bodo Februar 2018

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bodo DAS

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IN STRASSENMAGAZ

Die besten Geschichten auf der Straße

2,50 Euro Die Hälfte für den Verkäufer

SYRIEN VOR DEM KRIEG ATELIER AUTOMATIQUE STADT ENTDECKEN KUNST UND WUT

TV-Koch mit Haltung: zu Besuch bei Ole Plogstedt Seite 18

Im Labor schlafen Seite 12

R E N E S A B A N AN GEBIET Z W ISCHEN RU HR N A M O R N E H C S O R G D UN

NUR MIT AUSWEIS

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IMPRESSUM

Herausgeber, Verlag, Redaktion: bodo e.V. , Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Redaktionsleitung und V.i.S.d.P.: Bastian Pütter, redaktion@bodoev.de 0231 – 950 978 12, Fax 950 978 20 Layout und Produktion: Andre Noll, Büro für Kommunikationsdesign info@lookatnoll.de Veranstaltungskalender: Petra von Randow, redaktion@bodoev.de

INHALT

Anna Basener

Von Peter Hesse

Anzeigenleitung: Susanne Schröder, anzeigen@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Vertriebsleitung: Oliver Philipp, vertrieb@bodoev.de 0231 – 950 978 0, Fax 950 978 20 Autoren dieser Ausgabe: René Boyke, Peter Brandhorst, Julia Demming, Peter Hesse, Alexandra Gehrhardt, Peter Hesse, Felix Huesmann, Wolfgang Kienast, Max Florian Kühlem, Markus, Bastian Pütter, Petra von Randow, Daniel Sadrowski, Sebastian Sellhorst Titelfoto: Sabrina Richmann Bildnachweise: Bianka Boyke (S. 16), Feliks Horn (S. 25), Felix Huesmann (S. 39), Birgit Hupfeld (S. 45), Lutz Jäkel (S. 38, 39), Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW (M:AI) (S. 21), Sabrina Richmann (S. 4), Daniel Sadrowski (S. 12, 13, 14, 23, 30, 32, 34), Sebastian Sellhorst (S. 2, 3, 7, 8, 9, 10, 11, 16, 41, 43, 46), Shutterstock.com (S. 22), Peter Werner (S. 18, 20) Druck: LN Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien Auflage, Erscheinungsweise: 20.000 Exemplare, monatlich in BO, DO und Umgebung Redaktions- und Anzeigenschluss: für die März-Ausgabe 10.2. 2018

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Ihre Karriere als Schriftstellerin begann Anna Basener als Autorin von Groschenromanen. Mit ihrem ersten „richtigen“ Roman „Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte“ gelang ihr nun ein vielbeachteter Durchbruch in die Popliteratur.

Im Schlaflabor

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Schlaf ist lebenswichtig. Wer dauerhafte Schlafprobleme hat, ist in einem Schlaflabor gut aufgehoben. Aber was passiert dort eigentlich? bodo besuchte Dr. Martina Neddermann und ihr Team im AugustaKrankenhaus in Bochum. Von Julia Demming

Lost Places

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„Die Stadt gehört uns allen“, findet Björn Hering. Er klettert auf Dächer und erkundet verlassene Ruinen. Wir haben ihn auf einem seiner Streifzüge begleitet und mit ihm über seine Faszination für „Verlassene Orte“ gesprochen.

Anzeigen: Es gilt die Anzeigenpreisliste 01.2015

Von Wolfgang Kienast

Verein: bodo e.V. ist als gemeinnützig eingetragen im Vereinsregister Dortmund Nr. 4514 Vereinssitz: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund www.bodoev.de, facebook.com/bodoev Vorstand: Andre Noll, Verena Mayer, Marcus Parzonka verein@bodoev.de Geschäftsleitung, Verwaltung: Tanja Walter, 0231 – 950 978 0, verein@bodoev.de Öffentlichkeitsarbeit: Bastian Pütter, 0231 – 950 978 0, redaktion@bodoev.de

Markus, bodo-Verkäufer in Bochum

Transporte, Haushaltsauflösungen: Brunhilde Posegga-Dörscheln, 0231 – 950 978 0, transport@bodoev.de bodos Bücher, Modernes Antiquariat: Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund 0231 – 950 978 0, Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr, Sa. 10 – 14 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Dortmund: Schwanenstraße 38, 44135 Dortmund Mo. – Fr. 10 – 13 Uhr Anlaufstelle und Vertrieb Bochum: Stühmeyerstraße 33, 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr, Fr. 14 – 17 Uhr Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00 BIC: BFSWDE33XXX

Liebe Leserinnen und Leser, wie viele von ihnen mitbekommen haben, sind wir ja mit einem neuen Layout in das neue Jahr gestartet. Und es scheint Ihnen zu gefallen. Auch letzten Monat bin ich all meine Zeitungen losgeworden und auch bei meinen Kollegen und Kolleginnen scheint es ganz gut gelaufen zu sein. Denn kurz vor Erscheinen der neuen Ausgabe waren wir ausverkauft und das trotz des wirklich wieder nicht schönen Wetters. Die Zeit bis zum Erscheinen der neuen bodo habe ich mit dem Verkauf des bodo-Films überbrückt. Der Dokumentarfilm begleitet vier meiner Kolleginnen und Kollegen und mich beim bodo-Verkauf. Erst letzten Monat haben wir den Film wieder zwei Mal in Dortmund und Bochum gezeigt. Falls Sie ihn noch nicht gesehen haben, sprechen Sie mich oder einen anderen Verkäufer einfach darauf an. Meistens haben wir einige DVDs mit dabei. Jetzt wünsche ich Ihnen erst mal viel Spaß bei der aktuellen bodo und hoffe, dass Ihnen auch diese Ausgabe gefällt. Ihr Markus

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EDITORIAL

04 Menschen | Anna Basener 07 Straßenleben | Verwarngelder für Obdachlose 08 Neues von bodo 12 Reportage | Im Schlaflabor 16 Das Foto 16 Recht | Jobcenter muss für Schulbücher zahlen 17 Kommentar | Obergrenze für Mieten 17 Die Zahl 18 Porträt | Ole Plogstedt 21 Soziales | Alle wollen wohnen 22 Wilde Kräuter | Behaartes Schaumkraut 23 Kultur | Atelier Automatique 24 Veranstaltungskalender | Verlosungen 29 Kinotipp | Free Lunch Society 30 bodo geht aus | Café Safran 32 Reportage | „Lost Places“ 36 Bücher 37 Eine Frage… | Hat Bochum wirklich so viele Kneipen? 38 Interview | Syrien vor dem Krieg 41 Soziales | Hannibal 42 bodo Shop | Leserpost 43 Leserpost | Rätsel 44 Kultur | Botschaften aus der Filterblase 46 Verkäufergeschichten | Marcus

Liebe Leserinnen und Leser, schön, dass Sie sich für das Straßenmagazin entschieden haben. Mit Ihrer Entscheidung haben Sie nicht nur einfach ein Produkt gekauft – für die Verkäuferin oder den Verkäufer, bei dem Sie es erhalten haben, bedeutet jedes verkaufte Magazin ein Erfolgserlebnis. Es ermöglicht einen kleinen Zuverdienst und, vielleicht etwas weniger sichtbar, ist ein Zeichen der Wertschätzung für seine und ihre Arbeit. Danke für Ihre Rückmeldungen zum neuen Layout, die wichtig für uns sind, um ein Straßenmagazin zu machen, das Sie gern lesen und gern kaufen. Immer wieder teilen Sie in Briefen oder E-Mails auch Ihre eigenen Geschichten mit uns – Geschichten von Begegnungen mit bodo-VerkäuferInnen, Erinnerungen an Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, Geschichten vom anderen Blick, vom Wechsel der Perspektive auf Armut und Ausgrenzung. Einige davon lesen Sie auf den Seiten 42 und 43. Bedanken möchte ich mich auch bei allen Menschen, die unsere Arbeit, zum Teil als „Neulinge“, zum Teil schon seit vielen Jahren, mit ihren Spenden unterstützen. Mit Ihrem Beitrag helfen Sie mit, unsere Angebote zu sichern, Menschen in Notlagen und auf dem Weg zum Neuanfang zu unterstützen. Viel Spaß beim Lesen der neuen Ausgabe und viele Grüße von bodo,

Ihre Meinung ist uns wichtig. S.4 2

Alexandra Gehrhardt – redaktion@bodoev.de

bodo bedankt sich bei allen Unterstützerinnen und Unterstützern Sparkasse Bochum Dr. Josef Balzer, Michael Buddenberg, Helmut Buscha, Christian Chammings, Angelika Engelberg, Paul Engelen, Fabian Fluhme, Rolf Geers, Grünbau gGmbH, Almuth Keller, Jutta Kemper, Helga Koester-Wais, Wulfhild Tank, Felix Zulechner, Gabriela Schaefer, Hermann Schroeder, Susanne Mildner, Barbara Meyer, Ute Michler, Ludwig Seitz, Bärbel Bals, Kerstin Bals, Karl Bongardt, Ralf Finke, Michael Stange, Nicole Goralski, Erika Janssen, Marlis Lange, Arne Malmsheimer, Wolfgang Neuhaus, Ursula Remer, Nadja Schramm, Rainer Stücker, Thomas Terbeck, Thomas Schröder, Snezka Barle, Ute Börner, Bernd Ewers, Regina Höbel, Sandra und Friedrich Laker, Frank Siewert, Ilona Zarnowski, Rainer Biel, Udo Bormann, R. Dammer, Anita Diehn-Driessler, Christine Ferreau, Udo Greif, Rüdiger Haag, Elsbeth Heiart, Astrid Kaspar, Annette Kritzler, Jutta Meklenborg, Sandra Rettemeyer, Dorothea Bomnüter, Petra Bloch, Ina und Arno Georg, Edith Link, Annemarie Meiling, Christian Scheer, Roswitha Wolf, Ulrike Bornemann, HansGeorg Schwinn, Isabell Bikowski-Gauchel, Peter Buning, A. und M. Dietz, Klaus-M. Kinzel, Annegret Malessa, Christine Weber, Monika Bender, Petra Bender, Lieselotte Koch, Katrin Lichtenstein, Ulrike Märkel, Gerd Pelzer, Renate Krökel, Klaus Kwetkat, Stefan Meyer, Carsten Klink,

Thomas Olschowy, Daniela Gerull, Karl-Heinz Schwieger, Barbara Bokel, Sandra Wortmann, Dirk Schmiedeskamp, Sebastian Poschadel, Rita Pilenko, Margret und Hansjörg Sellhorst, Christoph Grüter, Jörg Gruda, Dorothea Staudinger, Tamara Vorwald-Piepke, Daniela Schmitz-Häbler, Gero Krause, Friederike Claassen, Sulamith Frerich, Nicole Hölter, Gerhard Heiart, Michael Abenath, Carola Bohl und Achim Illner, Klaus-Peter Adelt, Nadine Albach, Hannah Albin, Altenried & Partner, Gisela und Bernd Ammermann, Anna AsbeckWienemann, Olaf Authorsen, Dr. Barbara Baier, Jesko Banneitz, Cornelia Baschek, Thorsten Baulmann, Ute und Dieter Baum, bbb R. Klein und Partner GbR, BC Systemtechnik GmbH & Co.KG, Ursula Becker, Wolfgang Becker, Brigitte Behrend, Klaus Beie, Dr. Jochem Beier, Hans-Günther Bender, Barbara und Gerhard Bendokat, Ulrich Bernhardt, Brigitte und Markus Josef Beyer, Andreas Beyna, Gertrud Bicker, Philip Biessey, Reinhold Bindemann, Erika Birkners, Karin Bloecher, Ulrich Blomer, Martina Bocker, Ursula Bödecker, Pierre Boehm, Wolfgang Böhm, Annegret Bömmelburg, Kathrin Bohr, Franz-Albert Bomkes, Agnete Book, Elsemarie Bork, Karen Bossow, BP Oil Marketing GmbH, Sabine Brackhahn, Karin und Wolfhart Bremer, Heimo und Karin Brieden, Margarete Brinke, Helga Brinkmann-Hempel, Ralf Brisi, Ute Brix,

Dagmar Brockmann, Petra Brüschke, Kirsten Bubenzer, Horst Buchner, Gerd Budde, Elsbeth Bültmann, Brigitte und Burkhard Hugo Büning, Andreas Bürgel, Dietrich Büscher, Elmar Büttinghaus, Daniel Buning, Annegret Burdenski, Belana Busse, Nick Busse, Timm Busse, Dorothea Butterbach, Susanne Gisela Bzdzion, Hartmut Conrad, Wilhelm Cordes, Andrea und Andreas Dahl, Christine Dahms, Gudrun Damann, Raphael Dammer, Petra Danielsen-Hardt, Jürgen Demandt, Stefanie Dencks, Birgit und Michael Denda, Kirsten Deppe, Klaus-Dieter und Iris Dertz, Winfried Deuchert, Hildegard Hagemann und Devakaran Mukundan- Hagemann, Dr. Karl Ernst Dieckmann, Dagmar Diedenhofen, Annette Diehl, Ingrid Diel, Marliese Diel, Sonja Marlis Hoke-Zanger und Dieter Zanger, Andrea und Martin Dietz, Ilse und Prof. Dr. Bernhard Dilger, Karola Distelkamp, Doris Doberstein, Christina Dolkemeyer, Dr. Helga Donath, Hanna Donder, Sandra Dongenacker, Elisabeth Dornburg, Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH, Manfred Drechsler, Miriam Dreyer, Johanna Peter und Dr. Gerd Peter, Claus Dubois, Monika Dürger, Nicole Duesberg, Ilse Dunholter-Paiczyk, Bärbel During, Detlef Eichardt, Dieter Max Elster, Armin Emmerich, Ralph Hermann Ende, Udo Enderlin, Irmhild Engelhardt, Corinna und Matthias Ense, Manfred Erdmann,

Renate und Hans Ermer, Bernhard Ernst, Brigitte und Peter Eskowitz, Tobias Eule, Luzia Fabian, Elisabeth und Hans-Georg Fahlbusch, Eberhardt Falk, Dr. Roger Falke, Fanclub 11Freunde, Antje Fateh, Karin Felithan, Prof. Dr. Josef Fellsches, Hugo Fiege, Susanne Fischer-Bolz, Dieter Fischer, Hannes Fischer, Manfred Fischer, Sabine Fischer, Klaus-Peter Foschepoth, Gabriele Freitag, Martina Freund, Karl-Heinz Freytag, Gudrun und Hans-Jörg Fricke, Detlef Friedrich, Dr. Arthur Frischkopf, Gisela Fröhlich, Ina und Gabriel Fuhler, Christa Fuhrländer, Gerd-Ulrich Fuhrmann, Hannah Gajsar, Christian Galla, Susanna Galow, Ingrid und Herbert Gausmann, Ursula und Rainer Gebauer, Klaus Gebelhoff, Ralf Gehrhardt, Christoph Gehrmann, Hartmut und Cordula Gerber, Menno Gerhard, Hildegard und Edmund Gericke, Daniela Gerlach, Jörg und Petra Gerlitz, Daniela Gerull-Haas, Henriette Gietz, Iris Gleis, Ursula Glunz, Heinz Gockel, Angelika Göbel, Stefanie Goertz, Ursula Elisabeth und Hans Gollminski, Monika Gombert, Bärbel und Reiner Gorwa, Kathleen Gotz, Ingrid Gräff, Katja Grebner, Olaf Greve, Matthias Grigo, Johannes Grimmenstein, Marco Groger, Bert Grollmann, Inga Grollmann, Dirk Grond, Barbara Große-Büning-Reith, Großfoto Stühler GmbH & Co KG, Martin Groß, Dr. Michaela Gross, Ulrike Grützner, Manuela Gruhn, Wolfgang Grundmann,

Karl-Heinz Guethoff, Bettina und Peter Gumprich, Annette Gunk, Ellinor Haase, Gabi Haase, Simone Hackenberg, Maria Hackmann, Edith Haffendorn, Esther Hagemann, Susann und Jörg Hagenschulte, Bernhard Hahn, Ralf Hainke, Cornelia Haller, Axel Hamann, Christoph Hamelbeck, Carmen Sabine Hampel, Sigrid Hanebutt, Ruth Margarete Hanke, Annette Kortler-Albowitz und Hans-Peter Albowitz, Eugen Harazim, Silke Harborth, Ansgar Harder, Ulrike Hartmann-Kraft, Julian Hartung, Brigitte und Wilhelm Hast, Meret Eve Haug, Eckart Haumayr, Susanne Hausche, Susanne Hausdorf, Heike Hebben, Carl-Ludwig Hebler, Monika und Wilhelm Hecking, Elsbeth und Gerhard Heiart, Frank Ulrich Heidenreich, Gudrun und Gerhard Heidkamp, Rosel Helle, Günter Hellmann, Heike Helms, Eva-Maria Hennecke, Gabriele Hering, Dr. Annette Herling, Marianne Herling, Angelika Kruse-Fernkorn und Hermann Fernkorn, Michael Hermund, Leonie Herrmann, Almut und Rudolf Hesse, Marita Hirtz, Dirk Höffken, Monika Höhle, Waltraud Hölker, Elisabeth Hölscher, Beate Hoffmann, Jürgen Hoffmann, Silke Hoffmann, Jürgen und Rosemarie Hohfeld, Karin Holling, Claudia und Markus Holtkamp, Else Holzkämper, Iris Holzkämper, Marion Holz,

Fortsetzung auf Seite 7 3


MENSCHEN

„Ich schreibe einfach immer und überall“ Anna Basener

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Geht es nach der Wochenzeitung „Die Zeit“, ist Anna Basener die erfolgreichste deutsche Groschenroman-Autorin. Sie ist zudem Autorin für viele Magazine, schreibt Krimis, Artikel und Essays. Nun ist mit „Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte“ ihr erster Roman erschienen, der derzeit immer größere Kreise zieht. Wir trafen Anna Basener in Dortmund zum Gespräch und haben mit ihr über Fürstenromane, das Erfinden von Geschichten und ihre Definition von Luxus gesprochen. Von Peter Hesse | Foto: Sabrina Richmann

Welche Rolle spielt das Ruhrgebiet in Deinem Leben? Es spielt eine Riesenrolle. Ich habe gerade sehr viele Lesungen in Essen, Bochum und Dortmund hinter mir – da sehe ich meine Familie und lese vor Leuten, die die gleiche Heimat haben. Ich wohne ja jetzt in Berlin und hätte mein Buch „Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte“ nicht schreiben können, wenn ich noch hier wohnen würde. Weg zu sein, etwas Distanz und ein bisschen eine andere Sprache im Ohr zu haben, hat mir total geholfen, die „Omma“ zu erfinden und das zu schreiben. Um das Buch gibt es ganz schön viel Wirbel: Frank Goosen hat den Klappentext geschrieben, Gerburg Jahnke hat das Hörbuch eingelesen und nun hat sich Adolf Winkelmann die Filmrechte gesichert. Besser geht es kaum, oder? Ja, das ist schon irre. Es hat angefangen mit Frank Goosen, der das Manuskript gelesen hat, bevor es erschienen ist – und dann diesen Spruch geschrieben hat, den wir auf das Buch drucken konnten. Mein Vater schläft in einem T-Shirt mit dem Goosen-Zitat „Woanders is auch scheiße“. Goosen ist eine Instanz für meine Familie. Da war für mich schon das Gefühl da: So, jetzt

Anna Basener

Geboren: 1983 in Essen

Studium: Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis an der Uni Hildesheim Wohnort: gemeinsam mit ihrem Freund in Berlin Idol: Die Romane „Gilgi, eine von uns“ und „Das kunstseidene Mädchen“ von Irmgard Keun haben Anna extrem beeindruckt Lieblingsgetränk: Eierlikör Pläne für 2018: viel schreiben, wenig reisen

„Weg zu sein, etwas Distanz und ein bisschen eine andere Sprache im Ohr zu haben, hat mir total geholfen, die ,Omma‘ zu erfinden und das zu schreiben.“ hast du alles erreicht! Gerburg Jahnke liest das Hörbuch – darüber bin ich sehr entzückt, weil ich auch mit ihr aufgewachsen bin. Ich hab in Essen auch einmal mit ihr zusammen gelesen. Das hätte mir mal jemand erzählen sollen, als ich zwölf Jahre alt war: Gerburg Jahnke und ich auf einer Bühne. Und nun schreibe ich zusammen mit Adolf Winkelmann noch am Drehbuch für die Verfilmung – das ist alles in allem sehr großartig. Zudem soll es auch noch eine Theater-Adaption geben, das wird gerade heiß diskutiert. Die Welt der Groschenromane ist eines Deiner großen Standbeine. Hat Dir das manchmal auch geschadet? Mit dem Verfassen von Groschenromanen habe ich mir mein Studium finanziert, inzwischen schreibe ich die nicht mehr. Aber ich habe sie wahnsinnig gern geschrieben und bin auch sehr stolz darauf, dass ich so viele davon gemacht habe. Für viele ist das Schundliteratur, ich habe auch schon Leute hinter meinem Rücken tuscheln gehört, warum ich „so was“ gemacht habe. Ins Gesicht sagt mir das aber keiner. Das ist das eine. Das andere ist, dass ich mit meinen Groschenromanen in der „Zeit“ und in der Süddeutschen Zeitung vorgestellt worden bin. Die großen Feuilletons fanden das interessant; damit habe ich dort viel mehr Aufmerksamkeit bekommen als jetzt zum Beispiel mit der „Omma“. Lebst Du komplett von Deiner Textarbeit, oder hast Du noch andere Jobs?

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MENSCHEN

Ich habe nach dem Studium dreieinhalb Jahre als Lektorin bei Bastei Lübbe gearbeitet. Danach habe ich gekündigt, und seitdem schreibe ich nur, auch viel unter Pseudonym. Manchmal überlegst Du Dir auch die abenteuerlichsten Namen, zum Beispiel Catharina Chrysander oder Jack Slade. Wie wichtig ist so ein Name? Pro Genre braucht man ein anderes Pseudonym. Jack Slade gehört zur Reihe „Lassiter“, da hat man keine andere Chance: Alle Autoren, die diese Westernromane schreiben, tun das als Jack Slade. Den Namen Catharina Chrysander habe ich mir speziell für Fürstenromane ausgedacht. Das klingt irgendwie schön, beides ist mit C geschrieben, und der Nachname klingt nach einer Blume. Bei einem Heimatroman würde man eher als Heidi oder Rosie schreiben. Schreibst Du auch noch viel mit der Hand? Der eigentliche Text entsteht am Rechner. Ich sitze meist ganz normal am Laptop und habe einen Schreibblock daneben liegen. Ich notiere dort alles Mögliche, was mir zum aktuellen Stoff einfällt. Diese College-Blöcke nehme ich auch mit zu Interviews und mache mir dann meine Notizen. Ich kritzle da manchmal auch nachts rein, wenn mir Dinge einfallen. Wenn ich richtig in einem Text drin bin, schreibe ich einfach immer und überall. Genau genommen auch unter der Dusche. Wie hoch ist der „Karl-May-Faktor“, wenn man sich in eine triviale Geschichte hineindenkt? Ich glaube, der ist sehr hoch. Wenn wir die Fürstenromane nehmen, dann wird dort ein Adel beschrieben, der nur am Rande mit dem zu tun hat, was heute der Adel in Deutschland ist. Diese Parallelwelt ist eine geschlossene Gemeinschaft – und die gibt es noch immer. Nur: Die sind gar nicht so glamourös, wie man sich das immer vorstellt. Meistens sind das eher Land- oder Forstwirte und gar nicht so sehr die Leute, die in teuren Cabrios von Ball zu Ball fahren. Du brauchst für den Fürstenroman aber eher das Bild, das Zeitschriften wie die „Gala“ vermitteln, wenn sie Fotostrecken machen. Man erschafft da eine eigene Welt. Es ist nicht so, dass ich ganz investigativ vier Monate lang über Gloria von Thurn

Anna Basener Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte ISBN 978-3847906254 Eichborn Verlag | 16,90 Euro

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und Taxis recherchiere und dann einen Groschenroman darüber schreibe. So funktioniert das nicht. Fürstin Gloria ist als fiktive Figur in der Trivialliteratur eigentlich nicht zu gebrauchen, denn sie ist eine exzentrische Persönlichkeit, die viel zu extreme Positionen vertritt.

„Bei den Groschenromanen ist alles ausgedacht, bei der ,Omma‘ ist das nicht so. Zum Teil musste meine Familie für einzelne Figuren herhalten.“ Wie viel Biografisches braucht eine Geschichte, damit sie funktioniert? Bei den Groschenromanen ist alles ausgedacht, bei der „Omma“ ist das nicht so. Zum Teil musste meine Familie für einzelne Figuren herhalten. Meine eigene Oma zum Beispiel ist darin verarbeitet worden, und die Protagonistin Bianca hat sehr viel von mir. Das war auch der Schritt vom Groschenroman zur Popliteratur, als ich Bianca zu mir gemacht habe. Das heißt: Da habe ich gemerkt, dass ich nicht über irgendeine Prinzessin in irgendeinem Schloss schreibe, sondern ganz konkret über mich. Dann sagt diese Figur auch „ich“, was in einem Groschenroman überhaupt nicht gehen würde. Im Laufe der Geschichte wird diese Figur auch extremer, wütender und literarischer – und später ist sie auch wieder mehr zu einer fiktionalen Figur geworden. Sammelst Du Geschichten oder Anekdoten für Deine Plots oder wie funktioniert das? Manchmal stolpert man über etwas Interessantes, was ich dann notiere. Wenn ich aber so etwas schreibe wie die „Omma“, dann muss ich konkret nach Informationen suchen, über Prostitution recherchieren zum Beispiel. Dafür habe ich Kontakt mit „Madonna“ aufgenommen, einer Prostituiertenhilfe, die in Bochum ansässig ist. Dann schreibe ich mit den Sozialarbeiterinnen dort, treffe sie und führe ein Interview mit denen. Ich habe auch mit einer ehemaligen Prostituierten und einer ehemaligen Bordellwirtschafterin gesprochen. Das brauchte ich ganz aktiv für die Geschichte. Im Kontrast dazu geht es in der Welt der Fürstenromane viel um Prunk und übertrieben hohe Lebensstandards. Was genau ist Luxus für Dich? Nach dem Aufstehen nicht aus dem Haus zu müssen. Ich stelle mir morgens zwar einen Wecker, weil ich sonst von zwei Uhr nachts bis mittags um zwölf schlafen würde. Ich würde zu viel am Tag verpassen, Arbeiten geht dann nicht so gut. Aber aufstehen und dann im Schlafanzug an den Rechner und wenig Termine zu haben – das ist Luxus.


STRASSENLEBEN

Auf der Straße zu schlafen kann in Dortmund teuer werden. Wer sich ein Dach über dem Kopf nicht leisten kann und stattdessen auf öffentlichen Flächen übernachtet, muss mit Verwarngeldern von mindestens 20 Euro rechnen. Auch in Bochum geht das Ordnungsamt gegen Obdachlose vor, die „lagern und campieren“. Von Felix Huesmann Foto: Sebastian Sellhorst

Teures Lager Im Dezember berichtete die „Frankfurter Rundschau“, dass Frankfurter Stadtpolizisten Verwarngelder gegen Obdachlose verhängen, die im öffentlichen Raum lagern, und diese bar kassieren. Die Nachricht sorgte bundesweit für Aufregung. Frankfurt am Main ist im Umgang mit Obdachlosen im Stadtraum keineswegs allein. Viele Städte verbieten in ihren Verordnungen das „Lagern und Campieren“ auf öffentlichen Flächen. Das Schlafen auf Bänken oder Bürgersteigen wird dadurch zur Ordnungswidrigkeit. Mindestens 394 Mal verwarnte das Dortmunder Ordnungsamt im Jahr 2017 Menschen, weil sie auf öffentlichem Grund „lagerten“ oder „campierten“. In einem Teil dieser Fälle wurden auch Verwarngelder ausgesprochen – in Wiederholungsfällen, wie die Stadt Dortmund mitteilt. bodo liegt ein Verwarngeld-Bescheid vor, der einem 59-jährigen Obdachlosen ausgestellt wurde. Der Grund: Er übernachtete am Hohen Wall. 20 Euro sollte er der Stadt

Dortmund überweisen – ein hoher Betrag für Menschen, die sich kein Dach über dem Kopf leisten können. Die städtischen Regelungen würden „mit der erforderlichen Sensibilität in Bezug auf die derzeitige Jahreszeit, aber auch konsequent“ durchgesetzt, erklärt die Stadt. Auch in Bochum geht das Ordnungsamt gegen Obdachlose vor. In den Wintermonaten gebe es Sonderregelungen, dann werde der „Aufenthalt innerhalb des Bahnhofs und im Bereich der U-Bahn-Abgänge“ geduldet, so ein Stadtsprecher über die Vereinbarung zwischen Stadt, Deutscher Bahn, dem Verkehrsbetrieb bogestra und der Polizei. Im Rest des Jahres und an anderen Orten wird das „Lagern und Nächtigen“ auf öffentlichen Flächen jedoch auch in Bochum nicht geduldet. Wer vom Ordnungsamt erwischt wird, erhält einen Platzverweis. Verwarngelder seien in Bochum aber bislang nicht ausgesprochen worden.

bodo bedankt sich bei allen Unterstützerinnen und Unterstützern Fortsetzung von Seite 3 Sandra Holzschneider, Monika Hornig, Dr. Rüdiger Hossiep, Inge und Georg Hüdepohl, Stefanie Hufen, Magdalene und Wilhelm Hustert, Ingenieurbüro für Bautechnik E. Heymer, Innosoft GmbH, Heinrich Jabkowicz, Wolfgang Jacobs, Stefan Jäger, Olaf Heinz Jäkel, Heribert Jahn, Norbert Jansen, Anne Jentgens, Jens Jeromin, Wilhelm Joemann, Johannes Jorberg, Sigrid und Klaus Julcher, Birgit Junge, Hannelore Kärner, Ursula und Hans Kaeten-Ammon, Marlies Kaiser, Norbert Kaiser, Edith Kallenbach, Eva und Ludwig Kalthoff, Volker Kampmann, Michael Kansteiner, Petra Karmainski, Doris und Manfred Kater, Rolf Kath, Lieselotte und Jürgen Kaufmann, Heiderose Kemper, Karola und Werner Kerski, Klaus Kesper, Mechthild und Erich Kessler, Franziska und Alfons Kienast, Klaus-Michael Kinzel, Ursula Kirch, Ines Kirschmann, Karin und Christian Kisro, Heinz Peter Klein, Werner Klein, Klimawerkstatt GmbH, Jürgen Klin, Ulrich Klöpper, Beate und Udo Klotzbücher, Manfred Klünder, Eva-Maria Knappe, Ingrid Knop, Fritz Jürgen Kober, Elfriede Koch, Annette und Hans-Werner Kocher, Eduard Kock, Ralf Köplin, Helga KösterWais, Matthias Kolbe, Christina Kolivopoulos, Birgit Kolz-Wohner, Thomas Konradt, Anja Kopka, Michael Kopka, Jutta Korth, Hermann Kotar, Wilhelm Kovermann, Ulrich Krämer, Eva Krafft, Edeltraud Kraski-Kühne, Sabrina Krause, Robert Krebs, Eberhard Kreuzer, Dr. Thomas Kriedel, Martin Krug, Stephanie Kruse, Georg Kübel, Martin Kühl-Lukas, Uwe Kühnel, Ursula Kühn, Basil Kühn-van Geldern, Rainer

Kuhlage, Rolf Kuhlemann, Angela Kuntz, Joeran Kuschel, Peter Kuschel, Klaus-Martin Kwetkat, Birgit Lamerz-Beckschäfer, Helga und Dieter Lamp, Ernst Lange, Ruth Lange, Ludger Langfermann, Peter Lasslop, Gabriele Latza, Manfred Lawicki, Gertrud und Udo Lehmann, Heike und Martin Lenckowski, Karin Leutbecher, Jochen Otto Ley, Margarete und Gerd Liedtke, Dr. Susanne Lindner, Dr. Elmar Linnemann, Dr. Jörg Diether Lipke, Susanne Lippold, Birgit Loer, Monika Lohmann, Ilona und Andreas Lorenz, Ursula und Lutz Lorenz, Gerlinde und Adolf Los, Hans-Wilhelm Lückerath, Michael Manthey, Liselotte Markgraf, Alexander Markmann, Monika Markötter, Maria Marseille, Reinhard Marx, Mechthild Maschetzke, Petra Maßberg, Sven Matuschak, Maurer, Marion Mause, Verena Mayer, Nicole und Alexander Mecoleta, Peter Mehnert, Dolf Mehring, Thomas Meid, Barbara Mellage, Prof. Dr. Klaus-Martin Melzer, Elke und Hubertus Mentner, Winfried Mescher, Annette und Matthias Meyer, Ellen Meyersieck, Brigit Treichel und Michael Dorlemann, Christiane Kersting und Michael Lechte, Petra Neumann und Michael Rottkämper, Dr. Bernd Mielke, Peter Mindner, Dr. Hubert Mittler, Wilhelm Michael Mommertz, Dietmar Mosbach, Gabriele und Heinrich Mücke, Brigitte Müller, Gerhard Müller, Maria Müller, Ulrike und Joachim Müller, Marlies und Werner Münster, Andreas Muller, Christian Muller, Felix Muschal, Ilonka Naumann-Röhl, Werner Neugebauer, Gerd Neukirchen, Christoph Neumann, Margit und Lothar Neumann, Christel und Friedhelm Niemeyer, Wolfgang Niespor, Karin Ingeborg Nitschke, Henning Nölle,

Benjamin Nolte, Wolfgang Nolte, Ludger Normann, Sylvia Oberwörder, Gudrun Obloh, Dr. Jürgen Olschewski, Heinz-Joachim Otto, Gabriele und Albrecht Pagel, Nicolai Parlog, Ulrich Peine, Barbara Perchner, Marion Peters, Margit Petzold, Gisela Piechotta, Rita Pieperhoff, Angela Pintus, Ingrid Pleßmann-Deklerk, Matthias Plümpe, Eva Maria Poehler, Gisela Pötter, Anke Poganatz, Christine Pohl, Wiltraud Pohl, Judith Poloczek, Dr. Sebastian Poschadel, Brunhilde Posegga-Dörscheln, Werner Potocnik, Ulrich Potthast, Gabriele Potthoff, Suzanne Präkelt, Rolf Prange, Anita und Rudolf Przygoda, Dr. Nelson Puccio, Bastian Pütter, Sigrid Quenter, Sabine Raddatz, Prof. Dr. Günther Rager, Renate Randel, Marion Rapsch, Annegret Ratajczak, Michael Raulf, Barbara Real, Reinhard und Birgit Reglitz, Monika Reimer, Marlies und Ingo Reinbothe, Hildegard Reinitz, Jutta Reiter, Tobias Reitz, Gisela Resch, Brigitte und Walter Reuße, Christel Reuter, Dr. Ulrike und Oscar Reutter, Christine Richter, Heinz Riedl, Gisela Ring, Rosemarie Ring, Winfried Risken, Renate Irmgard und Wolfgang Roch, Marcus Rödel, Friedhelm Roehl, Gregor Röhling, Margarete und Hans-Günter Rogall, Marianne Rogge, Angelika Rohde, Dirk Rohrberg, Christina Rose, Ingo Rosner, Martin Rost, Jürgen Rysi, Bettina Sänger, Sven Sarter, Gabriele Sasse, Gundula Saul, Alfons Schach, Robin Schade, Bärbel Schäfer, Gabriela Schäfer, Hans Schäfer, Matthias Schäfers, Stephan Schaffer, Volker Schaika, Dorothee Scharping-Hammad, Inge Schaub, Manuela Scheele, Kathrin Scherbauer, Laura Schlachzig, Herbert Joachim Schleicher, Anke Schliebeck, Gerd Schlit-

zer, Hans-Jürgen Schmidt, Jelka Schmidt, Jessica Schmidt, Manfred Schmidt, Marlies Schmitmann, Renate Schmitt-Peters, Dr. Annette Schmitz-Stollbrink, Herbert Schnier, Carina Schöne-Warnefeld, Hannelore Schoeppner, Rainer Schollas, Wilhelm Schonfeld, Gisela Schreiber, Dr. Annegret Schrewe, Hermann Schröder, Jutta Schütze Göcmen, Dr.-Ing. Michael Schugt, Gabriele Schulte, Angelika Schulz, Schulz Bauleistungen, Marie-Luise Schulze-Springer, Hartmut Schulze-Velmede, Waltraud und Manfred Schumacher, Birgit Schumann, Gerlinde Schwarz, Susanne Schweitzer, Angelika Schwerdt, Dr. Karl-Heinz Schwieger, Sabine Seeber, Edith Seidel, Karin Seidel, Andrea Seiler, Dr. Ludwig Seitz, Olga Senger, H. F. Sennhenn, Dr. Sabine Siebel, Evelyn Sievers, Nicole Siewert, Prof. Dr. Anke Simon, Habib Sirin, Lothar Sondermann, Ute Soth-Dykgers, Sabine Sowa, Christoph Spiekermann, Silvia Spiess, Wolf Stammnitz, Horst Stark, Kath. Kirchengemeinde St. Clemens, Rosemarie und Hans-Gerd Steffens, Barbara und Dieter SteffensUrban, Britta Steinbach, Regina Steiner, Michael Steinkamp, Norbert Stenner, stiftung ruhrarmut, Oliver Stiller, Kerstin und Kai Christian Stippel, Dorothee Stix, Anja Stock, Vivian Strotmann, Gunnar Strott, Margitta Strott, Jürgen Stuckemeier, Karin Stuckemeier, Manfred Sudmann, Helga und Rolf Süßbrich, Johannes Syre, Dr.jur. Farzad Tahasi-Knoche, Markus Talarczyk, Enkeleda Tartari, Ludwig und Iris Ter Horst, Margret Tersteegen, Brigitte Teuber, Dagmar Tewes, Theater Traumbaum, Karin Thesing, Petra Thiel, Walter Thiemann, Maria Thimme, Hannelore Thimm-Rasch, Karin Obst und Thomas Palm, Erika Thon,

Rita Timmerbeil, Calvin Timmer, Agnes Tönsing und Tobias Scholz, Teodora Todorova, Sabrina Todtenhoefer, Christine und Reinhard Tölle, Johannes Tonak, Hans Torberg, Ulrich Trottnow, Annika Tschöpe, Doris Piepenbring-Nesch und Udo Nesch, Sibylle Uhl-Dabelow, Rosemarie Gerhards und Juan Carmona-Schneider, Herbert Unger, Agnes und Udo Vieth, Ute Voepel, Petra Vogt, Beate Vohwinkel, Dr. Eberhard Volckmann, Nils Vollert, Christel und Gerhard Volpers, Anke Vosloh, Elisabeth Vossebrecher, Petra Voßebürger, Ursula Voßschmidt-Kuhfuß, Heinz Emil Wagner, Jutta und Wido Wagner, Petra Wagner, Waltermann & Zwiener GmbH, Dorothee und Hans-Joachim Wanzek, Ursula Wasiolka, Michael Watermann, Daniel Weber, Erhard Weber, Gabriele Elisabeth Weber, Gabriele Weigelt, Annette und Werner Weischede, Hans-Peter Weiß, Sole und Carsten Welge, Franz-Josef und Hildegard Welp, Hans W. Wenkebach, Angelika Wenner, Marianne Werning, Marion Westermann, Christine Westphal, Gisela und Norbert Weyer, Ursula Wiedemann, Helma Wiemann, Beate Wieseler, Karl Wiesinger, Bernd Wilimzik, Mimi Wilkening, Heike Willingmann, Ute und Michael Winkler, Nina Winter, Irmela Witte, Petra Wittenberg, Marlis und Heinz Günter Witthaus, Bruno Wittke, Jessica Witulski, Susanne und Bodo Wobbe, Monika Wohlfarth, Roswitha und Thomas Wohlgemuth, Alexandra Wolf, Christiane Wollschläger, Womika Wohnmobile GmbH, Uwe Wronowski, Klaus Joachim Würpel, Birgit Zacher, Birgitt und FranzWerner Zawadzki, Heidemarie Zebrowski, Ute und Rainer Zerkowski, Timo Zimmermann, Kristina Zürner.

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NEUES VON BODO

Brüchige Biografien Zweimal volles Haus hatten wir Ende Januar, als wir in Dortmund und Bochum den Film „Brüchige Biografien“ zeigten. Die Dokumentation porträtiert fünf bodoVerkäuferInnen und begleitet sie bei ihrer Arbeit und durch ihren Alltag. Die Düsseldorfer Produktionsfirma „Citizen Frame“ produzierte mit uns den abendfüllenden Film, der auch als Sonderheft mit DVD erschien. Mit über 70 Menschen sprachen wir im Dortmunder Dietrich-Keuning-Haus im Anschluss an den Film mit den beiden Protagonisten Gökhan und Markus (Foto) über ihre aktuelle Lebenssituation. Beim anschließenden Small Talk wurden weitere Kontakte geknüpft, Erfahrungen ausgetauscht und die nächsten Aufführungen vereinbart. Wenn Sie den Film bisher verpasst haben, fragen Sie bei Ihrer Verkäuferin oder Ihrem Verkäufer nach: Die Sonderausgabe gibt es, wie das „normale“ Heft, nur auf der Straße.

TERMINE Soziale Stadtführung in Dortmund 10. Februar, 11 Uhr Treffpunkt: bodo-Buchladen Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Soziale Stadtführung in Bochum 17. Februar, 11 Uhr Treffpunkt: bodo-Anlaufstelle Stühmeyerstraße 33 44787 Bochum bodo-Autoren lesen Lieblingstexte 22. Februar, 19.30 Uhr bodo-Buchladen Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund 8

Durch die Stadt

bei bodo: Vorgelesen

Einen ungewohnten Perspektivwechsel versprechen bodos Stadtführungen in Bochum und Dortmund. Mit einem Verkäufer geht es an Orte, die in keinem Reiseführer stehen – an denen Wohnungslose etwas Warmes zu essen finden, Kleidung, ein offenes Ohr und Unterstützung. Die nächsten Termine: Samstag, 10. Februar in Dortmund, Start um 11 Uhr am bodoBuchladen, Schwanenwall 36 – 38; Samstag, 17. Februar in Bochum, Start um 11 Uhr an der bodo-Anlaufstelle, Stühmeyerstraße 33. Anmeldung: 0231 – 950 978 0, Kostenbeitrag 5 Euro. Auch Gruppen, Vereine und Schulklassen können unsere Stadtführungen buchen – rufen Sie einfach an und vereinbaren einen Termin.

Mit unserer Redaktion und einem Pool freier AutorInnen und FotografInnen gestalten wir jeden Monat ein Straßenmagazin, in dem wir spannende, originale, manchmal auch urige und ungewöhnliche Geschichten erzählen. Ein paar davon bringen drei Autorinnen und Autoren des Straßenmagazins am 22. Februar in unserem Buchladen am Dortmunder Schwanenwall zu Gehör. In unserer Veranstaltungsreihe „bei bodo“ lesen sie Neues und Älteres, Kurioses, Heiteres, Ernstes, in bodo, bei anderen Medien oder nie Veröffentlichtes. Beginn ist um 19.30 Uhr im bodo-Buchladen, Schwanenwall 36 – 38. Der Eintritt ist frei, wir freuen uns über Spenden.


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Unter dem Dach des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Dortmund haben sich rund 200 gemeinnßtzige Vereine, Organisationen und Initiativen zusammengeschlossen. Sie bieten Unterstßtzungsleistungen in allen Lebensbereichen an:

10 Jahre Kaysh Jeden Monat schreibt Martin Kaysh, Moderator, Kabarettist und Geierabend-„Steiger“ fĂźr die AWO in bodo. In seinen Glossen erzählt er von politischen Kuriositäten aus der Region und aus dem Land – und feiert damit jetzt zehnjähriges Jubiläum bei bodo. Wir freuen uns Ăźber jede einzelne. GlĂźck Auf, Martin!

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Beratung bei Ehe- und Lebenskrisen UnterstĂźtzung bei der Betreuung von Kindern Angebote fĂźr Jugendliche und junge Erwachsene UnterstĂźtzung bei psychischen Erkrankungen Hilfen fĂźr Menschen mit Behinderungen Hilfen in Notlagen und bei besonderen sozialen Schwierigkeiten SelbsthilfeunterstĂźtzung

Kontakt ßber Paritätischer Wohlfahrtsverband NRW Kreisgruppe Dortmund Ostenhellweg 42-48/Eingang Moritzgasse | 44135 Dortmund Telefon: (0231) 189989-0, Fax: -30 dortmund@paritaet-nrw.org | www.dortmund.paritaet-nrw.org

Achtung, neue Adresse.

Josef Albers Museum . Quadrat Bottrop Jonas Weichsel. Parcours 28 . 1 . 22 .4 . 2018

www.quadrat-bottrop.de

FĂśrderer der Ausstellung

BĂźcher schaffen Stellen

initiiert vom: Business and Professional Woman Germany e.V.

Ganz typisch ist bodos Buchladen ja nicht: Denn in unseren Regalen stehen nicht die allerneuesten Titel der Bestsellerliste, sondern Ihre Spenden. Mehr als 10.000 gut erhaltene, zum Teil neuwertige Artikel finden sich im Sortiment, das Sie online genauso durchstÜbern kÜnnen wie am Schwanenwall in Dortmund – ob Krimis, Romane, Sach- und Fachliteratur oder DVD’s und HÜrbßcher. Und: Ihre Bßcher schaffen Stellen, unser Team sorgt fßr die Annahme, Sortierung und Katalogisierung sowie fßr den Verkauf. Wir sind montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 14 Uhr fßr Sie da. Am Rosenmontag (12. Februar) bleibt unser Buchladen geschlossen.

GLEICHER LOHN FĂœR GLEICHE ARBEIT

18. März 2018

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NEUES VON BODO

Dank Ihrer Hilfe Wer zu uns kommt, braucht keinen Termin. Wir beraten, begleiten, ersetzen den nassen Schlafsack. Wir erklären den komplizierten Brief vom Amt, bieten in unseren Anlaufstellen in Bochum und Dortmund einen Ort zum Aufwärmen und zum Austausch. Unsere Arbeit wird möglich durch unschätzbare Unterstützung: von Organisationen wie den „Ruhrpotthelden“ mit Ex-Fußballspieler Ingo Anderbrügge und Torsten „Toto“ Heim (Foto), die warme Socken für unsere Verkäuferinnen und Verkäufer spendeten, das Team von „brichbag“, das uns im Januar mit hochwertigen wasserbodo e.V. festen Rucksäcken ausgestattet hat – und durch die vielen SpenderinBank für Sozialwirtschaft nen und Spender, die unsere Arbeit finanziell unterstützen. Herzlichen IBAN: DE44 3702 0500 0007 2239 00 Dank! bodo ist als gemeinnützig und mildtätig anerkannt, Sie erhalten BIC: BFSWDE33XXX eine Spendenbescheinigung.

SOZIALES Kältetote: Mindestens drei Wohnungslose sind im vergangenen Herbst und diesen Winter in Deutschland bereits den Kältetod gestorben. Das teilte die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe mit. Im Hannover starb im November ein 60-Jähriger, wenige Wochen später ein 51-Jähriger in Freiburg und Mitte Dezember ein 52-Jähriger in Schwerin. Bei zwei weiteren auf der Straße verstorbenen wohnungslosen Männern war die Todesursache unklar. Gewalt gegen Geflüchtete: 1.713 Übergriffe auf Flüchtlinge bilanziert die Amadeu-Antonio-Stiftung für das Jahr 2017. 23 der dokumentierten Taten seien Brandanschläge. Zwar sei ein deutlicher Rückgang gegenüber dem Vorjahr festzustellen, von Entwarnung könne aber keine Rede sein. Es sei mit einem weiteren Anstieg der Zahlen zu rechnen, wenn das BKA seine Statistik für das vierte Quartal veröffentliche. Transparenteres Einkommen: Seit dem 6. Januar haben Beschäftigte von größeren Betrieben mit mindestens 200 Mitarbeitern das Recht, zu erfahren, wie viel sie im Vergleich zu ihren Kolleginnen und Kollegen verdienen. Das Gesetz bekräftigt den Anspruch auf gleiche Bezahlung von Frauen und Männern für gleiche oder gleichwertige Arbeit und soll dem Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen entgegen wirken. In eigenen Wohnungen: Neun von zehn der kommunal zugewiesenen Geflüchteten in Dortmund wohnen mittlerweile nicht mehr in Gemeinschaftsunterkünften, sondern haben Wohnungen gefunden. Das teilte die Stadt mit. Wegen der rückläufigen Flüchtlingszahlen wurden im vergangenen Jahr bereits mehrere Flüchtlingsunterkünfte in Dortmund geschlossen.

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Auf der Schulbank Das erste, was viele Menschen von bodo mitbekommen, ist oft ein Mensch mit einem Verkäuferausweis um den Hals und einem Straßenmagazin in der Hand. Doch was steckt dahinter? Warum gibt es Wohnungslosigkeit, und was bedeutet das eigentlich für die Leute? Davon berichten wir gemeinsam mit VerkäuferInnen des Straßenmagazins regelmäßig in Schulklassen, die Themen wie Obdachlosigkeit oder soziale Ausgrenzung im Unterricht behandeln. Wenn Sie eine Schulstunde mit bodo planen, oder eine unserer Anlaufstellen in Dortmund und Bochum mit Ihrer Schulklasse besuchen wollen, rufen Sie uns gerne an: 0231 – 950 978 0.


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www.facebook.com/bodoev info@bodoev.de

Ansprechpartner Geschäftsleitung: Tanja Walter verein@bodoev.de

0231 – 950 978 0 bodo ist für Sie da

Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit: Bastian Pütter redaktion@bodoev.de

montags bis freitags von 9 bis 16 Uhr zentrale Rufnummer: 0231 – 950 978 0 Mail: info@bodoev.de Fax: 0231 – 950 978 20 Besuchen Sie uns

Anzeigen: Susanne Schröder anzeigen@bodoev.de Vertrieb: Oliver Philipp vertrieb@bodoev.de bodos Bücher: Suzanne Präkelt buch@bodoev.de

Schwanenwall 36 – 38 44135 Dortmund Mo. bis Fr. 10 – 18 Uhr Sa. 10 – 14 Uhr

bodos Bücher online: Gordon Smith basar@bodoev.de

Stühmeyerstraße 33 44787 Bochum Mo. bis Do. 10 – 13 Uhr Fr. 14 – 17 Uhr

Transporte und Sachspenden: Brunhilde Posegga-Dörscheln transport@bodoev.de

druckwerk

druck in dor tmund

www.druckwerk.info bodo berichtet von seiner Arbeit

Wir berichten in Vorträgen den Zuhörerinnen und Zuhörern aber auch von Themen, die uns in unserer Arbeit täglich begegnen und uns zu so etwas wie Experten machen: die Ursachen und Auswirkungen von Wohnungs- und Obdachlosigkeit, Armut, drängenden Forderungen der Akteure der Wohnungslosenhilfe, den Folgen enger werdender Wohnungsmärkte, von

denen die Menschen, die zu uns kommen, häufig als erstes betroffen sind. Wenn Sie uns für einen Vortrag zu sich einladen oder uns in Bochum oder Dortmund besuchen möchten, rufen Sie uns an (0231 – 950 978 0) oder schreiben Sie uns eine E-Mail: info@bodoev.de. Weitere Termine und Veranstaltungen finden Sie online unter www.bodoev.de oder bei Facebook: www.facebook.com/bodoev.

en lassen.“ „Nicht ärgern. Berat © by Photocase.de

Auch im neuen Jahr stellen wir die Arbeit von bodo bei Kirchengemeinden und Vereinen vor und laden Gruppen in unsere Räume in Bochum und Dortmund, um zu erzählen, wie das Straßenmagazin funktioniert und auf welche Ziele unser Verein hinarbeitet.

Mieter schützen · Mietern nützen!

Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.

Mieterverein

Bochum, Hattingen und Umgegend e.V.

Brückstraße 58 44787 Bochum Tel.: 0234 / 96 11 40 mieterverein-bochum.de

Kampstr. 4 44137 Dortmund Tel. 0231/557656-0 mieterverein-dortmund.de

Öffnungszeiten Mo - Do 9:00 - 18:00 Fr 9:00 - 12:00

Öffnungszeiten Mo - Do 8:30 - 18:00 Fr 8:30 - 14:00

Mitglieder im Deutschen Mieterbund

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REPORTAGE

Über den Schlaf wachen

Schlafen ist so wichtig für den Menschen, dass er rund ein Drittel seiner Lebenszeit damit verbringt. Wir brauchen den Schlaf, damit sich unser Körper und Geist erholen. Wenn das nicht klappt, wir also schlecht oder zu wenig schlafen, werden wir unruhig – oder sogar krank. Dr. Martina Neddermann und ihr Team haben im Schlaflabor im AugustaKrankenhaus in Bochum ein wachsames Auge auf Menschen, die Probleme mit dem Schlafen haben. Wir haben sie besucht. Von Julia Demming | Fotos: Daniel Sadrowski

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S

chlaf ist elementar für Tiere und Menschen. Wenn er nicht so wichtig wäre, dann könnten wir ihn ja einsparen, wie wir heute alles Mögliche einsparen“, sagt Dr. Martina Neddermann. Sie betreut als Leitende Oberärztin im Schlaflabor in der Bochumer AugustaKlinik Menschen, für die der Schlaf nicht so erholsam ist, wie er sein sollte. Ein Teil der Station im zweiten Stock des Gebäudes ist nur dem Schlafen gewidmet. Die drei geräumigen Einzelzimmer sind wochentags jede Nacht belegt mit Menschen, die schlecht ein- oder durchschlafen oder zum Beispiel Atemaussetzer während der Nacht haben. Herr H. ist aus dem Sauerland nach Bochum gekommen, um sich in der Augusta-Klinik im Schlaf überwachen zu lassen. Die erste Nacht hat er schon hinter sich: verkabelt, mit Elektroden auf der Haut und unter dem wachsamen Auge einer Kamera, die gegenüber dem Bett angebracht ist. So werden in der Nacht die Atmung und Bewegungen der Patienten überwacht, um ein Bild davon zu bekommen, ob und wie sie schlafen. Außerdem wird die Sauerstoffversorgung im Körper gemessen, und ein kleines Mikrofon am Hals nimmt mögliche Schnarchgeräusche auf. Bei unserem Besuch am Vormittag wirkt Herr H. ausgeruht. Besonders gut geschlafen hat er aber nicht: „An sich so wie immer“, sagt der schlanke Mitt-Fünfziger, „und wenn ich immer gut schlafen würde, dann wäre ich ja nicht hier.“ Herr H. sitzt im Jogginganzug auf dem Bett. Den Tag ver-

bringt er heute ebenfalls hier im Krankenhaus, denn das Schlaflabor ist eine stationäre Einrichtung. Herr H. ist hierhergekommen, weil er sich häufig nicht ausgeruht fühlt: „Ich bin oft nachmittags total erschlagen. Obwohl ich eigentlich genug schlafe. Das ist schon seit Jahren so. Mein Hausarzt ist da nicht mehr weitergekommen, deshalb wollte ich das jetzt hier mal abklären.“ Sein Bruder habe ähnliche Probleme gehabt. Durch ihn sei er erst darauf gekommen, sich im Schlaflabor untersuchen zu lassen.

Wenn Atemaussetzer bedenklich werden Dr. Neddermann und ihr Team versuchen herauszufinden, woher die Erschöpfung von Herrn H. kommen könnte. „Das kann zum Beispiel daran liegen, dass die Patienten die Beine nachts unwillkürlich bewegen, ohne dass sie etwas davon merken“, sagt Dr. Neddermann, „oder an Atemaussetzern in der Nacht, der sogenannten Apnoe.“

„Bis zu einer gewissen Anzahl sind solche Atemaussetzer unbedenklich. Aber wenn es zu viele werden, kann das auf Dauer zu Herz-Kreislauf-Problemen führen.“

Dr. Martina Neddermann und ihre Mitarbeiterin versuchen den Grund für die Schlafprobleme von Herrn H. zu finden.

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REPORTAGE

Die ganze Nacht lang werden Atmung und Bewegung der Patienten im Schlaflabor gemessen und aufgezeichnet.

„Ich kann nicht in der Woche dauerhaft zu wenig schlafen und dann meinen, dass ich das am Wochenende nachhole.“

Bis zu einer gewissen Anzahl seien solche Atemaussetzer unbedenklich. Aber wenn es zu viele werden, kann das auf Dauer zu Herz-Kreislauf-Problemen führen. „Solchen Patienten kann man dann mit einer Maske gut helfen“, sagt Dr. Neddermann. Diese Maske hängt an einem Gerät, das einen positiven Luftdruck herstellt und die Atemwege offenhält. Dadurch wird das Problem der Atemaussetzer behoben, und vielen hilft das, am nächsten Morgen wieder ausgeruhter zu sein. Dem Bruder von Herrn H. konnte zum Beispiel damit geholfen werden. In der ersten Nacht unter Beobachtung im Schlaflabor ließ sich bei Herrn H. nichts Bedrohliches feststellen, das hat ihm die Oberärztin bei der Visite am Morgen mitgeteilt. „In der Regel verbringen die Patienten hier eine bis zwei Nächte, dann haben wir einen guten Einblick in die verschiedenen Schlafphasen“, sagt Dr. Neddermann. Die Schlafphasen, das sind Leichtschlaf, Tiefschlaf und der sogenannte REM-Schlaf, die jeder von uns mehrmals in der Nacht durchläuft. REM steht für Rapid-Eye-Movement, also die Schlafphase, in der sich die Augen schnell bewegen –

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und in der wir träumen. „Wenn man jemanden in der REMPhase aufweckt, dann kann er sich angeblich an den Traum erinnern“, sagt Dr. Neddermann. Den REM-Schlaf bezeichnen die Schlafmediziner als geistigen Erholungsschlaf; der Tiefschlaf gilt als Erholungsphase für den Körper. Ein gesunder Schlafzyklus dauert nach der Annahme von Ärzten und Forschern insgesamt siebeneinhalb Stunden – „Plus minus eine Stunde, weil die einzelnen Phasen bei jedem Menschen unterschiedlich lange dauern“, sagt Dr. Neddermann. Deshalb sei es ein Problem, wenn Menschen davon ausgehen, dass sie mit weniger auskommen: „Schlaf wird immer mehr unterschätzt. Manchmal kommen hier Leute hin, die sich wundern, dass sie nicht fit sind – und dann stellt sich im Gespräch heraus, dass sie nur sechs Stunden pro Nacht schlafen, weil sie, wie sie sagen, so viel erledigen müssen.“ Doch die Rechnung geht nicht auf – und kann die Gesundheit auf Dauer gefährden. „Ich bin auch ein Mensch wie jeder andere und schlafe manchmal zu wenig oder habe Probleme beim Ein- oder Durchschlafen, wenn ich zum Beispiel zu viel gearbeitet habe“, sagt Dr. Neddermann. „Aber an sich achte ich darauf, dass ich genügend Schlaf bekomme.“ Etwas weniger Schlaf in der Nacht könne man auch mal mit einem Mittagsschlaf ausgleichen. Der muss dann aber laut Martina Neddermann noch am gleichen Tag stattfinden: „Ich kann also nicht in der Woche dauerhaft zu wenig schlafen und dann meinen, dass ich das am Wochenende nachhole.“


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Während nachts in den drei Zimmern im Schlaflabor der Augusta-Klinik die Patienten mehr oder weniger ruhig schlummern, sitzt im Überwachungszimmer der Abteilung auf dem gleichen Flur ein Mitarbeiter und beobachtet das Geschehen auf mehreren Bildschirmen. Dort zeigt jeweils ein Video pro Patient in Echtzeit, wenn sich zum Beispiel eine Elektrode löst oder der Schlafende sich bewegt. Außerdem werden hier mehrere Kurven aufgezeichnet, die den Atem oder die Bewegung von Augenlidern und Beinen des Schlafenden abbilden. Am nächsten Morgen werden die Daten ausgewertet.

Bio-Genuss überzeugt! Ganz in Ihrer Nähe: · Hattinger Str. 188, 44795 Bochum Tel. 0234 – 450 590 · Hattinger Str. 264, 44795 Bochum (im denn‘s Biomarkt) Tel. 0234 – 588 708 87 Weitere Verkaufsstellen unter www.hutzelbrot.de

Stricken im Schlaf Neben dem Phänomen der Atemaussetzer gibt es auch Patienten, die sich nachts bewegen, ohne etwas davon mitzubekommen und dadurch unausgeruht sind. „Das kann daran liegen, dass Nervenbahnen, die beim Träumen eigentlich nicht aktiv sind, nicht blockiert sind“, erklärt Dr. Neddermann. So funktioniert zum Beispiel auch Schlafwandeln. An einen kuriosen Fall erinnert sich die Schlafmedizinerin, die sich seit rund zehn Jahren beruflich ausschließlich diesem Thema widmet und die Schlaflabore in Bochum, Herne und Castrop-Rauxel in dieser Zeit aufgebaut hat: „Wir hatten hier mal eine nette ältere Dame, die war immer kaputt und hat die Welt nicht verstanden, warum sie so müde ist. Ihr Hausarzt wusste, dass das vorher anders war und hat sie dann zu uns geschickt. Auf dem Video haben wir dann gesehen: Die Frau saß jede Nacht auf der Bettkante und hat gestrickt – zwei Stunden lang saß die da und strickte.“ Ohne Nadel und Faden. „Am nächsten Morgen haben wir dann mit ihr gesprochen, und es stellte sich heraus, dass sie früher immer viel gehäkelt und gestrickt hatte – und dass sie das jetzt wegen ihrer Arthrose nicht mehr konnte“, sagt Neddermann. Theoretisch könne man in solchen Fällen Medikamente einsetzen, um den Menschen den Schlaf wieder erholsamer zu gestalten. „Das muss man aber abwägen, inwieweit das nötig ist oder sich lohnt.“ Wenn die Diagnose im Schlaflabor gestellt ist, verweisen Martina Neddermann und ihre Kollegen die Patienten in der Regel an Psychologen, Neurologen oder Hausärzte, damit sich die Symptome auf Dauer bessern und der Schlaf wieder zu dem wird, was er sein soll: einer Ruhephase, in der wir Kräfte tanken für jeden neuen Tag.

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DAS FOTO

Platz schaffen: 50 Jahre nach seinem Bau wird das Karstadt-TechnikHaus in der Dortmunder Kampstraße abgerissen. Hier, mitten in der Stadt, werden 430 hochpreisige Appartements für Studierende gebaut, mit Fitnesscenter, Café und Bibliothek. Auch in Bochum soll eine solche Anlage entstehen. Die Stadt sieht den am Hauptbahnhof geplanten 60 Meter hohen Wohnturm als „neue Landmarke“. Foto: Sebastian Sellhorst

RECHT

Jobcenter muss für Schulbücher zahlen Von Rechtsanwalt René Boyke

Dass das Jobcenter bei schlechten Schulnoten verpflichtet sein kann, die Kosten für Nachhilfe zu tragen, habe ich an dieser Stelle bereits ausgeführt (bodo 08.17). Nun urteilte das Landessozialgericht Niedersachen-Bremen (Urteil vom 11.12.2017; Az. L 11 AS 349/17) erstmals obergerichtlich, dass das Jobcenter auch die Kosten für Schulbücher zu tragen hat. Das Gesetz sieht eine Kostenpauschale von 100 Euro pro Jahr für Schulbedarfe vor. Allerdings

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reicht dies zum einen nicht immer aus, um alle Kosten zu bestreiten, zum anderen soll diese Pauschale nach dem Willen des Gesetzgebers gar nicht für Schulbücher gelten. Eine Gymnasiastin beantragte die Erstattung für Schulbücher über 113,65 Euro und für einen grafikfähigen Taschenrechner über 76,94 Euro. Die Schule hatte ihr die Anschaffung des Rechners ausdrücklich empfohlen. Das Jobcenter lehnte jedoch ab und meinte, dass

§ 28 Abs. 3 SGB II pauschal lediglich 100 Euro vorsehe und der Rest aus dem Regelbedarf zu bestreiten sei. Es meinte zudem, dass sie die Bücher gebraucht erwerben solle und die Kosten für den Taschenrechner bereits im Vorfeld hätte zusammensparen können. Dabei hat das Jobcenter übersehen, dass der Gesetzgeber lediglich drei Euro monatlich für Bücher jeglicher Art vorgesehen hat. Kosten für Schulbücher können dadurch ganz offen-


KOMMENTAR

Unnötiger Druck Von Alexandra Gehrhardt Wer staatliche Leistungen wie Grundsicherung oder Hartz IV erhält, darf bei der Wohnungsmiete bestimmte Grenzen nicht überschreiten. Diese Obergrenzen möchte die Stadt Bochum nun ändern – und zwar nach unten. In einer Stadt, in der Mieten steigen und bezahlbarer Wohnraum knapper wird, setzt das Betroffene unnötig unter Druck.

Obergrenze für Mieten

Schon im November hat die Stadtverwaltung ein „Schlüssiges Konzept“ vorgelegt, das die Mietobergrenzen auf Basis des Mietspiegels neu regeln soll. Was positiv ist: Künftig sollen nur noch die Gesamtkosten zählen, nicht mehr auch die Wohnfläche. Man kann sich also eine kleinere Wohnung in teurer Lage oder eine größere Wohnung in günstiger Lage suchen. Und: Singles können nun ein paar Euro mehr einrechnen. Für alle anderen Haushaltsgrößen sollen die Obergrenzen aber sinken; für drei Personen um rund 30, für vier Personen um mehr als 50 Euro. Der Wohnungsmangel ist im Ruhrgebiet angekommen, wenn auch in Bochum weniger heftig als in Essen oder Dortmund. Der Markt habe sich „langsam, aber stetig angespannt“, wird Stadtbaurat Dr. Markus Bradtke im aktuellen Wohnungsmarktbarometer zitiert, „besonders für größere, öffentlich geförderte Mietwohnungen“. Das liegt auch an der jahrzehntelangen Vernachlässigung der Wohnungspolitik im Ruhrgebiet. Fast 2.800 Menschen, rund 2.300 Geflüchtete, sind nach Angaben der Stadt derzeit in Sammelunterkünften, städtischen oder durch die Stadt angemieteten Wohnungen untergebracht, haben also gar keinen eigenen Mietvertrag. Dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändert, ist nicht zu erwarten. Die angekündigte Wohnungsbauoffensive erst in einigen Jahren Erfolge zeigen, die Zahl der Sozialwohnungen sinkt derzeit weiter. Auf Basis des Mietspiegels, der als Datengrundlage für die Neuberechnung diente, mögen die neuen Grenzen formal korrekt sein, doch sie gehen an der Lebensrealität vieler einkommensarmer Menschen vorbei. Sie erhöhen den Druck auf die, die auf einem sich anspannenden Wohnungsmarkt ohnehin schon in Bedrängnis sind. Wer als Leistungsempfänger umziehen muss, wird es zukünftig noch schwerer haben, eine Wohnung zu finden. Mieter einer zu teuren Wohnung werden dafür sorgen müssen, dass diese günstiger wird; im schlimmsten Fall durch einen Umzug in Randlagen, die günstiger, aber oft auch schlechter an Bus und Bahn, Supermärkte, Ärzte und Schulen angeschlossen sind. Oder in eine andere Stadt.

sichtlich nicht abgedeckt werden, zumal davon eben auch die Anschaffung schulfremder Bücher abgedeckt sein soll. Daher sind auch Rücklagen nicht möglich. Nach Auffassung des Gerichts bestehe aufgrund dieser geringen Beträge eine gesetzliche Regelungslücke. Da die Leistungen nach SGB II jedoch das gesamte Existenzminimum sicherstellen müssen, sind auch einmalige Kosten als Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II für Schulbücher zu erstatten. Zwar betrifft die Vorschrift nach

seinem Wortlaut nur laufende Bedarfe; da ihr Sinn und Zweck jedoch ist, das Existenzminimum sicherzustellen, gilt die Vorschrift auch für Schulbücher wie im verhandelten Fall.

DIE ZAHL

718.803 mal wurden Hartz IVBeziehern von Januar bis September 2017 Leistungen gekürzt oder gestrichen. Laut dem Paritätischen Wohlfahrtsverband ist das ein Anstieg der Sanktionen um mehr als 14.000 Fälle. Im Durchschnitt wurden die Leistungen um 108 Euro gekürzt.

Hinsichtlich des Taschenrechners war das Gericht der Ansicht, dass die Pauschale dessen Kosten abdecke. Weil der Rechner nicht jährlich neu angeschafft werden müsse, seien die Pauschalen insgesamt ausreichend.

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PORTRÄT

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Rebell mit Kochjacke Irgendwann an diesem Tag platzt der Ärger dann doch noch aus ihm heraus. Die ganze Zeit schon hat man sich mit Ole Plogstedt über sein Eintreten für Menschenrechte und gegen den Hunger in der Welt unterhalten, als er die Mails anspricht, die ihn inzwischen erreichen. „Lauter Hassmails von Rechten“, sagt Plogstedt, „je länger ich mich engagiere, umso heftiger werden die.“ Mal wird er darin als Teil einer „linksversifften Dreckssippe“ verunglimpft, mal vulgär als „Hure“ beschimpft. „Grauenvoll, man könnte kotzen“, schimpft Plogstedt, „oder man bezieht künftig erst recht Stellung.“ Nachlassen jedenfalls kommt für ihn nicht in Frage. Ole Plogstedt, 49 Jahre alt, TV-Koch und mit dem Musiktournee- und Event-Caterer „Rote Gourmet Fraktion“ (RGF) unternehmerisch tätig, bleibt Aktivist mit Kochjacke – Hassmails hin oder her. In der Szene der Fernsehköche wird er als Rebell wahrgenommen, der immer auch politisch denkt und Missstände klar benennt. Von „meiner Pflicht, mich über Ungerechtigkeiten zu echauffieren“, spricht er, wenn er beispielsweise für die internationale Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam als Kampagnenbotschafter auftritt und sich für die Interessen ausgebeuteter Bananenarbeiter in Südamerika einsetzt. Die Frage steht im Raum: Was ist seine Motivation, das zu tun? Ein Mittag im Hamburger Stadtteil Lurup am Rande des Volksparks. Auf der einen Seite des Naherholungsgebiets die Arena, in der der HSV um Punkte und seit ein paar Jahren zunehmend auch um Ruf und Renommee kämpft, auf der anderen eine große Durchgangsstraße. Auf einem daneben angesiedelten Gewerbehof sind Büro und Lagerräume des Caterers RGF untergebracht, neben Kochen und Musik ist hier auch Fußball anscheinend alltägliches Thema. In den Räumen hängen Poster und Postkarten, mit denen der bekennende FC-St.-Pauli-Fan Plogstedt seine Sympathie für den kleineren, ein aufrührerisches Image pflegenden Stadtteilverein zum Ausdruck bringt.

TV-Koch Ole Plogstedt ist in Deutschland seit vielen Jahren einem breiten Fernsehpublikum bekannt. Mit seiner Rockmusik-Catering-Firma „RGF – Rote Gourmet Fraktion“ bekocht er Bands wie Die Toten Hosen, Jan Delay oder Element of Crime auf Tournee. Zugleich nutzt er seine Popularität, um sich als Aktivist gegen den Hunger in der Welt und für Menschenrechte einzusetzen. Von Peter Brandhorst | Fotos: Peter Werner

„Leben retten kann nicht kriminell sein!“

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PORTRÄT

1993 war Plogstedt Mitbegründer der „Roten Gourmet Fraktion“, mit der er seither regelmäßig auf Tourneen das Catering von Musikern wie den Toten Hosen oder Jan Delay verantwortet. Der gelernte Koch kann so zwei besondere Leidenschaften miteinander verbinden, hat er in frühen Jahren schließlich auch selbst als Gitarrist in einer Punkband gespielt. „Aber nur für ein paar Wochen“, sagt er mit einem Grinsen, „unser Problem war, dass einer aus der Band gut Musik machen konnte; das war jedoch nicht ich.“ Großen Erfolg beschert hat ihm später die Arbeit am Herd. Neben der Aufgabe als Caterer tritt er seit rund zehn Jahren regelmäßig im Fernsehen auf, zuletzt in der RTL-II-Doku-Soap „Die Kochprofis – Einsatz am Herd“. Im vergangenen Frühjahr hat er seine Mitarbeit dort beendet, im Augenblick arbeitet er an einem neuen TV-Küchenformat, „das sich mit warenkundlichen Inhalten befasst oder auch mit Musikern und das auch politisch sein darf “. Plogstedt will aufmerksam machen auf Ungerechtigkeiten. Schon seit Jahren unterstützt er die Organisation Sea Watch, die sich um die zivile Seenotrettung von Gef lüchteten kümmert. „Leben retten kann nicht kriminell sein“, sagt Plogstedt, „Menschen fliehen auch deshalb, weil unfairer Handel sie dazu zwingt.“ Dass jährlich mehrere hunderttausend Tonnen Hühnerflü-

gel aus Europa nach Afrika exportiert werden, weil auch in Deutschland Verbraucher vor allem das Filet essen wollen, bezeichnet er als Skandal. „Einheimische Bauern werden so vom Markt gedrängt“, so Plogstedt, „und dann wundert man sich, dass die Menschen von dort fliehen wollen.“ Zusammen mit 145 anderen Prominenten hat er zudem die Oxfam-Kampagne „Keine Entwicklungshilfe für Agrarkonzerne“ unterstützt. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, die Unterstützung von Agrar- und Chemiekonzernen wie BASF und Bayer mit Mitteln staatlicher Entwicklungszusammenarbeit zu beenden. Die Gelder „verhelfen Agrarriesen dazu, sich in armen Ländern Märkte für ihr Saatgut und für Pestizide zu erschließen, während die kleinbäuerliche Landwirtschaft vor Ort zugrunde geht“. Entwicklungshilfe müsse ausschließlich den Betroffenen helfen und nicht Großkonzernen noch mehr Profit verschaffen, „die Hälfte der weltweit 795 Millionen hungernden Menschen arbeitet in der Landwirtschaft und kann sich trotzdem nicht ernähren“. Laut Welthungerhilfe werden auf der Erde eigentlich genügend Lebensmittel produziert, um alle Menschen zu ernähren. Dass dennoch jeder Neunte nicht über die minimal erforderliche Nahrungsmittelmenge verfüge, sei „beschämend“, so Plogstedt: „So beschämend wie

„Den Preis für billige Bananen bezahlen die Arbeiter vor Ort.“

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SOZIALES

beispielsweise die Tatsache, dass in deutschen Supermärkten etwa ein Viertel der Fleisch- und Wurstauslage aus angeblichen Qualitätsgründen weggeschmissen wird.“ Wenn Plogstedt über solche Zusammenhänge spricht, dann nicht mit dem Impetus eines verbohrten Weltverbesserers. „Ich will nicht bekehren“, sagt er, „aber wenn ich im Fernsehen Nachrichten sehe, könnte ich manchmal heulen.“ Seine eigene Fernsehprominenz nutzt er nicht dazu, mögliche Eitelkeiten zu pflegen, sie dient in erster Linie dem Zweck, ihm wichtige Zusammenhänge zu benennen. „Ich hatte schon immer ein großes Gerechtigkeitsempfinden“, sagt er über sich selbst. Ole Plogstedt – auch an diesem Tag in seinem Hamburger Büro mit schwarzer Schirmkappe, schwarzem Shirt und schwarzer Hose – scheint sich die Gabe bewahrt zu haben, bodenständig und unverstellt, offen und freundlich anderen Menschen zu begegnen und deren Interessen zu vertreten. So wie die der Bananenarbeiter in Ecuador, die er Anfang 2016 zusammen mit Oxfam besucht hat. Er habe sich ein Bild machen wollen davon, warum Bananen in deutschen Supermärkten billiger sind als Äpfel. „Den Preis dafür“, sagt Plogstedt, „bezahlen die Arbeiter vor Ort.“ Sie verdienen so wenig, dass ihre Familien unter der Armutsgrenze leben. Und weil die Plantagen mit Pestiziden besprüht werden, erleiden viele Arbeiter schwere gesundheitliche Schäden mit Folgen auch für die nächsten Generationen. „Ich habe eine Schule besucht“, sagt Plogstedt, „an der fast alle Kinder geistig oder körperlich behindert waren.“ Die Oxfam-Kampagne „Make Fruit Fair!“ setzt sich in mehreren Ländern für die Rechte dieser Arbeiter und Arbeiterinnen ein. Dazu gehört auch, Druck auf Discounter wie Lidl auszuüben. Als Nummer eins in Europa ist Lidl laut Oxfam großer Abnehmer von Bananen und Ananas – und habe damit die Macht und die Verantwortung, Veränderungen bei den Zulieferern zu erwirken. Ein paar Dinge habe man bereits bewirken können, sagt Plogstedt, auch bei einigen südamerikanischen Lidl-Lieferanten seien inzwischen Verbesserungen festzustellen. Vieles bleibt aber noch zu tun. „Sind kleine Schritte bisher“, sagt Koch Ole Plogstedt, „aber kleine Schritte sind besser als gar keine.“ Er jedenfalls wird sich auch zukünftig für eine gerechtere Welt und einen faireren Umgang mit den Ressourcen engagieren. Neulich hat er für Oxfam eine Kochjacke aus seiner ausgelaufenen TV-Serie „Die Kochprofis“ versteigert. „Brachte 4.510 Euro“, sagt Ole Plogstedt ganz stolz, „ich hoffe, die dummen Schreiber all der Hassmails werden sich darüber ärgern.“ Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Hempels / INSP.ngo

Alle wollen wohnen Die Zeiten eines ausgeglichenen Wohnungsmarktes sind nicht nur in Hamburg oder München vorbei. Auch in vielen Städten Nordrhein-Westfalens wird das Angebot an bezahlbaren Wohnungen immer kleiner. Eine Ausstellung des Museums für Architektur und Ingenieurkunst in der Zeche Zollverein in Essen widmet sich nun den Herausforderungen des Wohnens im 21. Jahrhundert. Von Felix Huesmann | Foto: Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW (M:AI)

NRW wächst beständig, der Bestand im sozialen Wohnungsbau hingegen schrumpft. Baugrundstücke werden rar, Bauen wird teurer. Mit veränderten Familienstrukturen und Lebensstilen ändern sich außerdem die Anforderungen vieler Menschen an ihren Wohnraum. Die Ausstellung des Museums für Architektur und Ingenieurskunst blickt auf die Geschichte des modernen Wohnens zurück, beschäftigt sich mit dem Status Quo und wagt einen Blick in die Zukunft. Das Museum kommt dabei ohne eigene Museumsräume aus und konzipiert Ausstellungen für verschiedene Orte. Nach einer Station in Köln und im Düsseldorfer Landtag macht die Ausstellung „Alle wollen wohnen“ noch bis zum 4. März im Unesco-Welterbe Zeche Zollverein in Essen Halt. In fünf begehbaren Rauminstallationen setzt sich die Ausstellung unter anderem mit dem gesellschaftlichen Wandel – und den damit einhergehenden veränderten Vorstellungen und Ansprüchen an das Wohnen – auseinander. Der Blick auf Wohnbaukonzepte des frühen 20. Jahrhunderts soll dabei auch Möglichkeiten für ein modernes Wohnen in der Zukunft aufzeigen. rz

bis 3. Mä täglich 10 – 18 Uhr

Alle wollen Wohnen Zeche Zollverein, 45309 Essen Eintritt frei

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WILDE KRÄUTER

Unsere monatliche Exkursion in die urbane Welt der wilden Kräuter. Mit nützlichen Informationen, pointierten Fußnoten, vielen Geschichten – und immer einem originellen Rezept. Von Wolfgang Kienast

BEHAARTES SCHAUMKRAUT Cardamine hirsuta

Z

um Jahreswechsel haben wir uns jüngst ins Waldecker Land zurückgezogen. Die Liebste und ich, wir suchen uns für Silvester immer einen Ort, wo sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“ sagen. Da ich regelmäßig als DJ tätig bin, können wir auf diese eine Party nämlich gut verzichten. Generell wird die überbewertet. Extrem stressig ist sie obendrein, was wohl jeder bestätigen kann, der in dieser Nacht arbeiten muss. REZEPT 7 mittelgroße, festkochende Kartoffeln garen und abkühlen lassen. 3 EL Sonnenblumenöl, 2 EL Kräuteressig, ½ Tasse kaltes Wasser, Salz und Pfeffer zu einer Vinaigrette verrühren. 1 Bund Schnittlauch und die gleiche Menge Behaartes Schaumkraut (die gesamte Pflanze ist essbar, von den Wurzeln über Stängel, Blätter und Blüten bis zu den Samen) fein hacken. Kartoffeln und 1 kleine Schlangengurke in Scheiben schneiden, mischen und anschließend Kräuter und Vinaigrette unterziehen.

Das eher maue Wetter um den 31. herum taugte immerhin zum Wandern durch die grüne Winterwelt. Damit meine ich jetzt nicht nur Fichten, Tannen und das Moos zu deren Füßen. Säumen im Januar üppige Brennnesselbestände die Wege, hat zuvor kein wirklicher Kälteeinbruch stattgefunden. Für gewöhnlich sterben alle grünen Teile dieser Pflanzengattung mit dem ersten echten Frost im Spätherbst ab. Den Winter überdauert die Nessel kraft der Fähigkeit, Nährstoffe in ihren Wurzeln speichern zu können. Darauf musste sie nicht zurückgreifen, als wir im Landstrich zwischen Twistesee und Eder spazierten. Sie konnte weiter wuchern, nach zwölf insgesamt viel zu warmen Monaten. 2017 zählt laut Deutschem Wetterdienst mit einem Schnitt von hierzulande 9,6 Grad Celsius zu den acht wärmsten Kalenderjahren seit 1880, dem Beginn der Wetteraufzeichnungen. Es leugnen den zugrundeliegenden Klimawandel dennoch und unisono die Generalsekretärin der FDP, Frau Nicola Gertrud Ruth Beer, Dorothee Bär (CSU) als derzeit statusrechtliche Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, der konservative sogenannte Berliner Kreis der CDU (es kann doch nicht wirklich an der phonetischen Beer/ Bär/Ber-Korrespondenz liegen, oder?) und die

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Damen und Herren der AfD sowieso. Vermutlich gehen die alle nicht vor die Tür. Jedenfalls nicht mit offenen Augen für Flora und Fauna. Würden sie es tun, sähen sie heuer (auch innerhalb der Städte) neben der Brennnessel unter anderem reichlich Stinkenden Storchschnabel und Behaartes Schaumkraut, beides Pflanzen, die in der Regel erst im Frühling in unseren Breiten zu finden sein dürften. Wenngleich mich wildkrautkulinarisch jedes essbare Grün im Winter freuen sollte, bekomme ich da Bauchweh. Metaphorisch, nicht leib-haftig. Gerade das Behaarte Schaumkraut mit einem hohen Anteil an Senfölglycosiden, Bitterstoffen und Vitamin C wirkt anregend auf den Verdauungstrakt. Es hilft außerdem bei rheumatischen Schmerzen – und ist lecker. Der nebenstehende Kartoffelsalat verdankt ihm seine kressefrische Note.

Das Behaarte Schaumkraut, auch als Ruderal-Schaumkraut, Gartenschaumkraut, Viermänniges Schaumkraut oder Vielstängel-Schaumkraut bezeichnet, ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Schaumkräuter (Cardamine) in der Familie der Kreuzblütler (Brassicaceae). Es ist in Mitteleuropa häufig verbreitet.


KULTUR

Hybrid im Kreativ-Viertel Am Anfang stand eine Clique aus jungen Frauen, von denen die meisten im Theaterbereich Fuß gefasst haben: Theaterwissenschaftlerinnen, Szenische Forscherinnen, Physical-Theatre-Absolventinnen, Performerinnen. „Wenn man in der freien Szene unterwegs ist, ist es nicht leicht, geeignete Orte zum Proben und Entwickeln zu finden“, sagt Ulrike Weidlich aus dem Verein, der das Atelier Automatique betreibt. Also schaute man sich nach einem geeigneten Ort um. Ein leerstehendes Ladenlokal an der Rottstraße schien perfekt: Es liegt inmitten eines kreativen Viertels, in dem sich in direkter Nachbarschaft zu einer Tabledance-Bar, asiatischen Imbissbuden und der Kneipenlegende Absinth bereits das Rottstr5-Theater, Ausstellungsräume, Ateliers und ein Upcycling-Künstler angesiedelt haben. Der Raum, der vorher einen Kiosk und noch früher eine Spielhalle beherbergte und eine automatische Schiebetür wie im Supermarkt hat (deshalb auch Atelier Automatique), hat außerdem eine gute Größe, geeignete Lagermöglichkeiten und lauschige Ecken für Proben- wie für Büroarbeiten. Deshalb ist das Atelier seit seinem Start im Januar 2017 mit dem Begriff Atelier eigentlich kaum zu fassen: Es ist ein Hybrid aus Coworking Space, Proben- und Aufführungsraum, Konzert- und Ausstellungshalle. Gerne nutzen es Gäste wie die Festivals Fidena und Zeitzeug, das NRWLandesbüro, Gruppen wie Progranauten und Anna Kpok oder der Masterstudiengang Popmusik der Folkwang Universität für Abschlusskonzerte. Die Fabrique Automatique, die der Verein unlängst im Ladenlokal direkt nebenan eröffnete, ist außerdem Werkstatt für Künstler, die auch mal laut sein und Dreck machen wollen beziehungsweise müssen.

Kaum ein Bochumer Kulturort hat sich so schnell einen Namen in der Szene gemacht wie das Atelier Automatique in der Rottstraße. Rund ein Jahr ist es jetzt alt, bestens vernetzt unter Künstlern und Nachbarn – und ein Erweiterungsraum hat im November auch schon eröffnet: die Fabrique Automatique. Doch was geschieht an diesen Orten eigentlich? Von Max Florian Kühlem | Foto: Daniel Sadrowski

Ein typisch trister Ruhrgebietshinterhof verbindet beide Lokale, und große Schaufenster öffnen sie nach vorn in Richtung Straße, in Richtung Nachbarschaft. „Wir wollen uns nicht nur im eigenen Brei drehen und als ‚Gentrifizierer‘ im Schaufenster sitzen, die High-Art machen“, überspitzt Ulrike Weidlich einen Vorwurf, der heutzutage schnell an Kreative herangetragen wird, die ein Viertel beleben. Deshalb haben die Aktiven ein nettes Schreiben in alle umliegenden Briefkästen geworfen: Kommt vorbei, schaut euch um. Deshalb bewerben sie ihre Termine im Schaufenster, halten den Eintritt meistens frei – und achten trotzdem darauf, dass auftretende Künstler fair bezahlt werden. Das funktioniert bislang durch Förderungen von Land und Stadt – und die Beiträge der Vereinsmitglieder, die gern mehr werden dürfen, auch wenn sie Menschen männlichen Geschlechts sind. Denn obwohl zwei Künstlerinnen im Atelier Automatique auch zu den Themen Feminismus und Genderforschung arbeiten, ist die fast komplett weibliche Zusammensetzung mehr dem Zufall geschuldet. Ulrike Weidlich formuliert es so: „Alle Menschen sind herzlich willkommen!“ www.atelierautomatique.de

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*Mitmachen und Karten gewinnen: Schicken Sie Ihren Wunschgewinn

Kalender Februar März

mit Name, Telefon, Adresse und dem Betreff „Verlosung“ an redaktion@bodoev.de oder auf frankierter Postkarte an bodo e.V., Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund.

SO 11 | 02 | 18

DI 13 | 02 | 18

Kindertheater | Die Schmuddels feiern Karneval In Frau Saubermanns Keller geht es drunter und drüber: Beppo Besen, Klodwig Bürste und der strubbelige Moppel sind im Karnevalsfieber und wollen mal so richtig auf den Putz hauen mit Helau und Alaaf, Konfetti und Kamelle. Doch mitten in der Karnevals-Sause ist Moppel plötzlich spurlos verschwunden. Was ist denn da passiert - und kann Rosenmontag noch gerettet werden? Ein närrisches Vergnügen für kleine und große „Jecken“ ab 4 Jahren. Fletch Bizzel, DO, 11 Uhr (auch 15 Uhr)

SA 10 | 02 | 18 Show | Bang Boom Wow – Der Spaß, der Wissen schafft! Die Wintershow des Varieté et cetera, die noch bis zum 25.02. läuft, verspricht explosive Unterhaltung, internationale Artistik und jede Menge Spaß. Mit dabei sind Die Physikanten (Moderation & Wissenschaft), Jump’N’Roll (Sprungstelzen & Hoop-Diving), Rosalie Held (Handstand), Emma Phillips (Luftring & Antipoden) und Marco Noury (Strapaten). Weitere Termine: www.variete-et-cetera.de Varieté et cetera, Bochum, 20 Uhr

Tanz | Salsalou Salsalou ist ein regelmäßiger Treffpunkt für Salsabegeisterte. Es gibt Tanz, Musik, Tee und Kuchen. Jeder, der etwas von der südamerikanischen Tanzlust und -kunst mitbekommen möchte, ist eingeladen – egal ob er selber das Tanzbein schwingen oder die TänzerInnen bewundern möchte. Kulturzentrum Balou, DO, 16 – 19.30 Uhr

Karneval | Mummenschanz Der Mummenschanz zieht um. Gefeiert wird die 15. Ausgabe dieses Mal nicht im Kunstmuseum Bochum, sondern in der Rotunde. Bekannt ist der Mummenschanz für seine entspannte Stimmung und die fantasievollen Kostüme der Gäste. Ausgelassen gefeiert wird beim Kostümball nicht bei der karnevalstypischen Musik, sondern mit verschiedenen Acts wie der Jim Rockford Band und Eric and the Tomcats, Klassikern und aktuellen Hits. Rotunde, Bochum, 20.30 Uhr

Musik | Stone Street Big Band & Klangfarben Konzert Chor Dortmund Big Band Jazz trifft auf europäische Kirchenmusik, Stepptanz trifft auf Spiritualität. Die Stone Street Big Band der Musikschule Dortmund (Ltg. Ilona Haberkamp) und der Klangfarben Konzert-Chor Dortmund (Ltg. Johannes Knecht) präsentieren das „Second Sacred Concert“ von Duke Ellington. Eintritt frei. Fritz-Henßler-Haus, Dortmund, 20 Uhr

Theater | Tender Napalm Ein Mann und eine Frau kämpfen sich durch das Schlachtfeld ihrer leidenschaftlichen Beziehung. Ihre Waffen: Liebe, Sex, Hass, Wut und Trauer. Doch der finstere Schatten aus ihrer Vergangenheit lässt sich damit nicht ohne Kollateralschäden vertreiben. Autor Philip Ridley untersucht in „Tender Napalm“ die Sprache der romantischen Liebe und definiert sie völlig neu. Er zeigt die Beziehung eines Paares, die so menschlich ist, dass es wehtut. prinzregenttheater, BO, 19.30 Uhr (auch 14.2.)

DO 15 | 02 | 18 Dokumentarfilm | Loosers And Winners – Arbeit gehört zum Leben Mitten im Ruhrgebiet ist der berühmte „Pulsschlag aus Stahl“ verstummt. Im Dezember 2000 wurde die hypermoderne Kokerei Kaiserstuhl in Dortmund stillgelegt und an einen chinesischen Konzern verkauft. Der Film begleitet die Demontage durch 400 chinesische Arbeiter und dokumentiert, wie zwei Welten aufeinander treffen. Wer ist am Ende Gewinner, wer Verlierer, wenn die Arbeit auswandert, während im Reich der Mitte täglich Visionen entstehen und vergehen? Kino im U, Dortmund, 20 Uhr (auch 16.2.)

FR 16 | 02 | 18 Theater | Der Kissenmann Ein Schriftsteller mit dem skurrilen Namen Katurian K. Katurian wird von zwei Polizei-

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MEDIZIN. THERAPIE. PFLEGE UND FÜRSORGE IN DORTMUND. Kath. St.-Johannes-Gesellschaft Dortmund gGmbH St.-Johannes-Hospital Telefon (0231) 1843-0

Marien Hospital Telefon (0231) 7750-0

St.-Elisabeth-Altenpflege Telefon (0231) 2892-0

St. Josefinenstift Telefon (0231) 55 69 05-0

Ambulantes OP-Zentrum Telefon (0231) 1843-2130

St.-Elisabeth-Krankenhaus Telefon (0231) 2892-0

Christinenstift Telefon (0231) 18201-0

Jugendhilfe St. Elisabeth Telefon (0231) 94 60 600

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Kranken- und Pflegeeinrichtungen 24

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Hannes Weyland Band & Strings

17. Februar domicil Hansastraße 7 – 11 Dortmund

Hannes Weylands Lieder handeln von Fluchtwagen, Kreuzungen und dem betrunkenen Heimweg. Sie klingen nach einer Mischung aus amerikanischer Wildnis und Hamburger Schule. Seit 2015 spielt der Dortmunder Musiker zusammen mit Calvin Lennig (b), Nicolas Kozuschek (p) und Malte Weber (dr), die die Popsongs von Songwriter und Sänger Hannes Weyland gefühlvoll, behutsam und mit einem Hauch Jazz umsetzen.

Für ein besonderes Konzert vergrößert sich die Band nochmal: Einmal im Jahr arrangiert die Band ein Konzert mit einem Streicher-Trio. Am 17. Februar kommen sie auf die ehrwürdige Bühne des Dortmunder Jazzclubs domicil – ein besonderer Ort für Hannes Weyland, der hier schon ein Konzert für die WDR5-Liederlounge spielte. Am selben Tag erscheint mit „Gold“ auch die neue Single der Band „Gold“. bodo verlost 2 mal 2 Eintrittskarten für das Konzert.

beamten verhaftet. Der Grund: Nach Muster der Geschichten Katurians, in denen regelmäßig Kinder misshandelt und zum Teil auf grausame Art umgebracht werden, wurden mehrere reale Morde begangen. Katurian soll gestehen, sonst drohen die Polizisten, seinen geistig zurückgebliebenen jüngeren Bruder zu foltern. Doch je mehr die Wahrheit ans Licht kommt, desto mehr realisieren alle, dass keiner seiner Kindheit entkommen kann. Rottstr5 Theater, Bochum, 19.30 Uhr

FR 16 | 02 | 18 Musik | Claudia Rudek lädt ein: Just Us Just Us, das sind Jenny und Klaus, beide geboren in Dortmund, aufgewachsen im Kreuzviertel. Jenny sang schon erfolgreich in einer Schüler- und Coverband. Klaus ist gern mit seiner Gitarre unterwegs, um bei Sessions oder im Park mit Freunden seine Musik spielen zu können. Beide mögen es, Balladen zu singen.

Ihr Repertoire kommt aus den Bereichen Irish Folk, Country und Folkmusik. Unterstützt wird das Duo von ihrem langjährigen Freund Dave Jackson. Eintritt frei – der Hut geht rum. Gaststätte Tremonia, Dortmund, 20 Uhr

VERLOSUNG Das Internat Kann es ein Internat geben, das alle anderen Internate enthält? Wo die Lehrer schlafend herumliegen wie tote Fliegen? Während die Mädchen in Uniform die Liebe lernen und die Kinder des Monsieur Mathieu ihre Choräle singen? Wo die jungen Genies in den Katakomben ihre Drogenexzesse feiern – mit unendlichem Spaß? Während nachts, wenn alle schlafen und Hans und Hermann sich küssend unter die Räder kommen – die Kinder im Club der toten Dichter in die Abgründe der Poesie fal-

bodo verlost 2x2 Karten*

len? Ja. Es kann. Ersan Mondtag inszeniert zum ersten Mal am Schauspiel Dortmund. Schauspielhaus, Dortmund, 19.30 Uhr

SA 17 | 02 | 18 Comedy | Maria Vollmer Was fängt eine Frau mit dem Leben an, wenn sie nicht mehr als Teenager durchgeht, bis zur Rente aber noch eine Weile durchhalten muss? Um im Strudel der Hormone nicht unterzugehen, absolviert Maria Vollmer in ihrem neuen Programm einen Marathon an Selbstfindungskursen. Weder nackt noch ungeschminkt, dafür aber offen und schonungslos, schildert, tanzt und besingt Maria Vollmer die erlebnisreiche Übergangsphase zwischen Minirock und Birkenstock, Kamasutra und Klosterfrau, Rock’n’Roll und Rheumadecke. Zauberkasten, Bochum, 20 Uhr Figurentheater | Fischgericht Luise soll den Tisch decken, sagt die Stimme ihrer Großmutter. Sie schüttet Wasser in ein Cognacglas, das zum Meer wird, und die Reise durch ihre eigene Fantasie beginnt – sie springt in das Glas und wird zur Seejungfrau. Doch die Seejungfrau möchte nichts lieber, als die Menschenwelt kennenlernen. Die Seejungfrau tauscht ihre Stimme gegen zwei Beine. Wie sollte sie sonst dem Einen – einem Menschen nahe sein? Eine skurrile Figurentheaterinszenierung für Menschen ab 11 Jahren. Theater der Gezeiten, Bochum, 20 Uhr Lesung & Musik | „?WAS?WANN?WO?“ In ihrer szenischen Revue führen die Künstler Oscar Borkowsky (Rezitation) und Hannes Sänger (Musik) das Publikum innerhalb eines geschlossenen Theatertextes, inklusive Gedichten und Songs aus eigener Feder, auf eine Reise ans Ende der Nacht: bitter und böse, charmant und ironisch – das pure Leben also. Die Hommage an Thomas Bernhard

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KALENDER

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trifft sich gut, wäre doch der österreichische Schriftsteller heuer 87 Jahre alt geworden. Im „Blauen Zimmer“ der Geigenbauwerkstatt Bley, Dortmund, 20 Uhr Musik | Kai Schumacher Der Pianist Kai Schumacher präsentiert sein aktuelles Album „Beauty in Simplicity“ unter der Sternenkuppel. Darauf zeichnet der Folkwang-Dozent die Geschichte der Minimal Music von ihren Anfängen bis hin zur aktuellen elektronischen Musik nach. Mit „Beauty in Simplicity“ verbindet Schumacher Werke aus drei Jahrhunderten zu einem audiovisuellen Konzertformat zwischen Meditation und Manie. Abgerundet wird das Konzerterlebnis durch eine exklusive 360 Grad-Videoshow des Berliner Künstlers Mario Moo. Planetarium, Bochum, 21 Uhr

SO 18 | 02 | 18

Samstag, 10. März und Sonntag, 11. März 2018 Malerei. Grafik. Pap ier. Objekt. Skulptur. Installation . Fotografie . Video. Glas. Schmuck. Künstler*innen und Ateliers:

eintritt-frei-bochum.de 26

Markt | 11. Historischer Jahrmarkt Ab dem 18. Februar heißt es Familienspaß pur, in nostalgischem Ambiente zwischen jahrhundertealten Fahrgeschäften an drei aufeinanderfolgenden Wochenenden. Die Luft füllt sich wieder mit dem Duft nach süßen Leckereien, fröhliches Kindergeschrei dringt in alle Ecken, und Musik ertönt aus allen Richtungen zugleich. Der Historische Jahrmarkt hat sich über die Jahre zu einer festen Institution im Veranstaltungskalender der Jahrhunderthalle Bochum entwickelt. Alle Termine: www.jahrhunderthallebochum.de Jahrhunderthalle, Bochum, 11 Uhr Kindertheater | Robin Hood Schlechte Zeiten in Nottingham. Der Earl ist mit seiner Familie in Frankreich, und der böse Sheriff beutet das Volk aus. Doch der geächtete Robin Hood kommt ihm mit seinen Freunden immer wieder in die Quere. Sie leben im Sherwood-Wald und bestehlen die Reichen, um den Armen zu helfen. Als der Earl zurückkehrt, verkündet er, seine Tochter Marian solle den Grafen de Lusignan heiraten. Doch Marian liebt Robin Hood und Robin Hood liebt Marian. Wird die Liebe und die Gerechtigkeit siegen? Rottstr5 Theater, Bochum, 14 Uhr (auch 17.2.) Kinder | Familienwerkstatt: So schreibt die Welt Immer am dritten Sonntag des Monats öffnet im Kindermuseum mondo mio! im Dortmunder Westfalenpark die Familienwerkstatt. Ab 15 Uhr wird jeweils zu einem anderen Thema gebastelt, gestaltet und kreiert. Passend zur aktuellen Sonderausstel-

lung „In der Tinte…“ geht es im Februar um außergewöhnliche Schriftarten. Ob Kyrillisch, Arabisch oder Chinesisch, in dieser Familienwerkstatt zeigen Experten, wie unterschiedlich weltweit geschrieben wird und laden zum Mit- und Nachmachen ein. Kindermuseum mondo mio!, DO, 15 Uhr

MI 21 | 02 | 18

VERLOSUNG Milky Chance Es war ein hessisches Märchen: Die Geschichte, wie aus Milky Chance, dem Do-it-Yourself-Projekt zweier Kassler Abiturienten, ein Pop-Phänomen wurde. Monatelang tourten sie durch die USA, waren bei Jimmy Kimmel zu Gast, wurden daheim mit einem „Echo“ ausgezeichnet und mit Gold für „Sadnecessary“. „Stolen Dance“, „Flashed Junk Mind“ und „Down By The River“ entwickelten sich zu internationalen Hits. Und weil ihnen Teil eins der MilkyChance-Geschichte so viel Spaß gemacht hat, machen Clemens Rehbein und Philipp Dausch mit „Blossom“ jetzt einfach weiter. Phönixhalle, Dortmund, 19.30 Uhr

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Musik | Queenz of Piano Gekürt mit dem Thüringer Kleinkunstpreis 2015 für ihr „musikalisch akrobatisch – kabarettistisches Gesamtkunstwerk“ zeigen die Queenz of Piano, dass es zwischen E- und UMusik keine Grenzen gibt. Barock, Klassik, Rock, Pop, Filmmusik – sie spielen feurig, leise, laut, fetzig, charmant. Vom Cembalo bis zur Bouzouki, vom chinesischen Gong bis zur groovenden Basedrum – die Queenz entlocken den Flügeln Töne, von denen man nicht einmal ahnt, dass es sie gibt. Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

DO 22 | 02 | 18 Musik | Motozombie Normalerweise sind Motozombie Vertreter einer musikalisch härteren Gangart und heizen dem Publikum bei ihren Liveshows ordentlich ein. Doch nach ihrer erfolgreichen Unplugged-Premiere im Vorjahr kommt die Band erneut ins Sissikingkong, um live „den Stecker zu ziehen“ und ihre Songs in einem ruhigeren Sound-Gewand zu präsentieren. Motozombie kombinieren Stilelemente aus Genres wie Grunge, Blues, Nu Metal und Crossover miteinander und bringen sie in spannungsgeladene Arrangements. Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr


Welche Lösungen gibt es, um bezahlbaren und würdigen Wohnraum zu schaffen? Warum hinkt der Neubau von Wohnungen seit Jahren dem Bedarf hinterher? Welche Rolle spielen Fragen von Grund und Boden, und was muss Politik tun, um dem „Wohnen für alle“ endlich näher zu kommen?

Konferenz „Boden, Recht, Wohnen“ Ansätze für eine sozialere Mieten- und Wohnungspolitik 23. und 24. Februar Bahnhof Langendreer Wallbaumweg 108 Bochum

Damit beschäftigt sich die 3. Konferenz des Netzwerks Mieten & Wohnen am 23. und 24. Februar im Bahnhof Langendreer. Schwerpunkte der beiden Tage in Bochum sollen die Frage sein, wie sich angesichts steigender Mieten und engerer Wohnungsmärkte ein Wohnen für alle erreicht werden kann, warum und wie die Bodenfrage neu gestellt werden muss und welche sozialen und regionalen Differenzen im Mietrecht es so schwierig machen, Lösungen zu finden. Expertise kommt von Sozialverbänden, Mietervereinen und wissenschaftlichen Institutionen eingeladen. Anmeldung: www.netzwerk-mieten-wohnen.de

FR 23 | 02 | 18 Theater | Ensemble Familie Rangarang: Being Peer Gynt – Wir sind da! Wer bin ich eigentlich? Was ist mein Platz in der Gesellschaft? Warum und wie beurteilen mich andere? Bin ich alles? Bin ich nichts? Und wer definiert und bestimmt das eigentlich? 15 junge Menschen untersuchen Peer Gynt. Sie leben seine Fantasien, imitieren seine Prahlereien, sezieren seine Persönlichkeit und hinterfragen parallel ihre ganz eigene Rolle in der heutigen Gesellschaft. Ein Abend voller Fantasie, Bewegung und Musik. Flottmann-Hallen, Herne, 19 Uhr Musik | Bernd Begemann Bernd Begemann, Mit-Erfinder der Hamburger Schule, stilbewusstester Musik-Connaisseur der Hansestadt, Gitarrist und BühnenEntertainer, ist zurückgekehrt. Mit seinem aktuellen Album „Eine kurze Liste mit Forderungen“ erklimmt Begemann im Februar erneut die Bühne des Sissikingkong-Kellers. Sissikingkong, Dortmund, 20 Uhr

SA 24 | 02 | 18

VERLOSUNG Rotterdam Ska-Jazz Foundation Der Name ist Programm bei der Rotterdam SkaJazz-Foundation, die mit einer Unmenge an Schlagzeug, Bläsern, Orgel, Gitarren und Bass den Flair Jamaikas und Londons der 60er Jahre mit Begeisterung auf die

bodo verlost 2x2 Karten*

Bühnen und Tanzflächen bringt. Bereits drei Alben und diverse EPs haben die Niederländer am Start. Dabei versteht sich die siebenköpfige Band nicht als reine Retronummer, sondern mixt seit 13 Jahren die Seele, Vibes und Sounds aus Reggae, Rocksteady, Ska, Jazz und Soul unverwechselbar zusammen. Rotunde, Bochum, 20 Uhr Comedy | Jens Heinrich Claasen Durchschnitt. Im Bett, im Urlaub, im Auto und beim Sport. Ist das schlimm? Nein, findet Jens Heinrich, und erklärt dem geneigten Publikum in seinem Programm „Aus dem Leben eines durchschnittlichen Mannes“, warum Durchschnitt auch Spaß machen kann. Warum man nicht überall der Beste sein muss. Und warum es gelogen war, dass er auch beim Sport Durchschnitt ist. Fritz-Henßler-Haus, Dortmund, 20 Uhr Comedy | Paul Weigl Mit vollem Einsatz aller Stimmbänder, gestenreicher Mimik und Verrenkungen seiner Gliedmaßen lebt Paul Weigl seine Texte auch körperlich voll aus. Paul Weigl schont nichts und niemanden. Vegetarier, Peter Jackson, die Deutschen, die Poetry-Slam-Szene – alle bekommen sie ihr Fett weg. Aber auch sich selbst schont Weigl nicht. Ein Spaziergang durch den Wahnsinn der heutigen Zeit. Wichern Kulturzentrum, Dortmund, 20 Uhr Party | Rock It! In bester Rock’n’Roll-Manier wird hier wild und schmutzig auf zwei unterschiedlichen Floors zu den Songs aus 50 Jahren Rock-Geschichte abgefeiert. Kevin Lietz und Rockkärr liefern einen Mix aus Rock Classics, Indie-

Hits und Alternative. DJ Hamsti Bamsti bedient die gesamte Rock-Palette von fletschenden Riffs der 90er bis hin zu High Voltage Rock’n‘Roll. Bis 23.30 Uhr ist der Eintritt frei. Großmarktschänke, Dortmund, 23 Uhr

SO 25 | 02 | 18 Markt | Familientrödelmarkt Ob Kinderspielzeug für die Kleinen, Kleidung, Kitsch, Rarität oder Kuriosität – auf dem Familientrödelmarkt wird das große und das kleine Flohmarkt-Herz höher schlagen. Privatleute bieten hier an über 50 Ständen und auf 2.500 qm überdachter Fläche ihre gesammelten Schätze zum Verkauf an. Als kleine Stärkung für zwischendurch gibt es im Bistro frische Waffeln, Kaffee und kühle Getränke. Eintritt frei. Werkstadt, Witten, 11 – 15 Uhr Festival | Abschlussfestival YOU DO – Festival der urbanen Produktion Zum ersten Mal findet YOU DO in der Werkhalle im Union Gewerbehof statt. An insgesamt vier Workshoptagen (01., 03., 08., & 10.02.) werden Menschen aus dem Union-

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16.02.18 West Sound Story mit Three Fall & Melane

24.02.18 Tango mit Orquesta de Carlos Quilici

10.03.18 Konzert Do-Ton will Meer

16.-17.03.18 ¡VIVA! lateinamerikanisches Kulturfest

23.03.18 Buchshow "Kinderkacke" Musikalische Lesung mit Bastiaan Ragas Leopoldstr. 50-58 · 44147 Dortmund Tel. 0231 50-25145 · Fax 0231 50-26019 facebook.com/DietrichKeuningHaus 27


KALENDER

viertel, aus Dortmund und dem Ruhrgebiet gemeinsam produzieren, arbeiten und gestalten. Als krönenden Abschluss wird es ein Festival mit vielfältigen Angeboten geben. Die BesucherInnen erwarten nicht nur kleine Workshops und Impulsverträge, sondern auch ein Markt, Live-Musik und kulinarische Besonderheiten. www.you-do-festival. Werkhalle Union Gewerbehof, Dortmund, 11 – 22 Uhr Kindertheater | Im Dunkeln geht die Sonne auf Karl nennt sich König und hält sich für normal. Kaline ist blind, sieht mit den Händen, ihren Füßen. Auf einem verwaisten Spielplatz kommen sie sich langsam und vorsichtig näher, bis Karl sein Königreich mit anderen Augen sieht. Eine unterhaltsame Auseinandersetzung zum Thema Menschen mit Behinderung. Auch für das Publikum verändert sich die Sicht, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Es bleibt die Frage: Was ist eigentlich normal? Für Kinder ab 5 Jahren. Theater Traumbaum, Bochum, 15 Uhr Lesung | Bücher, die die Welt verändern: Mit Mechthild Großmann In der Lesereihe ist Schauspielerin Mechthild Großmann zu Gast und liest aus Texten von Alan Bennett. Der britische Schriftsteller ist ein Meister der bitterbösen Satire. Sein Buch „Ein Kräcker unterm Kanapee“ versammelt scharfzüngige Monologe über skurrile, manchmal auch tragische Frauen. Kammerspiele, Bochum, 19 Uhr

Offene Ateliers in Bochum

10. und 11. März jeweils von 12 bis 18 Uhr Bochum

Bochum hat auch abseits der großen Museen und Einrichtungen viel an Kultur zu bieten. Das will die Initiative „Eintritt Frei!“ am 10. und 11. März zeigen. Rund 30 Bochumer Ateliers für Kunst und Design öffnen an dem Wochenende ihre Türen. Die Spanne der verschiedenen zu entdeckenden Kunstformen ist dabei groß. Es gibt Malereien, Grafiken, Schmuck und Skulpturen zu entdecken – und Dutzende Kunstschaffende der freien Szene kennenzulernen. Mit an Bord sind etwa die „Glasbläserei Alles klar!“ in Bochum-Linden, das Schmuck-Atelier „Schmuck der klaren Linie“ in Altenbochum oder das Atelier der Bildhauerin Regine Bergmann in Bochum-Mitte. In diesen oft versteckten Räumen, so die Veranstalter, entstehe die bildende Kunst überhaupt erst – und nicht in den „großen Museentempeln“. Mehr Informationen zum Programm und den teilnehmenden Ateliers: www.eintritt-frei-bochum.de

DO 01 | 03 | 18 Musik | Ulrich Tukur & die Rhythmus Boys In ihrem neuen Programm begeben sich Ulrich Tukur und die Rhythmus Boys auf eine Reise ins Herz der Musik, in den Abgrund der Melodie, den Tiefsinn der Harmonie, den Wahnsinn des Kontrapunkts und der Bitonalität, den Irrsinn des kryptometrischen Rhythmus und den Feinsinn der Aleatorik. Im Zusammenwirken all dieser Ingredienzen entsteht ein subtiles musikalisches Gespinst, das einen Paradigmenwechsel darstellt, wie er seit der Verdrängung des Bombardons durch den Kontrabass nicht mehr zu erleben war. Konzerthaus, Dortmund, 20 Uhr

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VERLOSUNG René Sydow Warum wird die Welt nicht klüger, wenn der Zugang zu Wissen noch nie so leicht war? Warum verarmen Menschen bei all dem Reichtum der Welt? Woher kommen Hass, Fanatismus und Turbo-Abi? Wer ist Schuld an diesem Elend? Und wer trägt eigentlich „die Bürde des weisen Mannes“? In seinem dritten Soloprogramm geht der Träger des Deutschen Kabarettpreises etwas weniger laut, aber umso intensiver der Frage nach, was uns zum Menschen macht: Bildung? Wahlrecht? Oder doch nur freies WLAN? Bahnhof Langendreer, Bochum, 20 Uhr

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SA 03 | 03 | 18 Kleinkunst | Tim Becker Ob es das notorisch schlechtgelaunte Kaninchen ist, der rosa Hengst, der kiffende Hippie oder die anderen Kollegen. Alle haben etwas zu erzählen: skurrile Geschichten, Aufgeschnapptes aus dem täglichen Leben, Lästereien über die Befindlichkeiten der anderen. Da kommt Bauchredner Tim Becker kaum dazwischen, wenn er aber tatsächlich mal etwas sagt, wird er schnell unterbrochen. Zauberkasten, Bochum, 20 Uhr Musik | Feine Sahne Fischfilet Aus der tiefsten Provinz Mecklenburg-Vorpommerns hat sich die junge Punkband wie im Rausch auf die Bühnen der größten Festivals gespielt. Ihre Touren sind regelmäßig ausverkauft, sie füllen inzwischen nicht mehr nur Clubs, sondern Hallen. Ihre Auftritte sind wie ein Ritt auf der Rasierklinge der Realität. Es ist nie klar, ob es gutgeht. Aber die Musik nimmt in den Arm, wenn es brenzlig wird, und brennen tut es eigentlich immer. Phönixhalle, Dortmund, 19.30 Uhr Theater | Hamlet Drei Hamlets suchen nach einem würdevollen Sein oder Nichtsein und finden Orientierung an Shakespeares Klassiker. Unter Anleitung eines digitalen Orientierungssystems wagen sie ein Experiment über das Mensch-Sein. Wie geht es, moralisch verantwortlich zu leben im unübersichtlichen 21. Jahrhundert, im Wirbel der unendlichen Möglichkeiten? Ein multimedialer Parcours nach Shakespeare von Sir Gabriel Trafique und mit Musik von AniYo Kore. Theater im Depot, DO, 20 Uhr (auch 4.3., 18 Uhr)


SO 04 | 03 | 18 Theater | Im Herzen Peter Pan „Nimmerland“ – das Land aller Träume: dort gibt es keine Langeweile, nur Abenteuer und grenzenlose Freiheit. So steht es in den Büchern der „Reality Boys“ über Peter Pan und sein Paradies. Und plötzlich ist er da, um sie und Wendy zu erlösen aus ihrer Tristesse. So treffen die „Reality Boys“ auf die „Lost Boys“ und Wendy auf Tinker Bell. Auf den ersten Blick scheint alles vollkommen im Nimmerland, bis die Fassade anfängt zu bröckeln. Ein integratives Projekt mit Jugendlichen. Ab 14 Jahren. KJT in der Sckellstraße, Dortmund, 18 Uhr Kindertheater | Lindbergh – Die abenteuerliche Geschichte einer fliegenden Maus Weil ihr Zuhause nicht mehr sicher ist, beschließt die Maus, ihren Angehörigen über den Ozean nachzureisen. Doch wie überquert man das Meer, wenn am Hafen die Katzen umherstreunen und man sich nicht ungesehen an Bord eines Schiffes schleichen kann? Eine nächtliche Begegnung bringt die rettende Idee: Wie die Fledermäuse fliegen, das wäre die Lösung. Voller Tatendrang glückt es der Maus schließlich, einen Flugapparat zu bauen. Da aber lauern schon neue Gefahren. Für Kinder ab 5 Jahren. Theater Unten, Bochum, 16 Uhr

DO 08 | 03 | 18 Musik | Ellen Andrea Wang Ellen Andrea Wang spielt akustischen Bass und singt. Und macht Musik, die sich ei-

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ner Einordnung in die üblichen Schubladen entzieht. Souverän bewegen sich ihre Kompositionen zwischen Singer/Songwriter-Ästhetik, Rock- und Pop-Energie, Soul- oder Gospel-Emphase und der musikalischen und klanglichen Flexibilität eines wirbelnden Jazz-Trios. domicil, Dortmund, 20 Uhr

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Theater | Club 2: Frühlings Erwachen! (Live Fast – Die Young) „Ich weiß gar nicht warum ich immer gegen alles bin es gab mal eine zeit da mochte ich das leben wie es war“ (Wendla in „Frühlings Erwachen!“) – 20 Jugendliche ab 14 Jahren erspielen sich ein Stück vom turbulenten Übergang zwischen Kindheit und Erwachsensein. Sie tragen Kämpfe aus. Ringen um den schmalen Grat zwischen Liebe, Anerkennung und Ablehnung. Erzählen von Träumen und Tragödien und leihen den ProtagonistInnen Wendla, Melchior, Moritz, Ilse, Martha und Otto ihre Stimmen. Theater Unten, Bochum, 18 Uhr

SA 10 | 03 | 18 Theater | Bodo Wartke Mit nur neun Requisiten und rasanten Rollenwechseln erzählt Bodo Wartke die Geschichte des Ödipus, König von Theben, der unwissend seinen eigenen Vater tötet. Und später, als Belohnung dafür, dass er Theben von der Sphinx befreit, Iokaste, die Witwe des Königs und damit seine eigene Mutter, zur Ehefrau erhält. Ein Solo-Theater mit dem Klavierkabarettisten in allen 14 Rollen. Schauspielhaus, Bochum, 20 Uhr

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BODO GEHT AUS

Café Safran Kronenstraße 31 44789 Bochum

Café Safran

Stressfreie Zone

Nachdem er lange als Altenpfleger gearbeitet hatte und die Pleite in einem italienischen Restaurant miterlebte, wollte Mohammed Tarighat Monfared vor allem eins: keinen Stress mehr. Wer also in den Genuss von richtig guter persischer Küche und heimeliger Atmosphäre im Café Safran kommen möchte, muss Zeit mitbringen. Das Anti-Stress-Programm des Mannes, der 1989 aus dem Iran nach Deutschland kam, sah so aus: „Ich habe ein kleines Lokal in Bochum-Ehrenfeld oder Umgebung gesucht, das ich komplett allein bewirtschaften kann.“ Traurige Umstände sorgten dafür, dass er es schneller fand als vermutet: Das Café Safran übernahm Mohammed 2013 von einem unerwartet verstorbenen Freund. Neben der Zeit, die es manchmal braucht, wenn Mohammed nicht unaufwändige Gerichte wie Hähnchen mit Walnuss-Granatapfel-Sauce und Safran-Reis, den exzellent gewürzten Hackfleischball Tabrisi oder eine nicht minder anregende vegetarische Gemüsepfanne in der kleinen Küche ganz allein zubereitet, müssen die Gäste noch etwas mitbringen: Offenheit und Neugierde, die Bereitschaft, ein Pläuschchen zu halten – mit

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Von Max Florian Kühlem Fotos: Daniel Sadrowski

dem Besitzer selbst, seinem Bruder, Nebenfrau oder Nebenmann. Das Café Safran ist nämlich wirklich klein: Mit zehn, maximal zwölf Personen ist es voll, und die meisten sitzen um einen langen Holztisch wie im Esszimmer einer Großfamilie. „Nach fünf Minuten kommen unsere Gäste meistens schon miteinander ins Gespräch“, sagt Mohammeds Bruder Mahmoud, „manchmal tauschen sie sogar Telefonnummern aus.“ Auf jeden Fall gehen die meisten Besucher anders, als sie gekommen sind. Mohammeds entspannte

Haltung färbt nämlich ab. Die Langsamkeit, mit der er seine Geschichten von der Heimatstadt Teheran erzählt, in der Brüder und Cousins die gastronomische Tradition der Familie hochhalten und von der aus sie ihn in Bochum mit ungewöhnlichen Gewürzmischungen versorgen. Oder seine Philosophie von der Gleichheit der Menschen: „Mir ist egal, ob jemand Professor ist, Geschäftsmann, Obdachloser, Alkoholiker oder Drogensüchtiger – ich kenn sie alle, rede mit allen, für mich sind alle gleich.“ Manchmal füttert er sogar heimlich Tauben.


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Mohammeds süßes Safran-Geheimnis Wenn Mohammed Tarighat Monfared Reis oder Saucen mit Safran kocht, dann gibt er nicht einfach die Gewürfäden dazu, sondern stellt vorher eine Art Safran-Sud her. Und das geht so: Einige Safran-Fäden (rund ein Gramm) mit etwas Zucker (einem gestrichenen Teelöffel) am besten mit dem Mörser verreiben, bis die Fäden zerfallen und eine rote, feinkörnige Mischung entsteht. Dann etwas heißes Wasser darüber geben (50 bis 100 ml) und das Ganze in einem Glas oder einer Tasse mit Deckel ziehen lassen. Wenn die rötlichgelbe Flüssigkeit erkaltet ist (wer es eilig hat, kann einen Eiswürfel dazu geben), kann man sie zum kochenden Reis oder zu Saucen geben. Besonderen Pfiff bekommt der Safran-Reis für eine Person, wenn man ihn mit einer Faust voll in geschmolzener Butter geschmorten, mit etwas Salz, Zucker und Limettensaft abgeschmeckten, getrockneten Berberitzen garniert. Dieser BerberitzenSafran-Reis ist dann schon ein wohlschmeckendes, vollwertiges Gericht mit persischem Pfiff.

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REPORTAGE

Bjoern Hering, Anfang vierzig, ist Musiker, DJ und Autor. Allein, seinen Unterhalt kann er davon nicht bestreiten. Alltags geht er einem überaus normalen Beruf in der Automobilbranche nach. Seine freie Zeit aber widmet er vielfältigen künstlerischen Projekten. Als „Dortmunder Klabauter“ bewegt er sich, eine Kamera stets griffbereit, in verbotenen Zonen im urbanen Raum. Von Wolfgang Kienast Fotos: Daniel Sadrowski

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Dortmunder Klabauter

Abseits jeglicher Wege \\ Es ist ein sprichwörtlicher November-Tag, an dem wir uns zum Interview treffen, nasskalt und grau. Es ist ein Wetter, bei welchem, wer kann, einfach zu Hause bleibt. Bjoern Hering ist für diese Verhältnisse recht luftig gekleidet. Vor allem, wenn man bedenkt, dass er uns gleich an Orte führen will, abseits der üblichen Wege, abseits vielleicht jeglicher Wege, von denen die Segnungen der Zivilisation vor langer Zeit schon abgezogen wurden. Es sind Plätze, die er als selbsternannter Klabautermann entdeckt und dokumentiert hat. „Ich bin ein lustiger Mensch“, sagt er. Und „ich habe ein Feuer in mir, seit eh und je“. Wir glauben es sofort. Bjoern Hering ist nicht der Typ, den man sich gelangweilt, Tüte Chips und Flasche Bier zur Hand, feierabends vor dem Fernsehgerät vorstellen kann. Hering ist quirlig und kreativ. Irgendetwas macht er immer.

Den Menschen entzogen \\ Seine gefilmten Streifzüge zu den „Lost Places“ der Region sind diesbezüglich nur ein Beleg, ein recht neuer obendrein. „Angefangen hat es damit, dass ich einfach mal morgens um fünf auf ein Dach gekrabbelt bin und dabei die Handykamera angeschmissen habe“, erzählt er uns. „Am nächsten Tag habe ich mir das angeschaut und gedacht: Das ist interessant, damit solltest du mehr machen. Es war eine spontane Idee, die sich schnell weiterentwickelt hat. Mich beschäftigen Fragen der Einstellung und der Wahrnehmung. Folgende zum Beispiel: So eine Stadt ist ja eigentlich menschengemacht, wird aber trotzdem permanent und auf irritierende Art und Weise den Menschen entzogen. Den Reichtum der Stadt schöpfen andere ab als Du und ich. Das einzige, was uns bleibt, ist der Reichtum an Möglichkeiten.“

Hobbyhistoriker und Schatzsucher \\ Dass er Fragen aus soziologischer und philosophischer Perspektive stellt, unterscheidet ihn vom Gros der „Lost Place“-Szene, von dessen überwiegenden Motiven er sich distanziert. „Lost Place“ meint sinngemäß „vergessener Ort“, wobei es den Begriff im Englischen so gar nicht gibt. Offenbar spielt das keine Rolle. Er ist handlich genug, sich binnen kurzem als Oberbegriff einer zeittypischen urbanen Freizeitbeschäftigung zu etablieren. Diverse Strömungen und Genres lassen sich in der wachsenden Szene ausmachen. Es gibt Ruinen- und es gibt Aktfotografie. Man trifft auf Hobbyhistoriker, moderne Schatzsucher, Kletter- und Graffitikünstler, (auf)gesucht werden, unter anderem, verlassene Industriebauten, Brachen, Gleis-, Stollen- und Bunkeranlagen, Kanäle und Katakomben.

Keine Geheimhaltung \\ Bjoern Hering hält nichts davon, sich an diesen Orten spektakulär in Szene zu setzen. Das wäre, er bedauert es, jedoch häufig der Fall. Vor allem aber stößt er sich an einer intern geforderten Geheimhaltungspflicht. „Es existiert ein Kodex, den ich nicht nachvollziehen kann“, sagt er. „Ich finde es blöd, wenn Leute sagen, wir kennen die schönsten Plätze, nur verraten wir niemandem, wo sie sind. Meiner Meinung nach findet die sowieso jeder, der wirklich sucht. Alle anderen interessiert es vermutlich nicht, am Wochenende mit der Familie durch den Dreck und den Matsch einer alten Werkhalle zu stapfen. Mir macht das Spaß. Und ich erkläre in meinen Filmen immer, wo ich gewesen bin.“

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REPORTAGE

Bjoern Herings Filme sind im Onlineportal Youtube zu finden. Einfach „Dortmunder Klabauter“ ins Suchfeld eingeben.

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Es geht um ein Recht auf Stadt \\ Das ist ihm wichtig. Letztlich geht es um nicht weniger als die Frage nach einem Recht auf Stadt. „Das fordere ich ein, ja. Ich akzeptiere die totale Durchprivatisierung nicht. Ich zerstöre keine Dinge, ich würde niemals eine Tür auf brechen. Aber ich möchte an gewissen Dingen partizipieren. Wenn sich jemand im fünfzehnten Stockwerk jeden Morgen den Sonnenaufgang ansehen kann, weil dort oben im Büro sein Schreibtisch steht, dann möchte ich zumindest das Dach betreten dürfen. Es ist ja nun mal da. Die Stadt gehört uns allen.“

Verborgene Keller im Birkenwald \\ Um verborgene Winkel zu entdecken, muss man in jeder Hinsicht wach sein. Nur dann kann einem die rostige Tür auffallen, die einen Spalt weit offen steht. Oder der schmale Durchgang zwischen zwei Mauern. Oder die nicht verriegelte Luke im Treppenhaus eines höheren Gebäudes. Man sollte auch seinen Blick für die Vegetation schärfen, verrät uns Hering. Ein Birkenwald in unserer Region beispielsweise wäre ein ziemlich sicheres Indiz für eine Brache. Naturgemäß würden die Bäume als Pioniergehölze verlassene Industrieareale erobern und da, zwischen ihren Stämmen, fände man häufig noch Baracken, Schuppen oder Einstiege in ehemalige Kellerräume. Das mag nicht immer legal sein, Bjoern Hering hält es zumindest für legitim. „Man sieht allerorts vorgefertigte Wege. Dazwischen ist alles privatisiert. Aber unsere Stadt ist in so vielen Dimensionen aufgebaut. Ein Jahrhunderte altes, komplexes System. Immer wieder aufgebaut, immer wieder demontiert. Schicht um Schicht um Schicht. Und dazwischen gibt es Gänge und Löcher, die man nutzen kann, wenn man sie nutzen möchte. Ich denke, dass es unser Recht ist, zu erfahren, wo wir eigentlich leben, was sich hinter der nächsten Ecke des Wohnblocks befindet oder hinter der Betonwand mit dem Lüftungsgitter, welches an dieser Stelle eigentlich keinen Sinn macht. Und wenn ich dann oben auf einem Dach sitze und runterschaue, dann bin ich glücklich. Dann bin ich ganz ich selbst.“

Verwunschene Schönheiten \\ Auch das ist ein Punkt, den er während unseres Streifzugs mehrfach anspricht. Er beobachtet nicht nur konzentriert die Stadt nebst ihrer Infrastruktur, sondern auch die Menschen, die sich dort bewegen. Und die fahren mit dem SUV zum Einkaufen und tragen Outdoor-Kleidung, als hätten sie ein Überlebenstraining im Urwald zu absolvieren. Nicht alle, aber ein permanent wachsender Teil. Eine gewisse Schizophrenie ließe sich durchaus konstatieren, welche freilich im urbanen Lifestyle kaum noch auffällig ist. „Ich denke, dass es dabei um Fluchtwelten geht, um das erkaufte Gefühl, naturverbunden zu sein“, meint Hering. „Ich vermute hier eine ganz tief verwurzelte Sehnsucht, für die gerade Großstadtbewohner besonders anfällig sind. Man benötigt ja Fluchtplätze für sich selbst. Vor allem in der Stadt, wo man auf Schritt und Tritt von Menschen umgeben ist. Aus ähnlichen Gründen schafft man sich einen kuscheligen Wohnraum, weit über die eigenen Bedürfnisse hinaus, obwohl ja im Grunde genommen 30 Quadratmeter reichen würden. Da wäre vielen geholfen, dann wäre Platz für alle vorhanden, die jetzt weit unter diesem Niveau leben müssen.“

Dortmunder Klabauter \\ Bjoern Hering findet seine Ruheräume im Abseits. Dort ist er, zu seiner Verblüffung, manchmal doch nicht allein. Unlängst traf er sogar auf eine Hochzeitsgesellschaft, die offenbar der Ästhetik und dem morbiden Charme einer Industrieruine erlegen war und mittels entsprechender Fotos den behauptet schönsten Tag im Leben festzuhalten gedachte. Er zeigt uns eine Rampe, die sich Skater gebaut haben. Und Graffiti, sagt er, fände man tatsächlich überall. Auch in dieser Szene gehe es unter anderem darum, immer neue Plätze zu entdecken. Und zu markieren. Er selbst hinterlasse keinerlei Spuren. Er würde filmen. Seine Absicht sei es, die oftmals verwunschene Schönheit zu dokumentieren, sie als „Dortmunder Klabauter“ anderen zugänglich zu machen. „Dieser Name hat sich einfach ergeben. Er gefällt mir, weil ein Klabautermann auf einem Schiff ja eine eher unsichtbare Figur ist. Ich mag auch das Koboldhafte an ihm. Ich bin jetzt vierzig, spüre aber noch das Kindliche in mir. Jeder kennt doch das Gefühl, etwas abseits des Erlaubten entdeckt zu haben. Nichts Wertvolles. Nichts Radikales. Es ist nur dieses kribbelige Gefühl – und es ist sehr schön, zu spüren, dass das noch nicht verloren gegangen ist.“

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BÜCHER

Gelesen von Daniel Sadrowski und Bastian Pütter

Wie bald ist bald?

Lebendig halten

Risse

„In diesem Buch sagen wir die Zukunft voraus. Zum Glück ist das ziemlich einfach. Das machen die Leute andauernd. Mit der Vorhersage richtig zu liegen, ist ein bisschen schwieriger, aber mal ehrlich: Juckt das jemanden?“

Die Gedanken sind frei in Anne Franks Tagebuch, das sie an ihre imaginäre Brieffreundin Kitty schreibt. Versteckt vor den Nazis in Amsterdam, richtet sie ihren reifen und poetischen Blick auf die Welt um sie herum – mit viel Gefühl und Humor. Sie beschließt, ihr Tagebuch nach dem Krieg zu veröffentlichen, aber das Versteck wird verraten und alle bis auf ihren Vater kommen im Holocaust um. Als er die Aufzeichnungen veröffentlichte, wurden sie zum Mahnmal gegen Menschenrechtsverbrechen und Annes Schicksal wurde zum Symbol für Millionen.

Das spanische Reporterduo Carlos Spottorno (Fotos) und Guillermo Abril (Text) bereiste von 2014 bis 2016 Europas Außengrenzen – von Afrika, der spanischen Enklave Melilla, bis nach Lappland ins finnische Ivalo, Europas nördlichsten Grenzpunkt. Sie treffen auf sechs Meter hohe, fast unüberwindbare Zäune, sind bei einer Flüchtlingsrettungsaktion im Mittelmeer dabei und besuchen immer wieder Auffanglager an Europas Grenzen. Sie begleiten die Flüchtlingstrecks auf der Balkanroute ebenso wie militärische Manöver in der Ukraine. In ihrer Reportageserie für „El País Semenal“ stoßen Spottorno und Abril immer wieder auf Risse in der EU. Für die Geflüchteten bedeutet Europa die sichere Welt, während es außerhalb gefährlich für sie ist.

Die Weinersmiths sind ein ungewöhnliches Paar: sie Doktorin der Biologie und Spezialistin für die Verbindung von Popkultur und Wissenschaft, er Comiczeichner und Organisator eines Festivals für höheren wissenschaftlichen Blödsinn. Gemeinsam widmen sich die Eltern zweier Kinder „10 revolutionären Technologien, mit denen alles gut wird oder komplett den Bach runter geht“, wie es im Untertitel heißt. Es geht um Bergbau auf Asteroiden, Fusionsenergie, Organe aus dem 3D-Drucker, Roboter auf dem Bau oder um GehirnComputer-Schnittstellen. Inhaltlich seriöser Wissenschaftsjournalismus trifft auf eine kindliche Neugier an den Herausforderungen sogenannter Zukunftstechnologien und einen fröhlich-verrückten Erzählstil. Dabei sind die Weiner-smiths in ihren Beurteilungen durchaus nicht immer einer Meinung, und hin und wieder tragen sie ihren Dissenz in Comicstrips aus, bevor es weitergeht im Text. Ein kluger, inspirierender Spaß. (bp) Kelly und Zach Weinersmith Bald! ISBN 978-3-446-25676-7 Hanser | 22 Euro

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Um die Sprengkraft ihrer Gedanken lebendig zu halten, baten Unicef und der Anne Frank Fonds die beiden renommierten Autoren Ari Folman und David Polonsky (Waltz with Bashir), ihre Geschichte in eine Graphic Novel zu übertragen und sie so jungen Zielgruppen zu vermitteln. Dicht am Originaltext haben sie einen vielschichtigen Rhythmus zwischen Bildern und Textpassagen geschaffen. Eine Adaption, die dem Tagebuch der Anne Frank noch einmal eine neue Dimension phantasievoller, dramatischer und atmosphärischer Bilder hinzufügt. Sie ist außerdem eine begeisternde Anstiftung, auch das Original noch einmal zu lesen. (ds) Das Tagebuch der Anne Frank Graphic Diary. Umgesetzt von Ari Folman und David Polonsky ISBN 978-3-10-397253-5 S. Fischer | 20 Euro

Das daraus entstandene Buch „Der Riss“ ist kein klassisches Fotobuch geworden, sondern eine Graphic Novel. Die Fotos sind grafisch bearbeitet und zu einem Comicstrip montiert. Dazu ein reflektierender und berichtender Text. Einfach zu lesen ist der spannende und komplexe Comic über den Zustand Europas, der traurig stimmt. Winston Churchills Rede von 1946 über die Vision eines vereinten friedlichen Europas steht als mahnender Einstieg den Reportagen voran, um zu zeigen, wofür es sich lohnt, die Risse zu kitten. (ds) Guillermo Abril, Carlos Spottorno Der Riss ISBN 978-3-945034-65-1 Avant | 32 Euro


Eine Frage, Herr Voss…

Hat Bochum wirklich so viele Kneipen? „Bochum ist außergewöhnlich in Bezug auf die räumliche Dichte, nicht was die absolute Menge oder die Qualität der Kneipen angeht“, sagt der Stadtplaner Dr. Arnold Voss. Verglichen mit Metropolen wie Berlin hat Bochum zwar weniger Kneipen – aber auch deutlich weniger Einwohner. Pro Kopf gerechnet hat Bochum einer Studie zufolge jedoch die höchste Kneipendichte Deutschlands. Verantwortlich dafür ist vor allem ein Bochumer Viertel: das Bermudadreieck. Eine umfassende Geschichte des Bermudadreiecks hat Stadtplaner Dr. Arnold Voss im Ruhrbarone-Blog aufgeschrieben: „Die B3E-Story“.

Kneipen, Bars und Restaurants sind dort Tür an Tür gereiht. Nachtschwärmer können aus Dutzenden Etablissements wählen. Vor gut einem halben Jahrhundert sah der Stadtteil noch ganz anders aus – ein Bermudadreieck gab es nicht. „Das ist durch Pioniere entstanden“, erklärt Arnold Voss. 1962 wurde die Ruhr-Universität gegründet, mit ihr wurde Bochum zur Studentenstadt. Der im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstörte Hauptbahnhof war zuvor einige hundert Meter östlich am heutigen Standort neu gebaut worden. Im ehemaligen Bahnhofsviertel entstand ein Vakuum. „Gleichzeitig gab es ein Bedürfnis und Leute, die etwas tun wollten.“

Die Anfänge des Bermudadreiecks sind stark mit der aufkeimenden Studentenbewegung der 60er und 70er-Jahre verknüpft. „Es wurde etwas geschaffen, das vorher in Bochum nicht da war, in diesem Sinne war das sehr alternativ“, sagt Arnold Voss. Bis in die 90er Jahre hinein sei das Bermudadreieck auch gastronomisch außergewöhnlich gewesen. Die bundesweite Branche habe anerkennend auf das Viertel geschaut.

Pro Kopf gerechnet hat Bochum einer Studie zufolge die höchste Kneipendichte Deutschlands. Vom alternativen Touch der Anfangsjahre sind heute nur noch Bruchstücke erhalten. Aus Pionieren wurden Geschäftsleute. Die Kommerzialisierung des Bermudadreiecks folge Gesetzmäßigkeiten, die auch in Berlin oder New York zu beobachten gewesen seien, so Voss. „Wenn das halten soll, muss es Geld einspielen“, erklärt der Stadtplaner. Und das tut es. Das Bermudadreieck ist längst zu einem Anziehungspunkt auch für Besucher aus dem Umland geworden – und damit auch wirtschaftlich bedeutend für Bochum. (fh)

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INTERVIEW

Der seit 2011 andauernde Krieg hat weite Teile Syriens mit Tod und Zerstörung überzogen. Hunderttausende Menschen sind gestorben, Millionen geflohen. Ein Syrien ohne Krieg ist für viele nicht mehr vorstellbar. Lutz Jäkel hat es noch sehr genau vor Augen. Fast zwanzig Jahre lang bereiste der Historiker, Islamwissenschaftler und Fotojournalist das Land immer wieder. Seine Fotos zeigen ein Syrien voller Geschichte und Kultur. Aus ihnen ist jetzt ein Buch entstanden: Syrien – Ein Land ohne Krieg. Text: Felix Huesmann | Fotos: Lutz Jäkel, Felix Huesmann

D

as Fotobuch hat Jäkel gemeinsam mit Lamya Kaddor herausgegeben. Die Islamwissenschaftlerin und Publizistin ist selbst Kind syrischer Einwanderer. Daneben schildern 14 weitere Autorinnen und Autoren ihre prägendsten Erlebnisse aus Syrien. Sie vereinen ganz verschiedene Sichtweisen auf das kriegsgeplagte Land. Als Menschen, die dort geboren und aufgewachsen sind, als Reisende oder Journalisten. Entstanden ist ein Buch, das ein vielseitiges und lebenswertes Syrien zeigt, abseits politisch-religiöser Verwerfungen und kriegerischer Zerstörung. Nach zwei Semestern Islamwissenschaft in Hamburg sind Sie 1993 zum ersten Mal nach Damaskus gegangen. Was war das Syrien, das Sie damals kennengelernt haben, für ein Land? Es war ein vielfältiges und offenes Land, aber gleichzeitig natürlich eine Diktatur. Daran krankt Syrien noch immer, das hat die Leute 2011

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auf die Straße getrieben. Man musste sich allerdings erst auf das Land einlassen, um das wirklich zu merken. Die Leute waren zum einen total weltoffen. Auf der anderen Seite mussten sie immer aufpassen, was sie sagen und wem sie etwas sagen. Ich habe in den gut 20 Jahren, in denen ich nach Syrien gereist bin, auch immer wieder den Einfluss der Geheimdienste gespürt, habe gesehen, wie Leute auf der Straße festgenommen wurden. Das war immer ein diktatorisches Land und keine freie Gesellschaft. Über Politik wurde also nicht gesprochen? Doch, aber versteckt, wie man das in Diktaturen eben macht. Das war ja in der DDR genauso. Wenn man über Hafiz al Assad, den Vater des jetzigen Machthabers sprach, dann nannte man ihn immer Karl Heinz. Es wurde verklausuliert


Syrien vor dem Krieg über Politik gesprochen, aber selten wirklich direkt. Und bevor etwas offener gesprochen wurde, haben die syrischen Freunde einen erstmal abgeklopft und man selbst hat die syrischen Freunde abgeklopft. Wenn dann irgendwann, oftmals über Jahre, eine Vertrauensbasis entstanden ist, wurden die Gespräche auch offener. Man muss dabei klar zu unterscheiden wissen, zwischen dem Land und den Syrern mit ihrer reichen Kultur, ihrer reichen Geschichte und ihrer Offenheit auf der einen Seite und dem politischen System auf der anderen. Viele Menschen in Deutschland haben Syrien erst seit dem Krieg wirklich im Blick. Wie viel hat das hier vorherrschende Syrien-Bild mit der Realität zu tun? Der Nahe Osten war für viele in Deutschland schon immer nur mit Bürgerkriegen, Gewalt, Terror und Islamismus verknüpft. Wenn ich den Leuten erklärt habe, dass ich in Syrien gelebt habe, wurde ich nicht selten mit großen Augen angeguckt

und gefragt: „Wie kann man das? Hast du nicht jeden Tag Angst gehabt?“ Es ist für die Leute zum Teil schwer zu verstehen, dass es dort trotz aller Probleme und Konflikte einen normalen Alltag gab und dass die arabische Welt sehr vielfältig ist. Oft wird sie aber als monolithischer Block wahrgenommen. Man konnte das sehen, als es 2002 einen Anschlag auf eine Synagoge auf Djerba in Tunesien gab. Danach brach in Syrien der Tourismus zusammen. Und man fragt sich: Was hat Tunesien jetzt mit Syrien zu tun? Wir erleben das auch heute, wenn wir über Flüchtlinge reden, über den Islam, über Islamismus und Extremismus. Da wird leider kaum noch unterschieden. Viele haben Angst vor den Flüchtlingen,

Lutz Jäkel, Historiker, Islamwissenschaftler und Fotojournalist.

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INTERVIEW

Syrien. Ein Land ohne Krieg Lutz Jäkel, Lamya Kaddor ISBN: 978-3-89029-493-3 Malik Verlag | 45 Euro

die aus Syrien zu uns kommen. Dabei sah die Realität ganz anders aus. Syrien war für mich immer ein Land, in dem man sehen konnte, wie verschiedene Ethnien und Religionen überwiegend friedlich miteinander und nebeneinander gelebt haben. Gerade die großen Städte sind ein gutes Abbild dafür. Sie sind eine Mischung aus traditionellen, genauso wie moderneren und liberalen Lebensentwürfen. In Damaskus und Aleppo kann man junge Frauen in engen Jeans und knappen Blusen sehen, die Hand in Hand mit ihren Freundinnen in langen Mänteln und Kopftuch durch die Stadt laufen. Die eine macht es so und die andere so. Es gibt in Damaskus sehr konservative Stadtteile, wo man nur Frauen mit Kopftuch sieht, und Stadtteile, in denen man fast gar keine Frau mit Kopftuch sehen kann.

Viele der Gebäude und Denkmäler, die Sie fotografiert haben, sind mittlerweile zerstört. Wie viel von der Kultur und der Gesellschaft, die Sie beschreiben, werden künftige Generationen noch erleben können? Das ist wirklich schwer zu sagen. Ich war im März 2011 zum letzten Mal in Syrien, kurz vor dem Beginn der ersten Demonstrationen. Da war BenAli in Tunesien gestürzt und Mubarak in Ägypten. Ich hätte aber nie gedacht, dass es in Syrien so weit kommt. Demonstrationen und Aufstände vielleicht. Aber dass das Land in so einen fürchterlichen Krieg zerfällt, hätte ich nicht für möglich gehalten. Daher wage ich heute auch keine wirkliche Prognose mehr. Ich hoffe aber und möchte auch glauben, dass von dieser offenen und toleranten Gesellschaft mit ihrer jahrtausendealten Geschichte etwas erhalten bleibt. Aber natürlich ist vieles zerstört worden, nicht nur die Kulturdenkmäler. Palmyra ist zerstört worden und der alte Souk von Aleppo. Das kann man alles wieder aufbauen, auch wenn es nicht mehr dasselbe sein wird. Aber aufzubauen, was in den Menschen zerstört worden ist, wird viel länger dauern. Wir haben jetzt bereits eine fast verlorene Generation, weil Kinder über Jahre hinweg nicht in die Schule gehen können. Sie wieder an einem normalen Leben teilhaben zu lassen und ihnen eine Schulbildung zukommen zu lassen, ist eine riesige Aufgabe. Es wird lange dauern, bis das wieder auf die Beine kommt.

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SOZIALES

Vor dem Verfall

Vier Monate nach der Räumung des Wohnkomplexes „Hannibal“ in Dortmund will der EigentĂźmer das Gebäude stilllegen. Der Mieterverein fĂźrchtet den Verfall des Hauses und will die SchlieĂ&#x;ung verhindern. Von Alexandra Gehrhardt Foto: Sebastian Sellhorst

Im September war es, als die Stadt das Gebäude binnen weniger Stunden räumen lieĂ&#x;. Mehr als 750 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen, weil die Stadt wegen erheblicher Brandschutzmängel Lebensgefahr sah. Der EigentĂźmer, die Kapitalgesellschaft InTown Property Management, bezeichnet die Räumung nach wie vor als rechtwidrig. Schon in der Vergangenheit hatte die Firma immer wieder mit Instandhaltungsstau und Immobilienmängeln Schlagzeilen gemacht. Die Sanierung des „Hannibal“ wĂźrde nach Schätzungen bis zu zwei Jahre dauern. Wer Recht hat, werden wohl Gerichte klären mĂźssen, und das dĂźrfte Jahre dauern – Jahre, in denen das Gebäude verfällt und MieterInnen die RĂźckkehr verwehrt bleibt. Die angedrohte SchlieĂ&#x;ung wĂźrde bedeuten, dass der Wohnkomplex von Strom, Gas und Wasser abgetrennt wird. FĂźr die Mieter werde es auĂ&#x;erdem keine ZutrittsmĂśglichkeiten mehr geben, so InTown in einer Mitteilung. Ohne Heizung und Wasser verfällt die Bausubstanz schnell. Das fĂźrchtet auch der Mieterverein und versucht, die SchlieĂ&#x;ung per VerfĂźgung abzuwehren. Die jetzigen Mieter haben davon allerdings nichts mehr. Sie wurden aufgefordert, bis Monatsmitte all ihre Wohnungen auszuräumen.

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Felicitas Bergmann / Delphine Bergmann

Krimskrams und Co. Besondere und alltägliche Gegenstände in der Kindertherapie und Elternberatung Dieses Buch zeigt, was BĂźroutensilien wie Klebezettel oder Briefumschläge, Ausrangiertes wie alte Fernbedienungen oder GewĂźrzgläser und allerlei Krimskrams wie Servietten oder MĂźnzen mit Therapie zu tun haben kĂśnnen. Es stellt darĂźber hinaus besondere Gegenstände und Materialien vor, deren Einsatz bestimmt Erstaunen, eine grĂśĂ&#x;ere Aufmerksamkeit UND EINEN BLEIBENDEN %INDRUCK BEIM +LIENTEN HINTERLASSEN s "REITES !NWENDUNGSGEBIET 'EDACHT FĂ R DIE 4HERAPIE UND "ERATUNG VON +INDERN *UGENDLICHEN UND IHREN "EZUGSPERSONEN s 'ESCHRIEBEN AUS DER 0RAXIS FĂ R DIE 0RAXIS GEEIGNET FĂ R +INDER UND *UGENDLICHENPSYCHOTHERAPEUTEN 6ERHALTENSTHERAPEUTEN PSYCHOLOGISCHE 0SYCHOTHERAPEUTEN SYSTEMISCHE Berater und Therapeuten sowie solche, die sich noch in der therapeutischen Ausbildung befinden, ebenso fĂźr weitere PĂ‹DAGOGISCH THERAPEUTISCHE "ERUFE s 3CHNELLES .ACHSCHLAGEN 'EGENSTĂ‹NDE NACH 4HEMENBEREICHEN SORTIERT 0IKTOGRAMME ZUR JEWEILIGEN :IELGRUPPE UMFANGREICHES 3TICHWORTVERZEICHNIS UND VIELE ANSCHAULICHE &OTOS s 6IELE )NTERVENTIONEN DIE verschiedene Sinneskanäle ansprechen und so schwer Verständliches greifbarer und eindrĂźcklicher machen. vml

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LESERPOST & MEINUNGEN

BODO-SHOP

Begegnungen

Schöne Dinge, die Sie bei uns auch kaufen können: für sich, für Freunde, für unsere Verkäufer. Erhältlich in unserem Dortmunder Buchladen und in unserer Bochumer Anlaufstelle oder auf Wunsch per Post. Bestellen Sie per Mail oder kommen Sie vorbei. Wir freuen uns auf Sie.

1|2 1 | Machen Sie uns wetterfest! Eine Regenjacke für einen bodoVerkäufer. Spenden Sie eine Jacke gegen Wind und Regen für einen Verkäufer des Straßenmagazins.* 10 Euro

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2 | Ziehen Sie uns warm an! Ein Kapuzenpullover für einen bodo-Verkäufer. Mit Ihrer Spende ermöglichen Sie die Anschaffung eines warmen Kapuzenpullovers.* 15 Euro 3 | „Brüchige Biografien“ Dokumentarfilm 79 Minuten. bodo-Sonderheft A5 inkl. DVD. 2,50 Euro 4 | Ein halbes Jahr bodo! Verschenken Sie ein Gutscheinheft für sechs Ausgaben des Straßenmagazins. Das faire Abo: zum Einlösen direkt bei unseren Verkäufern auf der Straße. 15 Euro 5 | Schenken Sie Lesefreude! Ein Geschenkgutschein für unseren Buchladen. Auswahl aus 10.000 Romanen, Krimis, Koch-, Sachund Kinderbüchern, frei wählbar. ab 10 Euro 6 | bodo zum Umhängen! Tasche aus LKW-Plane mit Schultergurt aus Autosicherheitsgurt, Maße 29 x 19,5 x 8 cm. 29,90 Euro

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* Alle unsere Verkäufer erhalten

einen Kapuzenpullover und eine Regenjacke als Verkaufskleidung. Ermöglicht wird dies mit Ihrer Spende. Sie erhalten auf Wunsch eine Spendenbescheinigung.

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bodo e.V. Schwanenwall 36 – 38, 44135 Dortmund Tel. 0231 – 950 978 0 | info@bodoev.de Mo. – Fr. 10 – 18 Uhr | Sa. 10 – 14 Uhr www.bodoev.de VE RSAN D MÖGL ICH

Liebe bodos! Eben las ich Eure schöne, neue Zeitung! Danke! Da ist mir die Geschichte von Gerd eingefallen. Sie hat sich auf dem Hauptfriedhof […] ‚zugetragen‘. Gerd wohnte bei uns, er hat in den Sozialräumen unseres Unternehmens übernachtet. Irgendwann hatte Gerd verschlafen! Eigentlich war Gerd immer schon um 6 Uhr morgens aus der einsamen Unterkunft verschwunden. Nun hatte er verschlafen! Die Mitarbeiter kamen. Sie öffneten die einfache Holztür mit dem einfachen Schloss, und dort lag Gerd, in seinem Schlafsack! Schnell freundeten sie sich an. Von nun an gehörte Gerd zu uns! Morgens hatte er schon Kaffee und Tee gekocht, bevor die Kolleginnen und Kollegen kamen. Um kurz vor 7 Uhr saß er neben dem Vorarbeiter, gleich neben der Tür, und drehte sich seine Zigaretten für den Tag. Dann fuhr er mit dem Fahrrad in die Stadt. Zum Geburtstag erhielt er warme Kleidung, und die kleinen Feste innerhalb der Belegschaft begleitete er. Ein Kollege hat ihm auch eine Anschrift gegeben. Irgendwann hatte Gerd dann einen Schlaganfall. Das war noch nicht ganz so schlimm, Gerd erholte sich! Er fuhr weiterhin mit seinem Rad von der einsamen, einfachen Unterkunft in die Stadt und ging frohen Mutes seiner Wege! Nach dem 3. Schlaganfall hat Gerd das Rad dann nur noch geschoben. Nach dem 4. Schlaganfall besuchten ihn die Kollegen dann ab und zu im Altenheim. Sehr lange ist das her, die ‚Bude‘ gibt es nicht mehr, auch viele der Kolleginnen gibt es nicht mehr! Aber die Geschichte von unserem Gerd gibt es noch! Oft denken wir an Gerd und freuen uns! M.S., Gärtnermeister

bodo-Relaunch Liebe bodos, das Straßenmagazin ist wirklich mittlerweile sehr ansehnlich geworden. Man hat nicht mehr das Gefühl: „Hauptsache, ich gebe etwas für einen guten Zweck, der Inhalt ist nicht so wichtig“. Weiter so! Eine Sache finde ich aber sehr verbesserungsfähig, nämlich den Schriftgrad der Artikel. Der ist ja so winzig, dass besonders ältere Leser wie ich große „Erkenntnisprobleme“ haben. Ich spreche nicht von Großdruck, aber ein bisschen lesbarer wäre schon schön und würde bei dem hohen Weißanteil, den die Seiten zurzeit haben, bestimmt zu verwirklichen sein. Mit freundlichen Grüßen, E. F.


Lösungswort: Eiswind

RÄTSEL

Ausverkauft – das waren unsere Ausgabestellen im Dezember und im Januar. Mit dem Kauf der bodo unterstützen Sie mehr als 150 VerkäuferInnen – vielen Dank! Wir möchten aber auch, dass Sie bodo gerne lesen; sagen Sie uns, was wir besser machen können! Ihre Meinung ist uns wichtig.

Schreiben Sie uns: redaktion@bodoev.de Telefon: 0231 – 950 978 0

bodos Arbeit Liebes bodo-Team, seit Jahren kaufe ich die Straßenzeitung, lese sie mit großem Interesse und unterhalte mich auch häufig mit „meinen“ Verkäufern. Ich finde die Arbeit von bodo großartig. In meinem Lebensumfeld habe ich eher weniger Berührungspunkte mit Menschen in Notlagen und habe über Ihre Zeitung und auch durch die Freundlichkeit und Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter viel Neues gelernt. Es ist eine Sache, anonym zu spenden, ohne dass man konkret mitbekommt, wo das Geld landet und wen es überhaupt erreicht. Bei bodo ist das nicht so. Ich erfahre ganz konkret, welche Dinge mit einer Spende für Winterjacken oder Schlafsäcke oder auch mit dem Geld aus dem Zeitungsverkauf erreicht werden. Somit hoffe ich, ein wenig dazu beitragen zu können, den Menschen auf der Straße oder in Notsituationen zu helfen, damit sie wieder Fuß fassen können. Die Unterhaltungen, seien sie auch kurz, versetzen mich immer wieder in Erstaunen. […] Es schärft meinen Blick für das, was wir als Selbstverständlichkeit hinnehmen […] Ach ja… in der Zeitschrift würde ich persönlich gerne noch mehr über Bochum lesen, wenn möglich. Beste Grüße, B.S.

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KULTUR

„Flammende Köpfe“ heißt der sehenswerte Abend, den der Regisseur und Performer Arne Vogelgesang im Februar wieder im Studio des Schauspiels Dortmund zeigt. Seine „VideoLecture-Performance“ ist Aufklärung, Einordnung und künstlerische Umformung der allgegenwärtigen Wut und des Hasses, die gerade in Videobotschaften im Internet kursieren und den politischen Diskurs beschädigen. Von Max Florian Kühlem Foto: Birgit Hupfeld

Internetvideos und Theater – wie gehen diese Medien zusammen? Das Theater ist natürlich ein sehr langsames Medium. Du hast den ganzen Apparat, der sich immer wieder neu justieren muss. Für alles, was Tagesaktualität angeht, ist es wahrscheinlich sogar zu langsam. Aber obwohl in der sehr beschleunigten digitalen Medienmaschinerie jeden Tag etwas Neues hochgespült wird, ist die politische Dynamik dahinter ja nicht so schnell. Der Prozess dessen, was jetzt Rechtsruck genannt wird, schwelt schon lange. „Flammende Köpfe“ wird als VideoLecture-Performance bezeichnet. Wie würdest du den Abend in deinen eigenen Worten beschreiben? In einer Kritik wurde er mal als „theatraler Essay“ bezeichnet. Das fand ich sehr schön, weil Essay so eine Zwischenform ist: Es ist keine aktuelle Neuigkeit, sondern ein Versuch, über etwas nachzudenken und trotzdem irgendwie

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Botschaften aus den Filterblasen

an der Gegenwart dranzubleiben. Die Form ist ein Vortrag. Ich bin als ich selbst, als Vortragender, auf der Theaterbühne mit dem Gestus von Informationsvermittlung, Vermittlung von Hintergründen. Ich versuche, Zusammenhänge herzustellen und gehe auch mal in der Zeit zurück bis 2011, um zu zeigen, was an Menschenmobilisierung und auch an Selbstmobilisierung für die populistische, patriotische Sache über die neuen Medien passiert. War 2011 das Jahr, in dem Wut und Hass wieder salonfähig wurden im politischen Diskurs? Ich fange in diesem Jahr meine Erzählung darüber an, was die Rolle von Internet und Protest angeht: Der Arabische Frühling, Occupy – das sind große Bewegungen, die nicht möglich gewesen wären ohne die Verbindung zu den sozialen Medien. Und gleichzeitig war das ein Punkt, wo auch so richtige Hardcore-Neonazis angefangen haben, sich mit diesen neuen Medien zu

beschäftigen und hippe Propaganda zu machen. Davon profitiert die heutige rechte Bewegung sehr stark. Sorgen die Mittel selbst, also die schnellen, sozialen Medien, die heute fast jedem zur Verfügung stehen, für das Unbehagen, die Wut und den Hass, die sich dann in Videobotschaften „besorgter Bürger“ ausdrücken? Ich glaube, zum Teil ist das so. Man hat es mit einem Übermaß an widerstreitenden Information und Bildern zu tun. Diese Diagnose gab es allerdings auch schon vorher: Mit dem Problem der Komplexität hat sich die Soziologie schon vor dem Internet-Zeitalter beschäftigt. Das Internet ist eben ein riesiges Repräsentationsmedium. Es stellt auf eine unglaublich schwer überschaubare Weise all das dar, was passiert, und verstärkt es. Du hast diese wahnsinnige Vielfalt und dann brauchst du Filter, um damit klar zu kommen. Die servieren dir Facebook und Youtube selbst, damit du länger verweilst: „Aha, du


magst Ausländerfeindlichkeit, dann könnte dich dieses Video interessieren.“

Was sind typische Sätze oder Haltungen?

Wie kommst du selbst in diese Filterblasen rein?

Für die rechte Szene sind im Moment ganz wichtig: „Wir leben in einer Meinungsdiktatur“, „Es gibt eine liberale Verschwörung gegen die Wahrheit“, „Wir müssen uns gegen die Eliten erheben – sie wollen das deutsche Volk auslöschen“. Obwohl man in der Regel sehr antiamerikanisch ist, wird das oft mit Hollywood-Filmen wie „Matrix“ belegt und illustriert. Da schluckt der Protagonist eine rote Pille, um die Wahrheit über seine betrügerische Wirklichkeit zu sehen. Den Moment des „Erwachens“ oder „Aufwachens“ findest du in fast jedem Video, den Moment, in dem die Videomacher bereit waren, ihre normale bürgerliche Existenz aufs Spiel zu setzen: „Ihr könnt mich kündigen, egal, ich kämpfe jetzt für Deutschland.“

Das ist nicht schwer. Du schaust dir ein paar dieser Videos an, und dann schlägt dir Youtube immer mehr vor. Das, was man Filterblasen nennt, sind ja keine abgeschlossenen Räume. Mir geht es um das Öffentliche, um das Demokratische an diesen Medien. Alles, was ich sehe und zeige, können sich die Theaterzuschauer auch selbst ansehen. Oder produzieren. Im Stück verwende ich hauptsächlich das Genre der Videobotschaften: Leute, die sich zu Hause oder irgendwo im Freien vor die Kamera stellen. Da geht es viel um „Gesicht zeigen“, um die Selbstpräsentation als „normaler deutscher Bürger“.

Hast du eine Idee, woher der Zweifel an der Politik und den etablierten Medien rührt? Ich glaube, es hat damit zu tun, dass die Vorherrschaft des Westens langsam zu Ende geht, und da gibt es natürlich Abwehrreaktionen. Auf der anderen Seite haben wir seit dem Ende des Kalten Krieges keine sehr verteilungsfreudige Politik. Viel von dieser Unzufriedenheit hat die Rechte jetzt gekapert oder versucht, sie zu kanalisieren. Sie versucht, die Frustration der einen gegen die Schwäche der anderen auszuspielen.

Flammende Köpfe Studio im Schauspielhaus Dortmund 15. Februar um 20 Uhr 25. Februar um 18.30 Uhr www.theaterdo.de

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VERKÄUFERGESCHICHTEN

„Ich war überrascht, wie gut ich verkaufen kann“ Fast jeden Morgen pünktlich um zehn kommt Marcus in unsere Anlaufstelle im Verkäufercafé in der Dortmunder Schwanenstraße. Seit Oktober ist er bodo-Verkäufer in der Dortmunder Innenstadt. Nach einem gemeinsamen Frühstück im bodo-Verkäufercafé hat Marcus uns mit zu seinem Verkaufsplatz auf dem Westenhellweg genommen. Text und Foto: Sebastian Sellhorst

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Als wir losgehen, bemerken wir den kleinen Klapphocker, den Marcus immer bei sich trägt. Darauf angesprochen, beginnt er zu erzählen: „Vor zwei Jahren hatte ich einen schweren Arbeitsunfall und bin zusammen mit einer großen Glasscheibe von einem Gerüst gefallen. Seitdem kann ich nicht mehr in meinem alten Beruf als Türen- und Fensterbauer arbeiten. Meinen Hocker habe ich eigentlich immer mit dabei. Laufen geht zwar mittlerweile wieder ganz gut, nur lange stehen ist nicht so toll. Ich hoffe, dass ich bald alle bürokratischen Hürden hin zu meiner Frühverrentung genommen habe.“ Nach mehreren Monaten im Krankenhaus und einer kurzen Phase, während der er gebettelt habe, sei er über einen anderen bodo-Verkäufer beim Straßenmagazin gelandet. „Benjamin verkauft auch hier in Dortmund. Der hat mich immer mal wieder gefragt, ob ich nicht auch Lust hätte, zu bodo zu kommen. Ich solle es doch mal probieren. Anfangs war ich noch skeptisch, aber dann hab ich es einfach mal probiert und war überrascht, wie gut ich verkaufen kann.“ Jetzt fährt Marcus fast jeden Tag aus Hörde erst zu bodo, um von dort in die Stadt zu gehen. Mit dem Sozialticket gehe das eigentlich ganz gut. Die 37,80 Euro, die er im Moment zahle, müsse er erst mal aufbringen. Aber es sei auf jeden Fall besser, als jedes Mal ein Einzelticket zu kaufen.

Während wir gemeinsam über den Westenhellweg gehen, grüßt Marcus immer wieder Bekannte oder Stammkunden der vergangenen Monate. „Den Trubel hier muss man schon mögen.“ Es vergehe kaum ein Tag, an dem er keinen Polizeieinsatz beobachten könne. „Mindestens einmal am Tag sehe ich, wo irgendwo ein Ladendieb festgehalten wird“, erzählt er. „Aber ich finde es eigentlich ganz nett, wenn viel los ist.“ Als uns eine Gruppe Straßenmusiker entgegen kommt, muss Marcus lachen. „Wenn die neben mir sind, wird es manchmal etwas anstrengend. Aber eigentlich kennt man die meisten Leute, die hier auf dem Westenhellweg unterwegs sind.“ Ab nächsten Monat wird Marcus auch als Stadtführer bei bodos sozialen Stadtführungen aktiv werden und regelmäßig allen Interessierten die anderen Seiten Dortmunds präsentieren. „Zwei Mal habe ich die Stadtführung schon begleitet. Bald werde ich dann wohl selbst den Leuten die verschiedenen Einrichtungen zeigen können.“ An seinem Verkaufsplatz angekommen baut Marcus seinen Hocker auf und löscht seine Zigarette in seinem extra angeschafften Taschenaschenbecher und beginnt mit dem Verkauf. „Ich hoffe, es bleibt trocken. Wenn es regnet, kann ich das mit dem Verkauf abhaken. Nicht, weil mich das Wetter sonderlich stört. Aber wenn es regnet, hat halt einfach niemand Lust, stehen zu bleiben.“


Anzeige Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband Westliches Westfalen e.V.

Martin Kaysh schreibt für die Arbeiterwohlfahrt

Ich werde alt. Vor zehn Jahren erschien meine erste Glosse hier in der BoDo. Das Ganze ist eine Kooperation mit der AWO, weshalb ich im Bezirk einen Ansprechpartner habe, Rolf. Das heißt: hatte. Jetzt hört er auf. Rente. Schön ist das nicht, für mich. Wir hatten so was wie Giovanni di Lorenzo und Helmut Schmidt bei der Zeit, dort entstand die Kolumne „Auf eine Zigarette“. Wir hatten das auf Lokalebene. Früher war das mehr als eine Zigarette während des monatlichen Telefonats (ich habe aufgehört), es waren mir wichtige Minuten, verschwenderisch am anderen Ende der Leitung, in der Verwaltung eines Wohlfahrtsverbandes. Aber in der Verschwendung wächst Kreatives. Wir redeten über mögliche Themen, dann über den BVB, Rockmusik, Politik, Hamburg, das Leben. Auch der nächste Abschied hat mit der AWO zu tun. Mein Kabarettpartner, „Martini“ Eickmann, hört auf beim Geierabend, der andere AWO-Oppa. Auf der Bühne sind wir ein Seniorenpaar voll anarchischer Lebensfreude, nie griesgrämig, schon gar nicht reaktionär. Wir haben das mehr als 25 Jahre gemacht. Mit jedem Auftritt sind wir dem Spielalter näher gekommen. Jetzt wird er Rentner, Großvater sind wir beide schon. Er ist auch Musiker. James Last wurde mal, da war er schon Martin Kaysh (Geierabend) schreibt jeden Monat in bodo für die AWO.

über achtzig, nach der Rente gefragt. Seine Antwort: „Rente?! Ich bin Musiker!“ Das bedeutet zweierlei: Kreative haben selten so vorgesorgt, dass sie mit 65 schaukelstuhlreif wären. Sie sind es auch geistig nicht. Man hört bei uns nicht

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Sie Mitgli Werden auch in der AWO!

auf, nur weil man ein bestimmtes Kalenderblatt abreißt.

eder die AWO Je mehr Mitgli hr kann sie in hat, desto me ft bewirken. der Gesellscha en nn sie Mensch Desto eher ka fe brauchen. helfen, die Hil

Hanns-Joachim Friedrichs, Mister Tagesthemen, hatte sich für seine letzte Sendung eine Reportage über einen frisch renovierten Eisenbahn-Salonwagen zurückgelegt. Ich bin mir sicher, er tat es nur wegen der Anmoderation: „So ist es gut. Nicht mehr täglich auf Linie, aber noch lange nicht beim alten Eisen.“ Das den Kollegen zum Abschied.

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Unterbezirk Dortmund

Unterbezirk Ruhr-Mitte

Unterbezirk Unna

Klosterstraße 8-10 • 44135 Dortmund 0231 - 99 340

Bleichstraße 8 • 44787 Bochum 0234 - 96 47 70

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