereits während ihrer Bestof-Tour haben die Briten immer wieder an den neuen Songs gefeilt und sie ansatzweise schon live vorgestellt. „Let’s Go Sunshine“ festigt The Kooks als Bastion des britischen Gitarrenpops und bestätigt ihren Platz neben den berühmten Bands, die sie selbst vor über einem Jahrzehnt beeinflusst haben. RuhrCongress Bochum, Bochum, 20 Uhr Theater | Biedermann und die Brandstifter Seit Wochen herrscht Angst, denn Brandstifter treiben ihr Unwesen in der Stadt. Der zwielichtige aber charmante Landstreicher Schmitz klopft unterdessen bei Jakob Biedermann an. Dieser gestattet ihm, auf seinem Dachboden zu nächtigen. Je offensichtlicher die Tatsachen für sich sprechen – denn bald quartiert Schmitz seinen mysteriösen Kameraden Eisenring ebenfalls im Dachboden ein und die beiden horten allerlei Brennbares – desto mehr verdrängen sie Biedermann. Prinz Regent Theater, Bochum, 19.30 Uhr

SO 31 | 03 | 19 Kindertheater | Von ObenDrüber und UntenDrunter Die Bergbau-Ausstellung soll in Kürze eröffnet werden, aber noch steht alles verpackt

7. Tag der Solidarität

ab 3. April Dortmund Zentrale Demonstration: 4. April, 18 Uhr Mallinckrodtstraße 190 Dortmund

Rund um den 4. April gedenkt das Bündnis „Tag der Solidarität“ dem Dortmunder Mehmet Kubaşık, der am 4. April 2006 in der Nordstadt von der rechten Terrorzelle „NSU“ ermordet wurde. Die rassistische Mord- und Anschlagsserie war jahrelang nicht als solche erkannt worden, zentrale Fragen wie die mögliche Unterstützung durch lokale Neonazistrukturen und die Rolle des Verfassungsschutzes sind bis heute nicht aufgeklärt. Verknüpft ist das Gedenken regelmäßig mit Veranstaltungen, die sich mit rechtem Terror und strukturellem Rassismus befassen – angesichts der Recherchen über rechte Terrorzellen und Neonazinetzwerke in Polizei und Armee hochaktuell. Der zentralen Gedenkdemonstration am 4. April um 18 Uhr schließt sich um 19 Uhr eine Diskussion mit dem früheren „Süddeutsche“-Redakteur und Autor Tanjev Schulz an. Etwa zwei Wochen lang sind Diskussionen, Filmvorführungen, Workshops und Stadtrundgänge geplant. www.tagdersolidaritaet.wordpress.com

und unsortiert im Raum. Also machen sich Bergmann Gatzke und die Museumsangestellte Frau Witthusen an die Arbeit. Nach und nach werden die Ausstellungsstücke „lebendig“ und ein besonderes Abenteuer beginnt: Die kleine Liesel will ihrem Opa die vergessene Butterbrotdose bringen. Dabei taucht sie immer tiefer ein in die geheimnisvolle Welt unter Tage. Für Kinder ab sechs. Fletch Bizzel, Dortmund, 11 Uhr Theater | Everything Belongs To The Future Oxford, Großbritannien, im Jahr 2098: Zeit ist zum Luxusgut geworden, seitdem „The Fix“ auf dem Markt ist – ein Medikament, das den Alterungsprozess aufhält. Doch während die

Anzeige Musikförderung

Kunstförderung

Wissenschaft

Denkmalschutz

Jugendsport

Soziales & Bildung

Werner Richard - Dr. Carl Dörken Stiftung Herdecke

Reichen unter täglicher Einnahme eine nicht enden wollende Party des Lebens feiert, vegetieren die Übrigen in immer prekärer werdenden Lebensverhältnissen vor sich hin – und altern unaufhörlich weiter. Doch eine Gruppe, die gemeinsam in einer heruntergekommenen Wohngemeinschaft lebt, plant die Revolte. Aber wem ist in dieser Welt noch zu trauen? Studio im Schauspielhaus, DO, 18.30 Uhr

MO 01 | 04 | 19 Lesung | Josef Reding – Eine Feierstunde zum 90. Geburtstag Literarischer Demokrat, bedeutender Schriftsteller, kompetenter Vertreter der deutschen Nachkriegsliteratur, erfolgreicher Jugendbuchautor, Barde der Republik, Gewerkschafter und Christ... und auf jeden Fall Dortmunder. Zum 90. Geburtstag wird mit einer Mischung aus persönlichen Erinnerungen, Erzählungen, Briefen und Lesungen aus seinen Werken im Rahmen einer Feierstunde das Wirken und die Werke von Josef Reding gewürdigt. Eintritt frei, Spende erwünscht. Studio B der Stadt- und Landesbibliothek, Dortmund, 17 Uhr

MI 03 | 04 | 19 22.03. – 07.07.2019 | In anderen Gefilden | 16.03.2019 |

20 Uhr

Ausstellung von Sybille Hassinger + Silke Leverkühne

| Die große Trumpet Night | Jazz: Startrompeter Rüdiger Baldauf

feat. Joo Kraus, Andy Haderer und Ausnahmestimme, Produzent + Songwriter Edo Zanki | 15,- Euro Dr. Carl Dörken Galerie der Werner Richard - Dr. Carl Dörken Stiftung | Infos, Tickets & Öffnungszeiten: s. Website

Wetterstraße 60 · 58313 Herdecke · www.doerken-stiftung.de 28

Kindertheater | Die Wanze Der Käfer Muldoon, genannt „Wanze“, ist Privatdetektiv im Garten. Der beste und der einzige, der noch lebt. Als immer mehr Insekten spurlos verschwinden und er gerade am Fall eines vermissten Ohrwurmes arbeitet, wird er direkt aus Dixies Bar zur Ameisenkönigin gerufen. Die erteilt ihm, zusammen mit ihrem


KINO-TIPP

Kommandanten Krag, den Auftrag nach einer Ameise mit einem weißen Fleck auf dem Kopf zu suchen. Für Kinder ab acht Jahren. KJT in der Sckellstraße, Dortmund, 10 Uhr

DO 04 | 04 | 19 Kultur | Andy Strauß – „The Dark Side of the Strauß“ Es gibt kaum ein Feld, dass Andy Strauß in seiner 13-jährigen Bühnenkarriere noch nicht bespielt hat. Nun ist es Zeit, Zwischenbilanz zu ziehen. Was waren die abstrusesten Dinge, die in dieser Zeit so passiert sind? Was geschieht eigentlich wirklich im Backstage? Und was wird an diesem Abend passieren? Eine Mischung aus Stand-Up, Storytelling, Poetry Slam, Kunst-Performance, Tanz und wirklich merkwürdiger Musik. Und düster wird es. Ganz, ganz düster. Dampfgebläsehaus Jahrhunderthalle Bochum, 20 Uhr

SA 06 | 04 | 19 bodo verlost 1x2 Karten

VERLOSUNG Taksim Trio Im Taksim Trio haben mit Hüsnü Şenlendirici (Klarinette, Duduk), İsmail Tunçbilek (Bağlama) und Aytaç Doğan (Kanun) drei der bekanntesten türkischen Instrumentalisten zusammengefunden. Die Musik dieser drei Virtuosen aus Istanbul speist sich sowohl aus der traditionsreichen Musik der Roma als auch aus den Klängen des Bosporus. Fremd und zugleich vertraut klingt es, wenn sie in ihren Programmen orientalische Melodien türkischer Musik mit Elementen aus Jazz und Klassik verweben und sich dafür ebenso westlicher wie traditionell türkischer Instrumente wie Bağlama, Duduk und Kanun bedienen. Konzerthaus Dortmund, Dortmund, 20 Uhr Markt | Kulinarien – Der Genussmarkt Im Depot wird jede Menge ausgewählte Feinkost aus kleinen Manufakturen präsentiert. Neben Spezialitäten aus Europa gibt es Köstlichkeiten aus Jackfruit, Produkte rund um die Spirulina-Alge oder Energieriegel aus Insekten. Ob Craftbeer von lokalen Brauereien, homemade Limonaden oder Hochprozentiges – neue Drinks warten darauf, entdeckt zu werden. Außerdem gibt es Design für Esstisch und Küche, exotisches Streetfood sowie viele Aktionen und Überraschungen. Depot, Dortmund, 15 – 21 Uhr (auch 7.4., 11 – 17 Uhr)

Ausstellung | Eine modische Zeitreise Eine Zeitreise durch die Jahrhunderte der Mode. Der Dortmunder Verein elffeast präsentiert fantastische Bekleidung von den Kelten bis zum Jugendstil. Eine kurzweilige Reise von drunter und drüber. Im Rahmen der Ausstellung „Im Rausch der Schönheit“. Museum MKK, Dortmund, 19 Uhr

SO 07 | 04 | 19 Musik | Soundzz – Familienkonzert: TyCK Malerische Musik voller Poesie und Spielfreude: Das Trio TyCK verzaubert mit Akkordeon, Kontrabass und Schlagzeug und lässt Musik unterschiedlichster Genres lebendig werden. Charmante Swing- und Latin-Musik sind ebenso zu hören wie Musette-Walzer und vieles andere mehr. domicil, Dortmund, 16 Uhr Aktion | Aktionstag „Auf Schritt und Tritt“ Ein Hoch auf uns Zweibeiner. „Auf Schritt und Tritt“ ist ein Aktionstag mit Angeboten für Wanderfreunde, Sportfans und Fußkranke. Im Rahmen der aktuellen Ausstellung „Stop and Go“ (bis 14. Juli) DASA, Dortmund, 10 – 18 Uhr

DI 09 | 04 | 19 Film | Internationales Frauenfilmfestival Dortmund / Köln 2019 Rund 120 aktuelle und historische Filme, Performances und Diskussionen stehen auf dem Programm des Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund | Köln 2019 in Dortmund. Zu den unterschiedlichen Veranstaltungen werden zahlreiche Gäste aus der deutschen und internationalen Filmbranche erwartet. Der Festivalfokus mit dem Titel „Bilderfallen: Täuschung, Tarnung, Maskerade“ präsentiert eine Reihe von Filmprogrammen, die genaues Hinschauen erfordern. Bis 14. April. Alle Infos: frauenfilmfestival.eu Dortmund Musik | Nina Hagen Mit ihrem leidenschaftlichen musikalischen Plädoyer für die Aktualität vieler Brecht-Songs und Texte ist Nina Hagen zu Gast im Schauspielhaus. Und da sich ihr Programm im Laufe der Jahre erweitert hat, gibt es auch Selbstvertontes von z.B. Matthias Claudius, Else Lasker-Schüler und Goethe, Originale von Dylan, Cohen, Cash und Biermann oder Jim Morrison und auch von Nina Hagen ins Deutsche übertragene Gospel, Blues & Friedensfetzer. Schauspielhaus, BO, 19.30 Uhr (auch 10. April)

endstation.kino | Of Fathers and Sons Die Kinder des Kalifats Talal Derkis Dokumentarfilm „Of Fathers and Sons“ erzählt vom Alltag einer Familie im Nordwesten Syriens. Dort bodo werden bereits Kinder verlost 1x2 und Jugendliche im Karten Namen der Religion für den „Heiligen Krieg“ rekrutiert. Ihre Aufgabe ist die Errichtung eines islamischen Kalifats. Koranstudium statt Matheunterricht, Kampftraining statt Fußball, militärische Disziplin statt jugendlicher Rebellion – das ist der Alltag für Ayman (12) und Osama (13). Ihr Vater, der salafistische Rebellenführer Abo Osama, will seine Söhne zu „Gotteskriegern“ erziehen, ohne Rücksicht auf ihr Alter und ihre Entwicklung. Der Regisseur und sein Kameramann Kahtan Hasson, der auch an Derkis „Rückkehr nach Homs“ mitgewirkt hat, sind Abu Osama und seinen Söhnen zwei Jahre lang mit der Kamera gefolgt. Sie gaben sich als Kriegsreporter und Sympathisanten des Salafismus aus, gewannen das Vertrauen der Familie und bekamen einen einzigartigen Einblick in eine hermetische Welt. „Of Fathers and Sons“ erhielt zahlreiche Festivalpreise und war für den Oscar 2019 als bester Dokumentarfilm nominiert. „Ich wollte einen Film aus dem Inneren einer radikal-islamischen Gemeinschaft machen, um besser zu verstehen, wie ein Mensch zum Dschihadisten wird“, erklärte Derki im Interview mit dem Verleih Port au Prince Pictures. „Wir sollten uns daran erinnern, dass Terroristen auch einmal unschuldige Kinder waren. Wenn wir davon ausgehen, können wir den Schlüssel finden, um kommende Generationen davon fernzuhalten. Vielleicht mag ich auch die Herausforderung, schwierige Filme zu drehen.“ Zu sehen ab 21. März. Alle Termine unter www.endstation-kino.de. endstation.kino im Bahnhof Langendreer Wallbaumweg 108, 44894 Bochum www.endstation-kino.de 29


BODO GEHT AUS

Erdapfel Huestraße 6 44787 Bochum

Endlich Erdäpfel für Bochum Zu den großen gastronomischen Lücken in Bochum gehörten seit längerem ein Restaurant, das sich auf gute Ramen-Suppen spezialisiert, und ein Kumpir-Laden. Zumindest letzterer hat jetzt frisch eröffnet: Den „Erdapfel“ finden FußgängerzonenFlaneure im kleinen Ladenlokal an der Huestraße in Bahnhofsnähe, das früher das vegane Café Corba beherbergte. Während die opulent belegte Ofenkartoffel Kumpir in allen großen deutschen Städten funktioniert, ist ein Bochumer Versuch nahe dem Bermudadreieck vor einigen Jahren gescheitert. Dass der neue Anlauf mit dem „Erdapfel“ gelingen könnte, hat mehrere Gründe: Der Laden ist schick eingerichtet wie ein alternatives Trendcafé und die Kartoffeln sind gut komponiert und lecker. Die sympathische, gerade 23-jährige Geschäftsführerin Aylin Cakmak, die die Gerichte auch selbst zubereitet, kann auf Familienerfahrung zurückgreifen: Ihr Onkel Yurday Cakmak hat das erste Restaurant „Erdapfel“ in Lübeck gegründet und war damit so erfolgreich, dass er das Konzept gerade zur Kette ausbaut. „Ich habe in Marl Abitur gemacht, bin dann zu Papa und Onkel nach Lübeck – und

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Von Max Florian Kühlem Fotos: Daniel Sadrowski

dachte, ich probiere es jetzt mal mit einem neuen Laden in der alten Heimat“, erzählt Aylin Cakmak. In Lübeck setzt „Erdapfel“ komplett auf vegetarische und vegane Kunden. Im Ruhrgebiet traut sich die Geschäftsführerin das noch nicht und bietet auch Varianten mit Fleisch oder Fisch an. Vegetarische Kompositionen wie „Toscana“ mit Tapenade, Aubergine, Tomaten, Salat, Bärlauch-Aioli, Oliven, Parmesan und Balsamico liegen bei 5,90 Euro, und eine Variante wie „Turkish Delight“ mit Aubergine, Bulgur, Sucuk, Feta, Tomaten, Tzatziki und Zwiebeln ist einen Euro teurer.

Vor lauter Großbestellungen von nahen Firmen oder Bürogemeinschaften kommt Aylin Cakmak kaum zum Reden, aber diese Info gibt sie doch noch: „In der Türkei gibt es Kumpir-Stände an jeder Ecke, allein im Viertel Ortaköy am Bosporus bestimmt zwanzig.“ Sie selbst würde da allerdings nicht mehr unbedingt essen, weil die Ofenkartoffeln, die sie mit ausgesuchten Zutaten und Dips verfeinert, dort für Touristen gerne mit Ketchup, Mayo und Würstchen zubereitet werden.


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Was ist Kumpir? Das Wort ist vom pfälzisch/ alemannischen „Grumbier“ oder „Krummbeere“ über den Balkan bis in die Türkei gewandert, wo Kumpir heute eine Ofen- oder Folienkartoffel bezeichnet. Sie kommt in einen speziellen, dreistöckigen Ofen, in dem sie unten gart und oben warm gehalten werden kann. Bevor die Kartoffeln belegt werden, schneidet man sie oben der Länge nach auf und vermengt das Innere mit einer Gabel mit Butter oder Margarine und geriebenem Käse, so dass ein leckerer Kartoffelbrei mit sämiger Konsistenz entsteht. Darauf lässt sich dann quasi alles als Topping platzieren. Empfehlenswerte Bochumer Kreationen sind neben den genannten zum Beispiel „1001 Nacht“ mit Kichererbsen, Möhren, Bulgur, Rosinen, Salat, Körnern, Sesam-Honig und KräuterSauce oder „Mexicano“ mit Soja-Hack, Bohnen, Mais, Paprika, Jalapenos, Nachos, Tomaten-Paprika-Sauce und Sour Cream.

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Ein Grundrecht verhandeln Vor dem Bundesverfassungsgericht fand Mitte Januar eine besondere Anhörung statt. Sie soll klären, ob Sanktionen gegen Hartz-IV-EmpfängerInnen mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Dabei geht es um eine grundsätzliche Frage: Darf der Staat das grundrechtlich garantierte Existenzminimum an Bedingungen knüpfen? Von Alexandra Gehrhardt | Foto: Sebastian Sellhorst

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en Anstoß gab das Sozialgericht Gotha. 2016 hatte es das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angerufen, um klären zu lassen, ob die im Sozialgesetzbuch II (SGB II) verankerten Sanktionen und die Sanktionspraxis der Jobcenter rechtmäßig sind. „Nach Auffassung der Richter verstoßen die Sanktionsregelungen im SGB II gegen mehrere verfassungsmäßig garantierte Grundrechte“, hatte das Thüringer Gericht damals mitgeteilt. Denn Hartz IV ist als Existenzminimum festgelegt, also als Untergrenze dessen, was nötig ist, um die Grundversorgung wie Wohnen und Essen sicherzustellen, aber auch ein Mindestmaß an kultureller und gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen. 424 Euro sind es seit dem 1. Januar. Im Detail heißt das (nach dem alten Stand von 2018): 1,06 Euro für Bildung und 34,66 Euro für Verkehrsmittel. Im Ruhrgebiet kostet schon das vergünstigte Sozialticket für Bus und Bahn 38,65 Euro.

Das Gesetz darf das Minimum kürzen Das Minimum darf gekürzt werden, nämlich dann, wenn „erwerbstätige Leistungsberechtigte“ ihre „Pflichten verletzen“ und zu wenig „Eigenbemühen“ nachweisen. Zum Beispiel, wenn sie sich weigern, eine vom Jobcenter als zumutbar festgelegte Arbeit oder einen Minijob anzutreten oder eine Maßnahme, zum Beispiel einen Computerkurs, nicht antreten oder abbrechen. Beim ersten Verstoß kann der Regelsatz drei Monate lang um 30 Prozent, beim zweiten Verstoß innerhalb eines Jahres um 60 Prozent gekürzt werden. Beim dritten droht die komplette Streichung, dann auch die der Übernahme von Miete, Heizkosten und Krankenversicherung. Unter-25-Jährige trifft das Gesetz noch härter: Ihnen droht schon beim ersten Verstoß die vollständige Streichung aller Leistungen, beim zweiten Mal fal-

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INTERVIEW SOZIALES

len auch Miete und Krankenversicherung weg. Für sogenannte Meldeversäumnisse, also nicht wahrgenommene Termine, droht jeweils eine Kürzung in Höhe von zehn Prozent. Beinahe 953.000 Sanktionen wurden im Jahr 2017 gegen 421.000 HartzIV-BezieherInnen ausgesprochen, 77 Prozent davon basierten auf Meldeverstößen.

Die Antworten liefern bemerkenswerte Zahlen dazu, wie Sanktionen wirken. 81 Prozent der direkt Betroffenen gaben an, Sanktionen seien der Beginn einer Schuldenspirale. Sie haben der Umfrage zufolge mehrheitlich in der Praxis erlebt, dass Sanktionen zu Stromsperren (74 Prozent) oder gar Wohnungslosigkeit (70 Prozent) führen. Die Zustimmungswerte aus Beratungsstellen und von Anwälten stützen diese Einschätzung.

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt derzeit eine solche Sanktion. Ein ALG-II-Bezieher aus Erfurt hatte sich zweimal Interessant ist, dass die Gruppe der Angestellten aus den Jobcentern überwiegend Gegenteiliges antwortete. „Wir haben es geweigert, eine Stelle und einen Gutschein zum Probearbeiten mit zwei Welten zu tun, in denen sich Sanktionskritiker und anzunehmen. Also hatte das Jobcenter seinen Regelsatz um 60 Prozent gekürzt. Das Sozi-befürworter bewegen“, sagt algericht Gotha reichte die der Vorsitzende von TacheBeinahe 953.000 Sanktionen wurden im Jahr Klage an Karlsruhe weiter. les, Harald Thomé. „Was erstaunlich ist: Knapp 60 2017 gegen 421.000 Hartz-IV-BezieherInnen Prozent der Teilnehmenden Dass Sanktionsklagen es bis ausgesprochen, 77 Prozent davon basierten dorthin schaffen, ist nicht aus Jobcentern glauben, dass auf Meldeverstößen. selbstverständlich. Christel Sanktionierte keine Lust auf T. kämpft seit Jahren mit Arbeit hätten. Zugleich sadem Anti-Hartz-IV-Aktivisten Ralph Boes und anderen gegen gen aber auch 50 Prozent, dass ihre Beratung mangelhaft sei.“ Sanktionen. Ein Rechtsgutachten aus diesem Kreis sei entscheiAuch konkrete Verbesserungswünsche kamen aus der Gruppe: dend gewesen, um viele Hürden auf dem Weg zum Bundesbessere Beratung durch die Jobcenter, sozialpädagogische Unverfassungsgericht zu überwinden, sagt sie. Denn: Ein solches terstützung, mehr Qualifizierungsangebote. Verfahren könne an vielen Punkten scheitern, zunächst schon Tacheles sieht sich auch als Stimme derer, die unter einer rigiden daran, dass in vielen Fällen die Sanktion nicht rechtmäßig sei, Sozialpolitik leiden. Darum hat der Verein noch etwas gemacht: sodass Betroffene gegen das Jobcenter klagten und nicht gegen den Sanktionsparagraphen. Klagen sei teuer, Prozesskostenhil„In der Umfrage gab es ein Freifeld für individuelle Erfahrungsfe gebe es nur bei Aussicht auf Erfolg, so T. Kläger müssten alle berichte – und was da zurückkam, war wirklich erstaunlich und Instanzen durchlaufen oder eben ein Sozialgericht das Bundeserschreckend.“ Da berichten Hartz-IV-BezieherInnen von ververfassungsgericht anrufen. Dafür brauche es eine aufwändige lorenem Selbstvertrauen, nicht erreichbaren Jobcenter-Hotlines und Sanktionsängsten, die krank machten, FallmanagerInnen Richtervorlage – und die Bereitschaft des Verfassungsgerichts, von überlasteten Jobcentern – persönliche Erfahrungen auf die Klage anzunehmen. „Das alles ist hier jetzt eingetreten, das mehr als 1.000 Seiten. „Die Aussagen sind so wichtig und so ist schon etwas Besonderes“, so Christel T. Für sie geht es um Grundsätzliches: „Wenn Grundrechte Abwehrrechte gegen den authentisch, dass wir sie dem Gericht ebenfalls vorgelegt haStaat sind, dann muss das Verfassungsgericht das Handeln des ben“, so Thomé. Tacheles hat die Befragungsergebnisse und Rückmeldungen auf der eigenen Website veröffentlicht. Staates untersuchen und nicht das der Erwerbslosen.“ Die Bundesregierung argumentierte in Karlsruhe mit der Eigenverantwortung der Leistungsempfänger. Es sei auch Teil dieses Grundrechts, an der Gewährung des Existenzminimums mitzuwirken, und darum könne der Staat in seiner Ausgestaltung bestimmen, welche Bedingungen er daran knüpfe, beschrieb Maximilian Steinbeis auf Verfassungsblog.de die Argumentation der Regierung.

Verschuldung, Stromsperren, Wohnungslosigkeit Die Wuppertaler Sozialinitiative Tacheles kämpft seit 1994 für Sozial- und Arbeitslosenrechte und war als sachverständige Organisation in Karlsruhe vertreten. Aus dem Fragenkatalog, den das Bundesverfassungsgericht vorab zugeschickt hatte, erstellte der Verein eine Online-Umfrage über Wirkungen und Folgen von Sanktionen, mit enormer Resonanz: 21.000 Menschen beteiligten sich, darunter mehr als 12.000, die SGB-II-Leistungen beziehen oder einmal bezogen haben, von Sanktionen also direkt betroffen sind oder waren. Auch Fachkräfte in Beratungsstellen, AnwältInnen und über 1.300 Angestellte von Jobcentern und Sozialleistungsträgern nahmen teil.

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„Rechtlich wäre es möglich“ Seine Entscheidung will das Bundesverfassungsgericht erst in einigen Monaten bekannt geben. Ob die Sanktionen oder Teile von ihnen dann fallen? „Rechtlich wäre es möglich“, sagt Thomé, »politisch kann ich es mir nicht vorstellen. Denn hier geht es um einen Eingriff in die Menschenwürde, und diese Entscheidung würde weit über Hartz IV hinausgehen. Entweder kippt das Gericht alle Sanktionen vollständig oder nur die im konkreten Fall vorliegenden. In dem geht es um eine Sanktion in Höhe von 60 Prozent gegen einen über 25 Jahre alten Mann. Schwächere Sanktionen und die Praxis gegenüber den unter 25Jährigen sind davon womöglich nicht berührt. „Wird die 60-Prozent-Kürzung gekippt, könnte das also bedeuten, dass das Gericht 30 Prozent weniger Leistungen für in Ordnung hält“, sagt Thomé. Christel T. sieht aber durchaus Spielraum: „Die Entscheidung soll ja auch den Rechtsfrieden herstellen und breit akzeptiert werden. Den Rechtsfrieden kann es aber nicht geben, wenn Grundrechte nicht geachtet werden.“


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INTERVIEW

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Wolf Biermann war der erste Gast des neuen Talkformats „Ein Gast. Eine Stunde“ mit Norbert Lammert am Schauspielhaus Bochum und spielte im Haus auch ein Konzert. Im Vorfeld bot er Interviews an – allerdings nur per E-Mail, denn der 82-Jährige arbeitete an der Fertigstellung seines Mitte März erscheinenden Erzählbandes „Barbara. Liebesnovellen und andere Raubtiergeschichten“. Max Florian Kühlem nutzte die Chance für einen kurzen Austausch über eine bewegte Lebensgeschichte. Von Max Florian Kühlem | Foto: Hans Scherhaufer

„Der Wolf ist ein Fischkopf“ Herzlichen Glückwunsch, Ihnen wurde jüngst der Ernst-Toller-Preis verliehen. Was eint, was unterscheidet Sie vom Widerstandskämpfer, der 1939 im New Yorker Exil wegen des Leidens an der Welt freiwillig aus dem Leben schied? Der Freitod des Dichters Ernst Toller war nicht frei. In meiner Rede zur Verleihung des Toller-Preises habe ich über das fatale Elend des Exils in der Nazizeit gesprochen, aus dem der expressionistische Dramatiker und Lyriker Ernst Toller keinen anderen Ausweg sah als die Flucht in den Tod. Seine exilierten Kollegen Brecht und Mann schafften das eleganter: Der verbannte Romancier Thomas Mann war in den USA bewundert und wohlhabend. Und wusste ganz genau, wo Gott wohnt: Wo ich bin, ist Deutschland, das war seine Haltung. Der Dichter Brecht noch eine Stufe selbstbewusster. Der ahnte schon als Anfänger, dass er ein Klassiker ist, der ewig lebt. Entsprechend sein Credo: Wo ich bin, ist die Menschheit. Und wenn Sie nun danach fragen, was einen wie mich unterscheidet? Wolf Biermann ist „das Weltkind in der Mitten.“ Wie viel Kämpferblut fließt noch durch Ihre Adern? Sie erklärten zuletzt häufig, dass Sie eher Angst vor der Hoffnung auf einen neuen Kommunismus haben... Ich brauchte all meinen Kämpfermut, ein frommer Ketzer zu werden, der mit seiner kommunistischen Religion bricht. Ein tapferer Verräter, ein aufrichtiger Renegat. Ich

glaube nicht mehr den Kinderglauben an die murxistische Endlösung der sozialen Frage in einer klassenlosen Gesellschaft. Ich habe es am eigenen Leibe und am eigenen Verstand erfahren, dass der Weg in dieses kommunistische Paradies sich als ein abschüssiger Weg in die schlimmsten Höllen erwiesen hat. Trotz des wieder erstarkenden Nationalismus und Rechtspopulisten in fast allen Parlamenten: Ist Ihnen um Deutschland immer noch nicht bang, wie sie es 1999 im Lied formuliert haben? Es gehört auch zum aktuellen Repertoire. Deutschland ging es in seiner tausendjährigen Geschichte nie so gut wie in unserer jetzigen Epoche, nach dem Fall der Mauer. Nie gab es so viele Freiheiten, nirgendwo so viel Rechtsstaat, Wohlstand und einen so langen Frieden. Und nie grassierte so viel aggressives Selbstmitleid. Nach Meinung der linken und rechten Wahlkampf-Populisten ging es den Deutschen nie so schlecht wie jetzt. Ein absurdes Irrenhaus-Elend. Sie verbindet eine Freundschaft mit Angela Merkel – Claus Peymann, der gerade auch Gast am Schauspielhaus Bochum war, berichtete mir von gemeinsamen Nächten in der Kantine des Berliner Ensembles. Was schätzen Sie an ihr? Mich unterscheidet von dieser bedeutenden Frau im Kanzleramt, dass sie, anders als ich, an einen Gott glaubt. Uns verbindet

trotzdem die gleiche Religion, denn sie mag mein Lied, in dem ich singe: „Und meine ungläubigen Lippen / Beten voller Inbrunst / Zu Mensch, dem Gott all meiner Gläubigkeit...“ Haben Sie auch vor der Nach-Merkel-Zeit keine Angst? Wie groß ist Ihr Vertrauen zu Politikern wie Friedrich Merz und Jens Spahn? Furcht habe ich immer. Aber die Furcht hat nicht mich. Nicht mal die populistische Dumpfbacke Donald Trump schafft es, die Demokratie in den USA aus den Angeln zu heben. Ich finde Spahn und Merz viel redlicher und rationaler als den Präsidenten im Weißen Haus. Bei aktuellen Auftritten begleitet Sie das Zentralquartett. Wolf Biermann und Jazz – kommt da zusammen, was zusammen gehört? Mit dem genialen Trommler Baby Sommer und dem Pianisten Ulli Gumpert war ich schon in Ostberlin befreundet. Aber natürlich konnten die Jazzer es sich nicht leisten, mit dem verbotenen Staatsfeind Biermann zu musizieren. Jetzt geht das. Die Jazz-Fans und die Liebhaber meiner Lieder haben etwas davon. Es ist eine Bereicherung, die vertrauten Lieder in neuen Jazz-Klangfarben zu hören, im anregend fremden Gewand. Meine Frau Pamela Biermann singt mit mir, sie ist ein erfrischender Kontrapunkt zu diesen Männer-Musikanten. Es macht großes Vergnügen – fürs eigene und offensichtlich mein Publikum. Ich sollte sagen: nicht offensichtlich, sondern offenhörig.

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INTERVIEW

In alten Hits wie der „Stasi-Ballade“ hört man Ihre Lust am Widerstand, Sie blühten auf in bitterer Kritik am irrlaufenden Staatswesen. Was wäre aus Wolf Biermann geworden, wäre er im Westen geblieben? In Hamburg wäre ich nie und nimmer „der Biermann“ geworden. Nur unter einem totalitären Drachen macht ein Drachentöter Sinn, ein Rebell mit dem klingenden Holzschwert. Wie die Mathematiker sagen: „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ wäre ich in meiner Vaterstadt Hamburg kein Dichter geworden, kein Liedermacher. Eher ein dogmatisch verblödetes Mitglied der DKP. Grauenhaft! Wie sehen Sie Ihre Rolle heute: Legende, ein Stück deutsch-deutsche Geschichte? Solch eine Rolle in der deutsch-deutschen Geschichte kann keiner anstreben –- sowas ergibt sich. Kein Menschenkind hat Einfluss auf die Menschen und geschichtlichen Umstände, von denen es geprägt wird. Ich bin jetzt alt genug und kann eine Bilanz zieh‘n: Ich hatte immer viel Glück im Unglück.. Ein neues Lied fängt so an: „Nee du, ich bin keen alter Mann mehr / Bin schon ein blutjunger Greis .../

Norbert Lammert empfängt zum Talk „Ein Gast. Eine Stunde“ im Schauspielhaus Bochum als nächste Gäste am 14. April Claus Peymann und am 23. Juni Wolfgang Clement.

Ihre West-Heimat war immer Hamburg, aber wie sehen Sie das Ruhrgebiet, in dem ja überall die Monumente des alten IndustrieKapitalismus zu bestaunen sind und jetzt seine Transformationen zu erleben? Der Wolf ist ein Hamburger Fischkopf im schöneren Altona. Aber als Biermann bin ich ein Berliner. In das Ruhrgebiet komme ich viel zu selten ... leider. Höchstens mal zum Singen. Aber ein Konzert reicht nicht aus, um mit lebendigen Menschen in Ruhe zu reden und zu schweigen. Man glotzt nur gegen die Scheinwerfer von der Bühne ins Parkett. Danach paar sympathische Leute. Dann in irgendein Hotelzimmer. Und am nächsten Tag weiter oder nach Haus. Vom Ruhrgebiet weiß ich nur, was jeder weiß: Dass diese legendäre Industriebrache inzwischen zum Weltkulturerbe gehört. Und habe davon gehört, dass „blühende Landschaften“, die Kanzler Kohl einst dem Osten versprach, nun auch im Westen auferstehen.

Wolf Biermanns Erzählband „Barbara. Liebesnovellen und andere Raubtiergeschichten“ erscheint am 15. März bei Ullstein und kostet 20 Euro.

Sie arbeiten gerade an einem neuen Buch. Was wird das? Nach dem dicken Memoirenbuch „Warte nicht auf bessre Zeiten!“ schreibe ich ein abermals allerletztes Mal prosaische Storys. Das Buch wird im Frühjahr erscheinen im Ullstein-Verlag in Berlin. Lauter Geschichten über ungewöhnliche Menschen, die mir Eindruck gemacht haben. Der Titel gefällt mir: „Barbara. Liebesnovellen und andere Raubtiergeschichten.“

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BÜCHER

Gelesen von Bastian Pütter

Wie Rechte reden Es gibt inzwischen ganze Regalmeter zum Phänomen des Rechtspopulismus, und es gibt Handreichungen und Praxishilfen zum Umgang. Darunter so unsäglich Kontraproduktives wie den volkspädagogischen Gassenhauer „Mit Rechten reden“, der in erster Linie Autorentrio und Publikum der eigenen Überlegenheit versicherte. Das Buch der Schweizer Geschlechterforscherin und Soziologin Franziska Schutzbach (Mitarbeit: Floris Biskamp) ist anders. Franziska Schutzbach kennt stetige Angriffe von „Männerrechtlern“ und Antifeministen, Ende 2017 lancierte die rechtspopulistische SVP in der Schweiz eine mediale Hetzkampagne gegen sie. Ihr Buch liefert einen knappen wie verständlichen Überblick über rechtspopulistische Diskursstrategien. Schutzbach identifiziert 20 typische Elemente der Rhetorik des Rechtspopulismus, bei der sich Form und Inhalt durchdringen: Von der Konstruktion des Gegensatzes „Volk – Elite“, über den Kampf gegen „Political Correctness“ bis zur Strategie der Tabubrüche und der Entkernung von Begriffen wie „wahrer Demokratie“ oder „Meinungsfreiheit“. Nach 100 Seiten endet sie mit Gedanken zu Gegenstrategien und – in dieser Form auch ungewöhnlich – sehr privaten Ermutigungen, dem Pessimismus, den Verhärtungen und der Resignation zu widerstehen. Franziska Schutzbach | Die Rhetorik der Rechten. Rechtspopulistische Diskursstrategien im Überblick ISBN: 978-3-905795-60-8 Xhanthippe | 135 S. | 19,80 Euro

Nach Afrin Der Bochumer Politikwissenschaftler und Historiker Ismail Küpeli (bodo 7/16) ist einer der in Deutschland vielgehörten Experten zur politischen Situation in der Türkei und in Nordsyrien. Sein 2015 ebenfalls in Münster erschienener Titel „Kampf um Kobanê“ war anlässlich der konkreten Kriegssituation auch eine Einführung in die kurdisch-türkische Konfliktgeschichte. Der gerade erschienene Sammelband „Kampf um Rojava, Kampf um die Türkei“ knüpft dort an. Die linke, basisdemokratische Föderation Rojava, die Kurden Ende 2013 im Norden Syriens etablierten, war von Beginn an durch einen türkischen Einmarsch bedroht. Mit russischer Zustimmung und durch das schwindende Interesse der USA erfolgte der erste Schritt 2018 mit dem AfrinKrieg. In dieser neuen Situation haben die Beiträge des Sammelbandes ihren Fokus beiderseits der Grenze. Es geht um Rojava in der türkischen Innenpolitik, um die Presse in der Autonomieregion, um die türkische Frauenbewegung, um Rojava als Alternative zum Nationalstaat. In seinem Auftaktbeitrag resümiert Herausgeber Küpeli die türkische Nahostpolitik unter der Überschrift „Hauptsache, die KurdInnen verlieren.“ Ismail Küpeli (Hg.) | Kampf um Rojava, Kampf um die Türkei ISBN: 978-3-96042-051-4 edition assemblage | 128 S. | 7,80 Euro

Überfahrten „Die Zurückgekehrten“ ist ein irritierendes Buch. Der mehrfach ausgezeichnete Roman des auf Haiti geborenen und in Paris lebenden Autors Néhémy PierreDahomey ist ein Familienepos auf nur 160 Seiten. Eine Geschichte über Flucht und Migration als Generationenprojekt, in den Worten des Autors ein Buch über die „Schwierigkeit zu reisen“. So kann man es auch sagen. José Saramago nennt Pierre-Dahomey als Vorbild, Stefan Zweig und García Márquez natürlich. Trotzdem ist da etwas ganz Eigenes in diesem lakonischen, fast unterkühlten Ton, und dem Humor, den Pierre-Dahomey im Interview so begründet: „Selbst eine traurige, düstere Geschichte beginnt mit einem Paradox, mit einem Riss, den man als ,komisch‘ bezeichnen könnte.“ Tiefer kann der Riss kaum sein: Belliqueuse Louissaint kehrt nach einer gescheiterten Überfahrt in ein besseres Leben zurück in eine elende, düstere Karibik, in ein Slum für die, deren Flucht gescheitert ist. Ihr kleiner Sohn ist tot. Erst mit ihrer jüngsten Tochter Belial, die sie zur Adoption freigibt, verwirklicht sich schmerzhaft der Traum von einem Neuanfang. Ein glückliches Ende ist das noch nicht. Néhémy Pierre-Dahomey Die Zurückgekehrten ISBN: 978-3-96054-078-6 Edition Nautilus | 160 S. | 19,90 Euro

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REPORTAGE

Ein Zuhause teilen Während in Großstädten überall auf der Welt Menschen zunehmend Schwierigkeiten haben, sich mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen, leben zugleich andere nach Trennungen oder nach dem Tod des Partners allein in zu großen Häusern. Das eigene Zuhause mit jemandem zu teilen und so bezahlbares Wohnen zu ermöglichen und Einsamkeit zu bekämpfen, entwickelt sich zum weltweiten Trend. Das Straßenmagazin Big Issue Australia hat solche „Homesharer“ besucht. Von Anastasia Safioleas | Fotos: James Braund, Michelle Grace Hunder

Die 89-jährige Cecilia und ihre Mitbewohnerin Jean genießen es, miteinander Zeit zu verbringen.

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Der gelbe Backsteinbau ist ein typisches Wohnhaus in einer australischen Vorstadt, mit weitem grünen Rasen, gepflegten Beeten und einem gewundenem Pfad zur Haustür. Die große, gemütliche Couch ist Zentrum des Wohnzimmers, von der Küche, in der unzählige Familienessen gekocht wurden, blickt man in den Garten hinter dem Haus. Hier wohnt Philomena, eine energiegeladene Frau von etwa 70 Jahren. Zusammen mit ihrem Mann Victor hat sie drei Kinder aufgezogen. Die sind lange erwachsen und ausgezogen. Victor ist vor einiger Zeit verstorben. Allein lebt Philomena aber nicht. Der 20-jährige Student Rakesh aus Malaysia, der Krankenpflege an einem nahegelegenen College studiert, wohnt bei ihr. Zusammengefunden haben sie über das Programm „Homeshare“ – auf Deutsch in etwa „das Zuhause teilen“. Das Pro-

gramm bringt zumeist ältere Menschen, die viel ungenutzten Wohnraum haben, aber im Alltag Unterstützung benötigen, mit meist jüngeren zusammen, die auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung sind. Die einen helfen den anderen im Haushalt oder beim Einkaufen und wohnen dafür umsonst oder günstiger.

„Sie sind Teil meiner Familie.“ „Unsere Zielgruppen sind Geflüchtete, Jugendliche mit niedrigem Einkommen, Frauen über 55 Jahre und Frauen, die vor familiärer Gewalt fliehen“, sagt Carla Raynes von „Homeshare Melbourne“. „Es gibt viele Leute, die gut in Wohngemeinschaften passen würden, aber nicht die Chance dazu erhalten.“ Wie Rakesh. Er verdient nicht viel und hat keine Familie in Australien. Er ist der

dritte Student, den Philomena bei sich aufgenommen hat. „Im Vergleich zur Miete ist es billiger, weil man nur für die Verpflegung bezahlt“, sagt er. „Du hast auch emotionale Unterstützung, wenn du nach Hause kommst. Das ist ein fremdes Land, also ist es für internationale Studenten wie mich gut, jemanden in der Nähe zu haben.“ Zugleich hat Philomena Hilfe im Haus – und eigentlich ist es für sie noch viel mehr: Rakesh sei wie ein Adoptivsohn, sagt sie. „Er ist ein guter Koch. Für sein Alter ist er sehr zielstrebig“, sagt sie. Vorher lebten Sukrit und Lala bei Philomen. „Sukrit studierte damals im Master und wir drei lebten hier zusammen. Er fuhr meinen Mann immer zur Reha. Nach Sukrit kam Lala, eine junge Frau aus Tibet. Ich habe ihr Nachhilfe in Englisch gegeben und bin mit beiden bis heute in Kontakt. Sie sind Teil meiner Familie und ich bin ein Teil ihrer Familie.“

Rakesh aus Malaysia ist bereits Philomenas dritter Mitbewohner. Er sei wie ein Adoptivsohn, sagt sie.

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REPORTAGE

Das eigene Zuhause mit anderen zu teilen ist ein weltweit beliebter Trend. Bei „Humanitas Deventer“, einer Senioreneinrichtung in den Niederlanden, bekommen Studierende eine kostenlose Unterkunft als Gegenleistung für 30 Stunden im Monat, in denen sie den älteren Menschen als Nachbarn Hilfe leisten. Im spanischen Alicante bietet die Regierung erschwingliche Wohnungen für zwei Altersgruppen an – ältere Menschen ab 65 Jahren und junge Erwachsene bis 35 Jahren. Die jungen Mieter verpflichten sich damit, vier Stunden in der Woche allen hilfsbedürftigen älteren Menschen zu helfen. Ähnlich funktioniert das Projekt „Wohnen für Hilfe“ in mehreren deutschen Universitätsstädten. Die Organisation „CoAbode“ in den USA bringt alleinerziehende Mütter zusammen, die sich ein Zuhause teilen und ihre Kinder gemeinsam großziehen. Und in Melbourne möchte „Homeshare“ auch Menschen erreichen, die auf dem angespannten Wohnungsmarkt zu kämpfen haben. Darum arbeitet das Projekt hier auch mit Organisationen für Asylsuchende zusammen. In diesem Feld zeichne sich im Moment eine Krise ab, sagt Koordinatorin Carla Raynes: „Die australische Regierung kürzt derzeit die Leistungen von Asylsuchenden. Wir gehen davon aus, dass mehr als 7.600 Menschen in Not geraten werden.“

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„Ich bin nicht bereit für ein Pflegeheim“ Cecilia kam vor fast 50 Jahren aus Südafrika nach Melbourne, in Australien hat sie keine Verwandten außer einer jüngeren Schwester. Nach einer Erkrankung hätte sie eigentlich in eine Senioreneinrichtung ziehen müssen. „Ich bin aber noch nicht bereit für ein Pflegeheim“, sagt die 89-Jährige, während sie in ihrem Lieblingssessel sitzt. Die einzige Alternative war, dass jemand bei ihr einzieht. Jetzt sitzt ihre Mitbewohnerin Jean im Sessel neben ihr. Cecilia erzählt: „Ich kann nicht mehr alleine bleiben. Aber ich bin es gewohnt, allein zu leben, darum war es schwer für mich, jemand passenden zu finden. Als ich Jean traf, wusste ich: Das ist die Mitbewohnerin, die ich möchte. Sie war mir eine große Hilfe.“ Cecilia und Jean genießen es, gemeinsam im Garten zu arbeiten und zusammen Kaffee zu trinken und Zeit zu verbringen. Wenn es nichts im Fernsehen gibt, sehen sie sich DVDs mit alten Filmen an, die Jean gebraucht kauft. Für die 61-jährige Jean ist das Leben bei Cecilia ihre erste Homeshare-Erfahrung. „Ich habe ein Haus auf dem Land, aber ich arbeite seit vielen Jahren in der Stadt.“ Und es sei eine große Hilfe: „Ich kann wegen meines niedrigen Einkommens nicht alleine im Großraum Melbourne bleiben – ich kann mir hier einfach keine Wohnung

leisten“, sagt sie. Und: „Es gibt viele Menschen in meinem Alter, die geschieden oder getrennt sind und sich in einer ähnlichen Situation befinden.“ Nach der jüngsten Volkszählung in Australien wurden Frauen über 55 Jahre als die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe identifiziert, die von Obdachlosigkeit bedroht oder betroffen ist. Bei Philomena und Rakesh ist mittlerweile Mittagszeit. Zusammen stehen die beiden in der Küche und bereiten das Essen vor. „Wir haben eine tolle Beziehung. Wir reden, wir lachen, wir essen zusammen. Für mich ist es eine tolle Erfahrung“, sagt Philomena und lacht: „Er schläft nur zu viel!“ Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von The Big Issue Australia / INSP.ngo


Eine Frage, Herr Friman:

Woher wissen Zugvögel, wann sie zurückkommen können? Wer zurzeit aus dem Fenster schaut, wird vielleicht Kraniche oder Buchfinken bei der Rückkehr in heimische Brutgebiete sehen. Doch woher wissen Zugvögel, wann das Wetter eine Rückkehr zulässt?

Lars Friman, Ornithologe beim Naturschutzbund Deutschland

Von den rund 250 Vogelarten, die in Deutschland brüten, machen sich mehr als die Hälfte vor dem Winter auf den Weg in wärmere Gefilde. Dabei werden sie unterschieden in Langstreckenzieher, die bis in Gebiete südlich der Sahara fliegen, und Kurzstreckenzieher, deren Zielorte in Westeuropa oder im Mittelmeerraum liegen. Tiere, die ihre Brutgebiete nicht verlassen, werden als Standvögel bezeichnet. Auslöser für den Vogelzug ist nicht die niedrige Temperatur im Winter, sondern der Mangel an erreichbarer Nahrung. Eine geschlossene Schneedecke macht die Suche nach Samen und Insekten für die meisten Vögel sehr schwer. „Der Drang, sich auf den Weg zu machen, ist aber auch genetisch verankert“, sagt Lars Friman, Ornithologe beim Naturschutzbund Deutschland. Selbst Zugvögel, die in Käfigen gehalten werden, neigen irgendwann dazu, eine „Zugunruhe“ zu entwickeln und sich wenn möglich auf den Weg in eine bestimmte Richtung zu machen. Allerdings verändern sich Zugrouten auch im Laufe der Jahre durch Selektion der besten Zugstrategien.

Bei der Orientierung hilft den Zugvögeln neben Sonnenstand und Sternenhimmel die Fähigkeit, das Magnetfeld der Erde wahrzunehmen. Auch markante geografische Leitlinien wie Meeresküsten, Gebirgszüge oder Flüsse können den Tieren bei der Orientierung helfen. Unerfahrene Jungvögel f liegen bei ihrem ersten Zug über einen genetisch vorgegebenen Zeitraum in eine feste Richtung. Erfahrene Vögel finden sich

Wenn Zugvögel auf ihrer Heimreise merken, dass die Temperaturen noch zu niedrig sind, verlängern sie ihre Zwischenstopps. hingegen gezielt an bestimmten Rast- und Überwinterungsgebieten ein, an denen sie über Jahre hinweg immer wieder anzutreffen sind. „Wenn Zugvögel auf ihrer Heimreise merken, dass die Temperaturen noch zu niedrig sind, verlängern sie ihre Zwischenstopps und reagieren so f lexibel auf die klimatischen Bedingungen“, weiß Lars Friman. „Sichere Rastgebiete entlang der Vogelzugrouten sind für die Tiere daher überlebenswichtig.“

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Soziale Stadtführung „Ich finde es wichtig, dass die Jungs auch mal sehen, mit welchen Privilegien wir hier leben, die nicht alle Menschen genießen dürfen. (…) Das sind Schicksale, für die viele Leute keinen Blick haben. Seit der Führung nehme ich diese Personen erst einmal richtig war. Man bekommt ein Verständnis dafür. (…) Ich habe das Gefühl, dass die Jungs einiges mitgenommen haben von dem Abend.“ Stephan Hellwig, Trainer bei den Handballern der HSG Herdecke/Ende, die bei bodo eine soziale Stadtführung gebucht hatten bodo 01.19

Verlosung Schwerter Kleinkunstwochen Danke sagen auch wir, liebes bodoTeam, für einen unvergesslichen Abend in der Rohrmeisterei Schwerte mit diesen Ausnahmekünstlern. Wir durften – dank Euch – diese Perle der Kleinkunst erleben. Liebe Grüße, K. &.P.H., Kamen bodo 02.19

Wieviel Plastik werfen Sie weg? Liebe bodos, super, Eure Geschichte zum „Plastikfasten weltweit“. Ich finde es wundervoll, das Thema so positiv und konstruktiv anzupacken. Jeder kennt die schrecklichen Bilder von Tieren, die am weggeworfenen Plastik sterben und die von vermüllten Stränden. Im Fernsehen habe ich gesehen, wie deutscher Plastikmüll, für den in Deutschland extra der völlig nutzlose Grüne Punkt eingeführt wurde, auf Müllkippen in Asien vor sich hin gammelt. Da finde ich toll zu zeigen, was man selbst tun kann. In den superschönen Unverpacktläden einkaufen zum Beispiel. Die Familien auf der ganzen Welt, die durch einfache Entscheidungen ihren Plastikmüll so deutlich reduzieren, machen Mut. Hoffentlich motiviert das viele. Danke für eine tolle bodo! F. H.


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Fotoreportage Leben auf der Straße Sehr traurig und bedenklich, dass so etwas in Deutschland Wirklichkeit ist. Viele wollen sich den Stress mit den Ämtern nicht antun und leben lieber auf der Straße. Kenne hier im Umfeld auch jemanden, der in einem Garten in einer Holzhütte lebt und teilweise mit einem Notstrom-Dieselaggregat heizt. Allerdings weiß ich nicht, ob er von irgendeiner Unterstützung lebt. G. K. Das ist heftig und sehr ergreifend. Und das in einer Gesellschaft, die im Überfluss lebt... J. C. bodo 02.19

Chak-e-Wardak Ich habe mich sehr gefreut, das schöne Interview mit Karla Schefter in der bodo zu lesen. Sie ist eine der beeindruckendsten Dortmunderinnen. Wie sie angesichts der Entwicklung in Afghanistan als humanitäre Helferin nicht die Hoffnung verliert, ist bewundernswert. R.W. Das Magazin

Das Magazin ist wirklich gut! Beiträge sind informativ, auf ‘s Ruhrgebiet ausgelegt und es werden immer wieder tolle Lokalitäten vorgestellt. Beim nächsten Mal ruhig eine Ausgabe kaufen. J.M. via Facebook

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VERKÄUFERGESCHICHTEN

„Ein eigenes Bett oder keins – da liegen schon Welten zwischen.“

Nach kurzer Zeit auf der Straße hat Dennis wieder eine eigene Wohnung. Mit zwei Mitbewohnern teilt er sich eine kleine WG im Dortmunder Norden. Wir haben uns getroffen und über Zukunftspläne, das Leben auf der Straße und in seiner neuen WG gesprochen. Text und Foto: Sebastian Sellhorst

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ls wir Dennis fragen, was das Schlimmste am Leben ohne eigene Wohnung ist, muss er nicht lange überlegen: „Das Beschissenste am Leben ohne eigene Bude ist, dass du alle deine Klamotten immer mit dir rumschleppen musst. Es gibt zwar Schließfächer bei der Diakonie und auch im Bahnhof kann man Sachen einschließen. Aber im Endeffekt läufst du dann doch immer mit einem riesigen Rucksack durch die Gegend und hast ständig Schlafsack und Isomatte dabei. Alles, was du nicht immer bei dir und im Blick hast, ist über kurz oder lang weg.“ Auf der Straße schläft Dennis nicht mehr. Nachdem er zwei Wochen in der Männerübernachtungsstelle verbracht hat, sei ihm ein Platz in einer Notwohnung angeboten worden. „Und ehrlich gesagt bin ich heilfroh darüber. Da liegen schon Welten zwischen, ob du dich abends in dein eigenes Bett legst oder zwischen zwei Trennwänden in einem großen Raum mit völlig Fremden die Nacht verbringst“, erzählt der 26-Jährige. Die Stadt Dortmund ändert ihre Strategie im Kampf gegen Wohnungslosigkeit. Die Männerübernachtungsstelle, in der Vergangenheit nicht selten Sackgasse für Aufgenommene, soll jetzt Clearingstelle sein, von der aus Menschen innerhalb von zwei Wochen in eine Wohnung oder eine andere Wohnform vermittelt werden. Im sogenannten Wohnraumvorhalteprogramm hat die Verwaltung derzeit rund 730 Wohnungen zur Unterbringung angemietet.

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In einer davon wohnt Dennis mit zwei Mitbewohnern. „Im Moment wohnen wir hier zu dritt. Ein Kumpel von mir und ein Typ in meinem Alter aus Tunesien sind zurzeit mit mir in der Wohnung. Aber jeder hat sein eigenes Zimmer, das er abschließen kann. Das heißt, man kann sich auch mal aus dem Weg gehen, bevor man sich auf die Nerven geht.“ Bis jetzt funktioniere das alles einigermaßen. „Ich hab das große Glück, dass mein Mitbewohner gelernter Koch ist. Der hat schon den ein oder anderen Trick drauf, wenn es ums Essenmachen geht. Den Abwasch machen wir zusammen, wenn wir nicht gemeinsam in der Suppenküche waren. Und das Fernsehprogramm wird halt ausdiskutiert.“ Die Suche nach einer eigenen Wohnung gestalte sich schwierig. „Es ist unglaublich, wie leergefegt der Wohnungsmarkt zurzeit ist. Was Bezahlbares mit 40 bis 50 Quadratmetern findest du fast überhaupt nicht. Und falls doch, sind es wirklich Bruchbuden zu unglaublichen Preisen. Bei allem darüber wird es schwierig, das vom Amt bezahlt zu bekommen, und weg aus Dortmund möchte ich auch nicht.“ Auch wenn Dennis vorsichtig geworden ist, was große Zukunftspläne angeht, verrät er uns doch noch zwei seiner Wünsche für die nächste Zeit. „In meiner Zeit nach der Bundeswehr habe ich in diversen Lager-Jobs gearbeitet. Sowas zu finden wäre schon ganz okay. Und dann irgendwann vielleicht auch mal wieder irgendwo hin in Urlaub fahren. Am liebsten einmal durch die USA. Einmal quer durch.“


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Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt

Und sie bewegt sich doch. Die SPD feilt an einem großen Sozialplan. Normalerweise gibt es den erst, wenn ein Unternehmen pleite ist. Die Sozialdemokraten sind kein normales Unternehmen. Sie bremsen erst, nachdem sie den Laden vor die Wand gesetzt haben. Denn hinter der Wand lauert noch der Abgrund. Was erlaubt sich da Hubertus Heil? Der Arbeitsminister plant etwas, das über den Koalitionsvertrag hinaus geht. Mit der Grundrente will er Menschen ein halbwegs würdiges Leben im Alter ermöglichen. Davon stehe nicht mal was im Kleingedruckten, tönt es von der Union. Doof. Aber vielleicht hat Heil kurz ins Grundgesetz geguckt. Da steht ganz vorne was von der unantastbaren Würde. Da muss man auch mal zupacken, wenn sich was ändern soll. Wäre es schon Politik, stupide die 175 Seiten Koalitionsvereinbarung abzuarbeiten, könnte ein Lochkartenrechner der 60er Jahre das übernehmen, ein dressierter Bonobo oder notfalls ich. Eine halbe Seite pro Tag schaffe ich, am Wochenende hätte ich gerne frei. Es scheint, als feiere die SPD retro, erinnere sich ihres Markenkerns, einer Sozialpolitik zwischen sinnvoll und notwendig. Kaum ist die Grundrente vorgestellt, hallt es aus der roten Echokammer im Internet: „200 Euro unter dem PfändungsMartin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.

freibetrag!“ Wahnsinn, und nebenher mehr als eine Million von der Rente entfernt, die Dieter Zetsche demnächst bei Daimler bekommt. Die SPD denkt über die Rente hinaus, schreit dabei aber nicht

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so wie die Union in Asylfragen. Das weckt den Verdacht der Besonnenheit. Schauen wir also auch mal auf die schlecht Beschäftigten. Richtig ist, dass mit den 450-Euro-Jobs ein großer Niedriglohnsektor entstanden ist. Richtig ist auch, dass nirgendwo steht, dass Minijobber für Mikrolöhne schuften. Auch Dieter Zetsche könnte in dem Rahmen dazu verdienen. Er würde nur schon nach 51 Minuten den Hammer fallen lassen.

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